Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V - GRUR

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Deutsche Vereinigung für
                                                                                           gewerblichen Rechtsschutz und
                                                                                                        Urheberrecht e.V.
                                                                                                                       Der Generalsekretär

Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V.
Theodor-Heuss-Ring 32 . 50668 Köln
                                                                                                             Theodor-Heuss-Ring 32
                                                                                                             50668 Köln
    Bundesministerium der Justiz                                                                             Telefon +49(0)221 78959-330
    und Verbraucherschutz                                                                                    Telefax +49(0)221 78959-340
    Herrn Jörg Rosenow                                                                                       E-Mail office@grur.de
    Referat III B 5                                                                                          www.grur.org
    Mohrenstr. 37
    10117 Berlin

    E-Mail: IIIB5@bmjv.bund.de
                                                                                                                 7. Dezember 2020

                                        Stellungnahme
                des Fachausschusses für Wettbewerbs- und Markenrecht der GRUR
   zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbrau-
   cherschutz zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschut-
                    zes im Wettbewerbs- und Gewerberecht

Sehr geehrter Herr Rosenow,

1. wie Sie wissen, ist die Deutsche Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheber-
       recht e. V. (Deutsche Vereinigung) eine als gemeinnützig anerkannte wissenschaftliche Verei-
       nigung der auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts tätigen
       Wissenschaftler und Praktiker. Sie bezweckt nach ihrer Satzung die wissenschaftliche Fortbil-
       dung des gewerblichen Rechtsschutzes und die Unterstützung der gesetzgebenden Organe
       sowie der zuständigen Ministerien und Institutionen in Fragen des geistigen Eigentums und
       des Lauterkeitsrechts.

2. Die europäische Kommission hat im Rahmen des Projekts "New Deal for Consumers" eine
       umfassende Eignungsprüfung des Verbraucher- und des Marketingrechts in der europäischen
       Union durchgeführt und festgestellt, dass mehrere verbraucherschützende Rechtsakte der EU
       der Modernisierung bedürfen und zudem die Möglichkeiten zur Durchsetzung des Verbrau-
       cherschutzrechts verbessert werden müssen. Zu diesem Zweck hat das europäische Parla-
       ment und der Rat die Richtlinie (EU) 2019/2161 zur besseren Durchsetzung und Mo-
       dernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union erlassen, die bis zum 28. Novem-
       ber 2021 in nationales Recht umzusetzen ist.
                                                                                                                                             1 / 14

                                         Die Zeichen GRUR und die grüne Farben sind eingetragene Marken der Vereinigung.
3. Zur Umsetzung der Richtlinie hat das Ministerium nunmehr einen Referentenentwurf eines
  "Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht" vor-
  gelegt. Das BMJV hat uns die Gelegenheit eingeräumt, zu diesem Entwurf Stellung zu neh-
  men, was wir nachfolgend gerne tun:

                                        I. § 1 Abs. 2 RefE

4. Der Entwurf sieht vor, § 1 UWG durch eine Vorrangregel zu ergänzen, der zufolge „Vorschrif-
  ten zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen […] im Fall un-
  terschiedlicher Rechtsfolgen den Regelungen dieses Gesetzes [also des UWG] vorgehen“.
  Damit soll nach der Begründung Art. 3 Abs. 4 UGP-RL ins deutsche Recht umgesetzt und vor
  allem bei Informationspflichten im Bereich neuer Medien klargestellt werden, dass spezielle
  Pflichten, beispielsweise aufgrund des EU-Medienrechts, dem UWG vorgehen.

5. Damit wird allerdings übersehen, dass im deutschen Recht der in der Praxis überragend wich-
  tige Rechtsbruchtatbestand (§ 3a UWG) die Funktion hat, Regelungen außerhalb des UWG,
  die nur öffentlich-rechtlich, strafrechtlich oder berufsrechtlich sanktioniert sind, zur zivilrechtli-
  chen Durchsetzbarkeit zu verhelfen. Eines von sehr vielen Beispielen ist das Heilmittelwerbe-
  gesetz (HWG), das nur straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen vorsieht, aber
  ausdrücklich das UWG unberührt lässt (§ 17 HWG) und regelmäßig von Verbänden oder Ver-
  braucherschutzinstitutionen mit Ansprüchen aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG durchgesetzt
  wird.

6. Jedenfalls bei wörtlichem Verständnis des § 1 Abs. 2 RefE wären außerlauterkeitsrechtliche
  Normen insgesamt, also einschließlich ihrer Rechtsfolgenanordnungen, gegenüber dem UWG
  vorrangig. Damit wären zivilrechtliche Ansprüche, die erheblich zur effektiven Durchsetzung
  dieser Vorschriften beitragen, ausgeschlossen. Ein derart massiver Eingriff in das Lauterkeits-
  recht ist wohl nicht beabsichtigt und wäre, wenn er denn beabsichtigt sein sollte, sowohl in
  sachlicher Hinsicht aber auch deshalb abzulehnen, weil dies einer eingehenden vorherigen
  Diskussion bedürfte, die bislang in keiner Weise erfolgt ist.

7. Art. 3 Abs. 4 UGP-RL bedarf nicht der Umsetzung, weil er den Anwendungsbereich der UGP-
  RL regelt, aber keinerlei Vorgaben zur Reichweite des nationalen Rechts macht. Insbesonde-
  re enthalten bisher nur wenige EU-Rechtsakte eine abschließende Regelung der Rechtsfolgen.
  Nur soweit dies der Fall ist – wie beispielsweise von einer verbreiteten, aber umstrittenen An-
  sicht für die DSGVO angenommen – ist es dem deutschen Recht verwehrt, den Verstoß ge-
  gen Normen, die spezielle Aspekte des unlauteren Wettbewerbs regeln, als unlauter i.S.d. § 3
  Abs. 1 oder 2 UWG zu beurteilen.

8. Soweit der Entwurf konkret spezielle Informationspflichten mit unionsrechtlicher Grundlage,
  wie sie beispielsweise für Influencer relevant sind, anspricht, so berücksichtigt er Art. 7 Abs. 5
  UGP-RL, bisher umgesetzt in § 5a Abs. 4 (künftig § 5b Abs. 4 RefE), nicht hinreichend. Art. 7
  Abs. 5 UGP-RL bezieht Informationspflichten aufgrund anderer EU-Verordnungen und Richtli-                2 / 14
nien in den Anwendungsbereich der UGP-RL ein. Beispielsweise sind in Anh. II UGP-RL die
    Informationspflichten der Art. 5, 6 der E-Commerce-RL, umgesetzt in §§ 5, 6 TMG aufgeführt.
    Diese Pflichten sind also gem. § 5a Abs. 4 UWG wesentlich, ihre Verletzung ist gem. § 5a Abs.
    2 UWG unlauter. Würde jetzt ausgerechnet das TMG, wie laut Entwurfsbegründung vorgese-
    hen, dem UWG vorgehen, so würde diese Verweisungskette durchbrochen, und § 1 Abs. 2
    RefE führte zu einem richtlinienwidrigen Ergebnis.

 9. § 1 Abs. 2 RefE ist also zumindest in Teilen unionsrechtswidrig und führt zu potentiell erhebli-
    chen Kollateralschäden. Er sollte ersatzlos gestrichen werden.

              II. Definitionskatalog des § 2 – § 2 Abs. 1 Nr. 1 Nr. 6 und Nr. 7 RefE

10. Der Referentenentwurf sieht vor, den Definitionskatalog des § 2 UWG um Bestimmungen zum
    "Online-Marktplatz" (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 RefE) und zum "Ranking" (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 RefE) zu er-
    weitern. Die Erweiterung erfolgt in Umsetzung der RiLi (EU) 2019/22161 und ist als solche
    nicht zu beanstanden. Wir regen jedoch dringend an, es bei der gegenwärtigen Nummerie-
    rung des Definitionskatalogs zu belassen und die Ergänzungen und den Online-Marktplatz
    und das Ranking an das Ende der Definitionsbestimmungen anzufügen. Die nunmehr vorge-
    sehene alphabetische Ordnung ist sachlich unerheblich, erschwert allerdings künftig durch die
    damit verbundene Änderung der Nummerierung ein Arbeiten mit dem Gesetz, eine Arbeit mit
    dem das geltende Recht zitierenden Rechtsprechung sowie der dazu vorhandenen Literatur.
    Es fällt zudem auch durchaus ins Gewicht, dass der für die Anwendbarkeit des UWG zentrale
    Begriff der "geschäftlichen Handlung" gegenwärtig an erster Stelle des Definitionskatalogs er-
    scheint und danach die ebenfalls besonders wichtigen Begriffe der Markteilnehmer und der
    Mitbewerber behandelt sind.

                 III. Anpassung des Anh. zu § 3 Abs. 3 und Streichung des
                                         § 7 II Nr. 1 UWG

11. Die Anpassung des Anhangs zu § 3 III UWG an Anh. I der UGP-RL ist uneingeschränkt zu
    befürworten. Die bisherigen Abweichungen des deutschen Rechts standen in einem Span-
    nungsverhältnis zu Art. 5 Abs. 5 UGP-RL, dem zufolge die „schwarze Liste“ „einheitlich in al-
    len Mitgliedstaaten gilt“. Die Einordnung der Nr. 26 Anh. I UGP-RL in § 7 UWG war systema-
    tisch unzutreffend, weil es sich nach der UGP-RL um eine aggressive Praktik handelt. Ag-
    gressive Geschäftspraktiken sind aber scharf von den in § 7 UWG geregelten belästigenden
    Praktiken zu unterscheiden. Letztere schützen nicht die Entscheidungsfreiheit, sondern, je-
    denfalls im Fall von Verbrauchern, die Privatsphäre. Die „Umsortierung“ der Nr. 31 Anh. I
    UWG-RL unter die irreführenden Praktiken (als Nr. 17 Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG) steht im Wi-
    derspruch zu der später durch den EuGH vorgenommenen systematischen Verortung (EuGH,
    Urt. v. 18. 10. 2012, Rs. C-428/11 – Purely Creative). Die nun vorgesehene, von kleinen und
    unschädlichen Umformulierungen abgesehen identische Übernahme des Anh. I UGP-RL ein-
    schließlich seiner Ergänzungen durch die RL 2019/2161 beseitigt daher alle Zweifel an der          3 / 14
Vereinbarkeit des bisherigen deutschen Sonderwegs mit dem Unionsrecht und dient zugleich
    der Rechtsklarheit. Es wäre allerdings zu erwägen, auf Überschriften zur Blacklist zu verzich-
    ten, weil auch die UGP-RL solche Überschriften nicht vorsieht, jedenfalls sollte die Überschrift
    mit großen Buchstaben beginnen.

             IV. Irreführung durch Vermarktung von "Dual Quality"-Produkten
                                        (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 RefE)

12. Die (Omnibus-) Richtlinie Nr. 2019/2061/EU enthält keine Informationen über den Umfang und
    die Eigenart EU-differenter Markenwaren. Sie verweist in ihrem Erwägungsgrund Nr. 52 ledig-
    lich auf die Bekanntmachung der Kommission vom 29. September 2017 „Zur Anwendung des
    EU-Lebensmittel- und Verbraucherschutzrechts auf Fragen der Produkte von zweierlei Quali-
    tät — Der besondere Fall der Lebensmittel“. Auch dort finden sich keine Rechtstatsachen, die
    Auskunft über den Regelungsbedarf geben könnten. Der Bekanntmachung ist lediglich zu
    entnehmen, dass der Anwendungsbereich des neuen Irreführungsverbots vor allem die Ver-
    marktung von Lebensmitteln betrifft. Gerade für Lebensmittel ist jedoch eine Differenzierung
    der Produktzusammensetzung nach geschmacklichen Präferenzen der Bevölkerung eines
    Mitgliedstaates oder bei lokal unterschiedlicher Produktion der Zugriff auf lokale Zutaten und
    damit eine objektive Rechtfertigung für eine Produktdifferenzierung vorstellbar. Der Rege-
    lungsbedarf ist aus EU-Sicht zweifelhaft.

13. In der deutschen Praxis dürften die meisten Dual-Quality-Fälle bereits an der Relevanzklausel
    des § 5 Abs. 1 UWG scheitern. Die Bedeutung der Relevanzklausel wird dabei noch dadurch
    hervorgehoben, dass sie sich in § 5 Abs. 1 ganz am Anfang der Regelungen zum Irrefüh-
    rungsverbot findet.

14. Die RL (EU) 2019/2161 sieht allerdings in ihrem Art. 3 Nr. 3 eine zwingende Umsetzung der
    "Dual Quality"-Regelung vor. Die Umsetzung ist in § 5 Abs. 3 Nr. 2 RefE fast wortlautgleich er-
    folgt, sodass gegen die Umsetzung als solche keine Bedenken bestehen.

                                       V.   §§ 5a, 5b RefE

15. Der Entwurf sieht in § 5a RefE eine Verallgemeinerung des bisherigen § 5a Abs. 2 UWG und
    seine Erstreckung auf B2B-Verhältnisse vor. Speziell für das B2C-Verhältnis geltende Infor-
    mationspflichten werden in § 5b RefE ausgelagert. Diese Gesetzgebungstechnik erscheint
    sinnvoll. Sie entspricht der „überschießenden“ Umsetzung der anderen Kernbestimmungen
    der UGP-RL: Auch §§ 5 und 4a UWG gelten nicht nur, wie durch Art. 6, 8 UGP-RL vorge-
    schrieben, im B2C-Verhältnis, sondern darüber hinaus auch im B2B-Verhältnis. Zwar sind re-
    gelmäßig Verbraucher schutzbedürftiger als sonstige Marktteilnehmer, doch diesen unter-
    schiedlichen Anforderungen lässt sich im Rahmen der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 5a
    Abs. 1 RefE Rechnung tragen. Insbesondere benötigen sonstige Marktteilnehmer weniger In-
                                                                                                       4 / 14
formationen als Verbraucher (§ 5a Abs. 1 Nr. 1 RefE) und werden weniger leicht zu einer ge-
    schäftlichen Entscheidung veranlasst, die sie andernfalls nicht getroffen hätten (§ 5a Abs. 1
    Nr. 2 RefE). Die Aufteilung in allgemeine Grundsätze (§ 5a RefE) und spezielle Regelungen
    für das B2C-Verhältnis (§ 5b RefE) ist also systematisch sinnvoll und erhöht die Rechtsklar-
    heit. Sie ist zu begrüßen.

16. Die neu in § 5b RefE eingefügten Abs. 2 und 3 sind inhaltlich teilweise problematisch, weil ein
    Spannungsverhältnis zwischen Transparenzpflichten und Geheimnisschutz besteht und weil
    Abs. 3 indirekt dazu führen kann, dass den Unternehmer anlasslose allgemeine Filter- und
    Überwachungspflichten treffen. Diese Problematik ist aber in RL 2019/2161 angelegt. Dem
    deutschen Gesetzgeber fehlt insofern ein eigener Umsetzungsspielraum, so dass der Entwurf
    insoweit nicht zu beanstanden ist.

                    VI. Die Sondervorschrift für das Influencer-Marketing
                                     (§ 5a Abs. 4 S. 2 RefE)

17. Problematisch ist allerdings aus verschiedenen Gründen die geplante Spezialregelung für das
    Influencer-Marketing (§ 5a Abs. 4 S. 2 RefE). Hier sei zunächst an die Stellungnahme der
    GRUR zum Regelungsvorschlag des BMJV zur Abgrenzung nichtkommerzieller Kommunika-
    tion zur Information und Meinungsbildung von geschäftlichen Handlungen vom 13.03.2020
    (abgedruckt in GRUR 2020, 592) erinnert. Obwohl seinerzeit unter den Mitgliedern des Fach-
    ausschusses keine Einigkeit darüber bestand, wie weit die Kennzeichnungspflichten von In-
    fluencern gehen sollten, hat der Ausschuss einhellig von einer Spezialregelung zum jetzigen
    Zeitpunkt aus drei Gründen abgeraten. Erstens sollte eine derartige Detailfrage der Klärung
    durch die höchstrichterliche Rechtsprechung überlassen bleiben. Zweitens erwiesen sich inso-
    fern möglicherweise Vorschriften des EU-Medienrechts als vorrangig. Drittens wurde die For-
    mulierung der geplanten Regelung im Einzelnen kritisiert.

18. An dieser Einschätzung hat sich nichts geändert. Nach wie vor teilen einige Mitglieder des
    Fachausschusses das Anliegen des BMJV, die Pflichten für Influencer einzuschränken, wäh-
    rend andere Mitglieder weitergehende Pflichten befürworten. Aber nach wie vor besteht Einig-
    keit über die oben genannten Einwände.

19. Erstens steht eine höchstrichterliche Klärung der Rechtslage bevor. Mehrere Oberlandesge-
    richte haben inzwischen Influencer-Fälle entschieden (OLG München, Urt. v. 25.6.2020 – 29 U
    2333/19; OLG Karlsruhe, Urt. v. 09.09.2020 – 6 U 38/19; KG, Urt. v. 8.1.2019 – 5 U 83/18, al-
    lerdings im Verfügungsverfahren). Gegen das Urteil des OLG München, möglicherweise auch
    gegen weitere Urteile, wurde inzwischen Revision eingelegt. Sollte der BGH die Ansicht des
    OLG München und des KG bestätigen, die im Sinne des Referentenentwurfs entschieden ha-
    ben, so bestünde kein gesetzlicher Handlungsbedarf.

20. Zweitens sind unionsrechtlich möglicherweise medienrechtliche Informationspflichten vorran-
    gig. Das Anliegen, das § 1 Abs. 2 RefE zugrunde liegt und das in seiner Allgemeinheit oben        5 / 14
kritisiert wurde, erweist sich hier als berechtigt. Bisher hatte der EuGH keine Gelegenheit zur
    Klärung, ob und inwieweit die Informationspflichten des Medienrechts einen Rückgriff auf die
    UGP-RL sperren. Jede nationale Regelung in diesem Bereich läuft Gefahr, sich nach einem
    Urteil des EuGH als entweder unionsrechtswidrig oder als überflüssig zu erweisen.

21. Drittens bestehen auch gegen die nunmehr vorgeschlagene Formulierung gewichtige Einwän-
    de. § 5a Abs. 4 S. 2 RefE soll nur Handlungen betreffen, die ausschließlich zugunsten eines
    fremden Unternehmens vorgenommen werden. Influencer sind aber gerade, wie in der Recht-
    sprechung schon vielfach festgestellt, auch in eigener Sache unternehmerisch tätig, bei-
    spielsweise weil sie die Absicht verfolgen, Werbe- oder Model-Verträge einzuwerben. Damit
    handeln Influencer zumindest potentiell auch zugunsten des eigenen Unternehmens. Ob das
    der Fall ist, muss letztlich der EuGH entscheiden, weil das Handeln zugunsten des eigenen
    Unternehmens nach dem im Entwurf zitierten Urteil des EuGH v. 17.10.2013, Rs. C-391/12 –
    RLvS Verlagsgesellschaft (GRUR 2013, 1245) in den Anwendungsbereich der UGP-RL fällt.
    In der Tat haben einige Gerichte schon wegen der Förderung des eigenen Unternehmens
    strenge Kennzeichnungspflichten für Influencer bejaht (so das o.g. Urteil des OLG Karlsruhe).
    Andere Gerichte haben Influencer im Anbetracht der Kommunikationsfreiheiten (Art. 11
    EUGRCh, 5 Abs. 1 GG) ebenso wie die Presse behandelt, deren redaktioneller Teil vorrangig
    der Meinungsbildung und nicht der eigenen Absatzförderung dient, und auf dieser Grundlage
    das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung verneint (so das OLG München und das KG in
    den o.g. Urteilen). Alternativ mag man zwar die geschäftliche Handlung bejahen, aber unter §
    5a Abs. 6 UWG den Umstand, dass Influencer hinsichtlich des eigenen Unternehmens (im
    Gegensatz zur Werbung für fremde Unternehmen) mit Gewinnerzielungsabsicht handeln, für
    offensichtlich halten, weil durchschnittliche Nutzer diese Absicht kennen. Die drei genannten
    Entscheidungsvarianten gehen aber sämtlich von der Überlegung aus, dass Influencer regel-
    mäßig nicht „aus-schließlich zugunsten eines fremden Unternehmens“ handeln. Daher droht §
    5a Abs. 4 RefE leerzulaufen.

22. Aus diesen Gründen ist von einer gesetzlichen Sonderregelung des Marktverhaltens von
    Influencern zum jetzigen Zeitpunkt abzuraten. Die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen
    durch den EuGH und den BGH sollte abgewartet werden.

            VII. Verbot einer Verletzung von Verbraucherinteressen (§ 5c RefE)

23. Die Vorschriften des neuen Art. 13 UGP-RL sind auf eine behördliche Durchsetzung des
    Lauterkeitsrechts zugeschnitten. In einem auf der privaten Rechtsdurchsetzung beruhenden
    System wie dem deutschen UWG sind sie ein Fremdkörper. Hier wirken die kostenpflichtige
    Abmahnung, die zu relativ hohen Streitwerten geführten Wettbewerbsprozesse, die Kostener-
    stattungspflicht des gerichtlich Unterlegenen und die Ordnungsgelder der Zwangsvollstre-
    ckung ähnlich abschreckend wie behördliche Bußgelder (wenn sie nicht sogar in ihrer Ge-
    samtheit wirksamer sind). Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass für die zusätzliche Ein-
    führung von Bußgeldtatbeständen in das deutsche UWG.                                              6 / 14
24. Die Gesetzesbegründung spricht dies in ihrem allgemeinen Teil unter der Überschrift „Sankti-
    onen“ an und schließt daraus zwar nicht ausdrücklich, aber hinreichend deutlich, dass im Be-
    reich der Sanktionen ein Umsetzungsbedarf nur hinsichtlich zwingender Vorgaben der Richtli-
    nie 2019/2016/EU besteht. Das ist überzeugend.

25. Der Schutz der Verbraucherinteressen wurde in die Schutzzwecktrias des § 1 UWG von 2004
    aufgenommen, um die schon damals von der Rechtsprechung entwickelte Interpretation des
    Schutzzwecke des deutschen Lauterkeitsrechts zu kodifizieren. Seither ist die Schutzzweck-
    trias des § 1 UWG unbestritten und bestimmt die Auslegung des Gesetzes.

26. Eine Sondervorschrift zum Schutz von Verbraucherinteressen wirkt vor diesem Hintergrund
    als Systembruch. Dies gilt erst recht, wenn sie sich nur auf spezifische Verbraucherinteressen
    in einem speziellen Zwischenstaatlichkeitskontext richtet, wie dies in § 5c RefE vorgesehen ist.
    Denn im bisherigen Regelungszusammenhang des UWG sind – abgesehen vom speziellen
    Mitbewerberschutz nach § 4 Nr. 3 UWG – alle Verbotstatbestände des UWG (auch) verbrau-
    cherschützend. Entsprechend ist der in der Begründung zu § 5c Abs. 1 RefE angesprochene
    „sozialethische Vorwurf“ auch nicht auf die dort speziell geregelten Fälle einer weiterverbrei-
    tenden oder mehrstaatlichen Verletzung beschränkt.

27. Vor diesem Hintergrund erscheint die Schaffung eines Anknüpfungstatbestandes auf der
    Grundlage von Verbraucherinteressen verfehlt. Dadurch entsteht zunächst eine systematisch
    nicht nachvollziehbare Doppelspurigkeit von einfach verbraucherschützenden und speziell
    verbraucherschützenden Tatbeständen im UWG. Insbesondere aber ist ein Sonderverbot un-
    ter Anknüpfung an weitverbreitete oder über die Grenzen einzelner Mitgliedstaaten hinaus
    verbreitete UWG-Tatbestände aus der Systematik des Gesetzes heraus nicht nachvollziehbar.

28. Auch im neuen UWG stehen die §§ 5, 5a und 5b unter dem Dach eines zum Transparenzge-
    bot ausgebauten Irreführungsschutzes. Dazu passt die Vorschrift des § 5c RefE nicht. Ihr fehlt
    der sachliche Kontext zum Irreführungsverbot/Transparenzgebot. Wenn möglich, sollte des-
    halb die Anknüpfungsnorm für die neue Bußgeldvorschrift des § 19 RefE -falls überhaupt er-
    forderlich - an anderer Stelle verankert sein.

29. § 5c Abs. 1 RefE soll die Funktion eines Anknüpfungstatbestandes erfüllen. Dabei wird die
    Beschränkung dieser Regelung auf die Fälle des weitverbreiteten Verstoßes und des Versto-
    ßes mit Unions-Dimension nicht klar, weil das Deutsche Lauterkeitsrecht bislang diese Fall-
    gruppen nicht kennt und nicht adressiert und weil die sehr technischen Formulierung in § 5c
    Abs. 1 RefE dazu auch keine weitere Aufklärung gibt.

30. Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie 2019/1061/EU verweist in seinem zwingenden Teil zum neuen Art.
    13 Abs. 3 UGP-RL auf die koordinierten Durchsetzungsmaßnahmen der zuständigen Behör-
    den zur Reaktion auf weitverbreitete Verstöße oder auf Verstöße mit Unionsdimension, wie sie
    näher in Artikel 21 der ZusammenarbeitsVO Nr. 2017/2394/EU beschrieben sind. Dieser Kon-
                                                                                                       7 / 14
text hat mit Verbraucherinteressen nichts zu tun. Der Sache nach geht es um die besondere
     Sanktionierung grenzüberschreitenden Verstöße.

31. Aus Sicht der GRUR ist eine gesonderte Anknüpfungsnorm für den neuen Bußgeldtatbestand
     des § 19 RefE verzichtbar. Die relevanten verbraucherschützenden Verbote sind bereits im
     bestehenden UWG enthalten. Ein besonderes Verbot der grenzüberschreitenden Begehungs-
     form, wie es derzeit letztlich aus § 5c Abs 1 i.V.m. § 5c Abs 2 Nr. 1-3 RefE abzuleiten ist, ist in
     seiner Normativität nicht überzeugend, weil dahinter eine Skalierung von Verboten durch-
     scheint, die es nicht geben kann. Die grenzüberschreiende unlautere Handlung kann nicht
     „verbotener“ sein als die Inlandshandlung, sie kann aber anders und weiter gehend sanktio-
     niert werden.

32. Ähnliches gilt für den in § 5c Abs. 2 Nr 4 RefE angesprochenen Fall der qualifizierten Wieder-
     holungstat durch Verstoß gegen eine behördliche Anordnung oder ein gerichtliches Verbot.
     Auch hier folgt der Verstoß bereits aus den materiellen verbraucherschützenden Vorschriften
     des UWG und auch hier wird nur eine qualifizierte Begehungsform unter Bußgeldandrohung
     gestellt.

33. Wir schlagen vor, § 5c RefE zu streichen. Die besonderen Tatbestandsvoraussetzungen für
     einen Bußgeldtatbestand könnten in einem neuen § 19 Abs. 1 UWG verankert werden (dazu
     Rn. 53 ff.).

                                   VIII. Schadensersatz gemäß § 9 RefE

34. Der RefE sieht vor, die bisherige Regelung des § 9 UWG in drei Absätze aufzuspalten. Ab-
     satz 1 übernimmt den bisherigen Schadensersatzanspruch der Mitbewerber aus § 9 Satz 1
     UWG. Das Presseprivileg aus § 9 Satz 2 UWG wird – mit redaktionellen Anpassungen – in § 9
     Abs. 3 RefE überführt. Neu ist ein individueller Schadensersatzanspruch von Verbrauchern in
     § 9 Abs. 2 RefE. Dessen Tatbestand setzt eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche
     Handlung voraus, die vorsätzlich oder fahrlässig begangen wird (Satz 1). Ausgeschlossen ist
     ein Schadensersatzanspruch bei unlauteren geschäftlichen Handlungen nach §§ 3a, 4 und 6
     UWG (Satz 2). Der Anspruch werde nach der Begründung des RefE „regelmäßig nur auf das
     negative Interesse“ gerichtet sein, doch könne „unter Umständen auch ein Anspruch auf Auf-
     hebung des Vertrages bestehen“.1

35. Der vom RefE vorgeschlagene individuelle Schadensersatzanspruch soll die Vorgaben aus
     Art. 11a UGP-RL umsetzen.

36. Art. 11a Abs. 1 UGP-RL verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, Verbrauchern, „die durch unlau-
     tere Geschäftspraktiken geschädigt wurden, (…) Zugang zu angemessenen und wirksamen
     Rechtsbehelfen“ zu verschaffen. Aus Art. 11a Abs. 2 UGP-RL folgt weiter, dass die von den
     Mitgliedstaaten vorzusehenden Rechtsbehelfe nicht die Anwendung anderer Rechtsbehelfe
                                                                                                           8 / 14
 1   Begründung zum RefE, S. 35.
berühren, „die den Verbrauchern nach dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht zur Ver-
     fügung stehen“. Der unverändert fortgeltende Art. 3 Abs. 2 UGP-RL bestimmt, dass die Richt-
     linie „das Vertragsrecht und insbesondere die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zu-
     standekommen oder die Wirkungen eines Vertrags unberührt“ lässt. Schließlich betonen Art.
     11a Abs. 1 Satz 2 UGP-RL sowie Erwägungsgrund 16 der Richtlinie (EU) 2019/2161, dass die
     Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für die Anwendung und die Folgen der Rechtsbehelfe
     festlegen können.

37. Aus diesen Vorgaben folgt, dass sich individuelle Verbraucherrechte bei unlauteren geschäft-
     lichen Handlungen in das Gesamtregelungssystem des Unionsrechts und des innerstaatlichen
     Rechts einfügen müssen. Geboten ist eine Berücksichtigung der bereits bestehenden Rechte
     und Ansprüche der Verbraucher. Zur Umsetzung von Art. 11a UGP-RL ist die Schaffung eines
     neuen Schadensersatzanspruchs von Verbrauchern unionsrechtlich daher nur insoweit gebo-
     ten, als die vorhandenen Schutzinstrumente, insbesondere des allgemeinen Vertrags-, Ver-
     braucherschutz- und Gewährleistungsrechts sowie des Deliktsrechts zum Schutz der Ver-
     braucher nicht ausreichen, also echte Schutzlücken verbleiben.

38. Angesichts der Vielzahl von Rechten und Ansprüchen im Bürgerlichen Recht kommen solche
     Schutzlücken – wenn überhaupt2 – nur in wenigen Konstellationen in Betracht. Die Begrün-
     dung des RefE nennt beispielhaft „Anlockfälle“3 oder aggressive Einflussnahmen gemäß § 4a
             4
     UWG.        In beiden und weiteren Fällen wäre vor der Schaffung eines neuen UWG-
     Schadensersatzanspruchs zunächst auszuloten, ob nicht das bestehende Recht bereits einen
     Schadensersatz ermöglicht. So kommt eine vorvertragliche Verschuldenshaftung gemäß §§
     280 Abs. 1 Satz 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB jedenfalls bei einer Vertragsanbahnung oder
     einem sonstigen Näheverhältnis in Betracht, während der bloße Werbekontakt zum Verbrau-
     cher typischerweise noch nicht ausreicht. Für Schäden außerhalb einer Vertragsbeziehung,
     z. B. bei Täuschungen im Verhältnis Verbraucher-Hersteller, ist an eine deliktische Haftung
     gemäß § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB zu denken.5

39. Nach Auffassung der GRUR müssen Regelungs- und Wertungskonflikte zwischen dem Bür-
     gerlichen Recht und einem Verbraucherschadensersatzanspruch vermieden werden. Diese
     können sich insbesondere ergeben, wenn der Schadensersatzanspruch die Freistellung vom
     Vertrag ermöglichen soll.

40. Ein Regelungskonflikt kann beispielsweise im Verhältnis zum Kaufrecht entstehen. Täuscht
     der Verkäufer oder unter den Voraussetzungen des § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB der Hersteller

 2   Die Frage ist bereits in der Vergangenheit vielfach und kontrovers diskutiert worden; siehe nur Ahrens, WRP
     1978, 677 ff.; Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 2002; Fezer, WRP 2003, 127 ff.; Köhler, GRUR 2003,
     265 ff.; Sack, GRUR 2004, 625 ff.; Weiler, WRP 2003, 423 ff. Das 1986 in das UWG eingeführte individuelle Rück-
     trittsrecht für Abnehmer (§ 13a UWG a. F.) wurde im Zuge der UWG-Novelle 2004 mangels praktischer Bedeutung
     wieder gestrichen.
 3   Gedacht ist z. B. an vergebliche Aufwendungen, die entstehen, wenn ein Verbraucher durch eine Täuschung veran-
     lasst wird, das Geschäft des Werbenden aufzusuchen.
 4   Begründung zum RefE, S. 35.
 5   Siehe dazu insbesondere die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zum „Dieselskandal“, BGH NJW 2020,
                                                                                                                       9 / 14
     1962 ff.
eines Produkts über dessen Beschaffenheit und erwirbt ein Verbraucher als Käufer ein man-
      gelhaftes Produkt, dann stehen dem Verbraucher gegen den Verkäufer die in § 437 BGB ge-
      nannten Gewährleistungsrechte zu. Diese Gewährleistungsrechte haben jeweils spezifische
      Voraussetzungen. So ist etwa eine Lösung vom Vertrag nur unter besonderen Voraus-
      setzungen (Fristsetzung, Fehlschlagen oder Unzumutbarkeit der Nacherfüllung 6 ) zulässig.
      Diese Regelungen gehen zurück auf die Vorgaben der Richtlinie 1999/44/EG,7 die zum 1. Ja-
      nuar 2022 von der vollharmonisierenden Richtlinie (EU) 2019/7718 abgelöst wird. Insbesonde-
      re Art. 13 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2019/7719 enthält ein ausdifferenziertes Regelungssys-
      tem, wann und unter welchen Voraussetzungen ein Käufer die Beendigung des Kaufvertrages
      verlangen kann bzw. eine solche Lösung vom Vertrag ausgeschlossen ist. Wenn sich ein Ver-
      braucher als Käufer im Falle einer Täuschung gemäß § 9 Abs. 2 RefE ohne eine Fristsetzung
      von dem Kaufvertrag lösen könnte, dann liefe das vom Unionsrecht geschützte Recht des
      Verkäufers zur zweiten Andienung praktisch leer. Zudem könnte sich der Käufer auch dann
      vom Kaufvertrag lösen, wenn dies nach den kaufrechtlichen Vorgaben gerade ausgeschlos-
      sen ist.10 Eine solche Regelung wäre mit Blick auf Art. 4 Richtlinie (EU) 2019/771 unions-
      rechtswidrig, weil danach das innerstaatliche Recht keine strengeren Vorschriften vorsehen
      darf, auch nicht, um Verbraucher zu schützen. Ferner entstünde ein Widerspruch, wenn § 9
      Abs. 2 RefE eine Lösung vom Vertrag innerhalb der Regelverjährung von drei Jahren zuließe
      (§ 11 Abs. 5 RefE), die Verjährung von Ansprüchen wegen eines Mangels jedoch nach dem
      Kaufrecht regelmäßig bereits nach zwei Jahren eintritt.11

41. Ein Wertungskonflikt könnte auch im Verhältnis zur Anfechtung gemäß § 123 BGB entstehen.
      Eine Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB setzt im Falle der Täuschung ein arglistiges, also
      vorsätzliches Verhalten voraus. Die höchstrichterliche Rechtsprechung lässt zwar in bestimm-
      ten Fällen einer fahrlässigen Täuschung bereits nach dem geltenden Recht eine Lösung vom
      Vertrag im Wege der vorvertraglichen Verschuldenshaftung zu,12 jedoch gilt dies nicht allge-
      mein, sondern nur unter besonderen Voraussetzungen.

42. Demgegenüber könnte sich ein Verbraucher nach § 9 Abs. 2 RefE bereits bei einfacher
      Fahrlässigkeit des Unternehmers aus einem Vertrag lösen. Darüber hinaus könnte § 9 Abs. 2
      RefE den Weg ebnen, auch bei Beeinflussungen im Sinne des § 4a Abs. 1 UWG13 eine Ver-
      tragsaufhebung anzustreben. Während § 123 Abs. 1 BGB eine Drohung voraussetzt, wäre

 6    Vgl. § 440 BGB.
 7    Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten
      des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. Nr. L 171/12.
 8    Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte ver-
      tragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie
      2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG, Abl. Nr. L 136/28.
 9    Nachfolgeregelung zu Art. 3 Abs. 5 Richtlinie 1999/44/EG.
 10   Dies gilt gemäß Art. 3 Abs. 6 Richtlinie 1999/44/EG und Art. 13 Abs. 5 Richtlinie (EU) 2019/771 für geringfügige
      Mängel.
 11   Vgl. § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB im geltenden Recht. Auch die Richtlinie (EU) 2019/771 geht gemäß Art. 10 und Erwä-
      gungsgrund 41 von einer Regelverjährung von zwei Jahren aus, lässt aber abweichende Regelungen zu.
 12   BGH NJW 1998, 302 ff.; NJW 1998, 898 ff.
 13   Neben der Nötigung benennt § 4a Abs. 1 Satz 2 UWG die Belästigung und die unzulässige Beeinflussung als Mittel
                                                                                                                         10 / 14
      einer aggressiven Einflussnahme.
nach § 9 Abs. 2 RefE schon bei weniger massiven Einwirkungen eine Lösung vom Vertrag
      möglich. Das Anfechtungsrecht muss binnen Jahresfrist ausgeübt werden (§ 124 Abs. 1
      BGB), demgegenüber wäre die Lösung vom Vertrag über § 9 Abs. 2 RefE innerhalb der re-
      gelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren möglich. Selbst wenn man die Regelung des §
      123 BGB für korrekturbedürftig hält, ist es nach Auffassung der GRUR nicht zweckmäßig, ei-
      nen dann erforderlichen Eingriff in die Kernregelungen des Vertragsrechts indirekt über das
      UWG vorzunehmen.

43. Weiterhin ist zu bedenken, dass sich bei einem auf Auflösung eines geschlossenen Vertrags
      gerichteten Anspruch der Verbraucher notwendigerweise die Frage nach der Rückabwicklung
      von bereits erbrachten Leistungen stellt. Hat ein Verbraucher beispielsweise eine Leistung
      vom Unternehmer erhalten, bevor er nach § 9 Abs. 2 RefE eine Lösung vom Vertrag begehrt,
      dann ist unklar, nach welchen Regeln die Rückerstattung vorzunehmen ist. Die Frage gewinnt
      beispielsweise Bedeutung, wenn sich die erhaltene Leistung beim Verbraucher verschlechtert
      oder untergeht. Haftet der Verbraucher dann auf Wertersatz? Insoweit sind weder dem UWG
      noch dem allgemeinen Schadensersatzrecht nähere Anhaltspunkte zu entnehmen. Erforder-
      lich wäre ein Wertungsabgleich mit den Rückerstattungsregelungen gemäß §§ 812 ff. BGB
      (bei Nichtigkeit/Anfechtung), §§ 346 ff. BGB (bei Rücktritt) und §§ 355, 357 ff. BGB (bei Wider-
      ruf).

44. Um die aufgezeigten Konflikte mit dem Bürgerlichen Recht sowie eine unionsrechtswidrige
      Ausgestaltung des Schadensersatzanspruchs zu vermeiden, schlägt die GRUR vor, den Indi-
      vidualanspruch des Verbrauchers – wenn ein solcher Anspruch in das UWG aufgenommen
      werden soll – subsidiär auszugestalten oder auf eine solche Regelung ggf. ganz zu verzich-
      ten.

45. Anstelle des vom RefE vorgesehenen Individualanspruchs der Verbraucher, der in freier
      Konkurrenz 14 zu den vertrags- und deliktsrechtlichen Ansprüchen des Bürgerlichen Rechts
      steht, sollte der Verbraucherschadensersatzanspruch nur dann zur Anwendung kommen,
      wenn nicht andere Vorschriften zugunsten der Verbraucher eingreifen. Eine solche Subsidiari-
      tät stellt sicher, dass die bestehenden bürgerlich-rechtlichen Regelungen zu voller Geltung
      kommen, ihre Wertungen und Voraussetzungen aber nicht unterlaufen oder ausgehebelt wer-
      den.

46. Der Anwendungsbereich eines Individualschadensersatzanspruchs von Verbrauchern wäre
      bei einer solchen Regelung den Fällen vorbehalten, in denen das Bürgerliche Recht keinen
      Schutz gewährt oder in denen der für einen Verbraucher entstandene Schaden bzw. Nachteil
      (z. B. vergebliche Aufwendungen, ein Vermögensschaden oder die Bindung an einen uner-
      wünschten Vertrag) von einer bestehenden Norm nicht erfasst und der Ausgleich dieses
      Nachteils nach dem Schutzzweck dieser Norm nicht ausgeschlossen wird. Demgegenüber
      sollte ein Individualschadensersatzanspruch nicht eingreifen, wenn das Bürgerliche Recht

                                                                                                         11 / 14
 14   So die Begründung zum RefE, S. 35.
Einschränkungen vorsieht, z. B. eine kurze Verjährungsfrist oder den Ausschluss einer Lö-
    sung vom Vertrag bei einer nur geringfügigen Pflichtverletzung. Denn solche Einschränkungen
    beruhen auf einer bewussten Interessenabwägung des Gesetzgebers, die durch § 9 Abs. 2
    RefE nicht umgangen werden sollte.

47. Formulierungsvorschlag für einen ergänzenden Satz 3 nach § 9 Abs. 2 Satz 2 RefE:

    „Der Anspruch besteht nicht, wenn Verbraucher nach anderen gesetzlichen Vorschriften den
    Ersatz des durch die unzulässige geschäftliche Handlung erlittenen Schadens verlangen kön-
    nen oder diese Vorschriften einen Ersatz des Schadens ausschließen.“

48. Als weitere Möglichkeit könnte erwogen werden, die Subsidiarität des im UWG zu verankern-
    den verbraucherrechtlichen Schadenersatzanspruchs auf vertragliche Ansprüche des Ver-
    brauchers zu beschränken, also eine freie Anspruchskonkurrenz des UWG Anspruchs ledig-
    lich zu sonstigen deliktischen Ansprüchen vorzusehen. Eine eingeschränkte Subsidiaritätsre-
    gelung in einem neu einzufügenden Satz 3 nach § 9 Abs. 2 S. 2 RefE könnte lauten:

    "Der Anspruch besteht nicht, soweit er sich auf Schäden erstreckt, die Verbraucher durch die
    Ausübung von ihnen zustehenden vertraglichen Rechten unter den dort vorgesehenen Vo-
    raussetzungen geltend machen können oder hätten geltend machen können."

49. Es ist zu begrüßen, dass unlautere geschäftliche Handlungen gemäß §§ 3a, 4 und 6 UWG
    vom Anwendungsbereich des § 9 Abs. 2 Satz 1 RefE nicht erfasst sind. § 4 UWG schützt al-
    lein die Interessen der Mitbewerber. § 6 UWG beruht ebenso wie § 3a UWG nicht auf den
    Vorgaben der UGP-RL und löst damit keinen Anpassungsbedarf mit Blick auf Art. 11a UGP-
    RL aus. In den Fällen des Rechtsbruchs richtet sich die Frage nach der Ersatzfähigkeit von
    individuellen Schäden zudem nach dem jeweiligen Schutzzweck der verletzten Marktverhal-
    tensregelung.

50. Der Übernahme des Haftungsprivilegs für Medien in § 9 Abs. 3 RefE ist zuzustimmen. Eine
    solche Regelung ist aufgrund der Wertungen der Grundrechte und der herausgehobenen Be-
    deutung von Medien gemäß Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 11 GR-Charta sowie Art. 10 EMRK gebo-
    ten. Angesichts der Veränderung der Medienlandschaft (zunehmende Medienkonvergenz)
    stellt sich allerdings die Frage, ob die Beschränkung auf verantwortliche Personen von perio-
    dischen Druckschriften noch sachgerecht ist. Die Regelung hat zur Folge, dass gleichartige
    Haftungsfälle unterschiedlich behandelt werden. Erscheint beispielsweise in einer Tageszei-
    tung eine irreführende Werbeanzeige, die der Verantwortliche fahrlässig nicht als eine solche
    erkennt, dann ist dessen Haftung gemäß § 9 Abs. 3 RefE ausgeschlossen. Erscheint der glei-
    che Werbeinhalt dagegen in einer Rundfunkwerbung, dann greift der Privilegierungstatbe-
    stand nicht ein. Diese Ungleichbehandlung ist bereits im geltenden Recht nicht gerechtfertigt.

51. Die Verjährungsregelung des § 11 Abs. 5 RefE ist überflüssig und zu streichen. Sie hat nur
    einen deklaratorischen Charakter. Für Ansprüche, die in § 11 Abs. 1 bis 4 RefE nicht erwähnt
    sind, folgt schon aus den allgemeinen Grundsätzen, dass mangels einer speziellen Verjäh-
    rungsregelung die regelmäßige Verjährungsfrist des BGB gilt. Dies betrifft auch den Scha-        12 / 14
densersatzanspruch der Verbraucher gemäß § 9 Abs. 2 RefE. Ein Wertungswiderspruch zu
      etwaigen kürzeren Verjährungs- und Ausschlussregelungen des Bürgerlichen Rechts kann
      durch die oben vorgeschlagene subsidiäre Ausgestaltung des Schadensersatzanspruchs der
      Verbraucher vermieden werden.

                                          IX. Bußgeld (§ 19 RefE)

52. Mit § 19 RefE macht der deutsche Gesetzgeber von dem durch Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie
      2019/1061/EU eröffneten Spielraum zur Erhöhung der Umsatzquote oder der Ausdehnung
      des Bemessungsmaßstabs vom mitgliedstaatlichen Umsatz über den EU-weiten auf den
      weltweiten Umsatz keinen Gebrauch. Das ist zu begrüßen. Wie bereits an anderer Stelle in
      der Gesetzesbegründung zutreffend angesprochen, besteht im deutschen Lauterkeitsrecht
      kein Durchsetzungsdefizit, welches durch ein schärferes Bußgeldrecht aufgefangen werden
      muss.

53. Ebenso ist es zu begrüßen, dass sich § 5c Abs. 2 RefE – offensichtlich aus verfassungsrecht-
      lichen Gründen – auf den sachlichen Verbotsrahmen der Art. 6 – 9 sowie die schwarze Liste in
      Anhang I zur UGP-RL beschränkt und damit von der Möglichkeit einer Selbstrestriktion des
      neuen Art 13 Abs. 3 lit a) der UGP-RL Gebrauch macht.

54. Mit den Vorgaben des Art. 13 Abs. 3 UGP-RL knüpft das Lauterkeitsrecht der Union an das
      unionskartellrechtliche Bußgeldrecht an. Der deutsche Gesetzgeber hat diesen Ansatz mit der
      7. Kartellnovelle des Jahres 2005 in den Bußgeldtatbestand des § 81 Abs. 4 GWB übernom-
      men. Die Frage, ob die Bußgeldbemessung in Anknüpfung an eine Umsatzquote als Höchst-
      grenze, als Kappungsgrenze oder als Obergrenze anzusehen ist, ist im Kartellrecht bis heute
      nicht verbindlich gelöst.15 Sie wird nunmehr ins Lauterkeitsrecht hineingetragen. Ebenso in
      das Lauterkeitsrecht hineingetragen wird die kartellrechtliche Diskussion um die verfassungs-
      rechtliche Zulässigkeit eines in seinem Tatbestand und seinem Sanktionsrahmen ähnlich weit
      gefassten Sanktionsrechts, welches mindestens auf der Rechtfolgenseite eine Anknüpfung an
      den tatbezogenen Umsatz nahelegt.16

55. Allerdings sind die Vorgaben des neuen Art. 13 Abs 3 UGP-RL insoweit verbindlich. Hier
      bleiben dem deutschen Gesetzgeber keine weiteren Alternativen und der Gesetzesentwurf
      nutzt bereits alle vorhandenen Spielräume zur Beschränkung eines allzu ausufernden und
      dem deutschen Recht fremden Bußgeldrechts aus.

56. Für die Berechnung der Bußgeldobergrenze ergibt sich aus Art. 13 Abs. 3 UGP-RL relativ klar,
      dass hier jeweils die Umsätze in den von einer grenzüberschreitenden Verletzungshandlung
      betroffenen Mitgliedstaaten maßgeblich sind. Dies ist dem § 19 Abs. 2 S. 2 RefE nicht mit
      gleicher Klarheit zu entnehmen.

 15   Vgl. exemplarisch MüKo-Vollmer, Rn137 zu § 81 GWB m.w.Nw.
                                                                                                      13 / 14
 16   Vgl. exemplarisch MüKo-Vollmer, Rn 142 ff zu § 81 GWB.
57. Die Vorschrift des § 19 Abs 1 RefE könnte bei Umsetzung unseres Vorschlags zur Integration
    der Regelung des § 5c RefE in § 19 RefE wie folgt lauten:

    Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

    1. eine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Absatz 3 in Verbindung mit dem Anhang
       vornimmt,
    2. eine aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a Absatz 1 Satz 1 vornimmt,
    3. eine irreführende geschäftliche Handlung nach § 5 Absatz 1 oder § 5a Absatz 1 vornimmt,
       soweit es sich um weitverbreitete Verstöße oder Verstöße mit Unions-Dimension im Sinne
       des Art. 3 Nr. 3 und 5 der Verordnung Nr. 2017/2394/EU über die Zusammenarbeit zwi-
       schen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen
       Behörden handelt;
    4. eine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Absatz 1 fortgesetzt vornimmt, die durch
       eine vollziehbare Anordnung der zuständigen Behörde im Sinne des Artikels 3 Nummer 6
       der Verordnung (EU) 2017/2394 oder durch eine vollstreckbare Entscheidung eines Ge-
       richts untersagt worden ist, sofern die Handlung nicht bereits von den Nummern 1 bis 3 er-
       fasst ist.

58. § 19 Abs. 2 RefE könnte klarstellend wie folgt ergänzt werden:

    (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu hunderttausend Euro geahndet
         werden. Gegenüber einem Unternehmer, der in den von dem Verstoß betroffenen Mit-
         gliedstaaten der Europäischen Union in dem der Behördenentscheidung vorausgegange-
         nen Geschäftsjahr mehr als zweieinhalb Millionen Euro Jahresumsatz erzielt hat, kann ei-
         ne höhere Geldbuße verhängt werden; diese darf 4 Prozent des in den betroffenen Mit-
         gliedstaaten erwirtschafteten Jahresumsatzes nicht übersteigen

  Dr. Gert Würtenberger                                   Dipl.-Ing. Stephan Freischem
       Präsident                                             Generalsekretär

                                                                                                    14 / 14
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