Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V - GRUR
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Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. Der Generalsekretär Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. Theodor-Heuss-Ring 32 . 50668 Köln Theodor-Heuss-Ring 32 50668 Köln Bundesministerium der Justiz Telefon +49(0)221 78959-330 und Verbraucherschutz Telefax +49(0)221 78959-340 Herrn Jörg Rosenow E-Mail office@grur.de Referat III B 5 www.grur.org Mohrenstr. 37 10117 Berlin E-Mail: IIIB5@bmjv.bund.de 7. Dezember 2020 Stellungnahme des Fachausschusses für Wettbewerbs- und Markenrecht der GRUR zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbrau- cherschutz zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschut- zes im Wettbewerbs- und Gewerberecht Sehr geehrter Herr Rosenow, 1. wie Sie wissen, ist die Deutsche Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheber- recht e. V. (Deutsche Vereinigung) eine als gemeinnützig anerkannte wissenschaftliche Verei- nigung der auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts tätigen Wissenschaftler und Praktiker. Sie bezweckt nach ihrer Satzung die wissenschaftliche Fortbil- dung des gewerblichen Rechtsschutzes und die Unterstützung der gesetzgebenden Organe sowie der zuständigen Ministerien und Institutionen in Fragen des geistigen Eigentums und des Lauterkeitsrechts. 2. Die europäische Kommission hat im Rahmen des Projekts "New Deal for Consumers" eine umfassende Eignungsprüfung des Verbraucher- und des Marketingrechts in der europäischen Union durchgeführt und festgestellt, dass mehrere verbraucherschützende Rechtsakte der EU der Modernisierung bedürfen und zudem die Möglichkeiten zur Durchsetzung des Verbrau- cherschutzrechts verbessert werden müssen. Zu diesem Zweck hat das europäische Parla- ment und der Rat die Richtlinie (EU) 2019/2161 zur besseren Durchsetzung und Mo- dernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union erlassen, die bis zum 28. Novem- ber 2021 in nationales Recht umzusetzen ist. 1 / 14 Die Zeichen GRUR und die grüne Farben sind eingetragene Marken der Vereinigung.
3. Zur Umsetzung der Richtlinie hat das Ministerium nunmehr einen Referentenentwurf eines "Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht" vor- gelegt. Das BMJV hat uns die Gelegenheit eingeräumt, zu diesem Entwurf Stellung zu neh- men, was wir nachfolgend gerne tun: I. § 1 Abs. 2 RefE 4. Der Entwurf sieht vor, § 1 UWG durch eine Vorrangregel zu ergänzen, der zufolge „Vorschrif- ten zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen […] im Fall un- terschiedlicher Rechtsfolgen den Regelungen dieses Gesetzes [also des UWG] vorgehen“. Damit soll nach der Begründung Art. 3 Abs. 4 UGP-RL ins deutsche Recht umgesetzt und vor allem bei Informationspflichten im Bereich neuer Medien klargestellt werden, dass spezielle Pflichten, beispielsweise aufgrund des EU-Medienrechts, dem UWG vorgehen. 5. Damit wird allerdings übersehen, dass im deutschen Recht der in der Praxis überragend wich- tige Rechtsbruchtatbestand (§ 3a UWG) die Funktion hat, Regelungen außerhalb des UWG, die nur öffentlich-rechtlich, strafrechtlich oder berufsrechtlich sanktioniert sind, zur zivilrechtli- chen Durchsetzbarkeit zu verhelfen. Eines von sehr vielen Beispielen ist das Heilmittelwerbe- gesetz (HWG), das nur straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen vorsieht, aber ausdrücklich das UWG unberührt lässt (§ 17 HWG) und regelmäßig von Verbänden oder Ver- braucherschutzinstitutionen mit Ansprüchen aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG durchgesetzt wird. 6. Jedenfalls bei wörtlichem Verständnis des § 1 Abs. 2 RefE wären außerlauterkeitsrechtliche Normen insgesamt, also einschließlich ihrer Rechtsfolgenanordnungen, gegenüber dem UWG vorrangig. Damit wären zivilrechtliche Ansprüche, die erheblich zur effektiven Durchsetzung dieser Vorschriften beitragen, ausgeschlossen. Ein derart massiver Eingriff in das Lauterkeits- recht ist wohl nicht beabsichtigt und wäre, wenn er denn beabsichtigt sein sollte, sowohl in sachlicher Hinsicht aber auch deshalb abzulehnen, weil dies einer eingehenden vorherigen Diskussion bedürfte, die bislang in keiner Weise erfolgt ist. 7. Art. 3 Abs. 4 UGP-RL bedarf nicht der Umsetzung, weil er den Anwendungsbereich der UGP- RL regelt, aber keinerlei Vorgaben zur Reichweite des nationalen Rechts macht. Insbesonde- re enthalten bisher nur wenige EU-Rechtsakte eine abschließende Regelung der Rechtsfolgen. Nur soweit dies der Fall ist – wie beispielsweise von einer verbreiteten, aber umstrittenen An- sicht für die DSGVO angenommen – ist es dem deutschen Recht verwehrt, den Verstoß ge- gen Normen, die spezielle Aspekte des unlauteren Wettbewerbs regeln, als unlauter i.S.d. § 3 Abs. 1 oder 2 UWG zu beurteilen. 8. Soweit der Entwurf konkret spezielle Informationspflichten mit unionsrechtlicher Grundlage, wie sie beispielsweise für Influencer relevant sind, anspricht, so berücksichtigt er Art. 7 Abs. 5 UGP-RL, bisher umgesetzt in § 5a Abs. 4 (künftig § 5b Abs. 4 RefE), nicht hinreichend. Art. 7 Abs. 5 UGP-RL bezieht Informationspflichten aufgrund anderer EU-Verordnungen und Richtli- 2 / 14
nien in den Anwendungsbereich der UGP-RL ein. Beispielsweise sind in Anh. II UGP-RL die Informationspflichten der Art. 5, 6 der E-Commerce-RL, umgesetzt in §§ 5, 6 TMG aufgeführt. Diese Pflichten sind also gem. § 5a Abs. 4 UWG wesentlich, ihre Verletzung ist gem. § 5a Abs. 2 UWG unlauter. Würde jetzt ausgerechnet das TMG, wie laut Entwurfsbegründung vorgese- hen, dem UWG vorgehen, so würde diese Verweisungskette durchbrochen, und § 1 Abs. 2 RefE führte zu einem richtlinienwidrigen Ergebnis. 9. § 1 Abs. 2 RefE ist also zumindest in Teilen unionsrechtswidrig und führt zu potentiell erhebli- chen Kollateralschäden. Er sollte ersatzlos gestrichen werden. II. Definitionskatalog des § 2 – § 2 Abs. 1 Nr. 1 Nr. 6 und Nr. 7 RefE 10. Der Referentenentwurf sieht vor, den Definitionskatalog des § 2 UWG um Bestimmungen zum "Online-Marktplatz" (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 RefE) und zum "Ranking" (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 RefE) zu er- weitern. Die Erweiterung erfolgt in Umsetzung der RiLi (EU) 2019/22161 und ist als solche nicht zu beanstanden. Wir regen jedoch dringend an, es bei der gegenwärtigen Nummerie- rung des Definitionskatalogs zu belassen und die Ergänzungen und den Online-Marktplatz und das Ranking an das Ende der Definitionsbestimmungen anzufügen. Die nunmehr vorge- sehene alphabetische Ordnung ist sachlich unerheblich, erschwert allerdings künftig durch die damit verbundene Änderung der Nummerierung ein Arbeiten mit dem Gesetz, eine Arbeit mit dem das geltende Recht zitierenden Rechtsprechung sowie der dazu vorhandenen Literatur. Es fällt zudem auch durchaus ins Gewicht, dass der für die Anwendbarkeit des UWG zentrale Begriff der "geschäftlichen Handlung" gegenwärtig an erster Stelle des Definitionskatalogs er- scheint und danach die ebenfalls besonders wichtigen Begriffe der Markteilnehmer und der Mitbewerber behandelt sind. III. Anpassung des Anh. zu § 3 Abs. 3 und Streichung des § 7 II Nr. 1 UWG 11. Die Anpassung des Anhangs zu § 3 III UWG an Anh. I der UGP-RL ist uneingeschränkt zu befürworten. Die bisherigen Abweichungen des deutschen Rechts standen in einem Span- nungsverhältnis zu Art. 5 Abs. 5 UGP-RL, dem zufolge die „schwarze Liste“ „einheitlich in al- len Mitgliedstaaten gilt“. Die Einordnung der Nr. 26 Anh. I UGP-RL in § 7 UWG war systema- tisch unzutreffend, weil es sich nach der UGP-RL um eine aggressive Praktik handelt. Ag- gressive Geschäftspraktiken sind aber scharf von den in § 7 UWG geregelten belästigenden Praktiken zu unterscheiden. Letztere schützen nicht die Entscheidungsfreiheit, sondern, je- denfalls im Fall von Verbrauchern, die Privatsphäre. Die „Umsortierung“ der Nr. 31 Anh. I UWG-RL unter die irreführenden Praktiken (als Nr. 17 Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG) steht im Wi- derspruch zu der später durch den EuGH vorgenommenen systematischen Verortung (EuGH, Urt. v. 18. 10. 2012, Rs. C-428/11 – Purely Creative). Die nun vorgesehene, von kleinen und unschädlichen Umformulierungen abgesehen identische Übernahme des Anh. I UGP-RL ein- schließlich seiner Ergänzungen durch die RL 2019/2161 beseitigt daher alle Zweifel an der 3 / 14
Vereinbarkeit des bisherigen deutschen Sonderwegs mit dem Unionsrecht und dient zugleich der Rechtsklarheit. Es wäre allerdings zu erwägen, auf Überschriften zur Blacklist zu verzich- ten, weil auch die UGP-RL solche Überschriften nicht vorsieht, jedenfalls sollte die Überschrift mit großen Buchstaben beginnen. IV. Irreführung durch Vermarktung von "Dual Quality"-Produkten (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 RefE) 12. Die (Omnibus-) Richtlinie Nr. 2019/2061/EU enthält keine Informationen über den Umfang und die Eigenart EU-differenter Markenwaren. Sie verweist in ihrem Erwägungsgrund Nr. 52 ledig- lich auf die Bekanntmachung der Kommission vom 29. September 2017 „Zur Anwendung des EU-Lebensmittel- und Verbraucherschutzrechts auf Fragen der Produkte von zweierlei Quali- tät — Der besondere Fall der Lebensmittel“. Auch dort finden sich keine Rechtstatsachen, die Auskunft über den Regelungsbedarf geben könnten. Der Bekanntmachung ist lediglich zu entnehmen, dass der Anwendungsbereich des neuen Irreführungsverbots vor allem die Ver- marktung von Lebensmitteln betrifft. Gerade für Lebensmittel ist jedoch eine Differenzierung der Produktzusammensetzung nach geschmacklichen Präferenzen der Bevölkerung eines Mitgliedstaates oder bei lokal unterschiedlicher Produktion der Zugriff auf lokale Zutaten und damit eine objektive Rechtfertigung für eine Produktdifferenzierung vorstellbar. Der Rege- lungsbedarf ist aus EU-Sicht zweifelhaft. 13. In der deutschen Praxis dürften die meisten Dual-Quality-Fälle bereits an der Relevanzklausel des § 5 Abs. 1 UWG scheitern. Die Bedeutung der Relevanzklausel wird dabei noch dadurch hervorgehoben, dass sie sich in § 5 Abs. 1 ganz am Anfang der Regelungen zum Irrefüh- rungsverbot findet. 14. Die RL (EU) 2019/2161 sieht allerdings in ihrem Art. 3 Nr. 3 eine zwingende Umsetzung der "Dual Quality"-Regelung vor. Die Umsetzung ist in § 5 Abs. 3 Nr. 2 RefE fast wortlautgleich er- folgt, sodass gegen die Umsetzung als solche keine Bedenken bestehen. V. §§ 5a, 5b RefE 15. Der Entwurf sieht in § 5a RefE eine Verallgemeinerung des bisherigen § 5a Abs. 2 UWG und seine Erstreckung auf B2B-Verhältnisse vor. Speziell für das B2C-Verhältnis geltende Infor- mationspflichten werden in § 5b RefE ausgelagert. Diese Gesetzgebungstechnik erscheint sinnvoll. Sie entspricht der „überschießenden“ Umsetzung der anderen Kernbestimmungen der UGP-RL: Auch §§ 5 und 4a UWG gelten nicht nur, wie durch Art. 6, 8 UGP-RL vorge- schrieben, im B2C-Verhältnis, sondern darüber hinaus auch im B2B-Verhältnis. Zwar sind re- gelmäßig Verbraucher schutzbedürftiger als sonstige Marktteilnehmer, doch diesen unter- schiedlichen Anforderungen lässt sich im Rahmen der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 5a Abs. 1 RefE Rechnung tragen. Insbesondere benötigen sonstige Marktteilnehmer weniger In- 4 / 14
formationen als Verbraucher (§ 5a Abs. 1 Nr. 1 RefE) und werden weniger leicht zu einer ge- schäftlichen Entscheidung veranlasst, die sie andernfalls nicht getroffen hätten (§ 5a Abs. 1 Nr. 2 RefE). Die Aufteilung in allgemeine Grundsätze (§ 5a RefE) und spezielle Regelungen für das B2C-Verhältnis (§ 5b RefE) ist also systematisch sinnvoll und erhöht die Rechtsklar- heit. Sie ist zu begrüßen. 16. Die neu in § 5b RefE eingefügten Abs. 2 und 3 sind inhaltlich teilweise problematisch, weil ein Spannungsverhältnis zwischen Transparenzpflichten und Geheimnisschutz besteht und weil Abs. 3 indirekt dazu führen kann, dass den Unternehmer anlasslose allgemeine Filter- und Überwachungspflichten treffen. Diese Problematik ist aber in RL 2019/2161 angelegt. Dem deutschen Gesetzgeber fehlt insofern ein eigener Umsetzungsspielraum, so dass der Entwurf insoweit nicht zu beanstanden ist. VI. Die Sondervorschrift für das Influencer-Marketing (§ 5a Abs. 4 S. 2 RefE) 17. Problematisch ist allerdings aus verschiedenen Gründen die geplante Spezialregelung für das Influencer-Marketing (§ 5a Abs. 4 S. 2 RefE). Hier sei zunächst an die Stellungnahme der GRUR zum Regelungsvorschlag des BMJV zur Abgrenzung nichtkommerzieller Kommunika- tion zur Information und Meinungsbildung von geschäftlichen Handlungen vom 13.03.2020 (abgedruckt in GRUR 2020, 592) erinnert. Obwohl seinerzeit unter den Mitgliedern des Fach- ausschusses keine Einigkeit darüber bestand, wie weit die Kennzeichnungspflichten von In- fluencern gehen sollten, hat der Ausschuss einhellig von einer Spezialregelung zum jetzigen Zeitpunkt aus drei Gründen abgeraten. Erstens sollte eine derartige Detailfrage der Klärung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung überlassen bleiben. Zweitens erwiesen sich inso- fern möglicherweise Vorschriften des EU-Medienrechts als vorrangig. Drittens wurde die For- mulierung der geplanten Regelung im Einzelnen kritisiert. 18. An dieser Einschätzung hat sich nichts geändert. Nach wie vor teilen einige Mitglieder des Fachausschusses das Anliegen des BMJV, die Pflichten für Influencer einzuschränken, wäh- rend andere Mitglieder weitergehende Pflichten befürworten. Aber nach wie vor besteht Einig- keit über die oben genannten Einwände. 19. Erstens steht eine höchstrichterliche Klärung der Rechtslage bevor. Mehrere Oberlandesge- richte haben inzwischen Influencer-Fälle entschieden (OLG München, Urt. v. 25.6.2020 – 29 U 2333/19; OLG Karlsruhe, Urt. v. 09.09.2020 – 6 U 38/19; KG, Urt. v. 8.1.2019 – 5 U 83/18, al- lerdings im Verfügungsverfahren). Gegen das Urteil des OLG München, möglicherweise auch gegen weitere Urteile, wurde inzwischen Revision eingelegt. Sollte der BGH die Ansicht des OLG München und des KG bestätigen, die im Sinne des Referentenentwurfs entschieden ha- ben, so bestünde kein gesetzlicher Handlungsbedarf. 20. Zweitens sind unionsrechtlich möglicherweise medienrechtliche Informationspflichten vorran- gig. Das Anliegen, das § 1 Abs. 2 RefE zugrunde liegt und das in seiner Allgemeinheit oben 5 / 14
kritisiert wurde, erweist sich hier als berechtigt. Bisher hatte der EuGH keine Gelegenheit zur Klärung, ob und inwieweit die Informationspflichten des Medienrechts einen Rückgriff auf die UGP-RL sperren. Jede nationale Regelung in diesem Bereich läuft Gefahr, sich nach einem Urteil des EuGH als entweder unionsrechtswidrig oder als überflüssig zu erweisen. 21. Drittens bestehen auch gegen die nunmehr vorgeschlagene Formulierung gewichtige Einwän- de. § 5a Abs. 4 S. 2 RefE soll nur Handlungen betreffen, die ausschließlich zugunsten eines fremden Unternehmens vorgenommen werden. Influencer sind aber gerade, wie in der Recht- sprechung schon vielfach festgestellt, auch in eigener Sache unternehmerisch tätig, bei- spielsweise weil sie die Absicht verfolgen, Werbe- oder Model-Verträge einzuwerben. Damit handeln Influencer zumindest potentiell auch zugunsten des eigenen Unternehmens. Ob das der Fall ist, muss letztlich der EuGH entscheiden, weil das Handeln zugunsten des eigenen Unternehmens nach dem im Entwurf zitierten Urteil des EuGH v. 17.10.2013, Rs. C-391/12 – RLvS Verlagsgesellschaft (GRUR 2013, 1245) in den Anwendungsbereich der UGP-RL fällt. In der Tat haben einige Gerichte schon wegen der Förderung des eigenen Unternehmens strenge Kennzeichnungspflichten für Influencer bejaht (so das o.g. Urteil des OLG Karlsruhe). Andere Gerichte haben Influencer im Anbetracht der Kommunikationsfreiheiten (Art. 11 EUGRCh, 5 Abs. 1 GG) ebenso wie die Presse behandelt, deren redaktioneller Teil vorrangig der Meinungsbildung und nicht der eigenen Absatzförderung dient, und auf dieser Grundlage das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung verneint (so das OLG München und das KG in den o.g. Urteilen). Alternativ mag man zwar die geschäftliche Handlung bejahen, aber unter § 5a Abs. 6 UWG den Umstand, dass Influencer hinsichtlich des eigenen Unternehmens (im Gegensatz zur Werbung für fremde Unternehmen) mit Gewinnerzielungsabsicht handeln, für offensichtlich halten, weil durchschnittliche Nutzer diese Absicht kennen. Die drei genannten Entscheidungsvarianten gehen aber sämtlich von der Überlegung aus, dass Influencer regel- mäßig nicht „aus-schließlich zugunsten eines fremden Unternehmens“ handeln. Daher droht § 5a Abs. 4 RefE leerzulaufen. 22. Aus diesen Gründen ist von einer gesetzlichen Sonderregelung des Marktverhaltens von Influencern zum jetzigen Zeitpunkt abzuraten. Die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen durch den EuGH und den BGH sollte abgewartet werden. VII. Verbot einer Verletzung von Verbraucherinteressen (§ 5c RefE) 23. Die Vorschriften des neuen Art. 13 UGP-RL sind auf eine behördliche Durchsetzung des Lauterkeitsrechts zugeschnitten. In einem auf der privaten Rechtsdurchsetzung beruhenden System wie dem deutschen UWG sind sie ein Fremdkörper. Hier wirken die kostenpflichtige Abmahnung, die zu relativ hohen Streitwerten geführten Wettbewerbsprozesse, die Kostener- stattungspflicht des gerichtlich Unterlegenen und die Ordnungsgelder der Zwangsvollstre- ckung ähnlich abschreckend wie behördliche Bußgelder (wenn sie nicht sogar in ihrer Ge- samtheit wirksamer sind). Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass für die zusätzliche Ein- führung von Bußgeldtatbeständen in das deutsche UWG. 6 / 14
24. Die Gesetzesbegründung spricht dies in ihrem allgemeinen Teil unter der Überschrift „Sankti- onen“ an und schließt daraus zwar nicht ausdrücklich, aber hinreichend deutlich, dass im Be- reich der Sanktionen ein Umsetzungsbedarf nur hinsichtlich zwingender Vorgaben der Richtli- nie 2019/2016/EU besteht. Das ist überzeugend. 25. Der Schutz der Verbraucherinteressen wurde in die Schutzzwecktrias des § 1 UWG von 2004 aufgenommen, um die schon damals von der Rechtsprechung entwickelte Interpretation des Schutzzwecke des deutschen Lauterkeitsrechts zu kodifizieren. Seither ist die Schutzzweck- trias des § 1 UWG unbestritten und bestimmt die Auslegung des Gesetzes. 26. Eine Sondervorschrift zum Schutz von Verbraucherinteressen wirkt vor diesem Hintergrund als Systembruch. Dies gilt erst recht, wenn sie sich nur auf spezifische Verbraucherinteressen in einem speziellen Zwischenstaatlichkeitskontext richtet, wie dies in § 5c RefE vorgesehen ist. Denn im bisherigen Regelungszusammenhang des UWG sind – abgesehen vom speziellen Mitbewerberschutz nach § 4 Nr. 3 UWG – alle Verbotstatbestände des UWG (auch) verbrau- cherschützend. Entsprechend ist der in der Begründung zu § 5c Abs. 1 RefE angesprochene „sozialethische Vorwurf“ auch nicht auf die dort speziell geregelten Fälle einer weiterverbrei- tenden oder mehrstaatlichen Verletzung beschränkt. 27. Vor diesem Hintergrund erscheint die Schaffung eines Anknüpfungstatbestandes auf der Grundlage von Verbraucherinteressen verfehlt. Dadurch entsteht zunächst eine systematisch nicht nachvollziehbare Doppelspurigkeit von einfach verbraucherschützenden und speziell verbraucherschützenden Tatbeständen im UWG. Insbesondere aber ist ein Sonderverbot un- ter Anknüpfung an weitverbreitete oder über die Grenzen einzelner Mitgliedstaaten hinaus verbreitete UWG-Tatbestände aus der Systematik des Gesetzes heraus nicht nachvollziehbar. 28. Auch im neuen UWG stehen die §§ 5, 5a und 5b unter dem Dach eines zum Transparenzge- bot ausgebauten Irreführungsschutzes. Dazu passt die Vorschrift des § 5c RefE nicht. Ihr fehlt der sachliche Kontext zum Irreführungsverbot/Transparenzgebot. Wenn möglich, sollte des- halb die Anknüpfungsnorm für die neue Bußgeldvorschrift des § 19 RefE -falls überhaupt er- forderlich - an anderer Stelle verankert sein. 29. § 5c Abs. 1 RefE soll die Funktion eines Anknüpfungstatbestandes erfüllen. Dabei wird die Beschränkung dieser Regelung auf die Fälle des weitverbreiteten Verstoßes und des Versto- ßes mit Unions-Dimension nicht klar, weil das Deutsche Lauterkeitsrecht bislang diese Fall- gruppen nicht kennt und nicht adressiert und weil die sehr technischen Formulierung in § 5c Abs. 1 RefE dazu auch keine weitere Aufklärung gibt. 30. Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie 2019/1061/EU verweist in seinem zwingenden Teil zum neuen Art. 13 Abs. 3 UGP-RL auf die koordinierten Durchsetzungsmaßnahmen der zuständigen Behör- den zur Reaktion auf weitverbreitete Verstöße oder auf Verstöße mit Unionsdimension, wie sie näher in Artikel 21 der ZusammenarbeitsVO Nr. 2017/2394/EU beschrieben sind. Dieser Kon- 7 / 14
text hat mit Verbraucherinteressen nichts zu tun. Der Sache nach geht es um die besondere Sanktionierung grenzüberschreitenden Verstöße. 31. Aus Sicht der GRUR ist eine gesonderte Anknüpfungsnorm für den neuen Bußgeldtatbestand des § 19 RefE verzichtbar. Die relevanten verbraucherschützenden Verbote sind bereits im bestehenden UWG enthalten. Ein besonderes Verbot der grenzüberschreitenden Begehungs- form, wie es derzeit letztlich aus § 5c Abs 1 i.V.m. § 5c Abs 2 Nr. 1-3 RefE abzuleiten ist, ist in seiner Normativität nicht überzeugend, weil dahinter eine Skalierung von Verboten durch- scheint, die es nicht geben kann. Die grenzüberschreiende unlautere Handlung kann nicht „verbotener“ sein als die Inlandshandlung, sie kann aber anders und weiter gehend sanktio- niert werden. 32. Ähnliches gilt für den in § 5c Abs. 2 Nr 4 RefE angesprochenen Fall der qualifizierten Wieder- holungstat durch Verstoß gegen eine behördliche Anordnung oder ein gerichtliches Verbot. Auch hier folgt der Verstoß bereits aus den materiellen verbraucherschützenden Vorschriften des UWG und auch hier wird nur eine qualifizierte Begehungsform unter Bußgeldandrohung gestellt. 33. Wir schlagen vor, § 5c RefE zu streichen. Die besonderen Tatbestandsvoraussetzungen für einen Bußgeldtatbestand könnten in einem neuen § 19 Abs. 1 UWG verankert werden (dazu Rn. 53 ff.). VIII. Schadensersatz gemäß § 9 RefE 34. Der RefE sieht vor, die bisherige Regelung des § 9 UWG in drei Absätze aufzuspalten. Ab- satz 1 übernimmt den bisherigen Schadensersatzanspruch der Mitbewerber aus § 9 Satz 1 UWG. Das Presseprivileg aus § 9 Satz 2 UWG wird – mit redaktionellen Anpassungen – in § 9 Abs. 3 RefE überführt. Neu ist ein individueller Schadensersatzanspruch von Verbrauchern in § 9 Abs. 2 RefE. Dessen Tatbestand setzt eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung voraus, die vorsätzlich oder fahrlässig begangen wird (Satz 1). Ausgeschlossen ist ein Schadensersatzanspruch bei unlauteren geschäftlichen Handlungen nach §§ 3a, 4 und 6 UWG (Satz 2). Der Anspruch werde nach der Begründung des RefE „regelmäßig nur auf das negative Interesse“ gerichtet sein, doch könne „unter Umständen auch ein Anspruch auf Auf- hebung des Vertrages bestehen“.1 35. Der vom RefE vorgeschlagene individuelle Schadensersatzanspruch soll die Vorgaben aus Art. 11a UGP-RL umsetzen. 36. Art. 11a Abs. 1 UGP-RL verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, Verbrauchern, „die durch unlau- tere Geschäftspraktiken geschädigt wurden, (…) Zugang zu angemessenen und wirksamen Rechtsbehelfen“ zu verschaffen. Aus Art. 11a Abs. 2 UGP-RL folgt weiter, dass die von den Mitgliedstaaten vorzusehenden Rechtsbehelfe nicht die Anwendung anderer Rechtsbehelfe 8 / 14 1 Begründung zum RefE, S. 35.
berühren, „die den Verbrauchern nach dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht zur Ver- fügung stehen“. Der unverändert fortgeltende Art. 3 Abs. 2 UGP-RL bestimmt, dass die Richt- linie „das Vertragsrecht und insbesondere die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zu- standekommen oder die Wirkungen eines Vertrags unberührt“ lässt. Schließlich betonen Art. 11a Abs. 1 Satz 2 UGP-RL sowie Erwägungsgrund 16 der Richtlinie (EU) 2019/2161, dass die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für die Anwendung und die Folgen der Rechtsbehelfe festlegen können. 37. Aus diesen Vorgaben folgt, dass sich individuelle Verbraucherrechte bei unlauteren geschäft- lichen Handlungen in das Gesamtregelungssystem des Unionsrechts und des innerstaatlichen Rechts einfügen müssen. Geboten ist eine Berücksichtigung der bereits bestehenden Rechte und Ansprüche der Verbraucher. Zur Umsetzung von Art. 11a UGP-RL ist die Schaffung eines neuen Schadensersatzanspruchs von Verbrauchern unionsrechtlich daher nur insoweit gebo- ten, als die vorhandenen Schutzinstrumente, insbesondere des allgemeinen Vertrags-, Ver- braucherschutz- und Gewährleistungsrechts sowie des Deliktsrechts zum Schutz der Ver- braucher nicht ausreichen, also echte Schutzlücken verbleiben. 38. Angesichts der Vielzahl von Rechten und Ansprüchen im Bürgerlichen Recht kommen solche Schutzlücken – wenn überhaupt2 – nur in wenigen Konstellationen in Betracht. Die Begrün- dung des RefE nennt beispielhaft „Anlockfälle“3 oder aggressive Einflussnahmen gemäß § 4a 4 UWG. In beiden und weiteren Fällen wäre vor der Schaffung eines neuen UWG- Schadensersatzanspruchs zunächst auszuloten, ob nicht das bestehende Recht bereits einen Schadensersatz ermöglicht. So kommt eine vorvertragliche Verschuldenshaftung gemäß §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB jedenfalls bei einer Vertragsanbahnung oder einem sonstigen Näheverhältnis in Betracht, während der bloße Werbekontakt zum Verbrau- cher typischerweise noch nicht ausreicht. Für Schäden außerhalb einer Vertragsbeziehung, z. B. bei Täuschungen im Verhältnis Verbraucher-Hersteller, ist an eine deliktische Haftung gemäß § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB zu denken.5 39. Nach Auffassung der GRUR müssen Regelungs- und Wertungskonflikte zwischen dem Bür- gerlichen Recht und einem Verbraucherschadensersatzanspruch vermieden werden. Diese können sich insbesondere ergeben, wenn der Schadensersatzanspruch die Freistellung vom Vertrag ermöglichen soll. 40. Ein Regelungskonflikt kann beispielsweise im Verhältnis zum Kaufrecht entstehen. Täuscht der Verkäufer oder unter den Voraussetzungen des § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB der Hersteller 2 Die Frage ist bereits in der Vergangenheit vielfach und kontrovers diskutiert worden; siehe nur Ahrens, WRP 1978, 677 ff.; Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 2002; Fezer, WRP 2003, 127 ff.; Köhler, GRUR 2003, 265 ff.; Sack, GRUR 2004, 625 ff.; Weiler, WRP 2003, 423 ff. Das 1986 in das UWG eingeführte individuelle Rück- trittsrecht für Abnehmer (§ 13a UWG a. F.) wurde im Zuge der UWG-Novelle 2004 mangels praktischer Bedeutung wieder gestrichen. 3 Gedacht ist z. B. an vergebliche Aufwendungen, die entstehen, wenn ein Verbraucher durch eine Täuschung veran- lasst wird, das Geschäft des Werbenden aufzusuchen. 4 Begründung zum RefE, S. 35. 5 Siehe dazu insbesondere die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zum „Dieselskandal“, BGH NJW 2020, 9 / 14 1962 ff.
eines Produkts über dessen Beschaffenheit und erwirbt ein Verbraucher als Käufer ein man- gelhaftes Produkt, dann stehen dem Verbraucher gegen den Verkäufer die in § 437 BGB ge- nannten Gewährleistungsrechte zu. Diese Gewährleistungsrechte haben jeweils spezifische Voraussetzungen. So ist etwa eine Lösung vom Vertrag nur unter besonderen Voraus- setzungen (Fristsetzung, Fehlschlagen oder Unzumutbarkeit der Nacherfüllung 6 ) zulässig. Diese Regelungen gehen zurück auf die Vorgaben der Richtlinie 1999/44/EG,7 die zum 1. Ja- nuar 2022 von der vollharmonisierenden Richtlinie (EU) 2019/7718 abgelöst wird. Insbesonde- re Art. 13 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2019/7719 enthält ein ausdifferenziertes Regelungssys- tem, wann und unter welchen Voraussetzungen ein Käufer die Beendigung des Kaufvertrages verlangen kann bzw. eine solche Lösung vom Vertrag ausgeschlossen ist. Wenn sich ein Ver- braucher als Käufer im Falle einer Täuschung gemäß § 9 Abs. 2 RefE ohne eine Fristsetzung von dem Kaufvertrag lösen könnte, dann liefe das vom Unionsrecht geschützte Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung praktisch leer. Zudem könnte sich der Käufer auch dann vom Kaufvertrag lösen, wenn dies nach den kaufrechtlichen Vorgaben gerade ausgeschlos- sen ist.10 Eine solche Regelung wäre mit Blick auf Art. 4 Richtlinie (EU) 2019/771 unions- rechtswidrig, weil danach das innerstaatliche Recht keine strengeren Vorschriften vorsehen darf, auch nicht, um Verbraucher zu schützen. Ferner entstünde ein Widerspruch, wenn § 9 Abs. 2 RefE eine Lösung vom Vertrag innerhalb der Regelverjährung von drei Jahren zuließe (§ 11 Abs. 5 RefE), die Verjährung von Ansprüchen wegen eines Mangels jedoch nach dem Kaufrecht regelmäßig bereits nach zwei Jahren eintritt.11 41. Ein Wertungskonflikt könnte auch im Verhältnis zur Anfechtung gemäß § 123 BGB entstehen. Eine Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB setzt im Falle der Täuschung ein arglistiges, also vorsätzliches Verhalten voraus. Die höchstrichterliche Rechtsprechung lässt zwar in bestimm- ten Fällen einer fahrlässigen Täuschung bereits nach dem geltenden Recht eine Lösung vom Vertrag im Wege der vorvertraglichen Verschuldenshaftung zu,12 jedoch gilt dies nicht allge- mein, sondern nur unter besonderen Voraussetzungen. 42. Demgegenüber könnte sich ein Verbraucher nach § 9 Abs. 2 RefE bereits bei einfacher Fahrlässigkeit des Unternehmers aus einem Vertrag lösen. Darüber hinaus könnte § 9 Abs. 2 RefE den Weg ebnen, auch bei Beeinflussungen im Sinne des § 4a Abs. 1 UWG13 eine Ver- tragsaufhebung anzustreben. Während § 123 Abs. 1 BGB eine Drohung voraussetzt, wäre 6 Vgl. § 440 BGB. 7 Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. Nr. L 171/12. 8 Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte ver- tragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG, Abl. Nr. L 136/28. 9 Nachfolgeregelung zu Art. 3 Abs. 5 Richtlinie 1999/44/EG. 10 Dies gilt gemäß Art. 3 Abs. 6 Richtlinie 1999/44/EG und Art. 13 Abs. 5 Richtlinie (EU) 2019/771 für geringfügige Mängel. 11 Vgl. § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB im geltenden Recht. Auch die Richtlinie (EU) 2019/771 geht gemäß Art. 10 und Erwä- gungsgrund 41 von einer Regelverjährung von zwei Jahren aus, lässt aber abweichende Regelungen zu. 12 BGH NJW 1998, 302 ff.; NJW 1998, 898 ff. 13 Neben der Nötigung benennt § 4a Abs. 1 Satz 2 UWG die Belästigung und die unzulässige Beeinflussung als Mittel 10 / 14 einer aggressiven Einflussnahme.
nach § 9 Abs. 2 RefE schon bei weniger massiven Einwirkungen eine Lösung vom Vertrag möglich. Das Anfechtungsrecht muss binnen Jahresfrist ausgeübt werden (§ 124 Abs. 1 BGB), demgegenüber wäre die Lösung vom Vertrag über § 9 Abs. 2 RefE innerhalb der re- gelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren möglich. Selbst wenn man die Regelung des § 123 BGB für korrekturbedürftig hält, ist es nach Auffassung der GRUR nicht zweckmäßig, ei- nen dann erforderlichen Eingriff in die Kernregelungen des Vertragsrechts indirekt über das UWG vorzunehmen. 43. Weiterhin ist zu bedenken, dass sich bei einem auf Auflösung eines geschlossenen Vertrags gerichteten Anspruch der Verbraucher notwendigerweise die Frage nach der Rückabwicklung von bereits erbrachten Leistungen stellt. Hat ein Verbraucher beispielsweise eine Leistung vom Unternehmer erhalten, bevor er nach § 9 Abs. 2 RefE eine Lösung vom Vertrag begehrt, dann ist unklar, nach welchen Regeln die Rückerstattung vorzunehmen ist. Die Frage gewinnt beispielsweise Bedeutung, wenn sich die erhaltene Leistung beim Verbraucher verschlechtert oder untergeht. Haftet der Verbraucher dann auf Wertersatz? Insoweit sind weder dem UWG noch dem allgemeinen Schadensersatzrecht nähere Anhaltspunkte zu entnehmen. Erforder- lich wäre ein Wertungsabgleich mit den Rückerstattungsregelungen gemäß §§ 812 ff. BGB (bei Nichtigkeit/Anfechtung), §§ 346 ff. BGB (bei Rücktritt) und §§ 355, 357 ff. BGB (bei Wider- ruf). 44. Um die aufgezeigten Konflikte mit dem Bürgerlichen Recht sowie eine unionsrechtswidrige Ausgestaltung des Schadensersatzanspruchs zu vermeiden, schlägt die GRUR vor, den Indi- vidualanspruch des Verbrauchers – wenn ein solcher Anspruch in das UWG aufgenommen werden soll – subsidiär auszugestalten oder auf eine solche Regelung ggf. ganz zu verzich- ten. 45. Anstelle des vom RefE vorgesehenen Individualanspruchs der Verbraucher, der in freier Konkurrenz 14 zu den vertrags- und deliktsrechtlichen Ansprüchen des Bürgerlichen Rechts steht, sollte der Verbraucherschadensersatzanspruch nur dann zur Anwendung kommen, wenn nicht andere Vorschriften zugunsten der Verbraucher eingreifen. Eine solche Subsidiari- tät stellt sicher, dass die bestehenden bürgerlich-rechtlichen Regelungen zu voller Geltung kommen, ihre Wertungen und Voraussetzungen aber nicht unterlaufen oder ausgehebelt wer- den. 46. Der Anwendungsbereich eines Individualschadensersatzanspruchs von Verbrauchern wäre bei einer solchen Regelung den Fällen vorbehalten, in denen das Bürgerliche Recht keinen Schutz gewährt oder in denen der für einen Verbraucher entstandene Schaden bzw. Nachteil (z. B. vergebliche Aufwendungen, ein Vermögensschaden oder die Bindung an einen uner- wünschten Vertrag) von einer bestehenden Norm nicht erfasst und der Ausgleich dieses Nachteils nach dem Schutzzweck dieser Norm nicht ausgeschlossen wird. Demgegenüber sollte ein Individualschadensersatzanspruch nicht eingreifen, wenn das Bürgerliche Recht 11 / 14 14 So die Begründung zum RefE, S. 35.
Einschränkungen vorsieht, z. B. eine kurze Verjährungsfrist oder den Ausschluss einer Lö- sung vom Vertrag bei einer nur geringfügigen Pflichtverletzung. Denn solche Einschränkungen beruhen auf einer bewussten Interessenabwägung des Gesetzgebers, die durch § 9 Abs. 2 RefE nicht umgangen werden sollte. 47. Formulierungsvorschlag für einen ergänzenden Satz 3 nach § 9 Abs. 2 Satz 2 RefE: „Der Anspruch besteht nicht, wenn Verbraucher nach anderen gesetzlichen Vorschriften den Ersatz des durch die unzulässige geschäftliche Handlung erlittenen Schadens verlangen kön- nen oder diese Vorschriften einen Ersatz des Schadens ausschließen.“ 48. Als weitere Möglichkeit könnte erwogen werden, die Subsidiarität des im UWG zu verankern- den verbraucherrechtlichen Schadenersatzanspruchs auf vertragliche Ansprüche des Ver- brauchers zu beschränken, also eine freie Anspruchskonkurrenz des UWG Anspruchs ledig- lich zu sonstigen deliktischen Ansprüchen vorzusehen. Eine eingeschränkte Subsidiaritätsre- gelung in einem neu einzufügenden Satz 3 nach § 9 Abs. 2 S. 2 RefE könnte lauten: "Der Anspruch besteht nicht, soweit er sich auf Schäden erstreckt, die Verbraucher durch die Ausübung von ihnen zustehenden vertraglichen Rechten unter den dort vorgesehenen Vo- raussetzungen geltend machen können oder hätten geltend machen können." 49. Es ist zu begrüßen, dass unlautere geschäftliche Handlungen gemäß §§ 3a, 4 und 6 UWG vom Anwendungsbereich des § 9 Abs. 2 Satz 1 RefE nicht erfasst sind. § 4 UWG schützt al- lein die Interessen der Mitbewerber. § 6 UWG beruht ebenso wie § 3a UWG nicht auf den Vorgaben der UGP-RL und löst damit keinen Anpassungsbedarf mit Blick auf Art. 11a UGP- RL aus. In den Fällen des Rechtsbruchs richtet sich die Frage nach der Ersatzfähigkeit von individuellen Schäden zudem nach dem jeweiligen Schutzzweck der verletzten Marktverhal- tensregelung. 50. Der Übernahme des Haftungsprivilegs für Medien in § 9 Abs. 3 RefE ist zuzustimmen. Eine solche Regelung ist aufgrund der Wertungen der Grundrechte und der herausgehobenen Be- deutung von Medien gemäß Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 11 GR-Charta sowie Art. 10 EMRK gebo- ten. Angesichts der Veränderung der Medienlandschaft (zunehmende Medienkonvergenz) stellt sich allerdings die Frage, ob die Beschränkung auf verantwortliche Personen von perio- dischen Druckschriften noch sachgerecht ist. Die Regelung hat zur Folge, dass gleichartige Haftungsfälle unterschiedlich behandelt werden. Erscheint beispielsweise in einer Tageszei- tung eine irreführende Werbeanzeige, die der Verantwortliche fahrlässig nicht als eine solche erkennt, dann ist dessen Haftung gemäß § 9 Abs. 3 RefE ausgeschlossen. Erscheint der glei- che Werbeinhalt dagegen in einer Rundfunkwerbung, dann greift der Privilegierungstatbe- stand nicht ein. Diese Ungleichbehandlung ist bereits im geltenden Recht nicht gerechtfertigt. 51. Die Verjährungsregelung des § 11 Abs. 5 RefE ist überflüssig und zu streichen. Sie hat nur einen deklaratorischen Charakter. Für Ansprüche, die in § 11 Abs. 1 bis 4 RefE nicht erwähnt sind, folgt schon aus den allgemeinen Grundsätzen, dass mangels einer speziellen Verjäh- rungsregelung die regelmäßige Verjährungsfrist des BGB gilt. Dies betrifft auch den Scha- 12 / 14
densersatzanspruch der Verbraucher gemäß § 9 Abs. 2 RefE. Ein Wertungswiderspruch zu etwaigen kürzeren Verjährungs- und Ausschlussregelungen des Bürgerlichen Rechts kann durch die oben vorgeschlagene subsidiäre Ausgestaltung des Schadensersatzanspruchs der Verbraucher vermieden werden. IX. Bußgeld (§ 19 RefE) 52. Mit § 19 RefE macht der deutsche Gesetzgeber von dem durch Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie 2019/1061/EU eröffneten Spielraum zur Erhöhung der Umsatzquote oder der Ausdehnung des Bemessungsmaßstabs vom mitgliedstaatlichen Umsatz über den EU-weiten auf den weltweiten Umsatz keinen Gebrauch. Das ist zu begrüßen. Wie bereits an anderer Stelle in der Gesetzesbegründung zutreffend angesprochen, besteht im deutschen Lauterkeitsrecht kein Durchsetzungsdefizit, welches durch ein schärferes Bußgeldrecht aufgefangen werden muss. 53. Ebenso ist es zu begrüßen, dass sich § 5c Abs. 2 RefE – offensichtlich aus verfassungsrecht- lichen Gründen – auf den sachlichen Verbotsrahmen der Art. 6 – 9 sowie die schwarze Liste in Anhang I zur UGP-RL beschränkt und damit von der Möglichkeit einer Selbstrestriktion des neuen Art 13 Abs. 3 lit a) der UGP-RL Gebrauch macht. 54. Mit den Vorgaben des Art. 13 Abs. 3 UGP-RL knüpft das Lauterkeitsrecht der Union an das unionskartellrechtliche Bußgeldrecht an. Der deutsche Gesetzgeber hat diesen Ansatz mit der 7. Kartellnovelle des Jahres 2005 in den Bußgeldtatbestand des § 81 Abs. 4 GWB übernom- men. Die Frage, ob die Bußgeldbemessung in Anknüpfung an eine Umsatzquote als Höchst- grenze, als Kappungsgrenze oder als Obergrenze anzusehen ist, ist im Kartellrecht bis heute nicht verbindlich gelöst.15 Sie wird nunmehr ins Lauterkeitsrecht hineingetragen. Ebenso in das Lauterkeitsrecht hineingetragen wird die kartellrechtliche Diskussion um die verfassungs- rechtliche Zulässigkeit eines in seinem Tatbestand und seinem Sanktionsrahmen ähnlich weit gefassten Sanktionsrechts, welches mindestens auf der Rechtfolgenseite eine Anknüpfung an den tatbezogenen Umsatz nahelegt.16 55. Allerdings sind die Vorgaben des neuen Art. 13 Abs 3 UGP-RL insoweit verbindlich. Hier bleiben dem deutschen Gesetzgeber keine weiteren Alternativen und der Gesetzesentwurf nutzt bereits alle vorhandenen Spielräume zur Beschränkung eines allzu ausufernden und dem deutschen Recht fremden Bußgeldrechts aus. 56. Für die Berechnung der Bußgeldobergrenze ergibt sich aus Art. 13 Abs. 3 UGP-RL relativ klar, dass hier jeweils die Umsätze in den von einer grenzüberschreitenden Verletzungshandlung betroffenen Mitgliedstaaten maßgeblich sind. Dies ist dem § 19 Abs. 2 S. 2 RefE nicht mit gleicher Klarheit zu entnehmen. 15 Vgl. exemplarisch MüKo-Vollmer, Rn137 zu § 81 GWB m.w.Nw. 13 / 14 16 Vgl. exemplarisch MüKo-Vollmer, Rn 142 ff zu § 81 GWB.
57. Die Vorschrift des § 19 Abs 1 RefE könnte bei Umsetzung unseres Vorschlags zur Integration der Regelung des § 5c RefE in § 19 RefE wie folgt lauten: Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. eine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Absatz 3 in Verbindung mit dem Anhang vornimmt, 2. eine aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a Absatz 1 Satz 1 vornimmt, 3. eine irreführende geschäftliche Handlung nach § 5 Absatz 1 oder § 5a Absatz 1 vornimmt, soweit es sich um weitverbreitete Verstöße oder Verstöße mit Unions-Dimension im Sinne des Art. 3 Nr. 3 und 5 der Verordnung Nr. 2017/2394/EU über die Zusammenarbeit zwi- schen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden handelt; 4. eine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Absatz 1 fortgesetzt vornimmt, die durch eine vollziehbare Anordnung der zuständigen Behörde im Sinne des Artikels 3 Nummer 6 der Verordnung (EU) 2017/2394 oder durch eine vollstreckbare Entscheidung eines Ge- richts untersagt worden ist, sofern die Handlung nicht bereits von den Nummern 1 bis 3 er- fasst ist. 58. § 19 Abs. 2 RefE könnte klarstellend wie folgt ergänzt werden: (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu hunderttausend Euro geahndet werden. Gegenüber einem Unternehmer, der in den von dem Verstoß betroffenen Mit- gliedstaaten der Europäischen Union in dem der Behördenentscheidung vorausgegange- nen Geschäftsjahr mehr als zweieinhalb Millionen Euro Jahresumsatz erzielt hat, kann ei- ne höhere Geldbuße verhängt werden; diese darf 4 Prozent des in den betroffenen Mit- gliedstaaten erwirtschafteten Jahresumsatzes nicht übersteigen Dr. Gert Würtenberger Dipl.-Ing. Stephan Freischem Präsident Generalsekretär 14 / 14
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