Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie - Hinweise für die Praxis 13. März 2020 - BDA
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Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie Hinweise für die Praxis 13. März 2020 1. Arbeitspflicht Ausgangslage Die Pflicht zur Arbeitsleistung wird nicht be- Nach Auftreten des neuartigen Coronavirus in rührt. Einem nicht erkrankten Arbeitnehmer China und den USA hat die Weltgesundheits- steht kein Zurückbehaltungsrecht zu. Er ist organisation (WHO) am 30. Januar 2020 den weiterhin verpflichtet, die ihm übertragenen internationalen Gesundheitsnotstand ausge- Aufgaben zu erfüllen, sowie den Anordnun- rufen. Am 11. März 2020 hat die WHO den gen der Vorgesetzten Folge zu leisten. Ausbruch des Coronavirus als Pandemie ein- gestuft. Die Zahl der Infizierten steigt weiter Dies gilt auch für den Umgang mit importier- und das Virus verbreitet sich zunehmend. ten Waren. Dem Robert-Koch-Institut sind keine Infektionen durch importierte Waren be- Die folgenden Ausführungen geben einen kannt. Überblick über arbeitsvertraglichen Folgen, wenn Arbeitnehmer wegen des Coronavirus Ein Zurückbehaltungsrecht nach nicht beschäftigt werden und über die Auswir- § 273 Abs.1 BGB kommt für in Deutschland kungen auf Entsendungen von Arbeitneh- tätige Arbeitnehmer bei der Rückkehr eines mern in das Ausland. Zudem wird dargestellt, Mitarbeiters aus einer gefährdeten Region - welche Vorbereitungshandlungen getroffen einer Region, die von einer Reisewarnung be- werden können, um innerbetriebliche Folgen troffen ist oder die vom Robert Koch Institut möglichst einzugrenzen und auch daten- als Risikogebiet eingestuft wurde- ebenfalls schutzrechtliche Aspekte werden erörtert. grundsätzlich nicht in Betracht. Auf Wunsch des in Deutschland tätigen Arbeitnehmers Das Ziel bleibt, die betrieblichen Abläufe weit- kann der Arbeitgeber diesen unter Wegfall gehend zu sichern. Es ist Arbeitgebern ein des Vergütungsanspruchs freistellen. Der Ar- zentrales Anliegen die Gesundheit und Si- beitgeber ist bei dieser Entscheidung frei. Der cherheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Arbeitnehmer kann sich nur insoweit auf ein Eine Pandemie ist eine besondere Situation, Zurückbehaltungsrecht berufen, sofern der bei der sich die Zusammenarbeit mit Betriebs- Arbeitgeber dieser Fürsorgepflicht nicht aus- rat und Arbeitnehmern erneut bewähren reichend nachkommt. Das ist allenfalls dann kann. Ohne Präzedenzfälle für die Zukunft zu der Fall, wenn glaubhaft dargelegt werden schaffen, kann es sich in solchen Situationen kann, dass die Ausübung der übertragenen anbieten, verstärkt von der Möglichkeit mobi- Aufgaben tatsächlich eine Gefahr für Gesund- ler Arbeit Gebrauch zu machen. heit oder Leben darstellt. I. Arbeitsverhältnisse in Deutschland 2. Mitteilungsobliegenheiten Die Virus-Erkrankungswelle wirft unterschied- Der Arbeitgeber kann im Rahmen seiner ar- liche arbeitsrechtliche Fragen auf. Besonders beitsrechtlichen Fürsorgepflicht bei erkennba- betroffen sind Verpflichtungen aus dem Ar- ren Risiken verpflichtet sein, mögliche Anste- beitsvertrag. ckungen durch zurückkehrende Arbeitneh- mer über Aufklärungs- und Vorsichtsmaßnah- men zu verhindern.
Den Arbeitnehmer trifft eine arbeitsvertragli- gegeben sein, wenn sich der Arbeitnehmer in che Hinweispflicht, soweit er in räumlicher einer gefährdeten Region aufgehalten hat, für Nähe zu einer mit dem Coronavirus infizierten die eine Reisewarnung des Auswärtigen Person stand. Grundsätzlich ordnet das zu- Amts ausgesprochen worden war und der Ar- ständige Gesundheitsamt häusliche Quaran- beitnehmer an Orten mit erhöhtem Reise- und täne für die maximale Dauer der Inkubations- Publikumsverkehr wie Flughäfen und Bahn- zeit (14 Tage) an, sobald der Arbeitnehmer höfen zugegen war. Das kann auch dann gel- als Kontaktperson gilt. Nähere Informationen ten, wenn aufgrund der konkreten Situation zum Begriff der Kontaktperson stellt das Ro- am Ort der Reise ein deutlich erhöhtes Anste- bert-Koch-Institut auf seiner Homepage zur ckungsrisiko besteht und die in Rede ste- Verfügung. hende Erkrankung sich durch ein besonders hohes Ansteckungsrisiko auszeichnet. Nach Daneben ist der Arbeitgeber berechtigt, aus dem Robert-Koch-Institut ist ein „höheres“ In- einem privaten Auslandsaufenthalt zurück- fektionsrisiko auch bei Kontaktpersonen mit kehrende Arbeitnehmer daraufhin zu befra- engerem Kontakt gegeben. Ob der Kontakt gen, ob sie sich in einem Risikogebiet aufge- zu einer Kontaktperson zur Annahme einer halten haben. Der Anspruch ist dabei regel- konkreten Infektionsgefahr ausreicht, ist noch mäßig auf eine Negativauskunft beschränkt. unklar. Lebt die Kontaktperson mit dem Infi- Der Arbeitnehmer ist regelmäßig nicht ver- zierten in häuslicher Gemeinschaft, spricht ei- pflichtet, Auskunft über den genauen Aufent- niges dafür. haltsort zu geben. Die Zulässigkeit der Anordnung zur Durchfüh- Der Arbeitgeber kann eine ärztliche Untersu- rung von Reihen- (Fieber-) Tests vor Betreten chung eines zurückgekehrten Mitarbeiters an- des Betriebsgeländes unterliegt der Mitbe- ordnen, sofern er hieran ein berechtigtes Inte- stimmung des Betriebsrates. Pauschale An- resse hat. Ein solches Interesse muss das ordnungen zur Durchführung von Fieber- Selbstbestimmungsrecht und die körperliche Tests sind mit den Persönlichkeitsrechten der Unversehrtheit des Mitarbeiters überwiegen. Arbeitnehmer sorgsam abzuwägen. So be- Dies ist anhand einer Abwägung aller maß- darf es stets eines konkreten Anlasses in geblichen Umstände des Einzelfalles zu prü- Form einer konkreten Infektionsgefahr. Etwas fen. anderes kann gelten, sobald die erste Infizie- So kann das berechtigte Interesse des Arbeit- rung im jeweiligen Betrieb aufgetreten ist. gebers an der ärztlichen Untersuchung die Letztlich hängt die jeweilige Anordnung von geschützten Interessen des Arbeitnehmers maßgeblichen Umständen des Einzelfalles überwiegen, wenn der Arbeitnehmer beson- ab. deren Ansteckungsrisiken ausgesetzt war Darüber hinaus kann der Arbeitgeber die Frei- und Erkältungssymptome zeigt, sodass eine stellung ohne oder gegen den Willen seines konkrete Infektionsgefahr besteht. Arbeitnehmers erklären. Dies setzt voraus, Ein begründeter Verdacht liegt nach Angaben dass das Suspendierungsinteresse des Ar- des Robert Koch Instituts vor, wenn bei Per- beitgebers das Interesse des Arbeitnehmers sonen mindestens eine der beiden folgenden an einer vertragsgemäßen Beschäftigung Konstellationen vorliegt: überwiegt und wird auf die Einhaltung arbeits- schutzrechtlicher Vorschriften (§ 4 Nr.1 Arb- - Personen mit akuten respiratorischen SchG) und die arbeitsrechtliche Fürsorge- Symptomen jeder Schwere oder unspezi- pflicht (§ 241 Abs.2 BGB) gestützt. fischen Allgemeinsymptomen UND Kon- takt mit einem bestätigten Fall von CO- Das Suspendierungsinteresse überwiegt re- VID-19 gelmäßig, wenn der Arbeitgeber Grund für die Annahme einer arbeitsunfähigen Erkrankung - Personen mit akuten respiratorischen hat. Daneben ist eine einseitige Freistellungs- Symptomen jeder Schwere UND Aufent- erklärung durch den Arbeitgeber möglich, halt in einem Risikogebiet. wenn von dem Arbeitnehmer eine Gesund- heitsgefahr für anderer Arbeitnehmer oder Bei diesen Personen sollte eine diagnosti- Kunden ausgeht. Hierfür genügt das Vorlie- sche Abklärung erfolgen. Darüber hinaus gen eines begründeten Verdachts der Infek- dürfte eine konkrete Infektionsgefahr auch tion mit einer ansteckenden Krankheit wie Leitfaden „Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie“ – 4. Neufassung 2020 13. März 2020 2
dem Coronavirus. Für die Beurteilung, ob ein schränkt. Für die Konkretisierung dieses un- begründeter Verdacht vorliegt, kann auf die bestimmten Rechtsbegriffs soll neben den Risikobewertung des Robert-Koch Instituts Umständen des Einzelfalls das Verhältnis (vgl. oben) zurückgegriffen werden. zwischen Dauer des Arbeitsverhältnisses und der Dauer der Verhinderungszeit eine Rolle Sofern im Betrieb eine Regelung zur mobilen spielen. Als verhältnismäßig nicht erhebliche Arbeit besteht, kann der Arbeitgeber im Rah- Zeit sollte regelmäßig nur eine Dauer von we- men der bestehenden Regelungen seine Be- nigen Tagen gewertet werden. schäftigten anweisen, von dieser Möglichkeit Der BGH hat in seinem Urteil aus dem Jahr Gebrauch zu machen. 1978 im Rahmen des § 616 BGB eine Dauer von sechs Wochen noch als verhältnismäßig 3. Vergütungsanspruch nicht erhebliche Zeit gewertet. Zur Begrün- Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer we- dung hat das Gericht der Tatsache, dass die gen einer konkreten Infektionsgefahr einseitig Arbeitsverhinderung eines Ausscheiders ih- frei, so ist auch dem Arbeitnehmer die Leis- rem Wesen nach einer Verhinderung durch tungserbringung unmöglich und die Vergü- Krankheit nahekomme, besonderes Gewicht tungspflicht des Arbeitgebers entfällt grund- beigemessen. In solchen Fällen sei es ange- sätzlich nach § 326 Abs.1 S.1 BGB. Der Ar- bracht, wenn nicht Besonderheiten des kon- beitgeber darf den betroffenen Arbeitnehmer kreten Arbeitsvertrages entgegenstehen, die in diesem Fall aufgrund seiner Fürsorgepflicht allgemein für Erkrankungen geltende Sechs- gegenüber den anderen Arbeitnehmern nicht Wochen-Frist jedenfalls bei einem länger an- im Betrieb beschäftigen. dauernden unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis grundsätzlich als Grenze ei- a) Vorübergehende Verhinderung ner verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit an- zusehen. Zweifelhaft ist, ob der Vergütungsanspruch eines Arbeitnehmers, der nicht arbeitsunfähig b) Betreuung Dritter erkrankt ist, sondern lediglich eine konkrete Kommt der Arbeitnehmer z. B. in Folge einer Infektionsgefahr darstellt, nach § 616 BGB Kita-/Schulschließung seiner Arbeitsleis- aufrechterhalten werden kann - sofern dies tungspflicht nicht nach, ist ebenfalls § 616 nicht einzelvertraglich oder tarifvertraglich BGB zu beachten. Wir halten eine Schließung ausgeschlossen worden ist. Schließlich stellt nicht für ein persönliches Leistungshindernis. eine Pandemie ein objektives Leistungshin- Bei der Schließung einer Kita oder einer dernis dar, also keinen in der Person des Ar- Schule, um eine Ausbreitung des Corona-Vi- beitnehmers liegenden Grund. rus zu verhindern, handelt es sich nicht um ein Leistungshindernis, das unmittelbar in der Zwar hat der BGH in einem Urteil aus dem Person des Arbeitnehmers begründet liegt. Jahr 1978 zum Bundesseuchenschutzgesetz Die Schließung betrifft vielmehr eine Vielzahl (BGH, Urt. v. 30. November 1978 - III ZR von Personen. Es gibt jedoch abweichende 43/77 (NJW 1979, 422)) entschieden, dass Auffassungen im Schrifttum, die das anders die von dem betroffenen Arbeitnehmer aus- sehen. gehende unverschuldete Ansteckungsgefahr ein Arbeitshindernis darstelle und § 616 BGB Maßgeblich sind alle Umstände des Einzel- den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers falls. So ist z. B. auf das Alter des Kindes ab- aufrechterhalte. Zu beachten ist jedoch, dass zustellen. Schließlich nimmt der Bedarf für der BGH die konkrete Infektionsgefahr eines eine elterliche Pflege mit zunehmendem Alter Einzelnen zu entscheiden hatte und keinen ab und wird bei älteren Kindern nur noch bei Pandemiefall. schweren Erkrankungen zu bejahen sein. Es spricht einiges dafür, dass ein nicht betreutes Wird die Anwendbarkeit von § 616 BGB be- – gesundes - Kind in die Obhut Dritter in Form jaht, trifft den Arbeitgeber die Lohnfortzah- einer selbst organisierten Pflege gegeben lungspflicht nach § 616 BGB ohnehin nur, so- werden kann, sofern eine solche Möglichkeit fern sich die Verhinderung von vornherein auf besteht. Insoweit hat der Arbeitnehmer zu- einen verhältnismäßig geringen Zeitraum be- mindest die Obliegenheit, alles zu tun, seine Verhinderung möglichst kurz zu halten. Leitfaden „Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie“ – 4. Neufassung 2020 13. März 2020 3
c) Wegerisiko a) Leistungen der Unfallversicherung Kann der Beschäftigte aufgrund von allge- Versicherte, die sich in Deutschland im Rah- mein angeordneten Maßnahmen, etwa weil men ihrer versicherten Tätigkeit mit dem die öffentlichen Verkehrsmittel nicht fahren, Coronavirus infizieren, stehen grundsätzlich seinen (unbelasteten) Arbeitsplatz nicht errei- unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallver- chen und somit seine Arbeitsleistung nicht er- sicherung. Dies wird derzeit in erster Linie bringen, hat er grundsätzlich keinen gesetzli- Krankenhauspersonal und damit Versicherte chen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten der BGW (Berufsgenossenschaft für Gesund- Vergütung. Der Arbeitnehmer trägt das Ri- heitsdienst und Wohlfahrtspflege) betreffen. siko, dass er zum Betrieb als seinem Arbeits- ort gelangt (sog. Wegerisiko). b) Behördliche Maßnahmen 4. Entgeltfortzahlungsanspruch Im Falle des Ausbruchs einer meldepflichti- gen Krankheit iSd. §§ 6 und 7 Infektions- Ist der Arbeitnehmer infolge der Viruserkran- schutzgesetz (IfSG) kann die zuständige Be- kung arbeitsunfähig, so hat er Anspruch auf hörde diverse Maßnahmen nach diesem Ge- Fortzahlung der Vergütung nach § 3 Abs.1 setz treffen. Hervorzuheben sind dabei die EFZG. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch Quarantäne und das berufliche Tätigkeitsver- kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn bot gemäß §§ 30, 31 IfSG. Das Bundesminis- den Arbeitnehmer hinsichtlich der Erkrankung terium für Gesundheit hat durch eine Verord- kein Verschulden trifft. nung die Meldepflicht nach dem IfSG auf den Ein Verschulden kommt u.a. in Betracht, Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung wenn der Mitarbeiter im Rahmen einer Privat- sowie den Tod in Bezug auf eine Infektion am reise gegen eine Reisewarnung des Auswär- Coronavirus ausgedehnt. Die „Verordnung tigen Amtes verstoßen hat. Der Arbeitnehmer über die Ausdehnung der Meldepflicht nach § ist verpflichtet, auf Verlangen des Arbeitge- 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und § 7 Absatz bers die für die Entstehung der Krankheit er- 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes auf In- heblichen Umstände im Einzelnen darzule- fektionen mit dem erstmals im Dezember gen. Verletzt der Arbeitnehmer diese Mitwir- 2019 in Wuhan/Volksrepublik China aufgetre- kungspflichten, so geht dies zu seinen Las- tenen neuartigen Coronavirus ("2019-nCoV")“ ten. ist am 1. Februar 2020 in Kraft getreten. Auch insoweit ist der Arbeitgeber berechtigt, Gemäß § 56 Abs. 1 IfSG erhält derjenige, der aus einem privaten Auslandsaufenthalt zu- als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, rückkehrende Arbeitnehmer daraufhin zu be- Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger fragen, ob sie sich in einer gefährdeten Re- Träger von Krankheitserregern im Sinne von gion oder an Orten mit einem deutlich erhöh- § 31 Satz 2 IfSG beruflichen Tätigkeitsverbo- ten Ansteckungsrisiko aufgehalten haben. ten unterliegt oder unterworfen ist und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, eine Am 9. März haben der Spitzenverband Bund Entschädigung in Geld. Das gleiche gilt für der Krankenkassen (GKV Spitzenverband) Personen, die als Ausscheider oder Anste- und die Kassenärztlichen Bundesvereinigung ckungsverdächtige abgesondert werden (KBV) eine zeitlich befristete erleichterte Mög- (Quarantäne), bei Ausscheidern jedoch nur, lichkeit für Krankschreibungen vereinbart. Pa- wenn sie andere Maßnahmen nicht befolgen tienten, die an leichten Erkrankungen der können. Hinsichtlich der einzelnen Begriffsbe- oberen Atemwege erkrankt sind und keine stimmungen wird auf § 2 IfSG verwiesen. schwere Symptomatik vorweisen oder Krite- rien des Robert Koch Instituts für einen Ver- Die Entschädigung bemisst sich gemäß § 56 dacht auf eine Infektion erfüllen, können nach Abs. 2 Satz 1 IfSG nach dem Verdienstaus- telefonischer Rücksprache mit ihrem Arzt fall. Als dieser gilt nach Abs. 3 Satz 1 das eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis Netto-Arbeitsentgelt. Für die ersten sechs maximal sieben Tage ausgestellt bekommen. Wochen wird die Entschädigung in Höhe des Die Vereinbarung gilt ab sofort und zunächst Netto-Arbeitsentgelts gewährt, Dauert die be- für vier Wochen. hördliche Maßnahme länger als sechs Wo- chen, erhalten die Betroffenen vom Beginn der siebten Woche an eine Entschädigung in Leitfaden „Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie“ – 4. Neufassung 2020 13. März 2020 4
Höhe des Krankengeldes, das auch die ge- digung zu gewähren ist, besteht eine Versi- setzliche Krankenkasse zahlen würde: Das cherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- sind 70 Prozent des Bruttogehalts, aber nicht und in der sozialen Pflegeversicherung sowie mehr als 90 Prozent des Nettogehalts. Zudem der Arbeitslosenversicherung fort. Auch hier ist die Summe auf 109,38 Euro pro Tag gede- trägt das Land die Beiträge allein, die Rege- ckelt (Stand 2020). lungen zur Bemessungsgrundlage gelten ent- sprechend. Gemäß § 56 Abs. 5 Satz 1 IfSG hat der Ar- beitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnis- Voraussetzung für einen Entschädigungsan- ses, jedoch längstens für sechs Wochen die spruch aus § 56 IfSG ist, dass die betroffene Entschädigung anstelle der zuständigen Be- Person durch das Tätigkeitsverbot oder die hörde auszuzahlen. Der Arbeitgeber hat ge- Quarantäne einen Verdienstausfall erleidet. gen die Behörde einen Erstattungsanspruch Nach dem Urteil des BGH zu einer Erstattung gem. § 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG. Der Antrag ist von Arbeitslohn nach dem damaligen Bun- gem. § 56 Abs. 11 IfSG innerhalb von drei desseuchengesetz soll dies nicht der Fall Monaten nach Einstellung der verbotenen Tä- sein, wenn der Arbeitgeber aus anderen ge- tigkeit oder dem Ende der Absonderung gel- setzlichen oder vertraglichen Gründen zur tend zu machen. Gem. § 56 Abs. 12 IfSG ist Fortzahlung des Entgelts verpflichtet ist dem Arbeitgeber auf Antrag ein Vorschuss zu (BGH, Urt. v. 30. November 1978 - III ZR gewähren. Nach Ablauf der sechs Wochen 43/77 in: NJW 1979, 422). wird die Entschädigung von der zuständigen Nach Ansicht des BGH kann zwar ein Tätig- Behörde auf Antrag der betroffenen Person keitsverbot ein in der Person des Arbeitneh- gewährt (§ 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG). mers liegendes, unverschuldetes Leistungs- Für Selbständige, deren Betrieb oder Praxis hindernis nach § 616 BGB darstellen und während der Dauer einer Maßnahme nach dementsprechend einen Anspruch auf Ent- § 56 Abs. 1 ruht, besteht gemäß § 56 Abs. 4 geltfortzahlung begründen (BGH, NJW 1979, Satz 2 IfSG die Möglichkeit, neben der Ent- 422, 423). Hinderungsgrund sei auch in die- schädigung auch Ersatz für die in dieser Zeit sem Fall die von dem Betroffenen ausge- weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebs- hende Ansteckungsgefahr. Wie oben ausge- ausgaben in angemessenem Umfang zu be- führt, kann der vom BGH entschiedene Fall antragen. eines Dauerausscheiders als Sonderfall an- gesehen werden und mit guten Gründen eine § 57 Abs. 1 und 2 IfSG sehen ein Fortbeste- Anwendbarkeit von § 616 BGB im Fall einer hen der Versicherungspflicht in der gesetzli- Pandemie verneint werden. Jedenfalls ist die chen Rentenversicherung vor, das entschädi- Entscheidung aber mit Blick auf den von § gungspflichtige Land trägt die Beiträge allein 616 BGB erfassten Zeitraum als Einzelfallent- (§ 57 Abs. 1 Satz 1, 3 IfSG). Bemessungs- scheidung zu werten, eine verhältnismäßig grundlage für die Beiträge ist gemäß § 57 nicht erhebliche Zeit im Sinne der Vorschrift Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 IfSG in den ersten sechs sollte regelmäßig nur eine Dauer von wenigen Wochen das Arbeitsentgelt, das der Ver- Tagen sein. dienstausfallentschädigung nach § 56 Abs. 3 vor Abzug von Steuern und Beitragsanteilen Die Pflicht zur Fortzahlung des Arbeitsent- zur Sozialversicherung oder entsprechender gelts nach § 616 BGB kann durch Einzel- oder Aufwendungen zur sozialen Sicherung zu- Tarifvertrag ausgeschlossen werden. In die- grunde liegt (also das Brutto-Entgelt), Von sem Fall lebt die Entschädigungspflicht der je- Beginn der siebten Woche an ist die Bemes- weils zuständigen Behörde unmittelbar wie- sungsgrundlage nach § 57 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der auf. Nur im Ausbildungsverhältnis ist eine IfSG 80 vom Hundert des dieser Entschädi- solche Abbedingung durch §§ 19, 25 BBiG gung zugrunde liegenden Arbeitsentgelts o- untersagt. der Arbeitseinkommens. Für Personen, die gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG als Ausscheider oder Ansteckungsver- dächtige abgesondert wurden oder werden und denen aus diesem Grund eine Entschä- Leitfaden „Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie“ – 4. Neufassung 2020 13. März 2020 5
5. Betriebsrisiko 6. Datenschutzrechtliche Erwägungen Sollte der Arbeitgeber im Fall der Erkrankung Sobald der Verdacht einer Ansteckung be- einer großen Zahl von Arbeitnehmern den Be- steht oder ein Arbeitnehmer an dem Virus er- trieb nicht aufrechterhalten können, trägt er krankt ist, muss der Arbeitgeber seiner Für- das Betriebsrisiko, soweit Arbeitnehmer ar- sorgepflicht gegenüber den übrigen Mitarbei- beitswillig und fähig sind. Folgende Maßnah- tern nachkommen. Dadurch können die übri- men können helfen, um übermäßige Belas- gen Arbeitnehmer Kenntnis von dem Ver- tungen abzuwehren: dacht der Ansteckung bzw. der Viruserkran- kung ihres Kollegen erlangen. ▪ Der Arbeitgeber kann in Abstimmung mit dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 In diesem Fall liegt eine Verarbeitung perso- BetrVG Kurzarbeit anordnen, um den Be- nenbezogener Daten vor. Die Offenlegung trieb durch Senkung der Personalkosten der Viruserkrankung im Betrieb stellt eine vorübergehend wirtschaftlich zu entlas- rechtmäßige Verarbeitung personenbezoge- ten. Daneben kommt Kurzarbeit in Frage, ner Daten i.S.v. Art. 6 Abs.1 lit. b), d) und f) soweit dies tarif- oder einzelvertraglich DSGVO dar. Sie erfolgt zur Erfüllung der ar- vereinbart ist. Im Falle eines Zuliefer- beitsvertraglichen Fürsorgepflicht des Arbeit- stopps, Betriebsschließungen durch die gebers und zum Schutz von Gesundheit und Behörde oder Hotelstornierungen bei an- Leben der übrigen Mitarbeiter und dient be- gekündigtem Messeausfalls aufgrund des rechtigten Interessen. Coronavirus ist die Gewährung von Kurz- Dem steht nicht entgegen, dass es sich um arbeitergeld zu prüfen. Gesundheitsdaten i.S.v. Art. 9 Abs.1 DSGVO ▪ Ebenfalls ist der Arbeitgeber in besonde- handelt. Die Erfüllung der Fürsorgepflicht des ren Situationen, wie z. B. in Notfällen, be- Arbeitgebers zum Schutz vor einer weiteren rechtigt, Überstunden einseitig anzuord- Ausbreitung des Virus überwiegt das Selbst- nen (BAG, Urteil vom 27.2.1981 – 2 AZR bestimmungsrecht des erkrankten Arbeitneh- 1162/78). Aufgrund seiner arbeitsvertrag- mers, Art. 9 Abs. 1 DSGVO i. V. m. § 26 Abs. lichen Treuepflicht ist der Arbeitnehmer in 3 BDSG. diesen Situationen verpflichtet, Arbeiten auch über das arbeitsvertraglich Verein- barte hinaus zu übernehmen. II. Kurzarbeit Unter einer „Notlage“ versteht das BAG Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit anordnen, eine ungewöhnliche Gefährdung der Be- sofern die Arbeitsleistung aufgrund tarif- oder triebsanlagen, der Waren oder der Ar- arbeitsvertraglicher Regelung ausgesetzt beitsplätze. Darüber hinaus hat das BAG werden kann. Dies kann auch in einer Be- auch die Gefährdung der termingerechten triebsvereinbarung geregelt werden, § 87 Abwicklung eines Auftrags mit den o. g. Abs.1 Nr.3 BetrVG. Folgen als besondere Situation aner- Grundsätzlich kann ein Anspruch auf Kurzar- kannt. Der Anordnung des Arbeitgebers beitergeld infolge eines Arbeitsausfalls auf- darf sich der Arbeitnehmer dann nicht ver- grund des Coronavirus bestehen. Vorausset- schließen, wenn der Verzug der Abwick- lung vom Arbeitgeber nicht verschuldet ist zung zur Gewährung von Kurzarbeitergeld ist und der Arbeitnehmer bisher Überstun- insbesondere der erhebliche Arbeitsausfall mit Entgeltausfall i.S.v. § 96 Abs.1 Nr.4 SGB den geleistet hat. III. Zudem muss der Betrieb alles Mögliche ▪ Eine Anordnung von Urlaub dürfte vor dem tun, um die Kurzarbeit zu vermeiden. Dies vo- Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung rausgesetzt, stellt ein Zulieferausfall aufgrund nicht ohne weiteres möglich sein. Dem Be- des Virus aber jedenfalls ein unabwendbares triebsrisiko des Arbeitgebers unterfallen Ereignis i.S.v. § 96 Abs.1 Nr.1 SGB III dar. insbesondere Auftragsmangel bzw. Be- Ein Arbeitsausfall ist erheblich, wenn er auf triebsablaufstörungen – sei es durch wirtschaftlichen Gründen oder einem unab- selbst herbeigeführte oder von außen ein- wendbaren Ereignis beruht, vorübergehend wirkende Umstände. Liegt ein Fall des Be- triebsrisikos vor, kann der Arbeitgeber den und unvermeidbar ist. Urlaub nicht einseitig festlegen. Leitfaden „Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie“ – 4. Neufassung 2020 13. März 2020 6
Der Begriff der „wirtschaftlichen Gründe“ ist Bundestag und Bundesrat haben am 13. umfassend und schließt alle Arbeitsausfälle März 2020 das Gesetz zur befristeten krisen- ein, die auf der wirtschaftlichen Tätigkeit ei- bedingten Verbesserung der Regelungen für nes Betriebes beruhen und sich aus dessen das Kurzarbeitergeld beschlossen. Mit dem Teilnahme am Wirtschaftsleben ergeben. Gesetz wurde eine Verordnungsermächti- gung geschaffen, die es ermöglicht, durch Unter einem unabwendbaren Ereignis ist all- Rechtsverordnungen den Zugang zum Kurz- gemein ein Ereignis zu verstehen, das unter arbeitergeld zu erleichtern: den gegebenen, nach der Besonderheit des Falles zu berücksichtigenden Umständen So kann das Quorum der im Betrieb Beschäf- auch durch die äußerste diesen Umständen tigten, die von einem Arbeitsausfall betroffen angemessene und vernünftigerweise zu er- sind, von einem Drittel auf 10 % herabgesenkt wartende Sorgfalt weder abzuwehren noch in werden. Es kann teilweise oder vollständig seinen schädlichen Folgen zu vermeiden ist. darauf verzichtet werden, dass die Arbeitneh- Dazu können auch behördlich angeordnete o- mer ein negatives Arbeitszeitsaldo aufbauen der anerkannte Maßnahmen gehören (z.B. müssen. Auch Leiharbeitnehmer können die angeordnete Betriebseinschränkungen oder Möglichkeit des Kurzarbeitergeldbezuges er- - stilllegungen), die vom Arbeitgeber nicht zu halten. Den Arbeitgebern können die von vertreten sind. ihnen zu tragenden Sozialversicherungsbei- träge für die durch Kurzarbeit ausgefallenen Der Arbeitgeber und die Arbeitnehmer müs- Stunden im vollen Umfang erstattet werden. sen im Rahmen ihrer Schadensminderungs- pflicht alles getan haben, um den Arbeitsaus- Die Bundesregierung plant, entsprechende fall zu vermeiden. Dazu gehört z.B. die Ge- Rechtsverordnungen zeitnah zu beschließen. währung von Urlaub und das Nutzen von im Betrieb zulässigen Arbeitszeitschwankungen. Davon umfasst ist, dass auch die Einstellung III. Vorbeugende Maßnahmen von „Minusstunden“ verlangt werden kann, Der Arbeitgeber ist nach dem Arbeitsschutz- sofern diese tarifvertraglich, aufgrund einer gesetz (ArbSchG) verpflichtet, die erforderli- Betriebsvereinbarung oder einer arbeitsver- traglichen Regelung durch den Arbeitgeber chen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter angeordnet werden können. Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die die Sicherheit und Gesundheit der Be- Weiter müssen die Mindesterfordernisse er- schäftigten bei der Arbeit gewährleisten und füllt sein: Im jeweiligen Kalendermonat (An- ihm möglich und zumutbar sind. Die Arbeit- spruchszeitraum) müssen mindestens ein nehmer sind nach §§ 15, 16 ArbSchG ver- Drittel der im Betrieb beschäftigten Arbeitneh- pflichtet, jede erhebliche Gefahr für die Si- merinnen und Arbeitnehmer von einem Ent- cherheit und Gesundheit unverzüglich dem geltausfall von jeweils mehr als 10 Prozent ih- Arbeitgeber zu melden und dessen arbeits- res monatlichen Bruttoentgelts betroffen sein; schutzrechtlichen Weisungen nachzukom- der Entgeltausfall kann auch jeweils 100 Pro- men. zent des monatlichen Bruttoentgelts betra- Möglich ist die Aufstellung eines „Pandemie- gen. plans“ z. B. auf Grundlage einer Rahmenbe- Zur Beantragung des Kurzarbeitergeldes triebsvereinbarung für den Pandemiefall mit zeigt der Arbeitgeber im Bedarfsfall den an- dem Betriebsrat. Solche Planungen stellen si- stehenden Arbeitsausfall bei der örtlich zu- cher, dass das Unternehmen nicht unvorbe- ständigen Agentur für Arbeit an. Nähere Infor- reitet von einer Pandemie überrascht wird, mationen über das Verfahren und Videoanlei- sondern geeignete Krisenstrategien zur Ver- tungen sind auf der Seite https://www.ar- fügung hat, die im Falle eines Falles kurzfris- beitsagentur.de/corona-virus-aktuelle-infor- tig aktiviert werden können. Dabei können die mationen zu finden. Risikobewertungen des Robert Koch Instituts oder Pandemiepläne der Bundesländer zur Darüber hinaus stehen die Agenturen für An- Orientierung herangezogen werden. Fol- fragen und Beratungen zur Verfügung. gende Regelungen bieten sich an: Die Nummer der Servicehotline für Arbeitge- ▪ Sachlicher Geltungsbereich: Sämtliche ber lautet 0800 45555 20. Maßnahmen, die im Zusammenhang mit Leitfaden „Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie“ – 4. Neufassung 2020 13. März 2020 7
dem Auftreten einer Pandemie zum Damit das Weisungsrecht des Arbeitgebers Schutz vor Beeinträchtigungen von Leben eine einseitige Zuweisung von mobiler Arbeit und Gesundheit der Mitarbeiter erforder- zulässt, müssen jedoch konkrete Anhalts- lich sind. punkte für ein erhöhtes Risiko bestehen, ▪ Die Ansteckungsgefahr durch Verhaltens- Auch den Betriebsrat kann eine Pflicht zur regeln reduzieren: Tragen von Schutz- Vorbeugung treffen. Er ist nach dem Grund- masken, Tragen von Schutzkleidung, re- satz der vertrauensvollen Zusammenarbeit gelmäßiges Desinfizieren der Hände, dem Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs Wechseln der Kleidung beim Betreten verpflichtet. Außerdem hat er nach § 80 Abs. des Betriebes, etc. 1 Nr. 1 und 9 BetrVG darüber zu wachen, dass Gesetze, Tarifverträge und Betriebsver- ▪ Es sollte vereinbart werden, dass der Ar- einbarungen durchgeführt und Maßnahmen beitgeber seinen Arbeitnehmern im Falle des Arbeitsschutzes gefördert werden. Dar- einer Pandemie auch solche Arbeiten zu- über hinaus bestimmt er nach § 87 Abs. 1 Nr. weisen darf, die vertraglich nicht geschul- 7 über den Gesundheitsschutz mit. Betriebs- det sind. Insofern kann sein Weisungs- räte sollten über Maßnahmen, die ein erhöh- recht in örtlicher, zeitlicher und sachlicher tes Risiko im Betrieb bedeuten, beraten und Hinsicht konkretisiert werden (Versetzun- ggf. auf diese verzichten. Dies gilt etwa für die gen, Überstunden, Vertretungsregeln). Einberufung von Betriebsversammlungen o- ▪ Anordnung von Kurzarbeit; ggf. auch von der für die Teilnahme an Betriebsrätekonfe- mobiler Arbeit. renzen. ▪ Es kann festgelegt werden, in welchem Umfang Arbeitnehmer berechtigt sind, IV. Arbeitnehmerentsendung Überstunden abzubauen, unbezahlten Urlaub zu beantragen etc. Grundsätzlich bleibt die Arbeitsleistung auch in Territorien möglich, die in nennenswertem ▪ Geltungsdauer: Die Betriebsvereinbarung Umfang von Ansteckungskrankheiten betrof- sollte ab dem Zeitpunkt des behördlich fen sind. Auch insoweit sollte geprüft werden, festgestellten Pandemiefalls in Kraft tre- ob eine Entsendung in das Ausland, insbe- ten und solange fortbestehen, bis die sondere wenn dieses besonders von der Epi- Pandemiewarnung aufgehoben wird. demie oder Pandemie betroffen ist, unum- Darüber hinaus bieten sich Informations- und gänglich ist. Selbst wenn ein einseitiges Zu- Aufklärungsbroschüren zur allgemeinen Infor- rückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers mation der Mitarbeiter an. Arbeitgeber sollten nicht besteht, kann es sich bei Entsendung in stets auf ausreichende Hygienemaßnahmen massiv betroffene Gebieten anbieten, auf bei den betrieblichen Abläufen achten. Um eine Dienstreise oder einen längeren Einsatz das Risiko von Pandemien möglichst gering in diesen Regionen zu verzichten. Anste- zu halten, empfiehlt sich eine enge Zusam- ckungsgefahren können nicht nur von dem menarbeit mit den zuständigen Gesundheits- Einsatz vor Ort, sondern insbesondere auch behörden. von der Reise ausgehen, soweit sich die Nut- zung stark frequentierter öffentlicher Ver- Als vorbeugende Maßnahme kann mit Arbeit- kehrsmittel (z. B. von Flugzeugen oder der nehmern vereinbart werden, die Arbeitsleis- Bahn) nicht umgehen lässt. tung für eine bestimmte Zeit in Form von mo- biler Arbeit von zuhause aus zu erbringen. 1. Zurückbehaltungsrecht Dies kann auch für Arbeitnehmer, die von Rei- Arbeitnehmern steht im Fall der Entsendung sen aus oder Risikogebieten zurückkehren, in ausländische Gebiete, in denen das Virus eine praktikable Lösung sein – sofern die Art auftritt, grundsätzlich kein Zurückbehaltungs- der Tätigkeit mobile Arbeit zulässt. recht zu. Ein Zurückbehaltungsrecht besteht Bei einem erhöhten Risiko im Betrieb, etwa nach § 273 Abs.1 BGB nur ausnahmsweise, durch Infektionsfälle oder begründete Ver- soweit die Leistung dem Arbeitnehmer unzu- dachtsfälle bei Beschäftigten kann auch eine mutbar ist. Dazu muss die Erbringung der Ar- einseitige Anordnung von Homeoffice durch beitsleistung unter Umständen erfolgen, die den Arbeitgeber im Einzelfall möglich sein. Leitfaden „Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie“ – 4. Neufassung 2020 13. März 2020 8
für den Arbeitnehmer mit erheblichen Gefah- machen auf länderspezifische Risiken für ren für Leben oder Gesundheit einhergehen. Reisende und Deutsche im Ausland auf- Solange keine Reisewarnung des Auswärti- merksam und enthalten lediglich die Empfeh- gen Amtes vorliegt, ist dies regelmäßig nicht lung, von Reisen in diese Regionen Abstand der Fall. zu nehmen. Dies ist zur Begründung eines Zurückbehaltungsrechts oder eines An- Soweit für einzelne Länder oder Regionen spruchs auf Rückholung nicht ausreichend. eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorliegt, können Arbeitnehmer ausnahms- 2. Entgeltfortzahlungsanspruch weise berechtigt sein, einer Entsendung in Der Arbeitnehmer behält seinen vertragli- diese Gebiete zu widersprechen. Das Aus- chen Vergütungsanspruch nur, wenn er die wärtige Amt spricht Reisewarnungen aus, Reise berechtigterweise nicht antritt. Der Ar- wenn generell vor Reisen in diese Regionen beitgeber kann diesem Arbeitnehmer dann gewarnt werden muss. Insofern werden auch aufgrund seines Direktionsrechts eine an- die dort lebenden Deutschen aufgefordert, dere Arbeit zuweisen. das Land zu verlassen. Hält sich der Arbeitnehmer bereits im Aus- Hält sich der Arbeitnehmer bereits im Aus- land auf und ist infolge der Krankheit arbeits- land auf, so sind die Ausführungen zu den unfähig, so hat er Anspruch auf Fortzahlung Arbeitsverhältnissen in Deutschland über- der Vergütung nach § 3 Abs.1 EFZG, sofern tragbar: Dem Arbeitnehmer steht kein gene- dessen Voraussetzungen erfüllt sind. relles Zurückbehaltungsrecht zu. Es obliegt dem Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer in Maßnahmen ausländischer Behörden, z.B. Ausnahmefällen (bei einer unmittelbaren Ge- Quarantäne, unterfallen nicht dem IfSG. Eine fahr für Leben oder Gesundheit) von ihrer Entschädigung gemäß § 56 IfSG ist in diesen Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung zu Fällen ausgeschlossen. Die Anwendbarkeit entbinden. ausländischer Vorschriften ist im Einzelfall zu prüfen. Etwas anderes kann im Falle einer Reise- warnung des Auswärtigen Amts gelten. Er- Teilweise wird in der Literatur vertreten, dass streckt sich die Warnung auf eine Region o- § 670 BGB analog dem Arbeitnehmer einen der ein Land, in dem der Arbeitnehmer seine Weiterzahlungsanspruch gewähren kann, arbeitsvertraglich geschuldete Leistung er- wenn die Reise aus dienstlichen Gründen bringt, kann dessen Pflicht zur Arbeitsleis- angeordnet wurde und die Rückkehr unmög- tung im Einzelfall nach § 273 Abs.1 BGB ent- lich geworden ist. fallen. Dabei kommt es darauf an, ob die ar- beitsvertragliche Tätigkeit vom Schutzzweck der Reisewarnung erfasst wird. Dies kann z. 3. Leistungen der Unfallversicherung B. an Orten mit erhöhtem Reise- und Publi- kumsverkehr wie Flughäfen und Bahnhöfen Versicherungsschutz besteht, wenn Versi- angenommen werden. Nur dort ist der Arbeit- cherte von ihrem Arbeitgeber ins Ausland ent- nehmer den gleichen Gesundheitsgefahren sendet werden bzw. entsandt worden sind wie im Falle einer Entsendung ausgesetzt und dort aufgrund ihrer grundsätzlich versi- und die Leistungserbringung unzumutbar. cherten Tätigkeit einer besonderen Gefahr ausgesetzt sind oder waren, z. B. weil sie ihre Ob für Arbeitnehmer, die sich bereits im Aus- Tätigkeit in einem Katastrophen- oder auch land aufhalten, ein Anspruch auf vom Arbeit- Infektionsgebiet ausüben und sich insofern geber finanzierte Rückkehr besteht, hängt der damit einhergehenden Gefährdung nicht ebenfalls vom Einzelfall ab. Dabei kommt es entziehen können. Die Voraussetzungen sind z. B. auf die geplante Aufenthaltsdauer des jeweils im Einzelfall zu prüfen. Arbeitnehmers und die Perspektive im Hin- blick auf die Ausbreitung der Krankheit in den entsprechenden Regionen an. Ein bloßer Sicherheitshinweis des Auswärti- gen Amtes genügt nicht zur Annahme eines Zurückbehaltungsrechts des Arbeitnehmers nach § 273 Abs.1 BGB. Sicherheitshinweise Leitfaden „Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie“ – 4. Neufassung 2020 13. März 2020 9
Ansprechpartner: BDA | DIE ARBEITGEBER Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber- verbände Arbeits- und Tarifrecht arbeitsrecht@arbeitgeber.de T +49 30 2033-1200 Arbeitsmarkt arbeitsmarkt@arbeitgeber.de T +49 30 2033-1400 Soziale Sicherung soziale.sicherung@arbeitgeber.de T +49 30 2033-1600 Leitfaden „Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie“ – 4. Neufassung 2020 13. März 2020 10
Die BDA organisiert als Spitzenverband die sozial- und wirtschaftspolitischen Interessen der gesamten deutschen Wirtschaft. Wir bündeln die Interessen von einer Million Betrieben mit rund 20 Millionen Beschäftigten. Diese Betriebe sind der BDA durch freiwillige Mitgliedschaft in Arbeitgeberverbänden verbunden. Leitfaden „Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie“ – 4. Neufassung 2020 13. März 2020 11
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