Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie - Hinweise für die Praxis 13. März 2020 - BDA

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Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie
Hinweise für die Praxis

13. März 2020

                                                   1. Arbeitspflicht
Ausgangslage
                                                   Die Pflicht zur Arbeitsleistung wird nicht be-
Nach Auftreten des neuartigen Coronavirus in
                                                   rührt. Einem nicht erkrankten Arbeitnehmer
China und den USA hat die Weltgesundheits-
                                                   steht kein Zurückbehaltungsrecht zu. Er ist
organisation (WHO) am 30. Januar 2020 den
                                                   weiterhin verpflichtet, die ihm übertragenen
internationalen Gesundheitsnotstand ausge-
                                                   Aufgaben zu erfüllen, sowie den Anordnun-
rufen. Am 11. März 2020 hat die WHO den
                                                   gen der Vorgesetzten Folge zu leisten.
Ausbruch des Coronavirus als Pandemie ein-
gestuft. Die Zahl der Infizierten steigt weiter    Dies gilt auch für den Umgang mit importier-
und das Virus verbreitet sich zunehmend.           ten Waren. Dem Robert-Koch-Institut sind
                                                   keine Infektionen durch importierte Waren be-
Die folgenden Ausführungen geben einen
                                                   kannt.
Überblick über arbeitsvertraglichen Folgen,
wenn Arbeitnehmer wegen des Coronavirus            Ein         Zurückbehaltungsrecht         nach
nicht beschäftigt werden und über die Auswir-      § 273 Abs.1 BGB kommt für in Deutschland
kungen auf Entsendungen von Arbeitneh-             tätige Arbeitnehmer bei der Rückkehr eines
mern in das Ausland. Zudem wird dargestellt,       Mitarbeiters aus einer gefährdeten Region -
welche Vorbereitungshandlungen getroffen           einer Region, die von einer Reisewarnung be-
werden können, um innerbetriebliche Folgen         troffen ist oder die vom Robert Koch Institut
möglichst einzugrenzen und auch daten-             als Risikogebiet eingestuft wurde- ebenfalls
schutzrechtliche Aspekte werden erörtert.          grundsätzlich nicht in Betracht. Auf Wunsch
                                                   des in Deutschland tätigen Arbeitnehmers
Das Ziel bleibt, die betrieblichen Abläufe weit-
                                                   kann der Arbeitgeber diesen unter Wegfall
gehend zu sichern. Es ist Arbeitgebern ein
                                                   des Vergütungsanspruchs freistellen. Der Ar-
zentrales Anliegen die Gesundheit und Si-
                                                   beitgeber ist bei dieser Entscheidung frei. Der
cherheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten.
                                                   Arbeitnehmer kann sich nur insoweit auf ein
Eine Pandemie ist eine besondere Situation,        Zurückbehaltungsrecht berufen, sofern der
bei der sich die Zusammenarbeit mit Betriebs-      Arbeitgeber dieser Fürsorgepflicht nicht aus-
rat und Arbeitnehmern erneut bewähren              reichend nachkommt. Das ist allenfalls dann
kann. Ohne Präzedenzfälle für die Zukunft zu       der Fall, wenn glaubhaft dargelegt werden
schaffen, kann es sich in solchen Situationen      kann, dass die Ausübung der übertragenen
anbieten, verstärkt von der Möglichkeit mobi-      Aufgaben tatsächlich eine Gefahr für Gesund-
ler Arbeit Gebrauch zu machen.                     heit oder Leben darstellt.
I. Arbeitsverhältnisse in Deutschland              2. Mitteilungsobliegenheiten
Die Virus-Erkrankungswelle wirft unterschied-      Der Arbeitgeber kann im Rahmen seiner ar-
liche arbeitsrechtliche Fragen auf. Besonders      beitsrechtlichen Fürsorgepflicht bei erkennba-
betroffen sind Verpflichtungen aus dem Ar-         ren Risiken verpflichtet sein, mögliche Anste-
beitsvertrag.                                      ckungen durch zurückkehrende Arbeitneh-
                                                   mer über Aufklärungs- und Vorsichtsmaßnah-
                                                   men zu verhindern.
Den Arbeitnehmer trifft eine arbeitsvertragli-                  gegeben sein, wenn sich der Arbeitnehmer in
che Hinweispflicht, soweit er in räumlicher                     einer gefährdeten Region aufgehalten hat, für
Nähe zu einer mit dem Coronavirus infizierten                   die eine Reisewarnung des Auswärtigen
Person stand. Grundsätzlich ordnet das zu-                      Amts ausgesprochen worden war und der Ar-
ständige Gesundheitsamt häusliche Quaran-                       beitnehmer an Orten mit erhöhtem Reise- und
täne für die maximale Dauer der Inkubations-                    Publikumsverkehr wie Flughäfen und Bahn-
zeit (14 Tage) an, sobald der Arbeitnehmer                      höfen zugegen war. Das kann auch dann gel-
als Kontaktperson gilt. Nähere Informationen                    ten, wenn aufgrund der konkreten Situation
zum Begriff der Kontaktperson stellt das Ro-                    am Ort der Reise ein deutlich erhöhtes Anste-
bert-Koch-Institut auf seiner Homepage zur                      ckungsrisiko besteht und die in Rede ste-
Verfügung.                                                      hende Erkrankung sich durch ein besonders
                                                                hohes Ansteckungsrisiko auszeichnet. Nach
Daneben ist der Arbeitgeber berechtigt, aus
                                                                dem Robert-Koch-Institut ist ein „höheres“ In-
einem privaten Auslandsaufenthalt zurück-
                                                                fektionsrisiko auch bei Kontaktpersonen mit
kehrende Arbeitnehmer daraufhin zu befra-
                                                                engerem Kontakt gegeben. Ob der Kontakt
gen, ob sie sich in einem Risikogebiet aufge-
                                                                zu einer Kontaktperson zur Annahme einer
halten haben. Der Anspruch ist dabei regel-
                                                                konkreten Infektionsgefahr ausreicht, ist noch
mäßig auf eine Negativauskunft beschränkt.
                                                                unklar. Lebt die Kontaktperson mit dem Infi-
Der Arbeitnehmer ist regelmäßig nicht ver-
                                                                zierten in häuslicher Gemeinschaft, spricht ei-
pflichtet, Auskunft über den genauen Aufent-
                                                                niges dafür.
haltsort zu geben.
                                                                Die Zulässigkeit der Anordnung zur Durchfüh-
Der Arbeitgeber kann eine ärztliche Untersu-
                                                                rung von Reihen- (Fieber-) Tests vor Betreten
chung eines zurückgekehrten Mitarbeiters an-
                                                                des Betriebsgeländes unterliegt der Mitbe-
ordnen, sofern er hieran ein berechtigtes Inte-
                                                                stimmung des Betriebsrates. Pauschale An-
resse hat. Ein solches Interesse muss das
                                                                ordnungen zur Durchführung von Fieber-
Selbstbestimmungsrecht und die körperliche
                                                                Tests sind mit den Persönlichkeitsrechten der
Unversehrtheit des Mitarbeiters überwiegen.
                                                                Arbeitnehmer sorgsam abzuwägen. So be-
Dies ist anhand einer Abwägung aller maß-
                                                                darf es stets eines konkreten Anlasses in
geblichen Umstände des Einzelfalles zu prü-
                                                                Form einer konkreten Infektionsgefahr. Etwas
fen.
                                                                anderes kann gelten, sobald die erste Infizie-
So kann das berechtigte Interesse des Arbeit-                   rung im jeweiligen Betrieb aufgetreten ist.
gebers an der ärztlichen Untersuchung die                       Letztlich hängt die jeweilige Anordnung von
geschützten Interessen des Arbeitnehmers                        maßgeblichen Umständen des Einzelfalles
überwiegen, wenn der Arbeitnehmer beson-                        ab.
deren Ansteckungsrisiken ausgesetzt war
                                                                Darüber hinaus kann der Arbeitgeber die Frei-
und Erkältungssymptome zeigt, sodass eine
                                                                stellung ohne oder gegen den Willen seines
konkrete Infektionsgefahr besteht.
                                                                Arbeitnehmers erklären. Dies setzt voraus,
Ein begründeter Verdacht liegt nach Angaben                     dass das Suspendierungsinteresse des Ar-
des Robert Koch Instituts vor, wenn bei Per-                    beitgebers das Interesse des Arbeitnehmers
sonen mindestens eine der beiden folgenden                      an einer vertragsgemäßen Beschäftigung
Konstellationen vorliegt:                                       überwiegt und wird auf die Einhaltung arbeits-
                                                                schutzrechtlicher Vorschriften (§ 4 Nr.1 Arb-
-   Personen mit akuten respiratorischen
                                                                SchG) und die arbeitsrechtliche Fürsorge-
    Symptomen jeder Schwere oder unspezi-
                                                                pflicht (§ 241 Abs.2 BGB) gestützt.
    fischen Allgemeinsymptomen UND Kon-
    takt mit einem bestätigten Fall von CO-                     Das Suspendierungsinteresse überwiegt re-
    VID-19                                                      gelmäßig, wenn der Arbeitgeber Grund für die
                                                                Annahme einer arbeitsunfähigen Erkrankung
-   Personen mit akuten respiratorischen                        hat. Daneben ist eine einseitige Freistellungs-
    Symptomen jeder Schwere UND Aufent-                         erklärung durch den Arbeitgeber möglich,
    halt in einem Risikogebiet.                                 wenn von dem Arbeitnehmer eine Gesund-
                                                                heitsgefahr für anderer Arbeitnehmer oder
Bei diesen Personen sollte eine diagnosti-                      Kunden ausgeht. Hierfür genügt das Vorlie-
sche Abklärung erfolgen. Darüber hinaus                         gen eines begründeten Verdachts der Infek-
dürfte eine konkrete Infektionsgefahr auch
                                                                tion mit einer ansteckenden Krankheit wie

                   Leitfaden „Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie“ – 4. Neufassung 2020

                   13. März 2020                                                                             2
dem Coronavirus. Für die Beurteilung, ob ein                    schränkt. Für die Konkretisierung dieses un-
begründeter Verdacht vorliegt, kann auf die                     bestimmten Rechtsbegriffs soll neben den
Risikobewertung des Robert-Koch Instituts                       Umständen des Einzelfalls das Verhältnis
(vgl. oben) zurückgegriffen werden.                             zwischen Dauer des Arbeitsverhältnisses und
                                                                der Dauer der Verhinderungszeit eine Rolle
Sofern im Betrieb eine Regelung zur mobilen                     spielen. Als verhältnismäßig nicht erhebliche
Arbeit besteht, kann der Arbeitgeber im Rah-                    Zeit sollte regelmäßig nur eine Dauer von we-
men der bestehenden Regelungen seine Be-                        nigen Tagen gewertet werden.
schäftigten anweisen, von dieser Möglichkeit
                                                                Der BGH hat in seinem Urteil aus dem Jahr
Gebrauch zu machen.
                                                                1978 im Rahmen des § 616 BGB eine Dauer
                                                                von sechs Wochen noch als verhältnismäßig
3. Vergütungsanspruch                                           nicht erhebliche Zeit gewertet. Zur Begrün-
Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer we-                     dung hat das Gericht der Tatsache, dass die
gen einer konkreten Infektionsgefahr einseitig                  Arbeitsverhinderung eines Ausscheiders ih-
frei, so ist auch dem Arbeitnehmer die Leis-                    rem Wesen nach einer Verhinderung durch
tungserbringung unmöglich und die Vergü-                        Krankheit nahekomme, besonderes Gewicht
tungspflicht des Arbeitgebers entfällt grund-                   beigemessen. In solchen Fällen sei es ange-
sätzlich nach § 326 Abs.1 S.1 BGB. Der Ar-                      bracht, wenn nicht Besonderheiten des kon-
beitgeber darf den betroffenen Arbeitnehmer                     kreten Arbeitsvertrages entgegenstehen, die
in diesem Fall aufgrund seiner Fürsorgepflicht                  allgemein für Erkrankungen geltende Sechs-
gegenüber den anderen Arbeitnehmern nicht                       Wochen-Frist jedenfalls bei einem länger an-
im Betrieb beschäftigen.                                        dauernden unbefristeten und ungekündigten
                                                                Arbeitsverhältnis grundsätzlich als Grenze ei-
a) Vorübergehende Verhinderung                                  ner verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit an-
                                                                zusehen.
Zweifelhaft ist, ob der Vergütungsanspruch
eines Arbeitnehmers, der nicht arbeitsunfähig                   b) Betreuung Dritter
erkrankt ist, sondern lediglich eine konkrete
                                                                Kommt der Arbeitnehmer z. B. in Folge einer
Infektionsgefahr darstellt, nach § 616 BGB
                                                                Kita-/Schulschließung seiner Arbeitsleis-
aufrechterhalten werden kann - sofern dies                      tungspflicht nicht nach, ist ebenfalls § 616
nicht einzelvertraglich oder tarifvertraglich                   BGB zu beachten. Wir halten eine Schließung
ausgeschlossen worden ist. Schließlich stellt
                                                                nicht für ein persönliches Leistungshindernis.
eine Pandemie ein objektives Leistungshin-
                                                                Bei der Schließung einer Kita oder einer
dernis dar, also keinen in der Person des Ar-
                                                                Schule, um eine Ausbreitung des Corona-Vi-
beitnehmers liegenden Grund.
                                                                rus zu verhindern, handelt es sich nicht um
                                                                ein Leistungshindernis, das unmittelbar in der
Zwar hat der BGH in einem Urteil aus dem                        Person des Arbeitnehmers begründet liegt.
Jahr 1978 zum Bundesseuchenschutzgesetz                         Die Schließung betrifft vielmehr eine Vielzahl
(BGH, Urt. v. 30. November 1978 - III ZR                        von Personen. Es gibt jedoch abweichende
43/77 (NJW 1979, 422)) entschieden, dass                        Auffassungen im Schrifttum, die das anders
die von dem betroffenen Arbeitnehmer aus-                       sehen.
gehende unverschuldete Ansteckungsgefahr
ein Arbeitshindernis darstelle und § 616 BGB                    Maßgeblich sind alle Umstände des Einzel-
den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers                        falls. So ist z. B. auf das Alter des Kindes ab-
aufrechterhalte. Zu beachten ist jedoch, dass                   zustellen. Schließlich nimmt der Bedarf für
der BGH die konkrete Infektionsgefahr eines                     eine elterliche Pflege mit zunehmendem Alter
Einzelnen zu entscheiden hatte und keinen                       ab und wird bei älteren Kindern nur noch bei
Pandemiefall.                                                   schweren Erkrankungen zu bejahen sein. Es
                                                                spricht einiges dafür, dass ein nicht betreutes
Wird die Anwendbarkeit von § 616 BGB be-                        – gesundes - Kind in die Obhut Dritter in Form
jaht, trifft den Arbeitgeber die Lohnfortzah-                   einer selbst organisierten Pflege gegeben
lungspflicht nach § 616 BGB ohnehin nur, so-                    werden kann, sofern eine solche Möglichkeit
fern sich die Verhinderung von vornherein auf                   besteht. Insoweit hat der Arbeitnehmer zu-
einen verhältnismäßig geringen Zeitraum be-                     mindest die Obliegenheit, alles zu tun, seine
                                                                Verhinderung möglichst kurz zu halten.

                   Leitfaden „Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie“ – 4. Neufassung 2020

                   13. März 2020                                                                              3
c) Wegerisiko                                                    a) Leistungen der Unfallversicherung
Kann der Beschäftigte aufgrund von allge-                        Versicherte, die sich in Deutschland im Rah-
mein angeordneten Maßnahmen, etwa weil                           men ihrer versicherten Tätigkeit mit dem
die öffentlichen Verkehrsmittel nicht fahren,                    Coronavirus infizieren, stehen grundsätzlich
seinen (unbelasteten) Arbeitsplatz nicht errei-                  unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallver-
chen und somit seine Arbeitsleistung nicht er-                   sicherung. Dies wird derzeit in erster Linie
bringen, hat er grundsätzlich keinen gesetzli-                   Krankenhauspersonal und damit Versicherte
chen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten                       der BGW (Berufsgenossenschaft für Gesund-
Vergütung. Der Arbeitnehmer trägt das Ri-                        heitsdienst und Wohlfahrtspflege) betreffen.
siko, dass er zum Betrieb als seinem Arbeits-
ort gelangt (sog. Wegerisiko).                                   b) Behördliche Maßnahmen

4. Entgeltfortzahlungsanspruch                                   Im Falle des Ausbruchs einer meldepflichti-
                                                                 gen Krankheit iSd. §§ 6 und 7 Infektions-
Ist der Arbeitnehmer infolge der Viruserkran-                    schutzgesetz (IfSG) kann die zuständige Be-
kung arbeitsunfähig, so hat er Anspruch auf                      hörde diverse Maßnahmen nach diesem Ge-
Fortzahlung der Vergütung nach § 3 Abs.1                         setz treffen. Hervorzuheben sind dabei die
EFZG. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch                            Quarantäne und das berufliche Tätigkeitsver-
kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn                      bot gemäß §§ 30, 31 IfSG. Das Bundesminis-
den Arbeitnehmer hinsichtlich der Erkrankung                     terium für Gesundheit hat durch eine Verord-
kein Verschulden trifft.                                         nung die Meldepflicht nach dem IfSG auf den
Ein Verschulden kommt u.a. in Betracht,                          Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung
wenn der Mitarbeiter im Rahmen einer Privat-                     sowie den Tod in Bezug auf eine Infektion am
reise gegen eine Reisewarnung des Auswär-                        Coronavirus ausgedehnt. Die „Verordnung
tigen Amtes verstoßen hat. Der Arbeitnehmer                      über die Ausdehnung der Meldepflicht nach §
ist verpflichtet, auf Verlangen des Arbeitge-                    6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und § 7 Absatz
bers die für die Entstehung der Krankheit er-                    1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes auf In-
heblichen Umstände im Einzelnen darzule-                         fektionen mit dem erstmals im Dezember
gen. Verletzt der Arbeitnehmer diese Mitwir-                     2019 in Wuhan/Volksrepublik China aufgetre-
kungspflichten, so geht dies zu seinen Las-                      tenen neuartigen Coronavirus ("2019-nCoV")“
ten.                                                             ist am 1. Februar 2020 in Kraft getreten.

Auch insoweit ist der Arbeitgeber berechtigt,                    Gemäß § 56 Abs. 1 IfSG erhält derjenige, der
aus einem privaten Auslandsaufenthalt zu-                        als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger,
rückkehrende Arbeitnehmer daraufhin zu be-                       Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger
fragen, ob sie sich in einer gefährdeten Re-                     Träger von Krankheitserregern im Sinne von
gion oder an Orten mit einem deutlich erhöh-                     § 31 Satz 2 IfSG beruflichen Tätigkeitsverbo-
ten Ansteckungsrisiko aufgehalten haben.                         ten unterliegt oder unterworfen ist und
                                                                 dadurch einen Verdienstausfall erleidet, eine
Am 9. März haben der Spitzenverband Bund                         Entschädigung in Geld. Das gleiche gilt für
der Krankenkassen (GKV Spitzenverband)                           Personen, die als Ausscheider oder Anste-
und die Kassenärztlichen Bundesvereinigung                       ckungsverdächtige abgesondert werden
(KBV) eine zeitlich befristete erleichterte Mög-                 (Quarantäne), bei Ausscheidern jedoch nur,
lichkeit für Krankschreibungen vereinbart. Pa-                   wenn sie andere Maßnahmen nicht befolgen
tienten, die an leichten Erkrankungen der                        können. Hinsichtlich der einzelnen Begriffsbe-
oberen Atemwege erkrankt sind und keine                          stimmungen wird auf § 2 IfSG verwiesen.
schwere Symptomatik vorweisen oder Krite-
rien des Robert Koch Instituts für einen Ver-                    Die Entschädigung bemisst sich gemäß § 56
dacht auf eine Infektion erfüllen, können nach                   Abs. 2 Satz 1 IfSG nach dem Verdienstaus-
telefonischer Rücksprache mit ihrem Arzt                         fall. Als dieser gilt nach Abs. 3 Satz 1 das
eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis                        Netto-Arbeitsentgelt. Für die ersten sechs
maximal sieben Tage ausgestellt bekommen.                        Wochen wird die Entschädigung in Höhe des
Die Vereinbarung gilt ab sofort und zunächst                     Netto-Arbeitsentgelts gewährt, Dauert die be-
für vier Wochen.                                                 hördliche Maßnahme länger als sechs Wo-
                                                                 chen, erhalten die Betroffenen vom Beginn
                                                                 der siebten Woche an eine Entschädigung in

                    Leitfaden „Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie“ – 4. Neufassung 2020

                    13. März 2020                                                                            4
Höhe des Krankengeldes, das auch die ge-                        digung zu gewähren ist, besteht eine Versi-
setzliche Krankenkasse zahlen würde: Das                        cherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-
sind 70 Prozent des Bruttogehalts, aber nicht                   und in der sozialen Pflegeversicherung sowie
mehr als 90 Prozent des Nettogehalts. Zudem                     der Arbeitslosenversicherung fort. Auch hier
ist die Summe auf 109,38 Euro pro Tag gede-                     trägt das Land die Beiträge allein, die Rege-
ckelt (Stand 2020).                                             lungen zur Bemessungsgrundlage gelten ent-
                                                                sprechend.
Gemäß § 56 Abs. 5 Satz 1 IfSG hat der Ar-
beitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnis-                  Voraussetzung für einen Entschädigungsan-
ses, jedoch längstens für sechs Wochen die                      spruch aus § 56 IfSG ist, dass die betroffene
Entschädigung anstelle der zuständigen Be-                      Person durch das Tätigkeitsverbot oder die
hörde auszuzahlen. Der Arbeitgeber hat ge-                      Quarantäne einen Verdienstausfall erleidet.
gen die Behörde einen Erstattungsanspruch                       Nach dem Urteil des BGH zu einer Erstattung
gem. § 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG. Der Antrag ist                    von Arbeitslohn nach dem damaligen Bun-
gem. § 56 Abs. 11 IfSG innerhalb von drei                       desseuchengesetz soll dies nicht der Fall
Monaten nach Einstellung der verbotenen Tä-                     sein, wenn der Arbeitgeber aus anderen ge-
tigkeit oder dem Ende der Absonderung gel-                      setzlichen oder vertraglichen Gründen zur
tend zu machen. Gem. § 56 Abs. 12 IfSG ist                      Fortzahlung des Entgelts verpflichtet ist
dem Arbeitgeber auf Antrag ein Vorschuss zu                     (BGH, Urt. v. 30. November 1978 - III ZR
gewähren. Nach Ablauf der sechs Wochen                          43/77 in: NJW 1979, 422).
wird die Entschädigung von der zuständigen
                                                                Nach Ansicht des BGH kann zwar ein Tätig-
Behörde auf Antrag der betroffenen Person
                                                                keitsverbot ein in der Person des Arbeitneh-
gewährt (§ 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG).
                                                                mers liegendes, unverschuldetes Leistungs-
Für Selbständige, deren Betrieb oder Praxis                     hindernis nach § 616 BGB darstellen und
während der Dauer einer Maßnahme nach                           dementsprechend einen Anspruch auf Ent-
§ 56 Abs. 1 ruht, besteht gemäß § 56 Abs. 4                     geltfortzahlung begründen (BGH, NJW 1979,
Satz 2 IfSG die Möglichkeit, neben der Ent-                     422, 423). Hinderungsgrund sei auch in die-
schädigung auch Ersatz für die in dieser Zeit                   sem Fall die von dem Betroffenen ausge-
weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebs-                       hende Ansteckungsgefahr. Wie oben ausge-
ausgaben in angemessenem Umfang zu be-                          führt, kann der vom BGH entschiedene Fall
antragen.                                                       eines Dauerausscheiders als Sonderfall an-
                                                                gesehen werden und mit guten Gründen eine
§ 57 Abs. 1 und 2 IfSG sehen ein Fortbeste-
                                                                Anwendbarkeit von § 616 BGB im Fall einer
hen der Versicherungspflicht in der gesetzli-
                                                                Pandemie verneint werden. Jedenfalls ist die
chen Rentenversicherung vor, das entschädi-
                                                                Entscheidung aber mit Blick auf den von §
gungspflichtige Land trägt die Beiträge allein
                                                                616 BGB erfassten Zeitraum als Einzelfallent-
(§ 57 Abs. 1 Satz 1, 3 IfSG). Bemessungs-
                                                                scheidung zu werten, eine verhältnismäßig
grundlage für die Beiträge ist gemäß § 57
                                                                nicht erhebliche Zeit im Sinne der Vorschrift
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 IfSG in den ersten sechs
                                                                sollte regelmäßig nur eine Dauer von wenigen
Wochen das Arbeitsentgelt, das der Ver-
                                                                Tagen sein.
dienstausfallentschädigung nach § 56 Abs. 3
vor Abzug von Steuern und Beitragsanteilen                      Die Pflicht zur Fortzahlung des Arbeitsent-
zur Sozialversicherung oder entsprechender                      gelts nach § 616 BGB kann durch Einzel- oder
Aufwendungen zur sozialen Sicherung zu-                         Tarifvertrag ausgeschlossen werden. In die-
grunde liegt (also das Brutto-Entgelt), Von                     sem Fall lebt die Entschädigungspflicht der je-
Beginn der siebten Woche an ist die Bemes-                      weils zuständigen Behörde unmittelbar wie-
sungsgrundlage nach § 57 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2                    der auf. Nur im Ausbildungsverhältnis ist eine
IfSG 80 vom Hundert des dieser Entschädi-                       solche Abbedingung durch §§ 19, 25 BBiG
gung zugrunde liegenden Arbeitsentgelts o-                      untersagt.
der Arbeitseinkommens.
Für Personen, die gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2
IfSG als Ausscheider oder Ansteckungsver-
dächtige abgesondert wurden oder werden
und denen aus diesem Grund eine Entschä-

                   Leitfaden „Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie“ – 4. Neufassung 2020

                   13. März 2020                                                                             5
5. Betriebsrisiko                                                6. Datenschutzrechtliche Erwägungen
Sollte der Arbeitgeber im Fall der Erkrankung                    Sobald der Verdacht einer Ansteckung be-
einer großen Zahl von Arbeitnehmern den Be-                      steht oder ein Arbeitnehmer an dem Virus er-
trieb nicht aufrechterhalten können, trägt er                    krankt ist, muss der Arbeitgeber seiner Für-
das Betriebsrisiko, soweit Arbeitnehmer ar-                      sorgepflicht gegenüber den übrigen Mitarbei-
beitswillig und fähig sind. Folgende Maßnah-                     tern nachkommen. Dadurch können die übri-
men können helfen, um übermäßige Belas-                          gen Arbeitnehmer Kenntnis von dem Ver-
tungen abzuwehren:                                               dacht der Ansteckung bzw. der Viruserkran-
                                                                 kung ihres Kollegen erlangen.
▪   Der Arbeitgeber kann in Abstimmung mit
    dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 3                       In diesem Fall liegt eine Verarbeitung perso-
    BetrVG Kurzarbeit anordnen, um den Be-                       nenbezogener Daten vor. Die Offenlegung
    trieb durch Senkung der Personalkosten                       der Viruserkrankung im Betrieb stellt eine
    vorübergehend wirtschaftlich zu entlas-                      rechtmäßige Verarbeitung personenbezoge-
    ten. Daneben kommt Kurzarbeit in Frage,                      ner Daten i.S.v. Art. 6 Abs.1 lit. b), d) und f)
    soweit dies tarif- oder einzelvertraglich                    DSGVO dar. Sie erfolgt zur Erfüllung der ar-
    vereinbart ist. Im Falle eines Zuliefer-                     beitsvertraglichen Fürsorgepflicht des Arbeit-
    stopps, Betriebsschließungen durch die                       gebers und zum Schutz von Gesundheit und
    Behörde oder Hotelstornierungen bei an-                      Leben der übrigen Mitarbeiter und dient be-
    gekündigtem Messeausfalls aufgrund des                       rechtigten Interessen.
    Coronavirus ist die Gewährung von Kurz-
                                                                 Dem steht nicht entgegen, dass es sich um
    arbeitergeld zu prüfen.
                                                                 Gesundheitsdaten i.S.v. Art. 9 Abs.1 DSGVO
▪   Ebenfalls ist der Arbeitgeber in besonde-                    handelt. Die Erfüllung der Fürsorgepflicht des
    ren Situationen, wie z. B. in Notfällen, be-                 Arbeitgebers zum Schutz vor einer weiteren
    rechtigt, Überstunden einseitig anzuord-                     Ausbreitung des Virus überwiegt das Selbst-
    nen (BAG, Urteil vom 27.2.1981 – 2 AZR                       bestimmungsrecht des erkrankten Arbeitneh-
    1162/78). Aufgrund seiner arbeitsvertrag-                    mers, Art. 9 Abs. 1 DSGVO i. V. m. § 26 Abs.
    lichen Treuepflicht ist der Arbeitnehmer in                  3 BDSG.
    diesen Situationen verpflichtet, Arbeiten
    auch über das arbeitsvertraglich Verein-
    barte hinaus zu übernehmen.                                  II. Kurzarbeit
    Unter einer „Notlage“ versteht das BAG                       Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit anordnen,
    eine ungewöhnliche Gefährdung der Be-                        sofern die Arbeitsleistung aufgrund tarif- oder
    triebsanlagen, der Waren oder der Ar-                        arbeitsvertraglicher Regelung ausgesetzt
    beitsplätze. Darüber hinaus hat das BAG                      werden kann. Dies kann auch in einer Be-
    auch die Gefährdung der termingerechten                      triebsvereinbarung geregelt werden, § 87
    Abwicklung eines Auftrags mit den o. g.                      Abs.1 Nr.3 BetrVG.
    Folgen als besondere Situation aner-
                                                                 Grundsätzlich kann ein Anspruch auf Kurzar-
    kannt. Der Anordnung des Arbeitgebers
                                                                 beitergeld infolge eines Arbeitsausfalls auf-
    darf sich der Arbeitnehmer dann nicht ver-
                                                                 grund des Coronavirus bestehen. Vorausset-
    schließen, wenn der Verzug der Abwick-
    lung vom Arbeitgeber nicht verschuldet ist                   zung zur Gewährung von Kurzarbeitergeld ist
    und der Arbeitnehmer bisher Überstun-                        insbesondere der erhebliche Arbeitsausfall
                                                                 mit Entgeltausfall i.S.v. § 96 Abs.1 Nr.4 SGB
    den geleistet hat.
                                                                 III. Zudem muss der Betrieb alles Mögliche
▪ Eine Anordnung von Urlaub dürfte vor dem                       tun, um die Kurzarbeit zu vermeiden. Dies vo-
  Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung                       rausgesetzt, stellt ein Zulieferausfall aufgrund
  nicht ohne weiteres möglich sein. Dem Be-                      des Virus aber jedenfalls ein unabwendbares
  triebsrisiko des Arbeitgebers unterfallen                      Ereignis i.S.v. § 96 Abs.1 Nr.1 SGB III dar.
  insbesondere Auftragsmangel bzw. Be-
                                                                 Ein Arbeitsausfall ist erheblich, wenn er auf
  triebsablaufstörungen – sei es durch
                                                                 wirtschaftlichen Gründen oder einem unab-
  selbst herbeigeführte oder von außen ein-
                                                                 wendbaren Ereignis beruht, vorübergehend
  wirkende Umstände. Liegt ein Fall des Be-
  triebsrisikos vor, kann der Arbeitgeber den                    und unvermeidbar ist.
  Urlaub nicht einseitig festlegen.

                    Leitfaden „Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie“ – 4. Neufassung 2020

                    13. März 2020                                                                              6
Der Begriff der „wirtschaftlichen Gründe“ ist                   Bundestag und Bundesrat haben am 13.
umfassend und schließt alle Arbeitsausfälle                     März 2020 das Gesetz zur befristeten krisen-
ein, die auf der wirtschaftlichen Tätigkeit ei-                 bedingten Verbesserung der Regelungen für
nes Betriebes beruhen und sich aus dessen                       das Kurzarbeitergeld beschlossen. Mit dem
Teilnahme am Wirtschaftsleben ergeben.                          Gesetz wurde eine Verordnungsermächti-
                                                                gung geschaffen, die es ermöglicht, durch
Unter einem unabwendbaren Ereignis ist all-
                                                                Rechtsverordnungen den Zugang zum Kurz-
gemein ein Ereignis zu verstehen, das unter
                                                                arbeitergeld zu erleichtern:
den gegebenen, nach der Besonderheit des
Falles zu berücksichtigenden Umständen                          So kann das Quorum der im Betrieb Beschäf-
auch durch die äußerste diesen Umständen                        tigten, die von einem Arbeitsausfall betroffen
angemessene und vernünftigerweise zu er-                        sind, von einem Drittel auf 10 % herabgesenkt
wartende Sorgfalt weder abzuwehren noch in                      werden. Es kann teilweise oder vollständig
seinen schädlichen Folgen zu vermeiden ist.                     darauf verzichtet werden, dass die Arbeitneh-
Dazu können auch behördlich angeordnete o-                      mer ein negatives Arbeitszeitsaldo aufbauen
der anerkannte Maßnahmen gehören (z.B.                          müssen. Auch Leiharbeitnehmer können die
angeordnete Betriebseinschränkungen oder                        Möglichkeit des Kurzarbeitergeldbezuges er-
- stilllegungen), die vom Arbeitgeber nicht zu                  halten. Den Arbeitgebern können die von
vertreten sind.                                                 ihnen zu tragenden Sozialversicherungsbei-
                                                                träge für die durch Kurzarbeit ausgefallenen
Der Arbeitgeber und die Arbeitnehmer müs-
                                                                Stunden im vollen Umfang erstattet werden.
sen im Rahmen ihrer Schadensminderungs-
pflicht alles getan haben, um den Arbeitsaus-                   Die Bundesregierung plant, entsprechende
fall zu vermeiden. Dazu gehört z.B. die Ge-                     Rechtsverordnungen zeitnah zu beschließen.
währung von Urlaub und das Nutzen von im
Betrieb zulässigen Arbeitszeitschwankungen.
Davon umfasst ist, dass auch die Einstellung                    III. Vorbeugende Maßnahmen
von „Minusstunden“ verlangt werden kann,
                                                                Der Arbeitgeber ist nach dem Arbeitsschutz-
sofern diese tarifvertraglich, aufgrund einer
                                                                gesetz (ArbSchG) verpflichtet, die erforderli-
Betriebsvereinbarung oder einer arbeitsver-
traglichen Regelung durch den Arbeitgeber                       chen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter
angeordnet werden können.                                       Berücksichtigung der Umstände zu treffen,
                                                                die die Sicherheit und Gesundheit der Be-
Weiter müssen die Mindesterfordernisse er-                      schäftigten bei der Arbeit gewährleisten und
füllt sein: Im jeweiligen Kalendermonat (An-                    ihm möglich und zumutbar sind. Die Arbeit-
spruchszeitraum) müssen mindestens ein                          nehmer sind nach §§ 15, 16 ArbSchG ver-
Drittel der im Betrieb beschäftigten Arbeitneh-                 pflichtet, jede erhebliche Gefahr für die Si-
merinnen und Arbeitnehmer von einem Ent-                        cherheit und Gesundheit unverzüglich dem
geltausfall von jeweils mehr als 10 Prozent ih-                 Arbeitgeber zu melden und dessen arbeits-
res monatlichen Bruttoentgelts betroffen sein;                  schutzrechtlichen Weisungen nachzukom-
der Entgeltausfall kann auch jeweils 100 Pro-                   men.
zent des monatlichen Bruttoentgelts betra-
                                                                Möglich ist die Aufstellung eines „Pandemie-
gen.
                                                                plans“ z. B. auf Grundlage einer Rahmenbe-
Zur Beantragung des Kurzarbeitergeldes                          triebsvereinbarung für den Pandemiefall mit
zeigt der Arbeitgeber im Bedarfsfall den an-                    dem Betriebsrat. Solche Planungen stellen si-
stehenden Arbeitsausfall bei der örtlich zu-                    cher, dass das Unternehmen nicht unvorbe-
ständigen Agentur für Arbeit an. Nähere Infor-                  reitet von einer Pandemie überrascht wird,
mationen über das Verfahren und Videoanlei-                     sondern geeignete Krisenstrategien zur Ver-
tungen sind auf der Seite https://www.ar-                       fügung hat, die im Falle eines Falles kurzfris-
beitsagentur.de/corona-virus-aktuelle-infor-                    tig aktiviert werden können. Dabei können die
mationen zu finden.                                             Risikobewertungen des Robert Koch Instituts
                                                                oder Pandemiepläne der Bundesländer zur
Darüber hinaus stehen die Agenturen für An-
                                                                Orientierung herangezogen werden. Fol-
fragen und Beratungen zur Verfügung.
                                                                gende Regelungen bieten sich an:
Die Nummer der Servicehotline für Arbeitge-
                                                                ▪    Sachlicher Geltungsbereich: Sämtliche
ber lautet 0800 45555 20.
                                                                     Maßnahmen, die im Zusammenhang mit

                   Leitfaden „Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie“ – 4. Neufassung 2020

                   13. März 2020                                                                             7
dem Auftreten einer Pandemie zum                            Damit das Weisungsrecht des Arbeitgebers
    Schutz vor Beeinträchtigungen von Leben                     eine einseitige Zuweisung von mobiler Arbeit
    und Gesundheit der Mitarbeiter erforder-                    zulässt, müssen jedoch konkrete Anhalts-
    lich sind.                                                  punkte für ein erhöhtes Risiko bestehen,
▪   Die Ansteckungsgefahr durch Verhaltens-                     Auch den Betriebsrat kann eine Pflicht zur
    regeln reduzieren: Tragen von Schutz-                       Vorbeugung treffen. Er ist nach dem Grund-
    masken, Tragen von Schutzkleidung, re-                      satz der vertrauensvollen Zusammenarbeit
    gelmäßiges Desinfizieren der Hände,                         dem Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs
    Wechseln der Kleidung beim Betreten                         verpflichtet. Außerdem hat er nach § 80 Abs.
    des Betriebes, etc.                                         1 Nr. 1 und 9 BetrVG darüber zu wachen,
                                                                dass Gesetze, Tarifverträge und Betriebsver-
▪ Es sollte vereinbart werden, dass der Ar-
                                                                einbarungen durchgeführt und Maßnahmen
  beitgeber seinen Arbeitnehmern im Falle
                                                                des Arbeitsschutzes gefördert werden. Dar-
  einer Pandemie auch solche Arbeiten zu-
                                                                über hinaus bestimmt er nach § 87 Abs. 1 Nr.
  weisen darf, die vertraglich nicht geschul-
                                                                7 über den Gesundheitsschutz mit. Betriebs-
  det sind. Insofern kann sein Weisungs-
                                                                räte sollten über Maßnahmen, die ein erhöh-
  recht in örtlicher, zeitlicher und sachlicher
                                                                tes Risiko im Betrieb bedeuten, beraten und
  Hinsicht konkretisiert werden (Versetzun-
                                                                ggf. auf diese verzichten. Dies gilt etwa für die
  gen, Überstunden, Vertretungsregeln).
                                                                Einberufung von Betriebsversammlungen o-
▪   Anordnung von Kurzarbeit; ggf. auch von                     der für die Teilnahme an Betriebsrätekonfe-
    mobiler Arbeit.                                             renzen.
▪   Es kann festgelegt werden, in welchem
    Umfang Arbeitnehmer berechtigt sind,
                                                                IV. Arbeitnehmerentsendung
    Überstunden abzubauen, unbezahlten
    Urlaub zu beantragen etc.                                    Grundsätzlich bleibt die Arbeitsleistung auch
                                                                 in Territorien möglich, die in nennenswertem
▪   Geltungsdauer: Die Betriebsvereinbarung
                                                                 Umfang von Ansteckungskrankheiten betrof-
    sollte ab dem Zeitpunkt des behördlich
                                                                 fen sind. Auch insoweit sollte geprüft werden,
    festgestellten Pandemiefalls in Kraft tre-
                                                                 ob eine Entsendung in das Ausland, insbe-
    ten und solange fortbestehen, bis die
                                                                 sondere wenn dieses besonders von der Epi-
    Pandemiewarnung aufgehoben wird.
                                                                 demie oder Pandemie betroffen ist, unum-
Darüber hinaus bieten sich Informations- und                     gänglich ist. Selbst wenn ein einseitiges Zu-
Aufklärungsbroschüren zur allgemeinen Infor-                     rückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers
mation der Mitarbeiter an. Arbeitgeber sollten                   nicht besteht, kann es sich bei Entsendung in
stets auf ausreichende Hygienemaßnahmen                          massiv betroffene Gebieten anbieten, auf
bei den betrieblichen Abläufen achten. Um                        eine Dienstreise oder einen längeren Einsatz
das Risiko von Pandemien möglichst gering                        in diesen Regionen zu verzichten. Anste-
zu halten, empfiehlt sich eine enge Zusam-                       ckungsgefahren können nicht nur von dem
menarbeit mit den zuständigen Gesundheits-                       Einsatz vor Ort, sondern insbesondere auch
behörden.                                                        von der Reise ausgehen, soweit sich die Nut-
                                                                 zung stark frequentierter öffentlicher Ver-
Als vorbeugende Maßnahme kann mit Arbeit-                        kehrsmittel (z. B. von Flugzeugen oder der
nehmern vereinbart werden, die Arbeitsleis-                      Bahn) nicht umgehen lässt.
tung für eine bestimmte Zeit in Form von mo-
biler Arbeit von zuhause aus zu erbringen.                       1. Zurückbehaltungsrecht
Dies kann auch für Arbeitnehmer, die von Rei-
                                                                 Arbeitnehmern steht im Fall der Entsendung
sen aus oder Risikogebieten zurückkehren,
                                                                 in ausländische Gebiete, in denen das Virus
eine praktikable Lösung sein – sofern die Art
                                                                 auftritt, grundsätzlich kein Zurückbehaltungs-
der Tätigkeit mobile Arbeit zulässt.
                                                                 recht zu. Ein Zurückbehaltungsrecht besteht
Bei einem erhöhten Risiko im Betrieb, etwa                       nach § 273 Abs.1 BGB nur ausnahmsweise,
durch Infektionsfälle oder begründete Ver-                       soweit die Leistung dem Arbeitnehmer unzu-
dachtsfälle bei Beschäftigten kann auch eine                     mutbar ist. Dazu muss die Erbringung der Ar-
einseitige Anordnung von Homeoffice durch                        beitsleistung unter Umständen erfolgen, die
den Arbeitgeber im Einzelfall möglich sein.

                   Leitfaden „Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie“ – 4. Neufassung 2020

                   13. März 2020                                                                               8
für den Arbeitnehmer mit erheblichen Gefah-                      machen auf länderspezifische Risiken für
ren für Leben oder Gesundheit einhergehen.                       Reisende und Deutsche im Ausland auf-
Solange keine Reisewarnung des Auswärti-                         merksam und enthalten lediglich die Empfeh-
gen Amtes vorliegt, ist dies regelmäßig nicht                    lung, von Reisen in diese Regionen Abstand
der Fall.                                                        zu nehmen. Dies ist zur Begründung eines
                                                                 Zurückbehaltungsrechts oder eines An-
Soweit für einzelne Länder oder Regionen
                                                                 spruchs auf Rückholung nicht ausreichend.
eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes
vorliegt, können Arbeitnehmer ausnahms-                          2. Entgeltfortzahlungsanspruch
weise berechtigt sein, einer Entsendung in
                                                                 Der Arbeitnehmer behält seinen vertragli-
diese Gebiete zu widersprechen. Das Aus-
                                                                 chen Vergütungsanspruch nur, wenn er die
wärtige Amt spricht Reisewarnungen aus,
                                                                 Reise berechtigterweise nicht antritt. Der Ar-
wenn generell vor Reisen in diese Regionen
                                                                 beitgeber kann diesem Arbeitnehmer dann
gewarnt werden muss. Insofern werden auch
                                                                 aufgrund seines Direktionsrechts eine an-
die dort lebenden Deutschen aufgefordert,
                                                                 dere Arbeit zuweisen.
das Land zu verlassen.
                                                                 Hält sich der Arbeitnehmer bereits im Aus-
Hält sich der Arbeitnehmer bereits im Aus-
                                                                 land auf und ist infolge der Krankheit arbeits-
land auf, so sind die Ausführungen zu den
                                                                 unfähig, so hat er Anspruch auf Fortzahlung
Arbeitsverhältnissen in Deutschland über-
                                                                 der Vergütung nach § 3 Abs.1 EFZG, sofern
tragbar: Dem Arbeitnehmer steht kein gene-
                                                                 dessen Voraussetzungen erfüllt sind.
relles Zurückbehaltungsrecht zu. Es obliegt
dem Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer in                        Maßnahmen ausländischer Behörden, z.B.
Ausnahmefällen (bei einer unmittelbaren Ge-                      Quarantäne, unterfallen nicht dem IfSG. Eine
fahr für Leben oder Gesundheit) von ihrer                        Entschädigung gemäß § 56 IfSG ist in diesen
Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung zu                    Fällen ausgeschlossen. Die Anwendbarkeit
entbinden.                                                       ausländischer Vorschriften ist im Einzelfall zu
                                                                 prüfen.
Etwas anderes kann im Falle einer Reise-
warnung des Auswärtigen Amts gelten. Er-                         Teilweise wird in der Literatur vertreten, dass
streckt sich die Warnung auf eine Region o-                      § 670 BGB analog dem Arbeitnehmer einen
der ein Land, in dem der Arbeitnehmer seine                      Weiterzahlungsanspruch gewähren kann,
arbeitsvertraglich geschuldete Leistung er-                      wenn die Reise aus dienstlichen Gründen
bringt, kann dessen Pflicht zur Arbeitsleis-                     angeordnet wurde und die Rückkehr unmög-
tung im Einzelfall nach § 273 Abs.1 BGB ent-                     lich geworden ist.
fallen. Dabei kommt es darauf an, ob die ar-
beitsvertragliche Tätigkeit vom Schutzzweck
der Reisewarnung erfasst wird. Dies kann z.                     3. Leistungen der Unfallversicherung
B. an Orten mit erhöhtem Reise- und Publi-
kumsverkehr wie Flughäfen und Bahnhöfen                         Versicherungsschutz besteht, wenn Versi-
angenommen werden. Nur dort ist der Arbeit-                     cherte von ihrem Arbeitgeber ins Ausland ent-
nehmer den gleichen Gesundheitsgefahren                         sendet werden bzw. entsandt worden sind
wie im Falle einer Entsendung ausgesetzt                        und dort aufgrund ihrer grundsätzlich versi-
und die Leistungserbringung unzumutbar.                         cherten Tätigkeit einer besonderen Gefahr
                                                                ausgesetzt sind oder waren, z. B. weil sie ihre
Ob für Arbeitnehmer, die sich bereits im Aus-                   Tätigkeit in einem Katastrophen- oder auch
land aufhalten, ein Anspruch auf vom Arbeit-                    Infektionsgebiet ausüben und sich insofern
geber finanzierte Rückkehr besteht, hängt                       der damit einhergehenden Gefährdung nicht
ebenfalls vom Einzelfall ab. Dabei kommt es                     entziehen können. Die Voraussetzungen sind
z. B. auf die geplante Aufenthaltsdauer des                     jeweils im Einzelfall zu prüfen.
Arbeitnehmers und die Perspektive im Hin-
blick auf die Ausbreitung der Krankheit in den
entsprechenden Regionen an.
Ein bloßer Sicherheitshinweis des Auswärti-
gen Amtes genügt nicht zur Annahme eines
Zurückbehaltungsrechts des Arbeitnehmers
nach § 273 Abs.1 BGB. Sicherheitshinweise

                   Leitfaden „Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie“ – 4. Neufassung 2020

                   13. März 2020                                                                              9
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Die BDA organisiert als Spitzenverband die sozial- und wirtschaftspolitischen Interessen der
gesamten deutschen Wirtschaft. Wir bündeln die Interessen von einer Million Betrieben mit
rund 20 Millionen Beschäftigten. Diese Betriebe sind der BDA durch freiwillige Mitgliedschaft
in Arbeitgeberverbänden verbunden.

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