Die Creme von Lillifee "riecht nach Rosa"
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PROGRAMMFORSCHUNG 30 ON 22/2009/2 Maya Götz/Julia Cada Die Creme von Lillifee »riecht nach Rosa« Prinzessin Lillifee im Alltag von Familien Eine IZI-Studie hinterfragt, welche liche Bekanntheit der Figur in der mair 1996) von einem Lizenz- und Bedeutung Prinzessin Lillifee und Kinderkultur ist aber seiner Lizenz- Medienarrangement sprechen. Wie ihren Lizenzprodukten im Alltag 3- verwertung geschuldet. Über 350 Li- so oft bei neuartigen Phänomenen der bis 6-jähriger Mädchen und ihrer zenzprodukte sind auf dem Markt und Mediengesellschaft lässt sich der au- Eltern zukommt. Was begeistert neben den verlagseigenen Produktio- ßerordentliche Erfolg nicht selbstver- Mädchen daran und warum kau- nen werden Lizenzen an Anbieter wie ständlich aus dem bisherigen Wissens- fen ihre Mütter diese Produkte so Dr. Oetker, Unilever, Sarah Lee, Puky stand erklären. Sowohl aus der Sicht bereitwillig? oder Schiesser vergeben (vgl. Hobsch des Marktes, der Medienforschung 2009). Es ist keine klassische Auswer- sowie der Geschlechterforschung er- S tungskette des Kinderfernsehens, in schließt sich der Erfolg des Lizenz- ie ist zurzeit eines der be- der eine Serie oder ein Kinofilm die und Medienarrangements »Prinzessin liebtesten »High-Interest- Aufmerksamkeit in der Kinderkultur Lillifee« nicht auf den ersten Blick. Themen« (iconkids & youth erregt und Kinder ihr Fernseherlebnis Was finden Mädchen ausgerechnet an 2008) bei den jüngeren Mädchen: durch Lizenzprodukte für den Alltag dieser rosa Mädchenfigur so attrak Prinzessin Lillifee – eine gezeichnete anschließend erweitern (vgl. Hof- tiv? Warum kaufen Mütter diese an Feenfigur mit blonden Lo- cken, roten Bäckchen und einem freundlichen Gesicht. Erdacht von Monika Fins- terbusch publizierte der Coppenrath Verlag 2004 das erste von 6 Büchern. Die 6 Bücher wurden in 28 weitere Sprachen übersetzt und weltweit mehr als 1,5 Millionen Mal verkauft. Die Hörbücher (gesprochen und gesungen von Sissi Perlin- ger), ausgezeichnet mit der vierten Goldenen Schall- platte, und die Zeitschriften Prinzessin-Lillifee-Produktvielfalt, die gerne erworben, verschenkt und getragen wird erreichen eine Auflage von 300.000 Exemplaren jährlich (vgl. mann/Schmidt 2002). Lillifee ist vor sich ausgesprochen klischeehafte Hobsch 2009). Das Musical Prin- allem eine Figur, die auch in einem Lizenzmarke? Was macht dieses zessin Lillifee und der Zauber der Buch oder Magazin zu finden ist, ihre Lizenz- und Medienarrangement er- Rose verzeichnete 2007 rund 70.000 Bekanntheit aber den Lizenzproduk- folgreicher als all die anderen »rosa BesucherInnen, 2009 kam schließ- ten verdankt. Insofern lässt sich hier Produktarrangements«? Diesen Zu- lich der Kinofilm und eine 5-teilige in Erweiterung des von Bachmair in sammenhängen wissenschaftlich Fernsehsendung, Tanz mit Prinzessin den 90er-Jahren formulierten Medien- nachzugehen erweist sich als ausge- Lillifee, in den KI.KA. Die eigent- und Ereignisarrangements (vgl. Bach- sprochen schwierig. Es sind Vorgän-
PROGRAMMFORSCHUNG ON 22/2009/2 31 ge, die tief in den Alltag von Familie Lillifee und ihren Lizenzprodukten im ist das Wort »schön«. Den Mädchen eingebaut und dem Bewusstsein nicht Alltag zukommen können. gefällt die Figur, weil »die ist also immer voll zugänglich sind. Zudem so schön rosa« (Lena, 4 Jahre); die geht es um eine Altersgruppe, deren Phänomen Lillifee: Erwachsene Kinder mögen, »dass sie so schön Artikulationsfähigkeit begrenzt ist. kaufen die Produkte glitzert immer und weil die fliegen Nach diversen Pretests entwickelten Die Bandbreite an Lillifee-Lizenzpro- kann« (Anne, 5 Jahre), »dass die wir daher für diese Fragestellung eine dukten in den untersuchten Familien eine so schöne Stimme hat« (Lena, eigene Methode: den »themenzent- reicht von einer einzelnen Zeitschrift 4 Jahre) und »dass sie schöne Klei- rierten Wohnungsrundgang«. bis hin zu einer breiten Variation aus der hat, wenn auch mal eines bunt ist Büchern, Spielen und Anziehsachen. und nicht immer nur rosa« (Sofie, 6 Überwiegend finden sich die Dinge Jahre). Methode: »themenzentrierter in den Kinderzimmern der Mädchen Wohnungsrundgang« wieder – dort stehen Schneekugel, »Die ist so schön rosa.« In Einzelfallstudien wurden die Fa- Schmuckschatulle und Köfferchen di- milien zu Hause besucht. In freund- rekt beieinander. Aber auch im Bade- Aus Sicht der Mädchen ist die Aussa- licher Kommunikationsatmosphäre zimmer ist die Figur oft zu entdecken: ge »schön« dabei weit mehr als eine und wohlwollender Akzeptanz gegen- Sie ziert Zahnpastatube, Shampoo oberflächliche Benennung. Es ist eine über den jeweiligen Konsum- und Er- und Bodylotion. Beschreibung des eigenen sinnlichen ziehungsstilen ging die Interviewerin Empfindens. Die Mädchen machen gemeinsam mit Kind, Mutter (manch- »Wenn man weiß, dass eine ästhetische Erfahrung (vgl. Otto mal auch Vater) durch die Wohnräume das gefällt, bringt man als 1997), zumindest eine einfache Form der Familie. Zum einen wurde gezielt davon. Die Figur, ihre Erscheinung, Mutter gerne etwas mit.« nach Lillifee-Spuren in Wohn-, Bade-, ihr Kontext berührt sie sinnlich, sie Kinder- und Schlafzimmer gesucht, Der Begeisterung auslösende Kon- sind emotional bewegt und artikulie- zum anderen brachten Kinder oder takt der Kinder mit dem Thema ren dies mit einem Wort, das für sie Mütter diverses Material und Bezugs- »Lillifee« kam zumeist durch die die Fülle dieser Empfindungen ange- gegenstände aus dem Alltag in das Peergroup. Sie besuchten Kinderge- messen ausdrückt: »schön«. Wie bei offene, themenzentrierte Gespräch burtstage mit dem Motto »Lillifee«, der Erfassung des »Schönen« oder ein. Die Produkte oder Gegenstän- sie gingen in Tagesgruppen mit älte- besser des »als schön Wahrgenomme- de lieferten dann Kommunikations ren Mädchen, die Lillifee-Fans wa- nen« ist es ausgesprochen schwierig, anlass zum Thema »Lillifee« allge- ren, oder bekamen ihr erstes Produkt die Hintergründe prägnant zu benen- mein sowie zu den jeweils konkreten zum Geburtstag oder als Mitgabe bei nen, die diese ästhetische Erfahrung Kauf- oder Geschenkerfahrungen und der Feier einer Freundin geschenkt. im Einzelnen ausmachen. Anhand der Bedeutungszuweisungen zu dem Pro- Seitdem erreichen die Lizenzpro- Aussagen der Mädchen lässt sich aber dukt im Alltag. Fotografien hielten dukte von Lillifee den Familienall- ein Bezugspunkt deutlich herausstel- anschließend Orte und Produktinsze- tag durch Geschenke, Mitbringsel len: Die Farbigkeit des Mediums. nierungen im Bild fest. oder Giveaways. Große Dinge wie Was die Mädchen an dem Lizenz- und Auf diese Weise entstanden 9 Fallstu- Fahrräder, Puzzles und Hörspiele Medienarrangement sinnlich berührt, dien von Mädchen zwischen 3 und 6 mit Lillifee darauf werden vor al- ist die Farbe Rosa, die Pastelltöne, Jahren, für die Lillifee eine besondere lem von Freunden und Verwandten aber auch das Glitzern und die lie- Bedeutung hat. Die Auswertung der zu besonderen Anlässen geschenkt. bevolle, detailreiche Ausgestaltung. Studien fand vor dem Hintergrund ei- Kleinere Dinge wie Zeitschriften, Das zieht die Aufmerksamkeit beim nes Verständnisses von aktiver hand- Pflegeprodukte und Anziehsachen Gang durch das Kaufhaus auf sich lungsorientierter Rezeptionsforschung von Lillifee werden hingegen beim und bringt in den Mädchen etwas statt (vgl. Götz 2006). Im Sinne der alltäglichen Einkauf von Müttern – sinnlich zum Klingen. humanistischen Psychologie (vgl. Hut- und Großmüttern – gekauft: »Wenn Ein Deutungsansatz: Rosa kennen terer 1998) und der »Grounded The- man weiß, dass das gefällt, bringt Kinder als »Mädchenfarbe«, also als ory« (vgl. Glaser/Strauss 1998) wird man als Mutter gerne etwas mit« bedeutungstragende und geschlech- nach Sinnzusammenhängen im Alltag (Mutter der 6-jährigen Clara). terkennzeichnende Farbe. Von klein gesucht, die u. a. als Form des »Doing auf mit Rosa bekleidet, haben Mäd- Gender« (vgl. Gildemeister 2008) in- Phänomen Lillifee: Eine ästhetische chen dies als die Farbe kennengelernt, terpretiert werden. Dies ermöglicht ei- Erfahrung für Mädchen mit der sie eindeutig als Mädchen er- nen ersten Einblick in typische Bedeu- Eine typische Antwort auf die Fra- kannt werden, die sozusagen zu ih- tungszusammenhänge, die Prinzessin ge, was Mädchen an Lillifee mögen, nen gehört und sie symbolisiert. Für
PROGRAMMFORSCHUNG 32 ON 22/2009/2 Erwachsene steht die Farbe Rosa1 toren, Geschäftsführer, Inhaber und nen Dingsbums auf dem Computer. für Sensibilität, Zärtlichkeit, Kind- der Autorin Monika Finsterbusch. Es Da gibt es so Spiele von Lillifee«. heit und symbolisiert etwas Sanftes, gibt jedoch einige Abweichungen. So Andere lenken die Kommunikation Weiches, Junges und Liebliches (vgl. hat Lillifee in Einzelbildern des Ma- von einer inhaltsbezogenen Antwort Heller 2000), also Eigenschaften, die gazins zum Beispiel keine Flügel.2 auf Produkte, die sie besitzen: »Die einem idealisierten Mädchen zuge- Bei einigen Artikeln verändert sich kann überall fliegen und hier hab ich schrieben werden. Prinzessin Lillifee produktionsbedingt die Ästhetik, was eine Schatzkiste« (Jessica, 5 Jahre) ist in diesem Sinne eine Addition ide- eine Abkehr vom Aquarellstil bedeu- oder »Hmh (ratloser Ton). Der Lip- alisierter Stereotype von »Mädchen- tet, wie z. B. auf der Zahnpasta und penstift ist auch von Lillifee« (Lena, Sein«, eindeutig und ungebrochen in Strumpfhose. In anderen Fällen wei- 4 Jahre). Sie wissen nicht, was sie Handlung und Ästhetik. chen die Proportionen von der Buch- antworten sollen, und suchen dann Parallel zu dieser Eindeutigkeit lassen vorlage ab.3 Diese Abweichungen einen Weg, sich wieder als kompetent die Zeichnungen Freiräume für die bleiben jedoch marginal und die Kon- zu positionieren, indem sie Produkte Fantasie (vgl. Neuss 2001). Lillifees sequenz, in der diese Einheitlichkeit präsentieren. Kommunikative Strate- Gesichtszüge sind nicht ausdifferen- durchgesetzt wird, unterscheidet das gien, die darauf hinweisen: Aus der ziert. Die Augen sind Punkte, Mund, Produkt »Lillifee« von den diversen Perspektive der Mädchen steht die Nase und Augenbrauen bestehen aus anderen Anbietern am Markt. Geschichte nicht im Mittelpunkt der einem Strich, zwei große, rote Krei- Begeisterung für Lillifee, sondern die se kennzeichnen die Wangen. Dies Phänomen Lillifee: Produkte und die Aktivitäten, die man schafft schemenhafte Momente, ähn- Produkt vor Inhalt mit ihnen machen kann. lich den undefinierten Mundrändern Im Gegensatz zur ästhetischen Di- Medienanalytisch ist dies gut nach- im Lächeln der Mona Lisa (Sfumato- mension ist es für die befragten vollziehbar. Die Geschichten in Buch, Technik), eine Möglichkeit, ästheti- Mädchen schwierig, etwas über ihre Heft und Film sind weniger durch den sche Erfahrungen zu befördern. In inhaltliche Präferenz bei Lillifee zu Inhalt getragen als durch die thema- einem emotional positiven Rahmen artikulieren. Sie haben zum Teil den tische Besetzung der Felder Ausse- und mit der Verlässlichkeit des Kli- Kinofilm gesehen, hören die CDs hen, Helfen und harmonisches, ver- schees von sozial positivem und aner- und bekommen die Bücher und Zeit- antwortungsvolles Miteinander. Die kanntem Mädchensein schwingen be- schriften vorgelesen. Inhaltlich wie- Geschichten sind nicht darauf ange- stärkt durch diese Freiräume Teile des dergeben können sie die Geschichten legt, Kinder auf einer tieferen Ebene Selbst an und regen zum Einfühlen, jedoch kaum. zu berühren und in ihren Werten und Träumen und Weiterfantasieren an. ihrer Selbstfindung intensiv voranzu- Dieser klar gesteckte Rahmen bildet »Hmh (ratloser Ton). bringen. Es sind leichte, eher ober- den wahrscheinlich größten (Mar- Der Lippenstift ist auch flächliche Themen, die mit blumigen ken-)Wert des Lizenz- und Medienar- von Lillifee.« Worten ohne narrative Tiefe erzählt rangements. Vonseiten des Verlags werden. Im Kinofilm sind die Themen bzw. der Tochtergesellschaft Spie- und narrativen Strukturen nicht auf gelburg wird auf deren ästhetische Werden die Mädchen im Interview die Zielgruppe abgestimmt. Ermög- Abstimmung entsprechend streng gefragt, was Lillifee eigentlich so licht bei anderen Medienphänome- geachtet. Alle Abbildungen müssen macht, fällt ihnen die Antwort meist nen wie bei Daily Soaps (vgl. Götz nach Angaben des Verlags sehr eng schwer. Manche geben eine kur- 2002) gerade die Oberflächlichkeit am Grundcharakter der Original- ze Antwort und beschreiben eher des Medientextes oder bei Märchen zeichnungen gehalten sein, in stetiger den Kontext als den Inhalt. Pauline die Eindimensionalität (vgl. Bettel- Rücksprache mit Autoren, Illustra- (4 Jahre) erzählt z. B.: »Ich hab so heim 1980) die psychologisch tiefere Lillifee: ein rosa Produktarrangement, das die Wertschätzung des Mädchen-Seins ausdrückt
PROGRAMMFORSCHUNG ON 22/2009/2 33 Auseinandersetzung, fehlen bei den an das gefühlvolle »Haare-wasch- nutzen sie zur Alltagserleichterung. befragten Lillifee-Fans jegliche Hin- Geschick« der Mutter. Entsprechend Dabei entsteht ein zusätzlicher psy- weise auf eine tiefere Bedeutungszu- geht »Haare waschen nur mit Lilli- chologischer Effekt. Pauline fühlt weisung, die über den Stolz auf den fee-Shampoo«. sich mit ihrem Anliegen und ihrer Produktbesitz, einfachste Harmonie- Ein ähnliches Phänomen ergab sich Wahrnehmung ernst genommen und spiele oder ein »fliegen wie Lillifee« auch beim Eincremen. Ein Auszug anerkannt. Sie empfindet das Gefühl hinausgehen. aus dem Gespräch: der Creme auf ihrer Haut als unan- Mutter: »Das findet sie ekelig, aber genehm und meldet dies der Mutter Phänomen Lillifee: Lizenzbilder Lillifee-Bodylotion geht im- zurück. Anstatt sie zu zwingen oder erleichtern unangenehme mer.« ihr Empfinden mit einem »Nun stell Alltagserfahrungen Pauline: »Aber die Lillifee-Bodylotion dich nicht so an!« abzutun, wie es Pauline (4 Jahre) öffnet die Tür und ist nicht so kalt.« vielleicht frühere Müttergenera trägt ein rosa Kleid. Sie möchte gleich Mutter: »Ja, sie mag es nicht, einge- tionen getan hätten, verhandelt die in ihr Zimmer gehen, wo sie ihre Sa- cremt zu werden, weil da ist Mutter mit ihrer Tochter. Sie finden chen von Prinzessin Lillifee hat. Sie ihr dann kalt.« einen von beiden akzeptierten Weg: Interview.: »Ach so. Und die Lillifee- präsentiert ihre Ausmalbilder, Sam- die Lillifee-Creme. Ein gelungenes Creme ist nicht so kalt? Oder melkarten, Schuhe und Taschen. Was ist die auch kalt?« Beispiel für Konfliktmanagement Pauline ganz wichtig ist, sind ihre Pauline: »Auch kalt.« im Alltag, bei dem die Mutter quasi Pflegeprodukte von Lillifee. Mutter: »Ach so. Aber auf jeden Fall, das Recht der Tochter auf ihre eigene die darf ich. (…) Ja und dann Körperwahrnehmung und die Toch- »Haare waschen nur mit sagt sie immer ›ich rieche ter den Wunsch der Mutter nach dem Lillifee-Shampoo!« nach Lillifee‹.« Eincremen anerkennt. Das Lizenz- Interview.: »Wie riecht denn die Lillifee, produkt »Lillifee-Creme« wird zum Pauline? (…)« gemeinsam getragenen Symbol für Die Mutter erzählt: »Haare waschen Pauline: »Nach Lillifee.« die gegenseitige Anerkennung und dürfen wir nur mit Lillifee-Shampoo, Interview.: »Wie riecht denn die Lillifee? weil es dann nicht ziept.« Pauline für einen gelösten und überwundenen Riecht die süß oder sauer [lan- ergänzt, dass das Shampoo gut ist ge Pause], rosa?« Alltagskonflikt. und nicht ziept, denn »da singen Pauline: »Riecht nach Rosa.« Ähnliche Phänomene fanden sich die«. Was ist passiert? Pauline über- auch in anderen Fällen. Lena (4 Jah- trägt die Aussage der Grafik (unbe- Faktisch ist die Bodylotion vermut- re) beispielsweise zieht am besten die schwertes Singen) als Vorzeichen lich nicht wärmer als andere, für Lillifee-Strumpfhosen an, »weil die für ihr eigenes Erleben der Situation Pauline ist die subjektive Erfahrung so schön weich drinnen sind«, und »Haarewaschen«. Ihre implizite jedoch eine andere. Ähnlich wie bei ist sich sicher, dass sie nur diese eine Deutung: Wenn Prinzessin Lillifee der Erfahrung mit dem Shampoo ver- Strumpfhose allein anziehen kann. auf der Flasche singt, dann kann es knüpfen sich sinnliche Wahrnehmun- Die Mutter von Lena ergänzt: »Die nicht so schlimm sein. Es entsteht gen der eigenen Körperlichkeit (hier kauf ich dann, weil das dann für mich eine selbsterfüllende Prophezeiung Gefühl der Creme auf der Haut) mit ein wenig unstressiger ist morgens.« und das Haarewaschen schmerzt dem Duft, der Gesamtsituation und Dass diese symbolische Besetzung nicht mehr. Diese Wahrnehmung dem Produkt, das eine rosa Prinzessin funktioniert, hängt auch mit der wird als Erfahrung gespeichert. Es zeigt. Die Verknüpfung von Geruch Strategie des Anbieters zusammen, entsteht ein sogenanntes »inneres und Farbe ist kommunikativ zwar von bei der Auswahl der Lizenzpartner Bild«, in dem Erfahrungen und die der Interviewerin angebahnt, dennoch sehr streng und konsequent vorzu- mit ihnen verbundenen Gefühle in trifft sie das ästhetische Empfinden gehen. Gesucht werden langfristige Episoden bildhaft »gespeichert« von Pauline. Es verweist auf die Partnerschaften mit »High-Quality«- werden (vgl. Klemm 2002). Hier ist menschliche Fähigkeit, innere Bilder Produkten, so der Coppenrath-Pres- es das Haarewaschen, was nun nicht amodal, also zwischen verschiedenen sesprecher. Vermieden wird eine mehr wehtut, eine rosa Flasche mit Sinneskanälen wechselnd, zu evozie- flächendeckende Vermarktungsstra- Lillifee drauf, der Geruch, das Gefühl ren. Pauline imaginiert das Bild des tegie oder etwa eine »24/7«-Strategie. von Wasser auf der Haut, die Stim- Eincremens, riecht den Geruch der Zwar wird auch mit Großanbietern me der Mutter etc. Die Veränderung Creme und verbindet alles Positi- wie Dr. Oetker zusammengearbeitet, des Akts »Haarewaschen« von einem ve der Episode mit der dominanten doch Auswahlkriterien sind qualitativ schmerzhaften zu einem angeneh- Farbe: Rosa – die Creme riecht nach hochwertige Produkte, Zielgruppen- men Ereignis knüpft Pauline dabei Rosa. affinität und eine liebevolle Ausgestal- an die Lizenzfigur und nicht etwa Die Mütter erkennen die Chance und tung in absoluter Übereinstimmung
PROGRAMMFORSCHUNG 34 ON 22/2009/2 mit den grafischen Vorgaben. Die Be- »Die Mutter hat das eingeführt, aber galt es vor allem, den eng gesteckten schränkung auf qualitativ hochwerti- das war Interesse von Julie selbst.« Rahmen von »richtig Mädchen-Sein« ge Produkte trägt dabei in zweifacher Der Vater kommentiert, sie »wollte zu durchbrechen und sich Freiräume Hinsicht zum symbolischen Wert des immer ein richtiges Mädchen und das zu erobern, die bis dahin meist nur Lizenzarrangements bei: Zum einen ist sie geworden, definitiv!« Mutter Jungen zugestanden wurden. Tätig- bleiben damit Lillifee-Produkte im- und Tochter haben ein gemeinsames, keiten wie Barbiespielen und Ästhe- mer etwas Besonderes und eignen symbolisches Material gefunden, das tiken, die eindeutig nicht-jungenhaft sich dadurch zum Verschenken zu sie ästhetisch anspricht und für sie waren (z. B. Rosa), wurden als »ty- besonderen Anlässen. Zum anderen zum »ausgelebten« Mädchen-Sein pisch mädchenhaft« gedeutet und lässt sich die Kinderstrumpfhose der dazugehört. Ein Phänomen, das sich standen damit für Begrenzung. Heu- Marke Schiesser auch einfach besser in mehreren Fäl- te werden Mäd- anziehen als viele Billigprodukte. len wiederfand, chen eher als das Ebenso riechen die Creme und das zum Beispiel bei »erfolgreiche- Shampoo von Fissan angenehmer als Sofie (6 Jahre) re Geschlecht« viele No-Name-Produkte. Dennoch und ihrer Mutter. diskutiert, die bleibt die Frage, warum Mütter sich Im Rückblick »kleine Helden auf ein derart stereotyp-mädchenhaf- auf ihre Kindheit in Not« bringen tes Lizenz- und Medienarrangement hat die Mutter (vgl. Schnack/ einlassen, zumal viele der Mütter in das Gefühl, dass Neutzling 2007) den Einzelbefragungen als erfolg- ihr keine solche und »Jungs ins reich in Lebensorganisation, Beruf Mädchenwelt Abseits« drän- und partnerschaftlich geteilter Kin- zugestanden wurde. Mit Barbies zu gen (vgl. Sax 2009). Damit verliert dererziehung auftraten und dem Bild spielen und sich als Prinzessin zu ver- »Mädchen-Sein« im Diskurs seine von stereotyper, in Hierarchien un- kleiden wurde damals nicht gutgehei- hierarchisch niedrige Position, ent- terwürfig eingepasster Weiblichkeit ßen und als »affig« abgetan. sprechend verändert ist auch die in- selbst in keiner Weise entsprachen. »Sie [die Tochter] lebt vielleicht etwas aus, dividuelle Bedeutungszuweisung zur was ich nicht durfte. (…) Deswegen brem- Farbe »Rosa« und anderen Formen Phänomen Lillifee: Produkte zum se ich das auch nicht. Also ich fördere das der Symbolisierung von »ausgeleb- ausgelebten Mädchen-Sein jetzt auch nicht, dass ich ihr sage‚ ›Komm, tem Mädchen-Sein«. Erweiterung von Die Lieblingsfarbe der 4-jährigen Ju- spiel doch Prinzessin!‹, aber ich nehme es Spielräumen heißt jetzt, die Lust zu lie ist Rosa und gerade mag sie am voller Freude wahr und lasse sie. Sooft sie Verschönerung und den Genuss sinn- liebsten Prinzessinnen. Vor allem ihre sich ein Prinzessinnenkleid anziehen will, licher Erfahrung von Erscheinung Prinzessinnenkleider faszinieren sie. darf sie, weil ich finde das völlig okay.« wohlwollend zuzugestehen. Mütter Zusammen mit ihrer Freundin verklei- Entsprechend darf Sofie vonseiten befürchten nicht mehr, dass ihre Mäd- det sie sich und gemeinsam erfinden der Mutter ein rosa Kinderzimmer chen durch »typisches Mädchen-Sein« sie Geschichten, die sie dann spielen. haben, sich als Prinzessin verkleiden in ihren Entwicklungsmöglichkeiten Die Mutter steht dem sehr positiv ge- und Lillifee-Sachen tragen. Eine Un- und Lebensplanungen begrenzt wür- genüber, gerade in Erinnerung an ihre terstützung dessen kommt aber auch den, und sind offen, entsprechende eigene Kindheit: »Ich war ja auch so vonseiten der Großmutter. Sie kauft Produkte zu kaufen. (…), ich musste auch alles prinzes- ihrer Enkelin regelmäßig Prinzessin- sinnenmäßig haben.« Sie selbst hat Lillifee-Zeitschriften, -Puzzle und Die Phase »Lillifee« kann auch die Märchen der Gebrüder Grimm -Anziehsachen. Gewissermaßen kann vorbeigehen geliebt und mit ihren Barbies Vater- die Großmutter so ihren damaligen Dass die Begeisterung für Lillifee Mutter-Kind gespielt, etwas, das sie Umgang mit dem Thema »Mädchen- auch etwas Phasenhaftes haben kann, ihrer Tochter auch gerne ermöglichen Sein« bei ihrer Tochter nun durch zeigt sich bei Clara (6 Jahre). Sie war möchte. Und so hat Julie ein Dorn- die Enkelin relativieren. Die drei mal ein richtiger Lillifee-Fan, seit ei- röschen-Himmelbett, ein Lillifee- Generationen finden so Lillifee als ner gewissen Zeit aber findet sie Prin- Fahrrad und an ihrem Geburtstag hat gemeinsames, symbolisches Material zessin Lillifee nur noch »kitschig«. sie ein rosa Prinzessinnenschloss mit für ein wohlwollendes Verhältnis zum Die Mutter rekonstruiert: »Vor einem rosa Glasur als Geburtstagskuchen Thema »ausgelebtes Mädchen-Sein«. Jahr war es noch, dass das alles ge- gebacken bekommen. In früheren Generationen hieß För- passt hat, und dann plötzlich flaute Die Mutter kauft die Lizenzprodukte derung, Mädchen nicht so zu begren- das ab.« Seither findet Clara die Pro- von Prinzessin Lillifee richtig ger- zen, wie es noch die Generation da- dukte und die Figur selbst »zu rosa« ne, wie der Vater zu berichten weiß: vor getan hatte. Noch vor 30 Jahren und »zu glitzerig«. Selbst wenn Lil-
PROGRAMMFORSCHUNG ON 22/2009/2 35 lifee eine andere Farbe hätte, »würde die weit ausgreifenden Armbewegun- Heller, Eva: Wie Farben auf Gefühl und Verstand wirken. München: Droemer 2000. es ein bisschen doof ausschauen mit gen. Pippi ist dynamisch, kraftvoll Hobsch, Manfred: Prinzessin Lillifee. Kinder-Ju- ihren Löckchen und so«. und raumeinnehmend. Das ist das gendfilm Korrespondenz Nr. 118/2009/2, S. 18-19. Für Clara und ihr Selbstbild ist Lil symbolische Material, mit dem sich Hofmann, Ole; Schmid, Oliver: Wertschöpfungskette lifee nicht mehr das angemessene, Clara jetzt ästhetisch erlebt, in dem Kinderfernsehen. Strukturen des deutschen Kinder- fernsehmarkts. In: TelevIZIon 15/2002/2, S. 16-21. symbolische Material. Ihre Selbstkon- sie sich wiederfinden kann und das Hutterer, Robert: Das Paradigma der Humanisti- struktion und ihr »Doing Gender« hat sie und ihre Selbstkonstruktion reprä- schen Psychologie. Entwicklung, Ideengeschichte sich verändert – nicht wegen Lilli- sentiert. Das, was Lillifee als Identi- und Produktivität. Wien: Springer 1998. fee, aber an ihr kann sie es sehr gut tätsressourcen anzubieten hat, reicht iconkids & youth: Trend Tracking Kids® 2008. festmachen. Lillifee ist nämlich das ihr nicht mehr. Die Phase »Lillifee« Klemm, Ruth E.: Zur Entstehung innerer Bilder – Ein Überblick. In: TelevIZIon 15/2002/1, S. 6-11. »feine, normale Mädchen« mit »rosa ist vorbei, was ihre Mutter mit einem Neuss, Norbert (Hrsg.): Phantasiegefährten. Warum Kitschi-Sachen«, sie selbst grenzt wissenden Lächeln gutheißt. Kinder unsichtbare Freunde erfinden. Psychologie, sich von diesem Konzept des Mäd- Ursache, Umgang. Weinheim u. a.: Beltz 2001. chenseins ab. Ihr gefallen jetzt Bibi Neuss, Norbert: Kindliche Paradiesfantasien. In: Götz, Maya (Hrsg.): Mit Pokémon in Harry Potters Blocksberg und Pippi Langstrumpf. Welt. Medien in den Fantasien von Kindern. Mün- Auf die Frage, wie sich die drei Fi- ANMERKUNGEN chen: kopaed 2006, S. 120-138. guren unterscheiden, kann Clara das Otto, Gunter: Schule und Ästhetik sind kein Wider- 1 Dabei ist Rosa eindeutig von Pink zu unterschei- spruch. In: Otto, Gunter (Hrsg.): Lernen und Lehren zwar nicht in Worten artikulieren, den. Rosa ist im Sinne der Farbenlehre eine Zu- zwischen Didaktik und Ästhetik. Seelze-Velber: Kall- aber sie spielt für uns eine Art Scha- sammensetzung aus gleichen Teilen Rot und Weiß, meyersche Verlagsbuchhandlung 1997, S. 93-107. rade, die prägnant ausdrückt, was für eine Pastellfarbe. Pink hingegen ist ein greller Sax, Leonard: Jungs im Abseits. München: Kösel Farbton, ein reines Rot mit nur ein wenig Weiß. 2009. sie den Unterschied zwischen den Fi- 2 Zum Beispiel: 7/2009, S. 33; 4/2007, S. 34. Schnack, Dieter; Neutzling, Rainer: Kleine Helden guren ausmacht. 3 So sind auf der Coppenrath-Tasse die Extremitäten in Not. Jungen auf der Suche nach Männlichkeit. deutlich kürzer, auf dem Blue-Ocean-Glücksklee der Kopf nicht so überdimensioniert. Reinbek: Rowohlt 2007. »Es ist mir ein bisschen zu kitschig geworden.« Zur Darstellung der Figur Lillifee geht LITERATUR Clara in die Hocke, ihre Körperhal- Bachmair, Ben: Fernsehkultur – Subjektivität in ei- tung zieht sich zusammen, die Hände ner Welt bewegter Bilder. Opladen: Westdeutscher suchen in ruhigen Bewegungen den 1996. Boden ab und sie gibt leise Fiepslaute Finsterbusch, Monika: Prinzessin Lillifee. Münster: Coppenrath 2004. http://www.blue-ocean-ag.de/me- DIE AUTORINNEN von sich: »Mhh, mhh.« Ihre körper- dia_zeitschriften.html (aufgerufen am 12.08.2009). liche Darstellung drückt aus: Lillifee Gildemeister, Regine: Doing Gender. Soziale Prak- ist klein, ruhig, vorsichtig, langsam, Maya Götz, Dr. tiken der Geschlechterunterscheidung. In: Becker, phil., ist Leiterin sie erhebt ihre Stimme nicht. Die Ruth; Kortendiek, Beate (Hrsg.): Handbuch Frau- en- und Geschlechtsforschung. Theorie, Methoden, des IZI und des Darstellung von Bibi Blocksberg Empirie. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaf- Prix Jeunesse Inter- hat dagegen schon ein wenig mehr ten 2008, S. 137-146. national, München. Schwung. Clara stellt sich aufrecht Glaser, Barney G; Strauss, Anselm L.: Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung. Bern: hin, schwingt geräuschvoll die Arme Hans Huber 1998. Julia Cada ist freie durch die Luft und macht »Tschau Götz, Maya (Hrsg.): Alles Seifenblasen? Die Be- Mitarbeiterin am pau!«. Als sie schließlich die Figur deutung von Daily Soaps im Alltag von Kindern und IZI, München. Jugendlichen. München: kopaed 2002. Pippi Langstrumpf darstellt, hüpft sie Götz, Maya (Hrsg.): Mit Pokémon in Harry Potters kraftvoll auf und ab und kommentiert Welt. Medien in den Fantasien von Kindern. Mün- mit einem lauten »Dschung, puch!« chen: kopaed 2006. IMPRESSUM Herausgeber: Internationales Zentralinstitut Satz: Text+Design Jutta Cram, Anschrift der Redaktion: für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) Spicherer Straße 26, 86157 Augsburg, Internationales Zentralinstitut für das Jugend- beim Bayerischen Rundfunk www.textplusdesign.de und Bildungsfernsehen (IZI) Druck: Druckhaus Köppl und Schönfelder oHG Rundfunkplatz 1, D-80335 München Redaktion: Dr. Maya Götz, Dr. Elke Schlote Ulmer Landstraße 287, 86391 Stadtbergen Telefon: 089/5900-2991, Fax: 089/5900-2379 Redaktionsassistenz: Birgit Kinateder M. A. ISSN 0943-4755 Internet: http://www.izi.de E-Mail: IZI@brnet.de »TelevIZIon« erscheint zweimal jährlich in deutscher und einmal jährlich in englischer Sprache im Selbstverlag des IZI. Der Bezug ist kostenfrei. Bitte richten Sie Ihre Bestellung an die Redaktionsadresse. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Erlaubnis des Herausgebers.
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