Die Funktion von Dachbegrünungen in urbanen Wasserkreisläufen
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Technische Universität Berlin Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Fachbereich Bauingenieurwesen und angewandte Geowissenschaften Die Funktion von Dachbegrünungen in urbanen Wasserkreisläufen Diplomarbeit zur Erlangung des Grades eines Diplom-Ingenieurs Betreuer: Prof. Dr. -Ing. T. Stückrath Dipl. -Ing. Sören Knoll Eingereicht im September 1998 von cand. ing. Silke Rüngeler Matr.-Nr. 126 790
Einleitung 1 1 Einleitung Dachbegrünungen sind zunächst einmal eine Art der Dachdeckung und eine Alternative zu herkömmlichen Arten der Dachdeckung. Die Fähigkeit, Regenwasser zurückhalten zu können, macht Dachbegrünungen außerdem für die Wasserwirtschaft besiedelter Gebiete interessant; denn in urbanen Gebieten herrscht ein hoher Versiegelungsgrad, der bei Regenereignissen zu ausgeprägten Abflußspitzen in Kanalisationen, Regenbecken, Kläranlagen und Gewässern, d.h. in der nachgeschalteten Siedlungswasserwirtschaft, führt. Mit dem Prinzip der konventionellen, strikten Ableitung von Regenwasser via Kanalisation etc. ergeben sich folgende, negative Auswirkungen: quantitative Überschreitungen der siedlungswasserwirtschaftlichen Kapazitäten können durch qualitative sowie quantitative Überlastungen der Gewässer Beeinträchtigungen bis zum Sterben der Fauna bewirken. Die Konsequenzen des Ableitungsprinzips sind weder gewässerökologisch noch ökonomisch hinnehmbar. Dachbegrünungen speisen gespeichertes Wasser durch Verdunstungsvorgänge wieder in den Wasserkreislauf ein. Dagegen findet von üblich versiegelten Flächen nur eine sehr eingeschränkte Verdunstung statt: aufgrund ihrer Oberflächenbeschaffenheit können versiegelte Flächen kein Wasser zurückhalten; das anfallende Regenwasser wird, bis auf einen Verlust aus Benetzung, schnellstmöglich abgeleitet. Insbesondere in den Kerngebieten der Städte mit typischen, hoch- gradig versiegelten Flächen findet man einen urbanen Wasser - „Kreislauf“ vor, der nicht in sich geschlossen ist: Sowohl die Verdunstungsvorgänge als auch die Versickerungsvorgänge sind sehr stark reduziert. Spürbare Folgen der eingeschränkten Verdunstung sind gesundheitliche Beein- trächtigungen durch das Stadtklima, während durch die Verhinderung der Versickerung keine Grundwasserneubildung stattfinden kann; die gleichzeitig uneingeschränkte Trinkwassergewinnung aus Grundwasser kann ein Grundwasserdefizit bewirken. Regional auftretende Notstände bei der Trinkwasserversorgung aus Grundwasser sind die Folgen. Darüber hinaus gelangt das Regenwasser über Kanalisationen und Gewässer in das Meer. Eine Rückgewinnung von Trinkwasser aus Salzwasser ist jedoch zu teuer; daher ist zur ökonomischen und ökologischen Gewinnung von Trinkwasser ein lokaler Wasserhaushalt notwendig. Demzufolge hat sich die strikte Ableitung von Regenwasser aus besiedelten Gebieten mittlerweile in vielen Hinsichten als problematisch erwiesen. Mit einer dezentralen Regenwasserbewirtschaftung, in deren Rahmen das Regenwasser vor Ort mittels Verdunstung und Versickerung zurück in den Wasserkreislauf gespeist wird, möchte man den unterbrochenen urbanen Wasserkreislauf wiederherstellen.
Einleitung 2 Dadurch, daß Regenwasser dem Wasserkreislauf durch Ableitung nicht mehr entzogen wird, ergeben sich desweiteren Vorteile für die gesamte Siedlungswasserwirtschaft; die Bedeutung für die Gewässer ist, in qualitativer sowie in quantitativer Hinsicht, eine Verringerung der durch das Ableitungsprinzip verursachten Schäden. Dachbegrünungen sind ein wichtiges, innovatives Element in der Konzeption einer dezentralen Regenwasserbewirtschaftung. Diese Arbeit soll Aufschluß über den neuesten Stand der Wissenschaft und Technik der relativ unbekannten wasserwirtschaftlichen Wirkung des Elementes „Dachbegrünung“ geben.
Dachbegrünung 3 2 Dachbegrünung 2.1 Definitionen der Dachbegrünungsarten Die verschiedenen Dachbegrünungsarten werden hinsichtlich ihres Herstellungsaufwandes, ihres Pflegeanspruches aufgrund unterschiedlicher Vegetationsformen sowie ihrer Nutzbarkeit gegen- einander abgegrenzt. Die Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. „FLL“ teilt in den „ Richtlinien für Dachbegrünungen“ [1995] Dachbegrünungen nach der Inten- sität der Begrünung sowie des Aufwandes in drei Kategorien ein. Jede der Begrünungsarten umfaßt verschiedene Ausbildungsformen, die in ihren Übergängen fließend sein können. 2.1.1 Intensivbegrünung Intensivbegrünungen sind begehbare Grünanlagen auf Flachdächern und werden daher in der Literatur oft als „Dachgärten“ bezeichnet. Die verwendeten Pflanzen sind in Hinsicht auf ihre Pflege sehr anspruchsvoll; sie benötigen regel- mäßig Bewässerung, Düngung und Schnitt und bedürfen folglich eines langfristigen Pflege- konzeptes. „Intensivbegrünungen umfassen Pflanzungen von Stauden und Gehölzen sowie Rasenflächen, im Einzelfall auch Bäume. Sie können flächig, höhendifferenziert oder punktuell ausgebildet sein. ...“ [FLL 1995, 2.2.1]. Witterungseinflüsse wie Wind, Frost, Trockenheit und zeitweise Vernässung können die Pflanzenauswahl stark einschränken. Die Besiedlung durch Fremdvegetation ist nicht erwünscht. Bedingt durch die Wuchsgröße und die Ansprüche der Pflanzen an den Schichtaufbau erfordern Intensivbegrünungen große Schichtdicken und demzufolge eine hohe Tragfähigkeit der Dachkon- struktion. Insbesondere bei Bäumen und Großsträuchern müssen die statischen Bedingungen bezüglich der Einzel- und Windlasten berücksichtigt werden. Intensivbegrünungen sind in der Regel ausschließlich für Neubauvorhaben geeignet, da hohe Lastannahmen dort bereits im Planungsprozeß berücksichtigt werden können.
Dachbegrünung 4 • Vegetationsformen nach FLL [FLL 1995, Tab. 2]: − Intensivbegrünungen nur für Flachdächer: Rasen niedrige, mittelhohe sowie hohe Stauden und Sträucher Großsträucher und Kleinbäume mittelgroße Bäume Großbäume 2.1.2 Extensivbegrünung „Extensivbegrünungen sind naturnah angelegte Vegetationsformen, die sich weitgehend selbst erhalten und weiterentwickeln. ...“ [FLL 1995, 2.2.3]. Sie sind nicht begehbare Anlagen. Die Vegetationsformen der Extensivbegrünungen benötigen keine Pflege wie Bewässerung oder Düngung. Ihre Unterhaltung beschränkt sich auf jährliche Kontrollgänge. „... Die weitgehend geschlossenen flächigen Vegetationsbestände werden aus Moosen, Sukku- lenten (Fettpflanzen, Anm. d. Verf.), Kräutern und Gräsern gebildet. Die Vegetation unterliegt der natürlichen Bestandsumbildung. ...“. „... Es werden Pflanzen mit besonderer Anpassungsfähigkeit an die extremen Standortbedingungen und hoher Regenerationsfähigkeit verwendet. Die Pflanzen sollten dem mitteleuropäischen Floren- raum (pflanzengeographische Region, Anm. d. Verf.) entstammen; regionale Floren sind zu berücksichtigen. ...“. Die hohe Regenerationsfähigkeit der Pflanzen ist aufgrund von Witterungs- einflüssen wie Frost, Trockenheit und zeitweiser Vernässung erforderlich. Die Besiedlung der Flächen durch Fremdvegetation aus der Umgebung ist als Bestandteil der Vegetationsdynamik erwünscht. Extensivbegrünungen eignen sich sowohl für flache als auch für geneigte Dächer geringer statischer Tragfähigkeit, da die Vegetationsformen lediglich geringe Aufbaudicken erfordern. Somit sind sie zur nachträglichen Begrünung bei Sanierungsvorhaben geeignet. • Vegetationsformen nach FLL [FLL 1995, Tab. 2]: − Extensivbegrünungen für Flachdächer: Moos - Sedum - Begrünungen Sedum - Moos - Kraut - Begrünungen Sedum - Gras - Kraut - Begrünungen Gras - Kraut - Begrünungen (Trockenrasen)
Dachbegrünung 5 ABBILDUNG 2-1 MOOS - SEDUM - UND SEDUM - MOOS - KRAUT - VEGETATION − Extensivbegrünungen für geneigte Dächer: Moos - Sedum - Begrünungen Sedum - Moos - Kraut - Begrünungen Sedum - Gras - Kraut - Begrünungen ABBILDUNG 2-2 SEDUM - GRAS - KRAUT- VEGETATION 2.1.3 Einfache Intensivbegrünung Einfache Intensivbegrünungen bilden den Übergang von Intensivbegrünungen zu Extensivbe- grünungen. „... Die Nutzungs- und Gestaltungsvielfalt ist im Vergleich zu Intensivbegrünungen eingeschränkt. Die verwendeten Pflanzen stellen geringere Ansprüche an den Schix Ìbau sowie an Wasser- und Nährstoffversorgung. Pflegemaßnahmen sind in reduziertem Umfang erforderlich. Die Herstel- lungskosten sind niedriger als bei Intensivbegrünungen.“ „Einfache Intensivbegrünungen sind in der Regel als bodendeckende Begrünungen mit Gräsern, Stauden und Gehölzen ausgebildet ... “[FLL 1995, 2.2.2]. Die Besiedlung durch Fremdvegetation ist - wie bei Intensivbegrünungen - nicht erwünscht. Aus Gründen der Kosteneinsparung in Herstellung und Unterhaltung werden Einfache Intensiv- begrünungen überwiegend dünnschichtig aufgebaut. Deshalb ist die Anwendung sowohl auf
Dachbegrünung 6 flachen als auch auf geneigten Dächern geringer bis mittlerer statischer Tragfähigkeit noch möglich. • Vegetationsformen nach FLL [FLL 1995, Tab. 2]: − Einfache Intensivbegrünungen für Flachdächer: Gras - Kraut - Begrünungen (Grasdach, Magerwiese) Wildstauden - Gehölz - Begrünungen Gehölz - Stauden - Begrünungen Gehölz - Begrünungen ABBILDUNG 2-3 WILDSTAUDEN UND GEHÖLZE − Einfache Intensivbegrünung für geneigte Dächer: Gras - Kraut - Begrünungen (Grasdach, Magerwiese) ABBILDUNG 2-4 GRAS - KRAUT - VEGETATION Anmerkung: Jede der Begrünungsarten benötigt eine Zusatzbewässerung sowie eine entwick- lungsbezogene Nährstoffversorgung im Rahmen der Fertigstellungs- und Entwicklungspflege; diese Pflege ist nicht mit der evtl. erforderlichen kontinuierlichen Unterhaltungspflege zu ver- wechseln.
Dachbegrünung 7 2.2 Grundsätzlicher Schichtaufbau von Dachbegrünungen Im Gegensatz zu bodengebundenen Begrünungen steht einer Dachbegrünung lediglich eine dünne „Bodenzone“ zur Verfügung. Daher besteht eine Dachbegrünung aus mehreren Schichten, die jeweils bestimmte Funktionen erfüllen. Die Verwendung spezieller Materialien macht eine Zusammenfassung von mehreren Funktionen möglich, so daß eine getrennte Ausbildung der Schichten zur Wahrnehmung ihrer Funktion nicht notwendig ist. 2.2.1 Funktionsschichten Die Aufgabe der nach FLL [FLL 1995] sogenannten Funktionsschichten liegt von oben nach unten betrachtet in der Ermöglichung von Pflanzenwachstum auf einem Extremstandort wie dem Dach und in der Verhinderung von Gebäudeschäden. Nach FLL [FLL 1995, 6.1.2] unterteilt man den Schichtaufbau in folgende Funktionsschichten: Die Vegetationstragschicht dient als durchwurzelbarer Raum und bildet somit die Grundlage für das Pflanzenwachstum. Sie speichert Wasser pflanzenverfügbar, gibt Überschußwasser an die Drainschicht ab und muß auch bei maximaler Wasserkapazität ein ausreichendes Luft- bzw. Sauerstoffvolumen zur Wurzelatmung aufweisen. Die Vegetationstragschicht wird auch als Substratschicht bezeichnet. Die Filterschicht verhindert die Einschlämmung feinerer Boden- und Substratteile aus der Vegetationstragschicht in die Drainschicht, um die Wasserdurchlässigkeit der Drainschicht dauerhaft zu gewährleisten. Als Filterschichten kommen filterstabile und hydraulisch wirksame Geotextilien zur Anwen- dung, meist Vliesstoffe von i.d.R. 0,7- 2,5 mm Dicke. Die Drainschicht nimmt überschüssiges Wasser auf und führt es den Dachabläufen zu. Sie kann gleichzeitig der Wasserspeicherung dienen, den durchwurzelbaren Raum vergrößern und eine schützende Funktion für den darunterliegenden Aufbau wahrnehmen. Die Schutzschicht/ Schutzlage wird bei Bedarf angeordnet. Sie ist ein zusätzlicher Schutz der Dachabdichtung bzw. des Durchwurzelungsschutzes.
Dachbegrünung 8 In Abhängigkeit von der Art des Durchwurzelungsschutzes ergeben sich nun zwei unterschiedliche Schichtfolgen: Die Anordnung des Durchwurzelungsschutzes, der Beschädigungen an der Dachabdichtung infolge von ein- oder durchdringenden Pflanzenwurzeln verhindert, der Trennlage, die der Trennung chemisch nicht miteinander verträglicher Stoffe dient und der Dachabdichtung, die das Bauwerk gegen eindringende Feuchtigkeit schützt. Oder die Anordnung der Durchwurzelungsfesten Dachabdichtung, welche eine Kombination aus Dachabdichtung und Wurzelschutzlage ist. Die wasserwirtschaftlich wirksamen Funktionsschichten sind die Vegetationstragschicht sowie die Drainschicht. Die Wasserspeicherfähigkeit eines Dachaufbaus hängt größtenteils von der Schichtdicke bzw. der Mächtigkeit des Schichtaufbaus, dem Material und der Verteilung des Porenvolumens ab. Die FLL [FLL 1995, Tab. 2] nennt folgende Regelschichtdicken in Abhängigkeit von der Begrünungsart: Vegetationstragschicht − Intensivbegrünung: 10 bis ≥ 125 cm − Extensivbegrünung: 2 bis ≥ 15 cm − Einfache Intensivbegrünung: 8 bis ≥ 15 cm Drainschicht − Intensivbegrünung: 2 bis ≥ 25 cm − Extensivbegrünung: bei Drainmatten ≈ 2 cm, bei Schüttstoffen ≈ 4 cm − Einfache Intensivbegrünung: Bei Drainmatten ≈ 2 cm, bei Schüttstoffen ≈ 4 cm. − Bei vorgesehener Wasserbevorratung durch Wasseranstau (s. Kap. 2.3): Drainschichtdicken bis zu 12 cm
Dachbegrünung 9 Der Spielraum in diesen Angaben ergibt sich aus den verschiedenen Bedürfnissen der jeweils vorgesehenen Vegetations- bzw. Pflanzenarten sowie aus standortspezifischen Faktoren. Da die Dicke von Filterschicht und Durchwurzelungsschutz - bezogen auf den Gesamtaufbau - vernachlässigbar gering ist, bildet die Summe der Dicken von Vegetationstragschicht und Drain- schicht die Gesamtdicke des Begrünungsaufbaues. Die Speicherwirkung des Bodens wird nachstehend zusammengefaßt: ([SCHEFFER u. SCHACHTSCHABEL 1976, Kap. B. VII]) Der Wasserhaushalt des Bodens hängt wesentlich von der Verteilung der Porengrößen ab. Das durch Niederschläge dem Boden zugeführte Wasser wird zum Teil in den Mittel- und Feinporen entgegen der Schwerkraft festgehalten. Es wird als Haftwasser bezeichnet. Zum anderen Teil wird das dem Boden zugeführte Wasser als Sickerwasser über Grobporen in tiefere Zonen verlagert, bzw. bei nicht vorhandenem Bodenanschluß abgeführt. Dabei weisen weite Grobporen die Eigen- schaft auf, schnell zu entwässern (Luftkapazität), enge Grobporen entwässern dagegen langsam. Bei Haftwasser steigt der Wassergehalt des im Boden verbleibenden Wassers mit abnehmender Korngröße bzw. mit zunehmender spezifischer Oberfläche der Poren (Adsorptionswasser). Auch die Stärke der Bindung steigt mit abnehmender Porengröße (Kapillarwasser). In den Feinporen (f< 0,2 µm) liegt das Wasser mit einer Wasserspannung von über 15 000 cmWS oder über 4,2 pF vor. (Bedeutung: „p“ bezeichnet den Logarithmus und „F“ die freie Energie: pF= log cmWS.) Das Wasser der Feinporen ist aufgrund der zu hohen Wasserspannung für Pflanzen nicht verfügbar. Der Wassergehalt bei pF= 4,2 wird permanenter Welkepunkt PWP genannt. Er beschreibt den Zustand, bei dem eine Pflanze das durch Transpiration abgegebene Wasser nicht mehr aus dem Boden ersetzen kann. Das Wasser der Mittelporen weist eine Wasserspannung auf, die Pflanzen überwinden können. Daher ist es speicherbar und langzeitig pflanzenverfügbar. Das Wasser der engen Grobporen ist kurzzeitig pflanzenverfügbar (Kurzzeitretention). Der dazu- gehörige Wassergehalt wird als die Feldkapazität FK bezeichnet. Die nutzbare Feldkapazität nFK [Vol.- %] ergibt sich aus der Differenz der Wassergehalte beim permanenten Welkepunkt PWP und bei der Feldkapazität FK. Die Differenz entspricht dem Wassergehalt der Mittelporen (Langzeitretention).
Dachbegrünung 10 [SCHEFFER u. SCHACHTSCHABEL 1976, Tab. 47] Porengrößenbereiche Wasser- Spannung pF Porendurchmesser [µm] Wassersäule [cmWS] Weite Grobporen > 50 0- 60 0- 1,77 Enge Grobporen 50- 10 60- 300 1,77- 2,54 Mittelporen 10- 0,2 300- 15 000 2,54- 4,2 Feinporen < 0,2 > 15 000 > 4,2 ABBILDUNG 2-5 DIE BEZIEHUNG ZWISCHEN WASSERSPANNUNG UND WASSERGEHALT Die FLL [FLL 1995, 9.2.8 und 9.2.9] nennt folgende Mindestwerte: Maximale Wasserkapazität von Vegetationssubstraten im verdichteten bzw. eingebauten Zustand Begrünungsart/ Bauweise *) max. Wasserkapazität Intensivbegrünungen = 45 Vol.- % Extensivbegrünungen — in mehrschichtiger Bauweise = 35 Vol.- % — in einschichtiger Bauweise = 20 Vol.- % *) Zur Bauweise siehe Kapitel 2.2. Die Menge des pflanzenverfügbaren Wassers kann nach FLL [FLL 1995, 9.2] näherungsweise aus der maximalen Wasserkapazität abzüglich eines Anteils von rd. 10- 15 Vol.- % für das in Fein- poren bei pF > 4,2 gebundene Wasser ermittelt werden.
Dachbegrünung 11 Der Luftgehalt von Vegetationssubstraten soll bei maximaler Wasserkapazität 10 % nicht unter- schreiten. Liegt der ermittelte Wert darunter, ist ergänzend der Luftgehalt bei pF= 1,8 zur Beur- teilung heranzuziehen. Er soll bei pF= 1,8 (Anteil an weiten Grobporen) mindestens betragen: Begrünungsart/ Stoffgruppe Luftgehalt bei pF= 1,8 Intensivbegrünungen — in Bodengemischen = 15 Vol.- % — in Schüttstoffgemischen = 20 Vol.- % Extensivbegrünungen = 25 Vol.- % Die FLL [1995, 7.1 und 9.1] nennt folgende Materialien bzw. Stoffgruppen, deren Zusammen- setzung sowohl pflanzen- als auch standortspezifischen Faktoren genügen muß: Vegetationstragschicht − Bodengemische − mineralische Schüttstoffgemische mit/ ohne Anteil an organischer Substanz − Substratplatten − Vegetationsmatten Drainschicht − mineralische Schüttstoffe ohne organische Substanz wie Kies, Splitt, Lava, Bims, Blähton, Blähschiefer sowie Recycling- Schüttstoffe wie Ziegelbruch, Schlacken, Schaumglas − Drainmatten aus Strukturvlies, Kunststoff- Noppen, Fadengeflecht, Schaumstoff- Flocken − Drainplatten aus Schaumstoffkugeln, Kautschuk- Noppen und Profilplatten aus Hart- oder Schaumkunststoff 2.2.2 Bauweisen Die Art der Bauweise bezieht sich auf die Funktionen folgender Schichten: Vegetationstragschicht, Filterschicht und Drainschicht. Einige der für diese Funktionsschichten einsetzbaren Stoffgruppen weisen spezifische Eigenschaften auf, welche die Wahrnehmung mehrerer oben genannter Funk- tionen durch eine Stoffgruppe ermöglichen. Dementsprechend unterscheidet man ein-, zwei- und dreischichtige Bauweisen. „In Abhängigkeit von den für den Schichtaufbau eingesetzten Stoffen können diese Bauweisen sowohl bei den verschiedenen Begrünungsarten (Extensiv, Intensiv, Einfach Intensiv, Anm. d.
Dachbegrünung 12 Verf.) als auch bei den unterschiedlichen Ausbildungsformen auf flachen und geneigten Dächern eingesetzt werden“ [FLL 1995, 6.2]: 1. Bei einschichtigen Bauweisen werden die Funktionen der Vegetations-, der Filter- und der Drainschicht von einer Stoffgruppe in einer Schicht wahrgenommen. Die verwendete Stoff- gruppe weist eine erhöhte Filter- und Drainfähigkeit auf. 2. Bei zweischichtigen Bauweisen wird die Funktion der Filterschicht von der Vegetations- bzw. der Drainschicht wahrgenommen. Zwei Stoffgruppen nehmen in zwei Schichten drei Funktionen wahr. Die Stoffe/ Stoffgemische der Vegetationstragschicht und der Drainschicht müssen gegenseitig mechanisch filterstabil sein. 3. Bei dreischichtigen Bauweisen werden die drei Funktionsschichten ihrer Funktion nach getrennt ausgebildet. Fast alle Stoffgruppen können - sofern vegetations- und draintechnisch sinnvoll - miteinander kombiniert werden. Die Einsetzbarkeit der verschiedenen Stoffgruppen für die unterschiedlichen Bauweisen sind den „Richtlinien für Dachbegrünungen“ [FLL 1995, Tabelle 1] zu entnehmen. ABBILDUNG 2-6 REGELAUFBAU BEI EIN-, ZWEI- UND DREISCHICHTIGER BAUWEISE
Dachbegrünung 13 Die Motivation, einschichtige Bauweisen zu entwickeln, erklärt sich im folgenden Zitat: „... Im Zusammenhang mit der Forderung nach kostengünstigen und zugleich funktionsgerechten Bauweisen für großflächige Extensivbegrünungen steht die in den letzten Jahren eingeleitete Ent- wicklung von einschichtigen Bauweisen. Als Vorbilder dafür sind Begrünungen auf bekiesten Flachdächern anzusehen, deren Nachteile einer zu hohen Lastannahme, einer zu geringen Wasser- speicherung und eines sehr begrenzt durchwurzelbaren Raumes es auszugleichen gilt. ...“ [LIESECKE u. LÖSKEN 1991, S.314]. Die wasserwirtschaftlich wirksamen Funktionsschichten sind, wie oben erwähnt, die Drain- und die Vegetationstragschicht. Daher ist der Unterschied zwischen zwei- und dreischichtigen Bauweisen, also das Vorhandensein einer Filterschicht, hier nicht von wesentlicher Wichtigkeit. ABBILDUNG 2-7 EIN-, ZWEI- UND DEISCHICHTIGE BAUWEISE
Dachbegrünung 14 2.3 Wasserversorgung „... Während durch den kapillaren Feuchtigkeitstransport bei Vegetation mit Bodenanschluß die Austrocknung von oben nach unten erfolgt, ist sie - ... - bei begrünten Konstruktionen (Vegetation ohne Bodenanschluß, Anm. d. Verf.) in der Regel umgekehrt (Ausnahme: Staubewässerung)“. Bei Beobachtungen über Jahre wurde festgestellt, daß Regenereignisse, die für bodengebundene Pflanzen genügten, nur die Oberfläche des Schichtaufbaus durchfeuchteten. Eine Ausbreitung der Feuchtigkeit nach unten wurde durch Wind, der wiederum die Verdunstung fördert, verringert, und tiefwurzelnde Vegetation verendete teilweise. Bei Extensivbegrünungen eingesetzte Flachwurzler werden dadurch weniger beeinträchtigt [LBB 1990, C 1.1.1]. Die Wasserversorgung von Dachbegrünungen ist in die Planung einzubeziehen. Neben der vorhandenen natürlichen Bewässerung durch Regen kann in Abhängigkeit von Begrünungsart und Witterung eine künstliche Bewässerung erforderlich sein. Die Nutzung des frei verfügbaren Niederschlagswassers bildet die Grundlage der Wasserversor- gung von Dachbegrünungen. So gelangen die Niederschläge unmittelbar in den natürlichen Wasserkreislauf zurück. Eine regelmäßige oder periodische Wasserversorgung mit kostbarem Trinkwasser für Intensiv- und Einfache Intensivbegrünungen ist als wasserwirtschaftlich kontraproduktiv einzustufen. Einerseits „schließen“ Dachbegrünungen den urbanen Wasserkreislauf erwünschterweise „kurz“, doch andererseits wird das für den menschlichen Genuß aufbereitete Wasser zum Bestandserhalt der Begrünungen verwendet. Die künstliche Bewässerung kann mit Bewässerungssystemen erfolgen, deren Investitionskosten jedoch nicht unerheblich sind, die eine Wartung benötigen, sowie Versagenswahrscheinlichkeiten in sich bergen. Folgende Arten der künstlichen Bewässerung sind zu unterscheiden: „Bewässerung mit Schlauch, mit Schlauch und Regner, mit Sprühschlauch, mit Unterflur- Tröpfchenbewässerung, mit Beregnungsanlagen oder mit Bewässerungsautomatik bei Wasseranstau“ [FLL 1995, 6.4.1]. Bevor näher auf die Wasserbevorratung im Schichtaufbau, die Art der natürlichen Bewässerung, eingegangen wird, sei angemerkt, daß sich die Wasserversorgung von Dachbegrünungen mit zu diesem Zweck gesammeltem Niederschlagswasser - z.B. in Zisternen, Regentonnen etc. - anbietet. Dabei ist jedoch zu bedenken, daß gerade in den Sommermonaten mit hohem Wasserbedarf Über- schußwasser von begrünten Dächern nicht oder nur in geringen Mengen anfällt. Eine sinnvolle Alternative kann in diesem Fall die Sammlung des Überschußwassers von unbegrünten Dächern anstelle der Ableitung in die Kanalisation sein. Ebenfalls zu bedenken ist, daß zur Förderung des Niederschlagswassers zum Dach wiederum Pumpenergie verbraucht wird.
Dachbegrünung 15 Eine Wasserbevorratung aus Niederschlagswasser innerhalb des Schichtaufbaus kann die Zugabe von Trinkwasser minimieren. Ziel des Schichtaufbaus sollte sein, den Pflanzen eine optimale Aus- nutzung des Niederschlagswassers zu ermöglichen. „... Die mögliche Wasserbevorratung bei Dachbegrünungen kann in verschiedenen Schichten und auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Je nach Ausbildung und Anordnung in den einzelnen Schichten sind folgende Arten der Wasserbevorratung zu unterscheiden: In der Vegetationstragschicht durch Verwendung wasserspeichernder Stoffe in den Vegetationssubstraten oder in vorgefertigten Substratplatten, in der Vegetationstragschicht und zusätzlich in der Drainschicht durch Verwendung von kornabgestuften, offenporigen Schüttstoffen oder von vorgefertigten drainenden Substratplatten oder in der Vegetationstragschicht und zusätzlich in der Drainschicht durch flächigen Anstau in Schüttstoffen oder partiellen Anstau in Drainprofilplatten. Die gleichzeitige Wasserbevorratung in den Vegetationstragschicht- und Drainschichtstoffen läßt sich bei allen Begrünungsformen einsetzen. Der gesamte Schichtaufbau ist intensiv durchwurzel- barer Raum und steht der Wasserspeicherung zur Verfügung“ [FLL 1995, 6.4.1]. Eine rückstaufreie Ableit ung des Überschußwassers der Vegetationstragschicht an die Drainschicht oder bei einschichtiger Bauweise selbstdrainend muß durch die Wasserdurchlässigkeit der Stoffe gewährleistet sein. „... Die Wasserdurchlässigkeit der Vegetationssubstrate ist auf die vorgesehene Drainschicht- Bau- weise abzustimmen. ...“ [FLL 1995, 9.2.7]. Maßgebend sind Anteil und Größe der schnell drainen- den Poren beider Schichten (Grobporen). Ein Kapillarbruch ist zu vermeiden, da er zu anhaltenden Vernässungen der Vegetationstragschicht führen würde. Die Wasserdurchlässigkeit bzw. der verti- kale Wasserabfluß wird als Wasserinfiltrationsrate mod kf in[cm/s] bzw. [mm/min] ermittelt. Grenzwerte sind der FLL [FLL 1995, 9.2.7 u.7.2.5] in Abhängigkeit von Begrünungsart, Bauweise und Stoffgruppe zu entnehmen. Nach derzeitigem Erkenntnisstand ergeben sich für die verschiedenen Dachbegrünungsarten unter- schiedliche Eignungen für die Wasserbevorratung durch Wasseranstau: „Bei Intensivbegrünungen
Dachbegrünung 16 ist eine Kombination von Wasserspeicherung in der Vegetationstragschicht mit Wasseranstau in der Drainschicht ... die am nachhaltigsten wirksame, wirtschaftliche und ökologische Notwendigkeiten gleichermaßen berücksichtigende Form der Wasserbevorratung. Bei Extensivbegrünungen sind mit einer Anstaubewässerung aus pflanzenphysiologischer Sicht dagegen Nachteile verbunden. *) Bei Einfachen Intensivbegrünungen mit dünnschichtiger Bauweise ist ein Wasseranstau in der Drainschicht bei dünnschichtiger Bauweise nur sinnvoll, wenn in niederschlagsarmen Perioden eine zusätzliche Bewässerung erfolgt“ [FLL 1995, 6.4.1]. *) Bei Extensivbegrünungen würde die Anpassung der Vegetation an eine folgende Streßsituation „Wassermangel“ verhindert werden. Deshalb sollte die Wasserversorgung ausschließlich über die Ausnutzung natürlicher Niederschläge erfolgen. Anmerkung: Die Wasserbevorratung mit Wasseranstau setzt eine dreischichtige Bauweise voraus. Die Wasseranstauhöhe in der Drainschicht muß in jedem Fall einen Mindestabstand zur saugenden Filterschicht aufweisen, um Staunässe in der Vegetationsschicht zu vermeiden. ABBILDUNG 2-8 DREISCHICHTIGER AUFBAU MIT WASSERANSTAU
Dachbegrünung 17 ABBILDUNG 2-9 WASSERHAUSHALT EINER INTENSIVBEGRÜNUNG MIT WASSERANSTAU 2.4 Dachneigung Die Dachneigung beeinflußt das Abflußverhalten einer Dachbegrünung wesentlich. Je stärker die Dachneigung ist, desto schneller erfolgt die Niederschlagsabführung. Daher stellt die Dachneigung einen entscheidenden Planungsaspekt dar. Sie bestimmt die Notwendigkeit und die Dimensionierung von Drainschichten. Abgesehen von diesem entwässerungstechnischen Aspekt ist auch der bautechnische Aspekt aufzuführen. Mit zunehmender Dachneigung sind besondere Maßnahmen der Rutsch- und Schub- sicherung vorzunehmen. Diese Maßnahmen können sowohl konstruktiver als auch - bis zu bestimmten Neigungen - vegetationstechnischer Natur sein [FLL 1995, 5.9.1]. Beispielhaft seien hier Schubschwellen oder -gewebe als konstruktive sowie der Einsatz von verzahnend lagernden Kornformen zur Strukturstabilisierung der Vegetationstragschicht als vegetationstechnische Maß- nahmen genannt [FLL 1995, 5.9.3]. Ebenso sind veränderte Einstrahlungswinkel der Sonne und Windbelastungen bei der Wahl der Vegetations- und Pflanzenart zu berücksichtigen: “Bei Dachneigungen von 30° ergibt sich ein Einstrahlungswinkel der Sonne von etwa 92° auf die geneigte Fläche, und somit entstehen äqua- toriale Einstrahlungsverhältnisse mit Maximalbelastungen“ [Krupka 1992, 6.2.4]. Zwischen folgenden Dachneigungen wird nach FLL [FLL 1995, 4.1] unterschieden:
Dachbegrünung 18 Gefälle [%] Neigung [°] Dächer mit 3- 20° Dächer mit >36- 58 % >20- 30° Dächer mit >58- 100 % >30- 45° Nach den „Flachdachrichtlinien“ [1992] sollte ein Gefälle von mindestens 2 % geplant werden. Für die verschiedenen Dachbegrünungsarten gelten nach FLL [FLL 1995, 4.1] folgende Richt- werte: „... Für Begrünungsbauweisen mit Anstaubewässerung im Rahmen von Intensivbegrünungen sind Dächer ohne Gefälle auszubilden oder Anstauschwellen vorzusehen. Für Extensiv- und Einfache Intensivbegrünungen sollten Dächer mit einem Gefälle von mindestens 2 % (ca. 1,14° Neigung) entsprechend den „Flachdachrichtlinien“ der Regelfall sein. ... Werden Extensivbegrünungen auf Dächern mit weniger als 2 % Gefälle angelegt, ist aus entwässerungs- technischen Gründen eine entsprechend dimensionierte Drainschicht auszubilden. Einschichtige Bauweisen müssen in ihrer Gesamtschichtdicke entsprechend dimensioniert werden. Mit zunehmendem Gefälle erfolgt eine schnellere Wasserabführung. Ab einem Gefälle von 5 % (ca. 2,86° Neigung) kann dies durch einen Schichtaufbau mit höherem Wasserspeichervermögen und geringerer Drainung oder durch das Einbringen einer Vegetationsform mit geringerem Wasser- bedarf ausgeglichen werden. ... Bei Dächern mit einer Neigung von mehr als 45° sollte von einer Begrünung aufgrund der damit verbundenen bautechnischen und vegetationstechnischen Problematik abgesehen werden“ [FLL 1995, 4.1]. Intensivbegrünungen sind aufgrund der erforderlichen großen Schichtdicken nur für flache Dächer geeignet. Extensiv- und Einfache Intensivbegrünungen sind für flache und geneigte Dächer geeig- net. „... Technisch ist es kein Problem, Dächer bis 45° zu begrünen. Da jedoch ab 20° Neigung (ca. 36% Gefälle) ein erhöhter baulicher Aufwand notwendig ist und damit höhere Kosten entstehen, liegt der optimale Anwendungsbereich für die Extensivbegrünung bei 2° bis 15° Neigung (ca. 3,5% bis 26,8% Gefälle)“ [KÖHLER u.a. 1993, 12.1.3].
Klassische Regenwasserentsorgung im Siedlungswasserbau 19 3 Klassische Regenwasserentsorgung im Siedlungswasserbau 3.1 Vorbemerkungen zur Entwicklung Mit der Besiedlung von Gebieten kam schon in frühester Zeit das Problem des Regenwasseranfalls auf. Der von befestigten Flächen ablaufende Regen suchte sich den „Weg des geringsten Wider- stands“ und sammelte sich in Pfützen an Stellen, wo er störend war, oder sorgte - bei Starkregen - für Überschwemmungen. Regenwasserrinnen, zunächst ausgebildet als Erdgräben und später durch gepflasterte Regenwasserrinnen ersetzt, wurden angelegt. In den Städten des Altertums wurden stattdessen unterirdische, gemauerte Kloaken zur weiträumigeren Aufnahme der Straßenabflüsse gebaut, z.B. im alten Rom. Das Wissen über die Kanalisationstechnik im Altertum ging jedoch im Mittelalter wieder verloren. Sehr früh war das Prinzip der Nutzung von Wasser als Transportmittel für Abwässer, aber noch nicht für Fäkalien bekannt. Fäkalien wurden bereits im Mittelalter in Gruben gesammelt. Die neuzeitliche Abwassertechnik begann Mitte des 19. Jahrhunderts. Spätestens nach den großen Cholera- Epidemien, z.B. London 1830, Preussen 1866 und Hamburg 1892, wurde die Notwendig- keit der Abwassertechnik erkannt. Ausgehend vor allem von dem schwierigen Entwässerungsprob- lem der Großstädte - ab etwa 150 000 Einwohnern - begann die Phase der Abwasserableitung via Kanalisation. Bestimmend waren zwei Aufgaben: 1. Die Abwasserableitung: Das Ableiten des Niederschlagswassers, das zunächst als Transportmittel für Unrat von den Oberflächen der Siedlungen angesehen wurde. 2. Die Abwasserreinigung: Die Behandlung der Schmutzwässer. Zur Gewährleistung der Überflutungssicherheit bebauter Gebiete und zur Einhaltung hygienischer Sicherheiten wurde, und wird noch, Regenwasser über Kanalisationssysteme abgeleitet. Die Überbauung freier Flächen erfordert eine schnellstmögliche Ableitung von betroffenen Flä - chen, vor allem in Kerngebieten, beispielsweise für die Verkehrssicherheit. Obwohl die strikte Ableitung von Regenwasser für dicht besiedelte Gebiete entwickelt worden war, wurde sie auch in weniger dicht besiedelten oder ländlichen Gebieten praktiziert. Bald wurde festgestellt, daß die zunehmende Versiegelung und die damit verbundene Ableitung und zentrale Entsorgung gr oße Störungen im Natur- und Wasserhaushalt hervorruft. Die Grund- wasserneubildung in urbanen Gebieten wird unterbunden und der lokale Wasserkreislauf damit unterbrochen. Die hohe Dynamik von Niederschlägen wird ungedämpft auf den Abfluß übertragen und erzeugt Hochwassergefahr in den Gewässern. Deshalb werden immer umfangreichere Kanali- sationsnetze und auf Spitzenabflüsse ausgebaute Gewässer benötigt, was einen hohen technischen
Klassische Regenwasserentsorgung im Siedlungswasserbau 20 Aufwand erfordert und damit hohe Kosten verursacht. Ein weiterer Effekt ist die Verschmutzung der Gewässer, die durch das Abschlagen von ungereinigtem Abwasser, dessen Menge die Kapazi- täten der Abwasserreinigungs- und Rückhalteanlagen übersteigt, in die Gewässer verursacht wird. Regenwasser vollständig abzuleiten bedeutet zudem, es dem Wasserkreislauf zu entziehen. In Kap. 7 wird auf die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung eingegangen. Hier soll das Element „Dachbegrünung“ der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung mit seinen potentiellen Eigenschaften der Speicherung und der Verzögerung des Abflusses untersucht werden. Deshalb wird zunächst der Weg des Regenwassers im Hinblick auf das Ableitungsprinzip im Sied- lungswasserbau erläutert. 3.2 Grundstücksentwässerung Unter der Grundstücksentwässerung versteht man nach DIN [DIN 4045, Nr. 1.19] die „Gesamtheit der baulichen Anlagen zur Sammlung, Ableitung, Beseitigung und Behandlung von Abwasser in Gebäuden und auf Grundstücken“. Die Grundstücksentwässerung muß in der Anlage und im Betrieb auf das Entwässerungsverfahren der Kanalisation abgestimmt sein (siehe auch Kapitel 3.3). Unabhängig vom Entwässerungsverfahren - Misch- oder Trennsystem - erfolgt die Entwässerung von Schmutz- und Regenwasser innerhalb des Gebäudes getrennt. Nach DIN [DIN 1986 Teil 1, 6.3.2] „soll das auf Dächern anfallende Regenwasser, soweit im Einzelfall nicht anders geregelt, aufgefangen und in Regenfalleitungen abgeführt ... werden“. Über Grund- oder Sammelleitungen gelangt das Abwasser schließlich in den Anschlußkanal (beim Trennsystem je einem für Schmutz- und Regenwasser), der die Grundstücksentwässerung an die Kanalisation anschließt. Die Bemessung von Regenwasserleitungen, d.h. die Ermittlung der erforderlichen Nennweiten (DN) erfolgt nach DIN 1986 Teil 2 [1995, Kapitel 7]. Grundlage der Bemessung ist der Regenwasserabfluß V& r . Man berechnet ihn nach folgender Formel: rT ( n ) V& r = ψ ⋅ A⋅ in l/s mit 10000 • V& r Regenwasserabfluß in l/s • ψ Abflußbeiwert • A angeschlossene Niederschlagsfläche in m2 • rT(n) Bemessungsregenspende in l/(s⋅ha) Dabei sind Regenwasserleitungen innerhalb und außerhalb von Gebäuden grundsätzlich mit einer Bemessungsregenspende von mindestens r15 = 300 l/(s⋅ha) zu bemessen. „Durch den Ansatz von
Klassische Regenwasserentsorgung im Siedlungswasserbau 21 300 l/(s⋅ha) wird berücksichtigt, daß Naturregen einen Intensitätsverlauf besitzen, bei dem kurzzeitig höhere Regen- und damit Abflußspenden als bei Ansatz einer mittleren Intensität auftreten können“ [HUHN u. SWIRIDJUK 1994, S. 126]. Die bei der Kanalnetzdimensionierung (siehe Kapitel 3.3) verwendeten Blockregen weisen eine deutlich geringere Regenspende auf als 300 l/(s⋅ha). Bei der Grundstücksentwässerung jedoch tritt der Spitzenabfluß aufgrund kurzer Leitungen sofort auf, es findet keine Verzögerung durch Fließzeiten wie im Kanalnetz statt. Bemessungsmaßgebend für die DIN 1986 müssen wie bei der Kanalnetzdimensionierung Spitzen- abflußbeiwerte sein. Auf den Spitzenabflußbeiwert wird in Kap. 4 eingegangen. 3.3 Kanalisation Nach DIN [DIN 4045, Nr. 1.20] „ist die Kanalisation eine Anlage zur Sammlung und Ableitung von Abwasser“. Man unterscheidet zwischen zwei Entwässerungsverfahren: Dem Mischverfahren und dem Trennverfahren. Die Definitionen lauten nach ATV folgendermaßen: „Beim Mischverfahren wird das Schmutz- und das Niederschlagswasser gemeinsam in einem Kanal abgeführt und zur Kläranlage geleitet. Da der Anteil an Regenwasser i.A. ein Vielfaches des Schmutzwasseranteils beträgt (nach BRETSCHNEIDER u.a. [1993, 19.2.1.3]: 60- 200fach), ist der Abfluß aus dem Niederschlag für die Dimensionierung des Kanalprofils ausschlaggebend“ [ATV 1994, 14.4.8.1]. „Beim Trennverfahren werden Schmutz- und Niederschlagswasser in zwei Leitungssystemen abgeleitet. Das Schmutzwasser fließt zur Kläranlage. ... Das Niederschlagswasser selbst wird über ein eigenes Kanalsystem abgeleitet. An geeigneten Stellen kann es bei Bedarf in Regenklärbecken vorgeklärt werden, ehe es in den Vorfluter entlastet wird. ...“ [ATV 1994, 14.4.8.3]. Anmerkung: Neben den genannten Verfahren gibt es Zwischenstufen, sogenannte modifizierte Verfahren, wenn z.B. die Ableitung von Straßenwasser im Schmutzwasserkanal, die des Regen- wassers von Dachflächen im Regenwasserkanal erfolgt [ATV 1994, Kap. 13]. Die Bemessung der Schmutz-, Regen- und Mischwasserkanäle erfolgt nach dem ATV- Arbeitsblatt A 118. Der maßgebende Regenabfluß wird nach A 118 [ATV- A 118, Kap. 4] ermittelt. Zur Berechnung des Regenabflusses werden hier zunächst zwei verschiedene Verfahrensweisen der Berechnung aufgeführt, die hydrologischen und die hydrodynamischen Methoden. Bei den hydro- logischen Methoden wird der Abflußvorgang aus dem vorgegebenen Bemessungsgsregen
Klassische Regenwasserentsorgung im Siedlungswasserbau 22 entwickelt. Die Verzögerung auf der Oberfläche und im Kanalnetz wird dabei nur vereinfacht berücksichtigt. Das Zeitbeiwertverfahren ist eines dieser hydrologischen Bemessungsverfahren. Weil die Bemessung vieler Kanalisationen auf der Grundlage des Zeitbeiwertverfahrens (z.B. in Berlin) stattfindet, wird an dieser Stelle nicht näher auf die anderen Methoden eingegangen. Der größte Regenabfluß wird mit dem Zeitbeiwertverfahren unter der Annahme ermittelt, daß die Fließzeit im Kanalnetz gleich der maßgebenden Regendauer ist. Der Spitzenabflußbeiwert wird dabei als konstant angenommen. Der Regenabfluß Qr berechnet sich nach folgender Formel: Qr = ϕ ⋅ r15(1) ⋅ ψs ⋅ AE in l/s mit: • Qr Regenabfluß in l/s • ϕ Zeitbeiwert • r15(1) Regenspende in l/(s⋅ha) • ψs Spitzenabflußbeiwert • AE angeschlossene Einzugsfläche in ha Der Zeitbeiwert ϕ ist abhängig von der Regendauer T [min] sowie der Regenhäufigkeit n [1/a]. Er wird nach A 118 [ATV- A 118, Gleichung (10)] berechnet oder Bild 1 bzw. Tafel 2 des Arbeitsblattes A 118 entnommen. Die Regenspenden des 15- minütigen Regens (T= 15 min) mit einjähriger Eintrittswahrscheinlich- keit bzw. Überschreitungshäufigkeit (n= 1,0) r15(1) sind anhand von Messungen regional festgelegt. Sie schwanken in Nordwestdeutschland zwischen 74 und 150 l/(s⋅ha), in Süddeutschland zwischen 105 und 200 l/(s⋅ha). Geringere Regenhäufigkeiten werden durch die Erhöhung des Zeitbeiwerts berücksichtigt. Der Spitzenabflußbeiwert ist in Kap. 4 beinhaltet. 3.4 Regenbecken Die Aufgabe von Regenbecken ist, Speicherräume (Retentionsräume) für Regenabflußspitzen und/ oder Absetzräume zu bilden. Ihr Einsatz ermöglicht eine - aus technischen und wirtschaftlichen Gründen notwendige - Querschnittsbegrenzung der Kanalisation (abgesehen von Regenklärbecken). Vor allem werden Regenbecken aber zur Entlastung bestehender Kanalnetze eingesetzt. Zur Ent- lastung der Kläranlagen und Vorfluter können sie - im qualitativen wie im quantitativen Hinblick - ebenfalls beitragen. Sie sollen den Regenabfluß so begrenzen, daß die geforderten Ablaufwerte in der Kläranlage eingehalten werden und die stoßweisen Belastungen des Vorfluters in vertretbaren Grenzen bleiben. Der Ausdruck „Regenbecken“ bedeutet jedoch nicht, daß in ihnen ausschließlich
Klassische Regenwasserentsorgung im Siedlungswasserbau 23 Regenwasser gespeichert oder abgesetzt wird, sondern eher, daß der Anteil des Regenwassers ein Vielfaches des Schmutzwasseranteils beträgt. Bei Regenereignissen vermindern Regenbecken den Zulauf zur Kläranlage und speichern/ klären das Regenwasser vor der Einleitung in den Vorfluter. Bei Regenentlastungen im Mischverfahren kommt der Aufnahme des stark verschmutzten Spül- stoßes bei Regenbeginn im Anschluß an eine längere Trockenperiode eine besondere Bedeutung zu. Denn dort beinhaltet dieser Spülstoß nicht nur mit Regenwasser „verdünntes“ Schmutzwasser, sondern darüber hinaus durch de Mischwasserabfluß im Kanal mobilisierte Ablagerungen, Sielhaut und Sperrstoffe. Die Gewässerbelastung durch solche Spülstöße würde die Gewässerbelastung durch Kläranlagenabläufe um ein Mehrfaches übertreffen. Regenentlastungen im Mischverfahren werden Mischwasserentlastungen genannt. Entlastet werden Kanalisation und Kläranlage, belastet wird das Gewässer (Vorfluter), allerdings in geringerem Maße als ohne Regenbecken. 3.4.1 Regenrückhaltebecken (RRB) RRB eignen sich sowohl für das Misch- als auch das Trennverfahren. Sie müssen i.d.R. mit Not- überläufen versehen werden. Bei starken Regenereignissen speichern sie einen Teil des zulaufen- den Abwassers bzw. Regenwassers und geben diesen zeitverzögert an die Kanalisation ab. So erreicht das zurückgehaltene Wasser die Kläranlage bzw. den Vorfluter erst nach dem Starkregen- ereignis. Damit dienen Regenrückhaltebecken der Minderung von Abflußspitzen in der Kanalisa - tion und in der Kläranlage (Mischverfahren) oder im Vorfluter (Trennverfahren) durch Verlänge- rung der Fließzeit. Sie werden nach dem ATV- Arbeitsblatt A 117 bemessen. Die Richtlinie A 117 ist wie bei der Kanalnetzbemessung nach A 118 nur bei Verwendung kon- stanter Blockregen anwendbar. Die Ermittlung der Regenspende basiert ebenso auf den Rein- hold’schen Regenspenden bzw. neueren Auswertungen wie bei der Kanalisationsbemessung [ATV- A 118]. Für die Bemessung von Regenrückhaltebecken werden geringere Regenhäufigkeiten (n) als für die Kanalbemessung gewählt. Der technisch mögliche größte Zufluß und die schadlose Abführung des Wassers bei Überfüllung sind die begrenzenden Kriterien bei der Wahl von (n). Der Bemessung von Becken mit geschlossenen Zuläufen sollte eine Regenhäufigkeit von n = 0,5 bis 0,2 zugrunde- liegen, der von Becken mit offenen Zuläufen eine von n = 0,1, es sei denn, daß örtliche Verhält- nisse größere Sicherheiten erfordern. Bei Mischkanalisationen und der Anordnung des Beckens im Wohngebiet werden die Becken aus hygienischen und ästhetischen Gründen als geschlossene Becken ausgebildet, bei Trennkanalisa- tionen ist die Ausbildung als offenes Becken, z.B. als Teich, möglich. Offene Becken sollen bei Mischsystemen nur in Außengebieten in Betracht kommen.
Klassische Regenwasserentsorgung im Siedlungswasserbau 24 Bemessungsmaßgebend sind die Größe und der zeitliche Verlauf von Zufluß und Abfluß. Bei dem rechnerischen Näherungsverfahren ergibt sich der rechnerische Zufluß Q zu bzw. Qr15(n) als Produkt aus der Bemessungsregenspende r T(n) und der befestigten Fläche A red des Anschlußgebie - tes. Für den Abfluß sind die Leistung des weiterführenden Kanals oder des nachgeschalteten Pump- werks das begrenzende Kriterium. Es empfiehlt sich, bei der Festlegung des Beckeninhalts eine rechnerische Entleerungszeit von höchstens drei bis sechs Stunden vorzusehen und in Großstädten etc. die kürzere Zeit anzustreben. In Abhängigkeit von dem Abflußverhältnis η zwischen maßgeblichem Abfluß Qab und rechneri - schem Zufluß Qr15(n) sowie von der aus der Kanalisationsberechnung i.d.R. übernommenen Fließ- zeit tf bis zum RRB wird der Bemessungswert BR [s] abgelesen [ATV- A 117, Bild 5 oder 6]. BR ⋅ Qr15(n ) Die Berechnung des erforderlichen Beckeninhalts V erfolgt mit V = in [m3 ]. 1000 3.4.2 Regenklärbecken (RKB) RKB kommen ausschließlich im Trennverfahren zum Einsatz. Vor der Einleitung des Regen- wassers (bestehend aus „sauberem“ Regenwasser von Dachflächen und wenig frequentierten Verkehrsflächen, aus „verschmutztem“ Regenwasser von höher frequentierten Verkehrsflächen sowie aus Schmutzwasseranteilen infolge von Fehlanschlüssen) in den Vorfluter wird es mecha - nisch vorgeklärt (Absetzbecken). Bemessung nach ATV [ATV 1995, 2.7.5.6]: Der kritische Regenabfluß Qr krit wird als Produkt aus kritischer Regenspende rkrit (von 15 bis 30 l/(s⋅ha), gewählt) und undurchlässiger Fläche Au berechnet. Die undurchlässige Flä che ergibt sich aus dem Quotienten aus jährlicher Regenabflußsumme VQr [m3 ] = ψ a ⋅ VR und dem effektiven Niederschlag h Na,eff [mm]. Der kritische Abfluß Qkrit wird als Summe des kritischen Regenabflusses Qrkrit , dem Fremdwasser- abfluß bei Trockenwetter Qf und gegebenenfalls dem Drosselabfluß oberhalb liegender Regenrück- haltebecken gebildet mit Qkrit = Qrkrit + Q f + ΣQd ,i . Die nutzbare Beckentiefe des RKBs soll ca. 2 m betragen. Bei einer Oberflächenbeschickung von q A = 10m/h beim kritischen Abfluß wird eine gute Absetzwirkung erreicht. Die erforderliche Oberfläche beträgt: A0 = 3,6 ⋅ Qkrit q A in [m2 ].
Klassische Regenwasserentsorgung im Siedlungswasserbau 25 3.4.3 Regenüberlaufbecken (RÜB) RÜB werden ausschließlich im Mischverfahren eingesetzt. Sie verfügen im Vergleich zum Regen- rückhaltebecken zusätzlich über einen Überlauf zum Vorfluter. Bei starken Regenereignissen geben sie einen Teil des Zulaufs nach mechanischer Vorklärung über den Überlauf in den Vorfluter ab. Der übrige Teil gelangt zeitverzögert in die Kanalisation. Auf diese Weise die nen Regenüber- laufbecken sowohl der Abflußspitzenminderung in Kanalisation und Kläranlage als auch der Verminderung des gesamten Zuflusses. Die Mischwassermenge, die innerhalb eines Jahres ent- lastet werden darf, macht man von der Qualität des zu entlastenden Mischwassers abhängig. Die Bemessung von Regenüberlaufbecken erfolgt nach dem ATV- Arbeitsblatt A 128. Das Ziel ist die bestmögliche Reduzierung der Gesamtemissionen zum Schutz der Gewässer. Der zulässige Gesamtschmutzstoffaustrag infolge Regen aus Entlastungsbauwerken und Klär- anlagenabläufen wird für den Parameter CSB (chemischer Sauerstoffbedarf) so begrenzt, daß er den Schmutzstoffaustrag aus unbehandelten Regenabflüssen von Oberflächen (Trennsystem) nicht überschreitet. Die undurchlässige Fläche Au entspricht dem Quotienten aus jährlicher Regenabflußsumme im Mischsystem VQr [m3 ] = ψ a ⋅ VR und dem effektiven Niederschlag h Na,eff [mm]. Au beeinflußt die Bemessungsgrößen Regenabflußspende q r und mittlerer Regenabfluß bei Ent- lastung Qre sowie das Mischungsverhältnis m, die rechnerische Entlastungskonzentration ce und die zulässige Entlastungsrate e0. Das erforderliche Gesamtvolumen V wird aus dem Produkt aus spezifischem Speichervolumen Vs und der undurchlässigen Fläche Au gebildet.
Klassische Regenwasserentsorgung im Siedlungswasserbau 26 3.5 Kläranlage Die Schwierigkeit der zusätzlichen Belastung der Kläranlage durch Regenwasser bzw. stark ver- dünntes Schmutzwasser ergibt sich lediglich für das Mischverfahren. Aus ökonomischen Gründen wird das Mischwasser auf einen maximal möglichen Kläranlagenzulauf begrenzt. Eine bestimmte Reinigungsleistung der Kläranlage muß unabhängig vom Wetter gewährleistet sein. Die Beschickung der biologischen Stufe einer Kläranlage - die Belebungsanlage oder der Tropf- körper - wird bei Regen zu etwa einem Zweifachen des Trockenwetterzuflusses angenommen. Weil bei Starkregenereignissen der Zufluß jedoch ein Vielfaches des Trockenwetterzuflusses beträgt, entsteht vor allem bei Regenbeginn eine beachtliche Abwassermenge. Vor der Kläranlage wird ein Teil des Abwassers durch Regenrückhalte- oder Regenüberlaufbecken zurückgehalten, der übrige Teil wird in den Vorfluter entlastet. Solche Mischwasserentlastungen werden aus wirtschaftlichen Gründen nicht vollständig vermie - den. Die Bemessung der biologischen Stufe von Kläranlagen erfolgt anhand des ATV- Arbeitblattes A 131 (Belebungsanlagen) oder anhand des ATV- Arbeitsblattes A 135 (Tropfkörper). Der für die Bemessung maßgebliche rechnerische Trockenwetterzufluß Qt [m3 /h] ergibt sich aus der Tagesspitze des Schmutzwasserzuflusses Qsx und dem Jahresmittelwert des Fremdwasser- zuflusses Qf : Qt = Qsx + Q f . Bei Regen wird die Kläranlage mit dem Mischwasserzufluß Qm = 2 ⋅ Qs x + Q f beschickt, wobei der zusätzliche Regenzufluß auf die Größe der Tagesspitze des Trockenwetterzuflusses Qsx begrenzt wird. Die BSB5 - Fracht [kg/d] wird, falls keine Messungen vorliegen, aus dem Produkt aus einwohner- bezogenen Frachten in [g/(E⋅d)] und der rechnerischen Einwohnerzahl aus Einwohner- sowie Einwohnergle ichwerten in [E] ermittelt. Die Durchflußzeit des Trockenwetterzuflusses Qt im Vorklärbecken (Absetzbecken) wird nach dem erforderlichen Gehalt an organischer Schmutzfracht in der nachgeschalteten, biologischen Stufe gewählt und kann von 0,5 h bis über 1,5 h betragen. Eine vorgesehene Denitrifikation erfordert z.B. hohe Gehalte an organischer Schmutzfracht und daher kurze Durchflußzeiten, während Tropf- körper aufgrund von Verstopfungsgefahr lange Durchflußzeiten erfordern. − Ausbildung der biologischen Reinigungsstufe als Belebungsanlage nach ATV- A 131:
Klassische Regenwasserentsorgung im Siedlungswasserbau 27 Das Volumen des Belebungsbeckens VBB [m3 ] ergibt sich als Quotient der BSB5 - Fracht BdBSB5 [kg/d] und der BSB5 - Raumbelastung BR [kg/(m3 ⋅d)] Die Verweilzeit tBB im Belebungsbecken richtet sich nach dem Zufluß Q: t BB = VBB Q. Eine Mindestbelüftungszeit muß in Abhängigkeit vom Reinigungsziel eingehalten werden. Das Nachklärbecken (NKB) und das Belebungsbecken (BB) bilden eine Betriebseinheit. Das Nachklärbecken hat die Aufgabe, belebten Schlamm vom biologisch gereinigten Abwasser zu trennen. Bei Regenwetterzufluß wird aus dem Belebungsbecken belebter Schlamm (Biomasse) in das Nachklärbecken verlagert, für den ausreichender Zwischenspeicherraum zur Verfügung stehen muß. Zur Erfüllung dieser Speicherfunktion wird das Nachlärbecken auf den Mischwasserzufluß Qm bemessen. − Ausbildung der biologischen Reinigungsstufe als Tropfkörper nach [ATV- A 135]: Die BSB5 - Raumbelastung BR [kg/(m3 ⋅d)], Flächenbelastung BA , Oberflächenbeschickung q A sowie das Rücklaufverhältnis RV werden in A 135 unter Berücksichtigung des angestrebten Reinigungs- grads und des verwendeten Materials angegeben bzw. gewählt. Die Abmessungen des Tropf- körpers sind darauf abzustimmen. Der Tropfkörperinhalt V [m3 ] ergibt sich als Quotient der BSB5 - Fracht BdBSB5 [kg/d] und der BSB5 - Raumbelastung BR [kg/(m3 ⋅d)]. Durch Rückpumpen des Tropfkörperablaufs ist im Tropfkörperzulauf eine BSB5 - Mischkonzen- tration cm kleiner als 150 mg/l herzustellen. Sobald Mischwasser zufließt, kann der Rückpumpbetrieb eingestellt oder die Flächenbeschickung erhöht werden. Größere Mischwassermengen müssen in Regenbecken zurückgehalten oder in das Gewässer entlastet werden. Tropfkörper sind gegen die Belastung des ersten Spülstoßes sehr empfindlich (Verstopfungs- gefahr). Der Spülstoß kann nur durch Regenbecken verhindert werden, die in möglichst geringer Entfernung von der Kläranlage angeordnet sind. Die am Tropfkörper ankommende Mischwasser- menge Qm kann durch Rückpumpbetrieb nicht weiter verdünnt werden, weil sie bereits dem Bemessungszufluß entspricht. Im Nachklärbecken eines Tropfkörpers werden die absetzbaren Stoffe aus der biologischen Stufe auf die für das Gewässer zulässige Menge verringert. Die Durchflußzeit soll bei Trockenwetter mindestens 2,5 h, bei Regenwetter mindestens 1,5 h betragen. Der erste Spülstoß ist für die biologische Reinigungsstufe mit Schwierigkeiten verbunden. Bei Belebungsanlagen z.B. ist der Effekt besonders problematisch bei Kanalnetzen, die bei
Sie können auch lesen