Die Prinzessin und der Kämmerer
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Die Prinzessin und der Kämmerer Es war einmal ein kleines Königreich. Es lag mitten zwischen hohen Bergen in einem grünen Tal. Der einzige Weg hinein führte durch einen hohen Pass, der zwischen den beiden höchsten Bergen belegen war. Der König dieses kleinen Königreichs war sehr beliebt bei seinen Untertanen, denn er regierte milde und weise. Seine größte Liebe war indes seine Tochter, ein entzückendes Kind mit goldenem Haar und von freundlicher Lebensart, eben eine wahre Prinzessin. Ihr schenkte der König all seine Aufmerksamkeit und Zuwendung und sie wuchs sorgenfrei und froh als Sonnenschein des ganzen Reiches heran. Als einige schöne Jahre ins Land gegangen waren und die Prinzessin sich zu einer jungen Dame von angenehmem Äußerem und liebreizendem Wesen entwickelt hatte, dachte der König bei sich, dass es wohl langsam an der Zeit wäre, nach einem angemessenen Gemahl Ausschau zu halten. So veranstaltete er ein Turnier zu Ehren der Prinzessin, zu dem er alle Adeligen reinen Blutes aus den umliegenden und auch weiter entfernten Grafschaften, Herzogtümern und Königreichen einlud. Dem Sieger versprach er die Hand seines einzigen Kindes und die Hälfte seiner Schatzkammer. Da es sich weit im Lande herumgesprochen hatte, dass die Prinzessin zur Gemahlin zu erhalten wohl das größte Glück war, das einem Manne widerfahren konnte, kamen junge Adelige in Scharen von Nah und Fern, um ihren Mut und ihre Geschicklichkeit im Wettkampf zu erproben und das Turnier als Sieger zu verlassen. Doch kamen nicht nur Männer reinen Herzens. Auch ein junger Baron meldete zum Turnier. Er war seit jeher von schwächlicher Gestalt und wenig ansprechendem Äußeren. Jedoch war er von Kindesbeinen an vom Ehrgeiz besessen. Da er nur der Drittgeborene war, galt sein Trachten der Beseitigung seiner in der Erbfolge vor ihm befindlichen Brüder. Als sein Vater auf dem Sterbebett danieder lag, sah er seine Stunde gekommen. Er Verbündete sich mit den Mächten der Finsternis und versprach dem Teufel seine Seele, wenn der seine Brüder noch vor dem Tod des alten Barons beseitige. Kaum hatte er den Pakt mit seinem Blute unterschrieben, da verschwanden seine Brüder unter merkwürdigen Umständen und er wurde der Erbe seines einige Tage danach verschiedenen Vaters. Als der Baron nun all die Recken sah, gegen die er im Zweikampf bestehen sollte, schwand seine Hoffnung, den Sieg auf normalem Wege zu erringen. So rief er wiederum die Mächte der Finsternis um Hilfe an. Er versprach dem Teufel die Seele seines Erstgeborenen, sofern er ihm zum Sieg verhülfe. Dieser war´s zufrieden und so wurde auch dieser Pakt gesiegelt und mit Blut unterzeichnet. So besiegte beim Turnier sehr zum Erstaunen der Zuschauer der schmächtigste aller Teilnehmer auch die größten und stärksten Recken und wurde am Ende des Tages feierlich zum Gewinner erklärt während die unterlegenen Gegner schmachvoll nach Hause zogen. Am nächsten Tag begab sich der Baron zum König, um die Einzelheiten der bevorstehenden Hochzeit zu besprechen. Die Gunst der Stunde nutzen wollend, huschte eine Dienstmagd in sein Gemach, kaum dass er es verlassen hatte, um das Nachtgeschirr zu leeren und auch sonst alles wieder passend herzurichten. Als sie sich daran machte die Betten ordentlich aufzuschütteln fand sie unter dem Kopfkissen den zwischen dem Teufel und dem Baron geschlossenen Pakt, den dieser in der Eile des Aufbruchs dort vergessen hatte. Flugs lief sie zum Thronsaal, knickste vor dem König und übergab den verräterischen Vertrag. Dem König stieg ob diesem nun offenbaren Betrug die Zornesröte ins Gesicht. Er erklärte den Turniersieg für nichtig, die Verlobung für gelöst und wies die Wachen an, den Betrüger außer Landes zu bringen. Diese
führten den Befehl des Königs umgehend aus und entließen den Baron erst an der Landesgrenze hoch oben auf dem Pass aus ihrem Gewahrsam. Um seinen schon so greifbar nahen Lohn gebracht sann der Baron auf Rache. Noch auf dem Passe stehend rief er wiederum die Mächte der Finsternis um Hilfe an. Da der Pakt nicht das gewünschte Ergebnis erbracht hatte erbat er, ersatzweise den Pass zu verfluchen. Er solle für Mensch und Tier unpassierbar bleiben, bis das die Prinzessin vermählt oder verstorben sei. Wohl wissend, dass für eine Königstochter eine bürgerliche Heirat undenkbar wäre und alle Adeligen das kleine Königreich nach dem Turnier verlassen hatten, dachte er, dieser Fluch würde immerwährende Isolation für das kleine Königreich bedeuten. Mit diesen Gedanken beschäftigt machte er sich auf den Rückweg zu seinem Schloss. Nun war also der Weg in das kleine Königreich hinein oder hinaus versperrt. Allein, die Bewohner nahmen dieses Los zunächst klaglos hin, weil sie selbst alles herstellen konnten, was sie zum Lebensunterhalt benötigten. Erst nach einiger Zeit kamen die ersten Klagen auf. Insbesondere der weibliche Teil der Bevölkerung vermisste die feinen Stoffe aus dem Nachbarland, aus denen man so schöne Kleider nähen konnte. Und auch die bei den Damen so beliebten Duftwässerchen gingen irgendwann zur Neige und im kleinen Königreich war niemand mit dem Geheimnis derer Herstellung vertraut. So wurde in Laufe der Zeit die Zahl der Rufer immer mehr, welche verlangten, dass der König etwas unternehmen sollte, um den Fluch von dem kleinen Königreich zu nehmen. Schließlich sei er auch dafür verantwortlich, weil er dem Baron die Hand seiner Tochter verweigert habe. Doch sosehr sich der König auch bemühte und sich den einen um den anderen Tag den Kopf zerbrach, es wollte ihm keine Lösung für das Problem einfallen. Zum Hofe des Königs gehörte auch ein Kämmerer, dem es oblag, über den Inhalt der Schatzkammer zu wachen und die Finanzen des Königreichs zu regeln. Er war bei der Bevölkerung gut angesehen und wohlgelitten, weil er bei der Besteuerung Augenmaß, Gerechtigkeit und, wo es angebracht war, auch Nachsicht zeigte. Er war auch von ordentlichem Wuchs und nicht auf den Mund gefallen. Das Wohlgefallen der Prinzessin hatte er erworben, weil er es verstand, von den Haushaltsmitteln für das Schloss nicht nur das Notwendige zu erwerben, sondern darüber hinaus auch Kleinigkeiten, die zur Verschönerung der Räume und zur Steigerung der Behaglichkeit dienten. Auch der Kämmerer wusste natürlich die offensichtlichen Vorzüge der Prinzessin zu schätzen, hätte aber ob seines bürgerlichen Standes niemals gewagt, ihr den Hof zu machen. Außerdem hatte er ein Gebrechen, das es ihm unmöglich machte sich länger in der Nähe der Prinzessin aufzuhalten: Er war allergisch auf Katzen. Und ihre Katzen waren der Prinzessin große Liebe. Sie war fast pausenlos von ihnen umgeben, an ihnen hing ihr Herz. Als die Prinzessin wieder einmal mit ihren Katzen spielte, kam ihr der Gedanke, wie das kleine Königreich zu retten sei. Sie eilte zu ihrem Vater, dem König, und unterbreitete ihre Idee. Er als König könne doch Leute in den Adelsstand erheben. Wenn er also zum Beispiel den Kämmerer zum Edelmann ernennen würde, könnte er um sie werben und sie könnten mit einer Heirat das kleine Königreich erlösen. Der König war von diesem Vorschlag sofort begeistert, gab aber die Sache mit der Katzenallergie zu bedenken. Müsse es denn unbedingt der Kämmerer sein? Doch die Prinzessin schlug diese Bedenken in den Wind. Der Kämmerer sei ihr von allen Leuten im Königreich am liebsten und so schlimm werde es mit der Katzenallergie schon nicht sein. Und so kam es, wie es die Prinzessin erdacht hatte: Der Kämmerer wurde ob seiner Verdienste um das Vermögen des kleinen Königreichs zum Edelmann erhoben. Er machte der Prinzessin eifrig den Hof und schon kurz danach wurde die Verlobung verkündigt. Und in
dem Augenblick, in dem sie sich in der Kirche das Jawort gaben, war der Fluch gelöst. Das kleine Königreich war wieder mit der Außenwelt verbunden und die Einwohner jubelten. Die Prinzessin und der Edelmann zogen in dessen Haus neben dem Schloss, während die Katzen der Prinzessin im Schloss zurückbleiben mussten, was ihr fast das Herz brach. Aber aus Liebe zu ihrem Gemahl nahm sie dieses Opfer auf sich. Nachdem einige Zeit vergangen war dachte sie jedoch bei sich: „So schlimm kann es mit einer Katzenallergie doch nicht sein. Ich werde nur eine Katze aus dem Schloss holen und sie von ihm fernhalten. Da kann doch nichts geschehen.“ Gesagt, getan. Die Prinzessin holte die kleinste der Katzen zu sich ins Haus und hatte Gesellschaft während der Kämmerer seinem Tagewerk nachging. Als der Kämmerer nach Hause kam, sperrte sie die Katze geschwind in ihren großen Kleiderschrank und eilte ihrem Liebsten zur Begrüßung entgegen. Noch während der Abendmahlzeit bekam der Kämmerer einen heftig juckenden Ausschlag am Arm und seine Augen wurden rot wie Kirschen. Als die Prinzessin das sah rührte sich ihr schlechtes Gewissen. Sie sagte zu sich selbst: „Ich Dummchen, natürlich hätte ich mich waschen und umziehen müssen, damit alles von der Katze von mir verschwunden ist.“ Dem Kämmerer jedoch erzählte sie, dass sie auf der Straße eine Katze getroffen und gestreichelt habe. Es täte ihr leid und würde nicht mehr vorkommen. Am nächsten Tag verlies der Kämmerer das Haus immer noch von Ausschlag und roten Augen gequält. Die Prinzessin aber befreite die Katze geschwind aus dem Schrank und spielte mit ihr. Diesmal jedoch musste die Katze bereits eine Stunde bevor der Kämmerer nach Hause zu kommen pflegte zurück in den Schrank. Die Prinzessin wusch danach sowohl die Wohnung als auch sich selbst und sie wechselte auch die Kleidung. Der Ausschlag des Kämmerers war am Tage fast verschwunden; auch das Weiße in den Augen war wieder zu sehen. Das Abendessen wurde eingenommen ohne das Anzeichen von Katzenallergie auftraten und die Prinzessin freute sich bereits, eine für beide befriedigende Lösung gefunden zu haben. Noch bevor sie jedoch zu Bett gingen, fing der Kämmerer an, sich wieder zu kratzen und als er am Morgen aufstand war der Ausschlag größer als je zuvor. Hinzu kam, außer den kirschroten und jetzt auch noch tränenden Augen, außerdem ein kräftiger Durchfall, der fast verhinderte, dass er das Haus verlies. Weil er jedoch an diesem Tage unaufschiebbare Geschäfte zu erledigen hatte ging er trotz aller Unpässlichkeiten. Die Prinzessin sah nun ein, dass die Katze doch wieder zurück ins Schloss musste. Nachdem sie dies erledigt hatte, verbrachte sie den Rest des Tages damit, das Haus vom Keller bis zum Boden gründlich zu reinigen und alle darin befindlichen Wäschestücke zu waschen. Als der Kämmerer nach Hause kam, war ihre Arbeit gerade beendet und sie fiel ihm erschöpft in die Arme, wobei sie etwas von „Frühjahrsputz“ erzählte. Bis zum nächsten Morgen waren alle Auswirkungen der Katzenallergie beim Kämmerer verschwunden. Er fühlte sich wieder wohl wie ein Fischlein im Wasser. Und so blieb es auch, weil die Prinzessin nunmehr die Nähe von Katzen mied. So richtig glücklich wurde sie damit jedoch nicht. Zu dieser Zeit trug es sich zu, dass in der Nachbargrafschaft ein Hofnarr in Lohn und Brot stand. Er erfüllte seinen Auftrag den Hofstaat zu unterhalten in einer Weise, dass alle damit glücklich und zufrieden waren. Nur der Narr war unzufrieden mit seiner Stellung. Seiner Meinung nach gebührte ihm ein Stand der um einiges höher war als der, der ihm zueigen war. Eines Tages nahm er seine Mahlzeit in der Küche des Schlosses ein während der Koch des Grafen das Mittagessen zubereitete. Er hatte alles für den Grafen bereits angerichtet als ihm auffiel, dass ihm Petersilie zur Dekoration abging. Also eilte er schnell in den Kräutergarten welche zu holen. Er versäumte jedoch nicht, den Narren ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass das Essen des Grafen keinesfalls angerührt werden dürfe, da es ausschließlich für ihn bestimmt sei. Kaum hatte der Koch die Küche verlassen kam dem Hofnarren der Gedanke, dass auch
ihm das Essen des Grafen, dessen Aroma durch die ganze Küche wehte, wohl vorzüglich munden würde. Außerdem sei es doch wohl nicht gerecht, dass dem Grafen die feinsten Leckereien serviert wurden während er, der Narr, nur mit gewöhnlichem Essen abgespeist wurde. Also begab er sich flugs zum Teller des Grafen, probierte hiervon und davon und saß schell wieder an seinem Platz, als er den Koch zurückkehren hörte. Der wollte schnell noch die Petersilie auf dem Teller verteilen als er direkt neben dem Fleisch eine Schelle bemerkte, die sich von der Kappe des Narren gelöst hatte und auf den Teller gefallen war. Nun fielen dem Koch auch die weiteren Spuren auf, die die Gabel des Narren hinterlassen hatte. Er vermeldete den Vorfall sofort dem Grafen, der den Hofnarren sofort aus seinen Diensten entließ und mit Schimpf und Schade davonjagte. Sein Weg führte den Narren über den Pass zwischen den Bergen direkt in das kleine Königreich und dort in die Hauptstadt. Die Pläne des Narren sahen aber nicht etwa vor, dass er sich bei Hofe wiederum als Hofnarr verdingen wollte. Dies hätte den Ansprüchen, die er an sein weiteres Leben stellen wollte, nicht genügt. So führte ihn sein Weg nicht etwa zum Schloss sondern er mietete sich nicht weit davon entfernt in ein leer stehendes Ladengeschäft ein und bot seine Dienste als Alleinunterhalter für alle Ansprüche an. Nun war die Nachfrage nach Alleinunterhaltern im kleinen Königreich nicht gerade üppig. Also verdiente der Narr seinen Lebensunterhalt indem er an den Markttagen auf dem Marktplatz die Leute erheiterte und Kunststücke vorführte. Da er zum einen gut aussah, zum anderen mit hervorragenden Redeeigenschaften gesegnet und auch keineswegs ungeschickt war, fiel es ihm nicht schwer, mit diesen Auftritten sein Auskommen zu finden, wenn es auch nicht gerade reichlich war. Da nicht täglich Markttag war hatte er auch genügend Zeit Pläne für sein weiteres Fortkommen zu schmieden. Hierbei kam er jedoch nie sehr weit, weil seine Fähigkeiten auf die Unterhaltung von Leuten zugeschnitten waren und dies, über die Marktauftritte hinaus, wenig gefragt war. Eines Tages ging auch die Prinzessin auf den Markt um Einkäufe zu erledigen. Sie fiel dem Narren ob ihres Aussehens und Auftretens sofort auf, kaum dass sie in seine Nähe gekommen war. Ihr hingegen fielen die Wortgewandtheit und die Geschicklichkeit des Narren auf und sie hielt im Einkaufen inne, um sich eine zeitlang unterhalten zu lassen. Nachdem sie genug des Kurzweils hatte, wandte Sie sich wieder ihren Einkäufen zu, jedoch nicht ohne eine großzügige Spende zurückzulassen. Kaum dass sie gegangen war erkundigte sich der Narr bei den Umstehenden wer sie sei und diese gaben ihm bereitwillig Auskunft. Nun bekamen die Pläne des Narren endlich einen Aufschwung. Er überlegte, wie er die Prinzessin wohl für sich gewinnen könne. Nachdem er jedoch zu wenig Kenntnisse über sie und ihre Lebensumstände besaß war es wohl vonnöten weitere Informationen einzuholen. Also packte er das das eingenommene Geld und begab sich ins nächste Wirtshaus. Dort suchte er mit anderen Gästen ins Gespräch zu kommen, was ihm Dank des einen oder anderen spendierten geistigen Getränks auch ohne Schwierigkeiten gelang. Überdies lockerte der Alkohol auch die Zungen, so dass er bald alles über die Beteiligung der Prinzessin sowohl an der Entstehung als auch der Beseitigung des Fluches wusste. Außerdem erfuhr er, wie der Kämmerer zum Edelmann geworden war und von der Vorliebe der Prinzessin für Katzen sowie von der Katzenallergie ihres Gatten. Wieder zuhause angekommen überlegte sich der Narr, dass, wenn es schon einer wie der Kämmerer mit Hilfe der Prinzessin zum Edelmann geschafft hatte, dies für ihn doch schon gar kein Problem sein könne. Er benötigte nur einen Einfall, wie er wohl die Aufmerksamkeit der Prinzessin erlange. Er benötigte nur kurze Zeit des Nachdenkens, bis er auf den Gedanken verfiel, dass Katzen der Schlüssel zum Erfolg sein könnten. Nur wie sollte er an Katzen gelangen, die er für seine Zwecke einsetzbar wären? Wie er gerade über seine Grübelei in Schlaf zu fallen drohte, hörte er plötzlich aus dem hinter seinem Laden vorbeifließenden Bach ein
jämmerliches Schreien. Als er aus der Hintertür sah, entdeckte er einen Sack, der langsam bachabwärts trieb und in dem sich etwas bewegte. Er griff sich eine lange Stange und fischte damit den Sack aus dem Bach. Als er ihn geöffnet hatte fiel sein Blick auf vier junge Kätzchen, die wohl jemand im Bach hatte ersäufen wollen. Drei von ihnen hatten, wenn auch sehr geschwächt, die Reise im Sack überlebt. Er nahm sie mit hinein und versorgte sie so, dass ihre fast erloschenen Lebensgeister wieder erwachten. Nun musste er nur ein paar Wochen warten, bis er die Kätzchen für seine Zwecke einsetzen konnte. Diese Zeit nutze er, um einerseits die Prinzessin bei seinen Auftritten auf dem Markt mit Kunststückchen und allerlei Possenspiel weiter zu beeindrucken. Andererseits suchte er Zugang zum Wesen des Kämmerers. Der Zufall wollte es, dass er diesen im Wirtshaus traf, wo der Kämmerer nach des Tages Arbeit bei einem Schoppen Wein Entspannung suchte, bevor er heimkehren wollte. Sie kamen ins Gespräch und der Narr erzählte dem Kämmerer, dass ihm an Tagen, an dem kein Markt sei, immer schreckliche Langeweile plage. Er würde gerne etwas sinnvolles, selbstverständlich ohne Entgelt, tun, wenn es nur dem Allgemeinwohl diene. Der Kämmerer dachte ein Weilchen nach. Dann bot er dem Narren an, doch die Einkäufe für die Armenküche zu übernehmen, weil die beiden Frauen, die diese ehrenamtlich betrieben, mit dem Kochen und der Ausgabe der Essen schon vollständig ausgelastet seien. Der Narr tat ob dieses Vorschlags hocherfreut und nahm an. Fortan tätigte er auch an jedem Nichtmarkttag die Einkäufe für die Armenküche. Von dem Geld, dass ihm der Kämmerer hierfür gab, zweigte er jedoch immer den zehnten Teil ab und legte ihn in einen Lederbeutel. Inzwischen waren die Kätzchen ein wenig herangewachsen. Der Narr nannte sie Maunzi-Kat, Fluffi-Kat und Kitti-Kat. Er brachte ihnen kleine Kunststückchen bei und nahm sie sodann zu seinem nächsten Marktauftritt mit. Das Publikum war von den süßen Kätzchen entzückt, am entzücktesten war jedoch die Prinzessin, die, wie inzwischen bei jedem Marktbesuch, auch beim Narren vorbeischaute. Als sie die Kätzchen sah, war ihr Herz verloren. Sie sah dem Auftritt des Narren an diesem Tage bis zum Ende zu, wobei die anderen Zuschauer immer weiter in den Hintergrund traten; der Narr erweckte den Eindruck, er spiele nur für die Prinzessin. Nun hatte sie an diesem Tag besonders viel eingekauft und als sie nach Ende des Auftritts ihre schweren Taschen aufnehmen wollte, trat der Narr schnell hinzu und sagte: „Warte, es ziemt sich nicht für eine Prinzessin so schwer zu tragen. Ich will dir gerne mit deinen Einkäufen nach Hause helfen, wenn du mir für die Zeit nur Maunzi-Kat, Fluffi-Kat und Kitti-Kat abnehmen würdest.“ Nur zu gerne sagte die Prinzessin hierzu ja. So nahm sie die Kätzchen und der Narr die schweren Taschen und gemeinsam traten sie den Weg an. Während sie so vor sich hin gingen und die Prinzessin die Kätzchen herzte, redete der Narr über Gott und die Welt, vergaß aber auch nicht, immer wieder kleine Komplimente einzustreuen. Nachdem sie am Haus der Prinzessin angekommen waren, wollte sie ihm schweren Herzens die Kätzchen zurückgeben. Er jedoch sagte: „Ich sehe doch, wie du an ihnen hängst. Und sie mögen dich auch, das sieht ein jeder. Nimm doch eine von ihnen als Geschenk von mir an, drei sind ohnehin zu viel für mich.“ Der Blick der Prinzessin fiel sofort auf Kitti-Kat, die noch ein wenig süßer war als die anderen beiden. Und Sie hatte schon fast zugegriffen, als sie sich an die Katzenallergie ihres Mannes erinnerte. So lehnte sie mit tiefstem Bedauern das Angebot des Narren ab. Dieser jedoch bot ihr an, ihn doch dann wenigstens immer nach seinen Auftritten zu begleiten und ein wenig mit den Kätzchen zu spielen. Dieses war ein Angebot, dem die Prinzessin nicht widerstehen konnte. So begleitete sie nunmehr an jedem Markttag den Narren und spielte mit den Kätzchen während dieser, in seiner Rede immer wieder geschickt Komplimente unterbringend, mit jedem Tag immer mehr von allgemeinen zu persönlicheren Themen wechselte. Und die Prinzessin schüttete ihm gerne ihr Herz aus. Durch die Öffnung des Passes nach der Beseitigung des
Fluches hatte der Handel im kleinen Königreich einen erheblichen Aufschwung erfahren. So musste der Kämmerer jeden Tag früher das Haus verlassen und kam abends immer später nach Hause, weil die Kontrolle der fahrenden Händler tagtäglich mehr Zeit in Anspruch nahm. Und wenn er dann endlich zurückgekehrt war, war gerade noch Zeit zum Essen, bevor ihn die Müdigkeit ins Bett trieb. So sah die Prinzessin ihren Gemahl immer seltener und hatte auch kaum noch Gelegenheit mit ihm mehr als ein paar Worte oder gar Zärtlichkeiten auszutauschen. In dem Narren hatte sie endlich wieder jemanden gefunden, der ihr darüber hinaus nicht nur zuhörte, sondern auch schöne Sachen sagte, die sie gerne hören wollte. Und letzteres fiel dem Narren nicht schwer, da er ja durch aufmerksames Zuhören um die Schwierigkeiten der Prinzessin, von ihren Vorlieben und Nöten genug erfahren hatte. Und weil er auch weiter nicht mit Komplimenten geizte und darüber hinaus neben seinen Auftritten auch viel Zeit für sie widmen konnte, war die Prinzessin ihm von Tag zu Tag mehr zugetan und sie dachte bei sich während sie Kitti-Kat streichelte: „Ach, warum habe ich nur so voreilig geheiratet. Hätte ich doch nur ein wenig länger gewartet, dann hätte ich doch einen viel besseren Mann gefunden, der genau so ist, wie ich ihn mir wünsche. Mit dem ich so gut reden kann, der immer Zeit für mich hat und der sogar Katzen zugetan ist.“ Der Narr war nun fast am Ziel seiner Wünsche angekommen. Er hatte die Prinzessin für sich gewonnen und nun musste nur noch der Kämmerer aus dem Weg geschafft werden. Denn eine Trennung kam für eine Prinzessin natürlich nicht in Frage. Also nahm der Narr eines nachts den Beutel, in dem er das beiseite gelegte Geld aus den Einkäufen für die Armenküche gesammelt hatte, und verschaffte sich leise Zutritt zum Haus des Kämmerers. Er schlich sich in die Küche während im Haus alles schlief. Dort suchte er ein loses Dielenbrett und, nachdem er es gefunden hatte, versteckte er den Beutel mit dem Geld darunter. Nun kehrte er flink nach Hause zurück, holte einen Eimer Farbe und begab sich zur Armenküche. Dort schrieb er im Schutz der Dunkelheit auf die Tür: „Der Kämmerer bestiehlt die ärmsten der Armen. Er bereichert sich am Geld für die Armenküche.“ Danach kehrte er in seinen Laden zurück und erwartete den nächsten Morgen. Schon früh am Morgen bildete sich vor der Armenküche ein Aufruhr. Alle Armen, die die Schrift auf der Tür lasen, waren über so ein niederträchtiges Verhalten über alle Maßen erbost. Jemand rief nach der Wache, die, nachdem auch sie die Schrift gelesen hatte, sofort dem König von dem Vorwurf berichtete. Dieser konnte die ungeheuerlich Anschuldigung kaum glauben. Um die Volksseele zu beruhigen musste er jedoch die Untersuchung des Hauses des Kämmerers befehlen. Und zur Überraschung des Königs wurde bei der Durchsuchung in der Küche unter einer losen Diele das unterschlagene Geld der Armenküche tatsächlich gefunden. Nun blieb dem König gar nichts anderes übrig, als den armen Kämmerer, der immer wieder seine Unschuld beteuerte, verhaften und ins Verlies werfen zu lassen. In Tränen aufgelöst eilte die Prinzessin zum Narren, um ihm von dem neuen Unglück, dass ihr widerfahren war, zu berichten. Der Narr frohlockte, denn der König konnte natürlich nicht dulden, dass seine Tochter einen Verbrecher zum Manne hatte. Er würde Die Ehe für ungültig erklären und der Weg wäre frei für den Narren, der sich jedoch zunächst darauf beschränkte, die Prinzessin ob des ihr geschehenen Unheils zu trösten, wozu die Kätzchen, allen voran Kitti- Kat, ihren Teil beitrugen. Doch trotz ihrer Bestürztheit war die Prinzessin nicht blind. Sie entdeckte unter den Fingernägeln des Narren Reste von roter Farbe. Und hatte sie die gleiche Farbe nicht an der Tür der Armenküche, an der sie ihr Weg zum Narren vorbei geführt hatte, gesehen? Sie bat den Narren, ihr einen Schluck frisches, kühles Wasser vom Brunnen zu holen, damit sie sich erfrischen könne. Nachdem sie ihn unter diesem Vorwand aus dem Haus geschickt hatte, machte
sie sich geschwind daran, nach der Farbe zu suchen. Und neben der Hintertür wurde sie fündig: Da stand ein Eimer mit roter Farbe und darauf lag sogar der noch feuchte Pinsel. Mit der Farbe und dem Pinsel in der Hand verlies sie das Haus durch die Hintertür während der Narr es von vorne betrat. Sie begab sich stehenden Fußes zu ihrem Vater und zeigte ihm Farbe und Pinsel. Wer sollte die Aufschrift an der Tür der Armenküche angebracht haben als jemand, der selbst an der Sache beteiligt war? Der König war zwar noch nicht völlig von der Unschuld des Kämmerers überzeugt, doch er befahl, den Fall noch mal genauestens zu untersuchen. Und als der Geldbeutel, der im Hause des Kämmerers gefunden worden war, nochmals genau geprüft wurde fand man zwischen den Münzen eine kleine Schelle, so wie sie Narren an der Kappe tragen. So war die Sache nunmehr klar: Der Narr hatte das Vertrauen des Kämmerers, der ihn mit den Einkäufen für die Armenküche betraut hatte, missbraucht um selbst das Geld zu unterschlagen um es dann wiederum dem Kämmerer unterzuschieben. Natürlich wurde der Kämmerer sofort wieder auf freien Fuß gesetzt. Statt seiner wurde der Narr verhaftet und ins Verlies geworfen. Ein paar Tage später wurde ihm der Prozess gemacht und er wurde ob seines Verrats dazu verurteilt, geteert und gefedert die Stadt und das Königreich zu verlassen. Das Urteil wurde auch sofort vollstreckt und der Narr derart geschmückt auf dem Pass ausgesetzt. Doch bevor er sich auf den Weg in die nächste Stadt machte, kehrte der Narr im Schutz der Nacht noch einmal zurück. Er suchte seinen Laden auf und nahm Maunzi-Kat, Fluffi-Kat und Kitti-Kat mit sich. Sie hatten ihm schon einmal gute Dienste geleistet. Vielleicht würden sie sich ja erneut als hilfreich erweisen? Dann verschwand er in der Dunkelheit und ward im kleinen Königreich niemals wieder gesehen. Die Prinzessin und der Kämmerer aber lagen sich glücklich in den Armen. Der König, der ein wenig zerknirscht darüber war, dass er fast von einem Narren hereingelegt worden war, stellte eine neue Hilfskraft ein, die den Kämmerer bei seiner Arbeit unterstützen sollte. So hatte dieser wieder mehr Zeit für seine Prinzessin und ihre Liebe erstrahlte in neuem Glanz. Und so lebten sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Nur Katzen blieben im Haus des Kämmerers tabu. Copyright Harwo, den 18.08.2009
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