Die Reform der Zuckermarktordnung - Auswirkungen innerhalb und außerhalb Europas - Tanja Dräger de Teran Osnabrück, den 19.09.06 - WWF Deutschland
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Die Reform der Zuckermarktordnung – Auswirkungen innerhalb und außerhalb Europas Tanja Dräger de Teran Osnabrück, den 19.09.06
EU-Zuckermarktordnung Gliederung • Kurze Einordnung • Die neue Zuckermarktordnung – ihre Instrumente und Stand der Umsetzung • Auswirkungen in Europa • Auswirkungen auf Entwicklungsländer • Der WTO-Schiedsspruch und seine Umsetzung • Unkontrollierbare Exporte? • Einiges zur Umwelt
Kurzer Rückblick Die „alte“ Zuckermarktordnung • Produktionsquoten unterteilt in A-, B- und C-Quoten – A-Quote: Versorgung der Binnennachfrage, garantierter Abnahmepreis (drei mal höher als Weltmarktpreis) – B-Quote: Versorgung in schlechten Erntejahren, Überschuss mit Exporterstattungen exportiert – C-Quote: Überschusszucker, ohne Exporterstattungen exportiert • Interventionspreis für Zucker (63-64 Euro/dt) • Hoher Zollschutz • Exporterstattungen • Handelspräferenzen mit bestimmten Ländern • Reexport von AKP-Zucker
Warum eine „neue“ ZMO? Gründe für die Reformen • Die „alte“ ZMO lief im Juni 2006 aus – seit 1968 unverändert in Kraft • ZMO war nicht konform mit internationalen Handelsregeln – Schiedsurteil der Welthandelsorganisation (WTO) im Mai 2005 Verabschiedung der „neuen“ ZMO nach jahrelangen kontroversen Debatten am 20. Februar 2006 ZMO trat im Juli 2006 in Kraft
Die neue ZMO Ziele Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Zuckersektors Vereinbarkeit der Zuckermarktordnung mit Reformprozessen der EU-Agrarpolitik • Entkoppelung und Betriebsprämienregelung • Cross-Compliance Schaffung langfristiger Rahmenbedingungen • bis 2013 keine Überprüfung Erreichung eines Marktgleichgewichts in Bezug auf die EU- Erzeugung und die internationalen WTO-Verpflichtungen (Produktion und Absatz).
Senkung der Preise 2006/07 2007/08 2008/09 2009/10 ab 2011 €/t €/t €/t €/t €/t Konsumenten 631,9 631.9 541.5 404.4 404.4 Produzenten 505.5 458.1 410.7 404.4 404.4 Rohzucker 496.8 496.8 448.8 335.2 335.2 Rübenpreis 32.86 29.78 27.83 26,29 26,29 Preissenkungseffekt bei 0% 0% 17,1 % 36 % 36 % Verbrauchern Preissenkungseffekt bei 5% 5% 17.1 % 36 % 36 % Rohrzucker (Rohzucker) Preissenkungseffekt bei 20 % 27.5 % 35 % 39 % 39 % europ. Erzeugern
Neugestaltung der Quoten Regelung • Zusammenfassung der A- und B-Quoten • Abschaffung der C-Quote • Kaufoption: 1,1 Mio. t zusätzliche Quoten (730 €/t) Umsetzung • 21 EU-Mitgliedsstaaten haben Kaufoptionen erhalten • Spitzenplätze: Frankreich 351 695 t, Deutschland 238 560 t und Polen 100 551 t • Deutschland hat Quote bereits zur Ernte 2006 voll ausgeschöpft, ebenso Polen und Frankreich • Erheblicher Anstieg der Quotenzuckermenge
Neugestaltung der Quoten Problem der Überschüsse • Mit Inkrafttreten der Reform – Einmalige Quotenkürzung von 2,5 Mio. t (2006/07) • Notwendig durch: – enorm hohe Überschüsse – Exportbeschränkungen auf Grund des WTO-Urteils Trotz Quotenkürzung lagen Interventionsbestände noch Anfang August 2006 bei 1,2 Millionen t. Schätzungen gehen von einer Markbelastung von bis zu 600 000 t für 2007 aus.
Ausgleichszahlungen Regelung • Ausgleichszahlungen für europäische Rübenanbauer in Höhe von 64,2 % • Von der Produktion entkoppelte Zahlungen • Zusätzliche Option: Energiepflanzenprämie: 45 €/ha – Produktion von Rüben für Biokraftstoffen Finanzierung der Ausgleichszahlungen Mittel der bisherigen Exportsubventionen AKP-Staaten und LDC bekommen keinerlei Ausgleichszahlungen
Die Umstrukturierungshilfe Regelung • Rückgabe der Quoten: Zuckerfabriken erhalten Zahlungen, gebunden an bestimmte Auflagen (z.B. Umweltsanierung) Um strukturierungsfonds €/t 800 730 730 700 625 600 520 500 400 300 174 200 126 113 100 0 0 2006/07 2007/08 2008/09 2009/10 Abgabe Beihilfe Finanzierung des Umstrukturierungsfonds: Abgabe pro Tonne produzierten Weißzucker (Zuckerfabriken)
Die Umstrukturierungshilfe Wie viele Quoten wurden bereits zurückgegeben? • 2006: 1,1 Mio. t Quoten: Beispiel: – Italien (780.000 t), Irland (200 000t), Zuckerfabrik mit Spanien (100.000 t), Portugal (35.000 t). Jahresproduktion von • Höchstsatz der Restrukturierungsprämie 150.000 t – Rückgabe – Noch bis 31. 1. 2007 der Quoten - Erhalt – weitere Rückgabe in Höhe von 110 Mio. € von 1-1,2 Mio. t erwartet – Finnland, Griechenland, Italien, Litauen, Lettland, Schweden, Spanien und die Slowakei Die AKP-Staaten werden im Rahmen von nationalen Aktionsplänen bis 2013 unterstützt. Für LDC gibt es keinerlei Unterstützung
Auswirkungen in Europa Einkommen der Landwirte • Einkommen der Rübenanbauer wird sinken – in Deutschland ca. 6-7% Strukturwandel in der Zuckerindustrie • Verstärkte Konzentrationsprozesse erwartet. Zahl der Zuckerfabriken sank in Deutschland von 79 auf 28 seit 1990. Die Zuckerverarbeitende Industrie • Erwartet niedrigere Rohstoffkosten und damit bessere Chancen als Anbieter auf dem Weltmarkt • Rückgang der Beschäftigung in der Zuckerindustrie durch Zuwachs bei der zuckerverarbeitenden Industrie kompensiert (40x mehr Beschäftigte)
Auswirkungen in Europa Ländliche Regionen • Geringe Arbeitsplatzverluste unter den Rübenanbauern – Zuckerrübenbetriebe machen nur 4% der Betriebe aus – Rübenanbauer finanziell besser ausgestattet als der Durchschnitt der Landwirte Verbraucherpreise • Preissenkung beim Haushaltszucker erwartet – jährliche Entlastung von 1,80 € pro Person – 148 Mio. € in Deutschland und 900 Mio. € für die EU • Ärmere Haushalte profitieren am meisten • Preissenkung für zuckerhaltige Produkte strittig – Meiste Zucker (80 %) wird in verarbeiteter Form konsumiert
Rüben und Umwelt Rüben und Umwelt • Rübenanbau hat sich aus ökologischer Sicht verbessert • Rückgang des Einsatzes von Pestiziden • Geringe Anwendung von Stickstoff • Bleibende Probleme sind – Bodenverdichtung – Bodenerosion Jedes Jahr gehen drei Millionen Tonnen Boden durch Bodenerosion sowie durch den Bodenabtrag durch die Ernte in Europa verloren
Cross-Compliance Obligatorisch 19 Entkoppelte und Start: 2005 Verordnungen gekoppelte Zahlungen /Richtlinien der EU Gesamter Cross- Umweltschutz Betrieb Compliance Lebensmittelsicherheit Futtermittelsicherheit tierische Gesundheit Tierschutz Kürzung der Zahlungen bei Nichteinhaltung Mindeststandards: Guter landwirtschaftlicher und ökologischer Zustand
Cross-Compliance Umsetzung • Grundanforderungen der 19 europäischen Richtlinien – betreffen den Rübenanbau nur sehr indirekt und adressieren nicht die Problemfelder Bodenerosion und Bodenverdichtung • Gute landwirtschaftliche und ökologische Zustand – Bodenerosion und –verdichtung sind ein wichtiger Bestandteil der Anforderungen Umsetzung in Deutschland • Bodenerosion – 40% der Flächen eines Betriebes muss in der Zeit zwischen dem 1. Dezember und dem 15. Februar bedeckt sein • Bodenstruktur – keine Regelungen
Cross-Compliance Kritik • Landwirte müssen vorwiegend bestehende Gesetze einhalten. • Nur wenige Mitgliedstaaten haben anspruchsvolle Standards formuliert, die über die gute landwirtschaftliche Praxis hinausgehen. Positive Anmerkungen • verstärkte Anwendung von Umweltstandards – Häufigere Kontrollen – Strafmaße können höher ausfallen als bisher
Auswirkungen in Entwicklungsländern AKP-Zuckerprotokollländer • Senkung des Rohrzuckerpreises ab 2008: 495,80 €/t 448,80 335,20 €/t (Preisverfall von 36 %) Auswirkung der Preissenkungen Einige AKP-Lieferanten können nicht mehr liefern, zu hohe Produktionskosten Quoten müssen an die restlichen AKP- Zuckerprotokollländer umverteilt werden (21 Länder) Niedrigkostenproduzenten profitieren - sie verlieren am Preis, aber gewinnen entscheidend an Menge Erhöhung der entwicklungspolitischen Effizienz des Zuckerprotokolls
Auswirkungen in Entwicklungsländern Welche AKP-Staaten werden in die EU exportieren? • AKP-Staaten, die aus Kostengründen ausscheiden: – Mauritius, Madagaskar, Kenia, Elfenbeinküste, VR Kongo, Karibik, Lateinamerika – Zusammen: 741.296 t Quote • AKP-Staaten, die aufgrund der EBA-Iniative Quoten abgeben: – Malawi, Mosambik, Sambia, Tansania – Zusammen: 44.098 t Quote • AKP-Staaten, die weiterhin liefern: – Simbabwe, Swasiland, Fidschi, Belize, Guayana – Zusammen: ca. 1,3 Mio. t Quoten
Auswirkungen in Entwicklungsländern AKP-Verlierer • Rückgang der Deviseneinnahmen • Gravierende soziale Probleme in stark von der Zuckerwirtschaft abhängigen Ländern • Besonders betroffen: Saisonarbeiter, Kleinbauern • Folgen für Umwelt noch nicht abzuschätzen • Nationale Aktionspläne der Europäischen Kommission sollen Folgen abzumildern – finanzielle Mittel jedoch nicht ausreichend
WTO-Schiedsspruch Exporte der EU Exportsubventionen der EU Mio.t Mio.€ 6 3000 5 C-Zucker 2500 4 2,7 2000 1404 3 AKP-Zucker 1500 2 1,6 1000 WTO 833 1 B-Zucker WTO 500 0,9 468 0 0 Eindeutige Quersubventionierung: Zusammenhang zwischen hohen Preis für A- und B-Zucker und C-Zuckerexporten AKP-Zucker muss berücksichtigt werden WTO: Menge 1.273.500 t, Exportsubventionshöhe 499,1 Mio. €
WTO-Schiedsspruch Instrumente zur Reduzierung der Exportmenge • Preissenkung – weniger Importe aus hochpreisigen Entwicklungsländern – Rückgang marginaler Produktionsstandorte • Rauskaufaktion – Finanzierung des Aufkaufs von Quoten gewährleistet • Marktentnahme durch vorübergehende Quotenkürzung • Verbot des staatenübergreifenden Quotenhandels – Verlagerung an günstige Standorte nicht möglich • Förderung von Biokraftstoff – Umstieg auf Bioethanolproduktion bringt Marktentlastung bei Zucker
WTO-Schiedsspruch Werden die Exporte reduziert? • Schätzungen: Reduktion der Zuckererzeugung von 20 Mio. t auf 13 – 15 Mio. t • Jedoch: zulässige Menge von 1,3 Mio. t subventionierter Exporte nicht in Frage gestellt - EU nicht zum Verzicht auf Exportsubventionen bereit Süßwarenindustrie • Erhöhte Exporte für die Süßwarenindustrie erwartet – Exporterstattungen bleiben (415 Mio. € laut WTO-Vertrag) • Jedoch: durch Senkung der Binnenpreise können wesentlich mehr Süßwaren subventioniert exportiert werden • Dumping wird in diesem Bereich zunehmen
Unkontrollierbare Exporte? Bedeutung der Zölle • Hoher Zollschutz vor und nach der Reform Zollschutz vor der Reform • Einfuhrkosten für Rohzucker setzen sich zusammen: – Zollsatz von 419 €/t – Einfuhrpreis von 216 €/t – Zusatzzoll von 108 €/t Zollschutz nach der Reform • Trotz Preissenkung um 36% Zuckerpreis rund 40 % über dem langfristigem Durchschnitt des Weltmarktpreises (rd. 220 €/t Weißzucker) • Zollschutz weiterhin notwendig • Protektionsgrad von mindestens 100 %.
Unkontrollierbare Exporte? Beispiel Brasilien als größter Konkurrent • Zollsätze von 178 % bis 244 % - je nach Verarbeitungsgrad • Pro Tonne Rohzucker (Wert 216 €) Gesamtzoll in Höhe von 527 € (2005) • Auch der billigste Weltmarktzucker kann mit Hilfe eines solchen Zolls nicht den einheimischen Zucker unterbieten
Unkontrollierbare Exporte? Handelspräferenzen • Importmengen aus Handelspräferenzen bleiben gleich, werden aber innerhalb der lieferberechtigten Länder stark umverteilt (AKP-Staaten) • Importmengen aus LDC-Ländern werden wegen der EBA- Initiative stark ansteigen. Schätzungen belaufen sich auf 1,5 Mio. t bis 2,2 Mio. t • Alle Importe werden wegen der Preissenkung Einkommensverluste erleiden (sog. Präferenzerosion) • Profitieren werden die kostengünstig produzierende Länder mit Präferenzen zum EU-Zuckermarkt
Danke Schön!
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