Preissignale für Kraftwerksinvestitionen - Energy-only- vs. Kapazitätsmarkt
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Acht Thesen zum Strommarktdesign: Preissignale für Kraftwerksinvestitionen – Energy-only- vs. Kapazitätsmarkt Lion Hirth a,b,c & Falko Ueckerdt c a neon neue energieökonomik gmbh b Mercator Research Institute for Global Commons and Climate Change c Potsdam-Institute for Climate Impact Research IEWT Wien | 11 Feb 2015 | hirth@neon-energie.de
Erlöse decken Kapitalkosten nicht Grundlastkraftwerke Mittellastkraftwerke Source: own estimate, based on data from EEX, EPEX-Spot, Argus Woher kommen effiziente Preissignale für Kraftwerksinvestitionen? Lion Hirth 3
EOM vs. CRM – „Marktdesign“ ist mehr “Energy-only market” (EOM) vs. “capacity remuneration mechanism” (CRM) / “capacity market” • „Kapazitätsmarkt“: jede kapazitätsbasierte Zahlung, die staatlich implementiert ist • Frage der Versorgungssicherheit (generation adequacy) „Marktdesign“ ist mehr • Produktdefinitionen und gate closure an der Börse • lokale Preissignale • Allokationsmechanismen für Interkonnektoren-Kapazität • Regelleistungs-Auktionsdesign • ... Lion Hirth 4
Unser Ziel • Die politische Diskussion zu Marktdesign (in Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Brüssel) scheint von der wissenschaftlichen Diskussion losgelöst zu sein • Synthese der energiewirtschaftlichen Forschung • Kein neues Model, kein neues Argument, kein vollständiger wissenschaftlicher Literaturüberblick • Zielgruppe: Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft In der Form von acht (provokanten) Thesen Lion Hirth 5
Teil I Warum (und wie) der energy-only-Markt funktioniert Lion Hirth 6
1. Energy-only-Märkte mit Knappheitspreisen bieten Anreize für ausreichend Investitionen. • Manche fürchten, „energy-only-Märkte können keine Investitionsanreize für ‚die letzte Gasturbine‘ bieten, da der Preis immer gleich variable Kosten ist“ • Tatsächlich: wenn Kapazität knapp wird, steigt der Preis über die variablen Kosten: „Knappheitspreise“. • Kapazität hat im EOM einen Preis – wenn sie knapp ist. • Präziserer Name: “energy-only-Markt mit Knappheitspreisen” Es ist ein Mythos, dass der EOM Kapazität keinen Wert beimisst. Formal: Boiteux 1951, Steiner 1957, Crew et al. 1995 Lion Hirth 7
2. Dies gilt unter einer Reihe von Annahmen. • (perfekt) preis-unelastische Nachfrage • (hoher) Anteil variabler Erneuerbarer • (hoher) Anteil von Erzeugung mit Null oder niedrigen Grenzkosten • Unsicherheit über die zukünftige Höhe der Nachfrage Es ist ein Mythos, dass der EOM nicht mit hohen Anteilen von Wind- und Solarenergie funktioniert. Lion Hirth 8
3. Knappheitspreise setzen Investoren Unsicherheit aus. Das ist gut. • Die zukünftige Spitzenlast ist unsicher • Also sind Knappheitspreise unsicher • Manche fürchten, dies mache Investitionsanreize zunichte. (“I don’t know a single utility that would invest based on uncertain scarcity prices”) • Aber: dieses Risiko entsteht nicht durch das Marktdesign, sondern ist eine fundamentale Eigenschaft der Realität • Marktakteure (Konsumenten und Produzenten) sollten dieses Risiko tragen – nicht der Staat. Es ist ein Mythos, dass Marktrisiken etwas schlechtes sind. Lion Hirth 9
4. Wenn Kapazität knapp wird, wird Last abgeworfen. Lastabwurf ist kein Blackout. • Ein “Blackout” ist ein großräumiger, kaskadierender Zusammenbruch des Übertragungsnetzes • Manche fürchten, Kapazitätsengpässe würden zum Blackout führen • Tatsächlich: zweite day-ahead-Auktion, intra-day-Märkte, Regelleistung, Lastabwurf von einzelnen Verteilnetzen („Brownout“), ... Es ist ein Mythos, dass ein Kapazitätsengpass zum Blackout führt. Lion Hirth 10
Teil II Probleme von energy-only-Märkten Lion Hirth 11
5. Energy-only-Märkte unterliegen politischem Risiko. • Knappheitpreise können nur funktionieren, wenn es sie gibt. • Die Politik kann (implizite) Preisobergrenzen implementieren • Zum Beispiel durch Verhinderung von Marktaustritt (wie in Deutschland) • Erst-beste Lösung: politische Selbstbindung (commitment) zur Abstinenz von Markteingriffen • Kapazitätsmärkte unterliegen möglicherweise noch mehr dem Risiko politischer Eingriffe Es ist richtig, dass der EOM politischen Risiken unterliegt – aber ein Kapazitätsmarkt scheint nicht die richtige Antwort zu sein. Lion Hirth 12
6. Während Knappheitspreisen besteht die Gefahr von Marktmachtmissbrauch. • In Knappheitssituationen ist es schwierig, (wettbewerbliche) Knappheitspreise von Marktmachtmissbrauch zu unterscheiden • Und gerade dann ist a) der Anreiz und b) die Möglichkeit dafür besonders groß • Allerdings: die Möglichkeit von Markteintritt sorgt dafür, dass Marktmachtmissbrauch inkonsistent mit dem langfristigen Gleichgewicht ist • Sorgfältige Wettbewerbspolitik hilft (Hogan 2005) Vielleicht das relevanteste Argument gegen den EOM. Lion Hirth 13
Teil III Anmerkungen zur aktuellen Debatte in Europa Lion Hirth 14
7. Das niedrige Preisniveau ist ein Zeichen, dass der Markt funktioniert – keines von Marktversagen. • Der Grund für das niedrige Preisniveau ist, dass kein Mangel an Kapazität herrscht • Natürliche Marktreaktion nach einem (multiplen) Schock • Rezession • über-optimistische Investitionen 2007-09 • market coupling • Erneuerbaren-Ausbau • Es ist einigermaßen absurd aus niedrigen Preisen abzuleiten, dass zusätzliche Investitionsanreize von Nöten sind. Niedrige Preise sind eine normale Reaktion – kein Zeichen von dysfunktionalem Marktdesign. Lion Hirth 15
8. Kapazitätsknappheit in Deutschland ist ein lokales Problem. • Im österreich-deutschen Marktgebiet herrscht kein Mangel an Erzeugungskapazität • Möglicherweise aber in Südwest-Deutschland • Logischerweise kann ein Marktdesign, dass keine lokalen Preissignale bereitstellt, keine lokalen Knappheitssituationen lösen. • Das löst auch ein Kapazitätsmarkt nicht • Zwei Lösungen: Ausbau des Übertragungsnetzes – oder lokale Preissignale Lokale Knappheit hat nichts mit der EOM vs. CRM-Debatte zu tun. Lion Hirth 16
Zusammenfassung 1. “Energy-only-Märkte messen Kapazität keinen Wert zu” 2. “Energy-only-Märkte funktionieren nicht mit hohen Erneuerbaren-Anteilen” 3. “Energy-only-Märkte funktionieren nicht unter Unsicherheit” 4. “Wenn Energy-only-Märkte nicht räumen, kommt es zum Blackout” 5. Politisches Risiko Selbstbindung (policy commitment) 6. Marktmachtmissbrauch Sorgfältige Wettbewerbspolitik 7. Das niedrige Preisniveau zeigt, dass der Markt funktioniert 8. In Deutschland ist das Problem lokale Knappheit Lion Hirth 17
Strategische Interessen? • Liegen hinter den geäußerten Befürchtungen über Versorgungssicherheit andere Interessen? • Kraftwerksbesitzer: Rent-seeking? (Kruger 1973) • Umweltschützer: Flankierung des Atom- und Kohle-Ausstiegs durch Überkapazitäten? • Regierung: Den Strommix direkt selbst mitgestalten? ... allerdings scheint ein Kapazitätsmarkt in Deutschland zunehmend unwahrscheinlich ... Lion Hirth 18
„das Gegenteil von vernünftiger Energiepolitik“ Lion Hirth 19
Teil IV Design-Prinzipien für einen Energiemarkt + Reserve Lion Hirth 20
Design-Prinzipien für einen robusten Energiemarkt • glaubwürdiges Bekenntnis der Politik zu Preisspitzen • Marktmachtüberwachung und –regulierung, die Knappheitspreise als legitim anerkennt • niedrige Markteintrittsbarrieren Lion Hirth 21
Oberstes Prinzip für den Kapazitätsmarkt: Nicht-Beeinträchtigung des Energiemarktes • Die Einführung eines Kapazitätsmarktes kann diverse unvorhergesehene Nebenwirkungen haben • Wenn, dann mit so wenig Beeinträchtigung des Strommarktes wie möglich • „Notreserve“, die nur eingesetzt wird, wenn der Spotmarkt nicht geräumt wird • Aber: wenn die Reserve einmal da ist, will sie die Politik auch einsetzen – das bekannte Problem der Selbstbindung oder Zeitinkonsistenz Nicht trivial! Lernen von der Geldpolitik... Lion Hirth 22
Eine „Kapazitäts-Zentralbank“ 1. Ökonomisch und rechtlich unabhängige Institution • ähnlich einer Zentralbank • unabhängig von der Regierung, den ÜNB, der Börse, den Marktakteuren – aber auch vom Regulator • Aufgaben: Dimensionierung, Beschaffung, Einsatz der Reserve 2. Ein einziges Kriterium für Dimensionierung und Beschaffung • Dimensionierung: a priori definiertes Ziel an Versorgungssicherheit • Beschaffung: nur basierend auf dem Preis • keine Sekundärziele wie Dekarbonisierung, Arbeitsplätze, landespolitische Befindlichkeiten, ... 3. Regelbasierter Einsatz • nur wenn, trotz sehr hohem Preis (z.B. 10.000 €/MWh), weder day-ahead noch intra-day Markt geräumt werden Lion Hirth 23
Acht Thesen zum Strommarktdesign: Preissignale für Kraftwerksinvestitionen – Energy-only- vs. Kapazitätsmarkt hirth@neon-energie.de
7. If investors are risk-averse, EOM prices can be too high. • If a number of conditions coincide, energy-only markets can cause underinvestment in generation capacity • investors are more risk-averse than society • peak demand is uncertain • demand is very price-inelastic • Consequence: higher or more frequent scarcity prices • Prices would be inefficiently high. Markets would still clear, no blackouts would occur. Lion Hirth 25
10. Demand elasticity is unknown. • More elastic demand would easy the problems of energy-only markets. • Industrial loads (40% of German demand, of which half is in energy- intensive industry) might be quite elastic at high prices. • Empirical question • Since 2001, only three hours with price above 1000 €/MWh Lion Hirth 26
Sie können auch lesen