MINT-Frühjahrsreport 2019: MINT und Innovationen - Erfolge und Handlungsbedarfe - Institut der deutschen Wirtschaft
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Pressekonferenz, 22. Mai 2019, Berlin MINT-Frühjahrsreport 2019: MINT und Innovationen – Erfolge und Handlungsbedarfe Statement Prof. Dr. Axel Plünnecke Leiter des Kompetenzfeldes Bildung, Zuwanderung und Innovation Institut der deutschen Wirtschaft Köln Es gilt das gesprochene Wort.
1. EU – Forschung und MINT stärken Forschungsstarke Länder wie Südkorea (4,6 Prozent des BIP für FuE) oder Japan (3,2 Prozent) sind im internationalen Vergleich auch stark bei der MINT-Bildung, haben relativ zur Bevölkerung viele MINT-Hochschulabsolventen und hohe PISA-Kompetenzwerte der Schülerinnen und Schüler in Mathematik und Naturwissenschaften. Die EU erreicht lediglich FuE-Ausgaben in Höhe von 2,0 Prozent des BIP und liegt damit weit unter dem eigenen Lissabon-Ziel von 3,0 Prozent. Auch erreichen die Schulen in der EU nur unterdurchschnittliche PISA-Ergebnisse in MINT. China übertrifft mit FuE-Ausgaben in Höhe von 2,1 Prozent des BIP sogar bereits heute die EU und liegt bei den Schulen im Bereich MINT weit vorn. Die EU sollte an ihrem 3,0- Prozentziel festhalten, die Forschungsförderung und -anreize stark ausbauen und die MINT-Bildung stärker fördern. In diesem Rahmen ist positiv zu bewerten, dass sich die Bundesregierung zum 3,5 Prozent-Ziel für Deutschland bekennt und eine steuerliche FuE-Förderung einführen möchte. Deutschland ist derzeit noch innovationsstark, hat aber unter anderem Nachholbedarf bei der Digitalisierung. Das zeigt ein internationaler Vergleich der angemeldeten Digitalisierungspatente. Sorge bereiten darüber hinaus die bestehenden MINT-Engpässe am Arbeitsmarkt. Allein die Umsetzung des 3,5-Prozent-Ziels bedeutet einen zusätzlichen Bedarf an 220.000 MINT-Kräften. Pressestatement, 22.05.2019: „MINT-Frühjahrsreport 2019“ 2
2. MINT-Lücke weiterhin hoch Ende April 2019 waren in den MINT-Berufen insgesamt 478.300 Stellen zu besetzen. Im Vergleich zum April 2018 nahm damit die Anzahl der offenen Stellen in technisch- naturwissenschaftlichen Berufen insgesamt leicht um 8.300 ab und erreicht den zweithöchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2011. Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit in den MINT-Berufen im Vergleich zum Vorjahr in sämtlichen Berufsgruppen gesunken und lag bei insgesamt 168.645 Personen – ein Minus von rund 6.300 gegenüber dem Vorjahr. Dies ist der bisher niedrigste Stand in einem April. Unter Berücksichtigung des qualifikatorischen Mismatches fehlten Ende April in allen 36 MINT-Berufskategorien insgesamt 311.300 Fachkräfte. Die Lücke hat damit knapp unter dem Vorjahreswert den zweithöchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen erreicht. 3. Rekordengpass in IT In den zurückliegenden Jahren hat sich die Struktur der MINT-Lücke verändert. Vor allem IT-Kräfte werden aufgrund der Digitalisierung immer dringender gebraucht. Hier hat sich die Lücke in den vergangenen fünf Jahren von 19.000 im April 2014 auf 59.000 im April 2019 mehr als verdreifacht – Rekordwert und in der Tendenz stark steigend. Pressestatement, 22.05.2019: „MINT-Frühjahrsreport 2019“ 3
4. Zuwanderung ermöglicht Wachstum Die Engpässe würden jedoch noch deutlich größer ausfallen, wenn nicht immer mehr ausländische Fachkräfte für Entlastung sorgen würden. Die Beschäftigungsdynamik ausländischer MINT-Arbeitskräfte lag im Vergleich zu ihren deutschen Pendants in sämtlichen MINT-Berufen seit Ende 2012 um ein Vielfaches höher. Ohne diesen starken Anstieg wäre die Lücke heute nochmal um rund 209.300 Fachkräfte höher. Insgesamt würden dann bereits deutlich über 500.000 MINT-Kräfte hierzulande fehlen. Vor allem in akademischen MINT-Berufen hat die Zuwanderung stark zur Fachkräftesicherung beigetragen – die Lücke in den akademischen MINT-Berufen ist seit Ende 2012 dadurch nur langsam gestiegen. Positive Effekte zeigt die Zuwanderung auch im Bereich der Forschung. Auswertungen der IW-Patentdatenbank zeigen, dass der Anteil der Erfinder mit ausländischen Wurzeln an allen Erfindern bei Patentanmeldungen (gemessen in Vollpatentäquivalenten) von 6,1 Prozent im Jahr 2005 auf 9,4 Prozent im Jahr 2016 gestiegen ist. Besonders hoch war die Dynamik unter Asiaten. Pressestatement, 22.05.2019: „MINT-Frühjahrsreport 2019“ 4
5. Indien – erste Erfolge der qualifizierten Zuwanderung aus Drittstaaten Aus strategischer Sicht ist es wichtig, MINT-Kräfte aus demografiestarken Drittstaaten – also Ländern außerhalb von EU und EWR – für das Leben und Arbeiten in Deutschland zu gewinnen. Seit 2012 richtet sich beispielsweise das Portal „Make-it-in-Germany“ vor allem gezielt an MINT-Akademiker aus Staaten wie Indien. Die Beschäftigung von Ausländern außerhalb der EU – ohne Hauptherkunftsländer der Geflüchteten – in akademischen MINT-Berufen hat zwischen Ende 2012 und Ende September 2018 von 30.300 auf rund 65.500 zugenommen. Ein Anstieg um rund 116 Prozent. Besonders groß war die Dynamik bei Indern. Seit dem Ende 2012 ist ihre Zahl in akademischen MINT-Berufen von 3.750 auf 12.455 gestiegen. Ein Plus von rund 232 Prozent. 6. Erste Impulse aus der Flüchtlingsmigration Geflüchtete Personen sind nicht nach Deutschland gekommen, um unsere Fachkräfteprobleme zu lösen, sondern um Schutz und Hilfe zu bekommen. Hierbei leisten Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft große Anstrengungen, die Geflüchteten in Bildung und Arbeit zu integrieren. Vor diesem Hintergrund ist es eine gute Nachricht, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in MINT-Berufen von Personen aus Eritrea, Irak, Afghanistan und Syrien stark gestiegen ist. Kamen im vierten Quartal 2012 noch 2.711 Pressestatement, 22.05.2019: „MINT-Frühjahrsreport 2019“ 5
Beschäftigte in MINT-Berufen aus den vier Hauptherkunftsländern der Geflüchteten, waren es Ende September 2016 rund 8.000. Diese Zahl stieg bis ins dritte Quartal 2018 auf bemerkenswerte 27.709. Damit arbeiten bereits 13,2 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus Eritrea, Irak, Afghanistan und Syrien in MINT-Berufen. Ende 2012 lag der Wert noch bei 8 Prozent. Während die gesamte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Personen aus den vier Hauptherkunftsländern um 524 Prozent vom vierten Quartal 2012 bis zum dritten Quartal 2018 gestiegen ist, nahm die MINT-Beschäftigung im selben Zeitraum um ganze 922 Prozent zu. Auch der Ausblick zeigt günstige Perspektiven für die Geflüchteten. Bis Ende 2020 dürfte die Anzahl der Beschäftigten in MINT-Berufen auf einen Wert zwischen 31.700 und 52.800 steigen. Den Ausblick haben wir in den letzten MINT-Berichten stets nach oben korrigiert. 7. Offenheit schafft Wohlstand Die Zuwanderung trägt aktuell also in erheblichem Maße zur Fachkräftesicherung in den MINT-Berufen bei. Betrachtet man die Erwerbstätigkeit von MINT-Kräften und den Beitrag der Zuwanderer, zeigt sich, dass sie zudem Wachstum und Wohlstand hierzulande stärken und zur Innovationskraft beitragen. Pressestatement, 22.05.2019: „MINT-Frühjahrsreport 2019“ 6
Von 2011 bis 2016 stieg ihr Anteil an allen erwerbstätigen MINT-Kräften von 14,3 Prozent auf 19,9 Prozent unter MINT- Akademikern und von 11,9 Prozent auf 15,1 Prozent unter beruflich qualifizierten MINT-Kräften. Insgesamt waren im Jahr 2016 rund 563.500 zugewanderte MINT-Akademiker und 1.342.400 zugewanderte beruflich qualifizierte MINT- Kräfte hierzulande erwerbstätig. Im Ganzen trugen die zugewanderten MINT-Kräfte dadurch zu einem Wertschöpfungsbeitrag im Jahr 2017 in Höhe von rund 186 Milliarden Euro bei. 8. Gemischtes Bild bei der Erschließung der Potenziale von Frauen Insgesamt ist die Anzahl erwerbstätiger MINT- Akademikerinnen von 2011 mit 477.300 auf 621.900 im Jahr 2016 um 30,3 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum gab es aber eine geringe Abnahme der Erwerbstätigkeit von MINT-Facharbeiterinnen. Die Fächerstruktur innerhalb des MINT-Bereichs unterscheidet sich deutlich von den Männern. Insbesondere in den gesuchten Bereichen der IT sowie in den Ingenieurbereichen Elektrotechnik, Maschinenbau und Fahrzeugbau sind die Frauenanteile gering. Sehr hoch sind hingegen die Frauenanteile in den Bereichen Textil/Bekleidung, Pharmazie und Biologie. Pressestatement, 22.05.2019: „MINT-Frühjahrsreport 2019“ 7
Betrachtet man den Frauenanteil in allen MINT-Berufen, so ist dieser von 13,8 Prozent Ende 2012 auf 15,0 Prozent im dritten Quartal 2018 gestiegen. Berlin (20,3 Prozent), Thüringen (17,8 Prozent) und Hamburg (17,5 Prozent) weisen die höchsten Anteile auf, das Saarland mit 12,5 Prozent, NRW und Rheinland-Pfalz mit je 13,0 Prozent die niedrigsten. Bei den Patentanmeldungen zeigt sich, dass vor allem in den forschungsaffinen Ingenieurstudiengängen die Frauenanteile noch niedrig sind. Im Jahr 2016 entfielen 4,4 Prozent aller nationalen Patentanmeldungen beim DPMA auf Erfinderinnen. Im Jahr 2005 betrug der entsprechende Anteil 3,9 Prozent. 9. Ausblick: Herausforderungen im Bereich Innovationen und MINT Um die Forschung in Deutschland zu stärken, sollte eine steuerliche FuE-Förderung dauerhaft eingeführt werden. Wichtig ist es, im Unterschied zu den aktuellen Rahmendaten des geplanten Gesetzes, die Förderung nicht auf wenige Jahre zu begrenzen. Ziel des Gesetzes sollte es nämlich vor allem sein, Anreize zu setzen, dass eine große Anzahl an nur gelegentlich forschenden KMU ihr Geschäftsmodell in Richtung eines kontinuierlich forschenden Geschäftsmodells weiterentwickeln. Pressestatement, 22.05.2019: „MINT-Frühjahrsreport 2019“ 8
Das im Koalitionsvertrag genannte Ziel der Bundesregierung, dass Wirtschaft und Staat zusammen 3,5 Prozent des BIP in Deutschland für Forschung und Entwicklung investieren sollen, führt in den kommenden Jahren zu einem zusätzlichen Bedarf an MINT-Kräften in Höhe von rund 220.000 Personen. Der Digitalpakt sollte dringend umgesetzt werden. Die Digitalisierung in den Schulen führt zudem zu einem steigenden Bedarf an IT-Experten für die Verwaltung in den Schulen. Darüber hinaus werden zusätzliche Informatik- Lehrer gebraucht, wenn der Unterricht ausgeweitet werden soll. Um die Herausforderungen der MINT-Fachkräftesicherung zu meistern, sollte die Verfügbarkeit von MINT-Lehrkräften gesichert und MINT-Profile in Schulen gestärkt werden. Dazu sollten mehr Frauen für MINT-Berufe gewonnen werden. Hierzu ist eine klischeefreie Studien- und Berufsorientierung wichtig und eine gezielte Förderung der vorhandenen Stärken im MINT-Unterricht. Daneben ist es von zentraler Bedeutung, bisherige Erfolge der Zuwanderung aus Drittstaaten in akademischen MINT- Berufen durch ein attraktives neues Zuwanderungsrecht auf MINT-Facharbeiterberufe zu übertragen. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz sollte hierzu zügig umgesetzt werden. Pressestatement, 22.05.2019: „MINT-Frühjahrsreport 2019“ 9
Abbildungen Abbildung 1: Bereinigte MINT-Arbeitskräftelücke Aggregierte Differenz aus gesamtwirtschaftlich zu besetzenden Stellen und Arbeitslosen in den Berufskategorien mit Fachkräfteengpässen (Berücksichtigung von qualifikatorischem Mismatch) Quellen: Bundesagentur für Arbeit, 2019b; IW-Zukunftspanel, 2011; eigene Berechnungen Pressestatement, 22.05.2019: „MINT-Frühjahrsreport 2019“ 10
Abbildung 2: Beschäftigungsentwicklung deutscher und ausländischer Arbeitnehmer Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach MINT-Berufsaggregaten, Index (2012-Q4 = 100) Quellen: Bundesagentur für Arbeit, 2019a; eigene Berechnungen Pressestatement, 22.05.2019: „MINT-Frühjahrsreport 2019“ 11
Abbildung 3: Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in akademischen MINT-Berufen nach Nationalität Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2019a; eigene Berechnungen Pressestatement, 22.05.2019: „MINT-Frühjahrsreport 2019“ 12
Abbildung 4: MINT-Beschäftigte und Anteil der MINT-Beschäftigten an allen Beschäftigten aus den Flüchtlingsländern Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2019a; eigene Berechnungen Pressestatement, 22.05.2019: „MINT-Frühjahrsreport 2019“ 13
Abbildung 5: Anteil der Frauen an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in MINT-Berufen, in Prozent Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2019a; eigene Berechnungen Pressestatement, 22.05.2019: „MINT-Frühjahrsreport 2019“ 14
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