Die Rötelseehöhle am Traunsee - Die Geschichte ihrer Erforschung und wissenschaftlichen Auswertung - Zobodat
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© Verband Österreichischer Höhlenforscher, download unter wwwzobodat.at Die Rötelseehöhle am Traunsee – Die Geschichte 2 ihrer Erforschung und wissenschaftlichen Auswertung ZUSAMMENFASSUNG ABSTRACT Die Rötelseehöhle (1618/1) liegt in 600 m The cave "Rötelseehöhle" at lake Meereshöhe in der felsdurchsetzten West- "Traunsee" – History of its exploration flanke des Rötelsteins (1287 m) am Ostufer and scientific examination des Traunsees. Die Höhle ist aufgrund einer The Rötelseehöhle (1618/1) is located 600 Sage, die von Schatzsuchern erzählt, seit al- m a.s.l. in the rocky west side of Rötelstein tersher bekannt. Die früheste schriftliche Er- (1287 m) on the eastern shore of Traunsee. wähnung findet sich in einem Reiseführer The Rötelseehöhle is well-known on the ba- aus dem Jahr 1820. Ein erster Forschungs- sis of a legend telling about treasure hunters vorstoß erfolgte 1880 durch zehn Mitglie- and the oldest written record in a guide- der des ÖTK Gmunden, geleitet vom Wie- book dates back to the year 1820. In 1880 ner Höhlenforscher Franz Kraus. 1897 ge- ten members of the ÖTK Gmunden started lang durch Färbung der Nachweis des ver- a first exploration headed by the speleolo- muteten Zusammenhanges zwischen Rötel- gist Franz Kraus from Vienna. In 1897 the see und Rötelbachquelle. 1930/31 erfolgte supposed connection between Rötelsee und durch Hermann Bock nicht nur eine genaue the source of Rötelseebach was confirmed Vermessung der Höhle und des Aufstiegs- by dye tracing. In 1930, Hermann Bock not weges, sondern auch die Unterschutzstel- only performed a precise survey of the cave lung der Rötelseehöhle. Seit 1982 wird die but also of the trail up to the entrance. Höhle durch Taucher erforscht und vermes- Since 1931 the cave is protected by law as sen, wobei mittlerweile eine Gesamtlänge a natural monument. Since 1982 the cave von 391 m und eine maximale Niveaudiffe- has been explored and surveyed by divers renz von -53 m bei 48 m Wassertiefe er- and the current total length and vertical reicht wurde. range are 391 m and -53 m, respectively. A Der vorliegende Beitrag beinhaltet eine water depth of 48 m was reached. This ar- Erhard Fritsch Raumbeschreibung der Höhle, detaillierte ticle provides a description of the cave, a de- Wiener Straße 339 Angaben zur Forschungsgeschichte sowie tailed history of its exploration, as well as 4030 Linz Kapitel über Sagen, Geologie, Fauna und chapters about legends, geology, fauna and erhard.fritsch.@gmx.net Flora. flora of this cave. LAGE Polit. Bezirk und Ortsgemeinde Gmunden, KG 42162 Koordinaten (nur Richtwert!): UTM 33 N: 411 008 E, 5 Traunstein, Parz. Nr. 187/1; 440 m WNW Rötelstein 297 519 N (1287 m), 620 m SSE Karbachmühle (426 m), 260 m SE Karten: ÖK 1:25.000, Bl. 66 Gmunden und ÖK-UTM Ufer des Traunsees (423 m). 1:25.000, Bl. 3206 West, Gmunden. BASISDATEN Seehöhe: Etwa 600 m (598 m nach H. Bock, 1930). In Gesamtlänge: Mit Stand 1999 laut Angaben der Tauch- der alten ÖK 66/4 Ebensee, 1:25.000 (1925/1941/1951) schule Traunsee (Traunkirchen) 170 m. 2011/12: mit 586 m sicherlich zu niedrig kotiert. Länge nach Taucher Gerhard Wimmer 391 m, erreich- Die Höhle / 65. Jg. / Heft 1–4/2014 73
© Verband Österreichischer Höhlenforscher, download unter wwwzobodat.at Fritsch / Die Rötelseehöhle am Traunsee – Die Geschichte ihrer Erforschung und wissenschaftlichen Auswertung te Wassertiefe 48 m (Mitt. Landesver. für Höhlenkunde Niveaudifferenz: 53 m lt. Spelix (Stand März 2014); in OÖ., 2012, S. 64 & Österreichisches Höhleninforma- im Eingangsbereich bestehen jedoch in der Hang - tionssystem „Spelix“, Stand März 2014). Ein aktueller neigung beachtliche Unterschiede zwischen dem Grundriss liegt nicht vor. Plan von Hermann Bock (1930) und jenem der Tauch- Horizontalerstreckung: Etwa 200 m. schule. ZUR GEOLOGIE ZWISCHEN LAINAU- UND RINDBACHTAL Der Bereich vom Traunstein (1691 m) südwärts bildet lagerung) geht in Richtung Süden und Südosten in einen Teil der Staufen-Höllengebirgsdecke, der jedoch Hauptdolomit (Obertrias) über, der sich vor allem gegenüber dem Namen gebenden Gebirgszug im nach Osten hin weit ausdehnt und durch dessen Westen um 3 bis 4 km nach Norden verschoben wurde. steile, dem Traunsee zugewandte Flanke der Aufstieg Weiter südlich, etwa entlang der Linie Offensee – Alm- zur Rötelseehöhle führt. Diese verdankt ihre Entste- see, wird die Höllengebirgsdecke von der Toten- hung offenbar einer NE-SW streichenden Störungs- gebirgsdecke abgelöst, die beide der tektonischen zone zwischen steil einfallendem Hauptdolomit (im Großeinheit des Tirolikums angehören. Norden) und den südlich anschließenden Jurakalken. Das Gipfelplateau und die gesamte Südflanke des Genetisch ist die Rötelseehöhle somit als Schicht- Traunsteins sowie der Kleine Schönberg (895 m) beste- grenzhöhle anzusprechen, was bereits frühzeitig hen gleich dem Höllengebirge aus Wettersteinkalk erkannt wurde. Neuere, speziell auf die Höhle Bezug (Mitteltrias). Der südlich des Tiefengrabens (Eisenau) nehmende geologische Untersuchungen fehlen je- folgende Hochlindach (917 m) ist dagegen vielfältiger doch. aufgebaut. An seiner Nordwest-Seite tritt Hauptdolo- Die Geister scheiden sich auch insofern, als Bock mit zu Tage, welcher im Südwesten des Berges von der (1930) auf seinem Plan die „roten und weißen Kalke“ Grünanger-Formation (Jura, eine grobe Brekzie aus der südöstlichen Höhlenwand als „Carditazone“ grauen Kalkbruchstücken und rotem Verkittungs - bezeichnet und die steilen Felswände westlich des mittel) abgelöst wird. An der Nordseite, etwas höher Einganges dem Wettersteinkalk zuordnet, während oben, finden sich Hornstein-führende, gut gebankte die geologische Karte (Bl. 66 Gmunden, 1996), aus- Mergelkalke (Oberalm-Formation, Oberjura); am auf- gehend von der genannten Störungslinie bis hinüber fälligsten sind jedoch die ungeschichteten hellen ins südlich anschließende Rindbachtal, vor allem Plassenkalke (Oberjura) an der Südseite (oberhalb der seeseitig überwiegend bunte Knollenkalke der Adnet- Karbachmühle), die in einem riesigen, die Landschaft Formation, z. T. aber auch Hierlatzkalk (beide Unter- prägenden – manche würden sagen verschandelnden jura) wie am Rötelstein (1287 m), oder graue Flecken- – Steinbruch neben Brekzien- und Hierlatzkalken als kalke und -mergel der Allgäu-Formation (etwa im Be- Rohstoff für die 1883 gegründeten Ebenseer Solvay- reich der Spitzlsteinalm) ausweist. Die Gesteine der Werke (die Soda-Produktion wurde 2005 eingestellt) Adnet- und Grünangerformation (letztere am bzw. von diversen Firmen zur Baustofferzeugung ab- Hochlindach aufgeschlossen) sowie der Hierlatzkalk gebaut werden. werden aufgrund ihres meist dekorativen Erschei- Der Plattenkalk im Unterlauf des Karbaches (hell- nungsbildes landläufig auch als „Traunsee-Marmor“ grauer obertriadischer Kalk und Dolomit in Wechsel- bezeichnet. ZUGANG Am einfachsten gelangt man von Traunkirchen mit führt in weiterer Folge über den unmarkierten, 1908 dem Taxiboot südöstlich über den Traunsee (Abb. 1) angelegten steilen Daxner-Steig zur Spitzlsteinalm, nach Karbach (Gasthaus Karbachmühle), das anson- 1060 m). Kurz vor der Mündung des Rötelseebaches sten sowohl von Norden (Miesweg – Lainaubach – zweigt man bergwärts ab (Hinweistafel) und folgt den Schönberg, 895 m – Ranzen, 840 m – Eisenbachstube, steilen Serpentinen, die über einen Rücken bis zu den 705 m – Kote 579 – Karbach, 426 m) als auch von Süden Felsen in etwa 580 m Seehöhe leiten. Hier wenden (Ebensee/Rindbach – Spitzlsteinalm, 1060 m – Abstieg sich die Steigspuren nach rechts (Süden), und es Julius-Daxner-Steig) nur umständlich zu erreichen ist beginnt eine lange, z. T. ausgesetzte Querung über (jeweils 2,5 bis 3 Stunden). Schuttrinnen hinweg und entlang felsdurchsetzter Von Karbach dann zunächst etwa 400 m am Ostufer Rasenhänge. Diese steil zur Schlucht des Rötelsee- des Traunsees (423 m) entlang nach Süden (der Weg baches abbrechende Dolomitflanke erfordert Tritt- 74 Die Höhle / 65. Jg. / Heft 1–4/2014
© Verband Österreichischer Höhlenforscher, download unter wwwzobodat.at Fritsch / Die Rötelseehöhle am Traunsee – Die Geschichte ihrer Erforschung und wissenschaftlichen Auswertung Abb. 1: Überfahrt zum Ostufer des Traunsees. Fig. 1: Crossing passage to the east shore of Traunsee. Photo: Archive Speleological Club of Upper- Austria. Foto: Archiv LVH-OÖ sicherheit und entsprechende Vorsicht. Man steigt (ca. 600 m Seehöhe). Die Gehzeit für die etwa dabei noch bis auf ca. 620 m Seehöhe an, um dann 180 Höhenmeter vom Traunsee-Ostufer beträgt wieder allmählich absteigend bis nahe an den Quell- 45 Minuten. Der 1882 vom ÖTK Gmunden angelegte austritt des Rötelseebaches (Abb. 2) zu gelangen. Von und am 30.7. d. J. feierlich eröffnete, angeblich dort kurz über Blockwerk empor, zuletzt an der 1 m breite Weg ist längst verfallen, die einstigen kleinen Nebenhöhle (1618/8) vorbei, zum nur noch Sicherungen wurden durch Lawinen und Steinschlag wenige Schritte entfernten Eingang der Rötelseehöhle zerstört. Abb. 2: Der Rötelseebach vom Aufstiegsweg. Abb. 3: Im Eingang der Rötelseehöhle. Fig. 2: View of Rötelseebach from the path to the cave. Fig.: 3: At the entrance of the Rötelseehöhle. Foto: Archiv LVH-OÖ Foto: Archiv LVH-OÖ Die Höhle / 65. Jg. / Heft 1–4/2014 75
© Verband Österreichischer Höhlenforscher, download unter wwwzobodat.at Fritsch / Die Rötelseehöhle am Traunsee – Die Geschichte ihrer Erforschung und wissenschaftlichen Auswertung RAUMBESCHREIBUNG Die Höhe der Eingangshalle (Abb. 4) bewegt sich zwi- Eingangshalle und Rötelsee schen anfänglich 3 bis 5 m und rund 12 m über dem Ein touristischer Besuch (aufgrund der gesetzlichen Seespiegel bei Niedrigwasser. Die vom Ufer aus über- Bestimmungen für denkmalgeschützte Höhlen ohne blickbare Fläche des Rötelsees umfasst laut Planauf- Sondergenehmigung nicht erlaubt!) endet – über Blockwerk und Bruchschutt nach Nordosten abstei- gend – normalerweise bereits nach etwa 25 Schrägme- tern am Ufer des Rötelsees, der je nach Wasserstand etwa 6 bis 9 m unterhalb der Eingangsschwelle (Abb. 3) liegt. So zeigt es zumindest der Höhlenplan von Ing. Hermann Bock (1930), der damals auch zahlreiche Tie- fenlotungen vorgenommen und die Werte im Grund- riss genau vermerkt hat. Am Aufrissplan der Höhlen- taucher liegt die Oberfläche des Rötelsees jedoch ca. 15 m unterhalb des Eingangs, eine Diskrepanz, die wohl kaum allein auf Schwankungen des Wasserstan- des zurückgeführt werden kann, zumal auch die Nei- gung der Schutthalde auf den beiden Plänen sehr un- Abb. 4: Eingangshalle mit Rötelsee. terschiedlich dargestellt ist. Fig. 4: Entrance chamber with Rötelsee. Foto: Archiv LVH-OÖ Abb. 5: Längsschnitt, Grundriss und Raumprofile der Rötelseehöhle. Fig. 5: Longitudinal section, plan view and passage profiles of the Rötelseehöhle. Plan: H. Bock, 1930 76 Die Höhle / 65. Jg. / Heft 1–4/2014
© Verband Österreichischer Höhlenforscher, download unter wwwzobodat.at Fritsch / Die Rötelseehöhle am Traunsee – Die Geschichte ihrer Erforschung und wissenschaftlichen Auswertung nahme von Hermann Bock ca. 150 bis 160 m2, an den aber 1886 gesprengten Felsbarriere wurden 3,7 m seiner rechten (südöstlichen) Seite ragen noch die ei- gemessen (H. Bock, 27.9.1930). sernen Träger eines ehemaligen Steges aus der Fels- Othmar Emil Imhof gibt übrigens an, dass er am wand, auf dem Besucher einst trockenen Fußes bis 28.8.1884 seine (Einzeller und Ruderfußkrebschen ent- zum Ansatz der schmalen Hauptfortsetzung vor - haltenden) Schlammproben aus 7 m Tiefe vom Grund dringen konnten. Die Wassertiefe beträgt dort üb- des Rötelsees heraufgeholt hat (siehe Kapitel „Zoolo- licherweise cirka 3 m, knapp hinter der abschließen- gie“). Bei Hochwasser kann sich seine Tiefe somit Abb. 6: Lage der Rötelseehöhle und Längsschnitt des Rötelseebaches. Fig. 6: Location of the Rötelseehöhle and longitudinal section of the Rötelseebach. Plan: H. Bock, 1930 Die Höhle / 65. Jg. / Heft 1–4/2014 77
© Verband Österreichischer Höhlenforscher, download unter wwwzobodat.at Fritsch / Die Rötelseehöhle am Traunsee – Die Geschichte ihrer Erforschung und wissenschaftlichen Auswertung durchaus verdoppeln, wobei dann das „Saugloch“, über Versuche mittels moderner Klettertechnik den wie es Bock bezeichnet hat, als Überlauf aktiv wird. „Rauchfang“ endlich weiter zu erforschen, ist bis heu- Normalerweise fließt der Rötelsee jedoch auf unsicht- te nichts bekannt geworden. barem Wege durch den Schuttkegel des Eingangs - bereiches zur Quelle unterhalb des Einganges ab, die Die „2. Grotte“ und das Unterwasser-System den in einer steilen Schlucht Richtung Nordwesten hinabstürzenden Rötelseebach speist (Abb. 5, 6). Der Rötelsee setzt sich entlang der südöstlichen Be- grenzungswand (mit dem einstigen Steg) als zu- nehmend schmäler werdender Kanal fort, in den Der Rauchfang-Schlot erstmals 1882 bei Niedrigwasser vorgedrungen wurde Das jenseitige, circa 15 m entfernte Ufer des Rötelsees und der seit den beiden Sprengungen im Februar 1886 wird an seiner nördlichen Ecke von einer ansteigen- entweder schwimmend oder mit Hilfe eines Bootes den sandigen Halde gebildet, auf der einige Holzreste noch 10 bis 15 m weit befahrbar ist. In dieser soge- herumliegen. In der Decke öffnet sich ein Schlot – der nannten „2. Grotte“ finden wir auf dem detailreichen schon seit altersher bekannte „Rauchfang“. Er wurde und sicherlich weitgehend exakten Plan von H. Bock am 17. Mai 1882 von Hans Hernler mittels zweier (1930) zunächst einen mit 8 m Höhe kotierten Schlot Leitern bis in 19 m Höhe erklommen und teilt sich eingezeichnet, gefolgt von einem bloß 3 m messenden dort, seinem Bericht zufolge, in zwei Äste. Wie Georg Deckenkolk. Gleich dahinter beginnt der 1. Siphon – Schachinger jun. (Tages-Post vom 29.6.1890) schreibt, der Weiterweg blieb an dieser Stelle dem Menschen hat Hernler bei seinem Aufstieg mit Steinen verkeilte fast 100 Jahre lang verschlossen! Erst die Entwicklung alte Hölzer und angebrannte Äste vorgefunden, die als der modernen Tauchtechnik brachte 1982 einen ersten Steighilfen und Beleuchtungsreste gedeutet wurden. entscheidenden Fortschritt, gefolgt von Einsätzen in Der Geologe und Forschungsreisende Johannes den Jahren 1996, 1998, 2000, 2004 und 2009 bis 2011. Weidinger (1999) bezeichnete sie anlässlich einer Ausgehend von der „2. Grotte“ muss zunächst der Überquerung des Rötelsees mittels Neoprenanzug so- 65 m lange, Richtung Ost verlaufende 1. Siphon („Deix- gar als „Baumstämme, die in großer Höhe einge- lerhalle“) überwunden werden; seine Sohle liegt in klemmt, bedrohlich über uns schwebten“. Es dürften etwa 10 m Wassertiefe. Aufgetaucht wird dann im hier also tatsächlich schon die welschen Schatzsucher „Deixlersee“, der eine Länge von 35 m und eine maxi- am Werk gewesen sein, einer dieser kühnen Kletterer male Breite von 12 m aufweist, als Raumhöhe werden soll ja, wie die Sage berichtet, dabei abgestürzt sein cirka 15 m genannt (erstmals 1982 von Walter Deixler (siehe Kapitel „Die Rötelseehöhle in der Sage“). erreicht). Dem Verlauf des Sees nach Nordosten fol- Falls man aber nicht so recht an die Geschichten von gend, muss dann der 2. Siphon bezwungen werden, den welschen Erzsuchern glauben will, so erhebt sich der nach einem Knick in Richtung Südost in der natürlich die Frage, wie die von Hernler gefundenen „UW-Halle“ erneut ein Auftauchen gestattet. Dieser Holzstücke sonst noch in den Schlot gelangt sein unterirdische See ist 10 m lang und 4 m breit, der Luft- könnten. Ein höher liegender, noch unbekannter raum darüber erreicht rund 8 m Höhe. Auf etwa glei- Schachteinstieg, durch den sie eingeschwemmt wur- chem Niveau bleibend, gelangt man schließlich nach den, ist nicht realistisch, denn in diesem Fall wäre mit dem Durchtauchen eines 3. Siphons in den nur rund Sicherheit heftiger Luftzug beim Eingang spürbar. 3x2 m messenden „Zwergendom“ (Höhe ca. 4 m). Am Dennoch hielt sich lange Zeit der Glaube, dass es einst 25. Juni 2011 wurden hier 27 m Tiefe erreicht, der eine Verbindung zum (immerhin 1,3 km Luftlinie zunehmend niedriger werdende Gang und die aufge- entfernten!) Erlakogel (1575 m) gegeben habe. Den An- wühlten Sedimente zwangen jedoch zur Umkehr. lass dazu bot, wie G. Schachinger (Tages-Post vom Als Hoffnungsbereich galt nun umso mehr der am 28.6.1890) von seinem einheimischen Begleiter erzählt 21. Mai 2009 entdeckte, vom Grund der „UW-Halle“ wurde, eine auffällige, mit Gesteinstrümmern und Alt- (3. Höhlensee) in 13 m Tiefe abzweigende, steil nach schnee erfüllte Doline etwa eine Viertelstunde unter- unten führende großräumige Gang (ca. 5 m breit, min- halb des Gipfels. Jäger und Forstpersonal sollen aber destens 3 m hoch), der vorerst bis minus 48 m verfolgt bestrebt gewesen sein, das Loch aufzufüllen. werden konnte (Beschreibung von Gerhard Wimmer Ob der „Rauchfang“ künftig einmal den Zugang in eine und Längsschnitt 2009). Dem Bericht vom Tauchgang eventuell vorhandene obere Etage vermitteln wird am 17. April 2010 folgend, ergaben sich jedoch auch oder vielleicht bloß in unpassierbar engen Spalten hier keine lohnenswerten Ansatzpunkte, lediglich eine ausläuft, bleibt abzuwarten. Hernlers Beobachtungen nach oben führende, in 31 m Tiefe blind endende Fort- anno 1882 erwecken eine gewisse Hoffnung, doch setzung konnte dokumentiert werden (Abb. 7, 8). 78 Die Höhle / 65. Jg. / Heft 1–4/2014
© Verband Österreichischer Höhlenforscher, download unter wwwzobodat.at Fritsch / Die Rötelseehöhle am Traunsee – Die Geschichte ihrer Erforschung und wissenschaftlichen Auswertung Eingang Rauchfang Deixlersee UW-Halle Zwergendom Saugloch Niedrigwasser Niedrigwasser 0 Rötelsee 2. Grotte –10 Deixlerhalle 3. Siphon (1. Siphon) 2. Siphon –20 –30 Wassertiefe –40 m –40 50 m 100 m 150 m 200 m Länge ca. 300 m, Niveaudifferenz ab Eingang ca. 55 m Abb. 7: Längsschnitt der Rötelseehöhle (2009). Fig. 7: Longitudinal section of the Rötelseehöhle (2009). Plan: Tauchschule Traunsee (Stand 14.6.2009) Schlot 2. Siphon (1998) N Deixlerhalle (1. Siphon) Rauchfang- Schlot Schlot 2. Grotte (1882) Deixlersee Felsbarrieren (1980er Jahre) (1886 gesprengt) Rötelsee Eingang Vermessene Länge: 170 m Saugloch UW-Halle (3. See), 3. Siphon und Zwergendom (4. See) wurden im September 2000 erforscht (Gerhard Wimmer, Pressebericht vom 3.7.2009). Abb. 8: Grundriss der Rötelseehöhle (1999). Fig. 8: Plan view of the Rötelseehöhle (1999). Plan: Tauchschule Traunsee (Stand 1999) ZOOLOGIE Der älteste Bericht über eine wissenschaftlich fundier- Nachstehende Arten wurden bestimmt: te Aufsammlung von Tieren geht auf den 28. August 1884 zurück, an dem Othmar Emil Imhof, ein Pionier Fam. Difflugiidae Difflugia pyriformis Perty, 1849 der Ozeanografie, mit einem selbst konstruierten, Fam. Euglyphidae nach dem Prinzip des Sigsbee’schen Wasserschöpfers Trinema enchelys (Ehrenberg, 1838) funktionierenden Apparat Proben aus dem Boden- Fam. Cyphoderiidae schlamm des Rötelsees entnommen hat. Cyphoderia ampulla (Ehrenberg, 1840) Ende August 1884 muss in der Rötelseehöhle ein extrem hoher Wasserstand geherrscht haben, denn Während D. pyriformis bis zu 0,5 mm Länge erreichen Imhof gibt eine Tiefe von 7 m an. Die spätere mikro- kann, bringt es T. enchelys bloß auf 0,04–0,1 mm. Die skopische Untersuchung brachte drei Arten von Ein- Größe von C. ampulla schwankt zwischen 0,1 und zellern (Protozoa, Urtiere) sowie eine Spezies der 0,18 mm. Ruderfußkrebse (Copepoda) zu Tage. Bei den gefange- Das von Imhof 1884 im Rötelsee erbeutete winzige nen Protozoen handelte es sich – der traditionellen Krebstier (Crustacea) aus der Gruppe der Copepoden Systematik folgend – um Schalen- oder Thekamöben (Ruderfußkrebse) wurde als „wahrscheinlich Cyclops (Ordg. Testacea) aus der Klasse der Wurzelfüßer magniceps Lilljeborg, 1853“ aufgelistet, ein Name, der (Rhizopoda oder Sarcodina) mit einer Größe zwischen jetzt als Synonym von Halicyclops magniceps (Lillje- 0,04 bis 0,5 mm. borg, 1853) gilt. Die Höhle / 65. Jg. / Heft 1–4/2014 79
© Verband Österreichischer Höhlenforscher, download unter wwwzobodat.at Fritsch / Die Rötelseehöhle am Traunsee – Die Geschichte ihrer Erforschung und wissenschaftlichen Auswertung Erst 1934, also 50 Jahre später, erwähnt der polnische Berufung auf Stach) für die Rötelseehöhle nennt und Zoologe Jan Wacław Stach einen weiteren Gliederfüß- neben „O. fimetarius“ auch 1975 im Katalog von Strou- ler und zwar aus der historisch zu den sogenannten hal & Vornatscher aufscheint (S. 448). Die Protozoen Urinsekten („Apterygota“) zählenden Ordnung Col- und „Cyclops“ aus der Aufsammlung von Imhof (1884) lembola (Springschwänze). Konkret wurde das Tier als fehlen darin. „Onychiurus fimetarius auct.“ (Fam. Onychiuridae) Zur Überprüfung der alten Angaben und zur sicherlich angeführt, was aber ebenso einer Revision bedarf wie möglichen Erweiterung des Artenspektrums wären so- „Pseudosinella lamperti Schäffer, 1900“ (Fam. Entomo- mit neue biospeläologische Untersuchungen in der bryidae), ein Taxon, das Josef Vornatscher 1951 (unter Rötelseehöhle dringend notwendig. BOTANIK Nachstehend eine Auflistung der am 10.8.1921 von Morton verwendete Namen sind dann als Synonym in Friedrich Morton in der Rötelseehöhle festgestellten Klammer beigefügt. Weitere Details (Standorte, Licht- Pflanzenarten. Die in einigen Fällen überholte No- intensität, Kümmerformen etc.) siehe Morton & Gams menklatur wurde der neueren Literatur angepasst, von (1925), S. 96–100 sowie Taf. III und IV. CYANOBACTERIA (CYANOPHYTA) – „BLAUALGEN“ „Cyanophyceae“ – „Blaualgen“, ohne weitere Angaben PHYCOPHYTA/ALGEN Chlorophyta – Grünalgen Trentepohlia aurea (L.) Martins (Kl. Ulvophyceae, Ordg. Trentepohliales) BRYOPHYTA – MOOSE Hepaticae – Lebermoose Conocephalum conicum (Syn.: Conocephalus conicus) – Kegelkopfmoos Pellia epiphylla – Beckenmoos Sauteria alpina – Blaugrünlebermoos Musci – Laubmoose Amblystegiella jungermannioides (Syn.: A. sprucei) Barbula crocea (Syn.: Barbula convoluta) Eurhynchium praelongum (Syn.: Oxyrrhynchium p. [ssp. swartzii].) – Schönschnabelmoos Fissidens adianthoides – Spaltzahnmoos Leiocolea collaris (Syn.: Lophozia muelleri) – Glattkelchmoos Orthothecium rufescens – Geradbüchsenmoos Pedinophyllum interruptum – Flachblattmoos Pohlia wahlenbergii (Syn.: Mniobryum albicans) – Weißes Pohlmoos Taxiphyllum wissgrillii (Syn.: Isopterygium depressum [f. cavernarum]) PTERIDOPHYTA – FARNPFLANZEN Fam. Aspleniáceae – Streifenfarngewächse Asplenium scolopendrium (Syn.: Scolop. vulgare, Phyllitis scolop.) – Hirschzunge Asplenium trichómanes – Brauner oder Schwarzstieliger Streifenfarn Asplenium viride – Grüner Streifenfarn Fam. Dryopteridaceae – Wurmfarngewächse Gymnocarpium robertianum (Syn.: Nephrodium r. [var. simplex]) – Ruprechtsfarn DICOTYLEDONEAE – ZWEIKEIMBLÄTTRIGE Fam. Asteraceae – Korbblütler Adenostyles glabra (Miller) DC. – Kahler Alpendost Fam. Geraniaceae – Storchschnabelgewächse Geranium robertianum L. – Ruprechtskraut Fam. Campanulaceae – Glockenblumengewächse Campanula cochleariifolia Lam. – Niedrige Glockenblume Fam. Hypericáceae – Johanniskrautgewächse Hyperícum humifusum – Liegendes Johanniskraut, Erd-Johanniskraut 80 Die Höhle / 65. Jg. / Heft 1–4/2014
© Verband Österreichischer Höhlenforscher, download unter wwwzobodat.at Fritsch / Die Rötelseehöhle am Traunsee – Die Geschichte ihrer Erforschung und wissenschaftlichen Auswertung DIE RÖTELSEEHÖHLE IN DER SAGE Sagen waren einst Allgemeinwissen, das von Generati- Lechner, Volksagen (1859). Adalbert Depiny (1932, on zu Generation mündlich weitergegeben wurde. S. 79) erwähnt überraschenderweise nur ganz allge- Doch schon vor über 150 Jahren, als Josef Lechner mein, dass die als „wälsche Mandln“ bezeichneten ita- damit begann, sie aufzuzeichnen und sie damit vor lienischen Schatzsucher „noch im 18. Jahrhundert dem Vergessenwerden bewahren konnte, glaubten nur auch in der Gegend des Traunsteines und des Röthel- mehr ganz alte Leute an diese Erzählungen. Umso steines gesehen wurden“. erstaunlicher ist daher die Tatsache, dass bis heute Erst 60 Jahre später finden wir dann die Sage im Wan- Geschichten über kilometerlange unterirdische Gän- derführer von Erika Kaftan (1992) im Rahmen eines ge, die an vielen Orten von Burg zu Burg oder als Tourenvorschlages wieder (S. 19–24). Zuletzt haben Fluchtstollen auch anderswohin geführt haben sollen, sie Ferdinand Mittendorfer (1997) im Traunkirchner im Umlauf sind. Heimatbuch und 1999 Johannes Weidinger wieder- Wenn wir als Höhlenkundler zur Vermessung von Erd- gegeben. Letzterer bringt zudem auf S. 54 eine Darstel- ställen oder alten Wasserstollen gerufen werden (in lung der Rötelseehöhle von Carl Ritter, 1873, aus dem Oberösterreich vor allem im Inn- oder Mühlviertel Stadtarchiv Gmunden. verbreitet), die meist durch Baggerarbeiten bei alten Gehöften angeschnitten werden, so klingen diese Der Erzgräber von Karbach Geschichten immer wieder erneut an unser Ohr. Auf (Der Welsche, Magdalena und die Rötelseehöhle) die Bemerkung, dass das Graben von derartig langen Gängen (die manchmal sogar tief eingeschnittene Das Gerücht, in den Bergen des Salzkammergutes Täler hätten unterqueren müssen) mit den damaligen gäbe es so manche Schätze zu entdecken, hielt sich Mitteln kaum zu bewältigen gewesen wäre, reagieren lange Zeit hartnäckig und lockte sogar Italiener an. die Leute oft erstaunt und kontern fast immer unisono Einer dieser Goldsucher, die von den Einheimischen „natürlich sind sie inzwischen längst eingestürzt, „Wällische“ (Welsche) genannt wurden, kam alljähr- aber der Großvater hat uns erzählt, er sei als Bub noch lich in die Karbachmühle, wo er bald ein gern gesehe- weit drinnen gewesen“. Das gleiche Schicksal müsste ner Gast war. Eines Tages brachte er sein Enkelkind auch jene angebliche Verbindung von einer kleinen namens Magdalena mit und bat die Müllersleute, es Doline am Erlakogel bis hinunter zur Rötelseehöhle gegen gute Bezahlung aufzunehmen, weil es ansonst ereilt haben, denn wie G. Schachinger 1890 erfahren in schlechten Verhältnissen groß geworden wäre. hat, war der Glaube daran noch weit verbreitet. Die Der Goldsucher stieg dann wieder in die Berge hinauf, Volksfantasie scheint in dieser Hinsicht unerschöpf- kehrte aber von seinem Streifzug nicht mehr zurück lich zu sein! und blieb trotz aller Suchaktionen verschollen. Vielleicht nicht ganz so fantastisch liest sich jene Die Söhne des Karbachmüllers wuchsen wie auch bekannte und nahezu rührselige Sage, die von einem Magdalena heran und oft gab es nun Zank um das welschen Schatzgräber erzählt, der seine Enkelin hübsche Mädchen. Um diesem auszuweichen, ging Magdalena in die Karbachmühle mitbrachte, und Magdalena als Sennerin auf die Karbachalpe (1583 dessen Verschwinden letztlich zur Entdeckung der urkundlich als „Karbachalbm“ erwähnt). Vergeblich Rötelseehöhle geführt haben soll. Erstmals von Josef versuchte sie auch, ihren Großvater zu finden, und Lechner (1859) aufgezeichnet und 1884 vom damali- oft betete sie bei den zwei menschenähnlichen gen Schulleiter in Peuerbach, Kajetan Alois Gloning, Felstürmchen unterm Hochkogel, die der Sage in seiner 112-seitigen Sagensammlung unter dem nach von einer längst zerfallenen Kirche herrühren Titel „Der Erzgräber im Karbachgebirge“ erneut fest- sollen. Bald nannte man die Örtlichkeit die „Heilige gehalten (S. 79–81), fand die Sage ihren Niederschlag Magdalena“. auch 1898 in Leo Kegeles reich illustriertem Buch Zwei Sommer gingen so dahin, bis schließlich der (S. 147f.). ältere der beiden Müllerssöhne um Magdalenas Hand In Kurzform wiedergegeben hat sie später noch der anhielt. Sein Bruder war angeblich Soldat geworden Linzer Höhlenforscher Georg Lahner, verpackt im und im Krieg gefallen. Das Brautpaar zog nach Schörf- Aufsatz „Symbolische Steinfiguren im Traunseegebiet“ ling, um dem dortigen Pfarrer, einem Bruder des (1931). Lahner, dessen unermüdlicher Einsatz vor Ziehvaters, die Ereignisse zu erzählen. Am Rückweg allem dem Ausbau der drei Schauhöhlen bei Ober- begegnete ihnen in der Nähe von Pinsdorf ein Pferde- traun galt, bringt überdies eine Reproduktion vom karren, gelenkt von zwei verwahrlosten Menschen, die Holzschnitt der versteinerten „Magdalena“ aus Josef in einer fremden Sprache scheltend unbarmherzig auf Die Höhle / 65. 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© Verband Österreichischer Höhlenforscher, download unter wwwzobodat.at Fritsch / Die Rötelseehöhle am Traunsee – Die Geschichte ihrer Erforschung und wissenschaftlichen Auswertung das geschwächte Zugtier einschlugen. Magdalena Gold in ihre Heimat zurückkehrten. Offen zugeben erkannte, dass es sich um ein italienisches Paar han- wollte es natürlich niemand, aber welche Beweggrün- delte, zankte mit ihnen wegen der Tierquälerei und de hätten sie ansonst haben können, außer Reich- musste schließlich feststellen, dass es sich um ihre tümer anzuhäufen? Materialistisch eingestellt war Eltern handelte. Ihr Vater verfluchte dabei auch den man eben schon immer! Wurde doch sogar der Dach- verschollenen Großvater, weil er sein Vermögen nicht steinforscher Friedrich Simony noch Ende des ihm sondern Magdalena vermacht hatte. 19. Jahrhunderts misstrauisch beäugt, weil er aus der Lange Jahre gingen dahin, Magdalena hatte zwei Koppenbrüllerhöhle oft mit Sand- und Gesteinspro- Söhne geboren, ihre Zieheltern waren inzwischen kurz ben herauskam. Nach Meinung der einfachen Leute hintereinander verstorben. Eines Tages kam dann eine konnte es sich dabei nur um goldhältige Funde han- Ziege nicht mehr zurück in die Karbachmühle. Die deln, denn weshalb sollte sich jemand wertlose Steine Söhne machten sich auf, das Tier zu suchen und nach Hause schleppen? Von wissenschaftlichen Ana- stießen dabei nach gefahrvollem Umhersteigen in den lysen hatten sie natürlich keine blasse Ahnung. steilen Bergflanken auf den Eingang der ihnen un- Werkmeister Franz Pergar (1861–1947), Angestellter bekannten „Röthelsteinerhöhle“. Darin trafen sie – der Solvay-Werke, und von 1933–1941 Obmann des angeblich am jenseitigen Ufer – zwar die Ziege wohl- Vereins für Höhlenkunde in Ebensee, scheint ein behalten an, fanden dort aber zu ihrem Entsetzen rechter Schalk gewesen zu sein, weil er eines Tages die auch ein menschliches Skelett, neben dem eine Goldgier seiner Gefährten für einen deftigen Scherz Christusfigur aus Metall lag. Das verängstigte Tier ausnützte: Nach der Rückkehr von einer gemeinsamen wurde geborgen und Magdalena erkannte anhand des Rötelseetour verteilte er an die Begleiter Kneissl, mitgebrachten Amulettes, dass es sich bei dem Toten Polanschütz und Reinbacher zuvor mit kleinen Mes- um ihren Großvater, den „Wällischen“, handelt. Seine singstücken präparierte Lehmklumpen, die er am Ufer Gebeine sollen später in Traunkirchen bestattet wor- des Rötelsees aufgesammelt hatte. Als man sie dann den sein. Die Fundstelle lässt darauf schließen, dass genauer untersuchte, ging bald ein Aufschrei durch die der Schatzsucher bei einer Kletterei im „Rauchfang“ Runde, weil einer der heimlichen Schatzsucher die abgestürzt ist. Eine andere Todesursache ist kaum lehmverkrusteten aber deutlich goldgelb glänzenden denkbar, denn man kann sich in der Rötelseehöhle Bestandteile entdeckte. Sie eilten daraufhin sofort zum nicht verirren. Goldschmied Voglhuber in Ebensee, der – von Pergar entsprechend instruiert – nach einem Lötwassertest scheinheilig bestätigte, dass es sich eindeutig um Das Gold vom Rötelsee pures Gold handle! Eine ob ihrer Gier nach irdischen Gütern vergleichs- Abends im Wirtshaus wurden bereits große Pläne ge- weise modern anmutende und gleichzeitig zum schmiedet, was man alles mit dem künftigen Reichtum Schmunzeln anregende Geschichte soll sich laut eines anfangen könnte und Kneissl beschloss, gleich am in Kopie vorliegenden Zeitungsberichtes aus dem Jah- nächsten Tag wegen der Schurfrechte nach Linz und re 1903 (ohne weitere Angaben) zugetragen haben. Sie weiter ins Wiener Ministerium zu fahren. In der Nacht wurde nach einem Manuskript von Franz Faifar (1938) hat keiner der Vier wirklich ruhig geschlafen, am auch in der Festschrift „75 Jahre Gassel-Tropfsteinhöh- wenigstens Pergar, galt es doch Kneissl noch zeitge- le, 1918–1993“ auf den Seiten 23–24 wiedergegeben. recht von seiner Reise abzuhalten. Schon um fünf Uhr Erzählt hat sie einst Baumeister Anton Pesendorfer aus früh klopfte daher Pergar bei ihm an und erklärte dem Traunkirchen, Mitglied des Vereins für Höhlenkunde noch Schlaftrunkenen den wahren Sachverhalt, ernte- in Ebensee und Mit-Erbauer der Hütte bei der Gassel- te aber zunächst nur Unverständnis, weil der Gold- Tropfsteinhöhle. Obwohl der Kernpunkt der Geschich- schmied die Funde ja geprüft hatte. „Ja, schon, aber te im Prinzip gleich geblieben ist, weichen einige des hab i vorher mit eahm so ausgmacht“, meinte Details von jener Kurzversion aus dem Jahre 1903 ab, Pergar trocken. „Du verdammter Gauner“ entfuhr es die im Anschluss an den Bericht über den missglück- dem Geprellten, der gleichzeitig nur mehr die schwe- ten Versuch, den Wasserspiegel des Rötelsees abzusen- ren Schuhe seines Besuchers die Treppe hinabpoltern ken, veröffentlicht wurde. Wir wollen darüber hinweg- hörte. Pergar blieb dann den ganzen Tag über ver- sehen, weil sich ohnehin nichts Wesentliches ändert. schwunden. Die Geschichte mit dem angeblichen Grundsätzlich geht es dabei um den damals insgeheim Gold vom Rötelsee gelangte trotz aller Geheim- noch immer weit verbreiteten Glauben, dass die wel- haltungsversuche unter die Leute und man ergötzte schen Schatzsucher einst nach ihren Streifzügen durch sich an dem gelungenen Streich Pergars, während den die Salzkammergut-Höhlen stets mit einem Sack voll Gefoppten ein gewisser Spott sicher war. 82 Die Höhle / 65. Jg. / Heft 1–4/2014
© Verband Österreichischer Höhlenforscher, download unter wwwzobodat.at Fritsch / Die Rötelseehöhle am Traunsee – Die Geschichte ihrer Erforschung und wissenschaftlichen Auswertung FORSCHUNGSGESCHICHTE Die Höhle scheint bereits frühzeitig von Schatzgräbern fellos Eiskeulen, die durch rasches Gefrieren von aufgesucht worden zu sein, die offenbar auch den in Tropfwasser entstehen, wenn an der Höhlensohle eine ihrem Inneren befindlichen Rötelsee überquert haben, Temperatur unter 0 °C herrscht. denn im sogenannten „Rauchfang“, einem Schlot am 1882: Fachlehrer Gustav Adolf Gassner und Hans jenseitigen Ufer, wurden 1882 eingeklemmte, als Steig- Hernler jun. gelangten am 2. Februar 1882 bei sehr hilfen gedeutete Hölzer vorgefunden. niedrigem Wasserstand mit dem Floß – am Rücken 1820: Die Höhle wird auf Seite 78 in Johann Steiners liegend – in die schon lange vermutete Fortsetzung am „Reise-Gefaehrte durch die oesterreichische Schweiz...“ rechten hinteren Ende des Rötelsees. An der Decke erwähnt, der Autor rät aber gleichzeitig wegen des fand sich ein Schlot, im übrigen war der wassererfüll- gefahrvollen Aufstieges von einem Besuch dieser „im te Gang aber schon nach wenigen Metern erneut von Vergleich zum Aufwand nicht besonders lohnenden Felsen blockiert, die lediglich durch ein kopfgroßes Sehenswürdigkeit“ ab. Loch den Blick in einen weiteren Raum ermöglichten. 1854: Zeichnung der Eingangshalle bei C. Ehrlich in (Tages-Post, Nr. 53 vom 5.3.1882). seinen „Geognostischen Wanderungen...“. Am 17. Mai 1882 stieg Hans Hernler unter Mitnahme 1859: Josef Lechner erwähnt die Entdeckung der zweier Leitern den Rauchfang-Schlot empor. Alte Rötelseehöhle im Rahmen einer inzwischen oftmals Steigbäume, mit Steinen in den Felsen verkeilt, und veröffentlichten Sage, die sich um einen welschen angebrannte Holzstücke, die als Beleuchtung gedient Schatzsucher, seine Enkelin Magdalena und die haben könnten, wurden dabei vorgefunden. Hernler Karbachmühle rankt. stieg bis in 19 m Höhe auf. Hier teilt ein Bergmilchvor- 1873: Darstellung der Rötelseehöhle von Carl Ritter hang den Schlot, ein Seitenstollen scheint weiterzu- (Stadtarchiv Gmunden, vergl. J. Weidinger, 1999, S. 54). führen. Dauer 4½ Stunden. (G. Schachinger, Tages- Die eigentliche Forschungsgeschichte ist in weiterer Post, 29.6.1890). Folge anhand verschiedener Zeitungsberichte überra- Bereits im Frühjahr 1882 wurde der Höhlenzustieg, vor schend gut dokumentiert. allem bei der berüchtigten „Platte“, durch Felsspren- gungen entschärft. Die Eröffnung des neuen, gegen 1 m breiten und oben fast horizontalen Weges wurde Die klassische Forschungsperiode am 30. Juli 1882 festlich begangen (Abb. 9) – mit Höhlenbeleuchtung, einem neuen Boot, dem Besuch 1. Juli 1880: Untersuchungen durch zehn Mitglieder des Karbachfalles sowie Essen und Tanz in der der Sektion Gmunden des Österreichischen Touristen- Karbachmühle. klubs unter Leitung des bekannten Höhlenforschers Franz Kraus, Korrespondent der k. k. Geologischen Reichsanstalt und Sektionsreferent des ÖTC in Wien. Der Verein hatte zu diesem Zweck bereits zuvor ein Floß aus vier Baumstämmen zur Überquerung des Höhlensees angefertigt. Als Beleuchtung dienten Petroleumfackeln. Während des zweistündigen Auf- enthaltes wurden auch Temperaturmessungen durch- geführt (Luft: 12,5 °C, Wasser: 8,75 °C). Für das Vor- dringen in eine am rechten hinteren Rand des Sees vermutete schmale Fortsetzung war der Wasserstand jedoch zu hoch. Die Tiefe des Sees – an mehreren Stel- len gemessen – erreichte 4,33 m. Im „Rauchfang“, ei- nem „beiläufig 12 m hohen Schlot im Hintergrund der Höhle“ fand man alte eingeklemmte Hölzer, die als Steighilfen gedeutet wurden. Am Zustieg war eine schwierige Stelle, die sogenannte „Platte“, zu über- winden. (Kraus 1880, Anonym 1880). 1881: Im Jänner 1881 fand Hernler auf dem Schutt - boden der Rötelseehöhle „Eispyramiden“ in einer Abb. 9: Touristen um 1900 am Eingang der Rötelseehöhle. Höhe bis zu 10 Wiener Fuß (3,16 m) vor (G. Schachin- Fig. 9: Tourists around 1900 at the entrance of the ger, Tages-Post, 29.6.1890). Gemeint sind damit zwei- Rötelseehöhle. Foto: Sammlung B-Tracht, Ebensee Die Höhle / 65. Jg. / Heft 1–4/2014 83
© Verband Österreichischer Höhlenforscher, download unter wwwzobodat.at Fritsch / Die Rötelseehöhle am Traunsee – Die Geschichte ihrer Erforschung und wissenschaftlichen Auswertung 1886: Nachdem sich Hans Hernler einige Tage zuvor riunt montes, nascetur ridiculus mus“ (Horaz, De Arte vom günstigen Wasserstand überzeugt hatte, wurde in poetica) – „Die Berge kreißen, (aber) geboren wird der letzten Jännerwoche des Jahres 1886 mit der (nur) eine lächerliche Maus“ oder schlicht und einfach Sprengung jener ersten hinderlichen Felsbarriere be- „Viel Lärm um nichts“. gonnen, die bereits einmal auf dem Floß liegend zu- Trotz des Misserfolges müssen wir aber den unermüd- sammen mit Gassner überwunden werden konnte. lichen Anstrengungen der einstigen Akteure unsere Die Arbeiten standen unter der Aufsicht des techni- Hochachtung zollen; sie haben mit bewundernswer- schen Leiters der A. Staininger`schen Kalkgewerke am ter Konsequenz verfolgt, was sie damals für richtig Traunstein, Herrn Orlando, und dauerten zunächst hielten, und ohne Kosten zu scheuen alles getan, was acht Tage. Dabei wurde das selbst bei Niedrigwasser in ihrer Macht stand. Kurz darauf hat auch „Höhlen- nur knapp 25 cm Luftraum freilassende Hindernis auf papst“ Franz Kraus in einer Stellungnahme Trost ge- eine Länge von 2–3 m weggesprengt. spendet und gleichzeitig mit anfeuernden Worten ge- Am 6. Februar konnten Hernler und ein weiteres ÖTK- raten, von der Quelle des Rötelseebaches aus vorzu- Mitglied zwar die neu geschaffene Öffnung mit dem in dringen: „...Zudem erfordert die Ausräumung des der Höhle befindlichen Ponton passieren, der Versuch, Bach-Ursprunges nur kräftige Hände, die unter kun- aus dem dahinter liegenden kleinen Raum vom Boot diger Leitung arbeiten, und die Arbeit ist eine lustige, aus durch das nächste enge Felsfenster weiter vorzu- bei der das Gepolter der über die Wand abstürzenden dringen, scheiterte jedoch wie schon vier Jahre zuvor; Blöcke die Musik machen wird. Darum nicht verzagen, die beiden Forscher mussten sich notgedrungen mit sondern mit frischem, frohem Muthe auf`s Neue dar- ein paar Temperaturmessungen zufrieden geben. angehen! Wir wollen doch sehen, wer standhafter ist, Es blieb somit nichts anderes übrig, als die sperrenden die Gmundner oder der alte Erlakogel“ (Österr. Touri- Felsen ebenfalls der zerstörenden Kraft des Dynamits sten-Zeitung Nr. 7, 1886, S. 78-79). zu überlassen. Nach vier Tagen war der Weg frei, doch 1. Juni 1887: Der Wasserabfluss des Rötelsees wur- als Hernler am 11. Februar 1886 die erhoffte große de von Hans Hernler und Dr. Krackowizer mittels Fortsetzung ins Innere des Rötelsteins untersuchte, kleiner schwimmender Holzspäne beobachtet. Die war die Enttäuschung groß: Wieder tat sich nur ein Schwimmkörper trieben langsam aber stetig zur lin- Raum von 2–3 m im Geviert und etwa gleicher Höhe ken (nordwestlichen) Wand hin, in der sich auf ihrer auf, die mit Stangen vorgenommene Lotung ergab gesamten Breite dicht unter dem Wasserspiegel eine eine Wassertiefe von 9 m. Nun war man am Ende der nahezu 1 m tiefe Aushöhlung befindet. Dann wurden technischen Möglichkeiten angelangt, und daran soll- ca. 200 Gramm einer konzentrierten Lösung von Dia- te sich rund hundert Jahre lang nichts mehr ändern! mant-Fuchsin (Anilin) an verschiedenen ufernahen Die Gesamtstrecke, welche durch die mühsamen Stellen in den Rötelsee gegossen, der sich daraufhin Sprengungen erschlossen worden war, betrug lediglich mehr als zur Hälfte intensiv rot färbte. Eine Dreivier- rund 10 m. Im Hinblick auf dieses triste Ergebnis been- telstunde später war die Farbe verschwunden und der dete Dr. Krackowizer seinen Bericht (Österr. Touristen- Seespiegel wieder klar, nur an seinem westlichen Rand Zeitung Nr. 5, 1886, S. 55) mit dem Sinnspruch „Partu- hatte sich ein breiter dunkelroter Saum angelegt. Luft- und Wassertemperaturen in der Rötelseehöhle 2.2.1882 6.2.1886 17.4.2010 1.6.1887 1.7.1880 16.7.2011 Luft außen beim Eingang –8,75 °C (–7 °R) –5 °C 24,5 °C Luft beim Wasserfall Rötelseebach 21,25 °C (17 °R) Luft Höhle 12,5 °C (10 °R) beim vorderen Ufer –1,25 °C (–1 °R) 3,5 °C 14°C am hinteren Seeufer 1,25 °C (1 °R) tagfernster Punkt Wasser Rötelsee 5,63 °C (4,5 °R) 7,5 °C 6 °C 7,5 °C 8,75 °C (7 °R) 6,3 °C Wasser Rötelseebach 10 °C (8 °R) Tab. 1: Einige Luft- und Wassertemperaturen. Über die Temperaturverhältnisse in der Rötelseehöhle liegen keine Messreihen vor. Die oben angeführten Zahlen gelten bloß als Anhaltspunkt und wurden den jeweiligen Berichten entnommen. Fortlaufende Messungen gibt es nicht. In den Jahren 1880 und 1882 erfolgte die Ablesung noch anhand der alten 80-teiligen Reaumur-Skala. Die damals ermittelten Werte sind hier zum leichteren Vergleich bereits in Celsisus-Grade umgerechnet. (1 °R = 1,25 °C) und unabhängig von den Jahren nach Monaten gereiht. Table 1: Some air and water temperatures arranged for better seasonal comparison in chronological order of the months irrespective of the year under review. Continuous measurements do not exist. 1880 and 1882 the old Réaumur scale (divided into 80 degrees) was still used (1 °R = 1,25 °C). Zusammenstellung: E. Fritsch, 2012 84 Die Höhle / 65. Jg. / Heft 1–4/2014
© Verband Österreichischer Höhlenforscher, download unter wwwzobodat.at Fritsch / Die Rötelseehöhle am Traunsee – Die Geschichte ihrer Erforschung und wissenschaftlichen Auswertung In den inzwischen geleerten Weinflaschen wurde dann Aktivitäten zwischen 1903 und 1931 das Quellwasser des Rötelseebaches aufgefangen und 28./29. Februar 1903: Begehung durch 8 Mann des einen Tag später in der Apotheke von Carl Schaffler in Bergsteigerbundes Ebensee (Abb. 10) unter Führung Gmunden geprüft. Das in eine Eprouvette gefüllte von Franz Pergar (Angestellter der Solvay-Werke) und Wasser „zeigte, vor ein weißes Blatt Papier gehalten, des Zementwaren-Fabrikanten Gneißl (im Sagen- einen schwachen aber doch noch deutlich erkenn- Manuskript von Franz Faifar wird er 1938 zum Dach- baren Stich in Rötliche. Es gab die ausgesprochene decker „degradiert“ und überdies Kneissl geschrie- Anilin-Reaktion, d. h. die Färbung verschwand auf ben). Ihr Ziel war es, mit einem 72 m langen Schlauch Zusatz weniger Tropfen Ammoniak und kehrte nach von 5 cm Durchmesser den Spiegel des Rötelsees ab- Beimischung von etwas Essigsäure wieder zurück“. zusenken. Der Aufstieg zur Höhle erfolgte am Samstag Der vermutete Zusammenhang zwischen Rötelsee um 17 Uhr. Nach mühsamen Vorbereitungen – zur Fül- und dem Ursprung des Rötelseebaches war damit lung des Saugschlauches musste das Wasser aus dem eindeutig bewiesen. See 35 m weit bis zum Eingang hinaufgetragen werden Darüber hinaus wurden noch Temperaturmessungen – begann der Heber zu funktionieren. Ein aufziehen- (Tab. 1) durchgeführt und die Entfernung vom Eingang des Unwetter machte aber schließlich alle Hoffnungen zum See (28,87 m) sowie zur Quelle (29,8 m) gemessen zunichte; um 22 Uhr war der Wasserstand trotz des (Österr. Touristen-Zeitung 1887, Nr. 2, S. 19). Ohne zusätzlichen Abflusses um 1,2 m höher als zuvor. Ermittlung der jeweiligen Neigung des Messzuges Weitere Aktivitäten mussten unterbleiben, man genoss erscheint jedoch die angegebene „Höhendifferenz noch die ausgezeichnete Beleuchtung durch die mit- von nahezu einem Meter“ etwas gewagt. gebrachten Karbidlampen, wobei auch das vor Jahren 1889: Im Frühjahr 1889 besuchten Georg Schachinger am Ufer verankerte und zunächst vermisste Boot, auf jun. (erstmals), Hernler, Franck und ein namentlich der gegenüberliegenden Sandbank angelandet, ent- nicht bekannter Träger die Rötelseehöhle. Der Zu- deckt wurde. Um Mitternacht traten die Forscher den gangsweg wurde von Schachinger (Tages-Post vom Abstieg zur Karbachmühle an. Am Sonntag um 6 Uhr 29. 6. 1890) als in sehr schlechtem Zustand bezeichnet. stieg die Gruppe erneut zur Höhle auf, konnte jedoch Er erwähnt auch den Färbversuch des ÖTK Gmunden nichts mehr ausrichten und traf um 10.30 Uhr wohl- (1887) mit rotem Anilin, der ergeben hat, dass der behalten in Ebensee ein. weiter unten aus den Felsen quellende Bach mit dem Der Bericht endet mit der später in aller Munde be- Rötelsee in Verbindung steht. findlichen Scherzeinlage Pergars, der seine insgeheim 1890: Zu Pfingsten erfolgt ein erneuter Höhlenbesuch durch Schachinger. Als Beleuchtung wurden um diese Zeit Kerzen, Fackeln, in Spiritus getränkte Hobel- scharten und für besondere Effekte Magnesiumstrei- fen verwendet (Schachinger, Tages-Post Nr. 148 vom 29. 6. 1890). 6. Jänner 1894: Informativer Höhlenbesuch durch Georg Schachinger jun. und A. Sieder aus Linz sowie Karl Sklona aus Ebensee (Friedrich Morton schreibt 1967 wohl irrtümlich Klone und weist auf die Tages- Post vom 27.8.1911 hin [Höhlen-Chronik von Ludwig Benesch, Teil III, S. 18-19]). Die Sicherungen am Zu- stiegsweg waren wie gewöhnlich durch Lawinen arg verwüstet, der Eingang konnte dennoch unversehrt er- reicht werden. Mit dem vor Ort befindlichen Ponton erfolgte dann die Fahrt über den See bis ganz nach hinten (Tages-Post Nr. 9 vom 13.1.1894, 26. Jg., S. 4). Der tagnahe Abschnitt der Höhle wurde wie folgt be- schrieben: „Im Inneren war es lau wie in einem Treib- hause und vorn an der rechten Seitenwand bot ein Fleck frischesten Grüns aus Hirschzungen und ver- schiedenen Farnen einen überraschenden Anblick. Abb. 10: Historische Aufnahme vom Rötelsee. Weiter unten standen auf dem Boden zusammen- Fig. 10: Historical picture of the Rötelsee. geschmolzene dicke Eissäulen“. Foto: Sammlung B-Tracht, Ebensee Die Höhle / 65. Jg. / Heft 1–4/2014 85
© Verband Österreichischer Höhlenforscher, download unter wwwzobodat.at Fritsch / Die Rötelseehöhle am Traunsee – Die Geschichte ihrer Erforschung und wissenschaftlichen Auswertung noch den alten Sagen (über die welschen Goldsucher 27.9.1967, S. 20) insbesondere eine neue Höhlenform bzw. Venediger-Mandln) verhafteten Mitstreiter durch des für Höhlen typischen Mooses Isopterygium depres- zuvor mit „Schlaglot“ (einer Mischung aus Messing sum (jetzt Taxiphyllum wissgrillii). (Siehe Abschnitt und Zinn) präparierte Lehmklumpen erfolgreich ge- Botanik). narrt hat. Siehe Kapitel Sagen, „Das Gold vom Rötel- 1927: Morton besuchte erneut die Rötelseehöhle, see“. (Die Angaben zum Absaugversuch beruhen auf wobei ihm drei flüchtende Burschen entgegenkamen. der Fotokopie eines unbeschrifteten, vermutlich aus Sie hatten am See eine Kanne Petroleum ausgegossen der Gmundner Zeitung Nr. 10, 1903, stammenden Zei- und angezündet. Dichte Rauchschwaden erfüllten den tungsausschnittes mit dem Titel „Eine Röthelsee-Ex- gesamten Höhlenraum und die einst so prächtigen pedition“. Vergleiche dazu auch Johannes Weidinger Hirschzungen „waren versengt und dem Tode geweiht“ (1999, S. 56). Das anderweitig herumgeisternde Datum (Salzkammergut-Zeitung vom 27.9.1967, S. 20). 8./9. Februar 1903 kann nicht stimmen, denn in der Ebenfalls 1927 erteilte die Forstverwaltung dem Eben- vorliegenden Textkopie wird für den zweiten Aufstieg seer Höhlenforscher Franz Pergar (bekannt geworden ausdrücklich ein Sonntag genannt, der 9.2.1903 war vor allem durch seine Forschungen in der Gassel- aber ein Montag. Tropfsteinhöhle, 1618/3) die Bewilligung, einen Steig 1903: Einer nicht näher bezeichneten Ausgabe der zur Rötelseehöhle anzulegen. Wie weit der im Lage- Gmundner Zeitung folgend, berichtete J. Weidinger plan von Hermann Bock (1930) exakt eingezeichnete (1999) auf S. 57 über eine 1903 erfolgte Befahrung der Zustieg aufgrund dieser Genehmigung hergestellt Rötelseehöhle durch die Laakirchner Fabriksbeamten worden ist, kann heute nicht mehr festgestellt werden Sames und Knechtel. Mittels des vor Ort befindlichen (schriftl. Mitt. von Hubert Trimmel, 1966). Erste Weg- Pontons gelangten sie an den Beginn der damals 4 m verbesserungen – sogar mithilfe von Sprengungen – tiefen Fortsetzung, die aufgrund des günstigen Wasser- gab es ja bereits 1882. standes einen etwa 10 cm hohen Luftspalt frei ließ. 1929: In diesem Jahr soll (den im Bundesdenkmalamt Kleine lichtbestückte Schiffchen wurden in den aufliegenden Unterlagen zufolge) die Nutzung der Schlitz eingeführt und schwammen 8 bis 10 m in den Rötelseehöhle als Wasserspeicher (!) für eine elektri- Gang hinein. Knechtel versuchte schließlich einen sche Kraftanlage in Erwägung gezogen worden sein Schwimmvorstoß, wurde aber, nachdem das letzte (schriftl. Mitt. von Hubert Trimmel, 1966). Lichtschiffchen verlöscht war, im Dunkeln von einem Krampf erfasst und konnte von seinem Freund Sames in letzter Sekunde mit Hilfe der Rettungsleine ge- borgen werden. 10. August 1921: Dr. Friedrich Morton besucht zwecks botanischer Studien erstmals die Rötelseehöhle (Abb. 11). Die Hirschzungen (Phyllitis scolopendrium) gedie- hen noch genau so üppig und am gleichen Platz, wie sie G. Schachinger vor 27 Jahren (1894) beobachtet hatte, erhielten aber z. B. am Besuchstage nur ein Tausendstel des gesamten Tageslichtes; die Wedel waren außerordentlich zart und nahezu durchschei- nend. Der Lichtmangel ist ja bekanntlich einer der wesentlichsten Faktoren für den anatomischen Bau von Pflanzen, die im Eingangsbereich von Höhlen ge- deihen, und es erscheint geradezu unfassbar, mit welch geringen Lichtmengen verschiedene Pflanzen auskommen können (Morton erwähnt, dass er in einer Dachsteinhöhle eine Keimpflanze des Rup- rechtskrautes, Geranium robertianum, gefunden hat, der nur 1/1838 des Tageslichtes zur Verfügung stand). Neben vielen jungen Entwicklungsstadien anderer Farne wie z. B. Asplenium trichomanes (Schwarz - stieliger Streifenfarn) fanden sich in der Rötelsee- Abb. 11: Der Botaniker Friedrich Morton beim Portal der Rötelseehöhle (1921). höhle natürlich auch verschiedene Moose; Morton Fig 11: The botanist Friedrich Morton 1921 at the entrance of nennt in seinem Bericht (Salzkammergut-Zeitung vom the Rötelseehöhle. Foto: K. Moudry. 86 Die Höhle / 65. Jg. / Heft 1–4/2014
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