DIE UMFRAGE-ERGEBNISSE - NEUE "ROTBLAU"-SERIE: BEFRAGUNG DER FCB-FANS
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Der 35-jährige Sozialarbeiter Thomas Gander ist zusammen mit Ornella Pessotto Co-Leiter von «Fanarbeit Basel», wie das einstige «Fanprojekt» heute heisst. In dieser Funktion hat er eine grosse wissenschaftliche Fanbefragung vorgenommen, deren Auswertung wir in «Rotblau» mit einer sechsteiligen Serie teilweise veröffentlichen. Diese Serie starten wir in dieser Ausgabe mit den Umfrage-Ergebnissen. In den nächsten Magazinen folgen die Themen «Fankultur im ‹Joggeli›», «Sicherheitsdebatte und Gewaltthematik», «Massnahmendiskussion», das «Pyro-Dilemma» und zum Schluss das «Fazit». Text: Thomas Gander Neue «Rotblau»-Serie: Befragun Die Umfrage-E Foto: Sacha Grossenbacher
Neue D i e «Rotblau»-Serie: U m f r a g e - E r g e b n i s s e Befragung der FCB-Fans – Teil 1 Der Fussballfan und sein Verhalten ste- hen im Dauerfokus der Medien sowie 50 % der öffentlichen und politischen hoch 45 % emotional geführten Debatte. Der Fan verkommt dabei immer mehr zum 40 % «Sachgut», dessen Meinung ungehört 35 % bleibt. Auf Initiative von «Fanarbeit Basel» und dank der Unterstützung 30 % des FC Basel 1893 und der Fachhoch- 25 % schule Nordwestschweiz konnten FCB- 20 % Fans erstmals zu ihrem Fan-Sein, den (Vor-)Urteilen darüber und zu den 15 % Massnahmenvorschlägen Stellung be- 10 % ziehen. 5% 0% Über 4200 Teilnehmer Kinder Jugendliche Junge Erwachsene Ältere Die Umfrage stiess auf eine sehr grosse (0–14) (15–19) Erwachsene (26–35) Erwachsene Resonanz. Insgesamt 4234 Fans nah- (20–25) (36) men an der Umfrage teil. Diese grosse Datensammlung wurde durch das Insti- Häufigkeitsverteilung nach Alterskatgorie in Prozent. tut für Sportwissenschaft der Universi- tät Bern ausgewertet und in einem Be- Wer hat an der Umfrage teilgenommen? rinnen gegenüber. Mit 93,8 % bestand richt zusammengefasst, aus dem hier die Stichprobe grösstenteils aus Schwei- Auszüge wiedergegeben werden. In Von den 4234 Befragten waren 69,1 % zerinnen und Schweizern. Fans aus den kommenden «Rotblau»-Ausgaben Jahreskartenbesitzer und 28,3 % Gele- dem Sektor D, der Muttenzer Kurve, soll nun Spannendes, Auffälliges und genheitsbesucher. waren in der Stichprobe mit 48,6 % am Kontroverses aus dieser Umfrage prä- Den 81,3 % männlichen Teilnehmern zahlreichsten vertreten. Diese statistische sentiert und kommentiert werden. standen 17,9 % weibliche Teilnehme «Übermacht» ist auch der Grund, in Foto: Klaus Brodhage FCB und seine Fans – derzeit eine bemerkenswerte rot-blaue Einheit. 38 rotblau
Neue «Rotblau»-Serie: Befragung D i e der U m f rFCB-Fans a g e - E r g e b n– i s Teil se 1 Was ist wichtig an einem FCB-Spiel? 100 % 90 % Die Fans wurden zu einzelnen Punkten befragt, was ihnen beim Besuch eines 80 % Spiels des FC Basel 1893 besonders 70 % wichtig ist. Folgende Punkte erhielten dabei ei- 60 % nen sehr hohen Grad an Zustimmung: 50 % 97,9 % der Befragten ist es wichtig, dass das Spiel spannend ist. 99,3 % 40 % schreiben der guten Stimmung und 30 % 93 % dem starken Erlebnis hohe Wich- tigkeit zu. Nur 40 % stufen ein gutes 20 % Rahmenprogramm als wichtig ein. 10 % 40,2 % legen Wert darauf, den Matchbe- 0% such als Ventil (z. B. mal fluchen können) zu erleben. Gute Spannendes Starkes Spektakel Anders sein Ventil Rahmen- Bei den Jugendlichen war mit 52,6 % Stimmung Spiel Erlebnis programm der Anteil jener, denen die Ventil-Funk- Gesamt ohne D-Parkett nur D-Parkett tion des Matchbesuchs wichtig ist, im Vergleich zu den anderen Altersgrup- Was ist an einem Spiel des FCB besonders wichtig? pen deutlich höher. Stimmung, Span- nung und Erlebnis sind also ein starkes den Grafiken das Antwortverhalten für seine Bewegungsfreiheit. Diese auf gemeinsames Bedürfnis aller Befragten der Gesamtheit (gesamt) vom D-Parkett dem Sicherheits- und Ertragsargument und bildet in dieser Kombination wohl (nur D-Parkett) zu unterscheiden bezie- (verschiedene Preissegmente) begrün- auch die Basis für eine treue Anhänger- hungsweise ohne D-Parkett darzustellen. dete künstlich geschaffene Trennung schaft und fordert einen Fussballclub Die Teilnehmer waren im Durch- und die daraus entstandenen «Fanräu- täglich heraus. schnitt 33,6 Jahre alt. 2,3 % waren Kinder me» – mit ihren teilweise anderen (0–14 Jahre), 15,5 % Jugendliche (15–19 Verhaltensmustern und Interessen – Jahre), 17,7 % junge Erwachsene (20–25 müssten eigentlich in der Debatte um Gründe, keine Jahreskarten Jahre), 23,1 % Erwachsene (26–35 Jahre) Fanverhalten miteinbezogen und auch oder Matchtickets zu kaufen und 41,4 % waren ältere Erwachsene kritisch hinterfragt werden, was aber (≥36 Jahre). kaum stattfindet. Wieso nicht ein Es wurden auch Gründe abgefragt, wel- Wenn man sich die Altersverteilung Versuch im St. Jakob-Park die Sekto- che die Fans davon abhalten könnten, in in den einzelnen Sektoren anschaut, ren C und D wieder gegenseitig zu öff- Zukunft eine Jahreskarte oder ein Match- gibt es einige Unterschiede. Im Sektor C nen? ticket zu kaufen. Die Abbildung zeigt, waren die über 36-Jährigen mit einem Anteil von 64,3 % überdurchschnittlich 100 % häufig vertreten. Im Sektor D Balkon ge- hören überdurchschnittlich (42,8 %) zu 90 % der Gruppe der 26- bis 35-Jährigen. Die 80 % Jugendlichen (27,8 %) und die jungen Erwachsenen (33,8 %) sind dagegen im 70 % Sektor D Parkett überdurchschnittlich 60 % repräsentiert. Die Zahlen lassen Rückschlüsse auf 50 % die Alterszusammensetzung der Sekto- 40 % ren zu und untermauern beispielsweise die Bezeichnung der Muttenzer Kurve 30 % (Parkett) als Sozialraum einer von Ju- 20 % gendlichen und jungen Erwachsenen 10 % dominierten Gruppe. Durch den Neu- bau eines Stadions – mit undurchlässi- 0% gen Sektoren – sind zudem Räume ent- Keine MK Sicherheits- Höhere Kommerzia- Zunehmende Schlechte Misserfolg standen, die jeweils von einer Alters- mehr massnahmen Ticketpreise lisierung Gewalt Spiele des FCB gruppe dominiert werden und eine Durchmischung schwieriger machen. Gesamt ohne D-Parkett nur D-Parkett Das alte «Joggeli», das noch keine Sektorentrennung kannte, war bekannt Was könnte Sie davon abhalten, in Zukunft eine Saisonkarte oder ein Matchticket zu kaufen? rotblau 39
Neue «Rotblau»-Serie: Befragung D i e der U m f rFCB-Fans a g e - E r g e b n– i s Teil se 1 100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0% gegen Rassismus Friedliche Spiele gegen Sexismus Zusammenhalt Gemeinschaft gegen Gewalt Konfrontation Leidenschaft Fanatismus Autonomie Emotionen Fairness Loyalität Toleranz Respekt Freiheit Einsatz Familie Freude Liebe Stolz ohne D-Parkett nur D-Parkett Welche Begriffe bringen Sie mit dem Ausleben Ihres FCB-Fan-Seins in Verbindung? dass nur 6 % «Misserfolg in der Meister- zustimmten, auch vergleichsweise tief. massnahmen» (56,3 %) sowie «keine schaft» als zutreffend ankreuzten, was Einen etwas höheren Anteil an Zustim- aktive Muttenzer Kurve mehr» (62,8 %). auf eine hohe Clubbindung hindeutet. mung erhielten die Gründe «fortschrei- Darüber hinaus gaben 49 % an, dass Bei «schlechte fussballerische Spiele» tende Kommerzialisierung des Fuss- «zunehmende Gewalt um das Stadion» (27,6 %) war der Prozentsatz jener, die balls» (49,2 %), «weitere Sicherheits- für sie ein Grund sein könnte, den Spie- Eine von vielen fantastischen Fan-Choreos im Joggeli. rotblau 41
Neue D i e «Rotblau»-Serie: U m f r a g e - E r g e b n i s s e Befragung der FCB-Fans – Teil 1 Plattform Fussball für Emotionen und Gemeinschaftsgefühl. len fernzubleiben. Dabei zeigte sich blosse Zuschauen geht, sondern dass eine starke Diskrepanz zwischen älte- Erfahrungen das Fan-Sein prägen, die ren Erwachsenen, von denen 69,2 % weit über das blosse Konsumieren eines zunehmende Gewalt als Grund an- Fussballspiels hinaus gehen. Die im Ver- kreuzten, und den jungen Erwachse- gleich zum Rest der Befragten höheren nen (31,6 %) beziehungsweise den Werte der «D-Parkett Gruppe» bei den Jugendlichen (26,1 %). «Höhere Ticket- Begriffen Freiheit, Autonomie, Liebe preise» würden 53,8 % der Befrag- und Konfrontation kann als Zeichen ge- ten vor zukünftigen Matchbesuchen deutet werden, dass gesellschaftskri abhalten. Auffällig war hier eine Diskre- tische Tendenzen der heutigen Jugend- panz zwischen Jahreskartenbesitzern lichen – quasi als Gegenpart zu der (46,5 %) und Gelegenheitsbesuchern heutigen individualisierten und nach (71,9 %), die auf die Preisunterschiede Leistung strebenden Gesellschaft – be- der Jahreskarten im Vergleich zu den wusst oder unbewusst auch ins Stadion Einzeleintritten zurückzuführen sein respektive in die Fankurve hinein getra- kann. gen werden und auch als bewusste Foto: zvg Unterscheidung zur gesellschaftlich do- minierenden Kultur verstanden werden Welche Begriffe bringen Sie mit dem kann. Zur Person: Der Autor der Serie Ausleben Ihres FCB-Fanseins in Grundsätzlich bildet der Fussball Name: Thomas Gander Verbindung? eine Plattform, die neben den Emotio- Geburtstag: 2. April 1976 nen von Tausenden auch das Gemein- Bürgerort: Basel Wohnort: Basel Diese zugegebenermassen nicht ganz schaftsgefühl und ein Identifikations Erlernter Beruf: Kaufm. Angestellter/ einfache Frage stellt den Abschluss des bedürfnis befriedigen. Diese Kombina- Sozialarbeiter FH Fragebogenteils über das «eigene Fan- tion macht den Fussball für viele Bisherige verhalten» dar. Die Abbildung zeigt, zum Erlebnis und manchmal auch für Tätigkeiten: Projekt Assistent UBS AG dass vor allem identitäts- und gemein- alle Beteiligten zur Herausforderung. Wissenschaftlicher Mit- schaftsstiftende Begriffe einen hohen Dann nämlich, wenn dieses Zusam- arbeiter Uni Neuenburg, Leiter Fachstelle Kinder- Zustimmungsanteil erhielten. Die menspiel von Reizen für einmal näm- und Jugendarbeit der durchwegs hohe Zustimmung, zum Bei- lich nicht Begeisterung und Freude röm.-kath. Kirche Basel- spiel bei den Begriffen Gemeinschaft, weckt, sondern auch die destruktiven Stadt Loyalität, Zusammenhalt und Toleranz, und überbordenden Kräfte, die in je- Heutige Berufe: Co-Leiter Fanarbeit Basel, könnten aufzeigen, dass es beim Fuss- dem von uns stecken, zum Vorschein Geschäftsführer Fanarbeit Schweiz ballbesuch eben nicht «nur» um das treten lassen. 42 rotblau
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