Diffraktion, Individuation, Spekulation - Julia Bee; Jennifer Eickelmann; Katrin Köppert - media/rep
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Repositorium für die Medienwissenschaft Julia Bee; Jennifer Eickelmann; Katrin Köppert Diffraktion, Individuation, Spekulation 2020 https://doi.org/10.25969/mediarep/13648 Veröffentlichungsversion / published version Zeitschriftenartikel / journal article Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Bee, Julia; Eickelmann, Jennifer; Köppert, Katrin: Diffraktion, Individuation, Spekulation. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft. Heft 22: Medium | Format, Jg. 12 (2020), Nr. 1, S. 179– 188. DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/13648. Nutzungsbedingungen: Terms of use: Dieser Text wird unter einer Creative Commons - This document is made available under a creative commons - Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0/ Attribution - Non Commercial - No Derivatives 4.0/ License. For Lizenz zur Verfügung gestellt. Nähere Auskünfte zu dieser Lizenz more information see: finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/
— DIFFRAKTION, INDIVIDUATION, SPEKULATION von JULIA BEE / JENNIFER EICKELMANN / KATRIN KÖPPERT wissenschaftlicher Praxis einhergehen. Mein Beitrag zu diesem Text positioniert sich als transdisziplinäre und gender- / queertheoretische Perspektive zwischen Medienwissenschaft und Soziologie. Er folgt der Method(ologi)e der Diffraktion, auch wenn die Produktivität dieses Ansatzes wohl nur angedeutet werden kann. Ausgehend von der Annahme, dass auf Grenzen angewiesene Eindeutigkeiten auf komplexen Interferenzen beruhen, wird der Versuch unter- nommen, Prozesse der Grenzziehung zum Ge- genstand zu machen.3 Das scheint nicht zuletzt deswegen produktiv, da die Sozialwissenschaften nicht selten als Abgrenzungsfolie medienwis- senschaftlicher Vergewisserungen angeführt werden.4 So können zum einen Grenzziehungs- prozesse thematisiert und zum anderen Vorschlä- DIFFRAKTION, ODER: ge für andere Zukünfte gemacht werden. WIE DIE BEUGUNG DER METHODENFRAGE DIE FRAGE DER METHODE VERÄNDERT Das Subjekt des Methodendiskurses In den Sozialwissenschaften gehören ‹Metho- Feministische Verantwortlichkeit erfordert denfragen› längst zu einem zentralen Bereich. ein Wissen, das auf Resonanz und nicht auf Methodenschulen erfüllen die Funktion, in Lehr- Dichotomie eingestellt ist.1 büchern präsentierte Verfahrensweisen inner- halb sozialwissenschaftlicher Disziplinen und Das ökonomische wie politische Begehren 2 nach durchaus auch darüber hinaus zu verbreiten – als insbesondere disziplinär rückgebundenen me- ‹Methodenexporte›. thodischen Verfahrensweisen wirft Fragen nach Die Frage, wie Theorie zur Anwendung Anerkennungsordnungen auf. Kaum abzustrei- gebracht werden kann und soll, ist dabei bereits ten ist, dass die aktuelle Situation disziplinäre dermaßen spezialisiert, dass bestimmte episte- Fachverständnisse offenkundig werden lässt, die mologische Grundannahmen zwar unweigerlich mit Grenzziehungen und (De-)Legitimationen mitlaufen, aber in manchen Methodendiskursen DEBATTEN 179
JULIA BEE / JENNIFER EICKELMANN / KATRIN KÖPPERT nur selten zur Diskussion stehen. Auf entspre- wird. Es geht um ein anderes Problem: In der chende Situierungen wird leider vielerorts empirischen Sozialforschung wird wissenschaft- verzichtet, was es deutlich zu problematisieren liche Praxis zumeist als Zusammenkunft eines gilt. Aber es wäre zu kurz gegriffen zu behaupten, forschenden Subjekts und eines zu erforschenden in diesem Rahmen würden zuvorderst instru- Objekts konzeptualisiert, wobei das forschende mentelle Fixierungen vorgenommen.5 Innerhalb Subjekt sich im Prozess als Problem erweist. Ver- soziologischer Methodendebatten, insbesondere meintliche Defizite wie Willkürlichkeit, Affizier- im Kontext der qualitativen Forschung, gelten barkeit und zum Teil auch Unkontrollierbarkeit Abweichungen von ‹idealtypischen› Verfah- werden (im deutschsprachigen Diskurs) häufig rensweisen, je nach Situation und Material, sehr als Problem der Vermittlung begriffen, wobei wohl als legitim, zum Teil sogar als unausweich- ebenjene Vermittlung auf das involvierte Subjekt lich. Diese methodischen Spielräume werden zurückgeführt wird. Mithilfe von Methoden wird in sozialwissenschaftlichen Methodendiskursen in die Zusammenkunft von forschendem Subjekt zuvorderst unter Rekurs auf die Figur der ‹Refle- und zu erforschendem Objekt eine (wie auch xivität› thematisiert, die auch in der Medienwis- immer geartete und zum Teil auch nur rhetori- senschaft relevant ist und von unterschiedlichen sche) Rationalität implementiert: Verfahrens- Stimmen aufgerufen wird. Mit Blick auf die spezifikationen regulieren das forschende Subjekt Funktion des Begriffs in der Soziologie ist jedoch und damit die wissenschaftliche Praxis selbst.7 festzustellen, dass die Spiegelung von Setzungen Jenseits der Frage, ob methodische Regulierun- und Festschreibungen im Kontext empirischer gen abzulehnen oder zu verteidigen sind, sind Forschungsdesigns unter Rekurs auf die Figur Weiterentwicklungen der Debatte insbesondere der ‹Reflexivität› ebendiese zwar idealerweise dann zu erwarten, wenn die Frage der Metho- sichtbar macht, aber eben auch selten Anderes den nicht etwa zur Entscheidung zwingt, ihnen evoziert. Vor dem Hintergrund repräsentations- entweder grundsätzlich zu misstrauen 8 oder sie kritischer Ansätze im Allgemeinen und im Zuge als «Problemlöser» zu überschätzen,9 sondern einer Methodologie der Diffraktion im Beson- alternative Methodenverständnisse entwickelt deren lässt sich die Figur der Reflexion bzw. Re- werden – und das meint auch «die Imagination flexivität also insbesondere deswegen problema- der Zukünftigkeit von Vergangenheit in der Ge- tisieren, da sie nicht etwa an anderen Zukünften, genwart», wie Katrin Köppert in ihrem Beitrag sondern an der Spiegelung des Immergleichen betont. Die dualismus- wie subjektkritischen orientiert ist. Mit der Metaphorik der Diffraktion Einsätze der feministischen Theorie versprechen hat Donna J. Haraway eine Denkweise vorge- alternative Sichtweisen, die Auswege aus einer schlagen, welche in Abgrenzung zur Metaphorik verengten Methodendebatte bieten können. Die des Spiegels die Dinge anders zur Erscheinung Beugung eben jenes Dualismus im Sinne der von bringt. Diese Denkweise wäre eine gewinn- Haraway vorgeschlagenen Heuristik der Dif- bringende Alternative für Methodendebatten fraktion kann so beispielsweise zutage fördern, sowohl in der Medienwissenschaft als auch in den dass wir es hier zwar mit gegenläufigen Bewer- Sozialwissenschaften, denn: «[…] reflexivity is tungen der regulativen Kraft von Methoden zu not enough to produce self-visibility».6 Um diese tun haben, diese allerdings gleichermaßen an der Setzungen zu problematisieren, reicht eine Un- Re-Souveränisierung von Subjektivität arbeiten. mittelbarkeitsskepsis, wie sie in medienwissen- Während eine grundsätzliche Methodenskepsis schaftlichen Diskursen fest etabliert ist, nicht aus, an der Re-Souveränisierung von Subjektivität da hier gerade keine Unmittelbarkeit behauptet mithilfe der Befreiung von Methoden arbeitet, 180 Zf M 22, 1/2020
DIFFRAKTION, INDIVIDUATION, SPEKULATION leistet der Diskurs, der Methoden als notwendi- darum, Bewegungen zu initiieren, Denkweisen ges Regulativ begreift, der Re-Souveränisierung zu hinterfragen, Gewohnheiten zu irritieren. von Subjektivität mithilfe von Methoden Vorschub. Mit Haraway und unter Rekurs auf das Konzept Letztlich sind beide auf einer «vehement vertei- des situierten Wissens gerät wissenschaftliche digten Subjektposition»10 basierenden Positionen Praxis als produktives Involviertsein in den miteinander verschränkt. Denn die Komplexität Blick, die Generativität ebenjener Praxis kann der Methodenfrage wird zugunsten der Gegen- nicht in Subjekten und ‹ihren› Objekten aufge- überstellungen von Zwang / Freiheit bzw. Pro- hen, sondern stellt unterschiedliche Diskurse, blem / Lösung verengt, die sich nicht zuletzt in Wissenschaftspraktiken, Technologien und Subjektivitätsvorstellungen materialisiert. Körper in ihrem wechselseitigen Werden her- So betrachtet lässt sich auch die politische aus.14 Vereindeutigungen und Grenzziehungen Dimension der Debatte besser darstellen: Denn geraten so als Machtverhältnisse in den Blick, Methodendiskurse dienen auch einer Art der denen nicht etwas entgegen-, sondern neben Profilierung im wissenschaftlichen Feld, die das die etwas gesetzt werden muss. Letztlich scheint Phantasma souveräner Verfügungsgewalt re- es produktiv, Phantasmen der Souveränität und produziert: entweder über sich selbst bzw. über Verfügungsgewalt samt ihrer legitimierenden Theorien (jenseits methodischer Zwänge 11 ) Kraft in wissenschaftlichen Diskursen als solche oder eben über Methoden (im Sinne der ‹reflek- sichtbar zu machen und Alternativen zu entwi- tierten› Anwendung von Verfahrensweisen und ckeln. Dies kann nur mit partialen Zugängen damit «prozeduraler Legitimation»12). zwischen Epistemologie und Ontologie gelingen, Entsprechend scheint die Frage vielverspre- die wissenschaftliche Praxis als prekäre, d. h. chend: Was, wenn das Methodenproblem nicht grundlegend relationale, Praxis begreifen. Damit als genuines Problem der Verfahrensweisen dis- wäre ein Weg eingeschlagen, der zu inter- und kutiert wird, sondern als Subjektivitätsproblem? transdisziplinären Randgängen einlädt, ließe sich dabei doch besonders gut über Zukünfte jenseits Verbindungen eingehen! souveräner Subjektivität diskutieren. Die Dezentrierung des Subjekts kann als einer Denkt man wissenschaftliche Praxis jenseits der wichtigsten Anker gendertheoretischer starrer disziplinärer Grenzen, erscheint eine Argumentationen in Anlehnung an beispielsweise Vielfalt an Verbindungsmöglichkeiten, die es Michel Foucaults Subjektkritik benannt werden.13 erlauben, Geschichten gemeinsamen Werdens Es gilt daher einmal mehr, die Produktivität zu entwickeln, über die wir letztlich eben nicht unterschiedlicher Ansätze im Feld der Gender vollständig verfügen. Das ist im Übrigen auch Studies herauszustellen und für unterschiedliche der Grund, warum die Gender Studies ohne dis- Disziplinen fruchtbar zu machen, bieten sie doch ziplinäre Vereindeutigungen auskommen, auch gerade Anregungen für eine wissenschaftliche wenn die förderpolitischen Bedingungen diesen Praxis jenseits der Zentrierung des (als souverän Vorzug meistens (noch?) nicht anerkennen. imaginierten) Subjekts und jenseits der Aktuali- sierung altbekannter wie machtvoller Dualismen. JENNIFER EICKELMANN Eine alternative Denkweise wäre es, Metho- den nicht zuvorderst als Regulativ zu begreifen (und damit weder als Zwangsjacke noch als Pro- blemlösung), sondern als produktives Moment. Wie Julia Bee in ihrem Beitrag schreibt, geht es DEBATTEN 181
JULIA BEE / JENNIFER EICKELMANN / KATRIN KÖPPERT als Einschränkung einer Freiheit der Wissens- produktion empfunden. Diese gilt es heute wie- der stark gegen den Umbau hin zur neoliberalen Universität einerseits und andererseits gegen rechte Bewegungen und ihre Antigenderismen und Antiintellektualismen zu verteidigen. Die Angst vor der Disziplinierung der Methoden gilt allerdings nur, wenn man Methoden als Korsett oder als eine Art Automatismus versteht, als Protokoll, welches man zur Fragestellung dazu- addiert, etwas Sekundäres oder dem Ergebnis (sogar der Welt!) Übergestülptes. Seit einigen Jahren und durch den Einfluss Karen Barads und des New Materialism werden Wissen und Apparate der Wissensproduktion zusammengedacht. Dies betrifft auch eine prekär werdende Grenze zwischen Subjekt und Objekt der Wissensproduktion.15 Forscher_innen haben INDIVIDUATION, ODER: VOM METHODENPROBLEM ihre eigene Subjektivität schon früher in die Ana- ZUM METHODENEXPERIMENT lyse eingetragen – so wie dies Valerie Walkerdine Ich beginne mit zwei Fragen, die möglicher- und Vertreter_innen der Cultural Studies auf weise naiv klingen mögen. Dabei möchte ich faszinierende und produktive Weise in den 1980er daran erinnern, dass wir es in der Diskussion um Jahren durch die Analyse ihrer Klassen- und Methoden mit einer komplexen Gemengelage Geschlechterposition praktiziert haben.16 Subjek- an Anrufungen und Diskursen, also machtvollen tivität schreibt sich aber nicht nur in Ergebnisse Gefügen zu tun haben. ein: Forschungs- und Subjektivierungsprozesse Wie kam es eigentlich dazu, dass das Nicht- beeinflussen sich wechselseitig.17 Diese Überle- anwenden einer Methode als Freiheit gilt? Und gungen ermöglichen eine Situierung, indem sie warum nutzen wir diesen Raum hier nicht, um der Methode eine Agency zusprechen, die weder uns gegenseitig unsere Methoden vorzustellen automatisch noch von ihr abgelöst ist. Methoden und neue zu erproben? Die erste Frage kann ich verkörpern nämlich genuine Probleme der Me- in diesem Rahmen nicht vollständig diskurs- dialität der Wissensproduktion. Methoden sind analytisch zurückverfolgen, aber ich vermute, es Operationen, die die Praxis der Forschung privi- hat etwas mit der Wahrnehmung der Äußerlich- legieren.18 Sich auf ein Denken durch Methoden keit von Methoden gegenüber den Medienwis- einzulassen, heißt auch, vom Ergebnis zur Pro- senschaften und dem Ergebnis der eigenen For- zessualität überzugehen. Es trägt die Immanenz schung zu tun. Methoden werden aus anderen eines Denkens durch Operationen und Techniken Fachdisziplinen oder von Förderinstitutionen als ein. Methoden können so Strategien der Entes- aufgenötigt empfunden. Dies hat etwas damit zu senzialisierung sein. Methoden wären daher vor tun, wie auch in dieser Debatte häufiger erwähnt allem eine Möglichkeit, Wissens- und Subjektpro- wurde, dass wir eigene Methoden haben, die duktion zu reflektieren oder sogar – wenn man nicht als solche anerkannt wurden. Die Anru- einer distanzierten Reflexion kritisch gegenüber- fung, Methoden anzuwenden, wird infolgedessen steht – zu intensivieren.19 182 Zf M 22, 1/2020
DIFFRAKTION, INDIVIDUATION, SPEKULATION Ich plädiere daher dafür, Methoden nicht denn nun wolle, dass alle ‹meine› Methode (die als Korsett einer einmalig etablierten Anzahl von im Übrigen aus der Soziologie Helmut Bremers Operationen zu sehen, die sich immer wieder und Christel Teiwes-Küglers stammte und von abspielen lassen. Ganz im Gegenteil, mit dem Stephan Trinkaus und Gerko Egert in das weitere Methodendenken 20 wird das Privileg, sich un- Feld der Bildtheorie übertragen wurde) anwenden sichtbar zu machen, in Frage gestellt. sollten.24 Diese Frage hat mich stets gewundert. Wie Jennifer Eickelmann in diesem Text Warum sollte eine Methode unendlich viele schreibt, sollten Methoden daher auch wissen- andere mögliche Verfahren ersetzen oder stan- schaftshistorisch in ihren Kontexten gesehen dardisieren, anstatt neue Methoden zu inspirieren werden. Unter anderem aus der Soziologie,21 von und deren Erprobung zu ermutigen? Erfinden wir der man sich ja als Medienwissenschaft emanzi- doch weitere Methoden für kommende Unter- pieren wollte, und aus der Ethnologie wissen wir, suchungen. Für mich war das Verfahren von Col- dass Methoden kontextsensibel sind. Gegenstand lagen und Interviews ein ermöglichendes Gefüge, und Methode stehen in einem engen Wechsel- anhand dessen ich zeigen konnte, wie Wissen als verhältnis, sodass sie ein Gefüge bilden. Das ist spezifisch medialisiertes artikuliert wird (anstatt es schon das Prinzip der grounded theory. Wenn wir nur anders ‹auszudrücken›). Und dass das Wissen offen gegenüber diesen seriellen wechselseitigen und die Affektivität der Rezipient_innen diesem Operationen der Übersetzung sind, dann können partikularen Methodengefüge nicht vorausgeht. wir uns noch stärker von einem fixierten und ge- Natürlich bringt dieser empirische Methoden- genständlichen Wissensbegriff lösen und Wissen einsatz eine enorme Verantwortung mit sich. Ich selbst als situierte Prozessualität verstehen. Wir wurde «Fürsprecherin»25 eines Rezeptionswissens können uns nicht auf einen Punkt außerhalb der der Teilnehmenden und die Collagen wurden Methode zurückziehen, an dem es keine Ver- ihrerseits zu meinen Fürsprecherinnen. Nicht eine fahren, sondern nur Ergebnisse gibt. Methoden spricht für die andere. Vielmehr entsteht eine in- schreiben sich in das ein, was wir als Ergebnis in dividuierende «Serie»26 aus Subjektivierungen und Forschungsberichten oder in Texten artikulie- Medialisierungen, nicht aus Objekten. Aber ist ren. Und noch stärker formuliert: Sie sind selbst dies nicht in anderen Forschungsprozessen auch Quelle neuen Wissens, Vehikel der Spekulation, so? Jeder Forschungsprozess stellt ein spezifisches anstatt neutrales Drittes.22 Gefüge dar. Die Entwicklung, Durchführung, ste- In Gefüge des Zuschauens habe ich das Anfer- tige Modifikation und Diffraktion ermöglicht uns, tigen von Collagen als Methode der Rezeptions- nicht nur unseren Standpunkt wahrzunehmen, forschung genutzt.23 Ich habe die Collagen nicht sondern ihn auch zu produzieren. Diese Stand- als wahrhaftigere Zugänge zu einer Wirklichkeit punkt- und Wissensproduktion beschreibt die verstanden, sondern als Produzentinnen und Medialität der Methode. Die feministische Wis- Agentinnen, die spezifische Formen von Rezep- senschaftsforschung hat seit Jahrzehnten darauf tionserfahrungen erst durch ihre spezielle Weise hingewiesen. Umso erstaunlicher ist es, dass sie der Medialität hervorgebracht haben. Sie haben bis jetzt noch keinen Eingang in die Methodendis- den Rezipient_innen und auch mir eine andere kussion hier gefunden hat. Denn wir wenden als Weise der Artikulation angeboten. Durch die Wissensproduzent_innen immer eine Methode an, Methode der Bildforschung wurde deutlich, so wie wir uns niemals außerhalb der Produktion dass mit anderen Methoden ein anderes Wissen von Geschlecht und Geschichte befinden.27 hervorgebracht wird. Die Methode situierte das Wie Gilles Deleuze und Félix Guattari eupho- Wissen. Immer wieder wurde ich gefragt, ob ich risch schreiben: «Tausend kleine Geschlechter».28 DEBATTEN 183
JULIA BEE / JENNIFER EICKELMANN / KATRIN KÖPPERT Und damit: Tausend kleine Methoden. Deleuze die Anwendbarkeitszumutungen der Neolibera- und Guattari sehen Differenzierung, etwa in lisierung der Universität ebenso in Frage stellen Geschlechter, als produktives Vehikel des Wer- wie das disziplinierende System der Standardi- dens und als Frage der Techniken (Wie etwa ein sierung von Wissenschaftsprozessen. Dies heißt Hund werden? Wie ein Wal?). Diese Techniken nicht, dass sie die Intersubjektivität und Objek- sind Wissensformen im Sinne Karen Barads.29 Ich tivität von Wissenschaft unterlaufen. Wie Donna würde mit Gilbert Simondon hinzufügen, dass sie J. Haraway argumentiert, ist Objektivität nicht bewegliche Ontogenesen sind,30 die Dinge in Be- das Gegenteil von Subjektivität.33 wegung bringen, Denkstrukturen und Gewohnhei- Wenn wir die Materialität und Medialität von ten hinterfragen, neue Beziehungen knüpfen, die Apparaten beschreiben, warum tun wir dies so Menschen und Akteur_innen einbeziehen. Jeder ungerne mit den Prozessen und Praktiken, die Forschungsprozess wäre auch immer eine gleich- diese überhaupt erst herstellen oder neu herstel- zeitige Entwicklung von Methoden und Individua- len, umarbeiten etc.? Darauf ist ja nicht nur die tionen. Methoden sind keine Instrumente, um zum ANT geeicht, sondern vor allem feministische Ergebnis zu kommen, sie sind kein abgegrenztes STS . Was ist etwa mit Filmen – sind sie nicht Drittes zwischen Welt und Wissen über Welt, auch, z. B. im Bereich der Visuellen Anthropo- Methoden bilden ein Milieu der Techniken und da- logie – eine Methode, eine spezifische Existenz- mit neue Weisen, sich mit der Welt und denen zu weise? Sie sind Prozess der Wissensproduktion verbinden, die Wissen wollen (also auch begehren). und Gegenstand zugleich. Wie es schon aus den Kann es also sein, dass die berechtigte interventionistischen und aktivistischen Ver- Warnung vor einem Methodenhype (angesichts fahren des cinéma vérité bekannt ist, verändern sie der befürchteten Fremdbestimmung durch die die Wirklichkeit, die sie erforschen. Sie ermög- Ökonomisierung des Wissens) eigentlich auch lichen aber auch durch kollaborative Prozesse eine Angst vor der Kreativität der Methoden neue Existenzen und neue Selbstbezüge, indem mitschleift? Vor der Veränderung, die damit ein Filmdreh zu einer Weise der Subjektivierung eintritt, wenn ich Bilder, Filme, Schreibprakti- statt der Objektivierung werden kann. Auch hier ken und andere Techniken als gleichberechtigte sind Machtverhältnisse immanent. Akteur_innen der Vermittlung betrachte? Oder Der Rückbezug auf das eigene Handeln was passiert, wenn ich die Techniken und das ermöglicht in der Methode auch eine Weise der Wissen von Künsten ernst nehme, als mögliche (temporären, situierten) Subjektivierung. Diese Partner_innen in der Produktion von Wissen?31 trägt die Spezifität und damit Materialität und Und ist es nicht vielleicht auch eine Angst vor der Medialität des Wissens – seiner Produktion, aber Kontingenz von Wissen, dass es eine Pluralität auch seiner Präsentation –, etwa als Film, Foto- medialer Verfahren und damit Techniken gibt, die strecke, Essay, in das Ergebnis ein. Wissen ganz ‹anders› produzieren, um eine Idee Ein experimenteller Dialog über Methoden von Kathrin Busch zu verwenden?32 Ich denke, auf schließt nicht neue Kämpfe um Deutungshohei- diesem Weg gibt es viele notwendig anstehende ten aus, wie sie Wissenschaft von jeher prägen. kritische Interventionen und neue Probleme. Aber was ist die Alternative? Wir haben keinen Methoden sind gerade keine Fertigpakete, neutralen Punkt, von dem aus wir keine Methoden obwohl sie häufig so gelehrt werden. Gleichwohl anwenden können. Als Medienwissenschaft- müssen sie, um als Verfahren zu bestehen und ler_innen sind wir ja eigentlich gewohnt, genau Wissen zu produzieren, eine innere Konsistenz diese Hierarchisierungen und die Unsicht- aufweisen. Sie können in ihrer Mannigfaltigkeit barmachung von Konstruktionsprozessen von 184 Zf M 22, 1/2020
DIFFRAKTION, INDIVIDUATION, SPEKULATION Ideen (und übrigens auch von allen Apparaturen, ein Beitrag, der – da er nicht Teil des Debat- Körpern und Waren) zu hinterfragen. Aus einem tenteils ist – als Referenztext für alle bisherigen philosophischen (und keinesfalls ökonomisti- Folgebeiträge herausgefallen ist.35 Zufall? Oder schen) Pragmatismus heraus möchte ich etwas symptomatisch für einen Diskurs, der lieber über zugleich sehr Einfaches und sehr Komplexes Methode im hierfür vorgesehenen Kasten nach- vorschlagen: Lasst uns eine Vielzahl an Methoden denkt, als mit ihr zu denken, als mit der Methode ausprobieren, modifizieren, austauschen, aber des Umwegs zu denken? Lesen auf Umwegen. auch verwerfen, kritisieren und neu erfinden. Der Umständlichkeit halber. Umstände machend. Lasst uns Räume etablieren, in denen Experimen- Eine feministische Spaßverderberin 36 zu sein, ist te möglich werden und Methoden nutzen, um kein Selbstzweck, keine «‹Protestmethodik›»,37 Wissenschaft und Welt immer wieder zu befragen sondern der ernsthafte Versuch, Fürsprecherin und diese dabei affirmativ zu vervielfältigen. einer Disziplin zu sein, die nicht zum Zwecke der Selbstvergewisserung «Kittler» sagen muss, um JULIA BEE Medienwissenschaft zu meinen. Also lese ich auf Umwegen und kann mich überhaupt nur von dort aus ins Verhältnis setzen zu dem, was innerhalb der deutschsprachigen GfMedienwissenschaft so dringend unter dem Aspekt Methode zu diskutie- ren notwendig scheint. Witzigerweise erscheint an diesem Ort – wie auch bei Jennifer Eickelmann in diesem Text – das, was im Initialtext der Debat- te als Problem nahezu heraufbeschworen wird, als fast nicht mehr erwähnenswerte Selbstverständ- lichkeit. Ja, Medientheorie bedient sich wissen- schaftlicher Praktiken, die mit «unterschiedlichen Techniken des Selbst und der Organisation von Wissen, Arbeitsabläufen und Werkzeugen» verbunden sind, schreiben Naomie Gramlich und Annika Haas in «Situiertes Schreiben mit Haraway, Cixous und Grauen Quellen» und ergänzen, dass diese Praktiken im Zusammenhang «mit wechselnden ökonomischen Bedingungen und sich ändernden sozialen Gefügen» erfolgen.38 Fertig. Aus. Methode, die bei den beiden Autorinnen SPEKULATION, ODER: METHOD COMES IN als Ausgangspunkt unmissverständlich gesetzt FORM OF STORY TELLING 34 und lediglich hinsichtlich der (ästhetischen) Die Aufforderung für dieses kleine Fragment hier Form von Situierung diskutiert wird, wird bei lautet: situiertes Schreiben nicht nur als Konzept Christoph Engemann, Till A. Heilmann und und Kriterium betrachten, sondern als Form. Florian Sprenger wieder zum phantasmatischen Der Form halber: Im selben ZfM-Heft, in dem Szenario. But why? Was ist die Funktion dessen, die neuerliche Methodendebatte der Medien- Methode wieder zum Problem zu machen? 39 wissenschaften angestoßen wurde, befindet sich Was ist die Operation, Methode als Trugbild am DEBATTEN 185
JULIA BEE / JENNIFER EICKELMANN / KATRIN KÖPPERT Horizont einer Medienwissenschaft im vermeint- anderer zurückgeht oder als Erfahrungswissen lichen Umbruch aufscheinen zu lassen? Geht es des Selbst im Archiv eine Leerstelle darstellt? hier wirklich um eine Kritik an der Neolibera- Fragst du dann immer noch danach, ob es Me- lisierung von Universität, die uns ins Korsett Me- thoden braucht? Oder bleibt dir nur Methode, thode zwängt bzw. die Verengung auf empirische um nicht länger Forschungsgegenstand zu sein, Verfahrensweisen in digitalen Zeiten beschert? sondern in der Praxis wissenschaftlicher Verfah- Man müsste hier im Anschluss an Foucault in die ren Teil eines Prozesses zu werden, der Subjekti- kritische Analyse der Problemstellung einsteigen, vierungen erlaubt, wie es Julia Bee in diesem Text also in die Auseinandersetzung mit dem Prozess schreibt. Aus Perspektive der Marginalisierung der Problematisierung, der Aufschluss über die ist Methode kein Problem, sondern eine Notwen- aktuell wirksamen gesellschaftlichen Konstruk- digkeit, sich subjektivieren zu können. tionsweisen geben kann.40 Aber das ist hier ja kein Doch wie finden marginalisierte Menschen Raum für Diskursanalyse, sondern eine Debatte. Zugang zu einer Welt, die sich immer schon als Außerdem spekuliere ich lieber. Und zwar der falsch erwiesen hat? 44 Mittels welcher Methoden, Form halber. Denn lässt sich nicht vielleicht anhand welcher Subjektbegriffe? Und was be- in der Form der Spekulation eher noch eine kriti- deutet dies im Umkehrschluss für diejenigen, sche, situierte Medienwissenschaft herstellen als denen das Privileg zufällt, in der Welt zu leben, in der Anrufung eines Problems? die die Welt lebt? 45 Die Spekulation geht so: Ich schätze mal, dass Hartman fragt: «[H]ow does one rewrite mit der Problemstellung Methode ein gewisses the chronicle of a death foretold and anticipated, Privileg fortgeschrieben werden soll. Nämlich as a collective biography of dead subjects, as sich leisten zu können, in den Raum zu stellen, a counter-history of the human, as the practice auf epistemologische Grundlagen verzichten zu of freedom?»,46 und beantwortet ihre Frage mit können, auf Quellen, auf das Archiv.41 Ich schätze dem (Schreib-)Verfahren der kritischen Fabu- mal, dass eine solche Haltung nur aufgrund lation. Damit stellt sie die Unmöglichkeit, eine des Wissens entstehen kann, dass die Archive Geschichte erzählen zu können, in den Mittel- gefüllt sind, dass sie jederzeit und aufgrund punkt eines Schreibens, das den verunmöglichten von Privilegierung, was den Zugang zu Stellen, Geschichten näherkommen will: «I intended Ressourcen und Quellen angeht, gefüllt werden both to tell an impossible story and to amplify können und dass sie einen etwas angehen. the impossibility of its telling.»47 Die Unzuläng- Was aber, wenn dir dieses Archiv nie zugespro- lichkeit des Schreibens verankert die Methode chen wurde oder wenn es zwar von dir handelt, der kritischen Fabulation. Sie bindet die Methode aber nur in Form einer Nummer, einer Ware, an das Scheitern. Sie zwingt eine_n, sich immer eines Objekts? Saidiya Hartman schreibt vor dem wieder neu zu fragen, was hätte gewesen sein Hintergrund der transgenerationellen Erfahrung können, welche Freiheiten hätten gelebt werden des transatlantischen Sklav_innenhandels, dass, können. Damit fällt das forschende Subjekt nicht wenn das Archiv dein Todesurteil ist, es zweifellos aus dem Prozess, sondern es wird Modus des unmöglich ist, auf es zurückzugreifen, um etwas Konjunktivs, Spekulation sozusagen. Und damit über dich und deine (Medien-)Geschichte zu entzieht sich Methode der Anspruchshaltung, erfahren.42 Was machst du dann? Was wird aus etwas «durch medienhistorische Genealogien der Methode, wenn sich das Problem Empirie für rekonstruieren»48 zu können. Stattdessen bliebe dich erst einmal nicht stellt, weil sie entweder im- (Medien-)Wissenschaft darauf verpflichtet, etwas mer schon auf das «Verfahren des Fabulierens»43 zu imaginieren, das nicht 186 Zf M 22, 1/2020
DIFFRAKTION, INDIVIDUATION, SPEKULATION verifiziert werden kann.49 «[T]he refusal to fill 1 Donna J. Haraway: Situiertes Zeitschrift für Medienwissenschaft, Wissen. Die Wissenschaftsfrage Nr. 21, 165 – 168, hier 165. in the gaps and provide closure, is a requirement im Feminismus und das Privileg 9 Vgl. beispielhaft Stephanie of this method», ebenso wie der Imperativ all das einer partialen Perspektive, in: Bethmann: Methoden als Problem- Elvira Schleich (Hg.): Vermittelte löser. Wegweiser für die qualitative zu sagen, «which resists being said».50 Die Ver- Weiblichkeit. Feministische Wissen- Forschungspraxis, Weinheim 2019. weigerung, (Medien-)Wissenschaft als Verfahren schafts- und Gesellschaftstheorie, 10 Vonderau: Methode als wis- Hamburg 1996, 217 – 248. senschaftssoziales Problem, 168. der Repräsentation 51 zu begreifen, rüttelt an 2 Stichwort ‹Transferuniversität›. 11 Interessanterweise grenzt den Fundamenten einer westeuropäischen Epis- 3 Donna J. Haraway: The sich die deutschsprachige Sozio- Promises of Monsters: A Regene- logie, die in erster Linie an einer temologie, an deren Anfang das rational den- rative Politics for Inappropriate / d «prozeduralen Legitimation» kende Subjekt steht. Aber nichts ist durch diese Others, in: Lawrence Grossberg, orientiert ist, zum Teil scharf Cary Nelson, Paula A. Treichler von der französischsprachigen Verweigerung verloren. Im Gegenteil: «All of (Hg.): Cultural Studies, London und deren Ausrichtung an einer [the lost] dreams survive, even when they are 1992, 295 – 337; Astrid Deuber- «individualisierten Inspiration» Mankowsky: Diffraktion statt ab, vgl. Keller, Poferl: Soziolo- rendered imperceptible as such.»52 Die Frage Reflexion, in: Zeitschrift für gische Wissenskulturen. ist nun, ob wir nicht lieber das Lamentieren Medienwissenschaft, Nr. 4, 2011, 12 Ebd. 83 – 91; Karen Barad: Diffracting 13 Vgl. Michel Foucault: Ge- sein lassen sollten, zugunsten eines kritischen Diffraction: Cutting Together- spräch zwischen Michel Foucault Fabulierens, das dabei hilft, die aufgrund von Apart, in: parallax, Jg. 20, Nr. 3, und Studenten. Jenseits von 2014, 168 – 187. Gut und Böse, in: ders.: Von der Kolonialismus, Rassismus und Heterosexis- 4 Auch weil sie, als Erfah- Subversion des Wissens, hg. v. mus verlorenen Freiheitsträume in der Ge- rungswissenschaften verstanden, Walter Seitter, Regensburg 1974, verallgemeinernd als das Andere 110 – 127; Judith Butler: Kontingen- genwart zu imaginieren. Denn auch das – die des «Bücherwissens» diskur- te Grundlagen: Der Feminismus Imagination der Zukünftigkeit von Vergan- siviert werden, vgl. Christoph und die Frage der ‹Postmoderne›, Engemann, Till A. Heilmann, in: Seyla Benhabib u. a.: Der genheit in der Gegenwart – ist Aufgabe von Florian Sprenger: Wege und Ziele. Streit um Differenz. Feminismus Medienwissenschaft. Es wird nur viel zu selten Die unstete Methode der Medien- und Postmoderne in der Gegenwart, wissenschaft, in: Zeitschrift für Frankfurt / M. 1995, 31 – 58. noch als Methode praktiziert bzw. expliziert. Medienwissenschaft, Nr. 20, 2019, 14 Vgl. auch Naomie Gramlich, 151 – 161, hier 153. Annika Haas: Situiertes Schreiben 5 Vgl. Engemann, Heilmann, mit Haraway, Cixous und Grauen KATRIN KÖPPERT Sprenger: Wege und Ziele, 159 f. Quellen, in: Zeitschrift für Medien- — 6 Donna J. Haraway: Modest_ Witness@Second_Millennium. Fe- wissenschaft, Nr. 20, 2019, 39 – 52. 15 Karen Barad: Meeting the male-Man©_Meets_OncoMouse™. Universe Halfway, Durham 2007; Feminism and Technoscience, New Corinna Barth u. a.: Geschlechter York, London 1997, 268. Vgl. auch Interferenzen. Wissensformen – Sub- Deuber-Mankowsky: Diffraktion jektivierungsweisen – Materialisierun- statt Reflexion. gen, Münster 2013. 7 Vgl. Reiner Keller, Angelika 16 Valerie Walkerdine: Subjek- Poferl: Soziologische Wissens- tivität, Feminismus, Psychoanalyse, kulturen zwischen individualisier- hg. v. Brigitte Hipfl u. Matthias ter Inspiration und prozeduraler Marschik, Wien 2011. Siehe auch Legitimation. Zur Entwicklung aktuell für das Experiment der qualitativer und interpretativer De / Subjektivierung im wissen- Sozialforschung in der deutschen schaftlichen Text: Jason Pine: The und französischen Soziologie Alchemy of Meth. A Decomposition, seit den 1960er Jahren, in: Forum Minneapolis 2019. Qualitative Sozialforschung, Jg. 17, 17 Die Methode, durch die Nr. 1, 2016, www.qualitative- Narration von Wissen gleichzeitig research.net/index.php/fqs/rt/printer situierende und subjektivierende Friendly/2419/3942 (12.2.2020). Effekte zu forcieren, zieht sich 8 So hat Patrick Vonderau das durch das Werk von Saidiya Misstrauen gegenüber Methoden, Hartman, vgl. zur Methode der wie es im Beitrag von Engemann, kritischen Fabulation Katrin Heilmann, Sprenger als medien- Köppert in diesem Text und wissenschaftliche Vergewisserung aktuell Hartman: Wayward Lives, zu Tage tritt, herausgearbeitet, Beautiful Experiments. Intimate vgl. ders.: Methode als wissen- Histories of Social Upheaval, New schaftssoziales Problem, in: York, London 2019. DEBATTEN 187
JULIA BEE / JENNIFER EICKELMANN / KATRIN KÖPPERT 18 Erin Manning: Against Erkennen von prekären Leben. 35 Gramlich, Haas: Situiertes 49 Hartman: Venus in Two Method, in: dies.: The Minor Methodologische Verknüpfun- Schreiben. Acts, 12. Gesture, Durham 2016, 26 – 45. gen von praxeologischen und 36 Sara Ahmed: Feministisch 50 Ebd. Manning ist «gegen Methode» queeren Forschungsstrategien», leben! Manifest für Spaßverderberin- 51 Wenn ich hier von Repräsen- und für Techniken. Mein Ver- 13.–14.9.2010, Universität zu Köln. nen, Münster 2017. tation spreche, dann meine ich, ständnis von Methode hingegen 25 Gilles Deleuze: Die Fürspre- 37 Engemann, Heilmann, dass sich trotz des poststruktu- entspricht eher ihrem Begriff von cher, in: ders.: Unterhandlungen. Sprenger: Wege und Ziele, 155. ralistischen Konsenses, Reprä- Technik. Der Einfachheit halber 1972 – 1990, Frankfurt / M. 1993, 38 Gramlich, Haas: Situiertes sentation als Akt der Herstellung beziehe ich mich aber hier auf 175 – 196. Schreiben, 39. von Wissensgegenständen zu den Begriff Methode. 26 Deleuze: Fürsprecher, 181. 39 Michel Foucault beschäftigt verstehen, Terminologien des 19 Gilles Deleuze: Differenz 27 Vieles an der Debatte über sich in seinen späten Vorträgen Sichtbarmachens, Erkennens und und Wiederholung, München 2007, Methoden erinnert mich daher und Schriften mit dem Problem Lückenschließens fortsetzen. 271 – 279. Deleuze sieht seine an Debatten um Gender Studies der Problematisierung und 52 Kara Keeling: Queer Times, «Methode der Dramatisierung» als vor vielen Jahren: Methode wird verweist auf die gesellschaftli- Black Futures, New York 2019, xv. Intensivierung von Differenzen, die gleichsam als äußerer Zwang chen Konstruktionsweisen von Individuationen erzeugen. Siehe artikuliert, so wie einige Wissen- Problemen, die gegebenenfalls auch: Die Methode der Dramati- schaftler_innen meinen, Gender zu hinterfragen und in die sierung, in: ders.: Die einsame Insel. sei ihrem eigentlichen Denken gegebenenfalls zu intervenieren Texte und Gespräche 1953 – 1974, hg. äußerlich. Ganz ähnlich kann im ist. Michel Foucault: Diskurs und v. David Lapoujade, Frankfurt / M. Forschungsprozess der Eindruck Wahrheit. Die Problematisierung der 2003, 139 – 170. entstehen, die etablierten Metho- Parrhesia, Berlin 1996, 128. 20 Im Sinne eines Denkens den seien universell. 40 Vgl. auch Ulrike Klöppel: durch Methoden hindurch, ein 28 Gilles Deleuze, Félix Guattari: Foucaults Konzept der Problema- Denken, in das sich die Techniken Tausend Plateaus. Kapitalismus und tisierungsweise und die Analyse der Methode einschreiben. Schizophrenie 2, Berlin 1992, 291. diskursiver Transformationen, 21 Dies trifft sicher nicht für die 29 Barad: Meeting the Universe in: Achim Landwehr (Hg.): Dis- ganze Soziologie zu, sondern für Halfway. kursiver Wandel, Wiesbaden 2010, gesellschaftlicher Emanzipation 30 Gilbert Simondon: Das 255 – 263. verpflichtete Strömungen der Individuum und seine Genese. 41 Ich möchte mich herzlich Soziologie. Vgl. zur Debatte um Einleitung, in: Claudia Blümle, bei Anja Sunhyun Michaelsen, Ana eine kritische Soziologie: Geoffroy Armin Schäfer (Hg.): Struktur, de Almeida und Melanie Konrad de Lagasnerie: Denken in einer Figur, Kontur. Abstraktion in Kunst für den fruchtbaren Austausch schlechten Welt, Berlin 2018. Wobei und Lebenswissenschaften, Zürich zu Archiv und Archivtheorie im Lagasnerie vorschnell Empirie 2007, 29 – 45; ders.: L’Individuation Rahmen des Workshops «Family als unkritisch gegenüber einer psychique et collective, Paris Frames. Perspektiven auf Intimität Soziologie der Konzepte darstellt. 2007. Vgl. auch Erin Manning: und Familiarität in fotografischen 22 Ich vereinfache mit der Engenderings: Gender, Poli- Medien» (8.11.2019, tfm, Univer- anachronistischen Begriffswahl tics, Individuation, in: dies.: sität Wien) bedanken. hier bewusst. Politics of Touch. Sense, Movement, 42 Saidiya Hartman: Venus 23 Julia Bee: Gefüge des Zuschau- Sovereignty, Minneapolis, London in Two Acts, in: Small Axe, Jg. 12, ens. Begehren, Macht und Differenz 2008, 84 – 109. Nr. 2, 2008, 1 – 14, hier 2; vgl. auch in Film- und Fernsehwahrnehmung, 31 Künste können auch dies.: Lose Your Mother. A Journey Bielefeld 2018. Methoden im Sinne von Techniken Along the Atlantic Slave Route, New 24 Helmut Bremer, Christel entwickeln. Dies wird in den York 2007. Teiwes-Kügler: Die Gruppenwerk- Debatten um künstlerische 43 Achille Mbembe: Kritik der statt. Ein mehrstufiges Verfahren Forschung häufig umgekehrt schwarzen Vernunft, Frankfurt / M. zur vertiefenden Exploration von diskutiert und gerade im Hinblick 2015, 31. Mentalitäten und Milieus, in: auf PhD-Programme, die künstle- 44 Tavia Nyong’o: Afro-Fabula- Heiko Geiling (Hg.): Probleme rische Forschung verwissenschaft- tions. The Queer Drama of Black Life, sozialer Integration. agis-Forschungen lichen. Dabei würde es gerade New York 2018, 6. zum gesellschaftlichen Struktur- nicht darum gehen, künstlerische 45 Im Anschluss an Jared wandel, Münster 2003, 207 – 236; Forschung entsprechend den Sexton: «Black life is not lived in Gerko Egert u. a.: Praktiken der Wissenschaften zu standardisie- the world that the world lives in, Nichtmännlichkeit – Prekär- ren, sondern als Feld der speku- but it is lived underground, in Werden Männlicher Herrschaft im lativen Methodenentwicklung im outer space.» Ders.: The Social ländlichen Raum Brandenburg, Spannungsfeld von Künsten und Life of Social Death: On Afro- in: Alexandra Manske, Katharina Medien zu verstehen. Pessimism and Black Optimism, Pühl (Hg.): Prekarisierung zwischen 32 Kathrin Busch (Hg.): Anderes in: InTensions Journal, Nr. 5, 2011, Anomie und Normalisierung. Ge- Wissen. Kunstformen der Theorie, 1 – 47, hier 28. schlechtertheoretische Bestimmungen, München 2016 46 Hartman: Venus in Two Münster 2010, 186 – 209; Gerko 33 Haraway: Situiertes Wissen. Acts, 3. Egert, Stephan Trinkaus: Visualität 34 In Anlehnung an Leanne 47 Ebd., 11. als relationale Praxis, Vortrag im Simpson: Dancing on Our Turtle’s 48 Engemann, Heilmann, Rahmen des Workshops «(An) Back, Winnipeg, Manitoba 2011. Sprenger: Wege und Ziele, 158. 188 Zf M 22, 1/2020
Sie können auch lesen