Diffraktion, Individuation, Spekulation - Julia Bee; Jennifer Eickelmann; Katrin Köppert - media/rep

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Repositorium für die Medienwissenschaft

   Julia Bee; Jennifer Eickelmann; Katrin Köppert
   Diffraktion, Individuation, Spekulation
   2020
   https://doi.org/10.25969/mediarep/13648

   Veröffentlichungsversion / published version
   Zeitschriftenartikel / journal article

Empfohlene Zitierung / Suggested Citation:
Bee, Julia; Eickelmann, Jennifer; Köppert, Katrin: Diffraktion, Individuation, Spekulation. In:
Zeitschrift für Medienwissenschaft. Heft 22: Medium | Format, Jg. 12 (2020), Nr. 1, S. 179–
188. DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/13648.

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https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/
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  DIFFRAKTION, INDIVIDUATION, SPEKULATION
  von JULIA BEE / JENNIFER EICKELMANN / KATRIN KÖPPERT

                                                     wissenschaftlicher Praxis einhergehen. Mein
                                                     Beitrag zu diesem Text positioniert sich als
                                                     transdisziplinäre und gender- / queertheoretische
                                                     Perspektive zwischen Medienwissenschaft und
                                                     Soziologie. Er folgt der Method(ologi)e der
                                                     Diffraktion, auch wenn die Produktivität dieses
                                                     Ansatzes wohl nur angedeutet werden kann.
                                                     Ausgehend von der Annahme, dass auf Grenzen
                                                     angewiesene Eindeutigkeiten auf komplexen
                                                     Interferenzen beruhen, wird der Versuch unter-
                                                     nommen, Prozesse der Grenzziehung zum Ge-
                                                     genstand zu machen.3 Das scheint nicht zuletzt
                                                     deswegen produktiv, da die Sozialwissenschaften
                                                     nicht selten als Abgrenzungsfolie medienwis-
                                                     senschaftlicher Vergewisserungen angeführt
                                                     werden.4 So können zum einen Grenzziehungs-
                                                     prozesse thematisiert und zum anderen Vorschlä-
DIFFRAKTION, ODER:                                   ge für andere Zukünfte gemacht werden.
WIE DIE BEUGUNG DER METHODENFRAGE
DIE FRAGE DER METHODE VERÄNDERT                        Das Subjekt des Methodendiskurses
                                                     In den Sozialwissenschaften gehören ‹Metho-
        Feministische Verantwortlichkeit erfordert   denfragen› längst zu einem zentralen Bereich.
        ein Wissen, das auf Resonanz und nicht auf   Methodenschulen erfüllen die Funktion, in Lehr-
        Dichotomie eingestellt ist.1
                                                     büchern präsentierte Verfahrensweisen inner-
                                                     halb sozialwissenschaftlicher Disziplinen und
Das ökonomische wie politische Begehren 2 nach       durchaus auch darüber hinaus zu verbreiten – als
insbesondere disziplinär rückgebundenen me-          ‹Methodenexporte›.
thodischen Verfahrensweisen wirft Fragen nach           Die Frage, wie Theorie zur Anwendung
Anerkennungsordnungen auf. Kaum abzustrei-           gebracht werden kann und soll, ist dabei bereits
ten ist, dass die aktuelle Situation disziplinäre    dermaßen spezialisiert, dass bestimmte episte-
Fachverständnisse offenkundig werden lässt, die      mologische Grundannahmen zwar unweigerlich
mit Grenzziehungen und (De-)Legitimationen           mitlaufen, aber in manchen Methodendiskursen

DEBATTEN                                                                     179
JULIA BEE / JENNIFER EICKELMANN / KATRIN KÖPPERT

nur selten zur Diskussion stehen. Auf entspre-            wird. Es geht um ein anderes Problem: In der
chende Situierungen wird leider vielerorts                empirischen Sozialforschung wird wissenschaft-
verzichtet, was es deutlich zu problematisieren           liche Praxis zumeist als Zusammenkunft eines
gilt. Aber es wäre zu kurz gegriffen zu behaupten,        forschenden Subjekts und eines zu erforschenden
in diesem Rahmen würden zuvorderst instru-                Objekts konzeptualisiert, wobei das forschende
mentelle Fixierungen vorgenommen.5 Innerhalb              Subjekt sich im Prozess als Problem erweist. Ver-
soziologischer Methodendebatten, insbesondere             meintliche Defizite wie Willkürlichkeit, Affizier-
im Kontext der qualitativen Forschung, gelten             barkeit und zum Teil auch Unkontrollierbarkeit
Abweichungen von ‹idealtypischen› Verfah-                 werden (im deutschsprachigen Diskurs) häufig
rensweisen, je nach Situation und Material, sehr          als Problem der Vermittlung begriffen, wobei
wohl als legitim, zum Teil sogar als unausweich-          ebenjene Vermittlung auf das involvierte Subjekt
lich. Diese methodischen Spielräume werden                zurückgeführt wird. Mithilfe von Methoden wird
in sozialwissenschaftlichen Methodendiskursen             in die Zusammenkunft von forschendem Subjekt
zuvorderst unter Rekurs auf die Figur der ‹Refle-         und zu erforschendem Objekt eine (wie auch
xivität› thematisiert, die auch in der Medienwis-         immer geartete und zum Teil auch nur rhetori-
senschaft relevant ist und von unterschiedlichen          sche) Rationalität implementiert: Verfahrens-
Stimmen aufgerufen wird. Mit Blick auf die                spezifikationen regulieren das forschende Subjekt
Funktion des Begriffs in der Soziologie ist jedoch        und damit die wissenschaftliche Praxis selbst.7
festzustellen, dass die Spiegelung von Setzungen          Jenseits der Frage, ob methodische Regulierun-
und Festschreibungen im Kontext empirischer               gen abzulehnen oder zu verteidigen sind, sind
Forschungsdesigns unter Rekurs auf die Figur              Weiterentwicklungen der Debatte insbesondere
der ‹Reflexivität› ebendiese zwar idealerweise            dann zu erwarten, wenn die Frage der Metho-
sichtbar macht, aber eben auch selten Anderes             den nicht etwa zur Entscheidung zwingt, ihnen
evoziert. Vor dem Hintergrund repräsentations-            entweder grundsätzlich zu misstrauen 8 oder sie
kritischer Ansätze im Allgemeinen und im Zuge             als «Problemlöser» zu überschätzen,9 sondern
einer Methodologie der Diffraktion im Beson-              alternative Methodenverständnisse entwickelt
deren lässt sich die Figur der Reflexion bzw. Re-         werden – und das meint auch «die Imagination
flexivität also insbesondere deswegen problema-           der Zukünftigkeit von Vergangenheit in der Ge-
tisieren, da sie nicht etwa an anderen Zukünften,         genwart», wie Katrin Köppert in ihrem Beitrag
sondern an der Spiegelung des Immergleichen               betont. Die dualismus- wie subjektkritischen
orientiert ist. Mit der Metaphorik der Diffraktion        Einsätze der feministischen Theorie versprechen
hat Donna J. Haraway eine Denkweise vorge-                alternative Sichtweisen, die Auswege aus einer
schlagen, welche in Abgrenzung zur Metaphorik             verengten Methodendebatte bieten können. Die
des Spiegels die Dinge anders zur Erscheinung             Beugung eben jenes Dualismus im Sinne der von
bringt. Diese Denkweise wäre eine gewinn-                 Haraway vorgeschlagenen Heuristik der Dif-
bringende Alternative für Methodendebatten                fraktion kann so beispielsweise zutage fördern,
sowohl in der Medienwissenschaft als auch in den          dass wir es hier zwar mit gegenläufigen Bewer-
Sozialwissenschaften, denn: «[…] reflexivity is           tungen der regulativen Kraft von Methoden zu
not enough to produce self-visibility».6 Um diese         tun haben, diese allerdings gleichermaßen an der
Setzungen zu problematisieren, reicht eine Un-            Re-Souveränisierung von Subjektivität arbeiten.
mittelbarkeitsskepsis, wie sie in medienwissen-           Während eine grundsätzliche Methodenskepsis
schaftlichen Diskursen fest etabliert ist, nicht aus,     an der Re-Souveränisierung von Subjektivität
da hier gerade keine Unmittelbarkeit behauptet            mithilfe der Befreiung von Methoden arbeitet,

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DIFFRAKTION, INDIVIDUATION, SPEKULATION

leistet der Diskurs, der Methoden als notwendi-     darum, Bewegungen zu initiieren, Denkweisen
ges Regulativ begreift, der Re-Souveränisierung     zu hinterfragen, Gewohnheiten zu irritieren.
von Subjektivität mithilfe von Methoden Vorschub.   Mit Haraway und unter Rekurs auf das Konzept
Letztlich sind beide auf einer «vehement vertei-    des situierten Wissens gerät wissenschaftliche
digten Subjektposition»10 basierenden Positionen    Praxis als produktives Involviertsein in den
miteinander verschränkt. Denn die Komplexität       Blick, die Generativität ebenjener Praxis kann
der Methodenfrage wird zugunsten der Gegen-         nicht in Subjekten und ‹ihren› Objekten aufge-
überstellungen von Zwang / Freiheit bzw. Pro-       hen, sondern stellt unterschiedliche Diskurse,
blem / Lösung verengt, die sich nicht zuletzt in    Wissenschaftspraktiken, Technologien und
Subjektivitätsvorstellungen materialisiert.         Körper in ihrem wechselseitigen Werden her-
    So betrachtet lässt sich auch die politische    aus.14 Vereindeutigungen und Grenzziehungen
Dimension der Debatte besser darstellen: Denn       geraten so als Machtverhältnisse in den Blick,
Methodendiskurse dienen auch einer Art der          denen nicht etwas entgegen-, sondern neben
Profilierung im wissenschaftlichen Feld, die das    die etwas gesetzt werden muss. Letztlich scheint
Phantasma souveräner Verfügungsgewalt re-           es produktiv, Phantasmen der Souveränität und
produziert: entweder über sich selbst bzw. über     Verfügungsgewalt samt ihrer legitimierenden
Theorien (jenseits methodischer Zwänge 11 )         Kraft in wissenschaftlichen Diskursen als solche
oder eben über Methoden (im Sinne der ‹reflek-      sichtbar zu machen und Alternativen zu entwi-
tierten› Anwendung von Verfahrensweisen und         ckeln. Dies kann nur mit partialen Zugängen
damit «prozeduraler Legitimation»12).               zwischen Epistemologie und Ontologie gelingen,
    Entsprechend scheint die Frage vielverspre-     die wissenschaftliche Praxis als prekäre, d. h.
chend: Was, wenn das Methodenproblem nicht          grundlegend relationale, Praxis begreifen. Damit
als genuines Problem der Verfahrensweisen dis-      wäre ein Weg eingeschlagen, der zu inter- und
kutiert wird, sondern als Subjektivitätsproblem?    transdisziplinären Randgängen einlädt, ließe sich
                                                    dabei doch besonders gut über Zukünfte jenseits
  Verbindungen eingehen!                            souveräner Subjektivität diskutieren.
Die Dezentrierung des Subjekts kann als einer          Denkt man wissenschaftliche Praxis jenseits
der wichtigsten Anker gendertheoretischer           starrer disziplinärer Grenzen, erscheint eine
Argumentationen in Anlehnung an beispielsweise      Vielfalt an Verbindungsmöglichkeiten, die es
Michel Foucaults Subjektkritik benannt werden.13    erlauben, Geschichten gemeinsamen Werdens
Es gilt daher einmal mehr, die Produktivität        zu entwickeln, über die wir letztlich eben nicht
unterschiedlicher Ansätze im Feld der Gender        vollständig verfügen. Das ist im Übrigen auch
Studies herauszustellen und für unterschiedliche    der Grund, warum die Gender Studies ohne dis-
Disziplinen fruchtbar zu machen, bieten sie doch    ziplinäre Vereindeutigungen auskommen, auch
gerade Anregungen für eine wissenschaftliche        wenn die förderpolitischen Bedingungen diesen
Praxis jenseits der Zentrierung des (als souverän   Vorzug meistens (noch?) nicht anerkennen.
imaginierten) Subjekts und jenseits der Aktuali-
sierung altbekannter wie machtvoller Dualismen.                            JENNIFER EICKELMANN
   Eine alternative Denkweise wäre es, Metho-
den nicht zuvorderst als Regulativ zu begreifen
(und damit weder als Zwangsjacke noch als Pro-
blemlösung), sondern als produktives Moment.
Wie Julia Bee in ihrem Beitrag schreibt, geht es

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JULIA BEE / JENNIFER EICKELMANN / KATRIN KÖPPERT

                                                     als Einschränkung einer Freiheit der Wissens-
                                                     produktion empfunden. Diese gilt es heute wie-
                                                     der stark gegen den Umbau hin zur neoliberalen
                                                     Universität einerseits und andererseits gegen
                                                     rechte Bewegungen und ihre Antigenderismen
                                                     und Antiintellektualismen zu verteidigen. Die
                                                     Angst vor der Disziplinierung der Methoden gilt
                                                     allerdings nur, wenn man Methoden als Korsett
                                                     oder als eine Art Automatismus versteht, als
                                                     Protokoll, welches man zur Fragestellung dazu-
                                                     addiert, etwas Sekundäres oder dem Ergebnis
                                                     (sogar der Welt!) Übergestülptes.
                                                         Seit einigen Jahren und durch den Einfluss
                                                     Karen Barads und des New Materialism werden
                                                     Wissen und Apparate der Wissensproduktion
                                                     zusammengedacht. Dies betrifft auch eine prekär
                                                     werdende Grenze zwischen Subjekt und Objekt
                                                     der Wissensproduktion.15 Forscher_innen haben
INDIVIDUATION, ODER: VOM METHODENPROBLEM
                                                     ihre eigene Subjektivität schon früher in die Ana-
ZUM METHODENEXPERIMENT
                                                     lyse eingetragen – so wie dies Valerie Walkerdine
Ich beginne mit zwei Fragen, die möglicher-          und Vertreter_innen der Cultural Studies auf
weise naiv klingen mögen. Dabei möchte ich           faszinierende und produktive Weise in den 1980er
daran erinnern, dass wir es in der Diskussion um     Jahren durch die Analyse ihrer Klassen- und
Methoden mit einer komplexen Gemengelage             Geschlechterposition praktiziert haben.16 Subjek-
an Anrufungen und Diskursen, also machtvollen        tivität schreibt sich aber nicht nur in Ergebnisse
Gefügen zu tun haben.                                ein: Forschungs- und Subjektivierungsprozesse
   Wie kam es eigentlich dazu, dass das Nicht-       beeinflussen sich wechselseitig.17 Diese Überle-
anwenden einer Methode als Freiheit gilt? Und        gungen ermöglichen eine Situierung, indem sie
warum nutzen wir diesen Raum hier nicht, um          der Methode eine Agency zusprechen, die weder
uns gegenseitig unsere Methoden vorzustellen         automatisch noch von ihr abgelöst ist. Methoden
und neue zu erproben? Die erste Frage kann ich       verkörpern nämlich genuine Probleme der Me-
in diesem Rahmen nicht vollständig diskurs-          dialität der Wissensproduktion. Methoden sind
analytisch zurückverfolgen, aber ich vermute, es     Operationen, die die Praxis der Forschung privi-
hat etwas mit der Wahrnehmung der Äußerlich-         legieren.18 Sich auf ein Denken durch Methoden
keit von Methoden gegenüber den Medienwis-           einzulassen, heißt auch, vom Ergebnis zur Pro-
senschaften und dem Ergebnis der eigenen For-        zessualität überzugehen. Es trägt die Immanenz
schung zu tun. Methoden werden aus anderen           eines Denkens durch Operationen und Techniken
Fachdisziplinen oder von Förderinstitutionen als     ein. Methoden können so Strategien der Entes-
aufgenötigt empfunden. Dies hat etwas damit zu       senzialisierung sein. Methoden wären daher vor
tun, wie auch in dieser Debatte häufiger erwähnt     allem eine Möglichkeit, Wissens- und Subjektpro-
wurde, dass wir eigene Methoden haben, die           duktion zu reflektieren oder sogar – wenn man
nicht als solche anerkannt wurden. Die Anru-         einer distanzierten Reflexion kritisch gegenüber-
fung, Methoden anzuwenden, wird infolgedessen        steht – zu intensivieren.19

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DIFFRAKTION, INDIVIDUATION, SPEKULATION

    Ich plädiere daher dafür, Methoden nicht         denn nun wolle, dass alle ‹meine› Methode (die
als Korsett einer einmalig etablierten Anzahl von    im Übrigen aus der Soziologie Helmut Bremers
Operationen zu sehen, die sich immer wieder          und Christel Teiwes-Küglers stammte und von
abspielen lassen. Ganz im Gegenteil, mit dem         Stephan Trinkaus und Gerko Egert in das weitere
Methodendenken 20 wird das Privileg, sich un-        Feld der Bildtheorie übertragen wurde) anwenden
sichtbar zu machen, in Frage gestellt.               sollten.24 Diese Frage hat mich stets gewundert.
    Wie Jennifer Eickelmann in diesem Text           Warum sollte eine Methode unendlich viele
schreibt, sollten Methoden daher auch wissen-        andere mögliche Verfahren ersetzen oder stan-
schaftshistorisch in ihren Kontexten gesehen         dardisieren, anstatt neue Methoden zu inspirieren
werden. Unter anderem aus der Soziologie,21 von      und deren Erprobung zu ermutigen? Erfinden wir
der man sich ja als Medienwissenschaft emanzi-       doch weitere Methoden für kommende Unter-
pieren wollte, und aus der Ethnologie wissen wir,    suchungen. Für mich war das Verfahren von Col-
dass Methoden kontextsensibel sind. Gegenstand       lagen und Interviews ein ermöglichendes Gefüge,
und Methode stehen in einem engen Wechsel-           anhand dessen ich zeigen konnte, wie Wissen als
verhältnis, sodass sie ein Gefüge bilden. Das ist    spezifisch medialisiertes artikuliert wird (anstatt es
schon das Prinzip der grounded theory. Wenn wir      nur anders ‹auszudrücken›). Und dass das Wissen
offen gegenüber diesen seriellen wechselseitigen     und die Affektivität der Rezipient_innen diesem
Operationen der Übersetzung sind, dann können        partikularen Methodengefüge nicht vorausgeht.
wir uns noch stärker von einem fixierten und ge-     Natürlich bringt dieser empirische Methoden-
genständlichen Wissensbegriff lösen und Wissen       einsatz eine enorme Verantwortung mit sich. Ich
selbst als situierte Prozessualität verstehen. Wir   wurde «Fürsprecherin»25 eines Rezeptionswissens
können uns nicht auf einen Punkt außerhalb der       der Teilnehmenden und die Collagen wurden
Methode zurückziehen, an dem es keine Ver-           ihrerseits zu meinen Fürsprecherinnen. Nicht eine
fahren, sondern nur Ergebnisse gibt. Methoden        spricht für die andere. Vielmehr entsteht eine in-
schreiben sich in das ein, was wir als Ergebnis in   dividuierende «Serie»26 aus Subjektivierungen und
Forschungsberichten oder in Texten artikulie-        Medialisierungen, nicht aus Objekten. Aber ist
ren. Und noch stärker formuliert: Sie sind selbst    dies nicht in anderen Forschungsprozessen auch
Quelle neuen Wissens, Vehikel der Spekulation,       so? Jeder Forschungsprozess stellt ein spezifisches
anstatt neutrales Drittes.22                         Gefüge dar. Die Entwicklung, Durchführung, ste-
    In Gefüge des Zuschauens habe ich das Anfer-     tige Modifikation und Diffraktion ermöglicht uns,
tigen von Collagen als Methode der Rezeptions-       nicht nur unseren Standpunkt wahrzunehmen,
forschung genutzt.23 Ich habe die Collagen nicht     sondern ihn auch zu produzieren. Diese Stand-
als wahrhaftigere Zugänge zu einer Wirklichkeit      punkt- und Wissensproduktion beschreibt die
verstanden, sondern als Produzentinnen und           Medialität der Methode. Die feministische Wis-
Agentinnen, die spezifische Formen von Rezep-        senschaftsforschung hat seit Jahrzehnten darauf
tionserfahrungen erst durch ihre spezielle Weise     hingewiesen. Umso erstaunlicher ist es, dass sie
der Medialität hervorgebracht haben. Sie haben       bis jetzt noch keinen Eingang in die Methodendis-
den Rezipient_innen und auch mir eine andere         kussion hier gefunden hat. Denn wir wenden als
Weise der Artikulation angeboten. Durch die          Wissensproduzent_innen immer eine Methode an,
Methode der Bildforschung wurde deutlich,            so wie wir uns niemals außerhalb der Produktion
dass mit anderen Methoden ein anderes Wissen         von Geschlecht und Geschichte befinden.27
hervorgebracht wird. Die Methode situierte das           Wie Gilles Deleuze und Félix Guattari eupho-
Wissen. Immer wieder wurde ich gefragt, ob ich       risch schreiben: «Tausend kleine Geschlechter».28

DEBATTEN                                                                       183
JULIA BEE / JENNIFER EICKELMANN / KATRIN KÖPPERT

Und damit: Tausend kleine Methoden. Deleuze             die Anwendbarkeitszumutungen der Neolibera-
und Guattari sehen Differenzierung, etwa in             lisierung der Universität ebenso in Frage stellen
Geschlechter, als produktives Vehikel des Wer-          wie das disziplinierende System der Standardi-
dens und als Frage der Techniken (Wie etwa ein          sierung von Wissenschaftsprozessen. Dies heißt
Hund werden? Wie ein Wal?). Diese Techniken             nicht, dass sie die Intersubjektivität und Objek-
sind Wissensformen im Sinne Karen Barads.29 Ich         tivität von Wissenschaft unterlaufen. Wie Donna
würde mit Gilbert Simondon hinzufügen, dass sie         J. Haraway argumentiert, ist Objektivität nicht
bewegliche Ontogenesen sind,30 die Dinge in Be-         das Gegenteil von Subjektivität.33
wegung bringen, Denkstrukturen und Gewohnhei-               Wenn wir die Materialität und Medialität von
ten hinterfragen, neue Beziehungen knüpfen, die         Apparaten beschreiben, warum tun wir dies so
Menschen und Akteur_innen einbeziehen. Jeder            ungerne mit den Prozessen und Praktiken, die
Forschungsprozess wäre auch immer eine gleich-          diese überhaupt erst herstellen oder neu herstel-
zeitige Entwicklung von Methoden und Individua-         len, umarbeiten etc.? Darauf ist ja nicht nur die
tionen. Methoden sind keine Instrumente, um zum         ANT geeicht, sondern vor allem feministische
Ergebnis zu kommen, sie sind kein abgegrenztes          STS . Was ist etwa mit Filmen – sind sie nicht
Drittes zwischen Welt und Wissen über Welt,             auch, z. B. im Bereich der Visuellen Anthropo-
Methoden bilden ein Milieu der Techniken und da-        logie – eine Methode, eine spezifische Existenz-
mit neue Weisen, sich mit der Welt und denen zu         weise? Sie sind Prozess der Wissensproduktion
verbinden, die Wissen wollen (also auch begehren).      und Gegenstand zugleich. Wie es schon aus den
   Kann es also sein, dass die berechtigte              interventionistischen und aktivistischen Ver-
Warnung vor einem Methodenhype (angesichts              fahren des cinéma vérité bekannt ist, verändern sie
der befürchteten Fremdbestimmung durch die              die Wirklichkeit, die sie erforschen. Sie ermög-
Ökonomisierung des Wissens) eigentlich auch             lichen aber auch durch kollaborative Prozesse
eine Angst vor der Kreativität der Methoden             neue Existenzen und neue Selbstbezüge, indem
mitschleift? Vor der Veränderung, die damit             ein Filmdreh zu einer Weise der Subjektivierung
eintritt, wenn ich Bilder, Filme, Schreibprakti-        statt der Objektivierung werden kann. Auch hier
ken und andere Techniken als gleichberechtigte          sind Machtverhältnisse immanent.
Akteur_innen der Vermittlung betrachte? Oder                Der Rückbezug auf das eigene Handeln
was passiert, wenn ich die Techniken und das            ermöglicht in der Methode auch eine Weise der
Wissen von Künsten ernst nehme, als mögliche            (temporären, situierten) Subjektivierung. Diese
Partner_innen in der Produktion von Wissen?31           trägt die Spezifität und damit Materialität und
Und ist es nicht vielleicht auch eine Angst vor der     Medialität des Wissens – seiner Produktion, aber
Kontingenz von Wissen, dass es eine Pluralität          auch seiner Präsentation –, etwa als Film, Foto-
medialer Verfahren und damit Techniken gibt, die        strecke, Essay, in das Ergebnis ein.
Wissen ganz ‹anders› produzieren, um eine Idee              Ein experimenteller Dialog über Methoden
von Kathrin Busch zu verwenden?32 Ich denke, auf        schließt nicht neue Kämpfe um Deutungshohei-
diesem Weg gibt es viele notwendig anstehende           ten aus, wie sie Wissenschaft von jeher prägen.
kritische Interventionen und neue Probleme.             Aber was ist die Alternative? Wir haben keinen
   Methoden sind gerade keine Fertigpakete,             neutralen Punkt, von dem aus wir keine Methoden
obwohl sie häufig so gelehrt werden. Gleichwohl         anwenden können. Als Medienwissenschaft-
müssen sie, um als Verfahren zu bestehen und            ler_innen sind wir ja eigentlich gewohnt, genau
Wissen zu produzieren, eine innere Konsistenz           diese Hierarchisierungen und die Unsicht-
aufweisen. Sie können in ihrer Mannigfaltigkeit         barmachung von Konstruktionsprozessen von

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DIFFRAKTION, INDIVIDUATION, SPEKULATION

Ideen (und übrigens auch von allen Apparaturen,      ein Beitrag, der – da er nicht Teil des Debat-
Körpern und Waren) zu hinterfragen. Aus einem        tenteils ist – als Referenztext für alle bisherigen
philosophischen (und keinesfalls ökonomisti-         Folgebeiträge herausgefallen ist.35 Zufall? Oder
schen) Pragmatismus heraus möchte ich etwas          symptomatisch für einen Diskurs, der lieber über
zugleich sehr Einfaches und sehr Komplexes           Methode im hierfür vorgesehenen Kasten nach-
vorschlagen: Lasst uns eine Vielzahl an Methoden     denkt, als mit ihr zu denken, als mit der Methode
ausprobieren, modifizieren, austauschen, aber        des Umwegs zu denken? Lesen auf Umwegen.
auch verwerfen, kritisieren und neu erfinden.        Der Umständlichkeit halber. Umstände machend.
Lasst uns Räume etablieren, in denen Experimen-      Eine feministische Spaßverderberin 36 zu sein, ist
te möglich werden und Methoden nutzen, um            kein Selbstzweck, keine «‹Protestmethodik›»,37
Wissenschaft und Welt immer wieder zu befragen       sondern der ernsthafte Versuch, Fürsprecherin
und diese dabei affirmativ zu vervielfältigen.       einer Disziplin zu sein, die nicht zum Zwecke der
                                                     Selbstvergewisserung «Kittler» sagen muss, um
                                       JULIA BEE     Medienwissenschaft zu meinen. Also lese ich auf
                                                     Umwegen und kann mich überhaupt nur von dort
                                                     aus ins Verhältnis setzen zu dem, was innerhalb
                                                     der deutschsprachigen GfMedienwissenschaft so
                                                     dringend unter dem Aspekt Methode zu diskutie-
                                                     ren notwendig scheint. Witzigerweise erscheint
                                                     an diesem Ort – wie auch bei Jennifer Eickelmann
                                                     in diesem Text – das, was im Initialtext der Debat-
                                                     te als Problem nahezu heraufbeschworen wird, als
                                                     fast nicht mehr erwähnenswerte Selbstverständ-
                                                     lichkeit. Ja, Medientheorie bedient sich wissen-
                                                     schaftlicher Praktiken, die mit «unterschiedlichen
                                                     Techniken des Selbst und der Organisation von
                                                     Wissen, Arbeitsabläufen und Werkzeugen»
                                                     verbunden sind, schreiben Naomie Gramlich
                                                     und Annika Haas in «Situiertes Schreiben mit
                                                     Haraway, Cixous und Grauen Quellen» und
                                                     ergänzen, dass diese Praktiken im Zusammenhang
                                                     «mit wechselnden ökonomischen Bedingungen
                                                     und sich ändernden sozialen Gefügen» erfolgen.38
                                                     Fertig. Aus.
                                                        Methode, die bei den beiden Autorinnen
SPEKULATION, ODER: METHOD COMES IN                   als Ausgangspunkt unmissverständlich gesetzt
FORM OF STORY TELLING 34                             und lediglich hinsichtlich der (ästhetischen)
Die Aufforderung für dieses kleine Fragment hier     Form von Situierung diskutiert wird, wird bei
lautet: situiertes Schreiben nicht nur als Konzept   Christoph Engemann, Till A. Heilmann und
und Kriterium betrachten, sondern als Form.          Florian Sprenger wieder zum phantasmatischen
Der Form halber: Im selben ZfM-Heft, in dem          Szenario. But why? Was ist die Funktion dessen,
die neuerliche Methodendebatte der Medien-           Methode wieder zum Problem zu machen? 39
wissenschaften angestoßen wurde, befindet sich       Was ist die Operation, Methode als Trugbild am

DEBATTEN                                                                     185
JULIA BEE / JENNIFER EICKELMANN / KATRIN KÖPPERT

Horizont einer Medienwissenschaft im vermeint-           anderer zurückgeht oder als Erfahrungswissen
lichen Umbruch aufscheinen zu lassen? Geht es            des Selbst im Archiv eine Leerstelle darstellt?
hier wirklich um eine Kritik an der Neolibera-           Fragst du dann immer noch danach, ob es Me-
lisierung von Universität, die uns ins Korsett Me-       thoden braucht? Oder bleibt dir nur Methode,
thode zwängt bzw. die Verengung auf empirische           um nicht länger Forschungsgegenstand zu sein,
Verfahrensweisen in digitalen Zeiten beschert?           sondern in der Praxis wissenschaftlicher Verfah-
Man müsste hier im Anschluss an Foucault in die          ren Teil eines Prozesses zu werden, der Subjekti-
kritische Analyse der Problemstellung einsteigen,        vierungen erlaubt, wie es Julia Bee in diesem Text
also in die Auseinandersetzung mit dem Prozess           schreibt. Aus Perspektive der Marginalisierung
der Problematisierung, der Aufschluss über die           ist Methode kein Problem, sondern eine Notwen-
aktuell wirksamen gesellschaftlichen Konstruk-           digkeit, sich subjektivieren zu können.
tionsweisen geben kann.40 Aber das ist hier ja kein          Doch wie finden marginalisierte Menschen
Raum für Diskursanalyse, sondern eine Debatte.           Zugang zu einer Welt, die sich immer schon als
Außerdem spekuliere ich lieber. Und zwar der             falsch erwiesen hat? 44 Mittels welcher Methoden,
Form halber. Denn lässt sich nicht vielleicht            anhand welcher Subjektbegriffe? Und was be-
in der Form der Spekulation eher noch eine kriti-        deutet dies im Umkehrschluss für diejenigen,
sche, situierte Medienwissenschaft herstellen als        denen das Privileg zufällt, in der Welt zu leben,
in der Anrufung eines Problems?                          die die Welt lebt? 45
    Die Spekulation geht so: Ich schätze mal, dass           Hartman fragt: «[H]ow does one rewrite
mit der Problemstellung Methode ein gewisses             the chronicle of a death foretold and anticipated,
Privileg fortgeschrieben werden soll. Nämlich            as a collective biography of dead subjects, as
sich leisten zu können, in den Raum zu stellen,          a counter-history of the human, as the practice
auf epistemologische Grundlagen verzichten zu            of freedom?»,46 und beantwortet ihre Frage mit
können, auf Quellen, auf das Archiv.41 Ich schätze       dem (Schreib-)Verfahren der kritischen Fabu-
mal, dass eine solche Haltung nur aufgrund               lation. Damit stellt sie die Unmöglichkeit, eine
des Wissens entstehen kann, dass die Archive             Geschichte erzählen zu können, in den Mittel-
gefüllt sind, dass sie jederzeit und aufgrund            punkt eines Schreibens, das den verunmöglichten
von Privilegierung, was den Zugang zu Stellen,           Geschichten näherkommen will: «I intended
Ressourcen und Quellen angeht, gefüllt werden            both to tell an impossible story and to amplify
können und dass sie einen etwas angehen.                 the impossibility of its telling.»47 Die Unzuläng-
    Was aber, wenn dir dieses Archiv nie zugespro-       lichkeit des Schreibens verankert die Methode
chen wurde oder wenn es zwar von dir handelt,            der kritischen Fabulation. Sie bindet die Methode
aber nur in Form einer Nummer, einer Ware,               an das Scheitern. Sie zwingt eine_n, sich immer
eines Objekts? Saidiya Hartman schreibt vor dem          wieder neu zu fragen, was hätte gewesen sein
Hintergrund der transgenerationellen Erfahrung           können, welche Freiheiten hätten gelebt werden
des transatlantischen Sklav_innenhandels, dass,          können. Damit fällt das forschende Subjekt nicht
wenn das Archiv dein Todesurteil ist, es zweifellos      aus dem Prozess, sondern es wird Modus des
unmöglich ist, auf es zurückzugreifen, um etwas          Konjunktivs, Spekulation sozusagen. Und damit
über dich und deine (Medien-)Geschichte zu               entzieht sich Methode der Anspruchshaltung,
erfahren.42 Was machst du dann? Was wird aus             etwas «durch medienhistorische Genealogien
der Methode, wenn sich das Problem Empirie für           rekonstruieren»48 zu können. Stattdessen bliebe
dich erst einmal nicht stellt, weil sie entweder im-     (Medien-)Wissenschaft darauf verpflichtet, etwas
mer schon auf das «Verfahren des Fabulierens»43          zu imaginieren, das nicht

                      186                                                                     Zf M 22, 1/2020
DIFFRAKTION, INDIVIDUATION, SPEKULATION

verifiziert werden kann.49 «[T]he refusal to fill      1 Donna J. Haraway: Situiertes        Zeitschrift für Medienwissenschaft,
                                                    Wissen. Die Wissenschaftsfrage           Nr. 21, 165 – 168, hier 165.
in the gaps and provide closure, is a requirement   im Feminismus und das Privileg              9 Vgl. beispielhaft Stephanie
of this method», ebenso wie der Imperativ all das   einer partialen Perspektive, in:         Bethmann: Methoden als Problem-
                                                    Elvira Schleich (Hg.): Vermittelte       löser. Wegweiser für die qualitative
zu sagen, «which resists being said».50 Die Ver-    Weiblichkeit. Feministische Wissen-      Forschungspraxis, Weinheim 2019.
weigerung, (Medien-)Wissenschaft als Verfahren      schafts- und Gesellschaftstheorie,          10 Vonderau: Methode als wis-
                                                    Hamburg 1996, 217 – 248.                 senschaftssoziales Problem, 168.
der Repräsentation 51 zu begreifen, rüttelt an         2 Stichwort ‹Transferuniversität›.       11 Interessanterweise grenzt
den Fundamenten einer westeuropäischen Epis-           3 Donna J. Haraway: The               sich die deutschsprachige Sozio-
                                                    Promises of Monsters: A Regene-          logie, die in erster Linie an einer
temologie, an deren Anfang das rational den-        rative Politics for Inappropriate / d    «prozeduralen Legitimation»
kende Subjekt steht. Aber nichts ist durch diese    Others, in: Lawrence Grossberg,          orientiert ist, zum Teil scharf
                                                    Cary Nelson, Paula A. Treichler          von der französischsprachigen
Verweigerung verloren. Im Gegenteil: «All of        (Hg.): Cultural Studies, London          und deren Ausrichtung an einer
[the lost] dreams survive, even when they are       1992, 295 – 337; Astrid Deuber-          «individualisierten Inspiration»
                                                    Mankowsky: Diffraktion statt             ab, vgl. Keller, Poferl: Soziolo-
rendered imperceptible as such.»52 Die Frage        Reflexion, in: Zeitschrift für           gische Wissenskulturen.
ist nun, ob wir nicht lieber das Lamentieren        Medienwissenschaft, Nr. 4, 2011,            12 Ebd.
                                                    83 – 91; Karen Barad: Diffracting           13 Vgl. Michel Foucault: Ge-
sein lassen sollten, zugunsten eines kritischen     Diffraction: Cutting Together-           spräch zwischen Michel Foucault
Fabulierens, das dabei hilft, die aufgrund von      Apart, in: parallax, Jg. 20, Nr. 3,      und Studenten. Jenseits von
                                                    2014, 168 – 187.                         Gut und Böse, in: ders.: Von der
Kolonialismus, Rassismus und Heterosexis-              4 Auch weil sie, als Erfah-           Subversion des Wissens, hg. v.
mus verlorenen Freiheitsträume in der Ge-           rungswissenschaften verstanden,          Walter Seitter, Regensburg 1974,
                                                    verallgemeinernd als das Andere          110 – 127; Judith Butler: Kontingen-
genwart zu imaginieren. Denn auch das – die         des «Bücherwissens» diskur-              te Grundlagen: Der Feminismus
Imagination der Zukünftigkeit von Vergan-           siviert werden, vgl. Christoph           und die Frage der ‹Postmoderne›,
                                                    Engemann, Till A. Heilmann,              in: Seyla Benhabib u. a.: Der
genheit in der Gegenwart – ist Aufgabe von          Florian Sprenger: Wege und Ziele.        Streit um Differenz. Feminismus
Medienwissenschaft. Es wird nur viel zu selten      Die unstete Methode der Medien-          und Postmoderne in der Gegenwart,
                                                    wissenschaft, in: Zeitschrift für        Frankfurt / M. 1995, 31 – 58.
noch als Methode praktiziert bzw. expliziert.       Medienwissenschaft, Nr. 20, 2019,           14 Vgl. auch Naomie Gramlich,
                                                    151 – 161, hier 153.                     Annika Haas: Situiertes Schreiben
                                                       5 Vgl. Engemann, Heilmann,            mit Haraway, Cixous und Grauen
                              KATRIN KÖPPERT        Sprenger: Wege und Ziele, 159 f.         Quellen, in: Zeitschrift für Medien-

—                                                      6 Donna J. Haraway: Modest_
                                                    Witness@Second_Millennium. Fe-
                                                                                             wissenschaft, Nr. 20, 2019, 39 – 52.
                                                                                                15 Karen Barad: Meeting the
                                                    male-Man©_Meets_OncoMouse™.              Universe Halfway, Durham 2007;
                                                    Feminism and Technoscience, New          Corinna Barth u. a.: Geschlechter
                                                    York, London 1997, 268. Vgl. auch        Interferenzen. Wissensformen – Sub-
                                                    Deuber-Mankowsky: Diffraktion            jektivierungsweisen – Materialisierun-
                                                    statt Reflexion.                         gen, Münster 2013.
                                                       7 Vgl. Reiner Keller, Angelika           16 Valerie Walkerdine: Subjek-
                                                    Poferl: Soziologische Wissens-           tivität, Feminismus, Psychoanalyse,
                                                    kulturen zwischen individualisier-       hg. v. Brigitte Hipfl u. Matthias
                                                    ter Inspiration und prozeduraler         Marschik, Wien 2011. Siehe auch
                                                    Legitimation. Zur Entwicklung            aktuell für das Experiment der
                                                    qualitativer und interpretativer         De / Subjektivierung im wissen-
                                                    Sozialforschung in der deutschen         schaftlichen Text: Jason Pine: The
                                                    und französischen Soziologie             Alchemy of Meth. A Decomposition,
                                                    seit den 1960er Jahren, in: Forum        Minneapolis 2019.
                                                    Qualitative Sozialforschung, Jg. 17,        17 Die Methode, durch die
                                                    Nr. 1, 2016, www.qualitative-            Narration von Wissen gleichzeitig
                                                    research.net/index.php/fqs/rt/printer    situierende und subjektivierende
                                                    Friendly/2419/3942 (12.2.2020).          Effekte zu forcieren, zieht sich
                                                       8 So hat Patrick Vonderau das         durch das Werk von Saidiya
                                                    Misstrauen gegenüber Methoden,           Hartman, vgl. zur Methode der
                                                    wie es im Beitrag von Engemann,          kritischen Fabulation Katrin
                                                    Heilmann, Sprenger als medien-           Köppert in diesem Text und
                                                    wissenschaftliche Vergewisserung         aktuell Hartman: Wayward Lives,
                                                    zu Tage tritt, herausgearbeitet,         Beautiful Experiments. Intimate
                                                    vgl. ders.: Methode als wissen-          Histories of Social Upheaval, New
                                                    schaftssoziales Problem, in:             York, London 2019.

DEBATTEN                                                                                    187
JULIA BEE / JENNIFER EICKELMANN / KATRIN KÖPPERT

   18 Erin Manning: Against              Erkennen von prekären Leben.                 35 Gramlich, Haas: Situiertes           49 Hartman: Venus in Two
Method, in: dies.: The Minor             Methodologische Verknüpfun-               Schreiben.                               Acts, 12.
Gesture, Durham 2016, 26 – 45.           gen von praxeologischen und                  36 Sara Ahmed: Feministisch             50 Ebd.
Manning ist «gegen Methode»              queeren Forschungsstrategien»,            leben! Manifest für Spaßverderberin-       51 Wenn ich hier von Repräsen-
und für Techniken. Mein Ver-             13.–14.9.2010, Universität zu Köln.       nen, Münster 2017.                       tation spreche, dann meine ich,
ständnis von Methode hingegen               25 Gilles Deleuze: Die Fürspre-           37 Engemann, Heilmann,                dass sich trotz des poststruktu-
entspricht eher ihrem Begriff von        cher, in: ders.: Unterhandlungen.         Sprenger: Wege und Ziele, 155.           ralistischen Konsenses, Reprä-
Technik. Der Einfachheit halber          1972 – 1990, Frankfurt / M. 1993,            38 Gramlich, Haas: Situiertes         sentation als Akt der Herstellung
beziehe ich mich aber hier auf           175 – 196.                                Schreiben, 39.                           von Wissensgegenständen zu
den Begriff Methode.                        26 Deleuze: Fürsprecher, 181.             39 Michel Foucault beschäftigt        verstehen, Terminologien des
   19 Gilles Deleuze: Differenz             27 Vieles an der Debatte über          sich in seinen späten Vorträgen          Sichtbarmachens, Erkennens und
und Wiederholung, München 2007,          Methoden erinnert mich daher              und Schriften mit dem Problem            Lückenschließens fortsetzen.
271 – 279. Deleuze sieht seine           an Debatten um Gender Studies             der Problematisierung und                  52 Kara Keeling: Queer Times,
«Methode der Dramatisierung» als         vor vielen Jahren: Methode wird           verweist auf die gesellschaftli-         Black Futures, New York 2019, xv.
Intensivierung von Differenzen, die      gleichsam als äußerer Zwang               chen Konstruktionsweisen von
Individuationen erzeugen. Siehe          artikuliert, so wie einige Wissen-        Problemen, die gegebenenfalls
auch: Die Methode der Dramati-           schaftler_innen meinen, Gender            zu hinterfragen und in die
sierung, in: ders.: Die einsame Insel.   sei ihrem eigentlichen Denken             gegebenenfalls zu intervenieren
Texte und Gespräche 1953 – 1974, hg.     äußerlich. Ganz ähnlich kann im           ist. Michel Foucault: Diskurs und
v. David Lapoujade, Frankfurt / M.       Forschungsprozess der Eindruck            Wahrheit. Die Problematisierung der
2003, 139 – 170.                         entstehen, die etablierten Metho-         Parrhesia, Berlin 1996, 128.
   20 Im Sinne eines Denkens             den seien universell.                        40 Vgl. auch Ulrike Klöppel:
durch Methoden hindurch, ein                28 Gilles Deleuze, Félix Guattari:     Foucaults Konzept der Problema-
Denken, in das sich die Techniken        Tausend Plateaus. Kapitalismus und        tisierungsweise und die Analyse
der Methode einschreiben.                Schizophrenie 2, Berlin 1992, 291.        diskursiver Transformationen,
   21 Dies trifft sicher nicht für die      29 Barad: Meeting the Universe         in: Achim Landwehr (Hg.): Dis-
ganze Soziologie zu, sondern für         Halfway.                                  kursiver Wandel, Wiesbaden 2010,
gesellschaftlicher Emanzipation             30 Gilbert Simondon: Das               255 – 263.
verpflichtete Strömungen der             Individuum und seine Genese.                 41 Ich möchte mich herzlich
Soziologie. Vgl. zur Debatte um          Einleitung, in: Claudia Blümle,           bei Anja Sunhyun Michaelsen, Ana
eine kritische Soziologie: Geoffroy      Armin Schäfer (Hg.): Struktur,            de Almeida und Melanie Konrad
de Lagasnerie: Denken in einer           Figur, Kontur. Abstraktion in Kunst       für den fruchtbaren Austausch
schlechten Welt, Berlin 2018. Wobei      und Lebenswissenschaften, Zürich          zu Archiv und Archivtheorie im
Lagasnerie vorschnell Empirie            2007, 29 – 45; ders.: L’Individuation     Rahmen des Workshops «Family
als unkritisch gegenüber einer           psychique et collective, Paris            Frames. Perspektiven auf Intimität
Soziologie der Konzepte darstellt.       2007. Vgl. auch Erin Manning:             und Familiarität in fotografischen
   22 Ich vereinfache mit der            Engenderings: Gender, Poli-               Medien» (8.11.2019, tfm, Univer-
anachronistischen Begriffswahl           tics, Individuation, in: dies.:           sität Wien) bedanken.
hier bewusst.                            Politics of Touch. Sense, Movement,          42 Saidiya Hartman: Venus
   23 Julia Bee: Gefüge des Zuschau-     Sovereignty, Minneapolis, London          in Two Acts, in: Small Axe, Jg. 12,
ens. Begehren, Macht und Differenz       2008, 84 – 109.                           Nr. 2, 2008, 1 – 14, hier 2; vgl. auch
in Film- und Fernsehwahrnehmung,            31 Künste können auch                  dies.: Lose Your Mother. A Journey
Bielefeld 2018.                          Methoden im Sinne von Techniken           Along the Atlantic Slave Route, New
   24 Helmut Bremer, Christel            entwickeln. Dies wird in den              York 2007.
Teiwes-Kügler: Die Gruppenwerk-          Debatten um künstlerische                    43 Achille Mbembe: Kritik der
statt. Ein mehrstufiges Verfahren        Forschung häufig umgekehrt                schwarzen Vernunft, Frankfurt / M.
zur vertiefenden Exploration von         diskutiert und gerade im Hinblick         2015, 31.
Mentalitäten und Milieus, in:            auf PhD-Programme, die künstle-              44 Tavia Nyong’o: Afro-Fabula-
Heiko Geiling (Hg.): Probleme            rische Forschung verwissenschaft-         tions. The Queer Drama of Black Life,
sozialer Integration. agis-Forschungen   lichen. Dabei würde es gerade             New York 2018, 6.
zum gesellschaftlichen Struktur-         nicht darum gehen, künstlerische             45 Im Anschluss an Jared
wandel, Münster 2003, 207 – 236;         Forschung entsprechend den                Sexton: «Black life is not lived in
Gerko Egert u. a.: Praktiken der         Wissenschaften zu standardisie-           the world that the world lives in,
Nichtmännlichkeit – Prekär-              ren, sondern als Feld der speku-          but it is lived underground, in
Werden Männlicher Herrschaft im          lativen Methodenentwicklung im            outer space.» Ders.: The Social
ländlichen Raum Brandenburg,             Spannungsfeld von Künsten und             Life of Social Death: On Afro-
in: Alexandra Manske, Katharina          Medien zu verstehen.                      Pessimism and Black Optimism,
Pühl (Hg.): Prekarisierung zwischen         32 Kathrin Busch (Hg.): Anderes        in: InTensions Journal, Nr. 5, 2011,
Anomie und Normalisierung. Ge-           Wissen. Kunstformen der Theorie,          1 – 47, hier 28.
schlechtertheoretische Bestimmungen,     München 2016                                 46 Hartman: Venus in Two
Münster 2010, 186 – 209; Gerko              33 Haraway: Situiertes Wissen.         Acts, 3.
Egert, Stephan Trinkaus: Visualität         34 In Anlehnung an Leanne                 47 Ebd., 11.
als relationale Praxis, Vortrag im       Simpson: Dancing on Our Turtle’s             48 Engemann, Heilmann,
Rahmen des Workshops «(An)               Back, Winnipeg, Manitoba 2011.            Sprenger: Wege und Ziele, 158.

                                  188                                                                                                       Zf M 22, 1/2020
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