Digital Game-Based Learning im Lateinunterricht? - BieJournals

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1. Jahrgang, Ausgabe 2/2020

Digital Game-Based Learning im Lateinunterricht?
Überlegungen zur Konzeption                                                 auch Kikenberg (2013) widmet ihre empiri-
digitaler Lernspiele mit einem                                              sche Untersuchung analogen Spielformaten,
                                                                            die im Kern Grammatik- und Vokabelabfragen
Ausblick auf ein Textadventure für
                                                                            darstellen. Auch wenn nun weitere Jahre ver-
den Sprachunterricht                                                        gangen und die Spielentwicklung fortgeschrit-
                                                                            ten ist, offenbart erst die fachübergreifende
von Jun.-Prof. Dr. Monika Vogel                                             Recherche die vielfältigen Möglichkeiten digi-
                   Bergische Universität Wuppertal /                        taler Spielumgebungen, die z. T. auf einem ver-
                           Didaktik des Lateinischen                        gleichbaren Konzept beruhen: Digitale Lern-
                   Kontakt: vogel@uni-wuppertal.de                          umgebungen mit spielerischen Elementen,
                                                                            wie sie die Plattform Scoyo (www-de.scoyo.
  Gerade für den als besonders lern- und                                    com) für mehrere Schulfächer bietet, sind für
übungsintensiv geltenden Lateinunterricht                                   das Fach Latein (noch) nicht verfügbar. Inte-
wünscht man sich Mittel und Wege, das Ler-                                  ressant für Lehrkräfte ist aufgrund ihres Mo-
nen motivierender und bestenfalls auch nach-                                dellcharakters die Lernplattform QuesTanja
haltiger zu gestalten. Dies versucht man gern,                              (http://questanja.org), da sie die Möglichkeit
indem man Lerninhalte in eine spielerische                                  zur Einbettung eigener Lehr- und Lernmate-
Umgebung einbettet. Oft sind dies Gram-                                     rialien in eine spielerische Struktur gewährt.2
matik- oder Wortschatzübungen, z. T. auch                                   Alle bisher genannten Beispiele lassen sich
kulturelle Inhalte, die im Rahmen bekannter                                 dem Begriff Gamification zuordnen, der die
Spielformate (z. B. Brett-, Karten- oder Würfel-                            Nutzung von Spielelementen in spielfremden
spiele, Bingo, Quiz) vermittelt werden.1 Auch                               Kontexten (z. B. Unterricht) bezeichnet.3 Eine
wenn die Digitalisierung aktuell im altsprach-                              solche Gamifizierung von Lerninhalten muss
lichen Unterricht ein vielbeachtetes Thema ist,                             sich dabei nicht auf konkrete Spiele wie die
scheint der Bereich der digitalen Lernspiele                                oben genannten Vokabel- oder Grammatik-
dort bislang noch keinen festen Platz zu ha-                                spiele4 beschränken, sondern kann auch die
ben. Im Folgenden sollen daher Perspektiven                                 übergeordnete Struktur betreffen (vgl. die
zur Entwicklung digitaler Spieldesigns im Sin-                              Lernplattformen). Im anglo-amerikanischen
ne eines sogenannten Digital Game-Based Le-                                 Raum wurde eine Gamification ganzer Unter-
arning aufgezeigt werden. Statt eines fertigen                              richtssequenzen (ohne digitale Plattform)
Produkts stehen dazu nötige Vorüberlegungen                                 auch auf den Lateinunterricht angewandt und
im Mittelpunkt, die nach einem Überblick                                    praktisch erprobt.5
über verschiedene Konzepte spielerischen Ler-                                 Egal ob man das Konzept der Gamification
nens zunächst auf die didaktische Herausfor-                                nun analog oder digital umsetzt, charakteris-
derung einer geeigneten Synthese von Spielen                                tisch hierfür bleibt, dass Lerninhalte in eine
und Lernen eingehen, um schließlich mögli-                                  unterhaltsame Umgebung transportiert wer-
che praktische Umsetzungen für den Latein-                                  den, um das Bearbeiten sonst zu monotoner
unterricht zu beleuchten.                                                   Aufgaben attraktiver und motivierender zu ge-
                                                                            stalten (vgl. den Begriff Edutainment). Da man
1.   Spiel gleich Spiel? – Kon-                                             ein Lernen, das (erst?) mit äußeren Anreizen
zepte spielerischen Lernens                                                 einer Spielumgebung (wie Belohnung durch
 Kipf (2001) bietet eine lernpsychologische                                 Punkte, Level, Ranglisten) stattfindet, durch-
und fachdidaktische Einordnung von analo-                                   aus kritisch sehen kann, ist im Einzelnen ab-
gen Lernspielen der oben genannten Art, und                                 zuwägen, ob und v. a. in welcher genauen Wei-

1    Vgl. z. B. die Sammlungen bei Bartl 2015 und Klausnitzer / Mallon ²2017.
2    Ein ähnliches Konzept liegt der Plattform World of Classcraft (www.classcraft.com/de/) zugrunde.
3    Vgl. z. B. Migutsch 2015, 23-24 und ausführlich Stöcklin 2018 inkl. empirischer Erprobung der Plattform QuesTanja (anders als in anderen
    Studien, die auf Lernzuwachs und Motivation ausgerichtet sind, wird dabei der unter Einsatz der Plattform entstandene Unterricht fokussiert).
4    Vgl. hierzu Reinhard 2012, 135-138 (dort auch ein paar digitale Übungsformate für englischsprachige Lernende).
5    Vgl. Pike 2015; Evans 2016. Die besonderen Merkmale eines Spiels (z. B. Belohnungs- und Feedback-System) wurden dabei auf die übergeordne-
    te (nicht-digitale) Unterrichtsstruktur übertragen (bei den Lernprozessen innerhalb dieser Struktur kamen z. T. auch digitale Werkzeuge, darunter
    auch spielerische Formate wie Quiz, zum Einsatz). Vor dem Hintergrund kognitionswissenschaftlicher Erkenntnisse, die durch die Spielumgebung
    unterstützt werden (insbes. Trial-and-error-Prinzip, Motivation, Resilienz) lag der Fokus dort v. a. auf motivationalen und behavioralen Effekten.

                                                                                                                                                         Seite 31
LGNRW

           se die Gamifizierung unterrichtlich eingesetzt                                größten Effekt erzielt10).
           werden soll. Ein weiteres Problem insbesonde-                                   Einen kleinen Schritt in Richtung eines fach-
           re von gängigen Trainingsspielen ist der feh-                                 didaktischen Spielkonzepts soll der vorliegen-
           lende Kontextbezug, sowohl in Bezug auf den                                   de Beitrag leisten. Dabei soll der den Serious
           Lerninhalt (isoliertes Formen- und Vokabel-                                   Games zugrunde liegende Ansatz, der auf-
           lernen) als auch in Bezug auf die Verbindung                                  grund der Einbindung der Lerninhalte in sinn-
           von Lerninhalt und Spiel.6 Von einem echten                                   volle Kontexte besonders reizvoll erscheint,
           spielbasierten Lernen kann hier also nicht ge-                                weiter vertieft werden. Bereits vorhandene
           sprochen werden; die Spielelemente bilden le-                                 Erkenntnisse aus überwiegend anderen Diszi-
           diglich einen unterhaltsamen Rahmen.                                          plinen können dazu dienen, Qualitätskriterien
             Einen anderen Ansatz verfolgen sogenann-                                    für eine Spielentwicklung abzuleiten und so
           te Serious Games (im Bildungsbereich auch                                     das Potential digitaler Spiele auch für den La-
           Educational Games genannt). Bei dieser Kate-                                  teinunterricht nutzbar zu machen. Die beson-
           gorie ist das Lernen unmittelbar mit der Spiel-                               dere Herausforderung besteht dabei in einer
           umgebung verbunden, so dass die Lerninhalte                                   geeigneten Synthese von Spielen und Lernen.
           scheinbar nebenbei im Spiel selbst verarbeitet
           werden. Gleichzeitig liegt aber konzeptionell                                 2.   Spielen und Lernen im
           der Fokus nicht auf der Unterhaltung, sondern                                 unterrichtlichen Kontext
           auf dem Lernerlebnis, das wiederum in eine
                                                                                           Entwicklungspsychologisch betrachtet ist
           Spielwelt integriert ist. Wesentliches Merkmal
                                                                                         der Zusammenhang von Spielen und Lernen
           von Serious Games ist also ein ausdrücklicher
                                                                                         ganz selbstverständlich: In jedem Spiel findet
           Bildungszweck.7 Der dabei stattfindende Lern-
                                                                                         Lernen statt, und so ist Spielen nicht nur für
           prozess wird im Rahmen eines Digital Game-
                                                                                         die kindliche Entwicklung von wesentlicher
           Based Learning, das allgemein den Einsatz von
                                                                                         Bedeutung, sondern stellt darüber hinaus
           digitalen Spielen zu Lernzwecken beschreibt,
                                                                                         auch eine wichtige Form lebenslangen Lernens
           angestoßen.8 Meta-Analysen zeigen insgesamt
                                                                                         dar. Das Lernen in einer Spielumgebung lässt
           überwiegend positive Effekte auf, allerdings
                                                                                         sich durch einen Zyklus aus Verhalten, Rück-
           ist bei der Vielzahl unterschiedlicher Ein-
                                                                                         meldung und Bewertung bzw. Motivation be-
           flussfaktoren auf die Ergebnisse (Spielgenre,
                                                                                         schreiben.11 Das Spielen selbst wird dabei zum
           Spieldesign und einzelne Spielelemente, Fach-
                                                                                         Lernprozess: Nach einem Spielzug erhalten die
           und Einsatzbereich, Methodik usw.) weitere
                                                                                         Spieler*innen eine Rückmeldung, die zur Be-
           Forschung erforderlich, um die genauen Zu-
                                                                                         wertung der Situation führt und den nächsten
           sammenhänge zwischen Spiel und Lern- oder
                                                                                         Spielzug motiviert. Zugleich stellt sich immer
           Motivationseffekten empirisch nachzuweisen.9
                                                                                         wieder ein Belohnungseffekt und damit Moti-
           Damit geht einher, dass aus allgemeinen Ten-
                                                                                         vation ein, wenn die Entscheidung für einen
           denzen nicht ohne Weiteres auf fachspezifi-
                                                                                         bestimmten Spielzug dazu führt, im Spiel vo-
           sche Einzelaspekte geschlossen werden kann.
                                                                                         ranzukommen. Die Möglichkeit, ausprobieren
           Nicht hinreichend beachtet sind insbesondere
                                                                                         zu können und eine unmittelbare Rückmel-
           Langzeiteffekte sowie die didaktische Einbin-
                                                                                         dung vom System zu erhalten, ist ebenfalls
           dung von Spielen in Unterrichtssettings und
                                                                                         ein wichtiger Faktor, der die Spieler*innen
           die Entwicklung entsprechender Unterrichts-
                                                                                         veranlasst, ihr Verhalten zu reflektieren und
           szenarien (bisherige Erkenntnisse deuten da-
                                                                                         eine adäquate Spielstrategie zu finden. Dem-
           rauf hin, dass gerade die Kombination von
                                                                                         entsprechend werden in der Literatur insbe-
           Spielen mit anderen Unterrichtsmethoden den
                                                                                         sondere folgende Punkte als entscheidend für

           6    Vgl. Gabriel 2016, 147-148 im Zusammenhang mit modernen Fremdsprachen.
           7     Bei Gamification liegt inhaltlich zwar auch ein Fokus auf dem Lerninhalt, was das Spieldesign betrifft, geht es aber in erster Linie um den Unter-
                haltungseffekt.
           8     Genauer zur begrifflichen Einordnung Breuer 2010, 13-22; Hoblitz 2015, 19-28. Abzugrenzen von Serious Games sind (kommerzielle) Com-
                puterspiele, die ebenfalls im Unterricht eingesetzt werden können und damit Digital Game-Based Learning ermöglichen, aber nicht eigens zu
                Lernzwecken konzipiert sind (z. B. Rome: Total War mit der Weiterentwicklung Rome: Total Realism, Glory of the Roman Empire, s. u.).
           9    Vgl. Wouters u. a. 2013 (der Bereich „Fremdsprachen“ erweist sich dort als anderen Fächern überlegen); Zhonggen 2019; vgl. ferner den Über-
                blick inkl. Fokussierung von Educational Games im Schulunterricht bei Hoblitz 2015, 28-53. Auch zur Gamification lassen sich positive Effekte
                verzeichnen, vgl. hierzu Stöcklin 2018, 92-95; Sailer / Homner 2020. Interessanterweise stellen motivationale Effekte, die oft als gegeben an-
                genommen werden und die Entscheidung für einen Spieleinsatz begründen, empirisch einen weniger stabilen Faktor dar als der Lernzuwachs (vgl.
                Wouters u. a. 2013, 261, vgl. Sailer / Homner 2020; etwas positiver der Überblick bei Hoblitz 2015, 40-44 im Kontext des Schulunterrichts).
           10   Vgl. Wouters u. a. 2013, 260; vgl. Gabriel 2016, 151.
           11   Vgl. Kerres / Bormann 2009, 25.

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1. Jahrgang, Ausgabe 2/2020

ein positives Spiel- und Lernerlebnis genannt:12                             Spiel voranzukommen, ohne dass sich eine
                                                                             solche Aufgabe im Spielkontext als sinnvoll er-
     •      Selbstwirksamkeit (mit dem Gefühl der                            weist. Hier ist sicherzustellen, dass es den Spie-
            intrinsischen Belohnung / Erfolgserleb-                          ler*innen wichtig genug ist, die Lernaufgabe
            nisse);                                                          zu lösen und ggf. weitere zur Lösung nötige
     •      Interaktion und Feedback (Aktion und                             Aktionen durchzuführen.15 Diese und weitere
            Reaktion zwischen Spieler*innen und                              Forschungsergebnisse sprechen dafür, nicht
            Spielsystem);                                                    sämtliche Lerninhalte in das Spiel zu integrie-
     •      Identifikation mit den eigenen Avataren;                         ren sowie andere Unterrichtsformen vor, wäh-
     •      Herausforderung und Passung (mittel-                             rend und nach dem Spiel zu nutzen – auch,
            schwerer Schwierigkeitsgrad und Auf-                             damit der gewünschte Transfer vom Spiel in
            gaben mit steigender Schwierigkeit im                            die Realität stattfinden kann.16 Ein Vorzug der
            Spiel).                                                          Spielumgebung ist, dass sie einen (angst- und
                                                                             sanktionsfreien) „Raum für die Erprobung
  Dies kann nur dann optimal gelingen, wenn                                  des eigenen Könnens und die Erfahrung des
Spielen und Lernen nicht getrennt voneinan-                                  Scheiterns“ schafft.17
der ablaufen, d. h. implizites Lernen ermög-
licht wird, das tatsächlich innerhalb der Spiel-                             3.   Immersive Lern- und
umgebung stattfindet, anstelle von explizitem
Lernen, das den Spielfluss unterbrechen und
                                                                             Spielumgebungen für den La-
stören würde (didaktisch-immersives Spiel-                                   teinunterricht
design).13                                                                     Das Ziel und zugleich Desiderat eines im-
  Tatsächlich leidet die Qualität mancher Spie-                              mersiven Spieldesigns, das neben dem Spieler-
le gerade darunter, dass das Lernen nicht zum                                lebnis auch die Verarbeitung von Lerninhalten
Spielerlebnis gehört, sondern eine deutliche                                 ermöglicht, hat bereits Reinhard (2012) für
Trennung von Spiel- und Lernwelt vermittelt                                  den Lateinunterricht formuliert; dazu gehört
wird. Welche Auswirkung dies auf das Ver-                                    auch der Gebrauch der lateinischen Sprache,
halten der Spieler*innen hat, wurde anhand                                   der sich unmittelbar und sinnvoll aus dem
des Physik-Lernspiels Physikus empirisch un-                                 Spielkontext ergibt.18 Kommerziellen Com-
tersucht.14 In dieses Spiel sind physikalische                               puterspielen mit antikem Kontext, für die es
Lernaufgaben eingebettet, die inhaltlich eng                                 auch Modifikationen in lateinischer Sprache
an die Spielhandlung angebunden sind. Hier-                                  gibt (Rome: Total War bzw. Rome: Total Rea-
bei wird neben der eigentlichen Spielhandlung                                lism, Glory of the Roman Empire), liegt kein
ein Wissensteil zur Verfügung gestellt, der                                  auf Lateinlernende ausgerichtetes didaktisches
erarbeitet werden soll, um im Spiel weiter-                                  Konzept zugrunde, das ein systematisches und
zukommen. Diese explizite Trennung hatte                                     kontrolliertes Sprachenlernen ermöglicht.19
aber zur Folge, dass die Studierenden, die an                                  Eine didaktische Intention verfolgt dagegen
der besagten Studie teilnahmen, die Wissens-                                 das VRoma-Projekt (www.vroma.org). Diese
elemente nur oberflächlich erfassten, nämlich                                Plattform bietet eine immersive Lernumge-
nur soweit es nötig war, um erneut in das Spiel                              bung in der Art eines Rollenspiels zur Erkun-
eintauchen zu können. Eine tiefere Ausein-                                   dung des antiken Rom.20 Neben dieser lang-
andersetzung mit den Wissensinhalten fand                                    fristig angelegten Lernumgebung, die kein
nicht statt. Eher störend für den Spielfluss sind                            Spiel im engeren Sinne darstellt,21 bietet die
auch von der Spielhandlung unabhängige Auf-                                  Plattform Materialien für Lehrer*innen, da-
gaben (z. B. die Identifikation grammatischer                                runter auch zwei Spiele für den Unterrichts-
Formen oder Wortarten), die dazu dienen, im                                  einsatz (Role-Playing Game, Discover Rome).
                                                                             Wenngleich bei der Projektentwicklung auch
12       Vgl. Kerres / Bormann 2009, 26-27; Breuer 2010, 9-11.
13       Hierzu genauer Kerres / Bormann 2009.
14       Bormann u. a. 2008, vgl. Kerres / Bormann 2009, 29-30.
15       Kerres / Bormann 2009, 28-29.
16       Vgl. hierzu Migutsch 2015, 21 und Gabriel 2016, 151-153 im Kontext moderner Fremdsprachen.
17       Migutsch 2015, 24.
18       Reinhard 2012, 146-147 („an immersive game that is both fun to play and also teaches and reinforces Latin at same time”).
19       Vgl. Reinhard 2012, 147-148; vgl. auch oben Anm. 8.
20       Genauer hierzu McManus / Jung 2012. Die Funktionalität der Plattform ist mittlerweile nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet.
21       McManus / Jung 2012, 174: „not in itself a ‘game’”.

                                                                                                                                                Seite 33
LGNRW

           die lateinische Sprache mit eingearbeitet wur-                              ren einen Prototypen mit dem Titel Adventu-
           de, steht bei diesen Angeboten die Vermittlung                              rium25 entwickelt. Dieses Spiel befindet sich
           kultureller Inhalte im Vordergrund.                                         nun in Kooperation mit der Verfasserin dieses
             Einen deutlichen Schritt weiter geht Opera-                               Beitrags in der Weiterentwicklung. Dabei zeigt
           tion LAPIS (https://practomime.com/lapis/                                   sich immer wieder die Wichtigkeit eines so-
           lapis.php), ein zweijähriger (amerikanischer)                               liden didaktischen Konzepts, damit das Spiel
           Lateinkurs, der vollständig in einer Spielumge-                             einerseits seinen Lernzweck erfüllt, anderer-
           bung verläuft. Das Spieldesign vereint Eigen-                               seits aber auch als Spiel reizvoll bleibt. Auf
           schaften eines Rollenspiels und textbasierten                               eine detaillierte Präsentation des Spiels muss
           Adventure-Spiels; die Lerner*innen arbeiten                                 an dieser Stelle verzichtet werden, daher mö-
           dabei in Teams.22 Dadurch, dass hier Digital                                gen als erste Anregung ein paar grundsätzliche
           Game-Based Learning ein ganzes Curricu-                                     konzeptionelle Überlegungen genügen:
           lum durchzieht und dementsprechend neben                                      Ein Textadventure besteht zunächst einmal
           kulturellen Inhalten auch die nötigen sprach-                               aus einer virtuellen Umgebung, die aus ver-
           lichen Kompetenzen vermittelt werden, befin-                                schiedenen „Räumen“ oder „Orten“ zusam-
           det man sich, was die Gesamtstruktur betrifft,                              mengesetzt ist. Im Lateinunterricht eignen
           zwar immer im Spiel, muss aber zwangsläufig                                 sich hierzu hervorragend reale (oder mytholo-
           immer wieder auch in einen Lernmodus über-                                  gische) antike Umgebungen, wie z. B. das Fo-
           gehen, wenn in separaten Umgebungen z. B.                                   rum Romanum, die Thermen, die Unterwelt
           Grammatik und Wortschatz vermittelt wer-                                    u. v. m. Durch eine solche Umgebung lenkt
           den.                                                                        der Spieler eine virtuelle Person, den Avatar,
                                                                                       indem er ihm Anweisungen gibt, welche die
                                                                                       Geschichte voranbringen. Diese Geschichte
           4.    Ausblick: ein Textadven-                                              besteht meist in dem Auftrag, eine bestimmte
           ture für den Sprachunterricht                                               Aufgabe zu lösen, und wird dann im eigent-
             Die vorangehenden Überlegungen führen                                     lichen Spielverlauf zu Ende geführt. Durch
           abschließend zu einem Konzept für ein mög-                                  die Anweisungen, die der Spieler dem Avatar
           liches Spieldesign, und zwar zunächst für den                               in Form von Texteingaben geben muss (z. B.:
           lateinischen Sprachunterricht. Zweckmäßig                                   i ad montem), findet eine sowohl rezeptive
           scheint dabei ein Spiel, das den Lateinlehrgang                             als auch (auf einfachem Niveau) produktive
           unterstützt und in konventionelle Unterrichts-                              Auseinandersetzung mit Sprache statt: Man
           settings eingebunden werden kann, also nicht                                muss die Texte, die das Spiel vorgibt, verstehen
           wie Operation LAPIS das Lehrbuch ersetzt,                                   (dabei können lateinische Textbausteine mit
           sondern ergänzt. Als Ergänzung zu anderen                                   deutschen Texten kombiniert werden), um an-
           Unterrichtsformen kann das Spiel auf diese                                  schließend die richtige sprachliche Anweisung
           Weise etwa zur Vertiefung zuvor gelernter In-                               eingeben zu können (ggf. z. B. unter Hinzu-
           halte eingesetzt werden. Grundidee ist dabei                                fügung eines Adjektivattributs: i ad montem
           die Auseinandersetzung mit Sprache als Mittel                               Capitolinum). Gerade für den Schulunterricht
           der Kommunikation innerhalb einer Spielwelt,                                bietet sich eine Hybridvariante an, die auch
           die einen den Lerninhalten entsprechenden                                   graphische Elemente (z. B. zur Visualisierung
           Kontext darstellt und damit neben sprachli-                                 der antiken Umgebung) enthält.
           chen auch kulturelle Inhalte vermittelt.23                                    Zum Verhältnis von Spielen und Lernen stellt
             Da im Lateinunterricht die Auseinanderset-                                sich die grundsätzliche Frage, ob Wissensbe-
           zung mit Sprache und insbesondere mit Tex-                                  stände (auch) innerhalb des Spiels erlernt wer-
           ten im Mittelpunkt steht, bietet sich das Genre                             den sollen oder vorab erarbeitet und im Spiel
           des Textadventures an.24 Tobias Schliebitz,                                 vertieft werden. Da die Einbettung neu zu er-
           Gymnasiallehrer, hat bereits vor einigen Jah-                               lernender Wissensbestände die Gefahr birgt,

           22    Vgl. Sapsford / Travis / Ballestrini 2013; Slota / Ballestrini 2019, 84-88.
           23   Für „Deutsch als Fremdsprache“ hat das Goethe-Institut diese Idee bereits in recht anspruchsvoll gestalteten Adventure-Spielen umgesetzt („Lern-
                abenteuer Deutsch – Das Geheimnis der Himmelsscheibe“ und „Lernabenteuer Deutsch – ein rätselhafter Auftrag“). Hier wird eine immersive
                Lernumgebung geschaffen, in der im Rahmen einer Kriminalgeschichte verschiedene Kommunikationssituationen zu meistern sind. Gleichzeitig
                werden kulturelle Inhalte verarbeitet.
           24    Ein Beispiel aus den modernen Fremdsprachen ist das Textadventure „Ausflug am Wochenende nach München“ (2007) für DaF-Lernende.
                Genauer zu textbasierten Adventure-Spielen beim Fremdsprachenlernen Peterson 2013, 23-25; 65-68; 89-91 (mit empirischen Befunden).
           25    Vgl. Schliebitz 2017.

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den Spielfluss zu stören und ggf. nicht ausrei-                                •    Synergieeffekte mit dem Medium „Lehr-
chend durchdrungen zu werden (s. o.), scheint                                       buch“.
es sinnvoll, das Spiel zunächst als Mittel der                                 Um dieses Potential ausschöpfen zu können,
Vertiefung und Wiederholung zu konzipieren.                                  ist noch viel Entwicklungsarbeit nötig. Zudem
Dabei kann man mit Rücksicht auf die oben                                    lässt sich das Spieldesign je nach Lerninhalten
benannte Problematik auch darüber nachden-                                   durch zahlreiche Elemente erweitern; auch
ken, inwieweit sich Übungsformate, wie sie                                   verschiedene Varianten eines Spiels oder un-
das Lehrbuch bietet, sinnvoll in das Spiel inte-                             terschiedliche Spielverläufe sind denkbar. Bei
grieren oder Bilder einbinden lassen, an denen                               fortgeschrittenem Spracherwerb lassen sich
z. B. Wortschatz- oder Kulturwissen ange-                                    zunehmend Elemente der Texterschließung
wandt werden kann. Damit all dies zielgerich-                                oder auch Interpretation einbinden, so dass
tet und kompetenzorientiert erfolgt, sollte sich                             auch der Einsatz im Literaturunterricht, d. h.
der Inhalt des Spiels eng an die Lehrbucharbeit                              in der Lektürephase, möglich wird.26 Der Kre-
anlehnen; so können die Inhalte, die innerhalb                               ativität sind also kaum Grenzen gesetzt.
einer Lektion erarbeitet wurden, im Spiel noch
einmal verarbeitet werden (etwa in Anknüp-                                   Literatur
fung an die Geschichte des Lektionstextes und                                Bartl, F.: 66 + XV Spielideen Latein. Mit
den jeweiligen kulturellen Kontext). Auf diese                                 Spielen aus dem Alten Rom, aufbereitet für
Weise entstehen viele einzelne Textadventu-                                    den modernen Lateinunterricht. Augsburg:
res mit jeweils eigenem Spiel- und Lerninhalt.                                 Auer 2015.
In dieser Lehrbuchabhängigkeit besteht eine
                                                                             Bormann, M. / Heyligers, K. / Kerres, M.
grundsätzliche Herausforderung des Spielde-
                                                                               / Niesenhaus, J.: Spielend Lernen! Spie-
signs: Eine passgenaue Abstimmung mit den
                                                                               lend Lernen? Eine empirische Annäherung
jeweiligen Lerninhalten ist praktisch nur in
                                                                               an die Möglichkeiten einer Synthese von
Anlehnung an ein bestimmtes Lehrbuch mög-
                                                                               Spielen und Lernen. In: Lucke, U. / Kinds-
lich, weil sich die Lehrbücher insbesondere in
                                                                               müller, M. C. / Fischer, S. / Herczeg, M.
Grammatikprogression und Wortschatz un-
                                                                               / Seehusen, S. (Hrsg.): Workshop Procee-
terscheiden. Will man darüber hinaus breitere,
                                                                               dings der Tagungen Mensch & Computer
lehrbuchunabhängige Einsatzmöglichkeiten
                                                                               2008, DeLFI 2008 und Cognitive Design
schaffen, so wären Spielkonzeptionen denkbar,
                                                                               2008. Berlin: Logos 2008, 339-343.
die statt spezieller Lektionsinhalte allgemein
übliche Themenbereiche der Lehrbuchphase                                     Breuer, J.: Spielend lernen? Eine Bestands-
fokussieren; solche Spielvarianten sollten dann                                aufnahme zum (Digital) Game-Based Le-
aber so mit geeigneten Hilfsfunktionen (z. B.                                  arning. LfM-Dokumentation, Bd. 41, 2010.
durch Hyperlinks) ausgestattet sein, dass ein                                  Verfügbar unter: https://www.medienans-
reibungsloses Spielerlebnis unter gleichzeitiger                               talt-nrw.de/fileadmin/lfm-nrw/Publikatio-
Verarbeitung der Lerninhalte möglich wird.                                     nen-Download/Doku41-Spielend-Lernen.
  Zusammengefasst eröffnet ein derartiges                                      pdf (Zugriff am 10.08.2020).
Textadventure vielfältiges Potential:                                        Evans, E.: Gamification in a Year 10 Latin
  • Vertiefung        neuen     Sprachmaterials                                Classroom: Ineffective ‘Edutainment’ or a
      (Sprachkompetenz);                                                       Valid Pedagogical Tool? In: The Journal of
  • Auseinandersetzung mit lateinischen                                        Classics Teaching 34 (2016), 1-13.
      Texten / Textverständnis (Textkompe-                                   Gabriel, S.: Spielend Fremdsprachen lernen
      tenz);                                                                   – Wie können digitale Spiele den Fremd-
  • Auseinandersetzung mit kulturellen In-                                     sprachenerwerb unterstützen? Eine kurze
      halten in „realer“ Spielumgebung (Kul-                                   Übersicht über den derzeitigen Stand der
      turkompetenz);                                                           Forschung. In: Medienimpulse 54/3 (2016),
  • Auseinandersetzung mit Sprache und                                         143-156.
      Kultur vollständig in der Spielumge-                                   Hoblitz, A.: Spielend Lernen im Flow. Die
      bung;                                                                   motivationale Wirkung von Serious Games
26    Vgl. Hoffmann 2017, 42-44 zu einem im Rahmen der Ovid-Lektüre von Schüler*innen konzipierten Textadventure: Dort handelt es sich um
     eine andere Variante eines Textadventures, in dem eine Geschichte erzählt wird, die je nach Entscheidung des Lesers einen jeweils anderen Verlauf
     nimmt.

                                                                                                                                                         Seite 35
LGNRW

             im Schulunterricht. Wiesbaden: Springer          Thorsen, T. S. (Hrsg.): Greek and Roman
             VS 2015.                                         Games in the Computer Age. Trondheim:
           Hoffmann, E.: Ovids Pyramus und Thisbe im          Akademika Publishing 2012, 127-153.
            21. Jahrhundert? In: AU 3/2017, 40-44.          Sailer, M. / Homner, L.: The Gamification of
           Kerres, M. / Bormann, M.: Explizites Ler-          Learning: a Meta-analysis. In: Educational
             nen in Serious Games: Zur Einbettung von         Psychology Review 32 (2020), 77-112.
             Lernaufgaben in digitale Spielwelten. In:      Sapsford, F. / Travis, R. / Ballestrini, K.:
             Zeitschrift für E-Learning, Lernkultur und       Acting, Speaking, and Thinking Like A Ro-
             Bildungstechnologie 4/4 (2009), 23-34.           man: Learning Latin with Operation LA-
           Kikenberg, A.: Spielen oder nicht spielen, das     PIS. In: The Journal of Classics Teaching 28
             ist hier die Frage. Eine empirische Untersu-     (2013), 13-16.
             chung über die Effektivität von Lernspielen    Schliebitz, T.: Adventurium. Einladung zu
             im Lateinunterricht. In: Pegasus-Online-         der Mitarbeit an einem lateinischen Adven-
             zeitschrift 13/1+2 (2013), 55-104.               ture-Spiel. In: MittBl DAV-NRW 1/2017,
           Kipf, S.: Et vitae et scholae … ludimus. Das       17-22.
             Lernspiel im altsprachlichen Unterricht. In:   Slota, S. T. / Ballestrini, K.: Una vita: Ex-
             AU 1/2001, 2-14.                                 ploring the Relationship between Play, Le-
           Klausnitzer, P. / Mallon, S.: „Tres, tres,         arning Science and Cultural Competency.
             tria“. Lernspiele für Latein ab dem 1. Lern-     In: Natoli, B./Hunt, S. (Hrsg.): Teaching
             jahr. Berlin: Cornelsen ²2017.                   Classics with Technology. London: Blooms-
                                                              bury Academic 2019, 81-90.
           McManus, B. F. / Jung, D.: Romans Can’t
            Carry Coins in Their Togas. In: Thorsen,        Stöcklin, N.: Computergestützte Gamifizie-
            T. S. (Hrsg.): Greek and Roman Games in           rung in der Sekundarstufe I. Konzeption
            the Computer Age. Trondheim: Akademika            und Erforschung von Maßnahmen zur Ein-
            Publishing 2012, 155-174.                         bindung spielerischer Elemente in Lernset-
                                                              tings. Diss. phil. Heidelberg 2018.
           Migutsch, K.: Serious Games und weniger
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            (2015), 20-24.                                   Analysis of the Cognitive and Motivational
                                                             Effects of Serious Games. In: Journal of
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                                                              Serious Games in Education over a Deca-
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