Heilige Schriften - Bibel und Koran - unterrichtsskizze

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unterrichtsskizze

Heilige Schriften – Bibel und Koran
           Anregungen für eine kompetenzorientierte Unterrichtspraxis in der Jahrgangsstufe 6

Von Anke Kaloudis

Didaktische Klärungen                                         Positionsfindung kommen können. D. h., dass das mögli-
                                                              cherweise aus dem Grundschulbereich gespeicherte Vor-
  Derzeit leben ca. vier Millionen Muslime in Deutschland.    wissen über den Islam und das Christentum in einem grö-
Das sind ca. fünf Prozent der Gesamtbevölkerung. Die          ßeren Zusammenhang vernetzt wird.
Begegnung mit Menschen muslimischen Glaubens gehört
daher vielfach zu unserem Alltag. Die Integrationsbemü-         Durch den interreligiösen Bezug der Lerneinheit können
hungen in Deutschland sind nach 40 Jahren Einwande-           darüber hinaus auch mögliche Formen der Distanzierung
rung immer noch von der Rede um »Parallelwelten« oder         gegenüber der eigenen Religion aufgefangen werden.
»Einwanderungsstopp« geprägt. Schlagworte wie »Euro-          Nicht selten sind den Schülern und Schülerinnen christli-
Islam« oder »Neo-Islam« weisen aber darauf hin, dass die      che Werte und Traditionen nur noch rudimentär vertraut.
in der hiesigen Gesellschaft lebenden Muslime um eine         Die multireligiöse Situation stellt in dieser Hinsicht für
Positionierung und Findung ihrer Identität bemüht sind.       junge Menschen eine Herausforderung dar, der sie sich
Die Gegenüberstellung von Bibel und Koran ermöglicht          stellen müssen, auch über den Weg der eigenen Religion
einen Zugang zum christlichen und zum muslimischen            nachzudenken.
Glauben und damit zur Frage nach christlicher und mus-
limischer Identität. Die Kenntnis des jeweils Anderen
kann dabei Vorurteilen vorbeugen und nachhaltig wirken.       Fachwissenschaftliche Klärungen
Darüber hinaus dient sie der eigenen Identitätsfindung
– diese ist gekoppelt an die Auseinandersetzung mit dem         Sowohl das Christentum als auch der Islam gehören zu
Anderen: Eine Spurensuche zwischen Bibel und Koran            den Buchreligionen. Im Mittelpunkt der beiden Religio-
kann Schülerinnen und Schülern dazu verhelfen, sich in        nen stehen Glaubenszeugnisse, die ihren Niederschlag in
ihrer Unterschiedlichkeit wahrzunehmen und Gemeinsa-          einem festen Kanon gefunden haben. In beiden Religio-
mes zu entdecken, das eigene Profil zu schärfen und den       nen spricht man von dem »Heiligen Buch« oder »Heiligen
Anderen in seiner Fremdheit zu akzeptieren1.                  Schriften«, wenngleich in jeweils unterschiedlicher Be-
Der Entwicklungspsychologe Jean Piaget redet vom kon-         deutung. Muslime gehen davon aus, dass im Koran die
kret-operationalen und formal-operationalen Denken,           Stimme Allahs ihren Niederschlag gefunden hat, nachdem
wenn es um den Übergang vom Grundschulalter zum Ju-           Mohammed durch den Erzengel Gabriel der Koran Wort für
gendalter geht. Erik H. Erikson führt den Begriff »Iden-      Wort offenbart wurde. Darin liegt seine Heiligkeit begrün-
tität versus Identitätsdiffusion« an, um die psychosozia-     det, die sich in unterschiedlicher Weise auf den Gebrauch
le Entwicklung im Jugendalter zu beschreiben.2 Das Den-       des Korans auswirkt: Er darf nur im Zustand ritueller Rein-
ken geht über die konkrete Anschauung hinaus und wird         heit in die Hand genommen werden und erhält z. B. den
abstrakt. Schüler/innen in diesem Alter lernen in selbst-     höchsten Platz in einem Raum. In wissenschaftlicher
reflexiver Weise ihre eigene Persönlichkeit zu identifizie-   Hinsicht unterliegt der Koran anderen Auslegungsmetho-
ren und in Beziehung zu Fremden zu setzen. Im multikul-       den als die Bibel. Letztere wird konsequent als ein histo-
turellen Kontext der Schule und der Gesellschaft bedeu-       risches Buch gedeutet, wenn es darum geht, sie – so wie
tet das, dass Schüler/innen durch kulturelle und religiöse    andere geschichtliche Quellen auch – in historisch-kriti-
Unterschiede und Gemeinsamkeiten zur eigenen Identi-          scher Perspektive zu befragen. Gleichwohl reden Christen
tätsfindung herausgefordert werden. Eine Aufgabe der          von ihr als »Heiligem Buch«, weil sich in der Bibel die
Pädagogik ist es deshalb, ihnen geeignete Möglichkeiten       Geschichte Gottes mit den Menschen in Erzählungen ver-
zu bieten, mit deren Hilfe sie sich die Lebenswelt der        dichtet hat und sie Auskunft über Gottes Weg mit den
Anderen erschließen und auf diesem Weg zur eigenen            Menschen gibt3.

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Bibel und Koran stehen nicht nur für zwei Bücher von       Allahs, der sich nicht anders als durch sein gesprochenes
zwei Religionen, sondern an ihnen werden auch in exem-     Wort identifizieren lässt.
plarischer Weise Gemeinsamkeiten und Unterschiede von
christlichem und islamischem Glauben erkennbar. Beide      Zur Unterrichtspraxis
Religionen zählen zu den Offenbarungsreligionen.
                                                             Schüler/innen können in einer kompetenzorientierten
 Nach christlichem Glauben offenbart sich Gott in Jesus    Unterrichtssequenz »Heilige Schriften – Bibel und Koran«
Christus; damit verweist das Christentum auf die Welt      sowohl christliche also auch nichtchristliche Glaubenspraxis
bzw. auf einen Menschen, wenn es um die Auffindbarkeit     bewusst wahrnehmen. Sie entwickeln die Fähigkeit, ande-
Gottes geht. Gott »entäußert« sich und steigt herab vom    ren Positionen gegenüber aufgeschlossen und respektvoll
»himmlischen Thron«. Der Koran ist demgegenüber ein        zu begegnen. Schließlich können sie auch eine eigene Posi-
Sinnbild für die absolute Transzendenz und Heiligkeit      tion zum Thema begründet formulieren und vertreten.

Im Einzelnen können folgende Kompetenzen angesprochen werden:

Kompetenzbereiche                          Inhaltsbezogene Kompetenzerwartungen

Wahrnehmen und beschreiben                 Die Schüler/innen nehmen die Bibel und den Koran als Grundlage des
                                           Christentums und des Islams wahr und beschreiben religiöse (Alltags-)
                                           Situationen, in denen sie eine Rolle spielen.

Deuten und verstehen                       Die Schüler/innen deuten die Unterschiede und Gemeinsamkeiten
                                           zwischen Bibel und Koran und verstehen sie als Merkmale, bei denen
                                           Unterschiede und Gemeinsamkeiten von christlichem und islamischem
                                           Glauben erkennbar werden.

Fragen und begründen                       Die Schüler/innen setzen sich mit der Frage auseinander, woran sie
                                           durch den Vergleich von Bibel und Koran für den eigenen Umgang mit
                                           der Bibel festhalten wollen und begründen, welche Bedeutung die Bibel
                                           für sie hat.

Kommunizieren und bewerten                 Die Schüler/innen stellen ihre Meinung zur Frage, welche Bedeutung die Bi-
                                           bel für sie hat, gegenüber anderen Positionen dar, grenzen sich von ihnen
                                           ab bzw. lehnen sich an diese an und respektieren andere Auffassungen.

Ausdrücken und gestalten                   Die Schüler/innen stellen gestalterisch dar, welche Bedeutung für sie die
                                           Bibel (im Unterschied zum Koran) hat.

Entscheiden und teilhaben                  Die Schüler/innen zeigen ihren Bezug zur Bibel in einem öffentlichen
                                           Rahmen, der über den Unterricht hinausgeht (beispielsweise in einer Aus-
                                           stellung oder einem Leserbrief in der Zeitung).

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Stufen des Kompetenzerwerbs
Um die genannten inhaltsbezogenen Kompetenzen zu erreichen, sind folgende Stufen des Kompetenzerwerbs denkbar:

Die Schüler/innen lernen die wichtigsten Sachinfor-            M   1 a: Das Alte Testament entsteht
mationen über Bibel und Koran kennen.                          M   1 b: Das Neue Testament entsteht
                                                               M   1 c: Die Bibel erhält ihre heutige Form
                                                               M   2: Der Koran entsteht

Die Schüler/innen identifizieren bestimmt Umgangs-             M 3: Wie Muslime im Koran lesen
formen mit Bibel und Koran im Alltag. Sie formulieren          M 4: Wie Christen in der Bibel lesen
Unterschiede und Gemeinsamkeiten.

Die Schüler/innen fragen nach Situationen, in denen            (Schüler/innen machen eine Umfrage: Was halten
die Bibel eine Bedeutung hat.                                  Menschen von der Bibel?)

Die Schüler/innen formulieren eine eigene Position             M 5: Schülerzeitung: Deine Meinung ist gefragt
zu Bibel und Koran.

  Eine mögliche Unterrichtssequenz, in der die Schüler/-     zu berichten. Möglich wäre auch die Vernetzung mit dem
innen am Ende eine eigene Position zu Bibel und Koran        »muttersprachlichen Unterricht«.
formulieren und vertreten können, könnte dann folgen-
dermaßen strukturiert sein:
– In dieser ersten Unterrichtsphase nehmen die Schü-
   ler/innen unterschiedliche Ausgaben von Bibel und         Anmerkungen:
   Koran wahr. (Haptischer Zugang: Bibel und Koranaus-       1 vgl. W. Weiße (Hg.): Vom Monolog zum Dialog, und W. Wei-
   gaben liegen bereit.)                                       ße (Hg.): Wahrheit und Dialog, sowie das Integra-
– Die Schüler/innen deuten und begründen danach die-           tionsportal des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
   se Unterschiedlichkeit als Unterschiede im jeweiligen     2 vgl. F. Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, S. 106 ff.
   Glauben, indem sie die Ergebnisse aus den vorherge-       3 vgl. C. P. Baumann: Der Knigge der Weltreligionen, S. 112 f.
   henden Stunden auf jeweils zwei großen Plakaten zum         oder: »Was jeder vom Islam wissen muss«, S. 18 ff.
   Thema »Bibel« und »Koran« festhalten. (Das kann in
   Form einer Partnerbefragung stattfinden oder auch         Literaturverzeichnis
   einer »Mind-map« im Plenum.)                              – Baumann, Christoph Peter: Der Knigge der Weltreligionen,
– Die Schüler/innen formulieren eine eigene Position zu      Stuttgart 2005
   Bibel und Koran. Sie stellen ihre Position zu Bibel und   – Bildungsstandards und Inhaltsfelder. Das neue Kerncurriculum
   Koran begründet dar, indem sie einen Text für die         für Hessen. Sekundarstufe I – Realschule. Evangelische Reli-
   Schülerzeitung gestalten. (Vgl. dazu M 5: Schülerzei-     gion, Wiesbaden 2010 (Entwurf)
   tung – Deine Meinung ist gefragt)                         – Integrationsportal des Bundesamtes für Migration und Flücht-
– Die Schüler/innen kommunizieren ihre Position inner-       linge: www.integration-in-deutschland.de (Zugriff auf die Seite
   halb der Kursgruppe, indem sie vor dem Hintergrund        am 10.12.2010)
   ihres »Zeitungsartikels« ihre Position begründend und     – Lutherisches Kirchenamt der VELKD/Kirchenamt der EKD
   bewertend darstellen. (Gedacht ist hier an eine »Talk-    (Hg.): Was jeder vom Islam wissen muss, Gütersloh, 51990
   Show-Runde«, in der die einzelnen Redakteure auf          – Schweitzer, Friedrich: Lebensgeschichte und Religion. Religiö-
   ihre Position hin durch einen Moderator befragt wer-      se Entwicklung und Erziehung im Kindes- und Jugendalter,
   den können.)                                              Gütersloh, 62007
Darüber hinaus sei festgehalten: Unterrichtssequenzen        – Weiße, Wolfram (Hg.): Vom Monolog zum Dialog. Ansätze
zum interreligiösen Lernen können dadurch bereichert         einer dialogischen Religionspädagogik, Münster, New York,
werden, dass ein Pfarrer/eine Pfarrerin und ein Imam in      München, Berlin, 21999
den Unterricht eingeladen werden. Denkbar ist auch, dass     – Weiße, Wolfram (Hg.): Wahrheit und Dialog. Theologische
muslimische Schüler oder Schülerinnen der eigenen Schu-      Grundlagen und Impulse gegenwärtiger Religionspädagogik,
le den Religionsunterricht besuchen, um über den Koran       Münster, New York, München, Berlin 2002

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                                D a s A l t e Te s t a m e nt e nts t e h t ...

                        »Ich bin Tim Tempus und habe ein Geheimnis: Ich bin Zeitreisender. Ich lebe in
                     einem Hochhaus mit einem Zeit-Fahrstuhl. Jedes Stockwerk stellt dabei ein Jahrhun-
                     dert der Menschheitsgeschichte dar; im Keller sind die Jahrhunderte vor Christi
                     Geburt. Ich kann in jedem beliebigen Stockwerk anhalten, aussteigen und mir
                     anschauen, was in dem jeweiligen Jahrhundert passiert ist. Heute mache ich mal wie-
                     der so eine Tour in die Vergangenheit – und euch nehme ich diesmal mit.Was ich heu-
                     te erforschen will? Die Bibel! Ihr fragt euch, was es dabei noch groß zu erforschen gibt?
                     Kommt mit und ihr werdet schon sehen!
                     So, jetzt geht es im Turbo-Zeitbeschleuniger ganz weit zurück in die Vergangenheit, in
                     die Zeit, als alles anfing mit der Bibel. In die Zeit des Alten Testaments, lange also bevor
                      Jesus gelebt hat, ins 13. Jahrhundert vor Christi Geburt.«

               Das Volk Israel in Ägypten
             »1300 v. Chr.: Das Volk Israel lebt in der Sklaverei in Ägypten.
             Gott befreit sein Volk und schließt mit ihm einen Bund. Mose
             führt das Volk Israel durch die Wüste nach Kanaan. Die Men-
             schen erzählen sich oft die alten Geschichten von der Erschaf-
              fung der Welt und von Abraham, Isaak und Jakob.«

                                                                   Am Königshof in Israel
                                                                »1000 v. Chr.: Das Volk Israel lebt nun schon lange in Kanaan.
                                                                Es regieren die ersten Könige: Saul, David und Salomo. Man
                                                                beginnt, die Geschichten, die das Volk Israel mit Gott erlebt
                                                                hat, aufzuschreiben. Lieder, die von Erfahrungen mit Gott
                                                                berichten, entstehen und werden auch aufgeschrieben.«

  Jüdische Gelehrte schreiben das Alte Testament
auf
»500 v. Chr.: Jüdische Geschichtsschreiber und Priester
ordnen und überarbeiten die verschiedenen Schriftrollen.
Sie schreiben die Geschichten von Gott und seinem Volk
Israel im Zusammenhang auf, z. B. die Geschichten von
Abraham oder Mose. Sie schreiben dabei in ihrer Sprache
und Schrift, in Hebräisch, von rechts nach links. So ent-
steht die jüdische Bibel. Wir Christen übernehmen diese
  später als unser Altes Testament.«
                                                                                  62 – 68 von Tim Tempus
                                                                                  Aus: Kursbuch Religion Elementar, 5/6
                                                                                  (c) 1. Auflage 2007, by Calwer Verlag Stuttgart

                                                                                                                            19

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                                        D a s Ne u e Te s t a m e nt e nts t e h t ...

                        »Die Jesus-Geschichten werden zuerst einfach
                      weitererzählt. Dann werden sie in vier Evangelien
                      (Matthäus, Markus, Lukas und Johannes) in griechi-
                      scher Sprache aufgeschrieben. Die ersten Apostel
                      schreiben Briefe an die ersten christlichen Gemein-
                      den (z. B. nach Rom oder nach Korinth). Zusammen
                       bilden alle Schriften das Neue Testament.«

                             M1c            D i e B i b e l e r häl t ih re h e u t i g e Fo r m

   »Als der Buchdruck noch nicht erfunden war, schrieb man alles von Hand, auch die
Bücher. In den Klöstern haben viele Mönche die Bücher der Bibel immer wieder mit Federkiel
mühevoll auf Pergament abgeschrieben und dabei einfache und auch ganz besonders schön
verzierte Bibeln hergestellt.«
»Bis zum 16. Jahrhundert gibt es Bibeln fast nur für Gelehrte. Die einfachen Leute kennen nur
das, was ihnen die Pfarrer von der Bibel erzählen. Niemand kann prüfen, ob das stimmt. Damit
alle Menschen die Bibel selbst lesen können, übersetzt Martin Luther die Bibel in die deutsche
Sprache. Nach der Erfindung des Buchdrucks wird die Bibel zum meistgedruckten Buch der
Welt.«
»Die Bibel bestand bisher aus einzelnen Büchern mit fortlaufenden Texten. Damit sich die
Menschen in den langen und oft unübersichtlichen Texten besser zurechtfinden können, wur-
de die Bibel in einzelne Kapitel und die Kapitel wiederum in einzelne nummerierte Verse
unterteilt.«
»So, jetzt sind wir wieder in der Gegenwart, in unserem 21. Jahrhundert. Die Bibel gibt es heu-
te in vielen verschiedenen Ausgaben und Übersetzungen. Aber ihr meint, die Bibel ist doch
noch immer ein dickes Buch? Falsch, die Bibel im 21. Jahrhundert ist genau 1 Millimeter dick,
 nämlich als CD-ROM …«

                                                                                        62 – 68 von Tim Tempus
                                                                                        Aus: Kursbuch Religion Elementar, 5/6
                                                                                        (c) 1. Auflage 2007 by Calwer Verlag Stuttgart
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                                                  D e r Ko r a n e nts t e h t ...

Ibn Ishag (8. Jh.) berichtet über die Berufung Muhammads zum Gesandten Gottes und den Beginn der Offenbarung des Korans:
Jedes Jahr zog sich der Prophet im Monat Ramadan in die Einsamkeit zurück, um zu beten und die Armen zu speisen, die zu ihm kamen.
Auch in jenem Ramadan, in dem Gott ihn ehren wollte; in jenem Jahr, in dem Er ihn sandte, zog Muhammad wieder mit seiner Familie
nach dem Berg Hira, um sich in der Einsamkeit dem Gebet zu widmen.

Und in jener Nacht, in der Gott ihn durch die Sendung auszeichnete und sich damit der Menschen erbarmte, kam Gabriel zu ihm. Als
ich schlief, so erzählte der Prophet später, trat der Engel Gabriel zu mir mit einem Tuch aus Brokat, worauf etwas geschrieben stand, und
sprach: »Lies!« – »Ich kann nicht lesen«, erwiderte ich. Da presste er das Tuch auf mich, so dass ich dachte, es wäre mein Tod. Dann ließ
er mich los und sagte wieder: »Lies!« »Ich kann nicht lesen«, antwortete ich. Und wieder würgte er mich mit dem Tuch, dass ich dachte,
ich müsste sterben. Und als er mich freigab, befahl er erneut: »Lies!« Und zum dritten Male antwortete ich: »Ich kann nicht lesen.« Als
er mich dann nochmals fast zu Tode würgte und mir wieder zu lesen befahl, fragte ich aus Angst, er könnte es nochmals tun: »Was soll
ich lesen?«

Da sprach er: »Lies im Namen deines Herrn, des Schöpfers, der den Menschen erschuf aus geronnenem Blut! Lies! Und der Edelmütigs-
te ist dein Herr, Er, der das Schreibrohr zu brauchen lehrte, der die Menschen lehrte, was sie nicht wussten.« (Sure 96,1-5)

Ich wiederholte die Worte und als ich geendet hatte, entfernte er sich von mir. Ich aber erwachte und es war mir, als wären die Worte ins
Herz geschrieben. Sodann machte ich mich auf, um auf den Berg zu steigen, doch auf halber Höhe vernahm ich eine Stimme vom Him-
mel: »O Muhammad, du bist der Gesandte Gottes und ich bin Gabriel!« Ich hob mein Haupt zum Himmel und siehe, da war Gabriel in
der Gestalt eines Mannes und seine Füße berührten den Horizont des Himmels.

                      Der Koran gilt als die endgültige Offenbarung Gottes. Die in der Erzählung zitierten Worte
                      des Korans gelten nach islamischer Überlieferung als der Beginn der »Herkunft« des
                      Korans, dessen Urschrift bei Gott schon seit Ewigkeit existiert. Es heißt, Muhammad habe
                      die Worte, die ihm vom Erzengel Gabriel in mehreren Erscheinungen Wort für Wort diktiert
                      wurden, auswendig gelernt und öffentlich rezitiert. Andere haben sie dann niederschreiben
                      lassen. Insgesamt zog sich die Offenbarung über 23 Jahre hin.
                      Der Begriff Koran leitet sich von dem arabischen Verb qara’a (»laut lesen, vorlesen, rezitie-
                      ren«) ab und heißt daher wörtlich »Rezitation«. Normalerweise wird mit »Koran« das
                      gesamte heilige Buch des Islam bezeichnet. Der Koran ist in arabischer Sprache verfasst.
                      Das Wort kann aber auch für den Vortrag der Offenbarung durch den Erzengel und den
                      Propheten stehen.

D e r Ko r a n e nts t e h t ...
Der Koran besteht aus 114 Suren, die der Länge nach angeordnet sind. Sure 2 ist mit 286 Versen die längste, die Suren 108 und 110 sind
mit drei Versen die kürzesten. Alle Suren tragen einen Namen. Sure 1 heißt »Die Eröffnende« (alfatiha) und ist – gegen die Regel – sehr
kurz. Für Muslime hat sie eine große Bedeutung, da jedes Pflichtgebet und jede Lesung aus dem Koran mit ihr beginnt. Am Anfang von
113 Suren steht die »Basmala« (Bismillah): »Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen«.Auch im Alltag wird sie häufig ver-
wendet. So werden z. B. Ansprachen, Referate, Widmungen oder Briefe mit ihr eingeleitet.

aus: Ibn Ishag, Das Leben des Propheten, S. 44
Aus dem Arabischen von Gernot Rotter. Kandern, 1999

                                                                                                                                    21

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unterrichtsskizze

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                                                e im Koran lesen ...
                                      Wie Muslim

                                           »Ich lerne Arabisch, damit ich den Koran
                                            vortragen und wichtige Suren auswendig lernen
                                             kann. Zwar ist der Koran in viele Sprachen übertra-
                                             gen worden, aber das sind bestenfalls Interpretatio-
                                            nen des Textes; das Wort Gottes ist unübersetz-
                                                bar.«

 »Im Rezitieren des Korans begegne ich dem
  unverfälschten göttlichen Wort – und damit letzt-
  lich Allah selbst. Deshalb darf ich ihn nicht auf den                            »Der Koran ist ein Heiliges Buch. Wir behan-
  Boden legen.«                                                                     deln ihn daher mit besonderer Ehrfurcht. Unser
                                                                                      Koran zu Hause ist reich verziert und steht oben im
                                                                                      Regal über allen anderen Büchern. Wenn ich darin
                                                                                    lese, wasche ich mich vorher und lege ihn auf
                                                                                        einen Koranständer.«

aus: Ortswechsel 7. Evangelisches Religionsbuch für Gymnasien 7. Hrsg.Von Ingrid Grill-Ahollinger u. a.
Claudius Verlag München, 2009, S. 91

 22

      forum religion 2/2011
unterrichtsskizze

                                                    M4

                              Wie Christen in der Bibel lesen ...

                                                         »Jeder Mensch sollte die Bibel lesen können,
                                                          egal welche Sprache er spricht. Sie ist das am
                                                          weitesten verbreitete Buch auf der Welt. Man
                                                         kann sie in über 400 Sprachen kaufen.«

                                                           »Im Gottesdienst wird immer aus der Bibel vorge-
                                                           lesen. Aber ich verstehe den Sinn nicht so richtig.«
»Die Bibel ist für uns Christen ein Heiliges
  Buch, weil es von der Geschichte Gottes mit den
  Menschen erzählt. Manche Menschen tragen eine
  kleine Taschenbibel mit sich herum. Wenn jemand
konfirmiert wird oder später heiratet, dann be-
      kommt er eine Bibel.
          Manchmal gibt es sogar in den
            Nachttischchen von
        Hotels eine Bibel«

                                                                                                     23

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unterrichtsskizze

                                                        M5

Schülerzeitung: Deine Meinung ist gefragt!

Stell dir vor, du schreibst für die Schülerzeitung einen Artikel. An der Schule, die du besuchst, gibt es ungefähr 30
Prozent Schüler/innen muslimischen Glaubens. Das Redaktionsteam der Zeitung möchte, dass du in der Rubrik
»Was lebst du? Wie glaubst du?« etwas über die Bibel schreibst.
Überlege dir, worum es dir in dem Artikel gehen soll. Was weißt du und was ist dir wichtig geworden im Bezug auf
die Bibel? Welche Bedeutung hat sie im Leben von Christen? Welche Bedeutung hat sie für dich? Beziehe in deine
Gedanken auch das ein, was du über den Koran gelernt hast.
Schreibe deine Gedanken in vollständigen Sätzen auf und finde eine passende Überschrift für den Artikel.

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     forum religion 2/2011
werkstatt schule

Moscheebesuch im Computerraum
                                                                     Anregungen für die Grund- und Förderschule

Von Martin Sander-Gaiser

Die beiden Arbeitskarten, die im Folgenden vorgestellt werden, stellen zwei verschiedene Möglichkeiten dar, um das
Thema »Moschee« mit Hilfe des Computerraums spielerisch zu erarbeiten.

                                                  Die erste Arbeitskarte setzt voraus, dass das Spiel »Religiopolis« – ent-
                                                  weder als Klassensatz kopiert auf CD-Roms oder im Netzwerk – an der
                                                  Schule vorhanden ist.
                                                  »Religiopolis – Weltreligionen erleben« ist beim Klett Verlag erschienen.
                                                  Das Spiel bietet weit mehr als nur Informationen zu unserem Thema. Es
                                                  ist eine Fundgrube für Informationen über die fünf großen Weltreligio-
                                                  nen. Die Moschee ist nach dem Start des Spiels für die Schüler/innen
                                                  leicht über die Stadtansicht zu erreichen.

                                                  Die zweite Arbeitskarte nutzt ein frei verfügbares Online-Spiel des WDR,
                                                  das sich im Layout stark vereinfacht an Religiopolis anlehnt. Hier kann
                                                  man nicht nur das Thema Moschee erschließen, sondern auch andere The-
                                                  men der drei monotheistischen Religionen. Die Informationen dort sind
                                                  elementarer und einfacher gehalten. Das Spiel ist kostenlos. Sie können
                                                  es auch einsetzen, wenn Sie das Thema Islam im Unterricht weiter behan-
                                                  deln. So können Schüler/innen etwa mit dem Online-Quiz ihr Wissen
                                                  überprüfen.

Wenn die Computer für die Schüler/innen über Lautsprecher verfügen, sollten diese eingeschaltet werden. Aber auch
ohne Klangunterstützung sind beide Spiele nutzbar.

                                                       Arbeitskarte M 1

        Moscheebesuch mit »Religiopolis«

        1.) Gehe zu http://www.medienwerkstatt-online.de/lws_wissen/ und suche hier nach der Wissenskarte »Moschee«.

        2.) Lies den Text genau durch. Drucke ihn aus. Klebe den Text in dein Heft ein.

        3.) Gehe dann zur Moschee in Religiopolis. Du findest sie leicht bei Stadtübersicht.

        4.) Schreibe oder zeichne auf, wie ein Muslim in den Gebetsraum der Moschee kommt.

        5.) Was gibt es alles im Gebetsraum? Schreibe deine Beobachtungen in dein Heft auf.

                                                                                                                         25

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werkstatt schule

                                                       Arbeitskarte M 2

Moscheebesuch im Internet

1.) Gehe zu http://www.medienwerkstatt-online.de/lws_wissen/ und suche hier nach der Wissenskarte »Moschee«.

2.) Lies den Text genau durch. Drucke ihn aus. Klebe den Text in dein Heft ein.

3.) Gehe dann zur Moschee im WDR Online-Spiel:
http://www.planet-schule.de/sf/multimedia/lernspiele/weltreligionen/mme/PreLoader.html

4.) Suche hier nach Antworten für folgende Fragen und schreibe die Lösungen in dein Heft:
• Wer arbeitet in einer Moschee?
• Welche Gegenstände sind in einer Moschee?
• Wie ist eine Moschee aufgebaut?
• In welche Richtung beten Muslime in der Moschee?

Tipp: Für die Lösungen klicke auf das Symbol – die sog. Quibla – im Spiel. Für die Betenden wird hiermit die Richtung angezeigt, in
der sie ihre Gebete sprechen sollen.

Anregungen zur Fortführung der Arbeit:

Nachdem die Klasse miteinander ihre Hefteinträge verglichen hat, kann das Thema noch mit Medienimpulsen aus dem
Internet vertieft werden. Hierzu sollten ein Beamer und ein Computer mit Lautsprechern zur Verfügung stehen.

1. Machen Sie mit Ihrer Klasse eine virtuelle Rundführung durch eine Moschee in Istanbul:
                                                          http://www.panoramas.dk/fullscreen6/f11-istanbul.html
                                                          Mit der Maus kann man sich umsehen und zoomen. Lassen
                                                          Sie die Schüler/innen ihre Beobachtungen beschreiben
                                                          und deuten. Probieren Sie es aber vorher aus; auf nicht
                                                          allen Rechnern ist das hierfür notwendige Quicktime
                                                          installiert.

                                                                   2. Sie können auch die Youtube-Dokumentation zum Offe-
                                                                   nen Tag der Fatih-Moschee in Lage miteinander ansehen:
                                                                   http://www.youtube.com/ watch?v=siebQ68fVbw. Der Film
                                                                   sollte abschnittweise gezeigt werden, um Fragen zu klären
                                                                   (Anschläge? Kopftuchtragen? Speisen? Bürgermeinungen
                                                                   zur Moschee? etc.)

3. Falls Sie schon das Thema »Kirche« mit den Schülerinnen und Schülern erarbeitet haben, könnten Sie mithilfe des
Arbeitsblatts »Moschee und Kirche« http://dbbm.fwu.de/fwu-db/presto-image/material/46/020/4602070/
4602070_arbeitsblaetter.html die Unterschiede zwischen beiden Stätten herausarbeiten. Drucken Sie es für die Klasse
aus. Ein Lösungsblatt finden Sie ebenfalls unter der oben genannten Adresse.

4. Wenn Sie die Gelegenheit haben, mit Ihren Schülerinnen und Schülern eine Moschee zu besuchen, kann dies der
krönende Abschluss des Themas »Moschee« sein. Vielleicht zeigt Ihnen auch eine Muslima/ein Muslim, wie in der
Moschee gebetet und im Koran vorgelesen wird? Oder sie/er berichtet darüber, was alles in einer Moschee geschieht?
Suchen Sie Kontakt mit der »lebendigen Religion«. Kein traditionelles oder neues Unterrichtsmedium kann diese Erfah-
rung ersetzen.

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