Drei Szenarien zum Jemen-Krieg - Einleitung - Stiftung Wissenschaft und Politik
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NR. 3 JANUAR 2022 Einleitung Drei Szenarien zum Jemen-Krieg Waffenstillstandsverhandlungen, Nord-Süd-Konfrontation oder Spaltung? Mareike Transfeld Die Zukunft des Jemen-Konflikts wird sich rund 120 Kilometer östlich der Hauptstadt Sanaa, in der Provinzhauptstadt Marib, entscheiden. Seit Februar 2021 dauern dort die Kämpfe zwischen der jemenitischen Regierung, die von Saudi-Arabien unterstützt wird und international anerkannt ist, und der aus dem Norden des Landes stammen- den Huthi-Bewegung an. Die Huthis sind militärisch im Vorteil, konnten Marib bisher aber noch nicht einnehmen. Denkbare Szenarien für den weiteren Konfliktverlauf sind Waffenstillstandsverhandlungen nach einer erfolgreichen Verteidigung der Pro- vinzhauptstadt, der Fall Maribs und die Verlagerung des Konflikts in die südlichen Landesteile sowie ein Sieg der Huthis als Ausgangspunkt für eine ausgehandelte Auf- teilung des Landes unter Beteiligung der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und des Iran. Deutschland und seine europäischen Partner sollten vor diesem Hintergrund Annäherungsversuche der Regionalmächte unterstützen und bereits jetzt mit den jemenitischen Konfliktparteien und der Zivilgesellschaft neue politische Perspektiven für die Zukunft des Landes diskutieren. Der Verlust Maribs, der Hauptstadt der Ursprünglich kommt die Huthi-Bewe- gleichnamigen erdölreichen Provinz, würde gung, auch bekannt unter dem Namen die jemenitische Regierung unter Über- Ansar Allah (dt. »Anhänger Gottes«), aus der gangspräsident Abd Rabbu Mansur Hadi nördlichen Region Saada, die an Saudi-Ara- erheblich schwächen. Nach fast sieben Jah- bien grenzt. Seit der Bildung einer eigenen ren Krieg ist Marib heute ihre mit Abstand Regierung im November 2016 fungiert sie wichtigste Hochburg. Trotz der Unterstüt- als De-facto-Autorität im bevölkerungs- zung durch die von Saudi-Arabien angeführ- reichen Nordwesten des Landes. Eine Mili- te Militärkoalition hat die Regierung die tärkoalition, an deren Spitze Saudi-Arabien Kontrolle über bedeutende Teile des Staats- und die VAE stehen, hatte bereits im März gebiets verloren. Besonders schwer wiegt 2015 in den Konflikt eingegriffen, um die dabei, dass es ihr seit Beginn des Konflikts international anerkannte Hadi-Regierung nicht gelungen ist, die Hauptstadt Sanaa zu unterstützen. Riad befürchtete damals, zurückzuerobern, die die Huthis im Sep- der Iran könnte durch das Erstarken der tember 2014 eingenommen haben. Huthis an Einfluss auf der Arabischen Halb-
Karte insel gewinnen. Um zwischen den Konflikt- den iranischen Einfluss einzudämmen, hat parteien zu vermitteln, wurde im August die Militärintervention sogar zu einer Inten- 2021 mit Hans Grundberg bereits der vierte sivierung der Beziehungen zwischen den Sondergesandte der Vereinten Nationen (VN) Huthis und Teheran beigetragen. eingesetzt. Bislang ist es aber weder der Die saudische Regierung hat zwar wieder- VN-Mission noch der arabischen Militär- holt signalisiert, dass sie einen Weg heraus koalition gelungen, die in der Resolution aus dem Krieg sucht, ein Rückzug ohne Ab- 2216 des VN-Sicherheitsrats definierten kommen wäre aber eine politische Blamage Ziele, nämlich den Rückzug der Huthis aus und würde die innere Sicherheit Saudi-Ara- den Gebieten, die sie seit 2014 besetzt biens weiter gefährden, da nicht ausgeschlos- haben, die Rückgabe der aus dem staat- sen werden kann, dass die Huthis ihre An- lichen Arsenal entwendeten Waffen und griffe fortsetzen. die Wiederherstellung der international Das Versprechen von US-Präsident Joe anerkannten Regierung, zu erreichen. Für Biden vom Februar 2021, durch eine diplo- Riad wird der Krieg zunehmend zu einer matische Offensive den Konflikt zu beenden, Belastung, auch deshalb, weil die Huthis ist bislang nicht erfüllt worden. Die im März mit Raketen und Drohnen strategische Ziele 2021 vom US-Sondergesandten Tim Lender- in Saudi-Arabien angreifen, wie zum Bei- king und der saudischen Regierung unter- spiel Flughäfen oder Ölraffinerien. Zudem breiteten Verhandlungsangebote wurden haben die von der Koalition begangenen von den Huthis abgelehnt. Menschenrechtsverletzungen und Kriegs- Stattdessen hat die amerikanische Politik verbrechen dem internationalen Ansehen die Huthis in ihrem militärischen Vorgehen des Königshauses massiv geschadet. Anstatt eher bestärkt: zunächst dadurch, dass Biden SWP-Aktuell 3 Januar 2022 2
die Einstufung der Huthis als terroristische lich unterstützen, solange es keine Über- Vereinigung, die der ehemalige Präsident einkunft mit dem Iran oder den Huthis Donald Trump im Februar 2021 angeordnet gibt. Doch das Hauptinteresse Riads hat sich hatte, zurücknahm; dann durch den US- auf das im Südosten gelegene Gouverne- Truppenabzug aus Afghanistan, der die ment Mahrah verschoben, wo die saudische Absetzung der international anerkannten und die omanische Regierung über den Bau afghanischen Regierung durch die Taliban einer Ölpipeline verhandeln. Insgesamt hat ermöglichte und von den Huthis als Präze- das benachbarte Königreich sein Engage- denzfall gesehen wird. ment im Jemen deutlich zurückgeschraubt. Im September 2021 erreichte die zwei- Nach Informationen des Yemen Data Pro- jährige Huthi-Offensive ihren vorläufigen jects ist die Zahl saudischer Luftangriffe seit Höhepunkt, als die Rebellen damit began- 2018 stark gesunken, und auch die finan- nen, Marib aus nördlicher, westlicher und zielle Unterstützung hat beträchtlich nach- südlicher Richtung zu belagern. Vor diesem gelassen: Seit 2020 zahlen die Saudis weder Hintergrund zeichnen sich für den weiteren die Gehälter der jemenitischen Regierung Konfliktverlauf drei Szenarien mit durch- noch die der Regierungstruppen. Selbst aus unterschiedlicher Eintrittswahrschein- wenn es ihnen gelänge, die militärische lichkeit ab. Dynamik zu drehen, wären die Aussichten auf eine nachhaltige Konfliktlösung gering. Jenseits eines Waffenstillstands ist es un- Szenario 1: wahrscheinlich, dass sich die Konflikt- Verhandlungen zwischen den parteien über eine Machtteilung einig wer- Huthis und der Hadi-Regierung den. Dies liegt zum einen an der mangeln- den Kompromissbereitschaft der Huthis. Sie Die Huthis haben an Verhandlungen auf haben sich in der Vergangenheit zwar auf Augenhöhe wenig Interesse, solange sie Abkommen eingelassen, diese aber nicht militärisch im Vorteil sind. So war auch das eingehalten; zum anderen liegt es am fehler- letzte, im Dezember 2018 von den VN ver- haften Verhandlungsrahmen der Vereinten mittelte Abkommen mit der Hadi-Regierung Nationen, die den Krieg als Zweiparteien- nur möglich, weil die Huthis zu diesem konflikt missverstehen und dadurch lokale Zeitpunkt auf dem Kriegsschauplatz in der und regionale Akteure vernachlässigen. Noch Defensive waren und glaubten, von Ver- problematischer ist, dass die VN-Vermittler handlungen profitieren zu können. Denn einerseits die Machtposition der Huthis letztlich wurde durch die Vereinbarung ein unterschätzen und andererseits deren Be- Einmarsch der Koalitionstruppen in die geo- reitschaft, militärische Gewinne im Gegen- strategisch wichtige Hafenstadt Hodeidah zug für eine politische Beteiligung in der abgewendet. Voraussetzung für erneute Hadi-Regierung aufzugeben, überschätzen. Friedensgespräche ist daher eine deutliche Verschiebung des militärischen Gleich- gewichts zugunsten der Regierungstruppen. Szenario 2: Der Sieg der Huthis Vor diesem Hintergrund bemüht sich gegen- als Beginn einer neuen Nord-Süd- wärtig Tareq Saleh, der Neffe des im Dezem- Konfrontation ber 2017 von den Huthis getöteten ehemali- gen Präsidenten Ali Abdullah Salih, die Die Einnahme Maribs durch die Huthis Anti-Huthi-Allianz zu vereinen. Er kom- würde die Dynamik des jemenitischen Kon- mandiert die Joint Forces, einen losen Zu- flikts entscheidend verändern. Da Marib die sammenschluss verschiedener bewaffneter wichtigste Hochburg für die Hadi-Regierung Gruppen. Doch ohne saudische Hilfe scheint darstellt, würde der Verlust der Stadt eine eine militärische Wende in Marib unmög- Schockwelle durch die übrigen fragilen Kon- lich. Zwar wird Riad die jemenitische Regie- trollbereiche der Regierung schicken und rung militärisch, politisch und wirtschaft- zum schrittweisen Zusammenbruch der SWP-Aktuell 3 Januar 2022 3
Hadi-Administration führen. Die Gebiete tisch als auch militärisch direkt von der außerhalb des Huthi-Territoriums stehen Islah-Partei beherrscht. zwar nominell unter der Gewalt der Hadi- Im Falle eines Siegs in Marib ist es wahr- Regierung, tatsächlich werden sie aber von scheinlich, dass die Huthis sich mit dem anderen bewaffneten Gruppen kontrolliert, Nordjemen nicht zufriedengeben und das wie dem Southern Transitional Council (STC, gesamte Staatsgebiet für sich beanspruchen dt. Südübergangsrat) im Süden des Landes werden. Damit könnten die Kämpfe um und den Joint Forces im Südwesten. Diese Territorien auch nach einem Kollaps der Fragmentierung erklärt sich vor allem aus Regierung zwischen den Huthis, dem STC, den unterschiedlichen Zielen Saudi-Arabiens den Joint Forces und anderen bewaffneten und der VAE im Jemen. Während es für Gruppen weitergehen. In der südlichen, öl- Riad Vorrang hatte, die Huthis und damit und gasreichen Provinz Shabwa stehen be- den Einfluss Irans auf den Jemen zurück- reits jetzt einige Bezirke unter dem mili- zudrängen, zielten die VAE mit ihrer Politik tärischen Druck der Huthis. Es besteht die auf die Kontrolle der Seewege im Roten und Befürchtung, dass die Rebellen sich weiter Arabischen Meer und auf die Eindämmung in das ressourcenreiche Hadhramaut vor- der islamistischen Muslimbruderschaft ab. kämpfen könnten. Auf jeden Fall ist damit Diese ist im Jemen in Form der Islah-Partei zu rechnen, dass sie versuchen werden, die aktiv. Da sich die Regierungsarmee zum gro- von ihnen bereits jetzt belagerte Stadt Taiz ßen Teil aus Truppen der Islah-Partei zusam- einzunehmen. mensetzt, unterstützten die VAE stattdessen Zu Beginn würde eine Offensive der andere bewaffnete Gruppen. Diese sind zwar Huthis aus dem Norden zwar deren Gegner mit der Regierung verbunden, verfolgen zusammenschmieden. Mittel- und lang- aber letztendlich eigene Interessen, was zur fristig ist aber mit einer weiteren Fragmen- Spaltung der Anti-Huthi-Allianz führte. So tierung der Anti-Huthi-Allianz zu rechnen. kämpften die Mitglieder des STC ursprüng- In Taiz beispielsweise haben die von den lich an der Seite der Regierung, trennten VAE unterstützten Joint Forces bereits 2019 sich aber – angetrieben von dem Wunsch, begonnen, die Stadt allmählich zu infiltrie- den Süden in die Unabhängigkeit zu führen ren, um der Dominanz der Islah-Partei ent- – mehr und mehr von dem Bündnis. Im gegenzuwirken. Zwar hegen die Joint Forces August 2019 wurde die Hadi-Regierung so- heute noch Loyalitäten gegenüber Hadi, im gar von Kämpfern des von den VAE gestütz- Falle einer Niederlage der Regierung in ten STC aus der Übergangshauptstadt Aden Marib würden sie sich aber stärker an der vertrieben. Anschließend verlor die Regie- VAE-Politik orientieren, was zu offenen Kon- rung auch in den umliegenden Gebieten die flikten mit der Islah-Partei führen könnte. Kontrolle über militärische Kräfte an den Zudem könnte Tareq Saleh versucht sein, STC. Eine im November 2019 von Saudi- die Positionen der Hadi-Regierung einzu- Arabien vermittelte Vereinbarung zwischen nehmen, was wiederum Auseinandersetzun- der Regierung und dem STC hatte das Ziel, gen mit dem STC nach sich ziehen würde. die Gräben zu überwinden. Sie ist aber bis heute nicht umgesetzt worden. Stattdessen agiert der STC mit Unterstützung der VAE Szenario 3: Maribs Fall und eine als Quasi-Regierung in und um Aden. verhandelte Aufteilung des Landes Im Hadhramaut unterhalten die VAE wiederum eigene Eliteeinheiten, die in In diesem Szenario verhandeln die Huthis Konkurrenz zu den Regierungstruppen nach dem Fall Maribs und dem Kollaps der stehen. An der jemenitischen Westküste international anerkannten Regierung direkt unterstützen die Emirate die Joint Forces mit den Regionalmächten über eine Lösung, unter Saleh. Taiz, die bevölkerungsreichste die zur Spaltung des Landes in einen Nord- Stadt im Westen des Landes und ein wich- und einen oder mehrere Südteile führen tiges Wirtschaftszentrum, wird sowohl poli- würde. Eine Schlüsselrolle kommt hierbei SWP-Aktuell 3 Januar 2022 4
den VAE zu, die ein großes Interesse an der Bodenangriffen auf saudisches Territorium Wahrung ihres Einflusses im Südjemen ein Ende zu setzen. Saudi-Arabien dürfte haben. Schon jetzt besitzen die Emirate hierzu auf eine Pufferzone an der eigenen faktisch die Kontrolle über den Hafen von Grenze zum Jemen bestehen. Im Gegenzug Aden, die Meerenge von Bab al-Mandab und müssten die Golfstaaten die Herrschaft der die Insel Sokotra vor dem Horn von Afrika. Huthis im Nordjemen akzeptieren. Diese Gleichzeitig können sie die Islah-Partei, die würden ihrerseits ein Ende der Luft-, Land- sie als Bedrohung sehen, durch ihre lokalen und Seeblockade verlangen. Außerdem Partner schwächen. könnten sie das Recht, Erdöl zu exportieren, Nachdem den VAE im Jahr 2019 die einfordern, da dies für ein wirtschaftliches eigene Verwundbarkeit vor Augen geführt Überleben des Nordjemen unabdingbar ist. worden war, als Öltanker in ihren Territo- Diese Lösung bedarf des konstruktiven Ein- rialgewässern angegriffen wurden, setzten flusses der Iraner auf die Huthis und einer sie auf eine Entspannung ihres Verhältnis- Übereinkunft zwischen dem Iran und Saudi- ses zu Teheran. Als vertrauensbildende Maß- Arabien. Damit ist mittelfristig aber nur zu nahme zogen sie ihre Truppen sukzessive rechnen, wenn die Golfstaaten weiter mit aus dem Jemen ab, insbesondere aus der vertrauensbildenden Maßnahmen auf die Region um den Hafen von Hodeidah. Die Regierung in Teheran einwirken und die strategisch wichtige Stadt konnte daraufhin internationalen Atomgespräche mit dem im November 2021 komplett von den Iran produktiv verlaufen. Huthis eingenommen werden. Tatsächlich kann mit Verhandlungen Um aber ihre Einflussgebiete im Süd- zwischen den Golfmonarchien und den jemen dauerhaft zu erhalten, müssen die Huthis aber nur die regionale Dimension VAE die Huthis durch eine Mischung aus des Konflikts beendet werden. Nicht nur die militärischer Gewaltandrohung und Ver- Huthis, sondern auch der STC hoffen, in handlungen im Norden eindämmen. Die diesem Szenario als Vertreter der von ihnen saudische Regierung ordnet sich in diesem kontrollierten Territorien anerkannt zu wer- Szenario in ihrem militärischen und diplo- den. Da der STC das komplette Gebiet des matischen Vorgehen den VAE unter, da sie ehemals unabhängigen südjemenitischen ihre Interessen mit ihrer eigenen Strategie Staates fordert, müssten die VAE vor mög- bisher nicht durchsetzen konnte. Im Dezem- lichen Verhandlungen Spannungen zwi- ber 2021 verteidigte die Anti-Huthi-Allianz schen lokalen Akteuren im Südjemen klären. bereits erfolgreich Shabwa: Von den VAE Der STC müsste ausgebremst und Gruppen, protegierte Kräfte verdrängten hier die die sich nicht durch ihn vertreten fühlen, Islah-Partei aus der Lokalregierung, während müssten in Gespräche involviert werden. die Saudis eine Offensive der Joint Forces Das gilt speziell für die Joint Forces mit gegen die Huthis unterstützten und so ver- ihren Untergruppierungen und für Vertre- lorenen Boden wieder gutmachten. ter der Provinzen Hadhramaut und Mahrah. Friedensgespräche dürften in diesem Die Stabilität des Landes hängt daher nicht Szenario an die Direktverhandlungen zwi- nur vom Agieren der Huthis, sondern auch schen den beiden Golfmonarchien und den von einem politischen Konsens der verblie- Huthis anknüpfen, die in der Vergangen- benen Anti-Huthi-Allianz ab. heit im Oman stattgefunden haben. Anders als der VN-Friedensprozess berücksichtigte dieser parallele Track stärker das Interessen- Fazit geflecht und das Machtgleichgewicht der lokalen und regionalen Akteure. Das Eintreten des ersten Szenarios ist un- Ziel der Direktverhandlungen wäre es, wahrscheinlich: Die Hadi-Regierung könnte sowohl dem weiteren militärischen Vor- die Stadt Marib zwar noch einige Monate marsch der Huthis innerhalb der jemeniti- halten, eine Verschiebung des militärischen schen Grenzen als auch den Raketen- und Gleichgewichts zu ihren Gunsten ist aber SWP-Aktuell 3 Januar 2022 5
schwer vorstellbar. Ob das dritte Szenario Rechte von Frauen werden von allen Kon- eintritt und eine Beendigung des Konflikts fliktparteien stark missachtet. Die Huthis eingeleitet werden kann, hängt davon ab, gehen hart gegen Oppositionelle, Journalis- ob die Regionalmächte Saudi-Arabien, die ten und Akademiker vor; diese werden fest- VAE und Iran eine konstruktive Rolle ein- genommen oder entführt, öffentlich hin- nehmen. Denn eine stabile politische Ord- gerichtet oder einfach ermordet. Im Süden nung kann im Jemen nur entstehen, wenn propagiert der STC einen nationalistischen die Auswirkungen der regionalen Ausein- Diskurs, der immer wieder zu Gewalt an andersetzungen auf die interne Konflikt- Nordjemeniten führt. Auf der internatio- dynamik minimiert werden und ein prag- nalen Ebene sollte Deutschland daher die © Stiftung Wissenschaft matischer, zielgerichteter und inklusiver Initiative der niederländischen Regierung und Politik, 2022 Dialog aufgenommen wird, in den neben unterstützen, die Berichterstattung der Alle Rechte vorbehalten den jemenitischen Streitparteien auch Expertengruppe für den Jemen beim VN- Frauen und die Zivilgesellschaft eingebunden Menschenrechtsrat wiederaufzunehmen. Das Aktuell gibt die Auf- sind. Deutschland und seine europäischen Um langfristig einen inklusiven politi- fassung der Autorin wieder. Partner sollten vor diesem Hintergrund wei- schen Dialog im Jemen zu etablieren, soll- In der Online-Version dieser ter auf Saudi-Arabien und Iran einwirken, ten Deutschland und seine europäischen Publikation sind Verweise um eine Verhandlungslösung zwischen Partner bereits jetzt sowohl den Konflikt- auf SWP-Schriften und Riad und den Huthis zu ermöglichen. Dabei parteien als auch der jemenitischen Zivil- wichtige Quellen anklickbar. sollte ein enger Schulterschluss mit Oman gesellschaft dabei helfen, neue politische SWP-Aktuells werden intern gesucht werden, da Maskat zu beiden Län- Visionen für einen oder mehrere jemeniti- einem Begutachtungsverfah- dern gute Beziehungen unterhält. sche Staaten zu entwickeln. Eine breite Dis- ren, einem Faktencheck und Innerhalb der VN-Mission sollten Berlin kussion darüber, wie der Jemen politisch einem Lektorat unterzogen. und Brüssel für einen flexibleren Ansatz bei neu geordnet werden könnte, findet bislang Weitere Informationen den Verhandlungen werben. Besonders nach nicht statt. Dies ist unbedingt erforderlich, zur Qualitätssicherung der einem Zusammenbruch der Hadi-Regierung damit Ideen über eine neue integrative poli- SWP finden Sie auf der SWP- Website unter https://www. und im Fall von Direktgesprächen zwischen tische Ordnung in Verhandlungen einflie- swp-berlin.org/ueber-uns/ den Huthis und den Golfstaaten sollten sich ßen können. Die Netzwerke der Berghof qualitaetssicherung/ die VN weiterhin für eine inklusive Lösung Foundation (Berlin) und des Centre for und einen politischen Dialog starkmachen. Humanitarian Dialogue (Genf) könnten SWP Um die VN hierbei zu unterstützen, sollten hierfür genutzt werden. Ebenso wichtig Stiftung Wissenschaft und Politik die Europäer vor allem die VAE dahingehend wäre eine von Meinungsumfragen gestützte Deutsches Institut für in die Pflicht nehmen, dass diese mäßigend Debatte in den jemenitischen Medien über Internationale Politik und auf die von ihnen kontrollierten lokalen die Zukunft des Landes. Sicherheit Gruppen einwirken. Gegenüber den Huthis Soll der Frieden dauerhaft sein, ist be- sollte die Bundesregierung keine konkreten sonders viel Arbeit auf der lokalen Ebene Ludwigkirchplatz 3–4 Zugeständnisse – etwa in Richtung einer notwendig. Bereits jetzt liegt aufgrund der 10719 Berlin Telefon +49 30 880 07-0 völkerrechtlichen Anerkennung – machen, Fragmentierung des Nationalstaats viel Ver- Fax +49 30 880 07-100 bevor die Rebellen nicht unter Beweis ge- antwortung auf den Provinzverwaltungen; www.swp-berlin.org stellt haben, dass auch sie sich an Abkom- diese Verantwortung wird nach einem swp@swp-berlin.org men halten. Kollaps der Regierung noch zunehmen. Ent- Menschenrechtsverletzungen aller Par- sprechend sollte Deutschland im Rahmen ISSN (Print) 1611-6364 ISSN (Online) 2747-5018 teien sollten auf das Schärfste verurteilt der Stabilisierungs- und Entwicklungs- doi: 10.18449/2022A03 werden. Denn mit den neuen bewaffneten zusammenarbeit Beziehungen zu Lokal- Gruppen an der Macht und ihren Unter- verwaltungen unbedingt ausbauen, um stützern am Golf werden Bürger- und Men- diese bei der Bereitstellung öffentlicher schenrechte weiter erodieren. Besonders die Dienstleistungen zu unterstützen. Mareike Transfeld ist Doktorandin an der Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies an der Freien Universität Berlin und Mitbegründerin des Yemen Policy Center Germany e.V. Zwischen 2014 und 2015 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Stiftung Wissenschaft und Politik. SWP-Aktuell 3 Januar 2022 6
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