Rentenreform in Frankreich - Proteste bedrohen Macrons Image als Reformer
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Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik Nr. 6 Dezember 2019 POLICY BRIEF Rentenreform in Frankreich Proteste bedrohen Macrons Image als Reformer Claire Demesmay leitet das Programm Frankreich/deutsch-französische Beziehungen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kämpft um die Ver- abschiedung der schwierigsten und zugleich symbolträchtigsten aller Reformen, die sich die französische Regierung vorgenommen hat. Mit der Rentenreform will er das Renteneintrittsalter erhöhen und das System einheitlich auf Entgeltpunkte umstellen. Davon hängen nicht nur die Glaubwürdigkeit und die Wahlchancen seiner Partei in Zukunft ab, sondern auch seine Überzeugungskraft auf europäischer Ebene. Julie Hamann ist wissenschaftliche Mitarbei- terin im Programm Frankreich/ deutsch-französische – Bisherige Regierungen sind beim Versuch, das zersplitterte Beziehungen Rentensystem in ein universelles System zu überführen, am Widerstand von Gewerkschaften und Bevölkerung gescheitert. – Die Entwicklung der Protestlandschaft ist nun entscheidend: Gelingt es den Gewerkschaften, auch die Akteure anderer sozia- ler Kämpfe ins Boot zu holen, könnte Macrons Reform scheitern. Insbesondere die Gelbwesten spielen hier eine wichtige Rolle. – Regierung und Reformgegner führen einen Kampf der Narrative. Der Ausgang ist offen und hängt maßgeblich von der Größe der Proteste am 5. Dezember und in den folgenden Wochen ab. – Sollte die Reform umgesetzt werden, würde dies Macrons Glaubwürdigkeit als Reformer und somit seinen Anspruch auf eine Führungsrolle in der EU stärken. Ein Scheitern würde umgekehrt seine europapolitische Handlungsfähigkeit beeinträchtigen.
2 Nr. 6 | Dezember 2019 Rentenreform in Frankreich POLICY BRIEF Im Herbst ist Macrons Präsidentschaft ten Wahltest für Macrons Partei, wird in ihre zweite Hälfte eingetreten. Der es zu einem Gesetz kommen können. Zeitpunkt bietet sich nicht nur für eine Bilanz des Geleisteten an. Für die fran- EINE REFORM DER zösische Regierung ist es auch höchs- DIE RENTENREFORM KLEINEN SCHRITTE te Zeit, verbliebene Wahlversprechen ALS SYMBOL UND TEST umzusetzen. Im Vordergrund steht die 1993: Erste Rentenreform mit Rentenreform, die schwierigste und Wer die politische Seele Frankreichs dem Ziel, die Beitragszeit von zugleich symbolträchtigste aller Refor- verstehen will, muss einen Blick auf die 37,5 Jahren auf 40 Jahre zu men, die sich Macron und sein Team Geschichte der Rentenreform werfen. erhöhen. vorgenommen haben. Die Reform soll Seit den 90er Jahren ist das Defizit des das Defizit der Rentenkasse durch die Rentensystems ein heikles Thema auf 1995: Premierminister Alain Abschaffung der zahlreichen Sonder- der politischen Agenda. Trotz unter- Juppé versucht vergebens, die regelungen reduzieren, das Rentenein- schiedlicher Reformen in der Vergan- Rentensysteme zu vereinheit- trittsalter erhöhen und das Rentensys- genheit ist die langfristige Finanzie- lichen. tem auf eine einheitliche Berechnung rung der Renten nicht gesichert. Laut nach Entgeltpunkten umstellen. Ob dem Bericht des Rentenorientierungs- 2003: Fast zwanzig Jahre das gelingt, ist für Macrons Image als rates (COR) vom November 2019 wird danach wird die Beitragszeit Reformer entscheidend. Davon hängt das Defizit 2025 zwischen 8 und 17 Mil- des öffentlichen Sektors an die sowohl die Dynamik der Exekutive bis liarden Euro betragen. Im Fokus der des privaten Sektors angepasst 2022 ab, als auch die Glaubwürdigkeit Debatte steht nicht nur das Rentenein- und steigt auf 40 Jahre. und somit die zukünftigen Wahlchan- trittsalter, das niedrigste aller EU-Län- cen der République en marche. der, sondern auch die Zersplitterung 2010: Das gesetzliche Renten- des Rentensystems: Mehrere Millio- alter steigt schrittweise von Reformgegner sind sich dessen be- nen Rentnerinnen und Rentner ver- 60 auf 62 Jahre und das wusst und dementsprechend ent- teilen sich auf vierzig Sondersysteme, volle Rentenalter von 65 auf 67 schieden, Widerstand zu leisten. Am vor allem im öffentlichen Sektor und in Jahre. 5. Dezember findet landesweit ein Staatsunternehmen wie der SNCF und erster großer Streiktag statt. Arbeit- der Banque de France. Sie haben damit 2014: Mit der ersten Rentenre- nehmerinnen und Arbeitnehmer so- günstigere Ruhestandsregelungen als form unter einer sozialistischen wie Beamte verschiedener Sekto- Angestellte der Privatwirtschaft. Die- Regierung steigt die Mindest- ren – Transport, Bildung, Gesundheit, se zahlreichen Sonderregelungen tra- versicherungszeit für den Energie, Justiz – sind dazu aufgeru- gen zum Gesamtdefizit des Rentensys- Anspruch auf eine volle Rente fen, ihre Arbeit niederzulegen. Beim tems bei und waren schon ein Dorn im schrittweise von 166 Quartalen öffentlichen Nah- und Fernverkehr Auge mehrerer Regierungen. auf 172 Quartale für die Jahr- ist ein unbegrenzter Streik angekün- gänge die zwischen 1958-1972. digt. Seit einem Jahr und den ersten In dieser Hinsicht ist 1995 ein Schlüs- Protesten der Gelbwesten ist das ge- seljahr. Damals versuchte der konser- sellschaftliche Klima gereizt. Zuletzt vative Premierminister Alain Juppé, demonstrierten Studenten sowie Mit- die Regeln aller Rentensysteme an- arbeiter der Bahngesellschaft SNCF zugleichen und Ausnahmeregelungen und der öffentlichen Krankenhäuser. zu beenden. Dies führte zu massiven Deshalb will die Regierung vorsichtig Demonstrationen von Eisenbahnern, vorgehen: Sie setzt auf eine Gratwan- Postbeamten und anderen Angestell- derung aus Dialog, Zeit und gleich- ten im öffentlichen Dienst, die Frank- zeitig Konsequenz. Premierminister reich drei Wochen lahmlegten. Ange- Édouard Philippe hat im September sichts des Ausmaßes und der Dauer erste Gespräche mit den Gewerk- der Bewegung nahm die Regierung schaften aufgenommen. Bis die Abge- kurz darauf die angestrebte Reform ordneten in der Assemblée nationale zurück. Seitdem stehen die Streiks von über die Reform debattieren, werden 1995 im kollektiven Bewusstsein der aber mehrere Monate vergehen. Erst Franzosen für die Machtlosigkeit der nach den Kommunalwahlen am 15. und Politik gegenüber der Straße und tra- 22. März 2020, dem ersten ernsthaf- gen zum (Selbst-)Bild eines nicht re-
Nr. 6 | Dezember 2019 3 POLICY BRIEF Rentenreform in Frankreich formierbaren Landes bei. Dies erklärt in den Verhandlungen zwischen Exe- die große Vorsicht der verschiedenen kutive und Sozialpartnern sind. Regierungen in Bezug auf weitere Re- - Drittens hat das enorme Miss- formschritte in den letzten 25 Jahren. trauen in die politische Führung, das die Proteste ausgedrückt haben, ZENTRALE die Exekutive gezwungen, die eigene REFORMEN UNTER DIE ENTWICKLUNG DER Vorgehensweise zu hinterfragen und EMMANUEL MACRON PROTESTLANDSCHAFT anzupassen. Macrons musste seine IST ENTSCHEIDEND Methode, Frankreich im Rekord- Bereits umgesetzt: tempo schwindelig zu reformieren, Die Rentenreform ist für jede franzö- umdenken. – Reform des Arbeitsrechts sische Regierung ein schwieriges Ter- rain, hinzukommt jetzt der besondere Das Szenario, das es für Macron zu – Reform der SNCF Kontext vor dem Hintergrund der Be- vermeiden gilt, ist eine erfolgreiche wegung der Gelbwesten. Die massiven „convergence des luttes“, der Zusam- – Reform der Beruf- Demonstrationen in Paris und Blocka- menschluss der verschiedenen sozia- lichen Bildung, den von Verkehrskreiseln, Mautstati- len Kämpfe. Proteste gegen Reformen Weiterbildung und onen und Autobahnauffahrten in ganz scheiterten in den vergangenen Jahren Arbeitslosenversicherung Frankreich sind zwar Vergangenheit. immer wieder an der Zersplitterung Doch die Nachwirkungen der Gelb- der Protestlandschaft. Um an 1995 an- – Reform des Asylrechts westen sind immer noch präsent: zuknüpfen, muss es den Gewerkschaf- ten gelingen, weit über ihre Basis hi- – Reform der Vermögen- - Erstens haben die Proteste, die naus und über viele Berufsgruppen steuer, des allgemeinen sich an der Erhöhung der Kraft- hinweg zu mobilisieren. Können die Sozialbeitrags und der stoffsteuer entzündeten, mit ihren Gelbwesten mit ins Boot geholt wer- Wohnsteuer Forderungen nach mehr Kaufkraft, den, könnte ein solcher Zusammen- mehr Steuergerechtigkeit und besse- schluss gelingen. Vor allem dann, wenn – Klima- und Energiegesetz rer demokratischer Repräsentation diejenigen wiedergewonnen werden, die soziale Frage wieder zurück ins die sich wegen der Gewaltbereitschaft In der Umsetzung: Zentrum der Politik getragen – und eines kleinen Kerns von den Protesten zwar ohne die traditionellen Akteure abgewandt haben. Gleichzeitig geht – Rentenreform der Sozialpolitik wie Sozialisten und es für die Gewerkschaften darum, ih- Gewerkschaften, sondern von einer re einstige Rolle als Treiber des wir- – Gesetz zur Bioethik bisher im politischen Spektrum kaum kungsvollen sozialen Protests wieder sichtbaren Bevölkerungsgruppe. zu besetzen. Die Misserfolge vergange- – Einführung einer - Genau diese ist nun, zweitens, mit ner Bewegungen (zum Beispiel gegen Digitalsteuer neuem Selbstbewusstsein stärker die SNCF-Reform 2018 oder die Reform im Diskurs präsent als zuvor. Es des Arbeitsrechts 2016 und 2017) ha- – Maßnahmen zur Steuerung geht dabei vor allem um die untere ben den Druck auf die chronisch mit- von Immigration Mittelschicht, die kaum noch sozio- gliederschwachen Organisationen er- ökonomische Aufstiegsperspektiven höht, ihre Legitimität mit Erfolgen auf Noch nicht umgesetzt: für sich sieht, oft „abgehängt“ von den der Straße zu begründen. wirtschaftlichen Zentren des Lan- – Reform der Institutionen des ist und sich zu großen Teilen als „apolitisch“ – zumindest aber poli- – Zusammenführung der tisch nicht aktiv – identifiziert. Dank Sozialhilfen der Dynamik sozialer Netzwerke ist diese fluide und politisch unspezi- fische Kraft auch ohne feste Struktur fähig, Protestierende zu mobilisie- ren. Das Wiedererstarken will die Regierung vermeiden, weshalb die Gelbwesten der „unsichtbare Dritte“
4 Nr. 6 | Dezember 2019 Rentenreform in Frankreich POLICY BRIEF MIT DIALOG UND ZEIT den Gesetzgebungsprozess einfließen DAS SPIEL BESTIMMEN soll. Wie das sichergestellt wird, ist je- doch unklar. Mit zwei Strategien versucht die Re- gierung, einen zu großen Einfluss der Dieser Dialogprozess dient auch da- Bewegung gegen die Rentenreform auf zu, den Kalender zu entzerren und erst das Land zu vermeiden: Dialog ermög- nach und nach ein genaues Bild der lichen und Zeit verschaffen. Eine früh- Reform zu geben. Zu zentralen The- zeitige Einbeziehung der Sozialpartner men hat die Regierung bis jetzt nur va- ist seit Macrons Vorgänger François ge Aussagen formuliert bzw. wider- Hollande ein wichtiger Schritt vor Re- sprüchliche Signale gegeben. Dass das formen. Zuletzt kritisierten Gewerk- Renteneintrittsalter steigen wird, gilt schaften die Vorabstimmungen jedoch bis jetzt als gesetzt. Doch die genaue als Feigenblatt und warfen der aktu- Höhe und Dauer der Einzahlung durch ellen Regierung vor, ihre Forderungen die Versicherten sind offen. Die glei- nicht ausreichend zu berücksichtigen. che Unschärfe umgibt die Zukunft der Sondersysteme. Das Duo Macron-Phi- lippe zeigt sich entschlossen, ihnen ein Ende zu setzen und das gesamte Ren- tensystem zu vereinheitlichen. Aber Die Bürger-Konsultationen auch hier ist offen, wann dies in Kraft treten wird. Die Reform könnte bald gehen direkt auf die Proteste alle Versicherten betreffen oder erst zukünftige Beitragszahler, falls sich die der Gelbwesten zurück Regierung für die sogenannte „Groß- vater-Klausel“ entscheiden sollte. Die Regierung setzt auf Zeit und möchte damit die Kritik der Reformgegner il- legitim erscheinen lassen. In Macrons Dadurch ist Vertrauen verloren ge- Worten: „Sie sagen mir, dass es eine gangen, sogar bei der reformfreundli- massive Mobilisierung gegen eine Re- chen Gewerkschaft CFDT (Confédéra- form geben wird, deren genaue Bedin- tion française démocratique du travail). gungen nicht bekannt sind“. Ob diese Auf deren Unterstützung für seine Re- Strategie funktionieren wird, ist noch formvorhaben konnte Macron zu- unklar. Bislang führt sie dazu, dass die nächst hoffen, war die CFDT schließ- Gewerkschaften der Regierung eine lich die einzige Gewerkschaft, die eine Verschleierungstaktik vorwerfen und Umstellung des Rentensystems nach in die Defensive gehen. Punkten befürwortete. Gewerkschafts- chef Laurent Berger kündigte nun aber Widerstand an, wenn sich die Regie- KAMPF DER NARRATIVE rung für eine einseitig auf finanziel- le Einsparungen ausgerichtete Reform Das Stimmungsbild der Franzosen be- entscheiden würde. Neben dem Dialog züglich der Reform und des Protests mit den Sozialpartnern hat die Exeku- dagegen ist widersprüchlich. Rund tive als neues Element eine Konsultati- zwei Drittel befürworten die Anglei- on der Bürgerinnen und Bürger einge- chung der verschiedenen Rentensyste- führt. Dies geht direkt auf die Proteste me im öffentlichen und privaten Sek- der Gelbwesten zurück. Über eine On- tor. Gleichzeitig halten ebenfalls zwei line-Plattform und lokale öffentliche Drittel die Protestbewegung gegen die Debatten soll bis Anfang 2020 eine öf- Reform für gerechtfertigt. Dies deu- fentliche Beteiligung ermöglicht wer- tet darauf hin, dass die Mobilisierung den, deren Ergebnis der Assemblée na- sich globaler gegen die Politik Macrons tionale übergeben wird und dann in und seine Regierung richten könnte.
Nr. 6 | Dezember 2019 5 POLICY BRIEF Rentenreform in Frankreich In der Ungewissheit, welches Ausmaß Blockade zu stehen. Was am Ende zäh- Die Rentenreform ist für Macron des- die Proteste am 5. Dezember vorge- len wird ist, dass Macron überhaupt halb eine Chance, sein Image als Re- ben werden, bemühen sich beide Sei- eine Reform auf den Weg gebracht hat, former in Brüssel, Berlin und in an- ten um die Delegitimierung des jeweils selbst wenn es bedeutet, dass diese deren europäischen Hauptstädten zu anderen. hinter den ursprünglichen Ambitionen polieren und sich somit wieder Ver- zurückbleibt. trauenskapital zu verschaffen. Nach In diesem Kampf der Narrative haben seinen Äußerungen, die Nato sei „hirn- beide Seiten das gleiche Ziel: Sie wol- tot“, und der angekündigten Annähe- len die stille Mehrheit der Bürgerinnen EINE REFORM MIT rung mit Russland, könnte er dies gut und Bürger für sich gewinnen. Die Re- EUROPÄISCHEN gebrauchen. Außerdem ist die Amts- gierung setzt dabei auf zwei Argumen- AUSWIRKUNGEN einführung der neuen Europäischen te. Zum einen stellt sie das demokra- Kommission für Macron ein passen- tische Verfahren und die dialogische Von einem Erfolg der Rentenreform der Zeitpunkt, um erneut für seine eu- Einbindung in den Vordergrund; zum hängt nicht nur die innenpolitische ropäische Reformagenda zu werben. anderen betont sie die egalitäre Aus- Glaubwürdigkeit Macrons ab, sondern Sollte die Rentenreform gelingen, und richtung der Rentenreform durch Ab- auch seine Führungsrolle auf EU-Ebe- zwar in einer ausreichend ambitionier- schaffung von Privilegien. Es gilt das ne. Der französische Präsident ist 2017 ten Form, würde dies Macrons Über- Prinzip „teile und herrsche“: Im Re- mit einer ehrgeizigen Reformagenda zeugungskraft auf der europäischen gierungsnarrativ kommen die Re- sowohl für sein eigenes Land, als auch Bühne stärken. So fordert vor allem formgegner als Egoisten vor, die „Un- für Europa angetreten. Deutschland immer wieder erst Refor- gleichheiten erhalten“ wollen – wie der Präsident der Assemblée nationale es kürzlich sagte. Währenddessen kri- tisiert die Gegenseite den Verlust so- zialer Errungenschaften und Intrans- parenz durch fehlende Informationen. Auf europäischer Ebene stärkt Hier dreht sich das Narrativ um das Argument, dass die Reform zum Abbau eine gelingende Rentenreform des französischen Sozialmodells bei- trägt – was implizit einer Bedrohung Macrons Überzeugungskraft eines Pfeilers französischer Identität gleichkommt. Der vermeintlichen Un- erlässlichkeit eines Anstiegs des Ren- tenalters setzen die Reformgegner den In europäischen Kreisen, wo die Idee men in Frankreich als Bedingung für Stellenabbau in der öffentlichen Ver- eines unreformierbaren Frankreichs weitere Reformen in der EU. Doch die waltung als Faktor beim Anstieg des sich längst etabliert hatte, weck- Rentenreform ist umgekehrt auch eine Defizits gegenüber. te insbesondere die Aussicht auf so- Gefahr: Ein Scheitern würde Macrons zioökonomische Reformen innerhalb Glaubwürdigkeit unterminieren und In diesem unentschiedenen Kampf des Landes hohe Erwartungen. Auch somit seine europapolitische Hand- geht es um viel mehr, als nur um die und ausgerechnet deutsche Entschei- lungsfähigkeit beeinträchtigen. Eine Zukunft der Sondersysteme. Es geht dungsträger, die seit Jahren fehlen- weitere Polarisierung und Vertiefung darum, wie soziale Gerechtigkeit in- de bzw. unzureichende Reformen im sozialer Konflikte in Frankreich stär- terpretiert und umgesetzt wird, um Nachbarland vermissen, haben mit ken zudem das Potential für rechtsex- das zukünftige Machtverhältnis zwi- Macrons Wahl die Hoffnung auf Verän- treme Wahlerfolge mit Auswirkungen schen Protest und Politik und nicht derungen im französischen Sozial- und auf die Demokratie auch über Frank- zuletzt um die Handlungsfähigkeit der Wirtschaftssystem verbunden – und reich hinaus. Beim Kampf um Narrati- Regierung. Aufgrund der symbolischen zwar parteiübergreifend. Umgekehrt ve geht es also um weit mehr als eine Kraft der Rentenreform braucht Ma- wird nicht selten die deutsche Zurück- Detailfrage französischer Innenpolitik. cron einen Erfolg, um sein Image als haltung gegenüber weiteren Integra- Macher und Reformer festigen zu kön- tionsschritten in der EU, wie Paris sie nen. Aufgeben ist daher keine Option. fordert, mit dem Mangel an Ernsthaf- Auf der anderen Seite kann er es sich tigkeit des französischen Partners in auch nicht erlauben, das Gesetz mit Bezug auf Reformen begründet. Zwang durchzusetzen und vor einer
Rauchstraße 17/18 10787 Berlin Tel. +49 (0)30 25 42 31 -0 info@dgap.org www.dgap.org @dgapev Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP) forscht und berät zu aktuellen Themen der deutschen und euro- päischen Außenpolitik. Dieser Text spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren wider, nicht die der DGAP. Herausgeber Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. ISSN 2198-5936 Redaktion Susann Kreutzmann Layout/Satz Reiner Quirin Design Konzept: WeDo Fotos Autorinnen und Autoren © DGAP Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz.
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