DRESDNER BRÜCKENBAUSYMPOSIUM - PLANUNG, BAUAUSFÜHRUNG, INSTANDSETZUNG UND ERTÜCHTIGUNG VON BRÜCKEN 9./10. MÄRZ 2020 - TU Dresden
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FAKULTÄT BAUINGENIEURWESEN Institut für Massivbau www.massivbau.tu-dresden.de 30. DRESDNER BRÜCKENBAUSYMPOSIUM PLANUNG, BAUAUSFÜHRUNG, INSTANDSETZUNG UND ERTÜCHTIGUNG VON BRÜCKEN 9./10. MÄRZ 2020
C M Y CM MY CY CMY z.lamelle.s+p.a5.2.17.indd 1 06.02.17 09:38 K © 2020 Technische Universität Dresden Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichnungen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetz- lich geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie als solche nicht eigens markiert sind. Herausgeber: Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach Technische Universität Dresden Institut für Massivbau 01062 Dresden Redaktion: Silke Scheerer, Angela Heller Layout: Ulrich van Stipriaan Anzeigen: Harald Michler Titelbild: Fehmarnsundbrücke, Zeichnung von Gerd Lohmer Broschüre Rotary und die Kunst / Gerd Lohmer (aus dem Privatarchiv von Bettina Lohmer) Druck: addprint AG, Am Spitzberg 8a, 01728 Bannewitz / Possendorf ISSN 1613-1169 ISBN 978-3-86780-625-1
Institut für Massivbau http://massivbau.tu-dresden.de Tagungsband 30. Dresdner Brückenbausymposium Institut für Massivbau Freunde des Bauingenieurwesens e.V. TUDIAS GmbH 9. und 10. März 2020
30. Dresdner Brückenbausymposium Inhalt Grußwort des Rektors …………………………………………………………………………………………………… 9 Prof. Dr.-Ing. habil. DEng/Auckland Hans Müller-Steinhagen Entwicklung des Instituts für Massivbau – Lehre und Forschung im Brückenbau an der TU Dresden ……………………………………………… 13 Dipl.-Ing. Oliver Steinbock, Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach Die neue Erhaltungsstrategie des Bundes – Planung und Bau von Brücken auf den Hauptverkehrsrouten ……………………………………… 27 MR Prof. Dr.-Ing. Gero Marzahn Brücken aus bewehrtem UHPC (Stahl-UHFB) ……………………………………………………………… 33 Prof. Dr. Eugen Brühwiler, dipl. Ing. ETH/SIA, IABSE Nutzung von Ultra-Hochleistungs-Faserbeton (UHFB) im ASTRA – Rückblicke und Perspektiven ……………………………………………………………………………………… 47 Stéphane Cuennet, Guido Biaggio Neufassung der Nachrechnungsrichtlinie für Massivbrücken ……………………………………… 57 Univ.-Prof. Dr.-Ing. Josef Hegger, Viviane Adam M.Sc., Dr.-Ing. Frederik Teworte, Dr.-Ing. Naceur Kerkeni Historische Eisenbahnbrücken – Denkmale im Netz …………………………………………………… 71 Prof. Dr.-Ing. Steffen Marx, Dipl.-Ing. Markus Köppel, Dipl.-Ing. Jens Müller 85 Jahre Autobahnbrückenbau – 30 Jahre Dresdner Brückenbausymposium………………… 83 Dipl.-Ing. Werner Buhl Gerd Lohmer (1909–1981) Der Brückenarchitekt der Nachkriegszeit ……………………………………………………………………101 Prof. Cengiz Dicleli Ersatzneubau der Rheinbrücke Leverkusen – Gesamtplanung des 8-streifigen Ausbaus der A1 zwischen Köln und Leverkusen ……………………………………123 Dipl.-Ing. (FH) Nicole Ritterbusch, Dr. sc. techn. Hans Grassl, Dominic Reyer, M.Sc. Ein neuer Schritt im Großbrückenbau: Querverschub einer Verbundbrücke mit Pfeilern und Gründung bei der Talbrücke Rinsdorf im Zuge der A 45 …………………………………………139 Dipl.-Ing. Roger Istel, Dipl.-Ing. Ralf Schubart S-Bahn-Querung im neuen Stuttgarter Tiefbahnhof S21 – erstmaliger Einsatz von interner verbundloser Vorspannung bei der DB AG …………………149 Prof. Dr.-Ing. Manfred Keuser, Dipl.-Ing. Angelika Schmid, Prof. Dr.-Ing. Christian Sodeikat Reduzierte Bauzeit bei Ersatzneubauten von Straßenbrücken durch Carbonbeton ………165 Dr.-Ing. Sergej Rempel, Dipl.-Ing. (FH) Eugen Kanschin Robust, wirtschaftlich und schön – der Entwurf von integralen Brücken ……………………177 Dipl.-Ing. Andreas Keil Neubau der Busbrücke über den Bahnhof in Zwolle………………………………………………………191 Dr.-Ing. Gerhard Setzpfandt, Tristan Wolvekamp MSc, Dipl.-Des. Marion Kresken Katastrophen vermeiden: Brückenmonitoring mit einem Netzwerk leistungsstarker dreiachsiger MEMS-Beschleunigungssensoren……………………………………207 Dipl.-Ing. Ulrich Dähne Brückenvielfalt in Süddeutschland und den Alpen – Bericht zur Brückenexkursion 2019 ……213 Dipl.-Ing. Oliver Steinbock, Dipl.-Ing. Philipp Riegelmann Chronik des Brückenbaus ………………………………………………………………………………………… 227 Zusammengestellt von Dipl.-Ing. (FH) Sabine Wellner 5
Gero Marzahn: Die neue Erhaltungsstrategie des Bundes Die neue Erhaltungsstrategie des Bundes – Planung und Bau von Brücken auf den Hauptverkehrsrouten MR Prof. Dr.-Ing. Gero Marzahn Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Bonn 1 Einleitung Je nach technischer Umsetzbarkeit und Wirt- schaftlichkeit werden die Bauwerke neben der Im internationalen Vergleich verfügt Deutsch- üblichen Instandsetzung ertüchtigt bzw. ver- land über eine leistungsfähige Verkehrsinfra- stärkt oder – sofern wirtschaftlicher – gänzlich struktur. Allerdings machen der überpropor- durch einen Ersatzneubau ersetzt. tionale Anstieg des Schwerverkehrs in den vergangenen Jahrzehnten, insbesondere im Unter dem Credo „Erhalt vor Neubau“ hat das Güterverkehr, sowie die Altersstruktur der BMVI im Rahmen des Investitionshochlaufs Bauwerke umfängliche Erhaltungs- und Mo- die notwendigen Erhaltungsmittel für die dernisierungsmaßnahmen zur Verbesserung Bundesfernstraßen (Strecke und Brücke) in des Zustandes und zur Erhöhung der Trag- den vergangenen Jahren kräftig aufgestockt. fähigkeit vieler älterer Brücken erforderlich. Für das Jahr 2019 standen insgesamt 4,1 Mil- Viele Brücken müssen deshalb verstärkt oder liarden Euro bereit, die in der Finanzplanung – sofern wirtschaftlicher – erneuert werden, bis 2022 schrittweise auf rd. 4,4 Milliarden um eine sichere Abwicklung des aktuellen und Euro anwachsen werden. zukünftigen Verkehrs auf Dauer gewährleisten zu können. Der Anteil für Erhaltungsmaßnahmen an Bau- werken an der Gesamtsumme steigt dabei Eine wachsende Anzahl von Baustellen haupt- ebenfalls. Gemäß der Erhaltungsbedarfsprog sächlich auf den Autobahnen ist die Folge, wel- nose sollen von diesen Mitteln im Jahr 2019 che in den nächsten Jahren eher noch zuneh- rund 1,43 Milliarden Euro in die Brückenerhal- men und damit die Verkehrsteilnehmer auf die tung fließen, 2020 rund 1,46 Milliarden Euro, Probe stellen wird. Um den Verkehr dennoch 2021 rund 1,57 Milliarden Euro und 2022 rund flüssig zu halten, bedarf es einer modernen 1,64 Milliarden Euro. Damit wird der jährliche Strategie hinsichtlich der Durchführung von Anteil an den Erhaltungsmitteln für Bauwerke Planungs- und Baumaßnahmen, welche dyna- in einem Jahrzehnt von weniger als 25 % im misch auf unterschiedliche verkehrliche An- Jahr 2011 auf über 37 % im Jahr 2022 steigen. forderungen reagieren kann. Diese liegt inzwi- Das sind gewaltige Summen, die zielgerichtet schen vor und soll Hilfestellung für zukünftige und zeitnah umgesetzt werden sollen. Die An- Entscheidungen hinsichtlich der Reihung von zahl an Baustellen lässt sich nur erahnen. Bau- Maßnahmen bei der Umsetzung sein. tätigkeiten ungekannten Ausmaßes werden zukünftig unseren Alltag begleiten. 2 Erhaltung und Modernisierung Seit dem Haushaltsjahr 2015 werden die Mit- von Brücken tel für Brückenmodernisierungsmaßnahmen mit einem Bauvolumen über 5 Mio. Euro in den Wachsendes Verkehrsaufkommen in Verbin- Erhaltungstabellen des Straßenbauplans be- dung mit steigendem Durchschnittsalter der reits gesondert dargestellt und als Programm Brücken sowie vorhandenen baulichen Defizi- Brückenmodernisierung erfasst. Ab dem Haus- ten vergangener Jahrzehnte machen generell haltsjahr 2016 werden diese Maßnahmen zur umfängliche Instandsetzungs- und Moderni- besseren Übersichtlichkeit darüber hinaus se- sierungsmaßnahmen an den Bauwerken erfor- parat im Straßenbauplan in eigenen Tabellen derlich. zur Berichterstattung geführt. Die unter diesen Stichworten zusammenge- Brückenmodernisierungsmaßnahmen mit ei- fassten Maßnahmen beschreiben das Wesen nem Bauvolumen über 5 Mio. Euro sind zum der Brückenmodernisierung, bei der unter Teil aber auch noch in Bedarfsplanmaßnah- dem Dach der Bauwerkserhaltung eine Anpas- men (BAB-Erweiterung) und Streckenbau- sung bestehender Brückenbauwerke an geän- maßnahmen der Erhaltung veranschlagt. Die derte und/oder gestiegene Anforderungen hin- Erhaltungsanteile werden gemäß den vorste- sichtlich Tragfähigkeit, Verkehrssicherheit und henden zwei Punkten nunmehr mit ausge- Dauerhaftigkeit von Brücken verstanden wird. wiesen. 27
30. Dresdner Brückenbausymposium Kleinere, im Programm nicht einzeln aufge- von 6.600 km, fast die Hälfte des deutschen führte Brückenmodernisierungsmaßnahmen BAB-Netzes und annähernd deckungsgleich werden bisher aus den global zugewiesenen mit dem TEN-V-Kernnetz [2] (Transeuropäische Erhaltungsmitteln finanziert. Seit 2017 werden Verkehrsnetze), gekennzeichnet. Als Zielstel- für diese Maßnahmen in den Haushaltsansät- lung gilt, bis 2030 die Korridore zukunftssicher zen des Brückenmodernisierungsprogramms ausgebildet zu haben. pauschal 100 Mio. Euro pro Jahr gesondert be- reitgestellt, um auch für die kleineren Brücken Übrige Strecken bleiben vorerst unangetastet innerhalb eines Streckenabschnitts genügend und stehen weiterhin für die Verkehrsabwick- Baumittel zur Verfügung zu stellen. lung zur Verfügung, bevor diese zu einem spä- teren Zeitpunkt modernisiert werden. Diese Eine Übersicht zu den Haushaltsansätzen für Vorgehensweise sichert sowohl eine durch- das Programm Brückenmodernisierung ist in greifende Verbesserung der Leistungsfähigkeit Tabelle 1 gegeben [1]. Die Zuordnung der Mit- (Zukunftsfähigkeit) des Netzes und seiner Brü- tel erfolgt fortlaufend und bedarfsgerecht ent- cken als auch eine Durchlässigkeit der Infra- sprechend der Anmeldung der Länder. Hierbei struktur auf den Nachbarrouten in den jewei- gilt grundsätzlich, dass jede Maßnahme, die ligen Bauphasen. Baurecht erhält, auch finanziert wird. Die Festlegung der Korridore des Brückenmo- Tabelle 1: Haushaltsmittel für Maßnahmen der dernisierungsnetzes erfolgte in enger Abstim- Brückenmodernisierung [1] mung mit den zuständigen Straßenbauverwal- tungen der Länder. Dabei waren neben den Haushaltsjahr Haushaltsmittel (Mio. €) Fachbereichen Brückenbau auch die Bereiche für Planung und Streckenerhaltung eingebun- 2019 760 den, um möglichst Baumaßnahmen beider Be- 2020 780 reiche gekoppelt vorbereiten und umsetzen zu können. 2021 855 2022 950 Die unterlegte Strategie zur Brückenmoder- 2023 959 nisierung liefert die notwendigen Entschei- dungsvoraussetzungen und schafft folglich Planungsperspektiven sowie Planungssicher- Die Erfahrung hat gezeigt, dass es im Sinne der heit für einen vorausschauenden und bedarfs- Durchlässigkeit des Netzes nicht ausreichend gerechten Mitteleinsatz. Darüber hinaus sind und auch nicht sinnvoll ist, sich nur auf beson- optimierte Eingriffe in den Verkehr, gerade ders defizitäre Einzelbauwerke zu konzentrie- vor dem Hintergrund eines hohen Verkehrs- ren. Es entstehen viele Einzelbaustellen, die aufkommens und steigender Bautätigkeit mit den Verkehr einschränken, jedoch nach Fer- wachsenden Investitionsvolumina, möglich. tigstellung keinen direkten Verkehrswert er- geben. Ein tatsächlicher Verkehrswert ist erst dann gegeben, wenn alle Bauwerke eines Stre- 3 Erhaltungsstrategie für Bau ckenabschnittes uneingeschränkt für den Ver- werke der Bundesfernstraßen kehr nutzbar sind. Die rund 52.000 Brückenbauwerke der Bun- Mit dieser Zielrichtung wurde die Strategie desfernstraßen in Deutschland nehmen eine zur Brückenmodernisierung hin zu einer Kor- Schlüsselstellung für die Straßenverkehrsin- ridorbetrachtung entscheidend erweitert und frastruktur im Transitland Deutschland ein. fortgeschrieben. Dabei wird auf die Moderni- Brücken sind dabei die neuralgischen Punkte sierung ausgewiesener, überwiegend hochbe- unserer Infrastruktur, weil jede alters-, nut- lasteter Transitstrecken fokussiert, um diese zungs- und/oder baulich bedingte Einschrän- Strecken vordringlich zu ertüchtigen und zu- kung der Verfügbarkeit zu unmittelbar spür- gleich übrige Strecken vorerst möglichst un- baren Einschränkungen und Engpässen im beeinträchtigt für die Verkehrsabwicklung zur fließenden Verkehr führt. Meist sind sie im Verfügung zu haben. Der Korridorgedanke Netz wegen begrenzter Umfahrungsmöglich- führt zu einer konzentrierten und verkehrsge- keiten Nadelöhre und beeinflussen dadurch rechten Abfolge der Arbeiten und führte in der die Leistungsfähigkeit nicht nur lokal, sondern Konsequenz zu einem zukunftsfähigen Netz. im wachsenden Maße auch regional. Hierbei Dieses Brückenmodernisierungsnetz (Bild 1) ist sind die singulären Brückenquerungen, z. B. durch Transitkorridore mit einer Gesamtlänge die Rheinquerungen, wegen ihrer begrenzten 28
Gero Marzahn: Die neue Erhaltungsstrategie des Bundes Bild 1 Brückenmodernisierungsnetz [1] 29
30. Dresdner Brückenbausymposium Anzahl besonders betroffen. Regelmäßig erge- gleichzeitig der Einstieg in eine Lebenszyklus- ben sich bei schädigungsbedingten Ausfällen betrachtung gelegt wird. oder Baumaßnahmen verkehrliche Probleme, welche sich potenzieren, wenn gleichzeitig Ebenso wären bei besonders hochbeanspruch- mehrere, ggf. sogar benachbarte Brücken oder ten Strecken zeitlich fixierte Eingreifzyklen Bauwerke in den Zulaufbereichen zeitgleich denkbar, wofür aufbauend auf Kenntnissen bauliche Maßnahmen erfordern. und Erfahrungen zum Alterungs- und Ver- schleißverhalten sowie zur Zuverlässigkeit von Schädigungsbedingte Ausfälle von Bauwerken Materialien und Bauteilen vorausbestimmte sowie Brückenbaustellen im Netz bedeuten Nutzungszyklen definiert werden müssen. meist Einschränkungen in der verkehrlichen Entsprechende Erhaltungsintervalle führen zu Leistungsfähigkeit durch Reduktion von Fahr- einem präventiven Vorgehen. Die unterjährige streifen, Verschmälerung von Fahrstreifen, ver- oder kontinuierliche Überwachung würde sich ringerte Fahrgeschwindigkeit etc. Die Folge ist, lediglich auf die Kontrolle der Übereinstim- dass Verkehrsverlagerungseffekte im Netz und mung der Annahmen beschränken. Somit wer- Stauverkehr im Bereich der Baustelle eintre- den die Eingriffe in den Verkehr sehr planbar ten. Stau sowie Verlängerung der Reisezeiten und es entstehen die geringsten Nutzerkosten. führen zu einem erhöhten Energieverbrauch und gesteigerten Emissionen; überlastete Aus- Vielfach wird allein schon aus Gründen der weichrouten können darüber hinaus zu einer Verkehrssicherheit gestützt auf die Ergebnisse ungünstigen Entwicklung der Unfallzahlen bei- einer Bauwerksprüfung nach DIN 1076 [3] eine tragen. In Summe werden in jedem Falle die Kombination beider Verfahren, also präventive Nutzerkosten steigen. und reaktive Erhaltungsplanung, möglich, sinn- voll und wirtschaftlich sein. Das örtlich vor- Vor diesem Hintergrund sind gerade wegen handene Verkehrsaufkommen könnte dabei zukünftig verstärkter Bautätigkeit bei weiter- die Wichtung in die eine oder andere Richtung hin zunehmendem Verkehr die Möglichkeiten verschieben. Die Grundlagen für diese strategi- einer verkehrsgerechten Steuerung baulicher schen Entscheidungen wurden vom Koordinie- Maßnahmen voranzutreiben und stetig wei- rungsausschuss Erhaltung, einem Bund-Län- terzuentwickeln. Dazu gehört auch, das Risiko dergremium, erarbeitet und sind in der gerade ungeplanter Ausfälle zu minimieren, um die fertiggestellten RPE-ING [4] niedergelegt. Eingriffe in den Verkehr infolge Erhaltungs- maßnahmen planbarer werden zu lassen. Dies Darüber hinaus können äußere Vorgaben, eröffnet zugleich Möglichkeiten, Maßnahmen z. B. die Umsetzung des Brückenmodernisie- gezielt zu bündeln und dadurch Beschleuni- rungsnetzes, die Abwicklung von Erhaltungs- gungen in der Abwicklung zu generieren. maßnahmen entsprechend der vorgehenden Ausführungen beeinflussen und eine andere Diese Betrachtungen lassen erkennen, dass Abfolge der Instandsetzungsmaßnahmen be- es insbesondere bei Strecken mit hohem dingen, indem gewisse Routen vorgezogen und Verkehrsaufkommen nicht sinnvoll ist, wie baulich behandelt werden. Somit ergeben sich in der Vergangenheit üblich, kleinste Schä- neue Abhängigkeiten, die planerisch in Über- den bei den Bauwerken sehr kurzfristig in- einstimmung zu bringen sind. stand zu setzen, was für das Einzelbauwerk zur Vorbeugung aufwändigerer Schadensak- Sind exponierte und verkehrlich besonders kumulationen sicherlich sehr wirtschaftlich, wichtige Bauwerke auf hoch belasteten Stre- aber durch häufige und unplanbare Eingriffe cken betroffen, z. B. Rheinbrücken im Zuge in den Verkehr aus Netzsicht wirtschaftlich von Autobahnen, sind ggf. individuelle Lösun- kaum vertretbar ist. Wirtschaftlicher und gen zu finden. Es hat sich in der praktischen verkehrsgerechter sind dagegen möglichst Planung gezeigt, dass es nicht ausreichend lange, ununterbrochene Nutzungszeiten von und auch nicht zielführend ist, sich auf ein- Strecken, bei denen die Schadensentwicklung zelne Rheinquerungen als singuläre Punkte am Bauwerk überwacht und kontrolliert ab- zu konzentrieren. Aus den Informationen und laufen kann. Erst mit Erreichen ausgewiese- Handlungsoptionen zu den Einzelbauwerken ner Warn- oder Schwellenwerte sind grund- (Einzelbetrachtung) allein ergibt sich keine un- hafte Erhaltungsmaßnahmen zur Abhilfe zu mittelbare sinnvolle Option zur Vorgehenswei- ergreifen. Eine entsprechende Überwachung se in einer Region bzw. in einem Teilnetz der der Bauwerke durch Monitoring und/oder Bundesfernstraßen (Netzbetrachtung), weil Bauwerksprüfung wäre für dieses reakti- nur eine begrenzte Anzahl an Rheinquerungen ve Vorgehen zwingend erforderlich, womit existiert und die Bauwerke daher trotz größe- 30
Gero Marzahn: Die neue Erhaltungsstrategie des Bundes rer Distanz in direkter verkehrlicher Abhängig- zu können. Ziel sollte sein, notwendige Erhal- keit zueinander stehen. tungsmaßnahmen von der Reihenfolge und Bauabfolge her sowohl anhand der baulichen Folglich müssen regionale Sichtweisen, die (z. B. Bauwerkszustände) als auch der verkehr- neben den baulichen Maßnahmen an Einzel- lichen Kritikalität (z. B. Verfügbarkeit) auszu- bauwerken gleichzeitig auch die gesamtwirt- richten und so zu steuern oder Maßnahmen schaftlichen Auswirkungen durch Staus und so zu kombinieren, dass der volkwirtschaftli- Umleitungen infolge von Nichtverfügbarkeit che Schaden durch Stau, Verkehrsumleitungen oder beschränkter Nutzbarkeit von Verkehrs- und Emissionen etc. in der Gesamtschau mini- wegen berücksichtigen, Eingang in die Planung mal wird. Der Blick auf reine Investitionskosten von Erhaltungs- und/oder Erneuerungsmaß- reicht dafür nicht aus. nahmen von Bauwerken finden. Die Bewer- tung auf Basis monetärer Aspekte, indem Nut- Somit wird der eingeschlagene Weg zu einer zerkosten ermittelt und berücksichtigt werden, Dynamisierung der Erhaltungsstrategie füh- hat sich hierbei als geeignet erwiesen, insbe- ren, die neben den notwendigen baulichen sondere weil – zumindest bei den Rheinbrü- Maßnahmen zukünftig stets auch die verkehr- cken – verschiedene Baulastträger eingebun- lichen Aspekte angemessen berücksichtigt. den werden müssen. Der Bund nahm die vorgenannten Erkenntnis- Literatur se unter anderem zum Anlass, um im Rahmen eines Forschungsvorhabens ein strategisches [1] https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Ar- Instrument zur optimierten Planung von Er- tikel/StB/brueckenmodernisierung.html tüchtigung und Erneuerung wichtiger Brücken (geprüft am 02.12.2019) der Bundesfernstraßen unter Beachtung einer [2] Verordnung (EU) Nr. 1315/2013 des Euro- gesamtwirtschaftlichen Bewertung der ver- päischen Parlaments und des Rates vom kehrlichen Auswirkungen derartiger Maßnah- 11. Dezember 2013 über Leitlinien der men erarbeiten zu lassen. Mit dem speziell für Union für den Aufbau eines transeuropäi- die Rheinbrücken entwickelten Software-Tool schen Verkehrsnetzes und zur Aufhebung werden Eingreifzeitpunkte für bauliche Maß- des Beschlusses Nr. 661/2010/EU. nahmen unter Berücksichtigung baulicher und [3] DIN 1076:1999-11: Ingenieurbauwerke im verkehrlicher Aspekte über einen langen Zeit- Zuge von Straßen und Wegen – Überwa- raum von bis zu 30 Jahren optimiert. So kann chung und Prüfung. eine langfristig orientierte Maßnahmenpla- [4] BMVI (Hrsg.): Richtlinie für die Planung nung von vorrangigen Rheinbrücken oder all- von Erhaltungsmaßnahmen an Ingeni- gemein Brücken an Bundesfernstraßen über eurbauwerken (RPE-ING). Stand Oktober Baulastträgergrenzen hinweg aufgebaut wer- 2019 (noch unveröffentlicht) den. Grundsätzlich lässt sich die dargestellte The- matik methodisch und regional verallgemei- nern. Daher wird derzeit in einer Fortführung bzw. Erweiterung des Forschungsvorhabens die Betrachtung auf beliebige Teilräume im klassifizierten deutschen Straßennetz und auf die gleichzeitige Berücksichtigung von bis zu 50 Bauwerken ausgedehnt. 4 Fazit Es hat sich gezeigt, dass neben den baulichen Aspekten ebenso die verkehrlichen Aspekte bei der Planung von Erhaltungsmaßnahmen berücksichtigt werden müssen, um den Ver- kehr trotz Baustellen einigermaßen flüssig zu halten und zugleich die gesamtwirtschaftli- chen Kosten, die neben den Investitionskosten auch die Nutzerkosten umfassen, minimieren 31
9 Grußwort des Rektors 13 Entwicklung des Instituts für Massivbau – Lehre und Forschung im Brückenbau an der TU Dresden 27 Die neue Erhaltungsstrategie des Bundes – Planung und Bau von Brücken auf den Hauptverkehrsrouten 33 Brücken aus bewehrtem UHPC (Stahl-UHFB) 47 Nutzung von Ultra-Hochleistungs-Faserbeton (UHFB) im ASTRA – Rückblicke und Perspektiven 57 Neufassung der Nachrechnungsrichtlinie für Massivbrücken 71 Historische Eisenbahnbrücken – Denkmale im Netz 83 85 Jahre Autobahnbrückenbau – 30 Jahre Dresdner Brückenbausymposium 101 Gerd Lohmer (1909–1981) – Der Brückenarchitekt der Nachkriegszeit 123 Ersatzneubau der Rheinbrücke Leverkusen – Gesamtplanung des 8-streifigen Ausbaus der A1 zwischen Köln und Leverkusen 139 Ein neuer Schritt im Großbrückenbau: Querverschub einer Verbundbrücke mit Pfeilern und Gründung bei der Talbrücke Rinsdorf im Zuge der A 45 149 S-Bahn-Querung im neuen Stuttgarter Tiefbahnhof S21 – erstmaliger Einsatz von interner verbundloser Vorspannung bei der DB AG 165 Reduzierte Bauzeit bei Ersatzneubauten von Straßenbrücken durch Carbonbeton 177 Robust, wirtschaftlich und schön – der Entwurf von integralen Brücken 191 Neubau der Busbrücke über den Bahnhof in Zwolle 207 Katastrophen vermeiden: Brückenmonitoring mit einem Netzwerk leistungsstarker dreiachsiger MEMS-Beschleunigungssensoren 213 Brückenvielfalt in Süddeutschland und den Alpen – Bericht zur Brückenexkursion 2019 227 Chronik des Brückenbaus ISSN 1613-1169 ISBN 978-3-86780-625-1
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