Dza aktuell deutscher alterssurvey - Deutsches Zentrum ...

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dza aktuell
deutscher alterssurvey
Heft 06/2021

Herausgeber:
Deutsches Zentrum für
Altersfragen

                        Altersdiskriminierung in der Pandemie ist
                        nicht die Regel – Jede zwanzigste Person in
                        der zweiten Lebenshälfte berichtet
                        erfahrene Benachteiligung wegen ihres
                        Alters
                        Markus Wettstein & Sonja Nowossadeck
Altersdiskriminierung in der Pandemie ist nicht die Regel – Jede
zwanzigste Person in der zweiten Lebenshälfte berichtet erfahrene
Benachteiligung wegen ihres Alters
Markus Wettstein & Sonja Nowossadeck

Inhalt

Kernaussagen ....................................................................................................................... 4
Einleitung .............................................................................................................................. 6
Daten und Methodik .............................................................................................................. 9
Ergebnisse ...........................................................................................................................11
Fazit     ..................................................................................................................................15
Literatur ................................................................................................................................20
4                                                       Altersdiskriminierung in der Pandemie

Kernaussagen
Im Juni und Juli 2020 wurde im Rahmen des Deutschen Alterssurveys (DEAS) eine
Kurzbefragung zu den Auswirkungen der Corona-Krise durchgeführt. Im Mittelpunkt der
Befragung standen Veränderungen in verschiedenen Lebensbereichen, die durch die
Pandemie bei Menschen in der zweiten Lebenshälfte aufgetreten sind. Unter anderem gaben
die Befragten Auskunft darüber, ob sie wegen ihres Alters benachteiligt oder schlechter
gestellt wurden. Zudem ist neben der Frage, ob Menschen in der zweiten Lebenshälfte seit
Beginn der Pandemie generell über erfahrene Altersdiskriminierung berichten, auch von
Bedeutung, in welchen Lebensbereichen sie diese Benachteiligung erlebt haben. Gefragt
wurde deshalb nach erfahrener Altersdiskriminierung in der medizinischen Versorgung sowie
im Alltag (z.B. beim Einkaufen):

Erfahrene Altersdiskriminierung:                 •   Erlebte Altersdiskriminierung tritt
                                                     häufiger bei Personen auf, die ihre
•   Im Sommer 2020 geben 5,4 Prozent                 eigene Gesundheit als weniger gut
    der Menschen in der zweiten                      einschätzen. Erlebte
    Lebenshälfte an, seit Beginn der                 Altersdiskriminierung berichten fast
    Corona-Krise aufgrund des eigenen                doppelt so viele Personen mit
    Alters benachteiligt worden zu sein.             beeinträchtigter subjektiver Gesundheit
    Dagegen geben die allermeisten                   (7,3 Prozent) wie Personen mit sehr
    Personen (94,6 Prozent) an, keine                guter bis guter subjektiver Gesundheit
    Altersdiskriminierung seit Beginn der            (3,9 Prozent).
    Pandemie erfahren zu haben.
                                                 Bereiche erlebter Altersdiskriminierung:
•   Erlebte Altersdiskriminierung kommt
    in allen Altersgruppen in der zweiten        •   Mit zunehmendem Alter steigt der
    Lebenshälfte, bei Frauen und                     Anteil derjenigen Personen an, die
    Männern sowie in verschiedenen                   angeben, in der medizinischen
    Bildungsgruppen ähnlich häufig vor.              Versorgung und im Alltag wegen
    Vergleicht man Personen                          ihres Alters benachteiligt worden zu
    unterschiedlichen Alters (50 bis 59              sein. Erlebte Altersdiskriminierung in der
    Jahre, 60 bis 69 Jahre, 70 bis 79 Jahre,         medizinischen Versorgung wird am
    80 bis 90 Jahre), so unterscheiden sich          häufigsten von den ältesten Personen
    die Altersgruppen nicht signifikant darin,       (80 bis 90 Jahre) berichtet (3,7 Prozent),
    wie häufig erlebte Altersdiskriminierung         während von den 50- bis 59-Jährigen
    berichtet wird: Der Anteil liegt in allen        weniger als ein Prozent diesen Bereich
    Gruppen zwischen ca. 3 und 6 Prozent.            nennen. Die ältesten Personen geben
    Auch bei Frauen und Männern sind                 mit 2,4 Prozent ebenfalls zu höheren
    diese Anteile sehr ähnlich. Was den              Anteilen an, im Alltag wegen ihres Alters
    Bildungsstand betrifft, zeichnet sich eine       diskriminiert worden zu sein, als jüngere
    Tendenz ab, dass Niedriggebildete                Altersgruppen (z. B. nur 1,1 Prozent der
    häufiger (8,1 Prozent) angeben, wegen            50- bis 59-Jährigen).
    ihres Alters benachteiligt oder schlechter
    gestellt worden zu sein, im Vergleich zu     •   Mehr Frauen als Männer berichten
    Mittel- (4,1 Prozent) und Hochgebildeten         erlebte Altersdiskriminierung im
    (6,4 Prozent), aber auch dieser                  Alltag. Der Anteil bei den Frauen beträgt
    Unterschied ist statistisch nicht                2,0 Prozent, bei den Männern 1,2
    signifikant.                                     Prozent. Dagegen gibt es bei der
                                                     erlebten Altersdiskriminierung im Bereich
                                                     der medizinischen Versorgung kaum
Altersdiskriminierung in der Pandemie                                               5

    Unterschiede zwischen Frauen und        Altersdiskriminierung in der
    Männern.                                medizinischen Versorgung. Dagegen
                                            zeigt sich ein klarer Unterschied für die
•   Personen mit beeinträchtigter           Altersdiskriminierung im Alltag: 3,1
    subjektiver Gesundheit geben zu         Prozent der Personen mit
    höheren Anteilen an, im Alltag wegen    beeinträchtigter subjektiver Gesundheit
    ihres Alters diskriminiert worden zu    geben an, diese erfahren zu haben. Das
    sein, als Personen mit guter            sind mehr als fünfmal so viele wie bei
    subjektiver Gesundheit. Personen mit    den Personen, die ihre Gesundheit als
    guter vs. eingeschränkter subjektiver   gut oder sehr gut bewerten (0,6
    Gesundheit unterscheiden nicht          Prozent).
    signifikant hinsichtlich erlebter
6                                                                    Altersdiskriminierung in der Pandemie

Einleitung
Seit Beginn der Corona-Krise in                             wahrgenommen werden und ihnen
Deutschland, also etwa seit Mitte März 2020,                gegenüber eine verächtliche Einstellung
finden sich in den Medien, aber auch im                     eingenommen wird.
politischen Diskurs, immer wieder einseitige
Darstellungen, die die Verletzlichkeit älterer              Einige Studien deuten darauf hin, dass im
Menschen, pauschal als „Risikogruppe“                       Zuge der Corona-Pandemie teilweise ein
dargestellt, überbetonen (Kessler & Bowen,                  negativer öffentlicher Diskurs über ältere
2020). Solche pauschalen Zuschreibungen                     Menschen zu beobachten ist. So machte
älterer Menschen als verletzliche                           etwa in den sozialen Medien der Ausdruck
Risikogruppe vernachlässigen die großen                     „Boomer Remover“ (also „Beseitiger der
Unterschiede innerhalb der Gruppe älterer                   Baby-Boomer-Geburtsjahrgänge“) die
Personen (Gerstorf, Smith, & Baltes, 2006;                  Runde, den manche zur Umschreibung der
Nelson & Dannefer, 1992; Smith & Gerstorf,                  Pandemie verwendeten (Lichtenstein, 2020;
2004), die gerade auch im Bereich der                       Meisner, 2020). Eine Auswertung von
Gesundheit und ihrer Veränderung im hohen                   Tweets, die im März zum Thema COVID-19
und sehr hohen Alter bestehen (Wettstein,                   und ältere Menschen veröffentlicht wurden,
Schilling, & Wahl, 2016; Wolf, Freedman,                    ergab, dass fast ein Viertel dieser Beiträge
Ondrich, Seplaki, & Spillman, 2015).                        diskriminierend, abwertend oder beleidigend
                                                            gegenüber älteren Menschen waren
Diese Art der medialen Berichterstattung                    (Jimenez-Sotomayor, Gomez-Moreno, &
und die politische Debatte in der Corona-                   Soto-Perez-de-Celis, 2020). Auch in der
Krise haben die Sichtweise auf das Alter                    medizinischen Versorgung könnten erlebte
womöglich verändert und stärker negativ                     Benachteiligungen aufgrund des Alters
gefärbt. Dies wiederum könnte zur Folge                     häufiger geworden sein, etwa als Folge der
haben, dass gerade Personen höheren                         der Debatte, ob das Lebensalter von
Alters, die in den öffentlichen Diskussionen                Patienten (Nicht-)Behandlungs-
während der Corona-Krise offenbar „selbst                   entscheidungen rechtfertigen darf, wenn
kaum zu Wort kommen“ (Pelizäus & Heinz,                     aufgrund erschöpfter medizinischer
2020), nun häufiger wahrnehmen, dass sie                    Ressourcen nicht mehr allen die optimale
aufgrund ihres Alters diskriminiert1 werden                 medizinische Versorgung zukommen darf.
(Ayalon, 2020; Ayalon et al., 2020; Ehni &                  Es gibt entsprechende Empfehlungen von
Wahl, 2020). Diese Diskriminierung kann                     Expertengruppen sowie Triage-Richtlinien
verschiedene Formen annehmen. Sie kann                      verschiedener Länder, die eine Altersgrenze
„wohlwollend“ sein („benevolent ageism“;                    in solchen Notfallsituationen befürworten
Apriceno, Lytle, Monahan, Macdonald, &                      oder zumindest in Erwägung ziehen (Ehni,
Levy, 2020) und dazu führen, dass ältere                    Wiesing, & Ranisch, 2020). Auch wurden in
Menschen als besonders schutzbedürftig                      Ländern, in denen es zu dramatischen
wahrgenommen werden und ihnen                               Überlastungen von Krankenhäusern kam,
gegenüber eine paternalistische und                         derartige medizinische Entscheidungen und
überfürsorgliche Haltung eingenommen wird.                  Nichtbehandlungen von bestimmten
Altersdiskriminierung kann jedoch auch                      Altersgruppen berichtet (Ayalon et al., 2020).
feindseliger Natur sein („hostile ageism“;
Apriceno et al., 2020) und sich darin äußern,               Aufgrund der öffentlichen und politischen,
dass ältere Menschen als Last                               häufig negativ gefärbten, Thematisierung

1
  Altersdiskriminierung kann auf unterschiedliche Weise     Person, dass sie wegen ihres Alters diskriminiert werde. In
erfasst werden und in unterschiedlichen Formen auftreten:   diesem Beitrag wird die letztgenannte Form von
im gesellschaftlichen Diskurs (z. B. verallgemeinernde      Altersdiskriminierung erfasst, also Altersdiskriminierung als
gutmeinende oder bösartige Aussagen über „die alten         erlebte Benachteiligung/Schlechterstellung aufgrund des
Menschen“), objektiv messbar als aktive                     eigenen Alters. Sie kann unterschiedliche Altersgruppen
Diskriminierungshandlung (etwa in der medizinischen         betreffen, und sie hängt eng zusammen mit den weiteren
Versorgung), oder als subjektive Wahrnehmung einer          genannten Formen der Altersdiskriminierung.
Altersdiskriminierung in der Pandemie                                                         7

älterer Menschen, könnte man annehmen,            Karagiannidis et al., 2020; Nachtigall et al.,
dass die Häufigkeit von Diskriminierungs-         2020). Diese Tatsache ist unstrittig, könnte
erfahrungen zugenommen hat,                       jedoch auch dazu beitragen, dass Personen
möglicherweise nicht nur bei älteren              über 60 Jahren häufiger für Maßnahmen wie
Menschen, denn wahrgenommene                      den Lockdown oder Kontaktbeschränkungen
Altersdiskriminierung tritt auch bereits bei      verantwortlich gemacht und womöglich
Personen im mittleren Erwachsenenalter auf        teilweise auch angefeindet oder diskriminiert
(Beyer, Wurm, & Wolff, 2017). Andererseits        werden als Personen im mittleren
ist angesichts der beschriebenen großen           Erwachsenenalter. Auch Bevormundung
Unterschiede zwischen älteren Menschen            durch andere in Bezug auf das Verhalten im
jedoch keineswegs zu erwarten, dass alle          Alltag und zu treffende Vorsichts-
Menschen in der zweiten Lebenshälfte              maßnahmen könnte diese Altersgruppe
Altersdiskriminierung seit Beginn der             häufiger treffen. Jedoch profitiert
Corona-Pandemie erlebt haben. Auch ist            andererseits in den Zeiten der Corona-
nicht sicher, ob erlebte Altersdiskriminierung    Pandemie die Gruppe älterer Menschen
in der zweiten Lebenshälfte tatsächlich           vielleicht auch mehr von bestimmten
infolge der Pandemie zugenommen hat.              solidarischen, dezidiert anti-
Denkbar ist in einigen Fällen auch, dass die      diskriminierenden Haltungen und Aktionen
Pandemie Gelegenheit zu Unterstützungs-           (Barrett, Michael, & Padavic, 2020; Sipocz,
leistungen zwischen Generationen und              Freeman, & Elton, 2020) sowie von sozialer
Familienmitgliedern geboten und so auch           Unterstützung (Gilligan et al., 2020), so dass
intergenerationelle Solidarität befördert hat     einige ältere Personen möglicherweise die
(Gilligan, Suitor, Rurka, & Silverstein, 2020),   Erfahrung machen, seit Beginn der
so dass es in diesen Fällen sogar zu einer        Pandemie seltener Gegenstand von
„corona-bedingten“ Verringerung im Erleben        Altersdiskriminierung zu sein.
von Altersdiskriminierung gekommen sein
mag. Tatsächlich spiegeln die Befunde einer       Auch die Rolle des Geschlechts für das
Befragung von Personen in Deutschland ab          Erleben von Altersdiskriminierung wird in
50 Jahren diese Heterogenität wider: In           diesem Beitrag untersucht. In der
dieser Befragung fand die Aussage, dass           Befragungswelle 2014 des Deutschen
Ältere im Zuge der Corona-Pandemie                Alterssurveys gaben Frauen häufiger als
diskriminiert würden, weder mehrheitliche         Männer an, Altersdiskriminierung erfahren
Zustimmung, noch mehrheitliche Ablehnung,         zu haben, auch wenn es bei separater
vielmehr wurden sehr unterschiedliche             Betrachtung verschiedener
Ausmaße an individueller Zustimmung und           Diskriminierungsbereiche keine
Ablehnung angegeben (Wahl, Wurm,                  Geschlechterunterschiede gab (Beyer,
Schlomann, & Ehni, 2020).                         Wurm, & Wolff, 2017). Einen
                                                  Geschlechterunterschied hinsichtlich
Altersdiskriminierung wird möglicherweise         Altersdiskriminierung zu Ungunsten der
von unterschiedlichen gesellschaftlichen          Frauen haben auch andere Studien – und
Gruppen in unterschiedlichem Ausmaß               gerade auch solche, die nach Beginn der
erlebt. In diesem Beitrag wird die Rolle von      Pandemie mit der Erhebung starteten –
Lebensalter, Geschlecht, Bildung und              berichtet (Reiner, Lehmann, Ruf, Misoch, &
Gesundheitszustand untersucht.                    Braunwalder, 2020). Andererseits haben
                                                  Männer offenbar ein höheres Risiko, bei
Das Lebensalter könnte eine Rolle für die         einer COVID-19-Erkrankung im
erlebte Altersdiskriminierung seit Beginn der     Krankenhaus behandelt zu werden und gar
Corona-Krise spielen: Einerseits berichten        zu sterben (Atkins et al., 2020; Robert-Koch-
wissenschaftliche Quellen wie das Robert-         Institut, 2020), so dass sie in doppelter
Koch-Institut (2020) von einem „stetig            Weise, nämlich aufgrund ihres Geschlechts
steigendem Risiko für einen schweren              und ihrer Altersgruppenzugehörigkeit,
Verlauf ab etwa 50–60 Jahren“ (siehe auch
8                                                     Altersdiskriminierung in der Pandemie

„Risikogruppe“ sind und deswegen               Forschungsfragen
womöglich in der Corona-Pandemie häufiger
Bevormundung erfahren.                         In diesem Beitrag wird untersucht, wie hoch
                                               der Anteil der Personen in der zweiten
Bildung könnte ebenso relevant sein für        Lebenshälfte ist, die im Sommer 2020
erlebte Altersdiskriminierung: Personen mit    berichten, seit Beginn der Corona-Pandemie
niedriger Bildung geben – unabhängig von       wegen ihres Alters benachteiligt oder
der Corona-Pandemie - häufiger an, von         schlechter gestellt worden zu sein. Neben
Altersdiskriminierung, etwa in der             der Frage, ob Menschen in der zweiten
medizinischen Versorgung, betroffen zu         Lebenshälfte seit Beginn der Pandemie
sein, als Menschen mit höherer Bildung         Altersdiskriminierung erlebt haben, ist von
(Beyer et al., 2017). Dieser Unterschied hat   Bedeutung, in welchen Lebensbereichen
sich in der Corona-Krise möglicherweise        diese aufgetreten ist. Dies wird anhand der
noch verschärft. Andererseits hat in           Bereiche medizinische Versorgung und
bestimmten Bereichen nach Beginn der           Alltag untersucht.
Corona-Pandemie eine Annäherung
zwischen Bildungsgruppen stattgefunden,        In diesem Beitrag werden folgende
etwa hinsichtlich ihrer Lebenszufriedenheit    Forschungsfragen untersucht:
(Entringer et al., 2020), und eine derartige
                                               1. Wie hoch ist der Anteil an Personen in
Annäherung könnte es grundsätzlich auch
im Bereich der Altersdiskriminierung              der zweiten Lebenshälfte, die im
gegeben haben.                                    Juni/Juli 2020 angeben, seit Beginn der
                                                  Corona-Krise (Mitte März 2020)
Von Altersdiskriminierung könnten zudem           aufgrund ihres Alters schlechter gestellt
diejenigen stärker betroffen sein, die ihre       oder benachteiligt worden zu sein?
Gesundheit weniger gut bewerten. Diese
negativeren Gesundheitseinschätzungen          2. Unterscheiden sich bestimmte
gehen vermutlich auf bestimmte                    Bevölkerungsgruppen (Altersgruppen,
Erkrankungen zurück, die ihrerseits wieder
                                                  Frauen und Männer, Bildungsgruppen
ein Risikofaktor für schwere oder gar
                                                  und Personen mit unterschiedlichem
tödliche COVID-19-Krankheitsverläufe sind
                                                  Gesundheitsstatus) darin, zu welchen
(Atkins et al., 2020; Karagiannidis et al.,
2020; Nachtigall et al., 2020; Robert-Koch-       Anteilen sie von erlebter
Institut, 2020). Daher tragen auch ältere         Altersdiskriminierung betroffen sind?
Personen mit schlechterer subjektiver
Gesundheit das Label „Risikogruppe“            3. Unterscheiden sich diese
zweifach, aufgrund ihres Lebensalters und         Bevölkerungsgruppen zudem darin, in
aufgrund ihres Gesundheitszustands, und           welchen Bereichen (im Alltag oder in der
sie könnten abwertende Bezeichnungen, wie         medizinischen Versorgung) diese
sie etwa in sozialen Medien kursieren             Diskriminierungserfahrungen aufgetreten
aufgrund ihrer tatsächlichen Gefährdung           sind?
stärker als altersdiskriminierend erleben im
Vergleich zu Personen, die ihre Gesundheit
besser einschätzen.
Altersdiskriminierung in der Pandemie                                                          9

Daten und Methodik

   Der Deutsche Alterssurvey (DEAS)

   Der Deutsche Alterssurvey (DEAS) ist eine repräsentative Quer- und Längsschnittbefragung
   von Personen in der zweiten Lebenshälfte. Im Rahmen der Studie werden seit mehr als zwei
   Jahrzehnten Frauen und Männer auf ihrem Weg ins höhere und hohe Alter regelmäßig befragt
   (1996, 2002, 2008, 2011, 2014, 2017, 2020). Dieser lange Beobachtungszeitraum von mehr
   als zwei Jahrzehnten erlaubt einen umfassenden Einblick in das Älterwerden und die
   Lebenssituationen von Menschen in der zweiten Lebenshälfte. Zudem kann durch das
   kohortensequenzielle Design der Studie Älterwerden im sozialen Wandel untersucht werden.
   Der Deutsche Alterssurvey ist daher eine zentrale Studie zu Alter und Altern in Deutschland.
   Mehr als 20.000 Personen haben bislang an der Studie teilgenommen. Befragt werden
   Personen, die zum Zeitpunkt der ersten Teilnahme 40 Jahre und älter sind. Die
   Teilnehmenden werden auf Basis einer nach Alter, Geschlecht und Region geschichteten
   Einwohnermeldeamtsstichprobe ausgewählt. Die Daten des Deutschen Alterssurveys sind
   daher repräsentativ für die in Privathaushalten lebende Wohnbevölkerung Deutschlands in der
   zweiten Lebenshälfte. Durch den Deutschen Alterssurvey können auch die Lebenssituationen
   in Krisenzeiten – wie wir sie aktuell aufgrund der Corona-Pandemie erleben – näher beleuchtet
   und besser verstanden werden.

   Die jüngste Befragung fand im Zeitraum vom 8. Juni bis zum 22. Juli 2020 statt. Im Zentrum
   dieser Befragung standen Fragen zur aktuellen Lebenssituation sowie zu erlebten
   Veränderungen während der Corona-Pandemie in verschiedenen Lebensbereichen, etwa in
   sozialen Beziehungen, im Wohlbefinden und in der Erwerbsarbeit. Es haben 4.823 Personen
   ab einem Alter von 46 Jahren an der Befragung teilgenommen. Aufgrund der Corona-
   Pandemie wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Deutschen Alterssurveys, die
   bereits zuvor mindestens einmal an der Studie teilgenommen hatten, mit einem schriftlichen
   Fragebogen (anstatt wie bisher im persönlichen Interview) befragt. Diese jüngste schriftlich-
   postalische Kurzbefragung stellt den ersten Teil der siebten Welle des Deutschen
   Alterssurveys dar. Im zweiten Teil werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des
   Deutschen Alterssurveys telefonisch interviewt – von November 2020 bis April 2021.

   Der Deutsche Alterssurvey (DEAS) wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie,
   Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert.

   Weitere Informationen zum Deutschen Alterssurvey (DEAS) finden sich
   unter www.deutscher-alterssurvey.de.
10                                                                Altersdiskriminierung in der Pandemie

Die Ergebnisse dieses Berichts basieren auf              −    Zur Messung der selbstberichteten
Auswertungen der siebten Welle des                            Gesundheit wurde die Frage gestellt
Deutschen Alterssurveys (DEAS; Vogel,                         „Wie bewerten Sie Ihren derzeitigen
Klaus, Wettstein, Simonson, & Tesch-                          Gesundheitszustand?“. Diese Frage
Römer, 2020). Für die vorliegenden                            wurde auf einer Skala von 1 (sehr gut)
Auswertungen wurden die Angaben von                           bis 5 (sehr schlecht) beantwortet. In den
4.510 Personen im Alter zwischen 50 und 90                    folgenden Analysen werden die Werte 1
Jahren berücksichtigt.                                        und 2 als „gute subjektive Gesundheit“
                                                              und Werte von 3 bis 5 als „mittlere bis
Für die Analysen wurden die folgenden                         (sehr) schlechte“ bzw. als beeinträchtigte
Maße verwendet:                                               subjektive Gesundheit interpretiert.
−    Die wahrgenommene Benachteiligung
                                                         Alter, Geschlecht sowie Bildungsstatus
     aufgrund des eigenen Alters (im
                                                         basierten auf Selbstauskünften und waren
     Folgenden: erlebte
                                                         aufgrund vorheriger Teilnahmen der
     Altersdiskriminierung) wurde mit der
                                                         Personen am Deutschen Alterssurvey
     Frage erfasst: „Haben Sie seit Mitte
                                                         bereits bekannt. Vier Altersgruppen wurden
     März erlebt, dass Sie wegen Ihres Alters
                                                         unterschieden: 50- bis 59-Jährige (n = 768;
     durch andere benachteiligt oder
                                                         17,0 Prozent), 60- bis 69-Jährige (n = 1.434,
     gegenüber anderen Menschen
                                                         31,8 Prozent), 70- bis 79-Jährige (n = 1.421,
     schlechter gestellt wurden?“. Diese
                                                         31,5 Prozent) sowie Personen im Alter von
     Frage konnte mit „ja“ oder „nein“
                                                         80 bis 90 Jahren (n = 887, 19,7 Prozent).
     beantwortet werden.
                                                         Außerdem wurden Frauen (n = 2.293,
                                                         50,8 Prozent) und Männer (n = 2.217,
−    Nur diejenigen Personen, die die Frage
                                                         49,2 Prozent) miteinander verglichen.
     zur erlebten Altersdiskriminierung
                                                         Bildung wurde in drei Gruppen unterteilt:
     bejahten (n = 200), wurden darüber
                                                         Personen mit niedrigem Bildungsabschluss
     hinaus gefragt: „Können Sie uns sagen,
                                                         (n = 187; 4,2 Prozent), mittlerem
     in welchen Bereichen des Lebens dies
                                                         Bildungsabschluss (n = 2.120; 47,0 Prozent)
     geschehen ist?“. In den vorliegenden
                                                         und hohem Bildungsabschluss (n = 2.202;
     Analysen wurden die folgenden
                                                         48,8 Prozent). Für Vergleiche der
     vorgegebenen Bereiche ausgewertet2:
                                                         Bildungsgruppen nach Bereichen, in denen
                                                         Altersdiskriminierung auftrat, wurden, da nur
       •    bei der medizinischen Versorgung
                                                         17 Niedriggebildete insgesamt
            (z. B. bei der ärztlichen Diagnose,
                                                         Diskriminierungserfahrung berichteten,
            bei Behandlungen oder
                                                         Niedrig- und Mittelgebildete zu einer Gruppe
            Verordnung von Medikamenten)
                                                         zusammengefasst. Zudem wurde die
       •    im Alltag (z. B. beim Einkaufen,             Altersdiskriminierung „in einem anderen
            bei Veranstaltungen oder in                  Bereich“ nur von sehr wenigen Personen
            persönlichen Beziehungen)                    (< 1 Prozent der Gesamtstichprobe)
                                                         genannt, so dass für diesen Bereich keine
       •    in einem anderen Bereich (dieser             weiterführenden gruppenspezifischen
            konnte von den Befragten in                  Auswertungen möglich waren.
            einem Freifeldtext näher
            spezifiziert werden)

2
 Abgefragt wurde auch der Bereich „bei der Arbeit oder   Arbeitsverhältnis)“; dieser wird jedoch in den folgenden
Arbeitssuche (z. B. bei der Vergabe von Stellen, am      Analysen nicht berücksichtigt.
Arbeitsplatz selbst oder bei der Entlassung aus einem
Altersdiskriminierung in der Pandemie                                                     11

Ergebnisse
Von den Menschen in der zweiten                 aufzutreten (3,4 Prozent) als in allen
Lebenshälfte berichtet jede/r Zwanzigste        anderen Altersgruppen, deren Anteile
erlebte Altersdiskriminierung seit Beginn       zwischen 5,0 und 6,3 Prozent liegen, dieser
der Corona-Krise                                Unterschied ist jedoch statistisch nicht
                                                signifikant. Erlebte Altersdiskriminierung
Wie Abbildung 1 zeigt, gibt im Sommer 2020      variiert also offenbar nicht in Abhängigkeit
die große Mehrheit der Personen in der          des Alters, zumindest nicht innerhalb der
zweiten Lebenshälfte an (94,6 Prozent),         zweiten Lebenshälfte.
keine Altersdiskriminierung seit Mitte März
2020 erfahren zu haben. 5,4 Prozent             Ebenso sind diese Anteile bei Frauen und
dagegen berichten, seit Mitte März wegen        Männern sehr ähnlich. Was die Rolle von
ihres Alters benachteiligt oder schlechter      Bildung betrifft, zeichnet sich ein Trend ab,
gestellt worden zu sein.                        dass Niedriggebildete häufiger erlebte
                                                Altersdiskriminierung berichten (8,1 Prozent)
Somit sieht sich die große Mehrheit der         als Mittel- und Hochgebildete (4,1 und 6,4
Menschen in der zweiten Lebenshälfte            Prozent), jedoch ist dieser Unterschied nicht
offenbar keiner Altersdiskriminierung           statistisch signifikant. Die Gruppe
ausgesetzt. Im Jahr 2017 lag der Anteil         Niedriggebildeter unter den Befragten ist
derer, die angaben, wegen ihres Alters          insgesamt klein, und in absoluten Zahlen
diskriminiert worden zu sein, bei 8,5 Prozent   betrachtet sind es nur 17 Personen
(Spuling et al., 2020). Dieser Anteil ist       innerhalb dieser Gruppe, die angeben,
größer als 2020, jedoch auch auf einen          wegen ihres Alters diskriminiert worden zu
längeren zurückliegenden Zeitraum (12           sein.
Monate in der Befragung 2017 vs. 3-4
Monate in der Befragung 2020) bezogen           Aus diesen Ergebnissen lässt sich
(siehe Abschnitt Forschungsfragen). Daher       schlussfolgern, dass das Erleben von
ist keine direkte Vergleichbarkeit gegeben.     Altersdiskriminierung in der zweiten
                                                Lebenshälfte offenbar keine Frage des
Verschiedene Altersgruppen, Frauen und          Alters ist und keine nennenswerten
Männer sowie Personen mit                       Unterschiede zwischen Erwachsenen im
unterschiedlichem Bildungsstand sind zu         mittleren und hohen Alter auftreten. Ebenso
ähnlichen Anteilen von                          berichten ähnlich viele Frauen und Männer
Altersdiskriminierung betroffen                 von erfahrener Altersdiskriminierung. Bei
                                                Bildung zeichnet sich ein kleiner, jedoch
Wie in Abbildung 1 dargestellt, sind die
                                                nicht signifikanter Unterschied ab zu Lasten
Anteile derer, die erfahrene
                                                der Niedriggebildeten, die etwas öfter als
Altersdiskriminierung seit Beginn der
                                                Personen mit mittlerer oder hoher Bildung
Corona-Krise berichten, in allen
                                                angeben, aufgrund ihres Alters diskriminiert
Altersgruppen ähnlich. Zwar scheint die
                                                worden zu sein.
erlebte Altersdiskriminierung in der Gruppe
der 70- bis 79-Jährigen etwas seltener
12                                                                             Altersdiskriminierung in der Pandemie

Abbildung 1: Anteil der Personen (in Prozent), die angeben, dass sie seit Mitte März 2020
             wegen ihres Alters durch andere benachteiligt oder gegenüber anderen
             Menschen schlechter gestellt wurden, gesamt sowie nach Alter, Geschlecht,
             Bildung und subjektivem Gesundheitszustand

                                  Gesamt 5,4                                       94,6

                             50-59 Jahre     6,3                                    93,7

                             60-69 Jahre 5,8                                        94,2

                             70-79 Jahre 3,4                                       96,6

                             80-90 Jahre 5,0                                       95,0

                                   Frauen 5,1                                      94,9

                                  Männer 5,7                                       94,3

                        Niedrige Bildung      8,1                                   91,9

                         Mittlere Bildung     4,1                                  95,9

                           Hohe Bildung      6,4                                    93,6

Beeinträchtigte subjektive Gesundheit         7,3                                   92,7

            Gute subjektive Gesundheit 3,9                                         96,1

               Ja, wurde wegen meines Alters benachteiligt                          Nein, wurde nicht benachteiligt

Quelle: DEAS Kurzbefragung 2020 (n = 4.510), gewichtet, gerundete Angaben; die Unterschiede nach Alter, Geschlecht und
Bildung sind statistisch nicht signifikant. Dagegen ist der Unterschied in Abhängigkeit der subjektiven Gesundheit statistisch
signifikant.

Personen, die ihre Gesundheit weniger                                Bereiche erlebter Altersdiskriminierung:
positiv einschätzen, geben häufiger an,                              Mit zunehmendem Alter wird der Anteil
wegen ihres Alters diskriminiert worden                              derer größer, die Altersdiskriminierung in
zu sein                                                              der medizinischen Versorgung und im
                                                                     Alltag erfahren
Dagegen gibt es einen merklichen
Unterschied in erlebter Altersdiskriminierung                        Wie Abbildung 2 zeigt, geben 2,2 Prozent
in Abhängigkeit der selbsteingeschätzten                             an, in der medizinischen Versorgung wegen
Gesundheit: Betrachtet man die Anteile an                            ihres Alters benachteiligt oder schlechter
Personen mit guter subjektiver Gesundheit                            gestellt worden zu sein. Erlebte
und mit beeinträchtigter subjektiver                                 Altersdiskriminierung im Alltag berichten 1,6
Gesundheit, die angeben, wegen ihres                                 Prozent. Erfahrene Diskriminierung in einem
Alters benachteiligt oder schlechter gestellt                        sonstigen Bereich wird von weniger als
worden zu sein (Abbildung 1), so sind dies in                        einem Prozent genannt (ohne Abbildung).
der Gruppe derjenigen mit beeinträchtigter
subjektiver Gesundheit fast doppelt so viele                         Innerhalb dieses „anderen Bereichs“ wurden
(7,3 Prozent) wie in der Gruppe derer, die                           durchaus – wenn auch nur sehr vereinzelt –
ihre Gesundheit als gut bewerten (3,9                                Angaben gemacht mit direktem Bezug zur
Prozent).                                                            Pandemie, aus ganz unterschiedlichen
                                                                     Blickwinkeln (z. B. „Als Risikogruppe stellt es
Altersdiskriminierung in der Pandemie                                                     13

die Politik so dar als seien wir allein        betrachteten Gruppe der 50- bis 59-Jährigen
verantwortlich für das was kommt!“; „Es wird   (erfahrene Altersdiskriminierung in der
nicht ernst genommen, dass Corona in           medizinischen Versorgung: 0,9 Prozent; im
meinem Alter durchaus gefährlich sein          Alltag: 1,1 Prozent). Erlebte
könnte“; „Wurde der Risikogruppe               Altersdiskriminierung in der medizinischen
zugeordnet“; „Isolierung im Heim aufgrund      Versorgung scheint also (mit Ausnahme der
Corona“).                                      70- bis 79-Jährigen, die seltener diese Art an
                                               erfahrener Diskriminierung angeben als die
Die Bereiche, in denen Menschen in der         60- bis 69-Jährigen) mit steigendem Alter
zweiten Lebenshälfte erfahrene                 zuzunehmen, ebenso wie erfahrene
Altersdiskriminierung berichten,               Altersdiskriminierung im Alltag.
unterscheiden sich deutlich nach dem
Lebensalter. Dagegen unterscheiden sich        Frauen und Männer unterscheiden sich nicht
nur einzelne Bereiche nach Geschlecht,         darin, zu welchen Anteilen sie angeben, von
während keine signifikanten Unterschiede       erlebter Altersdiskriminierung in der
zwischen Personen unterschiedlicher            medizinischen Versorgung betroffen zu sein.
Bildung auftreten.                             Jedoch geben gibt bei den Frauen ein
                                               größerer Anteil (2,0 Prozent) als bei den
Der Anteil in der ältesten Gruppe, die         Männern (1,2 Prozent) an, sie seien wegen
erfahrene Altersdiskriminierung in der         ihres Alters im Alltag benachteiligt oder
medizinischen Versorgung (3,7 Prozent)         schlechter gestellt worden. Für Personen
sowie im Alltag (2,4 Prozent) angeben, ist     unterschiedlicher Bildung zeigt sich dagegen
größer als in den anderen Altersgruppen,       für keinen der beiden
besonders im Vergleich zu der jüngsten         Diskriminierungsbereiche ein Unterschied.
14                                                                           Altersdiskriminierung in der Pandemie

Abbildung 2: Anteil der Personen (in Prozent), die angeben, dass sie seit Mitte März 2020
             wegen ihres Alters durch andere in der medizinischen Versorgung oder im
             Alltag benachteiligt oder gegenüber anderen Menschen schlechter gestellt
             wurden, gesamt sowie nach Alter, Geschlecht, Bildung und subjektivem
             Gesundheitszustand

                                 Gesamt                                      1,6
                                                                                               2,2

                             50-59 Jahre                             1,1
                                                               0,9
                             60-69 Jahre                                     1,6
                                                                                                            3,1
                             70-79 Jahre                                                 2,0
                                                                                   1,8
                             80-90 Jahre                                                             2,4
                                                                                                                        3,7

                                  Frauen                                                 2,0
                                                                                                     2,4
                                  Männer                              1,2
                                                                                        1,9

               Niedrige/Mittlere Bildung                                          1,7
                                                                                                2,3
                           Hohe Bildung                                     1,5
                                                                                         2,0

 Beeinträchtigte subjektive Gesundheit                                                                      3,1
                                                                                                            3,1
            Gute subjektive Gesundheit                   0,6
                                                                            1,5

                                     Alltag          Medizinische Versorgung

Quelle: DEAS Kurzbefragung 2020 (n = 4.510), gewichtet, gerundete Angaben; die Unterschiede zwischen den Altersgruppen
sind für beide Bereiche (Alltag und medizinische Versorgung) signifikant; der Unterschied zwischen Frauen und Männern ist nur
für den Bereich Alltag signifikant; die Unterschiede nach Bildung sind für beide Bereiche (Alltag und medizinische Versorgung)
nicht signifikant; nur der Unterschied im Bereich Alltag ist signifikant verschieden zwischen Personen mit guter vs.
beeinträchtigter subjektiver Gesundheit.

Personen, die ihre Gesundheit als                                    Gesundheit (0,6 Prozent). Dagegen fällt
beeinträchtigt einschätzen, geben                                    interessanterweise der Unterschied
häufiger an, im Alltag wegen ihres Alters                            zwischen beiden Gruppen im
diskriminiert worden zu sein                                         Diskriminierungsbereich der medizinischen
                                                                     Versorgung zwar zu Ungunsten der Gruppe
Viel deutlicher als der Unterschied zwischen                         mit beeinträchtigter subjektiver Gesundheit
den Altersgruppen oder zwischen Frauen                               aus (3,1 Prozent; bei den Personen mit guter
und Männern hinsichtlich der berichteten                             selbsteingeschätzter Gesundheit:
Altersdiskriminierung im Alltag ist der                              1,5 Prozent), jedoch ist dieser Unterschied
Unterschied in Abhängigkeit davon, wie                               statistisch nicht signifikant.
Menschen ihre eigene Gesundheit einstufen:
Dieser Diskriminierungsform sehen sich 3,1                           Zusammengefasst zeigen diese Ergebnisse:
Prozent der Personen mit beeinträchtigter                            Gegenüber den Personen mit guter
subjektiver Gesundheit ausgesetzt, und                               subjektiver Gesundheit geben diejenigen mit
dieser Anteil ist mehr als fünfmal so groß wie                       beeinträchtigter subjektiver Gesundheit zu
bei den Personen mit guter subjektiver                               deutlich größeren Anteilen an, im Alltag
Altersdiskriminierung in der Pandemie                                                              15

wegen ihres Alters diskriminiert worden zu         Lebensbereich – sehen sich mehr Personen
sein. In der medizinischen Versorgung              mit beeinträchtigter Gesundheit benachteiligt
dagegen – vermutlich für diejenigen mit            als Personen mit guter Gesundheit, jedoch
negativer Bewertung ihrer eigenen                  fällt der Unterschied gering und statistisch
Gesundheit ein ganz zentraler                      nicht signifikant aus.

Fazit
Die Corona-Krise hat womöglich                     eher klein (Reiner et al., 2020; Wahl et al.,
Altersdiskriminierung befördert, da sie –          2020).
bisweilen sehr einseitige – Diskussionen um
Verletzlichkeit, Schutzbedürftigkeit und           Andererseits zeigen die Ergebnisse der
Risikostatus älterer Personen (Kessler &           vorliegenden Studie, dass immerhin jede
Bowen, 2020) sowie um die Rolle des                zwanzigste Person angibt,
Lebensalters bei etwaigen medizinischen            Altersdiskriminierung erlebt zu haben.
Versorgungsengpässen (Ehni et al., 2020)           Andere Studien, die etwa
hervorgebracht hat. Zudem war die                  altersdiskriminierende Tendenzen in
Darstellung älterer Menschen und ihrer             sozialen Medien untersucht haben (Jimenez-
Situation in der Pandemie, insbesondere            Sotomayor et al., 2020), schätzen die
auch in sozialen Medien, mitunter von              Verbreitung von Altersdiskriminierung
altersdiskriminierenden Beiträgen und              weitaus größer und problematischer ein.
Tendenzen geprägt (Jimenez-Sotomayor et            Möglicherweise macht es einen Unterschied,
al., 2020; Lichtenstein, 2020; Meisner, 2020;      welche Form von Altersdiskriminierung
Sipocz et al., 2020).                              untersucht wird, also etwa ob persönliche
                                                   und subjektive Altersdiskriminierung erfragt
Jede/r Zwanzigste berichtet, seit Beginn           wird oder objektiv messbare
der Corona-Krise aufgrund des eigenen              Altersdiskriminierung, die sich ganz
Alters diskriminiert worden zu sein.               pauschal gegen die Gruppe älterer
                                                   Menschen richtet. Gemessen daran, wie
Ein zentraler Befund der Befragung ist, dass       schwerwiegend die Konsequenzen von
im Sommer 2020 5,4 Prozent der Befragten           erlebter Altersdiskriminierung für
angaben, seit Beginn der Corona-Krise (also        Wohlbefinden, Gesundheit und Langlebigkeit
seit Mitte März 2020) wegen ihres Alters           sind (Chang et al., 2020; Levy, Slade,
diskriminiert worden zu sein. Die                  Chang, Kannoth, & Wang, 2020), ist jede
überwältigende Mehrheit dagegen, mehr als          einzelne Person, die von
94 Prozent, hat nach eigener Auskunft keine        Altersdiskriminierung betroffen ist, eine
Altersdiskriminierung erfahren.                    Person zu viel. Daher sollten ungeachtet der
                                                   vermeintlich geringen Prävalenz von erlebter
Dieses Ergebnis kann man einerseits als
                                                   Altersdiskriminierung die Bemühungen in
„Entwarnung“ deuten, denn offenbar hat es,
                                                   Politik, Medien und Wissenschaft intensiviert
zumindest in der frühen Phase der
                                                   werden, einem einseitigen und
Pandemie und in der Wahrnehmung der
                                                   verlustorientiertem Altersbild
Menschen in der zweiten Lebenshälfte,
                                                   entgegenzutreten. Zudem sollten die
keine massenhafte Altersdiskriminierung
                                                   Potenziale, Stärken sowie die Anpassungs-
gegeben. Andere Studien haben ähnliche
                                                   und Widerstandsfähigkeit älterer Menschen
Ergebnisse berichtet, gemäß derer zwar
                                                   öffentlich thematisiert werden, zumal sich
teilweise Menschen Altersdiskriminierung im
                                                   diese gerade auch in Zeiten der Corona-
Zuge der Corona-Krise befürchten oder auch
                                                   Krise manifestieren (Entringer & Kröger,
selbst erlebt haben, gleichzeitig ist der Anteil
                                                   2020; Eurofound, 2020; Gilan et al., 2020;
dieser Personen an der Bevölkerung oder
                                                   Lind et al., 2020; Röhr, Reininghaus, &
der Gesamtgruppe älterer Menschen aber
16                                                    Altersdiskriminierung in der Pandemie

Riedel-Heller, 2020). Negative                  der Krise wegen ihres Alters diskriminiert
Altersstereotype und Altersdiskriminierung      worden zu sein. Eine Ausnahme sind die 70-
können ihre Ursache auch in                     bis 79-Jährigen, deren Anteil etwas niedriger
unzureichendem Wissen über die                  (3,4 Prozent), jedoch nicht signifikant
Lebensphasen mittleres und höheres              verschieden von den anderen Altersgruppen
Erwachsenenalter haben. Daher ist es            ist. Auch andere Studien berichten, dass die
wichtig, ausgewogen und umfassend über          Wahrnehmung, ob ältere Menschen im Zuge
diese Lebensphase und auch über die             der Pandemie diskriminiert würden,
Vielfalt des Alter(n)s zu informieren: Längst   weitgehend unabhängig vom Alter der
nicht alle älteren Menschen sind                befragten Personen ist (Wahl et al., 2020).
gesundheitlich eingeschränkt und                Ebenso sind es bei den Frauen wie bei den
hochverletzlich, innerhalb der Altersgruppe     Männern um die 5 bis 6 Prozent, die
älterer Menschen gibt es – wie in allen         angeben, wegen ihres Alters diskriminiert
anderen Altersgruppen auch – erhebliche         worden zu sein. Was Bildung betrifft, scheint
individuelle Unterschiede. Initiativen zur      es dagegen so zu sein, dass
Vermittlung realistischer und ausgewogener      Niedriggebildete etwas häufiger erlebte
Altersbilder (z. B. des BMFSFJ, Initiative      Altersdiskriminierung berichten als Personen
„Neue Bilder vom Alter“; oder das               mit mittlerer oder hoher Bildung. Dieser
Themenjahr 2012 „Im besten Alter. Immer.“       Unterschied zwischen den Bildungsgruppen
gegen Altersdiskriminierung der                 ist jedoch, ähnlich wie in anderen Studien
Antidiskriminierungsstelle des Bundes)          (Reiner et al., 2020), statistisch nicht
sollten daher fortgesetzt und ausgebaut         signifikant.
werden.
                                                Diese Ergebnisse legen nahe, dass sich
Ganz offensichtlich ist Altersdiskriminierung   zumindest bislang keine soziodemografische
ein Problem, das auch schon vor der             „Risikogruppe“ abzeichnet, die während der
Corona-Pandemie bestand (Beyer et al.,          Corona-Krise besonders gefährdet ist für
2017; Spuling et al., 2020), ablehnende oder    Altersdiskriminierung. Erlebte
feindselige Haltungen gegenüber älteren         Altersdiskriminierung kann Personen
Menschen sowie negative Altersstereotype        unterschiedlichen Alters treffen, und daher
gab es auch schon zuvor. Bemühungen und         müssen Maßnahmen zum Schutz vor
Kampagnen zur Bekämpfung von                    Diskriminierung auch alle Altersgruppen
Altersdiskriminierung werden daher während      innerhalb der zweiten Lebenshälfte
der noch anhaltenden Pandemie ebenso            berücksichtigen. Zudem gibt es auch
nötig sein wie nach ihrem Abklingen.            Appelle, dass eine Stigmatisierung von
                                                Menschen in der „ersten Lebenshälfte“, also
Altersdiskriminierung während der               etwa von Kindern, Jugendlichen oder jungen
Corona-Krise trifft verschiedene                Erwachsenen, die keineswegs
Altersgruppen, Frauen und Männer sowie          rücksichtslose „Superspreader“ während der
Personen unterschiedlicher Bildung              Pandemie sind (Life with Corona Network,
gleichermaßen.                                  2020), zwingend zu vermeiden ist
                                                (Doblhammer & Trappe,im Druck; Pelizäus
Ist die Corona-Krise der große
                                                & Heinz, 2020). Pauschalen
„Gleichmacher“, unter dem verschiedene
                                                Schuldzuweisungen für die Pandemie und
Bevölkerungsgruppen gleichermaßen zu
                                                ihren Konsequenzen, ob sie nun an jüngere
leiden haben? Zumindest in Bezug auf
                                                oder ältere Menschen gerichtet sind,
erlebte Altersdiskriminierung scheint dies in
                                                müssen Politik und Medien entschieden
er frühen Phase der Pandemie der Fall zu
                                                entgegentreten. Diese Schuldzuweisungen
sein, denn von Personen im mittleren
                                                sind grundsätzlich falsch und bringen die
Erwachsenenalter bis hin zu alten und sehr
                                                Gefahr von Generationenkonflikten mit sich.
alten Erwachsenen sind es jeweils zwischen
                                                Zudem sollte die Forschung unbedingt
5 und 6 Prozent, die angeben, seit Beginn
Altersdiskriminierung in der Pandemie                                                       17

beobachten, ob sich dieses Muster nicht          Altersbilder und deren Konsequenzen
bestehender Alters- und                          sensibilisiert werden. Dies erfordert eine
Geschlechterunterschiede mit                     umfassende und fortlaufende Aufklärung
fortschreitender Dauer der Pandemie              und Weiterbildung der im Gesundheitswesen
weiterhin zeigt oder ob es sich verändert,       Beschäftigten.
etwa im Zuge der Debatte um
Impfpriorisierung.                               Was weitere Gruppendifferenzierungen
                                                 betrifft, geben von Altersdiskriminierung
Altersdiskriminierung während der Corona-        betroffene Frauen häufiger als Männer an,
Krise scheint verschiedene Altersgruppen         im Bereich Alltag diskriminiert worden zu
innerhalb der zweiten Lebenshälfte in einer      sein. Dieser Geschlechterunterschied ist vor
ähnlichen Häufigkeit zu treffen. Allerdings      der Pandemie noch nicht aufgetreten (Beyer
könnte für bestimmte hochaltrige Personen        et al., 2017) und könnte daher durch diese
mit besonderer Vulnerabilität, etwa              mitbedingt sein. Möglicherweise fühlen sich
Pflegeheimbewohner*innen, die in dieser          Frauen stärker als Männer seit Auftreten der
Studie nicht ausreichend repräsentiert sind,     Pandemie im Alltag wegen ihres Alters
erlebte Benachteiligung, etwa aufgrund           diskriminiert (Reiner et al., 2020). Dagegen
zeitweiliger Besuchsverbote (Rothgang et         gibt es zwischen Gruppen unterschiedlicher
al., 2020) mit ihren negativen Konsequenzen      Bildung keine deutlichen Unterschiede
für Stimmung und Befinden (Benzinger et          hinsichtlich erlebter Diskriminierung in der
al., 2021; Sporket, im Druck), häufiger          medizinischen Versorgung oder im Alltag.
auftreten und problematischer sein. Gruppen
wie diese sollten in künftigen empirischen       Personen, die ihre eigene Gesundheit
Studien mehr Berücksichtigung finden.            schlechter einschätzen, geben häufiger
                                                 an, wegen ihres Alters – vor allem im
Mit steigendem Alter geben mehr                  Alltag – diskriminiert worden zu sein.
Menschen an, in der medizinischen
Versorgung und im Alltag wegen ihres             Deutlicher als die Unterschiede nach Alter,
Alters diskriminiert worden zu sein.             Geschlecht oder Bildung fällt der
                                                 Unterschied in erfahrener
Die Bereiche, in denen sich Personen in der      Altersdiskriminierung in Abhängigkeit der
zweiten Lebenshälfte mit erlebter                selbsteingeschätzten Gesundheit aus: Der
Diskriminierung als benachteiligt oder           Anteil der Personen eingeschränkter
schlechter gestellt erleben, variieren mit dem   subjektiver Gesundheit, die berichten,
Alter: Die jüngste betrachtete Altersgruppe      wegen ihres Alters diskriminiert worden zu
der 50- bis 59-Jährigen nennt die Bereiche       sein, liegt bei 7,3 Prozent. Dieser Anteil ist
medizinische Versorgung und Alltag seltener      deutlich größer als bei denjenigen mit guter
als alle anderen Altersgruppen. Dagegen ist      oder sehr guter subjektiver Gesundheit (3,9
der Anteil der Personen mit erfahrener           Prozent). Personen mit beeinträchtigter
Diskriminierung in diesen Bereichen in der       subjektiver Gesundheit könnten sich auch
ältesten Gruppe der 80- bis 90-Jährigen          deswegen in einem stärkeren Ausmaß
größer als in den anderen Gruppen.               wegen ihres Alters als diskriminiert erleben,
                                                 da sie die womöglich als Stigma
Insbesondere bei älteren und sehr alten          wahrgenommene Zugehörigkeit zur
Menschen sind also die medizinische              „Risikogruppe“ (Robert-Koch-Institut, 2020)
Versorgung sowie der Alltag zentrale             doppelt trifft: aufgrund ihres Alters sowie
Diskriminierungsbereiche. Ärzte und              aufgrund ihres gesundheitlichen Zustands.
Pflegepersonal, aber auch Öffentlichkeit         Möglicherweise erleben diese Menschen
(Jimenez-Sotomayor et al., 2020) und             zudem mehr Bevormundung und
Medien (Lichtenstein, 2020; Reiner et al.,       übervorsichtiges Verhalten durch
2020) sollten für Aspekte der                    Angehörige und andere Personen als
Altersdiskriminierung sowie für negative         diejenigen, die ihren Gesundheitszustand als
18                                                      Altersdiskriminierung in der Pandemie

besser einschätzen und damit auch weniger        Zusammenfassung
gefährdet sind für schwere COVID-19-
Krankheitsverläufe. Dies könnte auch             Erlebte Benachteiligung aufgrund des
erklären, warum unter denjenigen mit             eigenen Alters tritt während der Corona-
erlebter Altersdiskriminierung die Personen      Krise gemäß der vorliegenden Befunde bei
mit weniger guter subjektiver Gesundheit         einer Minderheit der Menschen in der
mehr als fünfmal häufiger den                    zweiten Lebenshälfte auf, nämlich bei
Diskriminierungsbereich „Alltag“ nennen als      ungefähr 5,4 Prozent. Auch wenn dies nach
Personen, die ihre eigene Gesundheit             erstem Anschein nicht viele sind, ist für die
besser bewerten.                                 Lebensqualität und die Gesundheit der
                                                 betroffenen Personen jede Form von
Personen mit beeinträchtigter Gesundheit         Altersdiskriminierung erheblich schädlich
sind somit in vielerlei Hinsicht die             (Chang et al., 2020; Levy et al., 2020).
Leidtragenden der Pandemie: Sie sind             Daher ist durchaus Handlungsbedarf
aufgrund von Vorerkrankungen gefährdeter         geboten. In der Pandemie sollte nicht das
für schwere oder gar tödliche                    einseitige Bild älterer Menschen als
Krankheitsverläufe bei Ansteckung mit dem        hochverletzliche Bevölkerungsgruppe
Corona-Virus (Atkins et al., 2020;               gezeichnet werden, während die
Karagiannidis et al., 2020; Nachtigall et al.,   Widerstandsfähigkeit und
2020; Robert-Koch-Institut, 2020). Sie           Anpassungsfähigkeit, die Potenziale und
nehmen zudem – berechtigterweise – die           Stärken dieser Bevölkerungsgruppe häufig
Pandemie als bedrohlicher wahr (Jungmann         unerwähnt bleiben. Denn solche einseitigen,
& Witthöft, 2020; Traunmüller, Stefitz,          negativen Altersbilder leisten der
Gaisbachgrabner, & Schwerdtfeger, 2020;          Altersdiskriminierung Vorschub, da sie
Wettstein, Vogel, Nowossadeck, Spuling, &        manche dazu verleiten, sich entweder
Tesch-Römer, 2020) und berichten deutlich        älteren Menschen gegenüber paternalistisch
häufiger als Personen mit besserer               und überprotektiv zu verhalten oder ihnen
subjektiver Gesundheit, von                      gar die Schuld an Maßnahmen wie dem
Altersdiskriminierung betroffen zu sein.         Lockdown oder verhängter
Daher brauchen diese Personen                    Kontaktbeschränkungen zu geben.
Unterstützung durch Politik und
Gesellschaft. Zum einen muss sichergestellt      Deutlich häufiger sind offenbar Personen
werden, dass sie – etwa dank optimaler           von Altersdiskriminierung betroffen, die ihre
gesundheitlicher Versorgung (z.B.                eigene Gesundheit schlechter einschätzen,
Behandlung von Vorerkrankungen,                  im Vergleich zu Personen mit besserer
präventive und therapeutische Maßnahmen),        selbstberichteter Gesundheit. Diese
auch und gerade während der Pandemie,            Personen sollten in besonderer Weise
und mit Hilfe im Alltag durch andere – mit       politisch und gesellschaftlich unterstützt und
einer geringeren objektiven wie auch             vor Diskriminierung, Bevormundung sowie
subjektiven Bedrohung durch die                  Stigmatisierung geschützt werden.
Pandemiezeit kommen. Zum anderen muss
                                                 Möglicherweise hat die Corona-Krise auch
verhindert werden, dass diese hochbelastete
                                                 das Potenzial, intergenerationelle Solidarität
Gruppe zur Zielscheibe von
                                                 und Unterstützung hervorzubringen (Barrett
Altersdiskriminierung wird. Gesundheitlich
                                                 et al., 2020; Gilligan et al., 2020; Sipocz et
eingeschränkte Personen sollten weder für
                                                 al., 2020) und erlebte Altersdiskriminierung
Maßnahmen wie Lockdown und
                                                 zu verringern. Dieses Potenzial darf nicht
Kontaktbeschränkungen in der Pandemie
                                                 ungenutzt bleiben, und diese Formen von
verantwortlich gemacht werden, noch sollte
                                                 Solidarität und Unterstützung sollten explizit
man sie bevormunden und eine
                                                 gewürdigt und gefördert werden, damit sie
überprotektive Haltung einnehmen.
                                                 auch über das Ende der Pandemie hinaus
                                                 Bestand haben. Denn eines ist unstrittig:
Altersdiskriminierung in der Pandemie                                                   19

Altersdiskriminierung gab es auch schon vor    von Altersdiskriminierung Ausdauer, und
der Pandemie, und sie lässt sich keineswegs    müssen, wenn sie nachhaltig erfolgreich sein
nur auf die Corona-Krise zurückführen.         sollen, bis weit nach dem Ende der
Daher benötigen politische und                 Pandemie fortgesetzt werden.
gesellschaftliche Initiativen zur Bekämpfung
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