Dza aktuell deutscher alterssurvey - Wie gesund fühlen sich ältere Menschen, die selbst keine Infektion erlebt haben, während der Corona-Pandemie?

 
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Dza aktuell deutscher alterssurvey - Wie gesund fühlen sich ältere Menschen, die selbst keine Infektion erlebt haben, während der Corona-Pandemie?
dza aktuell
deutscher alterssurvey
Heft 01/2022

Deutsches Zentrum für
Altersfragen

                        Wie gesund fühlen sich ältere Menschen,
                        die selbst keine Infektion erlebt haben,
                        während der Corona-Pandemie?
                        Stefan Stuth & Jenna Wünsche
Wie gesund fühlen sich ältere Menschen, die selbst keine
Infektion erlebt haben, während der Corona-Pandemie?

Stefan Stuth & Jenna Wünsche

Inhalt

Kernaussagen ....................................................................................................................... 5
Einleitung .............................................................................................................................. 6
Daten und Methodik .............................................................................................................11
Veränderungen in der subjektiven Gesundheit während der Corona-Pandemie ...................13
Altersunterschiede in der Veränderung der subjektiven Gesundheit .....................................14
Geschlechterunterschiede in der Veränderung der subjektiven Gesundheit .........................16
Sozioökonomische Unterschiede in der Veränderung der subjektiven Gesundheit ...............17
Zusammenfassung und Fazit ...............................................................................................19
Literatur ................................................................................................................................21
Subjektive Gesundheit in der Corona-Pandemie                                               5

Kernaussagen
Der Deutsche Alterssurvey (DEAS) ist eine repräsentative Quer- und Längsschnittbefragung von
Personen in der zweiten Lebenshälfte, die seit 1996 durchgeführt wird. Die jüngste Befragung
fand im Zeitraum vom 4. November 2020 bis zum 1. März 2021 statt; auf ihrer Basis kann die
Lebenssituation von Menschen in der zweiten Lebenshälfte in der Corona-Pandemie zum
Zeitpunkt der zweiten Pandemiewelle dargestellt werden. Die vorliegenden Befunde zur
subjektiven Gesundheit beziehen sich ausschließlich auf Personen, die angegeben haben, dass
sie sich in der Zeit vor der Befragung nicht mit dem Corona-Virus infiziert haben.

Die subjektive Gesundheit von Menschen            zum Ruhestand stabilisierte sich die
in der zweiten Lebenshälfte hat sich im           subjektive Gesundheit bis zum Winter
Vergleich zwischen 2017 und der zweiten           2020/21 nach einer beobachtbaren
Pandemiewelle im Winter 2020/21 nicht             Verschlechterung zwischen 2014 und 2017.
verschlechtert. Bei Menschen, die selbst          Befragte im Ruhestandsalter erlebten
keine Infektion mit dem Corona-Virus              wiederum eine andauernde
angegeben haben, ist der Anteil an (sehr)         Verschlechterung ihrer
guten und (sehr) schlechten                       Gesundheitseinschätzungen zwischen 2014,
Gesundheitseinschätzungen unverändert             2017 und dem Winter 2020/21, was somit
geblieben; einzig bei den mittleren               eher auf einen alters- als einen
Gesundheitseinschätzungen ließ sich eine          pandemiebedingten Entwicklungstrend
Abnahme verzeichnen. Dies ist besonders           hinweist.
bemerkenswert, weil sich die subjektive
Gesundheit der Befragten im Zeitraum von          Sowohl Frauen als auch Männer
2014 bis 2017 verschlechtert hat.                 beurteilen ihre Gesundheit während der
Möglicherweise hat der Vergleich des              zweiten Pandemiewelle ähnlich wie im
eigenen Gesundheitszustands mit der               Jahr 2017. Während sich bei Männern auch
teilweise sehr schlechten gesundheitlichen        schon zwischen 2014 und 2017 keine
Lage von schwer an Covid-19 erkrankten            Veränderungen in der subjektiven
Menschen zu einer günstigeren                     Gesundheit zeigten, erlebten Frauen im
Einschätzung der Gesundheit geführt. Dies         selben Erhebungszeitraum eine
könnte erklären, wieso der zuvor                  Verschlechterung ihrer subjektiven
beobachtbare Abwärtstrend in der                  Gesundheit. Diese Entwicklung setzte sich
subjektiven Gesundheit während der                während der Corona-Pandemie aber nicht
Corona-Pandemie abgebremst wurde.                 weiter fort.

Veränderungen in der subjektiven                  Die Entwicklung der subjektiven
Gesundheit zwischen 2017 und der                  Gesundheit verläuft zwischen 2017 und
zweiten Pandemiewelle sind abhängig               der zweiten Pandemiewelle bei Personen
davon, in welchem Alter Menschen die              mit unterschiedlichem
Corona-Pandemie erlebt haben: Der                 sozioökonomischem Status ähnlich.
günstigste Entwicklungstrend bei                  Unabhängig davon, ob Menschen einen
Personen in der zweiten Lebenshälfte              niedrigen, mittleren oder hohen
deutet sich in der jüngsten Altersgruppe          sozioökonomischen Status haben, erlebten
an. Bei Befragten im Erwerbsalter zeigt sich      sie weder eine Verschlechterung noch eine
zwischen 2017 und dem Winter 2020/21              Verbesserung ihrer subjektiven
eine Verbesserung der subjektiven                 Gesundheitseinschätzungen zwischen 2017
Gesundheit, die interessanterweise noch           und dem Winter 2020/21. Während sich bei
nicht zwischen 2014 und 2017 erkennbar            Menschen aus der höchsten Statusgruppe
war und somit auf einen                           auch schon zwischen 2014 und 2017 kein
pandemiebezogenen Trend hindeuten                 Auf- oder Abwärtstrends beobachten ließ,
könnte. Bei Befragten im Übergangsalter           zeigte sich bei Menschen aus den anderen
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beiden Statusgruppen eine                         Übergangsalter zum Ruhestand und Frauen
Verschlechterung ihrer subjektiven                eine Unterbrechung des Abwärtstrends der
Gesundheit in diesem Erhebungszeitraum.           subjektiven Gesundheit bis zur zweiten
Insofern deutet sich bei diesen beiden            Welle der Corona-Pandemie an.
Gruppen, wie auch schon bei Menschen im

Einleitung
Die subjektive Gesundheit beschreibt die          Die subjektive Gesundheit weist also eine
Selbsteinschätzung des eigenen                    gewisse Anpassungsfähigkeit gegenüber
Gesundheitszustandes. In diese                    einer sich verschlechternden
Selbsteinschätzung fließen Informationen zu       gesundheitlichen Ausgangslage auf, sodass
Erkrankungen und körperlichen                     sich Menschen auch dann subjektiv gesund
Beeinträchtigungen, aber auch zum                 fühlen können, wenn dies von außen
psychischen und sozialen Wohlergehen ein          betrachtet nicht gut nachvollziehbar
(Miilunpalo, Vuori, Oja, Pasanen, & Urponen       erscheint. Die Frage, die im Folgenden
1997). Im Gegensatz zu anderen                    beantwortet werden soll, lautet: Wie gut ist
Gesundheitsindikatoren, ist die subjektive        es Menschen in der zweiten Lebenshälfte
Gesundheit jedoch durch außenstehende             gelungen, ihre subjektiven
Beobachter schwer einschätzbar – unter            Gesundheitseinschätzungen angesichts der
anderem deshalb, weil sich Menschen bei           vielseitigen Herausforderungen der Corona-
der Beurteilung ihrer Gesundheit nicht allein     Pandemie zu bewahren? Um diese Frage zu
auf objektive Informationen stützen, sondern      beantworten und um den direkten
über komplexe Bewertungsprozesse zu               gesundheitlichen Einfluss einer Corona-
einem Gesamturteil ihrer Gesundheit               Infektion von den indirekten
gelangen. Beispielsweise vergleichen              gesundheitlichen Herausforderungen durch
Menschen ihre eigene gesundheitliche Lage         die Infektionsschutzmaßnahmen trennen zu
mit der Lage anderer Personen. Zudem              können, konzentriert sich dieser Beitrag auf
können sich Menschen darin unterscheiden,         Menschen in der zweiten Lebenshälfte, die
wie stark sie verschiedenste Informationen        sich selbst nicht mit dem Corona-Virus
zur eigenen Gesundheit in ihre                    angesteckt haben.
gesundheitliche Gesamtbewertung
einfließen lassen (Jylhä 2009). Dieses hohe       Die Maßnahmen zur Eindämmung der
Maß an Subjektivität spiegelt sich auch darin     Corona-Pandemie könnten das
wieder, dass die                                  gesundheitliche Wohlergehen auf vielfältige
Gesundheitseinschätzungen von Menschen            Weise negativ beeinflusst haben (Gaertner,
bis ins späte Erwachsenenalter hinein             Fuchs, Möhler, Meyer, & Scheidt-Nave
deutlich positiver bleiben als es sich allein     2021). Kontaktbeschränkungen und
auf Grundlage altersbedingter körperlicher        Abstandsregeln, Umstellungen auf Heim-
Einbußen erwarten ließe (Spuling, Wurm,           oder Kurzarbeit sowie auch Ängste und
Wolff, & Wünsche 2017). Ein Grund dafür           Verluste im Zusammenhang mit dem
ist, dass sich ältere Menschen hinsichtlich       Corona-Virus haben das alltägliche Leben
ihrer Gesundheit eher mit anderen älteren         geprägt. Es ist daher kaum überraschend,
Menschen vergleichen. Das Vorhandensein           dass bisherige Untersuchungen teils sehr
von körperlichen Einschränkungen wird             ungünstige Entwicklungstrends in
dadurch als „normaler“ empfunden und fällt        verschiedensten gesundheitsrelevanten
bei der Beurteilung der eigenen Gesundheit        Lebensbereichen aufgedeckt haben: Bis
weniger stark ins Gewicht (Cheng, Fung, &         zum Pandemiesommer 2020 ist das
Chan 2007).                                       Einsamkeitsrisiko gestiegen (Huxhold &
                                                  Tesch-Römer 2021), psychische
                                                  Belastungen haben zugenommen (Skoda et
Subjektive Gesundheit in der Corona-Pandemie                                               7

al. 2021) und der Anteil an Personen, die        Auch hinsichtlich des Geschlechts lassen
sportlich aktiv sind, ist zurückgegangen         sich Unterschiede in den
(Nowossadeck, Wettstein, & Cengia 2021).         pandemiebedingten Veränderungen der
In Anbetracht dessen, dass soziale               subjektiven Gesundheit erwarten. Zwar
Eingebundenheit, psychisches Wohlbefinden        haben sich Männer und Frauen in
und ein körperlich aktiver Lebensstil wichtige   vergangenen Erhebungen des DEAS ähnlich
Säulen der Gesundheit darstellen, wäre es        gesund gefühlt (Wurm, Schöllgen, & Tesch-
möglich, dass die Anpassungsfähigkeit der        Römer 2010; Spuling et al. 2017), allerdings
subjektiven Gesundheitseinschätzungen von        könnte sich die subjektive Gesundheit von
Menschen in der zweiten Lebenshälfte an          Frauen aufgrund der gestiegenen Pflege-
seine Grenzen gestoßen ist. Wenn dies der        und Unterstützungsbelastung besonders
Fall ist, sollte sich das in einer               ungünstig entwickelt haben. Tatsächlich ließ
Verschlechterung der subjektiven                 sich bei Frauen im Pandemiesommer 2020
Gesundheit äußern.                               nicht nur ein stärkerer Zuwachs in der
                                                 Übernahme der Angehörigenpflege
Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob es        beobachten, sondern pflegeleistende Frauen
Bevölkerungsgruppen gibt, deren                  verzeichneten auch eine besonders starke
Gesundheit robuster gegenüber den                Zunahme in der Depressivitätsrate (Klaus &
Herausforderungen der Corona-Pandemie            Ehrlich 2021). Die zunehmende psychische
war und ob es soziale Gruppen gibt, die im       Belastung aufgrund der Angehörigenpflege
Zuge der Corona-Pandemie stärkere                könnte dazu beitragen, dass sich die
Einbußen in den                                  subjektive Gesundheit von Frauen während
Gesundheitseinschätzungen erlebten.              der Corona-Pandemie in stärkerem Maße
                                                 verschlechtert hat als die der Männer.
Zunächst könnte das Lebensalter eine Rolle
dafür spielen, wie sich die subjektive           Zuletzt könnten Unterschiede zwischen
Gesundheit während der Corona-Pandemie           sozioökonomischen Statusgruppen für die
verändert hat. Ältere Menschen standen und       Entwicklung der subjektiven Gesundheit
stehen in diesen Tagen im besonderen             während der Corona-Pandemie eine Rolle
Fokus der Aufmerksamkeit. Laut dem Robert        spielen. Frühere Untersuchungen haben
Koch-Institut (2020) steigt das Risiko für       bereits eindrücklich die
einen schweren Verlauf einer Covid-19-           gesundheitsbezogenen Nachteile von
Erkrankung ab einem Alter von 50 bis 60          Menschen mit niedrigem im Vergleich zu
Jahren stetig an. Während das erhöhte            Menschen mit höherem sozioökonomischem
Risiko älterer Erwachsener statistisch           Status dokumentiert. So scheinen
unumstritten ist, lässt sich dennoch             sozioökonomisch besser gestellte Personen
vermuten, dass die politische und mediale        seltener über gesundheitliche
Risikokommunikation auch unerwünschte            Einschränkungen in ihrem Alltag zu
gesundheitliche Nebenwirkungen hatte. Die        berichten, ihre Gesundheit und ihr
omnipräsente Darstellung älterer Menschen        psychisches Wohlbefinden insgesamt als
als gesundheitlich besonders vulnerable          besser zu bewerten und letztlich auch länger
Gruppe, die gezielte Vermeidung von              zu leben als Menschen aus
sozialen Kontakten zu älteren Menschen           sozioökonomisch schwächeren
sowie mögliche Bevormundungserfahrungen          Verhältnissen (Lampert & Hoebel 2019 für
im Familien- und Freundeskreis könnten das       einen Überblick). Bei der Einteilung von
gesundheitliche Selbstkonzept und das            Personen in verschiedene Statusgruppen
soziale Wohlbefinden älterer Erwachsener in      werden sowohl die berufliche Stellung und
besonderem Maße gefährdet haben. Es ist          das Einkommen als auch der
also denkbar, dass die subjektive                Bildungshintergrund berücksichtigt
Gesundheit älterer Altersgruppen im Zuge         (Ganzeboom, De Graaf, & Treiman 1992).
der Corona-Pandemie stärker gelitten hat als     Insofern lässt sich die häufig schlechtere
die jüngerer Altersgruppen.
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Gesundheit von Menschen mit niedrigem            Forschungsfragen
sozioökonomischen Status unter anderem
auf psychische Belastungen durch                 Vor diesem Hintergrund werden in diesem
finanzielle Nöte, ungünstige                     Bericht die folgenden Fragen untersucht:
Arbeitsbedingungen, sowie auch auf ein
                                                 1. Welche Veränderungen in der
weniger ausgeprägtes Gesundheitswissen
                                                    subjektiven Gesundheit zeigen sich
zurückführen (Kroh, Neiss, Kroll, & Lampert
                                                    während der Corona-Pandemie bei
2012). Denkbar ist, dass sich diese
                                                    Menschen in der zweiten Lebenshälfte,
Ungleichheitsdynamiken in Zeiten der
                                                    die selbst nicht mit Corona infiziert
Pandemie weiter verschärft haben: Weniger
                                                    waren?
materielle Rücklagen zum Ausgleich von
pandemiebedingten Lohneinbußen, eine             2. Wie unterscheiden sich die
größere Wahrscheinlichkeit in Berufen mit           Veränderungen in der subjektiven
erhöhtem Infektionsrisiko zu arbeiten (z. B.        Gesundheit zwischen bestimmten
Fabrikarbeiter*innen) und eine als gering           Bevölkerungsgruppen (Altersgruppen,
erlebte Kontrollierbarkeit der eigenen              Geschlecht und sozioökonomische
Ansteckungswahrscheinlichkeit (Rattay et al.        Statusgruppen)?
2021; Wettstein, Vogel, Nowossadeck,
Spuling, & Tesch-Römer 2020), könnten
dazu beigetragen haben, dass sich
sozioökonomisch benachteiligte Personen
während der Corona-Pandemie
gesundheitlich besonders bedroht und
belastet gefühlt haben.
Subjektive Gesundheit in der Corona-Pandemie                                                  9

 Der Verlauf der Corona-Pandemie in Deutschland

 Die Corona-Pandemie begann im März 2020 und nahm einen wellenförmigen Verlauf
 (Abbildung 1). Die Pandemie und die Maßnahmen zu ihrer Eindämmung haben das Leben
 der Menschen in vielen Bereichen verändert. Ab etwa Mitte März 2020 wurden von der
 Bundesregierung und den Landesregierungen weitreichende Maßnahmen zur Eindämmung
 des Infektionsgeschehens in der ersten Pandemiewelle erlassen. Der Gültigkeitszeitraum der
 einzelnen Maßnahmenpakete variierte dabei teilweise zwischen den Bundesländern (eine
 detaillierte Übersicht findet sich in der IAB-Datenbasis zu Corona-Eindämmungsmaßnahmen
 unter: http://doku.iab.de/arbeitsmarktdaten/daten_corona-massnahmen.xlsx; (Institut für
 Arbeitsmarkt und Berufsforschung 2021). Die Maßnahmen beinhalteten insbesondere
 Kontaktbeschränkungen, die Schließung von Schulen und Kindertagesstätten, der
 Gastronomie sowie von verschiedenen Dienstleistungseinrichtungen und Betrieben des
 Einzelhandels („1. Lockdown“). Nach Abflauen der ersten Pandemiewelle wurden einzelne
 Einschränkungen ab Ende April 2020 gelockert.

 Nach einer Phase mit niedrigen Infektionszahlen im Sommer 2020 kam es im Herbst 2020 zu
 einem wiederholten Anstieg der Neuinfektionen und einer zweiten Pandemiewelle, der ab
 Anfang November 2020 mit erneuten Kontakteinschränkungen begegnet wurde („Lockdown
 light“). Ab Mitte Dezember wurden die Kontakteinschränkungen verschärft und erneut
 Schulen, Kindertagesstätten sowie Teile von Einzelhandel und Dienstleistungsbranchen
 geschlossen („2. Lockdown“). Ende 2020 fanden die ersten Impfungen gegen COVID-19
 statt.

 Einem Rückgang der Infektionszahlen bis Ende Februar 2021 folgte ein weiterer Anstieg
 (dritte Pandemiewelle), der von erneuten bzw. verschärften Kontaktbeschränkungen flankiert
 wurde. Im April 2021 beschloss der Bundestag den Einsatz einer bundeseinheitlichen
 Regelung („Bundesnotbremse“), mit einheitlichen Maßnahmen zur Eindämmung des
 Infektionsgeschehens, gekoppelt an regionale Inzidenzwerte.

 Ab Anfang Mai 2021 gingen die Infektionsraten wieder zurück, um ab Juli 2021 bis zum
 Winter 2021 wieder zur vierten Pandemiewelle anzusteigen. Zur Begrenzung der Zahl der
 Neuinfektionen wurden ab August 2021 sogenannte „3-G-Regelungen“ eingeführt
 (Zugangsbeschränkungen unter Vorlage eines Genesenen-, Geimpften- oder
 Getestetennachweises), teilweise gefolgt von „2-G-Regelungen“ (Zugang nur für genesene
 oder geimpfte Personen).

 Der Deutsche Alterssurvey ermöglicht die Untersuchung der Auswirkungen der Corona-
 Pandemie auf das Leben von Menschen im mittleren und höheren Erwachsenenalter bislang
 bis einschließlich zur Phase des zweiten Lockdowns im Winter 2020/21.
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Abbildung 1: Der Deutsche Alterssurvey (DEAS) in der Corona-Pandemie

Quellen: Risklayer, CEDIM (KIT), Tagesspiegel, RKI: https://interaktiv.tagesspiegel.de/lab/sars-cov-2-das-virus-in-echtzeit/
(18.11.2021). Eigene Darstellung.
Subjektive Gesundheit in der Corona-Pandemie                                                      11

Daten und Methodik
 Der Deutsche Alterssurvey (DEAS)

 Der Deutsche Alterssurvey (DEAS) ist eine repräsentative Quer- und Längsschnittbefragung
 von Personen in der zweiten Lebenshälfte. Im Rahmen der Studie werden seit mehr als zwei
 Jahrzehnten Frauen und Männer auf ihrem Weg ins höhere und hohe Alter regelmäßig
 befragt (1996, 2002, 2008, 2011, 2014, 2017, 2020/21). Dieser lange Beobachtungszeitraum
 von mehr als zwei Jahrzehnten erlaubt einen umfassenden Einblick in das Älterwerden und
 die Lebenssituationen von Menschen in der zweiten Lebenshälfte. Zudem kann durch das
 kohortensequenzielle Design der Studie Älterwerden im sozialen Wandel untersucht werden.
 Der Deutsche Alterssurvey ist daher die zentrale Studie zu Alter und Altern in Deutschland.
 Mehr als 20.000 Personen haben bislang an der Studie teilgenommen. Befragt werden
 Personen, die zum Zeitpunkt der ersten Teilnahme 40 Jahre und älter sind. Die
 Teilnehmenden werden auf Basis einer nach Alter, Geschlecht und Region geschichteten
 Einwohnermeldeamtsstichprobe ausgewählt. Die Daten des Deutschen Alterssurveys sind
 daher repräsentativ für die in Privathaushalten lebende Wohnbevölkerung Deutschlands in
 der zweiten Lebenshälfte. Durch den Deutschen Alterssurvey können auch die
 Lebenssituationen in Krisenzeiten – wie wir sie aktuell aufgrund der Corona-Pandemie
 erleben – näher beleuchtet und besser verstanden werden.

 Die jüngste Befragung fand im Zeitraum vom 4. November 2020 bis zum 1. März 2021 statt.
 Im Zentrum dieser Befragung standen Fragen zur aktuellen Lebenssituation etwa in sozialen
 Beziehungen, im Wohlbefinden und in der Erwerbsarbeit. Es haben 5.402 Personen ab
 einem Alter von 46 Jahren an der Befragung teilgenommen. Alle diese Personen hatten
 bereits zuvor mindestens einmal an der Studie teilgenommen. Aufgrund der Corona-
 Pandemie wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Deutschen Alterssurveys
 telefonisch (anstatt wie bisher im persönlichen Interview) befragt. Im Anschluss an das
 telefonische Interview bekamen die Befragten noch einen Fragebogen zugesandt, der von
 4.419 Personen schriftlich oder online beantwortet wurde.

 In den Analysen werden gewichtete Anteilswerte und gewichtete arithmetische Mittelwerte
 unter Verwendung von Methoden, die die geschichtete Stichprobenziehung berücksichtigen,
 dargestellt. Dabei werden Gruppenunterschiede oder Unterschiede zwischen
 Erhebungswellen auf statistische Signifikanz getestet. Verwendet wird ein Signifikanzniveau
 von p < 0,05. Ist ein Befund statistisch signifikant, so kann mit mindestens 95-prozentiger
 Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass ein festgestellter Unterschied nicht nur
 in der Stichprobe, sondern auch in der Gesamtbevölkerung vorhanden ist. Ist ein Befund
 nicht statistisch signifikant, ist es möglich, dass beobachtete Unterschiede in der Stichprobe
 nur zufällig zustande kamen.

 Der Deutsche Alterssurvey (DEAS) wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie,
 Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert.

 Weitere Informationen zum Deutschen Alterssurvey (DEAS) finden sich unter
 www.deutscher-alterssurvey.de.
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Die Ergebnisse dieses Kurzberichts beruhen        Basierend auf diesen Auswahlkriterien
auf der aktuellsten Erhebungswelle des            stützen sich die folgenden Auswertungen auf
Deutschen Alterssurveys, die während der          die Angaben von 4.054 Personen, die in der
zweiten Welle der Corona-Pandemie                 DEAS-Befragung 2014 zwischen 40 und 90
durchgeführt wurde (Winter 2020/21,               Jahre alt waren, die ebenfalls an den DEAS-
Abbildung 1), sowie auf zwei weiteren             Befragungen 2017 und 2020/21 teilnahmen
Erhebungswellen, die vor der Corona-              und die angegeben haben, dass sie sich bis
Pandemie durchgeführt wurden (2014 und            zum Zeitpunkt der Befragung nicht mit dem
2017). Alle Auswertungen basieren auf             Corona-Virus infiziert haben. Es wird für
einem längsschnittlichen Datensatz, in dem        diese Personen untersucht, wie sich ihre
nur Befragte berücksichtigt werden, die an        subjektive Gesundheit im Vergleich der
jeder der drei Erhebungswellen                    Befragungsjahre 2014, 2017 und dem
teilgenommen haben und die sich selbst bis        Winter 2020/21 veränderte. Dabei wird auch
zum Zeitpunkt der Befragung nicht mit dem         geprüft, ob es Alters-, Geschlechts-, oder
Corona-Virus infiziert haben. Um Aufschluss       sozioökonomische Unterschiede a) im
darüber zu erhalten, wie sich die subjektive      Ausgangsniveau der subjektiven Gesundheit
Gesundheit im Zuge der Corona-Pandemie            im Jahr 2014 und b) in den Veränderungen
verändert hat, wird der Entwicklungstrend         der subjektiven Gesundheit zwischen 2014
der subjektiven Gesundheit zwischen 2014          und 2017 beziehungsweise 2017 und dem
und 2017 geprüft und mit dem                      Winter 2020/21 gab.
Entwicklungstrend zwischen 2017 und dem
Winter 2020/21 verglichen. Auf diese Weise        Ob beobachtbare Veränderungen statistisch
können „normale“ altersbedingte                   signifikant sind, wurde über den Vergleich
Veränderungen in der Einschätzung der             von Anteilswerten, unter Berücksichtigung
subjektiven Gesundheit von Veränderungen          der Streuung und des komplexen
unterschieden werden, die vermutlich auf die      Stichprobendesigns des Deutschen
veränderte Lebenssituation durch die              Alterssurveys, geprüft.
Eindämmungsmaßnahmen der Corona-
                                                  Zu beachten ist, dass sich Personen, die an
Pandemie zurückzuführen sind. Natürlich
                                                  allen drei Erhebungswellen teilgenommen
könnte sich die Corona-Pandemie auch auf
                                                  haben, systematisch von denjenigen
direktem Wege, das heißt über eine schwere
                                                  Personen unterscheiden könnten, die
Covid-19-Erkrankung, ungünstig auf den
                                                  mindestens eine Befragung ausgelassen
subjektiven Gesundheitszustand ausgewirkt
                                                  haben. So besteht beispielsweise die
haben. Im Winter 2020/21 haben allerdings
                                                  Gefahr, dass vor allem diejenigen Personen
nur 2,29 Prozent (n = 93) der DEAS-
                                                  durchgehend an den DEAS-Befragungen
Teilnehmenden angegeben, sich mit dem
                                                  teilgenommen haben, denen es
Corona-Virus infiziert zu haben. Dieser
                                                  gesundheitlich eher gut ging, während
Personenkreis ist zu klein für repräsentative
                                                  Personen, denen es gesundheitlich
Auswertungen zu den gesundheitlichen
                                                  zunehmend schlechter ging, aus der Studie
Folgen einer Corona-Infektion. Um jedoch
                                                  ausgeschieden sind oder einzelne
die gesundheitlichen Folgen einer Corona-
                                                  Befragungen verpasst haben. Wenn dieser
Infektion von der Gesamtwirkung der
                                                  Umstand nicht berücksichtigt wird, käme
pandemischen Situation – etwa Bedrohung
                                                  man auf Grundlage der Befragungsdaten zu
durch das Virus, Sorge um Angehörige,
                                                  einer zu positiven Einschätzung der
Folgen der Infektionsschutzmaßnahmen –
                                                  gesundheitlichen Entwicklung während der
trennen zu können, konzentriert sich das
                                                  Corona-Pandemie. Um diesem
vorliegende DZA Aktuell ausschließlich auf
                                                  methodischen Problem zu begegnen,
die Gesundheitseinschätzungen von
                                                  werden in den Auswertungen sogenannte
Personen, die angaben, sich selbst nicht mit
                                                  Längsschnittgewichte eingesetzt. Die
dem Corona-Virus angesteckt zu haben.
                                                  Gewichte werden mit Hilfe von statistischen
                                                  Modellen entwickelt und weisen den
Subjektive Gesundheit in der Corona-Pandemie                                              13

Bevölkerungsgruppen in den Analysen ein         2020/21 zwischen 46 bis 65 Jahre alt. Der
höheres Gewicht zu, die z. B. wegen             Einfachheit halber wird in den Auswertungen
schlechter Gesundheit, häufiger nicht an der    jeweils auf das Alter der Befragten im
Befragung teilnehmen. Dieses etablierte         Ausgangsjahr 2014 verwiesen.
statistische Verfahren erlaubt es
repräsentative und unverzerrte Ergebnisse       Geschlecht. Es wurden Frauen und Männer,
auszuweisen, auch wenn nicht jede befragte      gemäß ihrer Selbstauskunft unterschieden
Person an jeder DEAS-Erhebung teilnehmen        (Männer: 45 Prozent aller Befragten; Frauen:
konnte.                                         55 Prozent aller Befragten).

Zur Beantwortung der vorliegenden               Sozioökonomischer Status. Der
Fragestellungen wurden Auskünfte zu den         sozioökonomische Status bildet die Stellung
folgenden Fragen ausgewertet:                   von Personen innerhalb der Gesellschaft ab.
                                                Der sozioökonomische Status der Befragten
Subjektive Gesundheit                           wird mit Hilfe des Sozioökonomischen Index
                                                des Beruflichen Status (ISEI; Ganzeboom et
Die Befragten wurden gebeten, ihren             al. 1992) gemessen und basiert auf dem
derzeitigen Gesundheitszustand zu               Beruf, den die Befragten ausüben oder
bewerten. Sie hatten die Wahl zwischen den      zuletzt ausgeübt haben. Dabei verbindet der
Antwortalternativen sehr gut, gut, mittel,      ISEI Information zu Einkommen und Bildung,
schlecht und sehr schlecht. Die Antworten       um den sozioökonomischen Status der
sehr gut und gut wurden zur Gruppe ‚(sehr)      Berufe zu bestimmen und nimmt Werte
gut‘ zusammengefasst. Die Antworten             zwischen 12 (landwirtschaftliche Hilfskräfte)
schlecht und sehr schlecht wurden zur           und 90 (Richter und Richterinnen) an. Der
Gruppe ‚(sehr) schlecht‘ zusammengefasst.       ISEI-Wert der Befragten wurde über alle drei
                                                Befragungszeitpunkte gemittelt,
Gruppierungsvariablen
                                                anschließend in eine aufsteigende
Alter. Es wurden drei Altersgruppen gebildet,   Rangfolge gebracht und in 5 gleich große
um die Rolle des Lebensalters zu                Teilgruppen aufgeteilt (Quintile). In
untersuchen. Dabei diente das Jahr 2014 als     Anlehnung an das Vorgehen des RKI
Referenzjahr. Im Jahr 2014 waren                (Lampert, Kroll, Müters, & Stolzenberg
43,3 Prozent der Befragten zwischen 40 bis      2013), werden Befragte, die der ersten
59 Jahre alt, 23,9 Prozent waren zwischen       Teilgruppe angehören (18,9 Prozent), als
60 bis 69 Jahre alt und 32,8 Prozent            Befragte mit niedrigen sozioökonomischen
zwischen 70 bis 90 Jahre alt. Innerhalb des     Status kategorisiert. Befragte, die den
Beobachtungszeitraums werden alle               Teilgruppen 2, 3, oder 4 angehören
Befragten ungefähr um sechs Jahre älter: So     (61,1 Prozent), besitzen einen mittleren
sind zum Beispiel Personen in der jüngsten      sozioökonomischen Status und Personen,
Altersgruppe im Jahr 2014 zwischen 40 bis       die der letzten Teilgruppe angehören
59 Jahre alt gewesen; im Jahr 2017              (20 Prozent), besitzen einen hohen
zwischen 43 bis 62 Jahre und im Jahr            sozioökonomischen Status.

Veränderungen in der subjektiven Gesundheit während der Corona-Pandemie
Im Jahr 2014 haben mehr als die Hälfte          Gesundheit als (sehr) schlecht. Bis zum Jahr
(55,5 Prozent) der Personen ab 40 Jahren        2017 hat sich die subjektive Gesundheit der
ihre Gesundheit als (sehr) gut eingeschätzt     Befragten verschlechtert: Die (sehr) guten
(Abbildung 2). Ein gutes Drittel                Gesundheitsbewertungen sind auf
(34,6 Prozent) der Befragten berichteten von    51,2 Prozent zurückgegangen, während die
einer mittleren Gesundheit und jede*r           mittleren Gesundheitsbewertungen auf 37,5
Zehnte (9,9 Prozent) bewertete die eigene       Prozent angestiegen sind. Die (sehr)
14                                                           Subjektive Gesundheit in der Corona-Pandemie

schlechten Gesundheitsbewertungen sind                           Gesundheitsbewertungen ist leicht (um 2,5
dagegen auf einem stabilen Niveau                                Prozentpunkte) zurückgegangen.
geblieben. Diese ungünstige Entwicklung
setzte sich bis zum Pandemiewinter 2020/21                       Um der Frage nachzugehen, wie sich die
nicht fort, sondern wurde eher abgebremst:                       subjektive Gesundheit während der Corona-
Während der zweiten Welle der Corona-                            Pandemie bei Menschen aus verschiedenen
Pandemie haben sich die Befragten zu                             Bevölkerungsgruppen entwickelt hat, wurden
gleichen Anteilen gesundheitlich (sehr) gut                      die Veränderungen der subjektiven
beziehungsweise (sehr) schlecht gefühlt wie                      Gesundheit differenziert nach Altersgruppen,
im Jahr 2017. Einzig der Anteil an mittleren                     Geschlecht und sozioökonomischem Status
                                                                 nachgezeichnet.

Abbildung 2: Veränderung der subjektiven Gesundheit, gesamt, 2014, 2017 und 2020/21
             (in Prozent)

          100
                 9,9             11,3            12,4                (sehr) schlechte Gesundheit
                                                                     mittlere Gesundheit
           80
                                                                     (sehr) gute Gesundheit
                34,6                             35,0
                                 37,5
           60
Prozent

           40

                55,5             51,2            52,6
           20

            0
                2014            2017           2020/21

Quelle: DEAS 2014 (n = 4.054), DEAS 2017 (n = 4.054), DEAS 2020/21 (n = 4.054). Gewichtet, gerundete Angaben. Statistisch
signifikante Veränderungen zwischen 2014 und 2017, (p < 0,05): Abnahme im Anteil an Personen mit (sehr) guter subjektiver
Gesundheit; Zunahme im Anteil an Personen mit mittlerer subjektiver Gesundheit. Statistisch signifikante Veränderungen
zwischen 2017 und 2020/21 (p < 0,05): Abnahme im Anteil an Personen mit mittlerer subjektiver Gesundheit.

Altersunterschiede in der Veränderung der subjektiven Gesundheit
Für Menschen aus unterschiedlichen                               Personen im Ruhestandsalter (70- bis 90-
Altersgruppen zeigen sich unterschiedliche                       Jährige), von denen 50,7 Prozent zu einer
Entwicklungstrends der subjektiven                               (sehr) guten und 39,5 Prozent zu einer
Gesundheit im betrachteten                                       mittleren Gesundheitseinschätzung kamen.
Untersuchungszeitraum (2014, 2017 und
2020/21, Abbildung 3).                                           Über die Zeit hinweg zeigte sich, dass
                                                                 Befragte aus der jüngsten Altersgruppe in
Das Niveau der subjektiven Gesundheit hat                        den Jahren 2014 (damals im Alter von 40-
sich bereits im Ausgangsjahr zwischen der                        bis 59-Jahren) und 2017 (dann 43 bis 62
jüngsten und der ältesten Altersgruppe                           Jahre alt) zu ähnlichen Einschätzungen ihrer
unterschieden: Im Jahr 2014 berichteten                          subjektiven Gesundheit kamen. Im
Personen im Erwerbsalter (40- bis 59-                            Pandemiewinter 2020/21 (dann im Alter von
Jährige) häufiger von einer (sehr) guten                         46 bis 65 Jahren) bewerteten sie ihre
Gesundheit (58,2 Prozent) und seltener von                       subjektive Gesundheit dagegen häufiger als
einer mittleren Gesundheit (31,5 Prozent) als                    (sehr) gut (Anstieg um 5,8 Prozentpunkte)
Subjektive Gesundheit in der Corona-Pandemie                                             15

und seltener als mittel (Abnahme um 4          Gesundheitsbewertungen um
Prozentpunkte) als noch im Jahr 2017. Da       7,6 Prozentpunkte. Im Gegensatz zur
die subjektive Gesundheit im Vergleich         mittleren Altersgruppe, setzte sich bei Ihnen
zwischen 2014 und 2017 stabil blieb, und       dieser Verschlechterungstrend jedoch bis
sich der günstige Entwicklungstrend der        zur zweiten Welle der Corona-Pandemie im
subjektiven Gesundheit erst im Vergleich       Winter 2020/2021 (dann im Alter von 76 bis
zwischen 2017 und 2020/21 abzeichnete,         96 Jahren) weiter fort und äußerte sich in
deutet sich hier ein Zusammenhang mit der      einem Zuwachs an (sehr) schlechten
Corona-Pandemie an.                            Gesundheitsbewertungen um
                                               7,4 Prozentpunkte. Dieser andauernde
Bei Personen, die im Jahr 2014 der mittleren   Verschlechterungstrend legt nahe, dass die
Altersgruppe angehörten (60- bis 69-Jährige    ungünstige Veränderung der subjektiven
in 2014) stellt sich die Entwicklung der       Gesundheit in der ältesten Altersgruppe eher
subjektiven Gesundheit im selben               auf eine altersbedingte und weniger auf eine
Beobachtungszeitraum als weniger positiv       pandemiegebundene Verschlechterung der
dar. Im Jahr 2017 (dann 63 bis 72 Jahre alt)   Gesundheit zurückzuführen ist.
berichteten weniger Befragte von einer
(sehr) guten Gesundheit als im Jahr 2014       Die getrennte Betrachtung der
(Abnahme um 3,6 Prozentpunkte). Dieser         Veränderungen in der subjektiven
Trend setzte sich aber bis zur zweiten         Gesundheit für Menschen aus
Pandemiewelle nicht weiter fort. Stattdessen   verschiedenen Altersgruppen legt also nahe,
schätzten Personen, die sich 2014 im           dass sich bestehende
Übergangsalter zum Ruhestand befanden,         Altersgruppenunterschiede aus dem Jahr
ihre Gesundheit im Befragungsjahr 2020/21      2014 bis zur zweiten Welle der Corona-
(dann im Alter von 66 bis 75 Jahren) ähnlich   Pandemie vergrößert haben. Das weitere
wie im Jahr 2017 ein. Die zuvor                Auseinanderdriften der subjektiven
beobachtbare Verschlechterung der              Gesundheitsbewertungen ergibt sich
Gesundheitseinschätzungen wurde also           einerseits aus der Verbesserung der
gestoppt.                                      subjektiven Gesundheit in der jüngsten
                                               Altersgruppe, die zeitlich mit der Pandemie
Bei der ältesten Altersgruppe (70- bis 90-     zusammenfällt, und andererseits aus der
Jährige im Jahr 2014) zeigt sich allerdings    Verschlechterung der subjektiven
der ungünstigste Entwicklungstrend in der      Gesundheit in der mittleren und ältesten
subjektiven Gesundheit. Ähnlich wie die        Altersgruppe. Zu betonen ist jedoch
mittlere Altersgruppe, bewerteten auch sie     nochmals, dass insbesondere der
ihre subjektive Gesundheit im Jahr 2017        Verschlechterungstrend in der höchsten
(dann im Alter von 73 bis 93 Jahren)           Altersgruppe eher auf eine altersgebundene
schlechter als im Jahr 2014. Die               als eine pandemiegebundene Entwicklung
Verschlechterung ergab sich aus einem          hindeutet.
Rückgang der (sehr) guten
16                                                                   Subjektive Gesundheit in der Corona-Pandemie

Abbildung 3: Veränderung der subjektiven Gesundheit, nach Altersgruppen, 2014, 2017
             und 2020/21 (in Prozent)

                (sehr) gute Gesundheit          mittlere Gesundheit             (sehr) schlechte Gesundheit

          100
                 10,3

                            10,7

                                                              11,7

                                                                                                  11,7
                                      8,8

                                                   9,2

                                                                         9,8

                                                                                       9,9

                                                                                                            19,1
           80

                                      29,2
                 31,5

                                                   33,7
                            33,2

                                                                         37,2
                                                              34,8

                                                                                       39,5

                                                                                                  45,2

                                                                                                            41,1
           60
Prozent

           40
                                      61,9
                 58,2

                                                   57,1
                            56,1

                                                              53,5

                                                                         53,0

                                                                                       50,7

                                                                                                  43,1

                                                                                                            39,8
           20

            0
                2014       2017 2020/21          2014        2017 2020/21             2014       2017 2020/21

                        40-59 Jahre                       60-69 Jahre                         70-90 Jahre

Quelle: DEAS 2014 (n =4.054), DEAS 2017 (n = 4.054), DEAS 2020/21 (n = 4.054). Gewichtet, gerundete Angaben. Statistisch
signifikante Veränderungen zwischen 2014 und 2017, (p < 0,05): Abnahme im Anteil an Personen mit (sehr) guter subjektiver
Gesundheit bei den 60- bis 69-Jährigen und den 70- bis 90-Jährigen. Statistisch signifikante Veränderungen zwischen 2017 und
2020/21, (p < 0,05): Zunahme im Anteil an Personen mit (sehr) guter subjektiver Gesundheit und Abnahme im Anteil an
Personen mit mittlerer subjektiver Gesundheit bei den 40- bis 59-Jährigen; Zunahme im Anteil an Personen mit (sehr)
schlechter subjektiver Gesundheit bei den 70- bis 90-Jährigen. Altersgruppen unterscheiden sich statistisch signifikant
(p < 0,05) im Ausgangsniveau im Jahr 2014 zwischen den 40-bis 59-Jährigen und den 70-bis 90-Jährigen bezogen auf die
(sehr) gute und mittlere Gesundheit.

Geschlechterunterschiede in der Veränderung der subjektiven Gesundheit
Betrachtet man Geschlechterunterschiede in                             setzte sich jedoch bis zum Winter 2020/21
den Entwicklungstrends der subjektiven                                 nicht weiter fort. Stattdessen sind die
Gesundheit zwischen 2014, 2017 und                                     Gesundheitsbewertungen sowohl von
2020/21 (Abbildung 4), wird zunächst                                   Frauen als auch von Männern im Vergleich
deutlich, dass sich Frauen und Männer nicht                            zwischen 2017 und der zweiten Welle der
bedeutsam in ihrem Ausgangsniveau an                                   Corona-Pandemie stabil geblieben.
subjektiver Gesundheit unterschieden
haben. Das heißt, Frauen und Männer in der                             Geschlechterunterschiede in der subjektiven
zweiten Lebenshälfte haben sich im Jahr                                Gesundheit haben demnach während des
2014 ähnlich gesund gefühlt. Es lassen sich                            Beobachtungszeitraums zuungunsten von
allerdings Geschlechterunterschiede in der                             Frauen zugenommen. Allerdings scheint
Veränderung der subjektiven Gesundheit                                 diese zunehmende Unterschiedlichkeit nicht
beobachten: Frauen, aber nicht Männer,                                 auf die Corona-Pandemie zurückführbar, da
berichteten 2017 seltener von einer (sehr)                             sich Geschlechterunterschiede in den
guten Gesundheit (Abnahme um                                           Veränderungen der subjektiven Gesundheit
5,9 Prozentpunkte) und häufiger von einer                              nur zwischen den Jahren 2014 und 2017,
mittleren Gesundheit (Zunahme um                                       nicht aber zwischen 2017 und 2020/21
4,8 Prozentpunkte) als im Jahr 2014. Dieser                            abzeichneten.
Verschlechterungstrend bei den Frauen
Subjektive Gesundheit in der Corona-Pandemie                                                                            17

Abbildung 4: Veränderung der subjektiven Gesundheit, nach Geschlecht, 2014, 2017 und
             2020/21 (in Prozent)

            (sehr) gute Gesundheit        mittlere Gesundheit           (sehr) schlechte Gesundheit

          100
                  9,2        10,9       10,3                    10,5         11,6        14,1

           80
                  35,2       35,8       34,0                    34,1
                                                                             38,9        35,9
           60
Prozent

           40

                  55,6       53,3       55,7                    55,4
                                                                             49,5        50,0
           20

            0
                 2014        2017    2020/21                    2014        2017       2020/21

                           Männer                                          Frauen

Quelle: DEAS 2014 (n = 4.054), DEAS 2017 (n = 4.054), DEAS 2020/21 (n = 4.054). Gewichtet, gerundete Angaben. Statistisch
signifikante Veränderungen zwischen 2014 und 2017, (p < 0,05): Abnahme im Anteil an Frauen mit (sehr) guter subjektiver
Gesundheit; Zunahme im Anteil an Frauen mit mittlerer subjektiver Gesundheit. Keine statistisch signifikanten Veränderungen
zwischen 2017 und 2020/21, (p < 0,05). Geschlechterunterschiede im Ausgangsniveau im Jahr 2014 sind nicht statistisch
signifikant (p < 0,05).

Sozioökonomische Unterschiede in der Veränderung der subjektiven
Gesundheit
Unterschiede im sozioökonomischen Status                          Unterschiede bis zur zweiten Welle der
spielen für die subjektiven                                       Corona-Pandemie weiter entwickelt?
Gesundheitseinschätzungen eine deutlich
erkennbare Rolle (Abbildung 5). Im                                Während Menschen mit hohem
Vergleich zu Menschen mit niedrigem oder                          sozioökonomischem Status über die
mittlerem sozioökonomischem Status                                Erhebungen hinweg eine stabile subjektive
berichteten Menschen mit höherem                                  Gesundheit berichteten, haben Menschen
sozioökonomischem Status im Jahr 2014                             mit niedrigem und mittlerem
häufiger eine (sehr) gute Gesundheit. Bei                         sozioökonomischem Status im Vergleich
Personen aus der höchsten Statusgruppe                            zwischen 2014 und 2017 eine
lag der Anteil (sehr) guter                                       Verschlechterung ihrer subjektiven
Gesundheitsbewertungen bei 67,1 Prozent,                          Gesundheit gezeigt. Dieser Trend ergibt sich
während nur 55,4 Prozent aus der mittleren                        aus einer Abnahme der (sehr) guten
und 43,4 Prozent aus der niedrigen                                Gesundheitseinschätzungen in beiden
Statusgruppe zu einer (sehr) guten                                Gruppen (um 4,8 Prozentpunkte in der
Gesundheitseinschätzung gelangten.                                niedrigen Statusgruppe beziehungsweise
Gleichzeitig waren (sehr) schlechte                               um 4,6 Prozentpunkte in der mittleren
Gesundheitsbewertungen bei Menschen mit                           Statusgruppe). Gleichzeitig kam es zu einer
hohem sozioökonomischem Status                                    Zunahme an mittleren
(7,3 Prozent) seltener als bei Menschen aus                       Gesundheitseinschätzungen bei Menschen
der niedrigen Statusgruppe (16,4 Prozent).                        mit niedrigem sozioökonomischen Status
Doch wie haben sich die sozioökonomischen                         (um 6,2 Prozentpunkte) und einer Zunahme
18                                                                   Subjektive Gesundheit in der Corona-Pandemie

an (sehr) schlechten                                                   allerdings eine Abnahme im Anteil der
Gesundheitseinschätzungen bei Menschen                                 mittleren Gesundheitseinschätzungen um
aus der mittleren Statusgruppe (um                                     5,6 Prozentpunkte.
2,4 Prozentpunkte). Bis zum
Pandemiewinter 2020/21 hat sich dieser                                 Die Befunde deuten also darauf hin, dass
Verschlechterungstrend jedoch nicht weiter                             sich sozioökonomische Unterschiede seit
fortgesetzt. Das heißt, während der zweiten                            2014 vergrößert haben. Die Verschärfung
Welle der Corona-Pandemie haben sich                                   der Ungleichheit ist jedoch auf die sozial
Personen aus der unteren und mittleren                                 geschichtete Verschlechterung der
Statusgruppe zu ähnlichen Anteilen                                     Gesundheit zwischen 2014 und 2017
gesundheitlich (sehr) gut beziehungsweise                              zurückzuführen. Im Zuge der Corona-
(sehr) schlecht gefühlt wie im Jahr 2017. Bei                          Pandemie haben sich die
Menschen mit niedrigem                                                 sozioökonomischen Unterschiede dagegen
sozioökonomischem Status zeigte sich                                   nicht weiter zugespitzt.

Abbildung 5: Veränderung der subjektiven Gesundheit, nach sozioökonomischem Status
             (SES), 2014, 2017 und 2020/21 (in Prozent)

                (sehr) gute Gesundheit          mittlere Gesundheit             (sehr) schlechte Gesundheit

          100

                                                                                       7,3

                                                                                                 8,1
                                                              11,2

                                                                                                          8,7
                                                  8,8

                                                                         12,1
                         15,0
                 16,4

                                17,5

                                                                                       25,6

                                                                                                 27,5

                                                                                                          28,7
           80
                                                  35,8

                                                                         35,3
                                                              38,0
                 40,2

                                40,8
                         46,4

           60
Prozent

           40
                                                                                       67,1

                                                                                                 64,4

                                                                                                          62,6
                                                  55,4

                                                                         52,6
                                                              50,8
                 43,4

                                41,6
                         38,6

           20

            0
                2014    2017 2020/21             2014        2017 2020/21             2014      2017 2020/21

                    Niedriger SES                        Mittlerer SES                        Hoher SES

Quelle: DEAS 2014 (n = 4.054), DEAS 2017 (n = 4.054), DEAS 2020/21 (n = 4.054). Gewichtet, gerundete Angaben. Statistisch
signifikante Veränderungen zwischen 2014 und 2017, (p < 0,05): Abnahme im Anteil an Personen mit (sehr) guter subjektiver
Gesundheit bei Menschen mit niedrigem und mittlerem sozioökonomischem Status; Zunahme im Anteil an Personen mit
mittlerer subjektiver Gesundheit bei Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status; Zunahme im Anteil an Personen mit
(sehr) schlechter subjektiver Gesundheit bei Menschen mit mittlerem sozioökonomischem Status. Statistisch signifikante
Veränderungen zwischen 2017 und 2020/21, (p < 0,05): Abnahme im Anteil an Personen mit mittlerer subjektiver Gesundheit
bei Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status. Sozioökonomische Unterschiede im Ausgangsniveau im Jahr 2014
sind statistisch signifikant (p < 0,05) mit folgenden Ausnahmen: Unterschiede zwischen Personen mit niedrigem und mittlerem
sozioökonomischen Status sind bezogen auf die mittlere Gesundheit nicht signifikant. Unterschiede zwischen Personen mit
mittlerem und hohem sozioökonomischen Status sind bezogen auf die (sehr) schlechte Gesundheit nicht signifikant.
Subjektive Gesundheit in der Corona-Pandemie                                             19

Zusammenfassung und Fazit
Entgegen bestehender Bedenken zu den            Die vorliegenden Ergebnisse deuten also
möglichen indirekten Gesundheitsfolgen der      insgesamt daraufhin, dass es während der
pandemischen Gesamtsituation (Gaertner et       Corona-Pandemie für die meisten Menschen
al. 2021), wie etwa der Bedrohung durch das     nicht – wie mitunter angenommen (Gaertner
Virus, Sorge um Angehörige oder                 et al. 2021) – zu einer Verschlechterung des
Infektionsschutzmaßnahmen, sind die             gesundheitlichen Wohlergehens, sondern
Gesundheitseinschätzungen von Menschen          eher zu einer Stabilisierung oder sogar
in der zweiten Lebenshälfte relativ stabil      Verbesserung der subjektiven Gesundheit
geblieben. In der Tendenz fühlten sich die      gekommen ist. In Anbetracht der bis zum
meisten Menschen im Winter 2020/21 – das        Pandemiesommer 2020 dokumentierten
heißt, inmitten der zweiten Welle der           ungünstigen Entwicklungstrends in anderen
Corona-Pandemie – nicht weniger gesund          gesundheitsrelevanten Lebensbereichen,
als im Jahr 2017.                               wie etwa der sozialen Eingebundenheit, der
                                                sportlichen Aktivität und auch der
Dies ist besonders dann bemerkenswert,          psychischen Gesundheit (Huxhold & Tesch-
wenn man zusätzlich den Vergleich               Römer 2021; Nowossadeck et al. 2021;
zwischen 2014 und 2017 heranzieht, bei          Skoda et al. 2021), bietet die beobachtbare
dem sich eine Verschlechterung der              Resilienz in den
subjektiven Gesundheitseinschätzungen           Gesundheitseinschätzungen einen erneuten
abzeichnete. Aus den Daten lässt sich also      Beleg für die erstaunliche
inmitten der Corona-Pandemie ein Stopp im       Anpassungsfähigkeit der persönlichen
gesundheitlichen Abwärtstrend erkennen          Gesundheitsbewertungen.
und dieses Muster findet sich in vielen
sozialen Gruppen wieder: Bei Frauen, bei        So ist es möglich, dass soziale
Menschen, die sich im Jahr 2014 im              Vergleichsprozesse (Cheng et al. 2007) eine
Übergangsalter zum Ruhestand befanden           wichtige Rolle bei der Einschätzung der
und auch bei Menschen mit niedrigem oder        eigenen Gesundheit in Zeiten der Pandemie
mittlerem sozioökonomischem Status.             gespielt haben. Die vielfache
Männer und Menschen mit hohem                   Berichterstattung zu schwer an Covid-19
sozioökonomischen Status zeigten dagegen        erkrankten Patient*innen auf
über alle Erhebungen hinweg keine               Intensivstationen und die häufige
Veränderungen in ihren                          Darstellung älterer Menschen als
Gesundheitseinschätzungen; während sich         gebrechliche Risikogruppe könnten dazu
in der jüngsten Altersgruppe sogar ein          beigetragen haben, dass vielen Menschen
positiver Entwicklungstrend im Zuge der         bewusst geworden ist, wie gut es ihnen
Corona-Pandemie herauskristallisierte. Nur      selbst – zumindest im Vergleich zu anderen
für eine Gruppe von Befragten deutete sich      – während der Corona-Pandemie ergangen
von 2014, über 2017 bis 2020/21 eine immer      ist. In der aktuellen Literatur wird diese
schlechtere Bewertung der Gesundheit an –       Dynamik als „Eye of the Hurricane“-Paradox
für die Gruppe der ältesten Befragten, die im   beschrieben (Recchi et al. 2020). Der
Jahr 2014 zwischen 70 bis 90 Jahre alt          Kerngedanke ist, dass sich Menschen, die
waren. Da dieser Abwärtstrend aber über         selbst wenig von der Corona-Pandemie
alle drei Beobachtungszeitpunkte zu             betroffen waren, im ruhigen Zentrum eines
beobachten war, ist hier eher von einem         pandemischen Wirbelsturms wiederfanden,
„normalen“ gesundheitlichen Alterungstrend      der augenscheinlich die Kraft besaß, nicht
auszugehen, der vermutlich auch ohne den        nur die eigene Gesundheit, sondern auch
Einfluss der Corona-Pandemie ähnlich            das alltägliche Leben und gesellschaftliche
ausgefallen wäre.                               Miteinander zu gefährden. In der
                                                Konsequenz, wurde die aktuelle
                                                Lebenssituation von Menschen im „Auge
20                                               Subjektive Gesundheit in der Corona-Pandemie

des Hurricanes“ vermutlich besser als              verfügbaren medialen und politischen
normalerweise empfunden – zumindest aber           Kanälen vergegenwärtigt. Im Gegensatz zu
kam es zu einer Unterbrechung im                   anderen sozialen Gruppen dürfte es also für
Abwärtstrend ihrer                                 die ältesten in der Bevölkerung schwierig
Gesundheitseinschätzungen.                         gewesen sein, ihr gesundheitliches
                                                   Selbstkonzept gegen die einseitige
Gleichzeitig lässt sich vermuten, dass             Darstellung als besonders gefährdete und
ungünstige Entwicklungen im sozialen,              gebrechliche Personengruppe zu schützen.
sportlichen und psychischen Bereich für die        Bekannt ist, dass die mediale Verbreitung
Bewertung der eigenen Gesundheit in Zeiten         eines pauschalisierend negativen Bildes
der Corona-Pandemie kaum ins Gewicht               älterer Menschen eine ungünstigere
gefallen sind, weil es sich bei diesen             Selbstwahrnehmung bei den Betroffenen
Entwicklungen um eine geteilte, beinahe            fördern kann (Kessler 2015). Insofern könnte
„normale“ Belastungserfahrung handelte. So         die häufig einseitig negative Darstellung
zeigte sich beispielsweise auch, dass              älterer Menschen in der Corona-Pandemie
Einsamkeitsgefühle in der zweiten                  dazu beigetragen haben, dass sich bei den
Lebenshälfte über verschiedenste soziale           ältesten Erwachsenen über den gesamten
Gruppen hinweg zugenommen haben, das               Untersuchungszeitraum hinweg eine
heißt unabhängig von Alter, Geschlecht oder        Verschlechterung und keine Stabilisierung
auch Bildungshintergrund (Huxhold & Tesch-         der subjektiven Gesundheit zeigte.
Römer 2021).
                                                   Erfreulicherweise erlauben die vorliegenden
Zusammen könnten die sozialen                      Befunde jedoch eine vorsichtige Entwarnung
Vergleichsprozesse und Umgewichtungen              hinsichtlich einer möglichen Verschärfung
die Stabilisierung der subjektiven                 der sozioökonomischen Ungleichheit in der
Gesundheit und auch den positiven Trend in         subjektiven Gesundheit, denn die Schere
der jüngsten Altersgruppe erklären. Zu             zwischen den Gesundheitsbewertungen von
betonen bleibt allerdings, dass von diesem         Menschen aus unterschiedlichen
erfreulichen subjektiven Gesundheitstrend          Statusgruppen hat sich zumindest zwischen
nicht notwendigerweise auf eine                    2017 und der zweiten Welle der Corona-
gleichermaßen günstige Entwicklung in              Pandemie nicht weiter vergrößert.
anderen, objektiveren                              Nichtsdestotrotz zeigen sich weiterhin
Gesundheitsindikatoren geschlossen werden          deutliche gesundheitliche Nachteile von
kann. Stattdessen spiegelt dieser Trend mit        sozioökonomisch benachteiligten Menschen.
hoher Wahrscheinlichkeit die
Anpassungsfähigkeit der subjektiven                Fazit
Gesundheit an die veränderten
Lebensbedingungen während der Pandemie             Insgesamt zeichnen die aktuellen Befunde
wider.                                             zur Entwicklung der subjektiven Gesundheit
                                                   während der Corona-Pandemie ein eher
Eine Frage aber bleibt: Warum findet sich          optimistisches Bild: In den meisten
der günstige subjektive Gesundheitstrend           Bevölkerungsgruppen zeigt sich eine
nicht bei der Gruppe der ältesten Befragten        Stabilisierung der Gesundheit, bei Menschen
wieder? Die Antwort könnte sein, dass der          im Erwerbsalter wird sogar ein
ältesten Bevölkerungsgruppe eine                   Verbesserungstrend deutlich. Auch
Vergleichsgruppe fehlte, die Ihre Situation in     sozioökonomische Unterschiede in der
ein besseres Licht rückt. Die                      Gesundheit haben sich im Zuge der Corona-
epidemiologische Realität ist, dass das hohe       Pandemie nicht weiter zugespitzt. Diese
Alter zu den größten empirischen                   Befunde spiegeln die beachtliche
Risikofaktoren zählt, schwer an Covid-19 zu        Anpassungsfähigkeit der subjektiven
erkranken. Und genau dieser Umstand                Gesundheitseinschätzungen wieder, wobei
wurde älteren Erwachsenen auf allen                insbesondere soziale Vergleichsprozesse
Subjektive Gesundheit in der Corona-Pandemie                                                          21

eine entscheidende Rolle gespielt haben                 berichtet worden (Gamberini et al. 2021).
könnten.                                                Hinzukommt, dass die gesundheitliche
                                                        Situation von Menschen in
Einzig bei den ältesten Erwachsenen lässt               Pflegeeinrichtungen durch die aktuellen
sich ein andauernder                                    Befunde nicht abgebildet werden kann. Die
Verschlechterungstrend in der Gesundheit                besonders strengen
feststellen. Dieser scheint jedoch eher auf             Infektionsschutzmaßnahmen in
eine altersbedingte gesundheitliche                     Pflegeheimen dürften jedoch genau diesen
Entwicklung zurückzugehen als auf eine                  Personenkreis gesundheitlich besonders
Nebenwirkung der Corona-Pandemie.                       belastet haben. Insofern ist das eher
                                                        optimistische Bild zur subjektiven
Trotz der eher positiven Botschaft, die sich
                                                        Gesundheit auch vor dem Hintergrund
hinsichtlich der subjektiven Gesundheit in
                                                        dieser eingeschränkten Datenlage zu
den meisten Bevölkerungsgruppen ableiten
                                                        interpretieren. Zuletzt ist darauf hinzuweisen,
lässt, sollte nochmals hervorgehoben
                                                        dass die vorgestellten Befunde die
werden, dass sich die vorliegenden Befunde
                                                        Veränderungen in den subjektiven
auf Menschen in der zweiten Lebenshälfte
                                                        Gesundheitseinschätzungen abbilden, wie
beziehen, die selbst keine Corona-Virus-
                                                        sie sich bis zur zweiten Welle der Corona-
Infektion durchlebt haben. Für Menschen,
                                                        Pandemie abzeichnen. Weitere Erhebungen
die unmittelbar von einer Corona-Virus-
                                                        sind notwendig, um die mittel- und
Infektion betroffen waren – und
                                                        langfristigen gesundheitlichen Folgen der
insbesondere für diejenigen mit einer
                                                        Corona-Pandemie für verschiedene
schweren Covid-19-Erkrankung – sind
                                                        Bevölkerungsgruppen aufzudecken.
deutlich schlechtere Verläufe in objektiven
und subjektiven Gesundheitsmaßen

Literatur
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       Matteo, E., Pizzilli, G., Siniscalchi, A., Tartivita, C., Cavalli, I., Castelli, A., Marchio, A.,
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       Adduci, A., Pareschi, S., Bertellini, E., Maccieri, J., Marinangeli, E., Racca, F., Verri, M.,
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