Eichenprozessionsspinner - Laboklin

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Eichenprozessionsspinner - Laboklin
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 Ausgabe 06/2021                                                                                   aktuell
 Eichenprozessionsspinner

 Prozessionsspinner-Prozession                                                                  Dr. Francesco Albanese

 Der Eichenprozessionsspinner (Thaumeto­                          Neben der potentiellen Gefahr für Mensch
 poea processionea) gehört zu den Nacht-                          und Tier ist natürlich auch der Schaden im
 faltern (Lepidoptera), zur Familie der Zahn-                     Wald nicht zu vernachlässigen. Ein einma-
 spinner. Er hat große Ähnlichkeit mit dem                       liger Raupenfraß hat keine längerfristigen
 Kiefern-/Pinienprozessionsspinner (Thaume­                      negativen Folgen, wiederholter starker ­
 topoea pinivora). Der adulte Falter fliegt                      Befall und Kahlfraß kann die Eichen für
 zwischen Juli und September.                                    ­sekundäre Schädlinge anfälliger machen
                                                                  und bis zum Absterben führen.
 Der Eichenprozessionsspinner kommt vor
 allem in Süd- und Mitteleuropa vor, zieht                       Problematisch sind die Larven (cater­
 ­jedoch durch die Klimaerwärmung mittler-                       pillar) des Eichenprozessions­spinners,
  weile auch in den Nordwesten Europas,                          die als Verteidigungs­mechanismus mit
  überall dorthin, wo Wälder mit starkem                         Brennhaaren (Setae) bedeckt und reich
  ­Eichenvorkommen zu finden sind. Es kön-                       an Thaumetopoein sind. Diese, aber auch
   nen jedoch auch Einzelbäume an Straßen­                       die adulten Tiere (processionary moths)
   rändern, in Parks oder im städtischen                         lösen den Lepidopterismus aus.
   ­Bereich betroffen sein. In starken Befalls­                  Lepidopterismus ist eine t­ oxisch-irritative
    jahren sind neben den Eichen besonders                       Reaktion (caterpillar dermatitis),
    die Hainbuchen von diesen Schädlingen                        ­verursacht durch Prozessionsspinner.
    betroffen.

                             LABOKLIN LABOR FÜR KLINISCHE DIAGNOSTIK GMBH & CO.KG
Steubenstraße 4 • 97688 Bad Kissingen • Telefon: 0971-72020 • Fax: 0971-68546 • E-Mail: info@laboklin.com • www.laboklin.com
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                                                     Alle Stadien haben natürliche Feinde ­
                                                     (Vögel, Fledermäuse, Ameisen, Käfer ­
                                                     und Pilze, Bakterien, Viren und Parasiten/
                                                     Parasitoide). (Anm.: Als Parasitoid wird ein
                                                     Organismus, in der Regel ein Insekt, be-
                                                     zeichnet, der in seiner Entwicklung para-
                                                     sitisch lebt, den Wirt zum Abschluss der
                                                     Parasitierung jedoch tötet (Wikipedia)). Zu
                                                     den natürlichen Feinden zählen außerdem
                                                     auch Wanzen, Schlupfwespen und eben
                                                     Vögel wie der Kuckuck oder der Pirol. Ein
                                                     interessantes Detail am Rande ist, dass die
                                                     Raupen z.B. dem Kuckuck mit ihrem Gift
                                                     nicht schaden können, da er seine Magen-
                                                     schleimhaut mit den darin festsitzenden
Gespinst eines Prozessionsspinners in einem          Brennhaaren herauswürgen kann. Trotz der
Pinienbaum                     Dr. Carmen Lorente   Vielzahl an Feinden ist deren Effektivität bei
                                                     der Verhinderung des Befalls limitiert.

Der weibliche Eichenprozessionsspinner               Die Raupen ernähren sich von den Blättern
legt an den dünnen Zweigen der Krone                 des Wirtsbaums, wobei sie die gesamten
älterer Eichen 100 – 200 Eier ab. Bis zum            Blätter außer den Rippen auffressen. So
Herbst entwickelt sich im Ei eine Jungraupe,         kann es bei mehrjährigem starkem Auftreten
die in dieser Form überwintert (kann Tem-            auch zur Schädigung des Baums kommen.
peraturen bis zu minus 30 °C überleben).             Wenn ein Baum „entblättert“ ist, verlassen
Die Raupen werden bis zu 5 cm lang und               die Larven nachts das Nest und kriechen in
sind an ihrer dunklen, breiten Rückenlinie,          einer langen Prozession zu einem neuen
der samtartigen Behaarung und den lang-              Wirtsbaum, wo ein neues Nest gebaut wird.
behaarten Warzen zu erkennen. Sie leben              Ein einziger Baum kann zwischen 10.000
in Gruppen von 20 – 30 Tieren und treten             und 100.000 Prozessionsspinner beher­
typischerweise im „Gänsemarsch“ auf, ­               bergen.
wenn sie sich nachts auf Nahrungssuche
befinden oder sie sich verpuppen wollen,             Zur Bekämpfung des Schädlings kommt ­
woher auch der Name „Prozessions“spin-               es insbesondere in der Nähe mensch-
ner kommt. Diese namensgebende Pro-                  ­l­­icher Siedlungen. Es werden ­Maßnah­-
zession kann bis zu 10 Meter lang sein. In            ­men wie Behandlung mit Insektiziden,
den Raupennestern (Gespinsten), die am                 ­Absammeln, Abflammen, chemische
Stamm oder den starken Ästen der Eiche                  Bindemittel, Absaugen oder Aufbringen des
gebaut werden, kommt es zur Häutung und                 Bakteriums Bacillus thuringiensis durchge-
sie dienen als Rückzugsort. Ein Nest kann               führt. Biologische Kontrolle wird auch mit
viele Hunderte oder sogar Tausende Larven               Insekten, die Eier parasitieren, Käfern und
enthalten. Ab dem dritten Stadium der                   mikrobiologischer Kontrolle durchgeführt.
insgesamt 5 – 6 Entwicklungsstadien ent­                Generell unterscheidet man organisatori-
wickeln die Larven Brennhaare mit Wider­                sche (Wälder sperren), mechanische (siehe
haken (Setae), die auch das Nesselgift, ­               oben: Absammeln etc.) und chemische
das Thaumetopoein, enthalten. Die Anzahl                Maßnahmen, die jedoch nur während der
und Länge der Brennhaare nimmt mit jeder                ersten beiden Larvenstadien sinnvoll sind.
Häutung der Raupen weiter zu. Sehr viele
Haare verlieren sie während der Fraßzeit im          Die Brennhaare der Raupe brechen leicht
Mai und im Juni. Wenn ein Spinner gestört            ab und werden dann mit dem Wind oft über
wird, setzt er als Verteidigung seine Setae ­        weite Strecken getragen. In den Gespinsten
in die Umgebung frei.                                bleiben die alten Larvenhäute, weshalb
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 die Konzentration der Brennhaare dort oft
 besonders hoch ist. Da die Raupenhaare
 lange haltbar sind, kommt es in den betrof-
 fenen Gebieten zu einer Akkumulation am
 Boden über Jahre hinweg.

 Für Mensch und Tier sind besonders die
 Haare des dritten Larvenstadiums, in den
 Monaten Mai und Juni, gefährlich. Durch ­
 die Widerhaken haften sie an Kleidern, im
 Fell und durch die Berührung kommt es zu
 toxischen Reaktionen. Die beinahe un­
 sichtbaren Brennhaare können in die Haut
 und in die Schleimhaut eindringen und sich                      Hochgradige Veränderungen an der Zunge eines
 dort mit den Häkchen festsetzen. Thaume­                        Hundes                   Dr. Francesco Albanese
 topoein ist ein Protein, das zu einer IgE-­
 unabhängigen Degranulation der ­Mastzellen                         Die Hauptsymptome beim Hund sind
 führt und so einen irritativen Effekt bei                          ­lokale Veränderungen im Maul (Glossitis,
 Mensch und Tier hervorruft. Dies führt zur                          Zungenödem und -nekrose, linguale und
 Raupendermatitis, die sich beim Menschen                            sublinguale Ulcera). Ptyalismus, Dyspha-
 als Urtikaria, toxische Dermatitis oder als                     gie und Schmerzen traten bei 100 % der
 juckende Papeln äußern kann. Es handelt                         41 beschriebenen Hunde auf und auch im
 sich meist um eine toxisch-irritative, selten                   Bereich der Augen kam es zu Symptomen
 um eine allergische Reaktion, dennoch                           (Konjunktivitis, Keratitis, Blepharitis, Korne­a­
 wurde auch eine IgE-mediierte allergische                       ulzeration). Die Akkumulation von Antigen-
 Hypersensitivität beschrieben, die z.B. zur                     Antikörper-Komplexen führt zur Bildung
 Anaphylaxie führen kann. Besonders bei                          von Mikrothromben, die die Mikrozirkulation
 unbedeckten Hautarealen kommt es zu                             blockieren und somit zu ­Gewebsnekrosen
 den Hautveränderungen, Augenprobleme                            führen. Daher sollte bei unerklärbaren
 ­kommen vor und beim Einatmen der Haare                         ­Ne­krosen die Differentialdiagnose des ­­Kon­­­-
  können auch Lungensymptome beobach-                             takts mit Eichenprozessionsspinnern ­immer
  tet werden. Die wichtigsten Maßnahmen                           auf der Liste stehen. Submandibulare
  sind die Vermeidung betroffener Gebiete,                        ­Ödeme, Gesichtsjuckreiz und Erbrechen
  der Schutz der Haut durch Kleidung, das                          werden ebenfalls berichtet. Bei einer
  Duschen nach möglichem Kontakt und die                           Gruppe von 21 Hunden kam es neben
  symptomatische Therapie.                                         den oben erwähnten Symptomen auch zu
                                                                   Lymphadenopathie, Tachypnoe, Tachy­
                                                                   kardie, Hyperthermie und Gesichtsödem.
                                                                   Auch zu einer Rhinitis, einem laryngealem
                                                                   Ödem oder sogar zu Lungensymptomatik
                                                                   kann es kommen, wenn Haare aspiriert
                                                                   werden. Seltener werden systemische
                                                                   ­Symptome im Sinne einer anaphylaktischen
                                                                    Reaktion ausgelöst.

                                                                 Das generelle Management ist ausschließ-
                                                                 lich symptomatisch und unterstützend. Es
                                                                 besteht aus der Elimination der Brennhaare
                                                                 und Kontrolle der Symptome. Daher ist die
                                                                 unmittelbarste Therapie, dass so schnell
 Raupendermatitis              Dr. Francesco Albanese           wie möglich nach Kontakt das Toxin und die

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Haare von der Haut entfernt werden. Eine            Fazit: Bei Hunden mit unspezifischen
Badetherapie bzw. Spülung mit NaCl oder             Symptomen wie Glossitis, Nekrose der
nur Wasser wird empfohlen. Diskutiert wird          Zunge, Speicheln, Augenentzündungen,
auch über die Temperatur der Lösung, da             respiratorischen Symptomen, U ­ rtikaria,
Hitze das Toxin inaktiviert. Die Waschung          Juckreiz und einer Anamnese von einem
sollte innerhalb der ersten zwei Stunden           Aufenthalt in einem Eichenwald bzw.
nach Kontakt stattfinden. Danach steigt            Gebiet mit Eichenvorkommen sollte
das Risiko für eine Nekrose erheblich. Es          ­differentialdiagnostisch an den Eichen­
wird die Administration von Glucocortico­-      prozessionsspinner gedacht werden.
iden bzw. Antihistaminika empfohlen. In         Je nach klimatischer Region gibt es
einer Studie wurde auch die Verwendung          Hauptzeiten; da sich die Brennhaare
von Metronidazol und/oder Enrofloxacin          jedoch jahrelang halten, ist die poten­
beschrieben. Generell wird beim Vorliegen       tielle Gefahr in betroffenen Gebieten
einer Nekrose die Verabreichung eines Anti-     generell gegeben. Die absolute Sofort­
biotikums empfohlen. Zur Schmerzkontrolle       maßnahme bei einem Befall ist die
werden Analgetika eingesetzt. Bei Niza et       ­„Dekontamination“ des Tieres und
al. benötigten die Hunde, die keine Nekrose      ­sollte innerhalb der ersten zwei Stunden
zeigten, 5 – 12 Stunden zur Abheilung, die        ­erfolgen.
Tiere mit fokaler oberflächlicher Nekrose
der Zunge 3 – 5 Tage und bei ­großflächiger                                        Dr. Regina Wagner
Nekrose bis zu 15 Tage. Alle Hunde mit
hochgradiger Nekrose verloren einen Teil
                                                Literatur:
­ihrer Zunge und benötigten teilweise chirur­
 gische Sanierung. Interessanterweise war       DeBoer, J.G. und Harvey, J.A. (2020) Range-Expan-
 der Großteil der Hunde in der Studie           sion in Processionary Moths and Biological Control.
 < 1 Jahr alt, was damit zu tun haben dürfte,   Insects, 11, 267.
 dass junge Hunde generell neugieriger sind.    Kaszak et al. (2015) Pine processionary caterpillar,
                                                Thaumetopoea pityocampa Denis and ­Schiffermüller,
                                                1775 contact as a health risk for dogs. Annals of
In der Humanmedizin wird 2%iges Lidocain        Parasitology, 61 (3), 159-163.
auf der Läsion verwendet.                       Niza, M.E., et al. (2008) Effects of Pine P
                                                                                          ­ rocessionary
                                                Caterpillar Thaumetopoea pityocampa Contact in
                                                Dogs: 41 Cases (2002–2006). Zoonoses Public
                                                ­Health, 59, 35-38.
                                                 Sousa, C., et al. (2009) Pine Processionary
                                                 ­Poisoning: A 5 Years Retrospective Study, 19th EC-
                                                  VIM-CA Congress.
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