Marie-Curie-Gymnasium in Dallgow-Döberitz Grüntuch Ernst
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Der Clou des Raumkonzepts dieser Schule ist die 4a Dachterrasse im ersten Stock – bei den Schülern ist sie sehr beliebt. Die über 550 Gymnasiasten vertei- len sich in der Pause auf diesem Deck, rund um das Gebäude und im Hof im Erdgeschoss. Die Umgren- zung mit der farbig bedruckten Glasfassade lässt auch Lücken für den Blick in die Umgebung. Lageplan M 1:10 000 Längst ist er nicht mehr ganz so fett, der Speckgürtel Berlins. Doch wie man hört, stehen die Gemeinden in Konkurrenz, mit vorzeigbaren Schulen um bauwillige Familien zu buhlen. Dieses neue Gymnasium am westlichen Stadtrand ist das Ergebnis eines Wettbewerbs. Baumeister 9/05 83
Marie-Curie-Gymnasium in Dallgow-Döberitz Grüntuch Ernst Die Architekten wussten bei der Bearbei- Die Schule betritt man durch den relativ tung des Wettbewerbs noch nicht, was unspektakulären Haupteingang in der gegenüber der Schule gebaut werden Mitte der großen Gebäudefront zur Seiten- würde. Wer aber über das – soeben in straße. Der Eingang liegt eingezogen Betrieb genommene – neue Marie-Curie- unter dem Vordach, das gleichzeitig den Gymnasium reden will, kommt nicht Abschluss des Pausendecks bildet. Hier umhin, den Neubau im Kontrast zur un- stehen die schon angekommenen Schüler mittelbaren Nachbarschaft zu sehen: Ein wie auf der Kommandobrücke, sehen ihre Wildschweinpark kleiner, frei stehender Mitschüler eintreffen und legen dann ab Einfamilienhäuser ist dort mittlerweile ent- auf große Fahrt ins Klassenzimmer. standen, alle mit Sattel- oder Krüppel- Dieses Pausendeck auf dem Niveau des walmdach. Mittig auf viel zu kleinen Grund- ersten Obergeschosses ist der organisato- stücken stehen sie da wie Spielzeuge – mit rische Clou dieser Schule: Eine zusätzli- ihren ganzen aufgeklebten Plastikspros- che, holzbeplankte Fläche, in keinem sen, ihren Barocktüren aus dem Baumarkt Raumprogramm gefordert, bindet die bei- und ihren so individuellen Applikationen den L-förmigen Klassentrakte zusammen wie US-Mail-Briefkästen, schmiedeeiser- und bietet den Schülern hohe Aufenthalts- nen Lampenhaltern und Regenablauf- qualität – hier oben ist es jedenfalls viel ketten. Wenn man irgendwo dran klopft, interessanter als auf dem regulären Schul- klingt es hohl. hof im Erdgeschoss. Hauptsächlich Berliner Familien versenken Nach dem Durchschreiten des Eingangs hier an einem Ort, der kein Zentrum hat, steht man gleich in der offenen Cafeteria. sondern nur den Regional-Express nach Weiter geht es durch die Hauptachse der Berlin, ihre 30 Jahre laufenden Hypothe- Schule, hier öffnen sich links der Blick kenkredite im märkischen Sand. Damit durch die großen, gläsernen Schiebetüren schaffen sie den Bedarf an Schulen. Und auf den rechteckigen Schulhof; rechts lie- offenbar wollen die Gemeinden rundum gen hintereinander die – ebenfalls seitlich Berlin mit vorzeigbaren Schulen bauwillige zu öffnende – Aula und dann, um ein Familien anlocken. So erklärt sich jeden- Geschoss abgesenkt, das große Volumen falls der ehrgeizige Plan, ausgerechnet hier der Turnhalle. Das Rückgrat der Schule ein „Leistungs-Gymnasium“ mit naturwis- beginnt im Südosten und geht in Richtung senschaftlichem Schwerpunkt neu zu Nordwesten in eine Freiluft-Rampe zu den errichten. Dazu gab es 2001 einen Wettbe- Sportplätzen über; doch noch vor der Tür werb, den Grüntuch Ernst gewonnen nach draußen zweigen nach links und Diese stattliche Nordwestansicht ist die den Sport- haben. Vorgaben waren das Grundstück, rechts die innenliegenden Klassenflure ab. plätzen zugewandte Rückseite der Schule. Die Ein- das Raumprogramm und eine Höhenbe- Diese sind im Erdgeschoss, im Gegensatz gangsfront an der Straße dagegen (rechte Seite unten) muss sich im Maßstab an den gegenüber- schränkung auf zwei Geschosse. zu fast allen anderen Verkehrsflächen des liegenden Einfamilienhäusern orientieren. Unten: Baus, etwas düster geraten – insbesondere Das „Periskop“ reflektiert Szenen vom Pausendeck Moderne am Wildschweinpark dort, wo sie an die Turnhalle grenzen. nach unten in den Flur und umgekehrt (siehe Auf der anderen Seite haben die Architek- Detailschnitt Seite 89). Entstanden ist eine kompakte, differenzier- ten wenigstens mit einer „Periskopinstal- te, durchaus urbane Großform, die sich in lation“ eine irritierende Spiegelkonstruk- einen deutlichen, ja krassen Kontrast zum tion geschaffen, mit deren Hilfe nicht nur Gegenüber setzt. Hier ein klar gezeichneter Licht in den unteren Flur geholt wird, Bau in der guten Tradition der architekto- sondern auch die Bewegungen auf dem nischen Moderne, mit freundlichen Kon- Pausendeck ausspioniert werden können. zepten für Wege und Aufenthaltsflächen, für natürliche Belichtung und Belüftung, für Material und Konstruktion – und dort die klein-klein zusammengewürfelten Retro- Sehnsüchte aus dem Katalog. 84
Marie-Curie-Gymnasium in Dallgow-Döberitz Grüntuch Ernst Zwei Gesichter Die Fassaden der Schule bestehen aus teilweise bedruckten Glaspaneelen, Loch- Von der nordwestlichen Sportplatzseite blechen und Stahlprofilen. Immer wieder aus, die an einen Wald grenzt, wirkt die anders kombiniert und im Spektrum von Schule wesentlich wuchtiger als von der gelb bis grün lackiert, wird hier ein dyna- Straße. Gibt sie sich am Eingang ange- misches Patchwork-Muster aus Flächen sichts des Gegenübers harmlos ein- bis und Licht erzeugt, das vor allem im Inne- zweigeschossig, wirkt sie von hier wie eine ren an fast jedem Ort für Helligkeit und in die abfallende Topografie hineinmodel- Orientierung sorgt – auch im Hinblick auf lierte zweigeschossige Wissensburg mit die Tageszeit: Die Architekten hoffen, Steinsockel. Eine große Freitreppe mit dass das Licht im Haus wie eine Sonnen- Sitzstufen führt hinauf zum Pausendeck. uhr empfunden wird, die jeder Uhrzeit Die Anmutung der Bauten mit ihren sicht- bestimmte Farb- und Lichtstimmungen baren Aggregaten auf dem Dach ist dort zuordnet. oben die eines Wissenschaftsparks oder Hochschul-Campus’. Tatsächlich ist auch In den Klassen und Fachräumen selbst im Inneren, mit konsequent von oben geht es schlicht und funktionell zu, die geführten Medien, der technische Aus- Oberflächen sind aus Sichtbeton oder baustandard von zeitgemäßen Laborge- Gipskarton. Statisch handelt es sich um bäuden erreicht worden. eine ökonomische Schottenkonstruktion aus Stahlbeton. Somit blieb, im Gegen- satz zu so manchem der benachbarten Kitsch-Eigenheime, die Schule strikt im Kostenrahmen von 14,5 Millionen Euro. Die Inszenierung des Lichts mit durchsichtigen, Das Gebäude liegt an der Schwelle vom Siedlungs- durchscheinenden Glasflächen und geschickt plat- zum Landschaftsraum. Ein geschosshoher Gelände- zierten Leuchten wird noch gesteigert durch die sprung rückt die Verkehrswege in den Mittelpunkt Gelb- und Grüntöne aller Schattierungen. Sie des Entwurfs: Drei Niveaus werden abwechslungs- tragen auch an grauen Tagen zu einer freundlichen reich durch breite Flure und Treppen, schmale Kor- Atmosphäre im Foyer (oben die Cafeteria) und in ridore, kleine Stiegenhäuser und eine innere Straße den Fluren bei. miteinander verbunden. Rechte Seite oben: im Foyer 86
Marie-Curie-Gymnasium in Dallgow-Döberitz Grüntuch Ernst Bauherr: Fassadenschnitt Landkreis Havelland, Der Landrat M 1:10 Architekten: Grüntuch Ernst, Berlin 1 Blendschutz www.gruentuchernst.de 2 Anschlusswinkel an die Sichtbetondecke Projektteam: 3 Blendschutz Seilführung Florian Fels (Projektleitung), Erik Behrends, 4 Profilverbreiterung Brüstungsriegel Olaf Menk, Jacob van Ommen, Volker Raatz 5 Wärmefläche mit integriertem Elektrokanal Tragwerksplaner: 6 Pfosten akustisch entkoppelt GTB – Berlin Gesellschaft 7 Tropfkante für technische Bauplanung mbH 8 Betonfertigteil Haustechnik: Brendel Ingenieure AG Wettbwerb: 2001, 1. Preis Baubeginn: 3/2003 Fertigstellung: 1/2005 Standort: Marie-Curie-Straße 1, Dallgow-Döberitz Anstrich: www.caparol.de Metallfassade: www.schueco.de Leuchten: www.selux.de, www.sill-lighting.com Schulmöbel: www.marlower-moebel.de Sanitär: Duravit Keramik www.duravit.de; Rotter Armaturen www.aquarotter.de Heizung: Joco-Stepline, 2 1 Joco-Cityline www.joco-waermeinform.de Fotos: Werner Huthmacher, Berlin 3 4 5 6 9 Farblich neutral, hauptsächlich in Weiß gehalten sind dagegen die Aula (oben) und die Unterrichts- 10 räume (unten). Die Architekten konzentrieren die großen Gemeinschaftsräume wie Pausenhof, Aula und Turnhalle in der Mitte, während die in Winkel- form aufgereihten Fachklassen und Klassenzimmer 7 die Gebäudekanten bilden. 8 88
Grundrisse M 1:1000 Längsschnitt ca.M1:500 Detailschnitt Periskop M 1:100 1 Haupteingang 2 Cafeteria 3 Aula 4 Lehrerzimmer 5 Klassenzimmer Sekundarstufe I 6 Klassenzimmer Sekundarstufe II 7 Fachräume 8 Bibliothek 9 Hausmeister 10 Umkleide, Duschen 11 Sporthalle 12 Pausenhof 13 Pausendeck 14 Periskop OG 14 5 5 6 13 5 6 3 5 6 6 6 5 EG 9 7 7 7 7 7 7 14 14 8 8 7 10 7 12 3 11 7 10 10 4 2 1 Baumeister 9/05 89
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