Ein-Euro-Jobs für hilfebedürftige Jugendliche: Hohe Verbreitung, geringe Integrationswirkung
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Ein-Euro-Jobs für hilfebedürftige Jugendliche: Hohe Verbreitung, geringe Integrationswirkung Joachim Wolff Sandra Popp Cordula Zabel Jugendliche und junge Erwachsene werden in hohem Umfang in öffentlich geförderte Zusatzjobs („Ein-Euro-Jobs“) vermittelt. Doch unterstützen Zusatzjobs auch die Integration in Beschäftigung und Ausbildung? Vor allem besser Qualifizierte könnten durch die Teil- nahme an Ein-Euro-Jobs auch von einer erfolgreichen Arbeitsplatzsuche abgehalten werden. In diesem Beitrag untersuchen wir diffe- renziert nach Qualifikation und Berufserfahrung der Unter-25-Jährigen die Wirkung von Zusatzjobs auf die Beschäftigungs- und Aus- bildungschancen sowie auf die Beendigung des Arbeitslosengeld-II-Bezugs.1 das zum anderen von jedem Hilfebedürfti- Bezugs und unterscheidet im Gegensatz zu 1 Einleitung gen einen aktiven Beitrag zur Reduzierung der Hilfebedürftigkeit einfordert. Quantitativ haben sich Arbeitsgelegen- früheren Studien neben Region und Ge- schlecht zwischen Teilnehmergruppen nach Schul- und Berufsausbildung sowie der heiten zum wichtigsten arbeitsmarktpoliti- vorherigen Erwerbserfahrung. Die Vermeidung von Jugendarbeitslosig- schen Instrument für bedürftige Jugendli- keit ist von besonderer gesellschaftspoli- che entwickelt. Im Laufe des Jahres 2008 tischer Relevanz, da problematische Er- werbseintritte im Jugendalter oftmals lang- fristige negative Folgen im Erwerbsverlauf traten rund 130.000 Unter-25-Jährige einen Zusatzjob an; das entspricht etwa 20 % al- ler Eintritte in Zusatzjobs. Der Anteil der 2 Arbeitsgelegenheiten nach sich ziehen und nur schwer zu kom- Unter-25-Jährigen am Bestand bedürftiger pensieren sind (Lauterbach/Sacher 2001). Arbeitsloser ist mit rund 8 % weniger als Es existieren zwei Varianten von Arbeitsge- In der Grundsicherung für Arbeitsuchen- halb so hoch.2 Bislang ist ungeklärt, ob Ar- legenheiten (§16 SGB II): In der Entgeltva- de, die die soziale Absicherung durch Ar- beitsgelegenheiten die Ausbildungs- und Er- beitslosengeld II ebenso wie Fördermög- werbschancen Jugendlicher erhöhen und lichkeiten und Pflichten für bedürftige Ar- die Integrationschancen bestimmter Grup- 1 Der vorliegende Beitrag folgt einem Call for Papers beitsuchende regelt, sind 15- bis 24-Jährige pen junger Hilfebezieher wie Personen mit der WSI-Mitteilungen zum Thema „Der Staat als Arbeitgeber“, der unter www.boeckler.de/pdf/ als besondere Zielgruppe definiert. Sie sol- Qualifikationsdefiziten oder geringer Be- wsimit_2009_call_for_paper_ag_staat.pdf abgeru- len unmittelbar in Ausbildung, Arbeit oder rufserfahrung verbessern. Bisher wurden für fen werden kann. eine Arbeitsgelegenheit (zumeist: Zusatz- Unter-25-Jährige Teilnahmewirkungen von 2 Eigene Berechnungen anhand des DataWareHouse job,„Ein-Euro-Job“) vermittelt werden, da- Zusatzjobs auf Beschäftigungschancen nur der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (ohne zugelassene kommunale Träger). mit Langzeitarbeitslosigkeit gar nicht erst nach Region und Geschlecht (Hohmeyer/ entsteht, so die Argumentation des Gesetz- Wolff 2007) oder für Deutschland insgesamt gebers (BT-Drucksache 15/1516). Vorran- (Huber et al. 2009) untersucht. Erkenntnis- Joachim Wolff, PD Dr., ist Leiter des For- giges Ziel für Unter-25-Jährige ohne Be- se über die Wirkung auf die Integration in schungsbereichs „Grundsicherung und rufsabschluss ist eine erfolgreiche Aufnah- Ausbildung liegen bislang nicht vor. Aktivierung“ am Institut für Arbeitsmarkt- me einer Berufsausbildung, da diese am Diesbezügliche Ergebnisse wären aber und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. deutschen Arbeitsmarkt entscheidend mit nicht nur in Bezug auf eine gezielte Maß- Arbeitsschwerpunkte: Wirkungen von Erwerbschancen verknüpft ist (Müller/Sha- nahmezuweisung hilfreich. Vielmehr sind Aktivierungsstrategien für bedürftige vit 1998). Sollte eine Vermittlung in Ausbil- sie im Hinblick auf weitere Erwerbs- und Arbeitslose. dung oder Beschäftigung jedoch nicht mög- Zukunftschancen der Jugendlichen rele- e-mail: Joachim.Wolff@iab.de. lich oder in andere Förderinstrumente nicht vant. Bedenkt man, dass Maßnahmen, die Sandra Popp war bis 2009 wissenschaftliche sinnvoll erscheinen, sind Arbeitsgelegenhei- keine Integrationsfortschritte zur Folge ha- Mitarbeiterin am IAB in Nürnberg. Arbeits- ten als ultima ratio vorgesehen (BA 2007). ben, zu Demotivationsprozessen und zu schwerpunkte: Jugendliche und junge Als eine Form der öffentlich geförderten geringeren Suchaktivitäten führen können Erwachsene im SGB II. Sie ist jetzt bei der Beschäftigung sollen Arbeitsgelegenheiten (Walther 2007), sollte bei einem so häufig Gesellschaft für Innovationsforschung und die (Wieder-)Heranführung von erwerbs- eingesetzten Instrument nach dem Ein- Beratung (GIB) tätig. fähigen Hilfebedürftigen an den Arbeits- gliederungserfolg gefragt werden. Der fol- e-mail:s.popp@gib-berlin.de markt gewährleisten. Sie sind Ausdruck des gende Beitrag untersucht deshalb die Wir- Cordula Zabel, Dr., ist wissenschaftliche Mit- Paradigmas „Fördern und Fordern“ in der kung von Zusatzjobs auf die Integration arbeiterin am IAB in Nürnberg. Arbeitsschwer- Grundsicherung, das zum einen darauf in Beschäftigung und Ausbildung sowie auf punkte: Wirkungen von Arbeitsgelegenheiten. zielt, Arbeitsmarkthemmnisse abzubauen, die Beendigung des Arbeitslosengeld-II- e-mail: Cordula.Zabel@iab.de WSI Mitteilungen 1/2010 11
riante sind die Teilnehmer sozialversiche- lohnung“ ein (Behrend/Ludwig-Mayerho- deutet werden, sondern auch zu Stigmati- rungspflichtig beschäftigt und werden re- fer 2008). Jede dieser Vergabepraktiken sierung führen kann. Insbesondere wenn gulär entlohnt. In der Mehraufwands- birgt jedoch die Gefahr der Fehlsteuerung Zielgruppen bestimmter Maßnahmen mit variante – auch Zusatz- oder Ein-Euro-Job in sich. So gibt es Hinweise, dass Zusatzjobs Attributen wie „schwer vermittelbar“ be- genannt – erhalten sie hingegen ein bis zwei eher undifferenziert und nicht gezielt an legt werden, besteht die Gefahr, dass die Euro pro Arbeitsstunde zusätzlich zum Ar- besonders schwer Vermittelbare vergeben Teilnahme an dieser Maßnahme auf an- beitslosengeld II (Wolff/Hohmeyer 2006). werden (Wolff/Hohmeyer 2006; Hohmeyer/ gebliche Defizite verweist (Stauber/Wal- Da fast ausschließlich die letztere Form an- Jozwiak 2008). Bisherige Ergebnisse zum ther 2000). Ferner können die jungen Maß- geboten wird, steht sie im Mittelpunkt der Maßnahmeerfolg zeigen, dass die Teilnah- nahmeteilnehmer die zugeschriebene Untersuchung. Im Rahmen der überwie- me an Zusatzjobs die Chancen der Unter- Rolle als „Versager“ übernehmen und ihre gend sechs Monate dauernden Zusatzjobs 25-Jährigen insgesamt auf eine reguläre Be- beruflichen Ziele und Motivation zurück- sollte der Arbeitsumfang 30 Wochenstun- schäftigung nicht verbessern (Hohmeyer/ nehmen (Solga 2004). den nicht überschreiten, damit den Hilfe- Wolff 2007). Darüber hinaus kann es zu sogenann- bedürftigen noch genügend Zeit zur Ar- ten Einsperreffekten („Lock-In-Effekten“) beitssuche bleibt (Bundesagentur für Ar- kommen. Den Teilnehmern steht während beit 2007). Die Tätigkeit muss im öffentli- chen Interesse liegen und zusätzlich sein. Studien auf Grundlage von Betriebsbefra- 3 Potenzielle Effekte von der Maßnahme weniger Zeit zur Ausbil- dungs- und Stellensuche zur Verfügung, was vorübergehend ihre Beschäftigungs- gungen (Hohendanner 2007; Kettner/Re- Arbeitsgelegenheiten chancen verringert. bien 2007) und Fallstudien (Klemm et al. für die Teilnehmer Zudem ist vorstellbar, dass die Teilnah- 2007; Lohmann 2007) liefern dennoch er- me an Zusatzjobs zwar die Wahrschein- ste Indizien, dass auch reguläre Arbeitsver- Grundsätzlich sind sowohl positive als lichkeit erhöht, dass Jugendliche eine hältnisse durch Zusatzjobs verdrängt wer- auch negative Maßnahmeeffekte von Ar- Beschäftigung aufnehmen, dadurch aber den. Untersuchungen, die das Ausmaß der beitsgelegenheiten denkbar. Such- und keine Beendigung der Hilfebedürftigkeit Verdrängung quantifizieren, stehen jedoch Matchingtheorien gehen davon aus, dass erreicht wird. Zum Beispiel könnten Ju- noch aus. eine Stellensuche umso erfolgreicher ist, gendliche die Teilnahme als Zwang erleben Zusatzjobs wurden insbesondere für je mehr Informationen über den potenziel- und Zusatzjobs allein deshalb ausüben, Personen mit multiplen Vermittlungs- len Arbeitgeber bzw. den potenziellen Be- weil ihnen sonst Sanktionen drohen. Kon- hemmnissen konzipiert. Als Ziele gelten werber vorliegen (Abraham/ Hinz 2005). sequenz könnten sinkende Reservations- der Erhalt bzw. die (Wieder-)Herstellung Die Teilnahme an einem Zusatzjob kann löhne sein, um die Maßnahme möglichst der Beschäftigungsfähigkeit oder die per- die Bewerbungsstrategien der Teilnehmer schnell durch eine Beschäftigungsaufnah- sönliche Stabilisierung. Weshalb haben sich verbessern und Kenntnisse über bestimm- me zu beenden. Damit wird es aber wahr- Arbeitsgelegenheiten also zu einem der be- te Berufs- und Tätigkeitsfelder vermitteln, scheinlicher, dass aufgrund der niedrigeren deutendsten Instrumente für hilfebedürfti- sodass die Arbeitssuche verkürzt und eine Entlohnung der Leistungsbezug noch nicht ge Jugendliche entwickelt? Ein Grund dürf- bessere Zuordnung der offenen Stellen zu endet. te sein, dass sie häufig als eine Form der geeigneten Bewerbern ermöglicht wird. Besonders problematisch dürften sich Disziplinierung eingesetzt werden, um die Eine zentrale These der Humankapital- die dargestellten negativen Effekte für jun- Arbeits- und Motivationsbereitschaft der theorie (Becker 1964) ist, dass Bildung und ge Hilfebedürftige mit guten Qualifikatio- Betroffenen zu überprüfen (Behrend/Lud- Wissen die Produktivität eines Arbeitneh- nen und Erwerbserfahrung erweisen. Sie wig-Mayerhofer 2008). Ferner könnten die mers erhöhen. Je länger eine Person ar- verfügen über bessere Chancen am Ausbil- Richtlinien der Bundesagentur für Arbeit, beitslos ist, desto mehr veraltet ihr Wissen dungs- und Arbeitsmarkt als Geringquali- die für Unter-25-Jährige eine Arbeitslosig- und arbeitsrelevante Fertigkeiten gehen fizierte, weshalb die Teilnahme an einem keitsdauer von nicht mehr als drei Mona- verloren. Arbeitgeber handeln demnach ra- Zusatzjob für diese Gruppe zum einen stär- ten vorsehen, eine Rolle spielen (Hoh- tional, wenn sie Bewerber auswählen, die kere Lock-in-Effekte nach sich ziehen dürf- meyer/Jozwiak 2008). Da Zusatzjobteil- nur kurz inaktiv waren. Arbeitsgelegenhei- te. Zum anderen besteht für sie eine grö- nehmer nicht arbeitslos gemeldet sind, ten können hier ansetzen: Neben mögli- ßere Gefahr, dass sie aufgrund gesenkter wenn sie wöchentlich mehr als 15 Stunden chen formellen Qualifizierungselementen Reservationslöhne Stellen annehmen, die arbeiten, beträgt die Arbeitslosigkeitsdauer können sie auch grundlegende Fertigkeiten ihrem Qualifikationsniveau nicht entspre- der Teilnehmer im Anschluss an die Maß- als Voraussetzung für den erfolgreichen chen und somit eine Beendigung des Leis- nahme statistisch gesehen wieder null Mo- (Wieder-)Einstieg ins Erwerbsleben ver- tungsbezugs nicht garantieren. nate. Das mag dazu führen, dass Vermittler mitteln. Gerade für Geringqualifizierte und Aufgrund der unterschiedlichen Wir- Unter-25-Jährige einer Arbeitsgelegenheit arbeitsmarktferne Personen könnte dies kungsmechanismen ist nicht von vor- zuweisen, selbst wenn sie an der Zweck- für die mittelfristige Integration in den Ar- neherein klar, wie sich die Zusatzjobteil- mäßigkeit der Teilnahme dieser Personen beitsmarkt vorteilhaft sein. nahme auf die Integrationschancen von zweifeln. Zum anderen bemühen sich Hilfe- Allerdings kann die Teilnahme an ei- Unter-25-Jährigen auswirkt. Dies hängt bedürftige aufgrund der finanziellen Bes- nem Zusatzjob auch negative Auswirkun- unter anderem davon ab, wie die Teilneh- serstellung und der sozialen Einbindung gen haben. Solga (2004) verweist z.B. da- mer von den Job-Centern ausgewählt wur- häufig selbst um Zusatzjobs.Vermittler set- rauf, dass das Absolvieren einer Maßnahme den. Es wäre vorstellbar, dass Job-Center zen sie dann auch als eine Form der „Be- nicht nur als Signal für Lernfähigkeit ge- häufig Personen mit vergleichsweise guten 12 WSI Mitteilungen 1/2010
Integrationschancen für eine Teilnahme nahmewahrscheinlichkeit an einem Zu- cherungspflichtigen Beschäftigung nach- vorsehen.3 Dann werden sich mit hoher satzjob aufweisen.6 Dadurch sollten sich gingen. Die Wirkung der Maßnahme be- Wahrscheinlichkeit für die Teilnehmer- die ausgewählten Vergleichspersonen von trachten wir anhand folgender Variablen: gruppe insgesamt eher keine oder gar den Teilnehmern bezüglich beobachtbarer nachteilige Wirkungen einstellen. Deshalb Merkmale kaum unterscheiden. Propensity – ungeförderte sozialversicherungspflich- richten wir unseren Blick darauf, wie die Score Matching versucht damit, eine expe- tige (reguläre) Beschäftigung Wirkungen für spezifische Teilnehmer- rimentelle Situation nachzustellen. Der – betriebliche Ausbildung gruppen ausfallen. Dadurch können wir Teilnahmeeffekt wird am Ende als Diffe- – kein Arbeitslosengeld-II-Bezug feststellen, ob sich für Jugendliche mit be- renz zwischen dem Wert einer Erfolgs- sonderen Wettbewerbsnachteilen am Ar- variablen der Teilnehmer und dem ent- Das Zeitfenster, das uns zur Beobachtung beitsmarkt die Teilnahme in Form einer sprechenden Wert der zugewiesenen Ver- der sozialversicherungspflichtigen Beschäf- erhöhten Chance auf Beschäftigung und/ gleichspersonen geschätzt (Nettoeffekt). tigung zur Verfügung steht, beträgt 28 Mo- oder betriebliche Ausbildung auszahlt, nate nach Maßnahmeeintritt; für das Er- während dies für andere Personengruppen, 4.2 DATEN folgskriterium betriebliche Ausbildung 20 die nicht erst durch Zusatzjobs an den Ar- Monate. Die Informationen über Arbeits- beitsmarkt herangeführt werden müssen, Die Analysen basieren auf Personendaten, losengeld-II-Bezug liegen bis zum 33. Mo- eher nicht zutrifft. die in verschiedenen Verwaltungsprozessen nat nach Maßnahmebeginn vor. der Agenturen für Arbeit und der Jobcen- ter anfallen, sowie auf Angaben der Arbeit- 4.3 VORGEHEN 4 Methoden geber zur Beschäftigtenstatistik. Wir nutz- ten die Integrierte Erwerbsbiografie (IEB), die Bewerberangebotsdatei, die Leistungs- Um geschlechtsspezifische und regionale arbeitsmarktrelevante Unterschiede zu be- historik Grundsicherung (LHG) und die rücksichtigen, werden die geschätzten Wir- 4.1 SCHÄTZUNG VON Verbleibsnachweise der Statistik der Bun- kungen jeweils für vier Gruppen darge- NETTOEFFEKTEN desagentur für Arbeit. Hierdurch liegen stellt: für Männer und Frauen in Ost- und uns neben soziodemografischen Angaben Westdeutschland. Des Weiteren unterschei- Die Teilnahme erwerbsfähiger Hilfebe- über die Jugendlichen und jungen Erwach- den wir einerseits nach Schulbildung (kein dürftiger an Zusatzjobs erfolgt nicht zufäl- senen und ihre Bedarfsgemeinschaften Schulabschluss/Hauptschulabschluss/Mitt- lig. Teilnahmewirkungen auf den Arbeits- auch Informationen zu ihrer Erwerbs- lere Reife bzw. Abitur) und andererseits markterfolg können daher nicht durch ei- und Bildungsbiografie, ihrer Teilnahme nach Berufsausbildung (kein Ausbildungs- nen Vergleich zwischen Teilnehmern und an Maßnahmen sowie zum Bezug von abschluss/mit Ausbildungsabschluss). Fer- sonstigen bedürftigen Arbeitslosen, die (im Arbeitslosengeld auf einer tagesgenauen ner betrachten wir Unterschiede zwischen gleichen Zeitraum) nicht an der Maßnah- Basis vor. me teilnehmen, gemessen werden.4 Wenn Ausgangspunkt unserer Analyse ist der die Teilnehmer beispielsweise im Schnitt Bestand arbeitsloser erwerbsfähiger Hilfe- 3 Dafür sprechen die hohe Anzahl von vermittelten höher qualifiziert und kürzer erwerbslos bedürftiger zum 31. Januar 2005 im Alter Jugendlichen in Zusatzjobs sowie Ergebnisse, dass Zusatzjobs nicht gezielt für besonders schwer Ver- sind als andere arbeitslose erwerbsfähige von 15 bis 24 Jahren. Als Teilnehmergrup- mittelbare eingesetzt werden (Wolff/Hohmeyer Hilfebedürftige, hätten sie von vornherein pe betrachten wir alle Personen, die im 2006). bessere Chancen am Arbeitsmarkt. Dann Zeitraum Februar bis April 2005 in Zu- 4 Der kausale Effekt einer Teilnahme wäre für ein und würde ein Vergleich zwischen dem Anteil satzjobs übergehen. Die potenzielle Kon- dieselbe Person der Unterschied zwischen einer Er- folgsvariablen bei Teilnahme und der Erfolgsvariab- der Beschäftigten in der Teilnehmer- und trollgruppe besteht aus einer 20-%-Zu- le ohne Teilnahme; beides ist nicht gleichzeitig be- der Kontrollgruppe zu einem bestimmten fallsauswahl aus dem oben genannten Be- obachtbar (fundamentales Evaluationsproblem), Zeitpunkt nach Maßnahmebeginn auch stand arbeitsloser erwerbsfähiger Hilfebe- sodass adäquate Vergleichspersonen für Teilneh- diese Unterschiede und nicht nur den dürftiger, die im Zeitraum Februar bis mer gefunden werden müssen. Man spricht auch vom „potential outcome approach“ oder Roy- Effekt der Teilnahme an Zusatzjobs mes- April 2005 nicht an Zusatzjobs teilnehmen. Rubin-Modell (Roy 1951; Rubin 1974). sen. Teilnahmeeffekte werden ab dem Eintritts- 5 Beim Probitmodell handelt es sich um ein Regres- Daher ermitteln wir durch Propensity datum in Zusatzjobs gemessen. Da für die sionsmodell, mit dem der Einfluss verschiedener Score Matching eine mit den Zusatzjobteil- Vergleichspersonen im Gegensatz zur Teil- unabhängiger Variablen auf die Wahrscheinlich- keit eines bestimmten Zustands oder Ereignisses nehmern vergleichbare Gruppe von nicht- nehmergruppe jedoch kein Monat des geschätzt wird. Dem Probitmodell liegt die kumu- teilnehmenden arbeitslosen Hilfebedürfti- Maßnahmeeintritts im Zeitraum Februar lierte Standardnormalverteilungsfunktion zugrun- gen: Mithilfe von Probitmodellen5 wird die bis April 2005 vorliegt, wird ihnen ein sol- de (Andreß et al. 1997). Teilnahmewahrscheinlichkeit („Propensity ches Startdatum zufällig aus der Verteilung 6 Wir haben einem Teilnehmer fünf Kontrollperso- nen zugewiesen, deren Propensity Score den ge- Score“) an Zusatzjobs in Abhängigkeit von der drei Maßnahmeeintrittsmonate der ringsten (betragsmäßigen) Unterschied zu dem des beobachtbaren Faktoren (Kovariablen) be- Teilnehmergruppe zugewiesen. Aus der Teilnehmers aufweist und sich um nicht mehr als stimmt, die auch den Arbeitsmarkterfolg Analyse ausgeschlossen werden Personen, einen Schwellenwert (Caliper) vom Propensity der Personen determinieren. Jedem Zu- die zwischen dem 31. Januar 2005 und dem Score des Teilnehmers unterscheidet. Eine Ver- gleichsperson kann dabei mehreren Teilnehmern satzjobteilnehmer werden nicht-teilneh- Zeitpunkt des Maßnahmebeginns nicht ar- zugeordnet werden. Eine sehr kompakte Darstel- mende Vergleichspersonen zugeordnet, die beitslos waren, keine Leistungen mehr be- lung des Propensity-Score-Matching-Ansatzes fin- eine möglichst ähnliche (geschätzte) Teil- zogen haben und/oder einer sozialversi- det sich in Becker/Ichino (2002). WSI Mitteilungen 1/2010 13
Tabelle 1: Messung der Nettoeffekte von Zusatzjobs – Stichprobengrößen – Ostdeutschland Westdeutschland Männer Frauen Männer Frauen Teilnehmer Potenzielle Teilnehmer Potenzielle Teilnehmer Potenzielle Teilnehmer Potenzielle Vergleichs- Vergleichs- Vergleichs- Vergleichs- gruppe gruppe gruppe gruppe Gesamte Stichprobe 4.783 4.151 3.134 3.403 4.214 6.711 1.940 5.706 Teilstichproben: Schulabschluss Kein Schulabschluss 993 1.117 398 797 1.341 2.334 470 2.090 Hauptschulabschluss 2.223 1.749 1.123 1.078 2.289 3.299 1.003 2.349 Mittlere Reife/ Abitur 1.567 1.285 1.613 1.528 584 1.078 467 1.267 Berufsabschluss Kein Berufsabschluss 2.337 2.372 1.203 1.798 3.076 5.049 1.276 4.397 Mit Berufsabschluss 2.446 1.779 1.931 1.605 1.138 1.692 664 1.309 Erwerbserfahrung Keine Erfahrung 2.348 2.308 2.020 2.368 1.773 3.236 1.051 3.745 Letzter Job vor 2004 1.482 1.044 639 602 1.323 1.879 491 1.177 Letzter Job 2004 953 799 475 433 1.118 1.596 398 784 Quelle: Berechnung der Autoren auf Basis von Verwaltungspersonendaten. Personen, deren letzte Beschäftigung vor Abb. 1: Nettoeffekt der Teilnahme an Zusatzjobs auf 2004 endete, im Jahr 2004 endete und reguläre Beschäftigung – in Prozentpunkten – Personen, die noch nie regulär beschäftigt waren. Tabelle 1 zeigt die jeweiligen Stich- Männer (Ostdeutschland) Frauen (Ostdeutschland) probengrößen der Teilnehmer- und Kon- 4 Prozentpunkte trollgruppen auf. Die größte Teilnehmer- 2 0 gruppe sind ostdeutsche Männer mit mehr -2 als 4.700 Zusatzjobteilnahmen. Die kleins- -4 ten Teilnehmergruppen sind ostdeutsche -6 Frauen ohne Schulabschluss und westdeut- 0 4 8 12 16 20 24 28 0 4 8 12 16 20 24 28 sche Frauen, die zuletzt im Jahr 2004 Männer (Westdeutschland) Frauen (Westdeutschland) regulär erwerbstätig waren, mit immer- 4 Prozentpunkte hin noch jeweils knapp 400 Teilnehmerin- 2 nen. 0 Für die Probitschätzungen berücksich- -2 tigen wir Kovariablen, die sowohl die Teil- -4 nahmewahrscheinlichkeit als auch den Ar- -6 beitsmarkterfolg beeinflussen. Hierzu ge- 0 4 8 12 16 20 24 28 0 4 8 12 16 20 24 28 Monate hören Personen- und Haushaltsmerkmale Signifikant (5-%-Niveau) der Teilnehmer und der potenziellen Ver- Quelle: Berechnungen der Autoren auf Basis von Verwaltungspersonendaten. gleichsgruppe (Alter, Nationalität, Migra- tionsstatus, Gesundheitsstatus, Familien- stand, Anzahl der Kinder, Qualifikation) Variablen zum Vorjahr, Jugendarbeitslosig- me tendenziell eher negativ oder gar nicht und deren Erwerbsbiografie (Indikatoren keitsquote, Regionen nach SGB-II-Typo- aus. Abbildung 1 und Tabelle 2 weisen aus, zu Phasen von Arbeitslosigkeit, Nichter- logie) wurden ebenfalls aufgenommen. um wie viele Prozentpunkte sich der Anteil werbstätigkeit und regulärer Beschäfti- Durchgeführte statistische Tests verweisen von regulär beschäftigten Personen der gung, Teilnahme an arbeitsmarktpoliti- auf eine gute Vergleichbarkeit der Teilneh- Teilnehmergruppe von dem entsprechen- schen Maßnahmen, Charakteristika der mer- und Vergleichsgruppe nach Mat- den Anteil der Vergleichsgruppe unter- zuletzt ausgeübten Tätigkeit, Arbeitslosen- ching.7 scheidet. In Abbildung 1 wird deutlich, dass geld- oder Arbeitslosenhilfebezug). Zudem die Chance, regulär beschäftigt zu sein, werden Informationen über den Partner durch die Teilnahme in den ersten sechs bis (Erwerbsbiografie, Qualifikation) berück- sichtigt, wenn dieser mit im Haushalt lebt. Arbeitsmarktrelevante regionale Indikato- 5 Ergebnisse acht Monaten nach Maßnahmebeginn für Männer und Frauen in Ost- und West- ren auf Kreisebene (Arbeitslosenquote, An- teil Langzeitarbeitslosigkeit im Pool Ar- 5.1 ALLGEMEINE ERGEBNISSE 7 Ergebnisse zum Vergleichbarkeitsmaß Mean Stan- dardized Absolute Bias und die umfangreichen Er- beitsloser, Verhältnis zwischen Vakanzen gebnisse zu den Determinanten der Zusatzjobteil- und Arbeitslosenbestand im Januar 2005 Wie unsere Schätzergebnisse zeigen, wirkt nahmewahrscheinlichkeit sind bei den Autoren er- und der prozentualen Veränderung dieser sich für Jugendliche eine Zusatzjobteilnah- hältlich. 14 WSI Mitteilungen 1/2010
Tabelle 2: Nettoeffekt der Teilnahme an Zusatzjobs auf „reguläre Beschäftigung“ – in Prozentpunkten – Ostdeutschland Westdeutschland Männer Frauen Männer Frauen 6. Monat 28. Monat 6. Monat 28. Monat 6. Monat 28. Monat 6. Monat 28. Monat Alle 15–24-Jährigen –1,8 * 1,5 –3,5 *** 0 –4 *** –0,4 –1,7 1,1 Schulabschluss Kein Schulabschluss 2,1 1,8 –4,1 * –3,8 –4,2 *** 0,2 –4,3 ** 2,6 Hauptschulabschluss –4,1 *** –0,8 –2,2 –0,4 –3,7 ** –2 –2,4 1,2 Mittlere Reife/Abitur –2,8 2,8 –3,9 ** 0,4 –5 * –0,5 –2,3 1,2 Berufsabschluss Kein Berufsabschluss –1 3,7 *** –1,7 –0,7 –2,6 ** 0 –0,8 3,3 * Mit Berufsabschluss –2,4 * –0,2 –3,2 ** 1,1 –5,3 ** –1,8 –1,4 –1,5 Erwerbserfahrung Keine Erfahrung –2 * 3,9 ** –2,5 ** –0,7 –3,2 ** 0,5 0,7 3,2 Letzter Job vor 2004 –0,1 0,1 –4,2 * 0,6 –5 *** 0,5 –0,3 1,4 Letzter Job 2004 –2,2 –3,4 –4,8 2,6 –5,6 ** –5,6 * –7,9 ** –5,5 *** 1-%-Signifikanzniveau, ** 5-%-Signifikanzniveau, * 10-%-Signifikanzniveau. Quelle: Berechnung der Autoren auf Basis von Verwaltungspersonendaten. Tabelle 3: Nettoeffekt der Teilnahme an Zusatzjobs auf „betriebliche Ausbildung“ – in Prozentpunkten – Ostdeutschland Westdeutschland Männer Frauen Männer Frauen 6. Monat 20. Monat 6. Monat 20. Monat 6. Monat 20. Monat 6. Monat 20. Monat Alle 15–24-Jährigen –0,1 2 *** –0,1 0,6 –0,7 0,5 0,6 0,6 Schulabschluss Kein Schulabschluss 0,5 1,9 –0,4 –0,1 –1,4 ** –0,9 –1,3 –1,7 Hauptschulabschluss –1 0,6 0,3 –0,1 0 0,4 –0,4 –0,1 Mittlere Reife/Abitur –0,5 1,8 –0,8 0 –0,7 2 1,7 2,5 Berufsabschluss Kein Berufsabschluss –0,4 2,7 ** 0,1 1 –0,6 0,6 0,6 0,8 Mit Berufsabschluss –0,2 0,2 0,3 1 –0,4 0,5 0,2 0,6 Erwerbserfahrung Keine Erfahrung –1 1,9 * –0,3 –0,8 –1 * 0,4 1,5 * 0,7 Letzter Job vor 2004 0,1 1,2 –0,2 2,4 –0,3 0,6 1 1,6 Letzter Job 2004 –0,1 0,3 1,2 3,3 * –0,7 –0,3 –2,3 * –0,9 *** 1-%-Signifikanzniveau, ** 5-%-Signifikanzniveau, * 10-%-Signifikanzniveau. Quelle: Berechnung der Autoren auf Basis von Verwaltungspersonendaten. deutschland um bis zu vier Prozentpunkte Hohmeyer/Wolff (2007) und Huber et al. WIRKUNGEN AUF SOZIAL- reduziert wird, was auf Einsperreffekte (2009). VERSICHERUNGSPFLICHTIGE hinweist. Die negativen Effekte halten auch BESCHÄFTIGUNG noch für weitere Monate an. Später kommt 5.2 ERGEBNISSE FÜR UNTERSCHIED- es zwar für Frauen in beiden Regionen und LICHE PERSONENGRUPPEN Vor allem für Gruppen mit guten Beschäf- Männer in Ostdeutschland zu einer positi- tigungschancen stellen wir starke Einsperr- ven Wirkung, sie ist aber statistisch nicht Ein Grund für die eher nachteiligen Wir- effekte in den ersten Monaten nach Beginn signifikant. Die Nettoeffekte auf die Chan- kungen der Zusatzjobteilnahme könnte der Maßnahme fest. Jugendliche und junge ce, einer regulären betrieblichen Ausbil- sein, dass Zusatzjobs zwar bei erwerbsfer- Erwachsene, deren letzte Beschäftigung erst dung nachzugehen, sind häufig nahe null. nen Teilnehmern wirksam Arbeitsmarkt- im Jahr 2004 endete, weisen deutlich stär- Für westdeutsche Männer finden wir hemmnisse abbauen, Jugendliche mit gu- kere Einsperreffekte auf als solche, die noch leichte Einsperreffekte, für ostdeutsche ten Voraussetzungen aber eher von einer keine reguläre Beschäftigung hatten (Tabel- Männer hingegen 16 bis 20 Monate nach frühzeitigeren Aufnahme einer Ausbildung le 2). Für junge Frauen und Männer mit ab- Maßnahmeeintritt positive und signifi- oder Erwerbstätigkeit abhalten, ohne dass geschlossener Berufsausbildung liegen so- kante Wirkungen von bis zu zwei Prozent- sie langfristig ihre Integrationschancen wohl in Ost- wie in Westdeutschland hohe punkten (Tabelle 3). Schließlich sind Teil- verbessern. Daher betrachten wir, inwie- Einsperreffekte bei Teilnahme an einer Ar- nahmewirkungen auf die Wahrscheinlich- weit die Maßnahmeeffekte nach Qualifika- beitsgelegenheit vor. Langfristig gibt es für keit, kein Arbeitslosengeld II zu beziehen, tion und Erwerbserfahrung der Teilnehmer Männer in Westdeutschland, deren letzte noch nachteiliger als die Beschäftigungs- variieren. In den Tabellen 2 bis 4 sind die Beschäftigung erst im Jahr 2004 endete, die wirkungen (Tabelle 4). Soweit die Ergeb- Nettoeffekte jeweils sechs Monate nach stärksten negativen Beschäftigungseffekte. nisse vergleichbar sind, stützen sie Er- Maßnahmeeintritt und zum Ende des Be- Für einige Gruppen mit tendenziell ge- kenntnisse aus den Untersuchungen von obachtungszeitraums dargestellt. ringeren Arbeitsmarktchancen lassen sich WSI Mitteilungen 1/2010 15
Tabelle 4: Nettoeffekt der Teilnahme an Zusatzjobs auf „kein Arbeitslosengeld-II-Bezug“ – in Prozentpunkten – Ostdeutschland Westdeutschland Männer Frauen Männer Frauen 6. Monat 33. Monat 6. Monat 33. Monat 6. Monat 33. Monat 6. Monat 33. Monat Alle 15- bis 24-Jährigen –3,8 *** –1,1 –3,1 *** –3,7 ** –6,4 *** –3,9 *** –4 *** –0,3 Schulabschluss Kein Schulabschluss –1,2 2,3 0,4 –7,9 * –6,1 *** –2,7 –3,9 * –1,6 Hauptschulabschluss –4,6 *** –5,4 ** –3,4 ** –3,1 –6,9 *** –2,4 –1,9 3,3 Mittlere Reife/Abitur –5,3 *** –2,4 –4,1 ** –2,7 –8,4 *** –6 * –10 *** –4,4 Berufsabschluss Kein Berufsabschluss –1,8 * 1,1 –1,4 –4,7 * –5,8 *** –3,2 * –2,5 * 1,7 Mit Berufsabschluss –5 *** –4 * –3,9 *** –1,9 –10,1 *** –3,8 –5 * –1,2 Erwerbserfahrung Keine Erfahrung –3,2 –0,6 –3,7 *** –4,3 * –5,9 *** –2,5 –2,9 * 2 Letzter Job vor 2004 –4,1 *** –1,3 –0,6 1 –6,8 *** –1,9 –2,2 1,1 Letzter Job 2004 –2,4 –4 –9,6 *** –6 –8,9 *** –8,1 *** –9,9 *** –4,5 *** 1-%-Signifikanzniveau, ** 5-%-Signifikanzniveau, * 10-%-Signifikanzniveau. Quelle: Berechnung der Autoren auf Basis von Verwaltungspersonendaten. längerfristig jedoch auch positive Beschäf- die Arbeitslosigkeit konnte vielleicht neue tigungswirkungen feststellen. Dies gilt z.B. für junge westdeutsche Frauen und junge ostdeutsche Männer ohne einen Ausbil- Kontakte zu Betrieben eröffnen und somit die Chancen der jungen Frauen auf einen Ausbildungsplatz erhöhen. Um den dahin- 6 Schluss dungsabschluss beziehungsweise ohne vor- terliegenden Mechanismus näher auf- herige reguläre Beschäftigung. Für junge klären zu können, bräuchte man jedoch Die vorliegende Studie bestätigt Befunde, Männer mit Qualifikationsdefiziten in Ost- mehr Informationen über die vorherige dass öffentlich geförderte Zusatzjobs ten- deutschland, wo die Arbeitsmarktlage sehr Beschäftigung und die inhaltliche Ausge- denziell keine oder gar negative Effekte auf schwierig ist, könnte dies darauf hindeu- staltung der Zusatzjobs. die Beschäftigungschancen und die Been- ten, dass sie im Wettbewerb um knappe digung des Arbeitslosengeld-II-Bezugs von Stellen durch die Teilnahme an Zusatzjobs WIRKUNGEN AUF DEN ARBEITS- Jugendlichen und jungen Erwachsenen un- Vorteile gegenüber Nicht-Teilnehmern ge- LOSENGELD-II-BEZUG ter 25 Jahren haben. Bislang ungeklärt war wonnen haben. Westdeutsche Frauen mit die Frage, ob möglicherweise Ausbildungs- Qualifikationsdefiziten könnten durch die Für keine der verschiedenen Subgruppen chancen verbessert werden können, aber Zusatzjobteilnahme zur Erwerbstätigkeit der Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch hier lässt sich nicht von einer Erfolgs- motiviert worden sein.8 ergaben unsere Analysen positive Effekte bilanz sprechen. Ungeklärt ist, ob andere einer Teilnahme an Arbeitsgelegenheiten Ziele von Zusatzjobs, wie etwa die per- WIRKUNGEN AUF AUSBILDUNG auf die Wahrscheinlichkeit, kein Arbeitslo- sönliche Stabilisierung der Teilnehmer, sengeld II (ALG II) zu beziehen. Obwohl erreicht wurden. Unter dem Gesichts- Für junge ostdeutsche Männer ohne Aus- für einzelne Subgruppen mit geringeren punkt, dass Arbeitsgelegenheiten das wich- bildung und Berufserfahrung erhöht eine Qualifikationen und Arbeitserfahrung län- tigste arbeitsmarktpolitische Instrument Zusatzjobteilnahme die Chance, einer be- gerfristig positive Effekte auf die Aufnahme für Hilfebedürftige unter 25 Jahren darstel- trieblichen Ausbildung nachzugehen. Im einer regulären Beschäftigung vorhanden len, stimmen diese Ergebnisse dennoch zwanzigsten Monat nach Maßnahmebe- sind, entstehen hierdurch keine positiven kritisch. ginn haben sie eine signifikant höhere Effekte auf die Beendigung des ALG-II-Be- Ein Grund für fehlende positive Maß- Chance, in Ausbildung zu sein, als Nicht- zugs (Tabelle 4). Möglicherweise reduzie- nahmeeffekte liegt vermutlich in der un- teilnehmer (Tabelle 3). Für die meisten an- ren die Teilnehmer ihre Anspruchslöhne differenzierten Vergabe von Zusatzjobs. So deren Personengruppen sind die Effekte 20 und nehmen vermehrt gering entlohnte legen unsere Ergebnisse nahe, dass sich die Monate nach Maßnahmebeginn statistisch Beschäftigungen auf, sodass sie aufsto- Effektivität verbessern ließe, wenn sich Zu- jedoch nicht signifikant. Die einzige Aus- ckend ALG II beziehen. Wie oben beschrie- satzjobs verstärkt an diejenigen richten nahme sind ostdeutsche Frauen, die noch ben, entstehen für einige Subgruppen der würden, für die dieses Instrument konzi- im Jahr vor ihrer Teilnahme einer ungeför- jungen Hilfebedürftigen am Ende des Be- piert wurde. Bei einigen Subgruppen mit derten sozialversicherungspflichtigen Be- obachtungsfensters auch positive Effekte schäftigung nachgegangen sind und mit auf die Aufnahme einer betrieblichen Aus- mehr als drei Prozentpunkten den höchs- bildung. Aufgrund meist relativ niedriger 8 In einer separaten Schätzung nur für 21- bis 24- ten Teilnahmeeffekt aufweisen. Vorstellbar Ausbildungsvergütungen wird davon aber Jährige ergeben sich sehr ähnliche Effekte. Die po- ist, dass ihre vorherige Beschäftigung vor kaum ein Effekt auf die Beendigung der Be- sitiven Effekte für einige der Gruppen ohne Aus- bildungsabschluss oder ohne vorherige Berufser- allem eine Form der Überbrückung einer dürftigkeit ausgehen. fahrung lassen sich also nicht allein darauf zurück- erfolglosen Ausbildungssuche darstellte. führen, dass sie durchschnittlich noch relativ jung Die Zusatzjobteilnahme im Anschluss an sind. 16 WSI Mitteilungen 1/2010
Qualifikationsdefiziten und geringer Ar- den, eine Rolle spielen. Zum anderen wer- kaum Erfahrung mit dem Instrument. beitserfahrung verzeichneten wir etwa den Zusatzjobs häufig als Test auf Arbeits- Denkbar ist, dass sich die Zuteilungspraxis 1,5 Jahre nach Maßnahmebeginn positive bereitschaft und Überprüfung der Verfüg- oder die Qualität der Zusatzjobs in den Effekte auf ihre Beschäftigungs- und Aus- barkeit genutzt. Dies kann wiederum zu letzten Jahren verbessert hat.9 Ob dadurch bildungschancen. Für besser qualifizierte Effekten führen, die in der vorliegenden inzwischen eine effektivere Teilnahme- Personen oder Personen, die erst vor rela- Studie nicht überprüft wurden: Jugendli- wirkung für Jugendliche erzielt wird, müs- tiv kurzer Zeit noch regulär beschäftigt wa- che und junge Erwachsene erhöhen mögli- sen künftige Evaluationsstudien erst noch ren, liegen hingegen zum einen kurzfristig cherweise ihre Anstrengungen, die Hilfebe- nachweisen.10 stärkere Einsperreffekte vor. Zum anderen dürftigkeit zu beenden, um nicht an einer weisen unsere Ergebnisse teils auch auf Arbeitsgelegenheit teilnehmen zu müssen. langfristige negative Beschäftigungseffekte Die Wirkung entstünde vor allem dadurch, 9 Durch eine Betrachtung der Entwicklung der An- für erwerbsnahe Jugendliche und junge Er- dass beispielsweise die rasche Aufnahme teile Geringqualifizierter an den unter-25-jährigen wachsene hin. Insbesondere unter dem Ge- besonders gering entlohnter Jobs attrakti- arbeitslosen Hilfebedürftigen und Zusatzjobteil- sichtspunkt, dass prekäre Erwerbseinstiege ver wäre als ein Zusatzjobangebot. Der em- nehmern könnten hierzu Anhaltspunkte gewon- nen werden. Bedauerlicherweise sind die Angaben das Risiko geringerer Beschäftigungsstabi- pirische Nachweis für einen solchen Me- der Statistik der Bundesagentur für Arbeit zur Be- lität im weiteren Erwerbsverlauf erhöhen, chanismus steht allerdings noch aus. Zu- rufsausbildung dieses Personkreises infolge der wäre dies sehr kritisch zu bewerten. Für er- dem wäre der Preis hierfür, dass Jugendli- Einführung neuer Erfassungssysteme insbesonde- werbsnahe Unter-25-Jährige sollten des- che und junge Erwachsene Tätigkeiten re in den Jahren 2006 und 2007 aber auch noch teilweise im Jahr 2008 lückenhaft. Daher können halb alternative Eingliederungsstrategien annehmen würden, die kaum Beschäfti- wir diese Trends nicht betrachten. verfolgt werden. Analysen, die die Wirkun- gungsperspektiven bieten und in denen sie 10 Die Studie von Huber et al. (2009) untersucht Teil- gen verschiedener Förderinstrumente mit- ihre Qualifikationen und Kompetenzen nahmewirkungen mithilfe von 150 Zugängen in einander vergleichen, könnten hier künftig nur wenig zur Geltung bringen können. Zusatzjobs von Unter-25-Jährigen im Eintrittszeit- raum November 2007 bis März 2008. Mit diesen Anhaltspunkte geben. Unsere Ergebnisse beziehen sich auf geringen Fallzahlen können Effekte der Teilnahme Als Gründe für die undifferenzierte Personen, deren Teilnahme in den ersten nicht präzise geschätzt werden. Die Wirkungen Vergabe von Zusatzjobs sind mehrere Ur- Monaten des Jahres 2005 und damit zu ei- wurden zudem nur für bis zu neun Monate nach sachen denkbar. Zum einen wird die Ziel- nem sehr frühen Zeitpunkt nach der Ein- Maßnahmeeintritt untersucht. Damit lässt sich nicht klären, ob die Wirkungen für Teilnehmer im vorgabe der Bundesagentur für Arbeit, Ar- führung der Grundsicherung für Arbeitsu- Beobachtungszeitraum November 2007 bis März beitslosigkeitsdauern von mehr als drei chende stattgefunden hat. Damals hatten 2008 grundsätzlich anders ausfallen als für Teil- Monaten bei Unter-25-Jährigen zu vermei- die zuständigen Grundsicherungsträger nehmer zu Anfang des Jahres 2005. LITERATUR Abraham, M./Hinz, T. (2005): Arbeitsmarkttheorien, in: Abraham, M./ Hohmeyer, K./Wolff, J. 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