Ein-Euro-Jobs für hilfebedürftige Jugendliche: Hohe Verbreitung, geringe Integrationswirkung

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Ein-Euro-Jobs für hilfebedürftige Jugendliche:
Hohe Verbreitung, geringe Integrationswirkung
                                                                                                                       Joachim Wolff
                                                                                                                         Sandra Popp
                                                                                                                       Cordula Zabel
Jugendliche und junge Erwachsene werden in hohem Umfang in öffentlich geförderte Zusatzjobs („Ein-Euro-Jobs“) vermittelt. Doch
unterstützen Zusatzjobs auch die Integration in Beschäftigung und Ausbildung? Vor allem besser Qualifizierte könnten durch die Teil-
nahme an Ein-Euro-Jobs auch von einer erfolgreichen Arbeitsplatzsuche abgehalten werden. In diesem Beitrag untersuchen wir diffe-
renziert nach Qualifikation und Berufserfahrung der Unter-25-Jährigen die Wirkung von Zusatzjobs auf die Beschäftigungs- und Aus-
bildungschancen sowie auf die Beendigung des Arbeitslosengeld-II-Bezugs.1

                                                das zum anderen von jedem Hilfebedürfti-       Bezugs und unterscheidet im Gegensatz zu

1
Einleitung
                                                gen einen aktiven Beitrag zur Reduzierung
                                                der Hilfebedürftigkeit einfordert.
                                                     Quantitativ haben sich Arbeitsgelegen-
                                                                                               früheren Studien neben Region und Ge-
                                                                                               schlecht zwischen Teilnehmergruppen nach
                                                                                               Schul- und Berufsausbildung sowie der
                                                heiten zum wichtigsten arbeitsmarktpoliti-     vorherigen Erwerbserfahrung.
Die Vermeidung von Jugendarbeitslosig-          schen Instrument für bedürftige Jugendli-
keit ist von besonderer gesellschaftspoli-      che entwickelt. Im Laufe des Jahres 2008
tischer Relevanz, da problematische Er-
werbseintritte im Jugendalter oftmals lang-
fristige negative Folgen im Erwerbsverlauf
                                                traten rund 130.000 Unter-25-Jährige einen
                                                Zusatzjob an; das entspricht etwa 20 % al-
                                                ler Eintritte in Zusatzjobs. Der Anteil der
                                                                                               2
                                                                                               Arbeitsgelegenheiten
nach sich ziehen und nur schwer zu kom-         Unter-25-Jährigen am Bestand bedürftiger
pensieren sind (Lauterbach/Sacher 2001).        Arbeitsloser ist mit rund 8 % weniger als      Es existieren zwei Varianten von Arbeitsge-
In der Grundsicherung für Arbeitsuchen-         halb so hoch.2 Bislang ist ungeklärt, ob Ar-   legenheiten (§16 SGB II): In der Entgeltva-
de, die die soziale Absicherung durch Ar-       beitsgelegenheiten die Ausbildungs- und Er-
beitslosengeld II ebenso wie Fördermög-         werbschancen Jugendlicher erhöhen und
lichkeiten und Pflichten für bedürftige Ar-     die Integrationschancen bestimmter Grup-       1   Der vorliegende Beitrag folgt einem Call for Papers
beitsuchende regelt, sind 15- bis 24-Jährige    pen junger Hilfebezieher wie Personen mit          der WSI-Mitteilungen zum Thema „Der Staat als
                                                                                                   Arbeitgeber“, der unter www.boeckler.de/pdf/
als besondere Zielgruppe definiert. Sie sol-    Qualifikationsdefiziten oder geringer Be-          wsimit_2009_call_for_paper_ag_staat.pdf abgeru-
len unmittelbar in Ausbildung, Arbeit oder      rufserfahrung verbessern. Bisher wurden für        fen werden kann.
eine Arbeitsgelegenheit (zumeist: Zusatz-       Unter-25-Jährige Teilnahmewirkungen von        2   Eigene Berechnungen anhand des DataWareHouse
job,„Ein-Euro-Job“) vermittelt werden, da-      Zusatzjobs auf Beschäftigungschancen nur           der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (ohne
                                                                                                   zugelassene kommunale Träger).
mit Langzeitarbeitslosigkeit gar nicht erst     nach Region und Geschlecht (Hohmeyer/
entsteht, so die Argumentation des Gesetz-      Wolff 2007) oder für Deutschland insgesamt
gebers (BT-Drucksache 15/1516). Vorran-         (Huber et al. 2009) untersucht. Erkenntnis-    Joachim Wolff, PD Dr., ist Leiter des For-
giges Ziel für Unter-25-Jährige ohne Be-        se über die Wirkung auf die Integration in     schungsbereichs „Grundsicherung und
rufsabschluss ist eine erfolgreiche Aufnah-     Ausbildung liegen bislang nicht vor.           Aktivierung“ am Institut für Arbeitsmarkt-
me einer Berufsausbildung, da diese am               Diesbezügliche Ergebnisse wären aber      und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg.
deutschen Arbeitsmarkt entscheidend mit         nicht nur in Bezug auf eine gezielte Maß-      Arbeitsschwerpunkte: Wirkungen von
Erwerbschancen verknüpft ist (Müller/Sha-       nahmezuweisung hilfreich. Vielmehr sind        Aktivierungsstrategien für bedürftige
vit 1998). Sollte eine Vermittlung in Ausbil-   sie im Hinblick auf weitere Erwerbs- und       Arbeitslose.
dung oder Beschäftigung jedoch nicht mög-       Zukunftschancen der Jugendlichen rele-         e-mail: Joachim.Wolff@iab.de.
lich oder in andere Förderinstrumente nicht     vant. Bedenkt man, dass Maßnahmen, die         Sandra Popp war bis 2009 wissenschaftliche
sinnvoll erscheinen, sind Arbeitsgelegenhei-    keine Integrationsfortschritte zur Folge ha-   Mitarbeiterin am IAB in Nürnberg. Arbeits-
ten als ultima ratio vorgesehen (BA 2007).      ben, zu Demotivationsprozessen und zu          schwerpunkte: Jugendliche und junge
Als eine Form der öffentlich geförderten        geringeren Suchaktivitäten führen können       Erwachsene im SGB II. Sie ist jetzt bei der
Beschäftigung sollen Arbeitsgelegenheiten       (Walther 2007), sollte bei einem so häufig     Gesellschaft für Innovationsforschung und
die (Wieder-)Heranführung von erwerbs-          eingesetzten Instrument nach dem Ein-          Beratung (GIB) tätig.
fähigen Hilfebedürftigen an den Arbeits-        gliederungserfolg gefragt werden. Der fol-     e-mail:s.popp@gib-berlin.de
markt gewährleisten. Sie sind Ausdruck des      gende Beitrag untersucht deshalb die Wir-      Cordula Zabel, Dr., ist wissenschaftliche Mit-
Paradigmas „Fördern und Fordern“ in der         kung von Zusatzjobs auf die Integration        arbeiterin am IAB in Nürnberg. Arbeitsschwer-
Grundsicherung, das zum einen darauf            in Beschäftigung und Ausbildung sowie auf      punkte: Wirkungen von Arbeitsgelegenheiten.
zielt, Arbeitsmarkthemmnisse abzubauen,         die Beendigung des Arbeitslosengeld-II-        e-mail: Cordula.Zabel@iab.de

                                                                                                             WSI Mitteilungen 1/2010
                                                                                                                                                 11
riante sind die Teilnehmer sozialversiche-     lohnung“ ein (Behrend/Ludwig-Mayerho-           deutet werden, sondern auch zu Stigmati-
rungspflichtig beschäftigt und werden re-      fer 2008). Jede dieser Vergabepraktiken         sierung führen kann. Insbesondere wenn
gulär entlohnt. In der Mehraufwands-           birgt jedoch die Gefahr der Fehlsteuerung       Zielgruppen bestimmter Maßnahmen mit
variante – auch Zusatz- oder Ein-Euro-Job      in sich. So gibt es Hinweise, dass Zusatzjobs   Attributen wie „schwer vermittelbar“ be-
genannt – erhalten sie hingegen ein bis zwei   eher undifferenziert und nicht gezielt an       legt werden, besteht die Gefahr, dass die
Euro pro Arbeitsstunde zusätzlich zum Ar-      besonders schwer Vermittelbare vergeben         Teilnahme an dieser Maßnahme auf an-
beitslosengeld II (Wolff/Hohmeyer 2006).       werden (Wolff/Hohmeyer 2006; Hohmeyer/          gebliche Defizite verweist (Stauber/Wal-
Da fast ausschließlich die letztere Form an-   Jozwiak 2008). Bisherige Ergebnisse zum         ther 2000). Ferner können die jungen Maß-
geboten wird, steht sie im Mittelpunkt der     Maßnahmeerfolg zeigen, dass die Teilnah-        nahmeteilnehmer die zugeschriebene
Untersuchung. Im Rahmen der überwie-           me an Zusatzjobs die Chancen der Unter-         Rolle als „Versager“ übernehmen und ihre
gend sechs Monate dauernden Zusatzjobs         25-Jährigen insgesamt auf eine reguläre Be-     beruflichen Ziele und Motivation zurück-
sollte der Arbeitsumfang 30 Wochenstun-        schäftigung nicht verbessern (Hohmeyer/         nehmen (Solga 2004).
den nicht überschreiten, damit den Hilfe-      Wolff 2007).                                         Darüber hinaus kann es zu sogenann-
bedürftigen noch genügend Zeit zur Ar-                                                         ten Einsperreffekten („Lock-In-Effekten“)
beitssuche bleibt (Bundesagentur für Ar-                                                       kommen. Den Teilnehmern steht während
beit 2007). Die Tätigkeit muss im öffentli-
chen Interesse liegen und zusätzlich sein.
Studien auf Grundlage von Betriebsbefra-
                                               3
                                               Potenzielle Effekte von
                                                                                               der Maßnahme weniger Zeit zur Ausbil-
                                                                                               dungs- und Stellensuche zur Verfügung,
                                                                                               was vorübergehend ihre Beschäftigungs-
gungen (Hohendanner 2007; Kettner/Re-          Arbeitsgelegenheiten                            chancen verringert.
bien 2007) und Fallstudien (Klemm et al.       für die Teilnehmer                                   Zudem ist vorstellbar, dass die Teilnah-
2007; Lohmann 2007) liefern dennoch er-                                                        me an Zusatzjobs zwar die Wahrschein-
ste Indizien, dass auch reguläre Arbeitsver-   Grundsätzlich sind sowohl positive als          lichkeit erhöht, dass Jugendliche eine
hältnisse durch Zusatzjobs verdrängt wer-      auch negative Maßnahmeeffekte von Ar-           Beschäftigung aufnehmen, dadurch aber
den. Untersuchungen, die das Ausmaß der        beitsgelegenheiten denkbar. Such- und           keine Beendigung der Hilfebedürftigkeit
Verdrängung quantifizieren, stehen jedoch      Matchingtheorien gehen davon aus, dass          erreicht wird. Zum Beispiel könnten Ju-
noch aus.                                      eine Stellensuche umso erfolgreicher ist,       gendliche die Teilnahme als Zwang erleben
     Zusatzjobs wurden insbesondere für        je mehr Informationen über den potenziel-       und Zusatzjobs allein deshalb ausüben,
Personen mit multiplen Vermittlungs-           len Arbeitgeber bzw. den potenziellen Be-       weil ihnen sonst Sanktionen drohen. Kon-
hemmnissen konzipiert. Als Ziele gelten        werber vorliegen (Abraham/ Hinz 2005).          sequenz könnten sinkende Reservations-
der Erhalt bzw. die (Wieder-)Herstellung       Die Teilnahme an einem Zusatzjob kann           löhne sein, um die Maßnahme möglichst
der Beschäftigungsfähigkeit oder die per-      die Bewerbungsstrategien der Teilnehmer         schnell durch eine Beschäftigungsaufnah-
sönliche Stabilisierung. Weshalb haben sich    verbessern und Kenntnisse über bestimm-         me zu beenden. Damit wird es aber wahr-
Arbeitsgelegenheiten also zu einem der be-     te Berufs- und Tätigkeitsfelder vermitteln,     scheinlicher, dass aufgrund der niedrigeren
deutendsten Instrumente für hilfebedürfti-     sodass die Arbeitssuche verkürzt und eine       Entlohnung der Leistungsbezug noch nicht
ge Jugendliche entwickelt? Ein Grund dürf-     bessere Zuordnung der offenen Stellen zu        endet.
te sein, dass sie häufig als eine Form der     geeigneten Bewerbern ermöglicht wird.                Besonders problematisch dürften sich
Disziplinierung eingesetzt werden, um die          Eine zentrale These der Humankapital-       die dargestellten negativen Effekte für jun-
Arbeits- und Motivationsbereitschaft der       theorie (Becker 1964) ist, dass Bildung und     ge Hilfebedürftige mit guten Qualifikatio-
Betroffenen zu überprüfen (Behrend/Lud-        Wissen die Produktivität eines Arbeitneh-       nen und Erwerbserfahrung erweisen. Sie
wig-Mayerhofer 2008). Ferner könnten die       mers erhöhen. Je länger eine Person ar-         verfügen über bessere Chancen am Ausbil-
Richtlinien der Bundesagentur für Arbeit,      beitslos ist, desto mehr veraltet ihr Wissen    dungs- und Arbeitsmarkt als Geringquali-
die für Unter-25-Jährige eine Arbeitslosig-    und arbeitsrelevante Fertigkeiten gehen         fizierte, weshalb die Teilnahme an einem
keitsdauer von nicht mehr als drei Mona-       verloren. Arbeitgeber handeln demnach ra-       Zusatzjob für diese Gruppe zum einen stär-
ten vorsehen, eine Rolle spielen (Hoh-         tional, wenn sie Bewerber auswählen, die        kere Lock-in-Effekte nach sich ziehen dürf-
meyer/Jozwiak 2008). Da Zusatzjobteil-         nur kurz inaktiv waren. Arbeitsgelegenhei-      te. Zum anderen besteht für sie eine grö-
nehmer nicht arbeitslos gemeldet sind,         ten können hier ansetzen: Neben mögli-          ßere Gefahr, dass sie aufgrund gesenkter
wenn sie wöchentlich mehr als 15 Stunden       chen formellen Qualifizierungselementen         Reservationslöhne Stellen annehmen, die
arbeiten, beträgt die Arbeitslosigkeitsdauer   können sie auch grundlegende Fertigkeiten       ihrem Qualifikationsniveau nicht entspre-
der Teilnehmer im Anschluss an die Maß-        als Voraussetzung für den erfolgreichen         chen und somit eine Beendigung des Leis-
nahme statistisch gesehen wieder null Mo-      (Wieder-)Einstieg ins Erwerbsleben ver-         tungsbezugs nicht garantieren.
nate. Das mag dazu führen, dass Vermittler     mitteln. Gerade für Geringqualifizierte und          Aufgrund der unterschiedlichen Wir-
Unter-25-Jährige einer Arbeitsgelegenheit      arbeitsmarktferne Personen könnte dies          kungsmechanismen ist nicht von vor-
zuweisen, selbst wenn sie an der Zweck-        für die mittelfristige Integration in den Ar-   neherein klar, wie sich die Zusatzjobteil-
mäßigkeit der Teilnahme dieser Personen        beitsmarkt vorteilhaft sein.                    nahme auf die Integrationschancen von
zweifeln. Zum anderen bemühen sich Hilfe-          Allerdings kann die Teilnahme an ei-        Unter-25-Jährigen auswirkt. Dies hängt
bedürftige aufgrund der finanziellen Bes-      nem Zusatzjob auch negative Auswirkun-          unter anderem davon ab, wie die Teilneh-
serstellung und der sozialen Einbindung        gen haben. Solga (2004) verweist z.B. da-       mer von den Job-Centern ausgewählt wur-
häufig selbst um Zusatzjobs.Vermittler set-    rauf, dass das Absolvieren einer Maßnahme       den. Es wäre vorstellbar, dass Job-Center
zen sie dann auch als eine Form der „Be-       nicht nur als Signal für Lernfähigkeit ge-      häufig Personen mit vergleichsweise guten

12        WSI Mitteilungen 1/2010
Integrationschancen für eine Teilnahme         nahmewahrscheinlichkeit an einem Zu-           cherungspflichtigen Beschäftigung nach-
vorsehen.3 Dann werden sich mit hoher          satzjob aufweisen.6 Dadurch sollten sich       gingen. Die Wirkung der Maßnahme be-
Wahrscheinlichkeit für die Teilnehmer-         die ausgewählten Vergleichspersonen von        trachten wir anhand folgender Variablen:
gruppe insgesamt eher keine oder gar           den Teilnehmern bezüglich beobachtbarer
nachteilige Wirkungen einstellen. Deshalb      Merkmale kaum unterscheiden. Propensity        – ungeförderte sozialversicherungspflich-
richten wir unseren Blick darauf, wie die      Score Matching versucht damit, eine expe-      tige (reguläre) Beschäftigung
Wirkungen für spezifische Teilnehmer-          rimentelle Situation nachzustellen. Der        – betriebliche Ausbildung
gruppen ausfallen. Dadurch können wir          Teilnahmeeffekt wird am Ende als Diffe-        – kein Arbeitslosengeld-II-Bezug
feststellen, ob sich für Jugendliche mit be-   renz zwischen dem Wert einer Erfolgs-
sonderen Wettbewerbsnachteilen am Ar-          variablen der Teilnehmer und dem ent-          Das Zeitfenster, das uns zur Beobachtung
beitsmarkt die Teilnahme in Form einer         sprechenden Wert der zugewiesenen Ver-         der sozialversicherungspflichtigen Beschäf-
erhöhten Chance auf Beschäftigung und/         gleichspersonen geschätzt (Nettoeffekt).       tigung zur Verfügung steht, beträgt 28 Mo-
oder betriebliche Ausbildung auszahlt,                                                        nate nach Maßnahmeeintritt; für das Er-
während dies für andere Personengruppen,       4.2 DATEN                                      folgskriterium betriebliche Ausbildung 20
die nicht erst durch Zusatzjobs an den Ar-                                                    Monate. Die Informationen über Arbeits-
beitsmarkt herangeführt werden müssen,         Die Analysen basieren auf Personendaten,       losengeld-II-Bezug liegen bis zum 33. Mo-
eher nicht zutrifft.                           die in verschiedenen Verwaltungsprozessen      nat nach Maßnahmebeginn vor.
                                               der Agenturen für Arbeit und der Jobcen-
                                               ter anfallen, sowie auf Angaben der Arbeit-    4.3 VORGEHEN

4
Methoden
                                               geber zur Beschäftigtenstatistik. Wir nutz-
                                               ten die Integrierte Erwerbsbiografie (IEB),
                                               die Bewerberangebotsdatei, die Leistungs-
                                                                                              Um geschlechtsspezifische und regionale
                                                                                              arbeitsmarktrelevante Unterschiede zu be-
                                               historik Grundsicherung (LHG) und die          rücksichtigen, werden die geschätzten Wir-
4.1 SCHÄTZUNG VON                              Verbleibsnachweise der Statistik der Bun-      kungen jeweils für vier Gruppen darge-
NETTOEFFEKTEN                                  desagentur für Arbeit. Hierdurch liegen        stellt: für Männer und Frauen in Ost- und
                                               uns neben soziodemografischen Angaben          Westdeutschland. Des Weiteren unterschei-
Die Teilnahme erwerbsfähiger Hilfebe-          über die Jugendlichen und jungen Erwach-       den wir einerseits nach Schulbildung (kein
dürftiger an Zusatzjobs erfolgt nicht zufäl-   senen und ihre Bedarfsgemeinschaften           Schulabschluss/Hauptschulabschluss/Mitt-
lig. Teilnahmewirkungen auf den Arbeits-       auch Informationen zu ihrer Erwerbs-           lere Reife bzw. Abitur) und andererseits
markterfolg können daher nicht durch ei-       und Bildungsbiografie, ihrer Teilnahme         nach Berufsausbildung (kein Ausbildungs-
nen Vergleich zwischen Teilnehmern und         an Maßnahmen sowie zum Bezug von               abschluss/mit Ausbildungsabschluss). Fer-
sonstigen bedürftigen Arbeitslosen, die (im    Arbeitslosengeld auf einer tagesgenauen        ner betrachten wir Unterschiede zwischen
gleichen Zeitraum) nicht an der Maßnah-        Basis vor.
me teilnehmen, gemessen werden.4 Wenn               Ausgangspunkt unserer Analyse ist der
die Teilnehmer beispielsweise im Schnitt       Bestand arbeitsloser erwerbsfähiger Hilfe-     3   Dafür sprechen die hohe Anzahl von vermittelten
höher qualifiziert und kürzer erwerbslos       bedürftiger zum 31. Januar 2005 im Alter           Jugendlichen in Zusatzjobs sowie Ergebnisse, dass
                                                                                                  Zusatzjobs nicht gezielt für besonders schwer Ver-
sind als andere arbeitslose erwerbsfähige      von 15 bis 24 Jahren. Als Teilnehmergrup-          mittelbare eingesetzt werden (Wolff/Hohmeyer
Hilfebedürftige, hätten sie von vornherein     pe betrachten wir alle Personen, die im            2006).
bessere Chancen am Arbeitsmarkt. Dann          Zeitraum Februar bis April 2005 in Zu-         4   Der kausale Effekt einer Teilnahme wäre für ein und
würde ein Vergleich zwischen dem Anteil        satzjobs übergehen. Die potenzielle Kon-           dieselbe Person der Unterschied zwischen einer Er-
                                                                                                  folgsvariablen bei Teilnahme und der Erfolgsvariab-
der Beschäftigten in der Teilnehmer- und       trollgruppe besteht aus einer 20-%-Zu-             le ohne Teilnahme; beides ist nicht gleichzeitig be-
der Kontrollgruppe zu einem bestimmten         fallsauswahl aus dem oben genannten Be-            obachtbar (fundamentales Evaluationsproblem),
Zeitpunkt nach Maßnahmebeginn auch             stand arbeitsloser erwerbsfähiger Hilfebe-         sodass adäquate Vergleichspersonen für Teilneh-
diese Unterschiede und nicht nur den           dürftiger, die im Zeitraum Februar bis             mer gefunden werden müssen. Man spricht auch
                                                                                                  vom „potential outcome approach“ oder Roy-
Effekt der Teilnahme an Zusatzjobs mes-        April 2005 nicht an Zusatzjobs teilnehmen.         Rubin-Modell (Roy 1951; Rubin 1974).
sen.                                           Teilnahmeeffekte werden ab dem Eintritts-      5   Beim Probitmodell handelt es sich um ein Regres-
     Daher ermitteln wir durch Propensity      datum in Zusatzjobs gemessen. Da für die           sionsmodell, mit dem der Einfluss verschiedener
Score Matching eine mit den Zusatzjobteil-     Vergleichspersonen im Gegensatz zur Teil-          unabhängiger Variablen auf die Wahrscheinlich-
                                                                                                  keit eines bestimmten Zustands oder Ereignisses
nehmern vergleichbare Gruppe von nicht-        nehmergruppe jedoch kein Monat des                 geschätzt wird. Dem Probitmodell liegt die kumu-
teilnehmenden arbeitslosen Hilfebedürfti-      Maßnahmeeintritts im Zeitraum Februar              lierte Standardnormalverteilungsfunktion zugrun-
gen: Mithilfe von Probitmodellen5 wird die     bis April 2005 vorliegt, wird ihnen ein sol-       de (Andreß et al. 1997).
Teilnahmewahrscheinlichkeit („Propensity       ches Startdatum zufällig aus der Verteilung    6   Wir haben einem Teilnehmer fünf Kontrollperso-
                                                                                                  nen zugewiesen, deren Propensity Score den ge-
Score“) an Zusatzjobs in Abhängigkeit von      der drei Maßnahmeeintrittsmonate der               ringsten (betragsmäßigen) Unterschied zu dem des
beobachtbaren Faktoren (Kovariablen) be-       Teilnehmergruppe zugewiesen. Aus der               Teilnehmers aufweist und sich um nicht mehr als
stimmt, die auch den Arbeitsmarkterfolg        Analyse ausgeschlossen werden Personen,            einen Schwellenwert (Caliper) vom Propensity
der Personen determinieren. Jedem Zu-          die zwischen dem 31. Januar 2005 und dem           Score des Teilnehmers unterscheidet. Eine Ver-
                                                                                                  gleichsperson kann dabei mehreren Teilnehmern
satzjobteilnehmer werden nicht-teilneh-        Zeitpunkt des Maßnahmebeginns nicht ar-            zugeordnet werden. Eine sehr kompakte Darstel-
mende Vergleichspersonen zugeordnet, die       beitslos waren, keine Leistungen mehr be-          lung des Propensity-Score-Matching-Ansatzes fin-
eine möglichst ähnliche (geschätzte) Teil-     zogen haben und/oder einer sozialversi-            det sich in Becker/Ichino (2002).

                                                                                                            WSI Mitteilungen 1/2010
                                                                                                                                                13
Tabelle 1: Messung der Nettoeffekte von Zusatzjobs – Stichprobengrößen –
                                                        Ostdeutschland                                                                    Westdeutschland
                                              Männer                      Frauen                                                 Männer                      Frauen
                                     Teilnehmer   Potenzielle   Teilnehmer     Potenzielle                               Teilnehmer   Potenzielle   Teilnehmer      Potenzielle
                                                 Vergleichs-                   Vergleichs-                                            Vergleichs-                   Vergleichs-
                                                    gruppe                       gruppe                                                 gruppe                        gruppe
Gesamte Stichprobe                      4.783        4.151          3.134         3.403                                    4.214         6.711         1.940           5.706
Teilstichproben:
Schulabschluss
Kein Schulabschluss                        993             1.117                            398              797             1.341           2.334             470           2.090
Hauptschulabschluss                      2.223             1.749                          1.123            1.078             2.289           3.299           1.003           2.349
Mittlere Reife/ Abitur                   1.567             1.285                          1.613            1.528               584           1.078             467           1.267
Berufsabschluss
Kein Berufsabschluss                     2.337             2.372                          1.203            1.798             3.076           5.049           1.276           4.397
Mit Berufsabschluss                      2.446             1.779                          1.931            1.605             1.138           1.692             664           1.309
Erwerbserfahrung
Keine Erfahrung                          2.348             2.308                          2.020            2.368             1.773           3.236           1.051           3.745
Letzter Job vor 2004                     1.482             1.044                            639              602             1.323           1.879             491           1.177
Letzter Job 2004                           953               799                            475              433             1.118           1.596             398             784

Quelle: Berechnung der Autoren auf Basis von Verwaltungspersonendaten.

Personen, deren letzte Beschäftigung vor
                                                                   Abb. 1: Nettoeffekt der Teilnahme an Zusatzjobs auf
2004 endete, im Jahr 2004 endete und
                                                                   reguläre Beschäftigung – in Prozentpunkten –
Personen, die noch nie regulär beschäftigt
waren. Tabelle 1 zeigt die jeweiligen Stich-                                                       Männer (Ostdeutschland)                    Frauen (Ostdeutschland)
probengrößen der Teilnehmer- und Kon-                                                      4
                                                                          Prozentpunkte

trollgruppen auf. Die größte Teilnehmer-                                                   2
                                                                                           0
gruppe sind ostdeutsche Männer mit mehr
                                                                                          -2
als 4.700 Zusatzjobteilnahmen. Die kleins-                                                -4
ten Teilnehmergruppen sind ostdeutsche                                                    -6
Frauen ohne Schulabschluss und westdeut-                                                       0   4   8     12 16 20 24 28              0   4    8    12 16 20 24 28
sche Frauen, die zuletzt im Jahr 2004
                                                                                                   Männer (Westdeutschland)                  Frauen (Westdeutschland)
regulär erwerbstätig waren, mit immer-
                                                                                           4
                                                                          Prozentpunkte

hin noch jeweils knapp 400 Teilnehmerin-                                                   2
nen.                                                                                       0
     Für die Probitschätzungen berücksich-                                                -2
tigen wir Kovariablen, die sowohl die Teil-                                               -4
nahmewahrscheinlichkeit als auch den Ar-                                                  -6
beitsmarkterfolg beeinflussen. Hierzu ge-                                                      0   4   8     12 16 20 24 28         0  4    8 12 16 20 24 28
                                                                                                                             Monate
hören Personen- und Haushaltsmerkmale
                                                                                                                      Signifikant (5-%-Niveau)
der Teilnehmer und der potenziellen Ver-
                                                                   Quelle: Berechnungen der Autoren auf Basis von Verwaltungspersonendaten.
gleichsgruppe (Alter, Nationalität, Migra-
tionsstatus, Gesundheitsstatus, Familien-
stand, Anzahl der Kinder, Qualifikation)                        Variablen zum Vorjahr, Jugendarbeitslosig-                           me tendenziell eher negativ oder gar nicht
und deren Erwerbsbiografie (Indikatoren                         keitsquote, Regionen nach SGB-II-Typo-                               aus. Abbildung 1 und Tabelle 2 weisen aus,
zu Phasen von Arbeitslosigkeit, Nichter-                        logie) wurden ebenfalls aufgenommen.                                 um wie viele Prozentpunkte sich der Anteil
werbstätigkeit und regulärer Beschäfti-                         Durchgeführte statistische Tests verweisen                           von regulär beschäftigten Personen der
gung, Teilnahme an arbeitsmarktpoliti-                          auf eine gute Vergleichbarkeit der Teilneh-                          Teilnehmergruppe von dem entsprechen-
schen Maßnahmen, Charakteristika der                            mer- und Vergleichsgruppe nach Mat-                                  den Anteil der Vergleichsgruppe unter-
zuletzt ausgeübten Tätigkeit, Arbeitslosen-                     ching.7                                                              scheidet. In Abbildung 1 wird deutlich, dass
geld- oder Arbeitslosenhilfebezug). Zudem                                                                                            die Chance, regulär beschäftigt zu sein,
werden Informationen über den Partner                                                                                                durch die Teilnahme in den ersten sechs bis
(Erwerbsbiografie, Qualifikation) berück-
sichtigt, wenn dieser mit im Haushalt lebt.
Arbeitsmarktrelevante regionale Indikato-
                                                                5
                                                                Ergebnisse
                                                                                                                                     acht Monaten nach Maßnahmebeginn für
                                                                                                                                     Männer und Frauen in Ost- und West-

ren auf Kreisebene (Arbeitslosenquote, An-
teil Langzeitarbeitslosigkeit im Pool Ar-                       5.1 ALLGEMEINE ERGEBNISSE                                            7   Ergebnisse zum Vergleichbarkeitsmaß Mean Stan-
                                                                                                                                         dardized Absolute Bias und die umfangreichen Er-
beitsloser, Verhältnis zwischen Vakanzen                                                                                                 gebnisse zu den Determinanten der Zusatzjobteil-
und Arbeitslosenbestand im Januar 2005                          Wie unsere Schätzergebnisse zeigen, wirkt                                nahmewahrscheinlichkeit sind bei den Autoren er-
und der prozentualen Veränderung dieser                         sich für Jugendliche eine Zusatzjobteilnah-                              hältlich.

14           WSI Mitteilungen 1/2010
Tabelle 2: Nettoeffekt der Teilnahme an Zusatzjobs auf „reguläre Beschäftigung“ – in Prozentpunkten –
                                                       Ostdeutschland                                                     Westdeutschland
                                              Männer                   Frauen                                    Männer                     Frauen
                                       6. Monat   28. Monat     6. Monat     28. Monat                    6. Monat    28. Monat      6. Monat     28. Monat
Alle 15–24-Jährigen                    –1,8 *              1,5               –3,5 ***       0              –4 ***           –0,4            –1,7              1,1
Schulabschluss
Kein Schulabschluss                     2,1               1,8                –4,1 *        –3,8            –4,2 ***          0,2            –4,3 **           2,6
Hauptschulabschluss                    –4,1 ***          –0,8                –2,2          –0,4            –3,7 **          –2              –2,4              1,2
Mittlere Reife/Abitur                  –2,8               2,8                –3,9 **        0,4            –5 *             –0,5            –2,3              1,2
Berufsabschluss
Kein Berufsabschluss                   –1                 3,7 ***            –1,7          –0,7            –2,6 **           0              –0,8              3,3 *
Mit Berufsabschluss                    –2,4 *            –0,2                –3,2 **        1,1            –5,3 **          –1,8            –1,4             –1,5
Erwerbserfahrung
Keine Erfahrung                        –2 *               3,9 **             –2,5 **       –0,7            –3,2 **           0,5             0,7              3,2
Letzter Job vor 2004                   –0,1               0,1                –4,2 *         0,6            –5 ***            0,5            –0,3              1,4
Letzter Job 2004                       –2,2              –3,4                –4,8           2,6            –5,6 **          –5,6 *          –7,9 **          –5,5
*** 1-%-Signifikanzniveau, ** 5-%-Signifikanzniveau, * 10-%-Signifikanzniveau.
Quelle: Berechnung der Autoren auf Basis von Verwaltungspersonendaten.

Tabelle 3: Nettoeffekt der Teilnahme an Zusatzjobs auf „betriebliche Ausbildung“ – in Prozentpunkten –
                                                       Ostdeutschland                                                     Westdeutschland
                                              Männer                   Frauen                                    Männer                     Frauen
                                       6. Monat   20. Monat     6. Monat     20. Monat                    6. Monat    20. Monat      6. Monat     20. Monat
Alle 15–24-Jährigen                    –0,1                2 ***             –0,1           0,6            –0,7              0,5             0,6              0,6
Schulabschluss
Kein Schulabschluss                     0,5                1,9               –0,4          –0,1            –1,4 **          –0,9            –1,3             –1,7
Hauptschulabschluss                    –1                  0,6                0,3          –0,1             0                0,4            –0,4             –0,1
Mittlere Reife/Abitur                  –0,5                1,8               –0,8           0              –0,7              2               1,7              2,5
Berufsabschluss
Kein Berufsabschluss                   –0,4                2,7 **                0,1        1              –0,6              0,6             0,6              0,8
Mit Berufsabschluss                    –0,2                0,2                   0,3        1              –0,4              0,5             0,2              0,6
Erwerbserfahrung
Keine Erfahrung                        –1                  1,9 *             –0,3          –0,8            –1 *              0,4             1,5 *            0,7
Letzter Job vor 2004                    0,1                1,2               –0,2           2,4            –0,3              0,6             1                1,6
Letzter Job 2004                       –0,1                0,3                1,2           3,3 *          –0,7             –0,3            –2,3 *           –0,9
*** 1-%-Signifikanzniveau, ** 5-%-Signifikanzniveau, * 10-%-Signifikanzniveau.
Quelle: Berechnung der Autoren auf Basis von Verwaltungspersonendaten.

deutschland um bis zu vier Prozentpunkte                           Hohmeyer/Wolff (2007) und Huber et al.             WIRKUNGEN AUF SOZIAL-
reduziert wird, was auf Einsperreffekte                            (2009).                                            VERSICHERUNGSPFLICHTIGE
hinweist. Die negativen Effekte halten auch                                                                           BESCHÄFTIGUNG
noch für weitere Monate an. Später kommt                           5.2 ERGEBNISSE FÜR UNTERSCHIED-
es zwar für Frauen in beiden Regionen und                          LICHE PERSONENGRUPPEN                              Vor allem für Gruppen mit guten Beschäf-
Männer in Ostdeutschland zu einer positi-                                                                             tigungschancen stellen wir starke Einsperr-
ven Wirkung, sie ist aber statistisch nicht                        Ein Grund für die eher nachteiligen Wir-           effekte in den ersten Monaten nach Beginn
signifikant. Die Nettoeffekte auf die Chan-                        kungen der Zusatzjobteilnahme könnte               der Maßnahme fest. Jugendliche und junge
ce, einer regulären betrieblichen Ausbil-                          sein, dass Zusatzjobs zwar bei erwerbsfer-         Erwachsene, deren letzte Beschäftigung erst
dung nachzugehen, sind häufig nahe null.                           nen Teilnehmern wirksam Arbeitsmarkt-              im Jahr 2004 endete, weisen deutlich stär-
Für westdeutsche Männer finden wir                                 hemmnisse abbauen, Jugendliche mit gu-             kere Einsperreffekte auf als solche, die noch
leichte Einsperreffekte, für ostdeutsche                           ten Voraussetzungen aber eher von einer            keine reguläre Beschäftigung hatten (Tabel-
Männer hingegen 16 bis 20 Monate nach                              frühzeitigeren Aufnahme einer Ausbildung           le 2). Für junge Frauen und Männer mit ab-
Maßnahmeeintritt positive und signifi-                             oder Erwerbstätigkeit abhalten, ohne dass          geschlossener Berufsausbildung liegen so-
kante Wirkungen von bis zu zwei Prozent-                           sie langfristig ihre Integrationschancen           wohl in Ost- wie in Westdeutschland hohe
punkten (Tabelle 3). Schließlich sind Teil-                        verbessern. Daher betrachten wir, inwie-           Einsperreffekte bei Teilnahme an einer Ar-
nahmewirkungen auf die Wahrscheinlich-                             weit die Maßnahmeeffekte nach Qualifika-           beitsgelegenheit vor. Langfristig gibt es für
keit, kein Arbeitslosengeld II zu beziehen,                        tion und Erwerbserfahrung der Teilnehmer           Männer in Westdeutschland, deren letzte
noch nachteiliger als die Beschäftigungs-                          variieren. In den Tabellen 2 bis 4 sind die        Beschäftigung erst im Jahr 2004 endete, die
wirkungen (Tabelle 4). Soweit die Ergeb-                           Nettoeffekte jeweils sechs Monate nach             stärksten negativen Beschäftigungseffekte.
nisse vergleichbar sind, stützen sie Er-                           Maßnahmeeintritt und zum Ende des Be-                   Für einige Gruppen mit tendenziell ge-
kenntnisse aus den Untersuchungen von                              obachtungszeitraums dargestellt.                   ringeren Arbeitsmarktchancen lassen sich

                                                                                                                                   WSI Mitteilungen 1/2010
                                                                                                                                                                      15
Tabelle 4: Nettoeffekt der Teilnahme an Zusatzjobs auf „kein Arbeitslosengeld-II-Bezug“ – in Prozentpunkten –
                                                       Ostdeutschland                                                    Westdeutschland
                                              Männer                   Frauen                                   Männer                     Frauen
                                       6. Monat   33. Monat     6. Monat     33. Monat                   6. Monat    33. Monat      6. Monat     33. Monat
Alle 15- bis 24-Jährigen               –3,8 ***          –1,1                –3,1 ***    –3,7 **          –6,4 ***           –3,9 ***         –4 ***           –0,3
Schulabschluss
Kein Schulabschluss                    –1,2               2,3                 0,4        –7,9 *           –6,1 ***           –2,7             –3,9 *           –1,6
Hauptschulabschluss                    –4,6 ***          –5,4 **             –3,4 **     –3,1             –6,9 ***           –2,4             –1,9              3,3
Mittlere Reife/Abitur                  –5,3 ***          –2,4                –4,1 **     –2,7             –8,4 ***           –6 *            –10 ***           –4,4
Berufsabschluss
Kein Berufsabschluss                   –1,8 *             1,1                –1,4        –4,7 *           –5,8 ***           –3,2 *           –2,5 *            1,7
Mit Berufsabschluss                    –5 ***            –4 *                –3,9 ***    –1,9            –10,1 ***           –3,8             –5 *             –1,2
Erwerbserfahrung
Keine Erfahrung                        –3,2              –0,6                –3,7 ***    –4,3 *           –5,9 ***           –2,5             –2,9 *            2
Letzter Job vor 2004                   –4,1 ***          –1,3                –0,6         1               –6,8 ***           –1,9             –2,2              1,1
Letzter Job 2004                       –2,4              –4                  –9,6 ***    –6               –8,9 ***           –8,1 ***         –9,9 ***         –4,5
*** 1-%-Signifikanzniveau, ** 5-%-Signifikanzniveau, * 10-%-Signifikanzniveau.
Quelle: Berechnung der Autoren auf Basis von Verwaltungspersonendaten.

längerfristig jedoch auch positive Beschäf-                      die Arbeitslosigkeit konnte vielleicht neue
tigungswirkungen feststellen. Dies gilt z.B.
für junge westdeutsche Frauen und junge
ostdeutsche Männer ohne einen Ausbil-
                                                                 Kontakte zu Betrieben eröffnen und somit
                                                                 die Chancen der jungen Frauen auf einen
                                                                 Ausbildungsplatz erhöhen. Um den dahin-
                                                                                                                     6
                                                                                                                     Schluss
dungsabschluss beziehungsweise ohne vor-                         terliegenden Mechanismus näher auf-
herige reguläre Beschäftigung. Für junge                         klären zu können, bräuchte man jedoch               Die vorliegende Studie bestätigt Befunde,
Männer mit Qualifikationsdefiziten in Ost-                       mehr Informationen über die vorherige               dass öffentlich geförderte Zusatzjobs ten-
deutschland, wo die Arbeitsmarktlage sehr                        Beschäftigung und die inhaltliche Ausge-            denziell keine oder gar negative Effekte auf
schwierig ist, könnte dies darauf hindeu-                        staltung der Zusatzjobs.                            die Beschäftigungschancen und die Been-
ten, dass sie im Wettbewerb um knappe                                                                                digung des Arbeitslosengeld-II-Bezugs von
Stellen durch die Teilnahme an Zusatzjobs                        WIRKUNGEN AUF DEN ARBEITS-                          Jugendlichen und jungen Erwachsenen un-
Vorteile gegenüber Nicht-Teilnehmern ge-                         LOSENGELD-II-BEZUG                                  ter 25 Jahren haben. Bislang ungeklärt war
wonnen haben. Westdeutsche Frauen mit                                                                                die Frage, ob möglicherweise Ausbildungs-
Qualifikationsdefiziten könnten durch die                        Für keine der verschiedenen Subgruppen              chancen verbessert werden können, aber
Zusatzjobteilnahme zur Erwerbstätigkeit                          der Jugendlichen und jungen Erwachsenen             auch hier lässt sich nicht von einer Erfolgs-
motiviert worden sein.8                                          ergaben unsere Analysen positive Effekte            bilanz sprechen. Ungeklärt ist, ob andere
                                                                 einer Teilnahme an Arbeitsgelegenheiten             Ziele von Zusatzjobs, wie etwa die per-
WIRKUNGEN AUF AUSBILDUNG                                         auf die Wahrscheinlichkeit, kein Arbeitslo-         sönliche Stabilisierung der Teilnehmer,
                                                                 sengeld II (ALG II) zu beziehen. Obwohl             erreicht wurden. Unter dem Gesichts-
Für junge ostdeutsche Männer ohne Aus-                           für einzelne Subgruppen mit geringeren              punkt, dass Arbeitsgelegenheiten das wich-
bildung und Berufserfahrung erhöht eine                          Qualifikationen und Arbeitserfahrung län-           tigste arbeitsmarktpolitische Instrument
Zusatzjobteilnahme die Chance, einer be-                         gerfristig positive Effekte auf die Aufnahme        für Hilfebedürftige unter 25 Jahren darstel-
trieblichen Ausbildung nachzugehen. Im                           einer regulären Beschäftigung vorhanden             len, stimmen diese Ergebnisse dennoch
zwanzigsten Monat nach Maßnahmebe-                               sind, entstehen hierdurch keine positiven           kritisch.
ginn haben sie eine signifikant höhere                           Effekte auf die Beendigung des ALG-II-Be-               Ein Grund für fehlende positive Maß-
Chance, in Ausbildung zu sein, als Nicht-                        zugs (Tabelle 4). Möglicherweise reduzie-           nahmeeffekte liegt vermutlich in der un-
teilnehmer (Tabelle 3). Für die meisten an-                      ren die Teilnehmer ihre Anspruchslöhne              differenzierten Vergabe von Zusatzjobs. So
deren Personengruppen sind die Effekte 20                        und nehmen vermehrt gering entlohnte                legen unsere Ergebnisse nahe, dass sich die
Monate nach Maßnahmebeginn statistisch                           Beschäftigungen auf, sodass sie aufsto-             Effektivität verbessern ließe, wenn sich Zu-
jedoch nicht signifikant. Die einzige Aus-                       ckend ALG II beziehen. Wie oben beschrie-           satzjobs verstärkt an diejenigen richten
nahme sind ostdeutsche Frauen, die noch                          ben, entstehen für einige Subgruppen der            würden, für die dieses Instrument konzi-
im Jahr vor ihrer Teilnahme einer ungeför-                       jungen Hilfebedürftigen am Ende des Be-             piert wurde. Bei einigen Subgruppen mit
derten sozialversicherungspflichtigen Be-                        obachtungsfensters auch positive Effekte
schäftigung nachgegangen sind und mit                            auf die Aufnahme einer betrieblichen Aus-
mehr als drei Prozentpunkten den höchs-                          bildung. Aufgrund meist relativ niedriger           8   In einer separaten Schätzung nur für 21- bis 24-
ten Teilnahmeeffekt aufweisen. Vorstellbar                       Ausbildungsvergütungen wird davon aber                  Jährige ergeben sich sehr ähnliche Effekte. Die po-
ist, dass ihre vorherige Beschäftigung vor                       kaum ein Effekt auf die Beendigung der Be-              sitiven Effekte für einige der Gruppen ohne Aus-
                                                                                                                         bildungsabschluss oder ohne vorherige Berufser-
allem eine Form der Überbrückung einer                           dürftigkeit ausgehen.
                                                                                                                         fahrung lassen sich also nicht allein darauf zurück-
erfolglosen Ausbildungssuche darstellte.                                                                                 führen, dass sie durchschnittlich noch relativ jung
Die Zusatzjobteilnahme im Anschluss an                                                                                   sind.

16           WSI Mitteilungen 1/2010
Qualifikationsdefiziten und geringer Ar-            den, eine Rolle spielen. Zum anderen wer-         kaum Erfahrung mit dem Instrument.
beitserfahrung verzeichneten wir etwa               den Zusatzjobs häufig als Test auf Arbeits-       Denkbar ist, dass sich die Zuteilungspraxis
1,5 Jahre nach Maßnahmebeginn positive              bereitschaft und Überprüfung der Verfüg-          oder die Qualität der Zusatzjobs in den
Effekte auf ihre Beschäftigungs- und Aus-           barkeit genutzt. Dies kann wiederum zu            letzten Jahren verbessert hat.9 Ob dadurch
bildungschancen. Für besser qualifizierte           Effekten führen, die in der vorliegenden          inzwischen eine effektivere Teilnahme-
Personen oder Personen, die erst vor rela-          Studie nicht überprüft wurden: Jugendli-          wirkung für Jugendliche erzielt wird, müs-
tiv kurzer Zeit noch regulär beschäftigt wa-        che und junge Erwachsene erhöhen mögli-           sen künftige Evaluationsstudien erst noch
ren, liegen hingegen zum einen kurzfristig          cherweise ihre Anstrengungen, die Hilfebe-        nachweisen.10
stärkere Einsperreffekte vor. Zum anderen           dürftigkeit zu beenden, um nicht an einer
weisen unsere Ergebnisse teils auch auf             Arbeitsgelegenheit teilnehmen zu müssen.
langfristige negative Beschäftigungseffekte         Die Wirkung entstünde vor allem dadurch,          9  Durch eine Betrachtung der Entwicklung der An-
für erwerbsnahe Jugendliche und junge Er-           dass beispielsweise die rasche Aufnahme              teile Geringqualifizierter an den unter-25-jährigen
wachsene hin. Insbesondere unter dem Ge-            besonders gering entlohnter Jobs attrakti-           arbeitslosen Hilfebedürftigen und Zusatzjobteil-
sichtspunkt, dass prekäre Erwerbseinstiege          ver wäre als ein Zusatzjobangebot. Der em-           nehmern könnten hierzu Anhaltspunkte gewon-
                                                                                                         nen werden. Bedauerlicherweise sind die Angaben
das Risiko geringerer Beschäftigungsstabi-          pirische Nachweis für einen solchen Me-              der Statistik der Bundesagentur für Arbeit zur Be-
lität im weiteren Erwerbsverlauf erhöhen,           chanismus steht allerdings noch aus. Zu-             rufsausbildung dieses Personkreises infolge der
wäre dies sehr kritisch zu bewerten. Für er-        dem wäre der Preis hierfür, dass Jugendli-           Einführung neuer Erfassungssysteme insbesonde-
werbsnahe Unter-25-Jährige sollten des-             che und junge Erwachsene Tätigkeiten                 re in den Jahren 2006 und 2007 aber auch noch
                                                                                                         teilweise im Jahr 2008 lückenhaft. Daher können
halb alternative Eingliederungsstrategien           annehmen würden, die kaum Beschäfti-                 wir diese Trends nicht betrachten.
verfolgt werden. Analysen, die die Wirkun-          gungsperspektiven bieten und in denen sie         10 Die Studie von Huber et al. (2009) untersucht Teil-
gen verschiedener Förderinstrumente mit-            ihre Qualifikationen und Kompetenzen                 nahmewirkungen mithilfe von 150 Zugängen in
einander vergleichen, könnten hier künftig          nur wenig zur Geltung bringen können.                Zusatzjobs von Unter-25-Jährigen im Eintrittszeit-
                                                                                                         raum November 2007 bis März 2008. Mit diesen
Anhaltspunkte geben.                                    Unsere Ergebnisse beziehen sich auf              geringen Fallzahlen können Effekte der Teilnahme
     Als Gründe für die undifferenzierte            Personen, deren Teilnahme in den ersten              nicht präzise geschätzt werden. Die Wirkungen
Vergabe von Zusatzjobs sind mehrere Ur-             Monaten des Jahres 2005 und damit zu ei-             wurden zudem nur für bis zu neun Monate nach
sachen denkbar. Zum einen wird die Ziel-            nem sehr frühen Zeitpunkt nach der Ein-              Maßnahmeeintritt untersucht. Damit lässt sich
                                                                                                         nicht klären, ob die Wirkungen für Teilnehmer im
vorgabe der Bundesagentur für Arbeit, Ar-           führung der Grundsicherung für Arbeitsu-             Beobachtungszeitraum November 2007 bis März
beitslosigkeitsdauern von mehr als drei             chende stattgefunden hat. Damals hatten              2008 grundsätzlich anders ausfallen als für Teil-
Monaten bei Unter-25-Jährigen zu vermei-            die zuständigen Grundsicherungsträger                nehmer zu Anfang des Jahres 2005.

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                                                                                                                                                       17
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