Ein Recherche- und Ausstellungs-projekt zur Basler Kolonial-geschichte - A Research and Exhibition Project on Basel's Colonial History
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Ein Recherche- und Ausstellungs- projekt zur Basler Kolonial- geschichte A Research and Exhibition Project on Basel’s Colonial History
Stimmen aus einer Druck Publikation / Stimmen aus einer archivierten Stille archivierten Stille / Print Publication: Voices from an Multicolor Print, Baar Anfertigung Ein Recherche- und Ausstellungsprojekt Archived Silence zur Basler Kolonialgeschichte Stoffdruck / Cloth Printing: Foyer Grosse Bühne, Big Image Systems, Potsdam Theater Basel, Voices from an Archived Silence Theaterstrasse 7, Druck Displaytafeln, Klebefolien / A Research and Exhibition Project 4051 Basel Print Display Panels, Adhesive Foil: on Basel’s Colonial History Creaplot AG, Münchenstein Kuratorinnen, Herausgeber- 3D-Modell und 3D-Druck / innen / Curators, Editors: 3D-Model and 3D-Print: Vera Ryser, Sally Schonfeldt CL-Y GmbH, Daniel Lütolf, Prashant Marthak Von / By Künstler*innen / Artists: Vera Ryser, Sally Schonfeldt Rahmat Arham, Art Finishing 3D-Druck / Angela Wittwer, 3D-Print Art Finishing: Julia Sarisetiati, Moises Bürgin Mit / With Jimged Ary Sendy Trisdiarto, Rahmat Arham, Deneth Piumakshi Deneth Piumakshi Leihgabe / Loan: Wedaarachchige, Julia Sarisetiati, Wedaarachchige, Pultvitrinen / Exhibition display Duo Ryser + Schonfeldt vitrines (ca 1910) Bernhard Schär, Jimged Ary Sendy Museum der Kulturen Basel Trisdiarto, Angela Wittwer Wissenschaftliche Beratung / (VI 70411, VI 70412) Scientific Advice: Bernhard Schär Für das Theater Basel / Wissenschaftliche Assistenz / For Theater Basel: Research Assistant: Rahmat Arham, Rahel Gutmann Ausstellungsbau / Exhibition Installation: Produktionsleitung, Rahmen Werkstätten Theater Basel programm / Production Management, Public Programme: Werkstätten Leitung Sabrina Hofer Ausstellungsbau / Workshop Management: Szenografie / Scenography: Gregor Janson, René Matern Lisa Dässler Technische Leitung Foyer / Assistenz Szenografie / Technical Direction Foyer: Assistant Scenography: Beat Weissenberger Daniel Felgendreher Veranstaltungstechnik u. Logistik / Grafik / Graphic Design: Event Technicians and logistics: Aude Lehmann Patrick Soland, Maximilian Herber (Video), Philipp Sanwald (Licht), Fotografie / Photography: Thierry Bohnenblus, Nicolas Futsch Flavio Karrer Intendant / General Directorat: Übersetzung / Translation: Andreas Beck, vertreten durch Alexandra Berlina, Mirjam Bitter Pavel B. Jiracek, Almut Wagner, Richard Wherlock Korrektorat / Proofreading: Philine Erni, Leila Peacock, Kaufmännische Direktion / Angela Wittwer Administrative Directorat: Henriette Götz Foyer Grosses Haus, Theater Basel 12. 01.–30. 05. 2020 Eine Koproduktion des Theater Basel mit Bernhard Schär und dem Duo Ryser + Schonfeldt / A Co-production by Theater Basel with Bernhard Schär and Duo Ryser + Schonfeldt: Öffnungszeiten / Opening Hours: Geöffnet jeweils 90 Minuten vor Vorstellungsbeginn auf der Grossen Bühne Open 90 minutes before the start of the performance on the big stage Gefördert von / Supported by:
Bildnachweis / Photo Credits Inhaltsverzeichnis Publikation / Publication: 10 Angela Wittwer; 6 Stimmen aus einer archivierten Stille MKB, Fll.c, 2159; Vera Ryser und Sally Schonfeldt Angela Wittwer 10 Bildessay Dan Dia Bilang Gitu 11 Angela Wittwer; Ryser + Schonfeldt Rahmat Arham und Angela Wittwer 12 MKB, Fll.c, 2104; 14 Geschichte in einer postkolonialen, Collection Nationaal Museum postdisziplinären und polyglotten Welt van Wereldculturen, Coll.no. 10001625; Bernhard Schär mongabay.co.id / 20 Bildessay 136 Years Ago and Now Eko Rusdianto Deneth Piumakshi Wedaarachchige 13 The Jakarta Post / Seto Wardhana; 24 Postkoloniale Gedächtnisstützen mongabay.co.id / Vera Ryser und Sally Schonfeldt Eko Rusdianto 33 Bildessay Die verwobenen Geschichten 20 Deneth Piumakshi Wedaarachchige von drei Modellfiguren und einem Vogel 21 Deneth Piumakshi Vera Ryser und Sally Schonfeldt Wedaarachchige 38 Künstler*innenbiografien 22 Deneth Piumakshi Wedaarachchige 42 Bildessay A Possibility of Owning Other’s Text 23 Deneth Piumakshi Julia Sarisetiati und Jimged Ary Sendy Trisdiarto Wedaarachchige 33 Ryser + Schonfeldt 34 Ryser + Schonfeldt 46 Kurze Werkbeschreibungen 35 Flavio Karrer Ausstellungsplan im Umschlag 36 Flavio Karrer; Ryser + Schonfeldt 37 Ryser + Schonfeldt 42 Collection Nationaal Museum van Wereldculturen, Coll.no. 10001625; Pustaka Sawer Gading 43 Ahmat Saransi; Julia Sarisetiati 44 Rahmat Arham; Contents Julia Sarisetiati 45 Julia Sarisetiati; Julia Sarisetiati 6 Voices from an Archived Silence Umschlag / Cover: Vera Ryser and Sally Schonfeldt MKB FIIc.2325 10 Image Essay Dan Dia Bilang Gitu Foyer Grosses Haus, Theater Basel Rahmat Arham and Angela Wittwer Objektbiografien Grossformat / 14 History in a Postcolonial, Postdisciplinary Object Biographies Large Format: and Polyglot World Vedda, v.l.n.r. / f.l.t.r.: Bernhard Schär Flavio Karrer, 2019; 20 Image Essay 136 Years Ago and Now Adelhausermuseum Freiburg i.Br., 4758, 4844 / 4945; Deneth Piumakshi Wedaarachchige Flavio Karrer, 2019; 24 Postcolonial Mnemonics MKB, X 4558; Vera Ryser and Sally Schonfeldt Flavio Karrer, 2019; Ryser + Schonfeldt, 2018; 33 Image Essay The Entangled Histories MKB, FII.a, 573; of Three Exhibition Figures and a Bird MKB, FII.a, 579; Vera Ryser and Sally Schonfeldt MKB, FII.a, 527; Flavio Karrer, 2019; 38 Artist Biographies Flavio Karrer, 2019; 42 Image Essay A Possibility of Owning Other’s Text Flavio Karrer, 2019. Julia Sarisetiati and Jimged Ary Sendy Trisdiarto Zosterops, v.l.n.r. / f.l.t.r.: Flavio Karrer, 2019; 46 Short Work Descriptions Kantonale Denkmalpflege Exhibition Plan in the cover Basel-Stadt, Isenschmid 1963; commons; MKB, FIIc.D.2,2159; Flavio Karrer 2019; Flavio Karrer 2019; Flavio Karrer 2019; Flavio Karrer 2019. 5
Stimmen Als Duo beschäftigen wir uns im Rahmen von langjährig angelegten Recherchen mit The- men mit der Dramaturgin Sabrina Hofer und dem Dramatiker Thiemo Strutzenberger ini- lieferten rassistischen Denkweise und nach der Repräsentation einer pluralistischen Ge- aus einer men im Spannungsfeld von kolonialer Theo- rie und migrantischen Diskursen. Als wir vor tiierten. Entstanden ist ein dreiteiliges immer- sives Projekt mit einer Uraufführung, einer sellschaft in den Schweizer (Kultur-)Institutio nen nachgehen. Die drei verschiedenen Pro- archivierten mehr als drei Jahren Bernhard Schär kennen- Ausstellung und einem Rahmenprogramm: jekte ermöglichen es den Besucher*innen, lernten und seine Studie Tropenliebe lasen, Thiemo Strutzenberger beschäftigt sich in sich durch unterschiedliche künstlerische Stille realisierten wir bald, dass wir uns wohl noch seinem auf der Kleinen Bühne uraufgeführ- Herangehensweisen und auf verschiedenen länger mit diesem Buch auseinandersetzten ten Stück Die Wiederauferstehung der Vögel Bedeutungsebenen mit diesen Themen aus- werden. Seine globalhistorische Analyse über mit der privaten Lebensgeschichte von Fritz einanderzusetzen. die kolonialen Verflechtungen der Schweiz an und Paul Sarasin und ihren imperialen Verstri Der Ausstellung Stimmen aus einer ar Vera Ryser hand der Basler Naturforscher Paul und Fritz Sarasin, die um 1900 koloniale Forschungs ckungen. Unsere Ausstellung Stimmen aus einer archivierten Stille bespielt das Foyer chivierten Stille geht eine zweijährige Re- cherche voraus, in der wir uns vertieft mit den und Sally expeditionen tätigten, hat uns begeistert. Die des Grossen Hauses und verhandelt das ko- Archivbeständen von Fritz und Paul Sarasin Auseinandersetzung mit den umfangreichen loniale Erbe von Basler Museen und Archiven aus Sri Lanka und Indonesien im Naturhisto Schonfeldt kolonialen Sammlungen der beiden Sarasin kritisch, vielstimmig und im Dialog mit Künst- rischen Museum, im Museum der Kulturen Grosscousins in Basler Museen und Archi- ler*innen aus Sri Lanka, Indonesien und der sowie in anderen Sammlungen und Archiven ven ermöglichten es uns, an diesem Beispiel Schweiz. Schliesslich hat Sabrina Hofer ein in Basel auseinandergesetzt haben. Aus dem Schweizer Verstrickungen in koloniale Un- dichtes Rahmenprogramm mit öffentlichen kolonialisierten Gebieten Ceylon (heute Sri terfangen aufzuzeigen, den Umgang mit Kul Diskussionsveranstaltungen, nationalen und Lanka) und Celebes (heute Sulawesi in Indo turgütern aus kolonialen Kontexten hier in internationalen Gästen aus Wissenschaft, nesien) hatten Fritz und Paul Sarasin zwischen der Schweiz zu verhandeln sowie Formen Politik und Kultur zusammengestellt. Gemein 1883 und 1903 neben mehreren tausend Pflan einer polyzentrischen Ausstellungspraxis zu sam möchten wir am Theater Basel eine ver- zen und Tieren, knapp 2000 teilweise unter erproben. tiefte Reflexion über die kolonialen Verstri- Gewaltanwendung hergestellte Fotografien, Schärs Arbeit bildete schliesslich den ckungen Basels führen und damit verbundene über 2000 Alltags- und Kultgegenstände so- Ausgangspunkt für ein grossangelegtes Pro- Fragen nach der Wirkungsweise einer über wie 88 menschliche Schädel und Skelette jekt am Theater Basel, welches wir zusam- nach Basel gebracht. tion and a supporting programme. Thiemo Voices As an artistic duo, we use long-term research to deal with topics situated in the field of ten- Strutzenberger deals with the private life sto- ry of Fritz and Paul Sarasin and their imperi- Lanka and Indonesia at the Natural History Museum, the Museum der Kulturen and oth- from an sion between colonial theory and migrant al entanglements in his play Die Wiederaufer er collections and archives in Basel. Between discourses. When, over three years ago, we stehung der Vögel, premiered on the Kleine 1883 and 1903, Fritz and Paul Sarasin brought Archived met Bernhard Schär and read his study Tro Bühne. Our exhibition, Voices from an Archiv several thousand plants and animals, almost penliebe, we soon realized that this book ed Silence, in the foyer of the theatre, nego- 2000 photographs (some taken by force), would become an object of long-term interest tiates the colonial heritage of Basel museums over 2000 everyday and cult objects as well Silence for us. His global historical analysis of Swit- zerland’s colonial interdependencies based and archives—critically, polyphonically and in dialogue with artists from Sri Lanka, Indo- as 88 human skulls and skeletons from the colonised areas of Ceylon (now Sri Lanka) upon the Basel naturalists Paul and Fritz nesia and Switzerland. Finally, Sabrina Hofer and Celebes (now Sulawesi in Indonesia) to Vera Ryser Sarasin—second cousins who conducted has put together an event-packed programme Basel. Confronted with these extensive and colonial research expeditions around 1900— with public discussions featuring Swiss and often sensitive archival holdings, we had to and Sally deeply inspired us. By reflecting on the ex- international guests from academia, politics ask ourselves how to deal with this material. tensive colonial collections of the Sarasins in and culture. Together, we will generate an in- How can these holdings be decolonised? Is Schonfeldt Basel’s museums and archives we could use depth reflection on Basel’s colonial entangle- this even possible? The exhibition is intend- this example to demonstrate Swiss involve- ments at the Theater Basel, pursuing ques- ed to refer not only to the past but also to ment in colonial endeavours, to negotiate tions about the effects of handed-down racist present and future debates. It was important questions around cultural heritage from co- thought patterns and the representation of a for us to recognize the blind spots of these lonial contexts here in Switzerland and to pluralistic society in Swiss (cultural) institu- archives and to fill their gaps with perspec- engage in polycentric exhibition practices. tions. The three projects enable viewers to tives from beyond Basel and Switzerland. We Schär’s work formed the starting point engage with these themes through different therefore invited artists from Sri Lanka and for a large-scale project at Theater Basel, artistic approaches operating at different lev- Indonesia to examine the archive material which we co-initiated with the dramaturge els of meaning. from their perspectives and to propose new Sabrina Hofer and the playwright Thiemo The exhibition Voices from an Archived ways of dealing with it. Strutzenberger. The result is a three-part im- Silence is based on two years of researching This resulted in diverse artistic works, mersive project with a première, an exhibi- the Fritz and Paul Sarasin archives from Sri all of which activate previously absent voices. 6 7
Voices from an Archived Slience Konfrontiert mit diesen umfangreichen, teil- setiati, Jimged Ary Sendy Trisdiarto, Angela weise sensiblen Archivbeständen stellte sich Wittwer und Rahmat Arham beschäftigen uns von Anfang an die Frage, wie wir mit die- sich mit Widerstandgeschichten während sem Archivmaterial umgehen können. Wie der indonesischen Kolonialzeit und verhan- können diese Bestände dekolonialisiert wer- deln unter anderem die Gedichte von Colliq diese auch zu erweitern. Die verschiedenen den und ist das überhaupt möglich? Die Aus- Pujié, Schriftstellerin und antikoloniale sula- künstlerischen Perspektiven befragen, er- stellung sollte nicht nur auf die Vergangenheit wesische Intellektuelle, die sich gegen die gänzen und kommentieren sich in ihrer räum- verweisen, sondern ebenso auf gegenwärti- niederländische Kolonialmacht auflehnte. In lichen Anordnung und fordern sich dabei ge und zukünftige Debatten Bezug nehmen. unserer eigenen Arbeit beschäftigen wir uns gegenseitig heraus. Es war uns wichtig, die Lücken, die blinden vertieft mit zwei einzelnen Objekten aus den Dieses Projekt wäre nicht möglich ge Flecken dieser Archive zu kennzeichnen und Sarasinischen Sammlungen und erstellen wesen ohne die grossartige Zusammenarbeit mit anderen Sichtweisen, die aus der Basler jeweils eine Objektbiografie. Wir werfen die mit ganz vielen engagierten Menschen in und der Schweizer Perspektive ausbrechen, Frage auf, was diese beiden Objekte über der Schweiz, in Indonesien und in Sri Lanka. zu besetzen. Wir luden deshalb Künstler*in- sich selbst und die verschiedenen kolonialen Wir danken unserem Team und den vielen nen aus Sri Lanka und Indonesien ein, das Kontexte, in die sie verwickelt sind, vermit- Helfer*innen von Herzen: Rahmat Arham, Archivmaterial aus ihren Perspektiven zu un- teln, wenn sie uns ihre eigene Geschichte Andreas Beck, Alexandra Berlina, Mirjam tersuchen und einen neuen Umgang damit erzählen könnten. Zudem kehren wir den Bitter, Moises Bürgin, Lisa Dässler, Güneş vorzuschlagen. exotisierenden Blick der Sarasins um und Direk, Philine Erni, Katrin Hammerl, Sabrina Entstanden sind verschiedene eigen- fokussieren in einem fiktionalisierten Muse- Hofer, Jorge von Känel, Flavio Karrer, Aude ständige künstlerische Arbeiten, die allesamt umsdisplay auf die Darstellung der Sarasins Lehmann, Daniel Lütolf, Prashant Marthak, Stimmen aktivieren, die vorher in den Archi- selbst. Deneth Piumakshi, Julia Sarisetiati, Bernhard ven nicht vorhanden waren. Deneth Piumak Gemeinsam erzeugen diese verschie- Schär, Thiemo Strutzenberger, Jimged Ary shi reiste nach ausgiebigen Recherchen in denen Herangehensweisen im Foyer des Sendy Trisdiarto, Almut Wagner, Angela Witt- den Basler Archiven im Sommer 2019 nach Theater Basel eine visuelle Welt, welche die wer, allen Mitarbeiter*innen der Werkstätten Sri Lanka und interviewte Menschen in den kolonialen Verbindungen zwischen Sri Lanka, des Theater Basel und natürlich auch den Dörfern, in welchen die Sarasins vor über 130 der Schweiz und Indonesien um 1900 auf- äusserst hilfsbereiten Teams vom Naturhis Jahren geforscht und gesammelt hatten. Auf- zeigen und zeitgenössisch verhandeln. Mit torischen Museum Basel, vom Museum der zeichnungen von diesen Begegnungen sowie der Szenografin Lisa Dässler haben wir Mög- Kulturen Basel, vom Staatsarchiv Basel- weitere Interviews, die sie mit Schweizer*in- lichkeiten gefunden, diese Arbeiten in die Stadt, vom Historischen Museum Basel und nen mit tamilischer Herkunft hier in Basel Architektur des Foyers zu integrieren und von der Denkmalpflege Basel. führte, sind Teil der Ausstellung. Julia Sari- the exoticizing gaze of the Sarasins by cre- Bürgin, Lisa Dässler, Güneş Direk, Philine After extensive research in the Basel archives, ating a fictitious museum display focusing on Erni, Katrin Hammerl, Sabrina Hofer, Jorge Deneth Piumakshi travelled to Sri Lanka in the a representation of the Sarasins themselves. von Känel, Flavio Karrer, Aude Lehmann, summer of 2019 and interviewed people in the Together, the different approaches ex- Daniel Lütolf, Prashant Marthak, Deneth villages where the Sarasins had researched hibited in the foyer of the Theater Basel cre- Piumakshi, Julia Sarisetiati, Bernhard Schär, and collected their materials over 130 years ate a visual world that shows the colonial Thiemo Strutzenberger, Jimged Ary Sendy ago. Records of these encounters, as well as connections between Sri Lanka, Switzerland Trisdiarto, Almut Wagner, Angela Wittwer, all interviews that Deneth Piumakshi conducted and Indonesia around 1900, negotiating them employees of the Theater Basel workshops with Swiss citizens of Tamil origin in Basel, from a contemporary perspective. In coop- and, of course, the extremely helpful teams are part of the exhibition. Julia Sarisetiati, eration with the scenographer Lisa Dässler, from the Natural History Museum of Basel, Jimged Ary Sendy Trisdiarto, Angela Wittwer we have found ways to integrate these works the Museum der Kulturen Basel, the City Ar- and Rahmat Arham deal with resistance sto- into the existing architecture, thus “expand- chive of Basel, the Basel Historical Museum ries during the Indonesian colonial period— ing” the foyer. Through their spatial arrange- and the historical preservation association for instance, the poems of Colliq Pujié, a ment, the various artistic perspectives ques- Denkmalpflege Basel. writer and Sulawesi intellectual who rebelled tion, complement and challenge each other. against Dutch colonial power. In our own This project would not have been pos- work, we deal in depth with two individual sible without the wonderful collaboration objects from the Sarasin archive, creating a with many committed people in Switzerland, biography for each. If these two objects could Indonesia and Sri Lanka. We thank our team talk, what would they tell about themselves and the many helpers from the bottom of and the various colonial contexts in which our hearts: Rahmat Arham, Andreas Beck, they were involved? Moreover, we reverse Alexandra Berlina, Mirjam Bitter, Moises 8 9
Rahmat Arham and Angela Wittwer Dan Dia Bilang Gitu Reisbauer und Aktivist Asfriyanto Daeng Rewa zeigt auf einer Karte auf den Berg Bohong Langi, be stiegen von Fritz und Paul Sarasin am 24. April 1902. Makassar, Sulawesi, 23. Juli 2019. Rice farmer and activist Asfriyanto Daeng Rewa points on a map at the mountain Bohong Langi, climbed by Fritz and Paul Sarasin on April 24, 1902. Makassar, Sulawesi, July 23, 2019. Die Expeditionsmannschaft der Sarasins mit Trägern (sitzend), Obmann, Übersetzern, Führern und wissenschaftlichen Sammlern (stehend im Hintergrund). Zentralsulawesi, 1902. The Sarasins’ expedition crew with carriers (sitting), foreman, translators, guides, and scientific collectors (standing in the back ground). Central Sulawesi, 1902. Wandbild einer Karstlandschaft neben dem Parkplatz eines Minimarkts. Gowa, 19. Juli 2019. Mural of a karst landscape next to the parking lot of a mini market. Gowa, July 19, 2019. Mikrofilmscanner und Bildschirm zur Sao-Sao, Fürst von Laiwoi mit Manuskript-Digitalisierung und Resident J.A.G. Brugman auf dem -Wiedergabe in einem Abstellraum Gouverneursdampfer «Schwan», des Regionalarchivs der Provinz Süd wo Fritz und Paul Sarasin am Ende sulawesi. Makassar, 23. Juli 2019. ihrer 7. Expedition empfangen wurden. Kendari, 1903. Microfilm scanner and screen for manuscript digitization and reproduc Sao-Sao, king of Laiwoi with tion in a storage room of the Regional resident J.A.G. Brugman on the Archives of South Sulawesi Province. Governor’s Steamer “Schwan,” Makassar, July 23, 2019. where Fritz and Paul Sarasin were received at the end of their 7th expedition. Kendari, 1903. 10 11
We Tenri Ollé, Königin von Tanette und Tochter von Colliq Pujié, umgeben von ihrem We Tenri Ollé (1855–1919), Gefolge. Fotografiert von Fritz Königin von Tanette. Dieses Neun Bäuerinnen aus Kendeng, Nine female farmers from Mount und Paul Sarasin, Makassar, Foto von Hendrik Veen wird Zentraljava, protestieren gegen Kendeng, Central Java, protest zwischen 1893 und 1896. fälschlicherweise oft als Porträt den Bau von Zementwerken against the construction of von Colliq Pujié (1812–1876), in ihrer Region, indem sie ihre cement plants in their area by We Tenri Ollé, queen of Tanette Mutter von We Tenri Ollé und Füsse vor dem Staatspalast embedding their feet in concrete and daughter of Colliq Pujié, intellektuelle antikoloniale in Holzkisten einbetonieren. Sie in front of the State Palace. surrounded by her entourage. Widerstandskämpferin, repro forderten ein Treffen mit dem They demanded to meet with Photographed by Fritz and Paul duziert. Südcelebes, ca. 1870. Präsidenten um ihre Besorgnis the President to voice their Sarasin, Makassar, between darüber zum Ausdruck zu concerns over how the plants 1893 and 1896. We Tenri Ollé (1855–1919), bringen, wie die Zementwerke would harm the environment and Queen of Tanette. This photo die Umwelt schädigen und ihren threaten their agricultural liveli graph by Hendrik Veen is landwirtschaftlichen Lebens- hoods. On the banner in front of often falsely reproduced as unterhalt gefährden würden. them, they call themselves a portrait of Colliq Pujié Im Banner vor ihnen bezeichnen Kendeng Kartinis in reference to (1812–1876), mother of We sie sich als Kendeng-Kartinis Kartini, the Indonesian feminist Tenri Ollé and intellectual in Referenz auf Kartini, feminis icon. Jakarta, April 13, 2016. anticolonial resistance fighter. tische Ikone Indonesiens. South Celebes, ca. 1870. Jakarta, 13. April 2016. Vier Personen sammeln Reste Kontrollierte Sprengung von von Zement auf der Deponie Karststein zur Gewinnung des des Bosowa-Zementwerks, Rohmaterials für die Zement um den Zement unauthorisiert produktion im Bosowa-Zement weiterzuverkaufen. Maros, werk. Die Erschütterung der 14. Dezember 2018. Explosion ist bis in die umlie gende Wohngegend zu spüren Four people collect cement und hat die Kraft, Fenster und waste at the disposal site of the Geschirr zerspringen zu lassen. Bosowa cement quarry, for the Maros, 14. Dezember 2018. purpose of unauthorized resale. Maros, December 14, 2018. Controlled blasting of karst stone to extract the raw materi al for cement production at the Bosowa cement quarry. The vibration of the explosion reaches the surrounding resi dential area and is able to break windows and tableware. Maros, December 14, 2018. 12 13
Geschichte Als ich im Jahr 2006 mit den Recherchen für mein Buch Tropenliebe begann, war ich Teil Vorfahren, welche die Zeit des Zweiten Welt- kriegs nicht in der Schweiz oder in Europa ten Weltkrieg mit der Welt, insbesondere mit der damals noch kolonisierten Welt in Über- in einer post- eines losen Netzwerkes von zumeist jünge- erlebt hatten, erschienen diese wichtigen De see, verbunden? Welche Folgen hatte das in ren Forscher*innen, die vor allem eins einte: batten allerdings immer auch ein wenig als diesen Regionen in Übersee? Welche Folgen kolonialen, Ein Problem. Die meisten von uns hatten ent- Insider-Debatten. Es stritten sich verschiede hatte es für Menschen mit nicht weisser Haut- weder längere Zeit im nicht-europäischen ne Fraktionen einer vermeintlich alteingeses- farbe oder nicht-christlichen Glaubens in der Ausland gelebt oder sind familiär mit Latein- senen Schweiz um die richtige Interpretation Schweiz? Und welche Folgen hatte es für die postdiszipli amerika, Afrika, dem Nahen Osten oder Asi- en verbunden. Unser Problem war, dass die ihrer Geschichte, die vermeintlich nur sie et- was angehe. Dieses Muster hat sich seither mehrheitlich weisse, christlich sozialisierte, alteingesessene Schweiz selber? nären und Fächer, die wir an den Universitäten studier- ten, zwar sehr relevante neue Einsichten in einige Male wiederholt: Auch die Debatten im Jahr 2015 rund um die Schlacht von Ma- Mit diesen Fragen bewegten wir uns fernab des akademischen Mainstreams in polyglotten Geschichte und Gegenwart vermittelten. Der rignano oder im Jahr 2018 über den Landes- kleinen Nischen. Dennoch, oder vielleicht ge- Fokus blieb allerdings eng auf Europa und streik wurden stark als Debatten von, für rade deswegen, erfuhren wir allmählich von Welt die Schweiz bezogen. Mit unseren eigenen und über eine vermeintlich alteingesessene einander. Wir begannen uns zu vernetzen und Geschichten und Erfahrungen liess sich das Schweiz ausgetragen. uns selbständig zu organisieren. Unser «Co- Gelernte daher oftmals nur partiell verbinden. Unser Problem war, dass wir zwar par- ming Out» war der 2012 von Patricia Purt- Ich begann mein Studium in den späten tiell, aber nie ganz zu dieser vermeintlich klar schert, Barbara Lüthi und Francesca Falk he- Bernhard 1990er Jahren, als ein heftiger Streit über die Verwicklungen der Schweiz in die Verbrechen konturierten alteingesessenen Schweiz dazu gehör(t)en. Auch fehlte in diesen Geschichten rausgegebene Sammelband Postkoloniale Schweiz. Der Name steht für ein interdiszipli- Schär des Nationalsozialismus durch das Land feg- te. Diese Kontroversen brachten eine längst fällige Klärung im historischen Selbstver- oft etwas, das viele von uns am eigenen Leib und in den eigenen Familien in unterschied- licher Weise erleb(t)en: subtilere und gröbere näres Programm, das eine schlichte, aber bis dahin weitgehend ignorierte Tatsache zum Ausgangspunkt der Analyse nimmt: Die mo- ständnis der Schweiz: Diese sah sich bis da- Formen der Ausgrenzung und Benachteili derne Schweiz entstand im 19. Jahrhundert hin vor allem als neutrale Beobachterin der gung aufgrund von Hautfarbe, «exotischer» in der Blütezeit des europäischen Imperialis- Weltgeschichte und keinesfalls als Mitge- Namen oder nationaler Herkunft. In verschie mus. Und sie ist seither immer hochgradig stalterin derselben. Für jene unter uns mit denen Disziplinen begannen wir uns daher mit Europa und deren (ehemaligen) Kolonien mit Fragen zu befassen wie: in welcher Weise verflochten geblieben. Daraus ergibt sich war die Schweiz schon lange vor dem Zwei- eine Reihe neuer Fragen, die bis dahin noch kaum systematisch untersucht worden wa- History in a When I started research for my book Tropen liebe in 2006, I was part of a loose network of Postcolonial, mostly younger scholars united by a shared they were, always appeared to some degree problem. Most of us either had lived in non- reserved for insiders. Various factions of a World War? What consequences did these Postdisci- European countries for a long time or were supposedly long-established Switzerland connections have for these overseas regions closely connected to Latin America, Africa or were fighting over the correct interpretation and for people in Switzerland whose skin was plinary and Asia through family members. Our problem of their history, which was implied to concern not white or whose faith was not Christian? was that, while the subjects we studied at our only them. This pattern kept repeating: the And what consequences did they have for universities provided important new insights debates about the Battle of Marignano in the predominantly white, Christian-social- Polyglot World into history and the present, the geographic focus remained mostly on Europe and Swit- zerland. We could therefore only partially 2015, for instance, or about the national strike in 2018, were also conducted as a discussion by, for and about the Swiss and Switzerland, ized establishment in Switzerland itself? With these questions, we found our- selves in small niches outside of the academ- Bernhard connect what we learnt with our own lived defined as an long-established country. ic mainstream. Nevertheless, or perhaps pre- experiences and stories. Our problem was that we only partly be- cisely because of this, we gradually learned Schär I began my studies in the late 1990s, longed to that supposedly clearly contoured about each other. We began networking and when a fierce public dispute about Switzer- traditional Switzerland. Something was miss- organizing ourselves independently. Our land’s entanglement with the Nazi regime ing from these stories, something that many “coming out” was the anthology Postkolonia was sweeping through the country. These of us had experienced personally or via the le Schweiz (Postcolonial Switzerland) pub- controversies brought an important clarifica- family in different ways: exclusion and dis- lished in 2012 by Patricia Purtschert, Barbara tion into the country’s historical self-image. crimination based on skin colour, “exotic” Lüthi and Francesca Falk. The title represents Until then, Switzerland had seen itself most- names or “foreign” origin—sometimes subtle, an interdisciplinary programme that takes a ly as a neutral observer of world history, by sometimes clear and coarse. Thus, we, schol- simple but long-ignored fact as the starting no means an active participant. Yet, for those ars of various disciplines, began to deal with point for its analysis: modern Switzerland of us whose ancestors had not experienced questions such as: how was Switzerland con- emerged in the 19th century during the hey- the Second World War in Switzerland or else- nected to the world, especially to the colo- day of European imperialism. Since then, it where in Europe, these debates, important as nized overseas world, long before the Second has always remained highly intertwined with 14 15
History in a Postcolonial, Postdisciplinary and Polyglot World ren: Wie und warum hat sich die Schweiz in Geschichten verschiedener Regionen in Eu- feldes überzeugt werden mussten. Entspre- drei Schauplätzen Sri Lanka, Sulawesi und die imperiale Welt integriert? Welche Folgen ropa, Süd- und Südostasiens unwiderruflich chend überrascht war ich, als mich 2016 der Schweiz gleich viel Gewicht. Damit kön- hatte dies in Übersee, in Europa und der miteinander verzahnte. die palästinensische Künstlerin Inas Halabi nen sie die historischen Verbindungen, aber Schweiz selbst? Wie lebt das koloniale Erbe Ein Charakteristikum der postkolonialen kontaktierte. Sie hatte eine Einladung in die auch die Folgen der kolonialen Ungleichhei- aus der Gründerzeit in der Gegenwart fort? Forschung – nicht nur in der Schweiz – ist ihre Schweiz erhalten und wollte diese dazu nut- ten zwischen diesen Schauplätzen themati- Mein Buch Tropenliebe war zusammen Internationalität, Transdisziplinarität und dass zen, sich näher mit den rassenanthropologi- sieren. Im Unterschied zu mir und dem was mit Studien von Gleichgesinnten, wovon et- sie sich als kritische Wissenschaft versteht, schen Fotografien von Fritz und Paul Sarasin in der historischen Forschung noch stets gän liche im Rahmenprogramm zu dieser Aus- die sich auch in öffentliche Debatten ein- zu beschäftigen. Meine Überraschung dauer gige Praxis ist, betrachten sie diesen poly- stellung auftreten werden, ein Beitrag zu die- bringt. Als mich Harald Fischer-Tiné 2014 an te nur solange, bis ich realisierte, dass die zentrischen Raum allerdings nicht vorwie- sem neuen Forschungsfeld. Ich habe mich seine Professur für Globalgeschichte an der kolonialen Dimensionen von Geschichte, gend aus einer europäisch-schweizerischen darin – bildlich gesprochen – an die Fersen ETH Zürich holte, wurde ich Teil eines inter- selbst wenn sie die Schweiz betreffen, für Perspektive. Ryser und Schonfeldt haben der beiden Basler Naturforscher und heimli nationalen Teams, das seine Expertise ver- Menschen, die selber in besetzten Gebieten Künstler*innen aus Sri Lanka und Indonesien chen Liebhaber Paul und Fritz Sarasin gehef mehrt auch in der Schweiz einbringen wollte. leben, alles andere als Nischenthemen sind. eingeladen, Arbeiten zu entwickeln, die eine tet. Die beiden haben um 1900 ausgedehnte Das gab mir im Verlauf der Jahre die Möglich- Inas Halabis Ausstellung Letters to Fritz and eigenständige Perspektive auf die Rolle der Forschungsreisen in der britischen Kronko- keit, mit Forschenden und Künstler*innen aus Paul wurde schliesslich erfolgreich in Jeru- Sarasins in Sri Lanka und Sulawesi entwer- lonie Ceylon (heute Sri Lanka) und Celebes Palästina, Sri Lanka, Australien, Indonesien salem gezeigt. fen. Das heisst: Die Idee der Ausstellung ist in Niederländisch Indien (heute Sulawesi in und der Schweiz zusammenzuarbeiten. Die- Die Erfahrung, dass Schweizer Koloni- nicht bloss die Schweiz in räumlicher Hin- Indonesien) unternommen. Sie prägten da- se Erfahrungen haben meine Perspektiven algeschichte von Forschenden und Kunst- sicht zu «dezentrieren», in dem diese nicht mit insbesondere die «Rassenwissenschaft» auf die Geschichtswissenschaft und das Pro- schaffenden ausserhalb der Schweiz und als einziger, sondern nur als einer von drei in Deutschland und wurden zu den einfluss- gramm der Postkolonialen Schweiz nochmal Europas mühelos verstanden wird und auf gleichberechtigten Schauplätzen inszeniert reichsten Wissenschaftlern der Schweiz, wo verändert. erhebliches Interesse trifft, hat sich seither wird. Die Ausstellung macht auch mehrere sie unter anderem den Nationalpark in Grau- mehrfach wiederholt. Am Eindrücklichsten Stimmen sicht- und hörbar, die sich zuweilen bünden gründeten. In meinem Buch unter- Mehr als die Schweiz während der Arbeit an der Ausstellung Stim ergänzen, aber auch in einem Spannungs- suchte ich, wie ihre Reisen für Menschen und Wer sich in den 2000er Jahren mit Schweizer men aus einer archivierten Stille, die nun im verhältnis zueinander stehen. Schauplätze in Sri Lanka, Sulawesi, den Nie- Kolonialgeschichte beschäftigte, lernte vor Foyer des Theater Basels zu sehen ist. Die Was mir nun die Arbeit an dieser poly derlanden, Grossbritannien, Deutschland und allem, dass Dritte in der Schweiz («das ist beiden Kuratorinnen und Künstlerinnen Vera phonen, multiperspektivischen Ausstellung der Schweiz einerseits ganz unterschiedliche doch ein ideologisches Nischenthema») aber Ryser und Sally Schonfeldt übernehmen da- vor Augen führte, ist dies: Sowohl Deneth und oftmals gewaltsame Folgen hatten. Ich auch im europäischen Ausland («ihr hattet rin die polyzentrische Struktur meines Bu- Piumakshi Wedaarachchige, die den Teil zu stelle aber auch dar, wie diese Reisen die doch keine Kolonien!») erst mal grundsätzlich ches Tropenliebe. Das heisst, sie geben den von der Relevanz des eigenen Forschungs- themes for people who themselves live in Europe and its (former) colonies. This raises from Palestine, Sri Lanka, Australia, Indone- occupied territories. Inas Halabi’s exhibition a number of new questions that had previ- scientists of their generation establishing, for sia and Switzerland. These experiences have Letters to Fritz and Paul was finally shown ously hardly been systematically investigat- example, the National Park in the Southeast- once again changed my perspective on the successfully in Jerusalem. ed: How and why did Switzerland integrate ern Alps. historical sciences and the programme of The experience that Swiss colonial his- into the imperial world? What consequences In my book, I investigate the different Postcolonial Switzerland. tory has been easily understood and met with has this had overseas, in Europe and in Swit- and often violent consequences of their trav- considerable interest by researchers and art- zerland itself? How does the colonial legacy els for people and places in Sri Lanka, Su- More than Switzerland ists outside Switzerland and Europe has been from the time of the founding of the modern lawesi, Britain, the Netherlands, Germany and If you worked on Swiss colonial history in the repeated several times since then—most im- Swiss Federal State live on in the present? Switzerland. But I also show how these trav- early 2000s, you learned above all how to ar- pressively while working on the exhibition My book Tropenliebe (Tropical Love) was els irrevocably intertwined the histories of gue with third parties in Switzerland and oth- Voices from an Archived Silence, which can a contribution to this new field of research, several regions in Europe, South and South- er European countries about the relevance now be seen in the foyer of Theater Basel. In one among a number of studies by like-mind- east Asia. of your research field. Often you got to hear it, the curators and artists Vera Ryser and ed people, many of whom will appear in the Postcolonial research—not only in Swit reactions like “oh, what an ideologized niche Sally Schonfeldt adopt the polycentric struc- discussion programme for this exhibition. In zerland—tends to be international and trans- topic!” and “but you didn’t have any colo- ture of my book Tropenliebe. This is to say, my book, I followed the trajectories of two disciplinary and regards itself as a critical nies!” respectively. All the greater my surprise they give equal weight to the three locations Basel naturalists and secret lovers, Paul and scholarship necessitating involvement in pub- then when the Palestinian artist Inas Halabi of Sri Lanka, Sulawesi and Switzerland. In Fritz Sarasin. Around 1900, they undertook lic debates. When professor Harald Fischer- contacted me in 2016. She had received an this way they thematise the historical con- extensive research trips to the British Crown Tiné invited me to work at his chair for Glob- invitation to Switzerland and wanted to use nections but also the consequences of colo- colony of Ceylon (now Sri Lanka) and Cele- al History at the ETH Zurich in 2014, I became it to take a closer look at Fritz and Paul Sara- nial inequalities between these sites. Unlike bes in the Dutch Indies (now Sulawesi in In- part of an international team eager to become sin’s anthropological photographs. My sur- the common (and my own) practice in histor- donesia). Their work considerably shaped more involved with its expertise in Switzer- prise only lasted until the moment I realised ical research, however, they do not view this the “racial sciences” in Germany. In Switzer- land. Over the years, this gave me the oppor- that the colonial dimensions of history, even polycentric space predominantly from a Eu- land they became two of the most influential tunity to work with researchers and artists of Swiss history, are anything but niche ropean-Swiss perspective. Ryser and Schon- 16 17
Geschichte in einer postkolonialen, postdisziplinären und polyglotten Welt Sri Lanka erarbeitet hat, als auch Rahmat sozialen und kulturellen Kontexten ausser- irgendwie an eine breite Öffentlichkeit zu «ver Arham und Angela Wittwer, die in Indone halb der Schweiz und Europas Sinn ergeben. mitteln» haben. Vielmehr – darauf scheinen sien arbeiten, haben während ihren eigenen mir meine Erfahrungen hinauszulaufen – ist Recherchen neue Figuren und Kontexte ent- Geschichtswissenschaft die universitäre Geschichtswissenschaft le- deckt, auf die ich mit meinen limitierten dezentrieren diglich ein Zentrum unter vielen, das histori- Sprachkenntnissen und mit meiner europäi- Mit dieser transdisziplinären und grenzüber- sches Wissen herstellt. Andere Disziplinen schen Ausbildung gar nie hätte stossen kön- schreitenden Zusammenarbeit dämmerte mir aus Kunst, Theater oder Film – insbesondere nen. Alle haben die Arbeit aber auch so wei- noch eine weitere Einsicht. Nämlich die, dass aus nicht-europäischen Räumen – sollten da- terentwickelt, dass sie auch für ein Publikum Geschichtswissenschaft nicht bloss das ko- her als Partnerinnen bei der Herstellung ei- in Sri Lanka oder Sulawesi relevant wird. lonialen Erbe ihrer eigenen Geschichte ab nes grösseren narrativen Rahmens betrach- Diese Erfahrung war für mich in zweierlei streifen muss, das sie lange daran hinderte tet werden, in welchem sich ein Publikum Hinsicht aufschlussreich. Erstens: Schwei- zu erkennen, dass die moderne Welt zu gros- einbringen kann, das längst nicht mehr nur zer Kolonialgeschichte betrifft weit mehr als sen Teilen in Übersee entstanden ist. Die Ge- alteingesessen und europäisch, akademisch nur ein schweizerisches – alteingesessenes schichtswissenschaft wird auch ihr Verhältnis und bibliophil ist. Es ist ein Publikum, das oder migrantisches – Publikum. Sie betrifft zu anderen Feldern der Wissensproduktion nebst der alteingesessenen und der diaspo- auch grosse Öffentlichkeiten in Übersee, wo überdenken müssen. Das heisst, sie kann sich rischen Schweiz auch Gemeinschaften in wenn wir mit nicht-europäischen Kolleg*in- Schweizer Akteur*innen, Institutionen oder nicht länger als das einzige Zentrum der Her- Brasilien, Südafrika, Sri Lanka, Sulawesi und nen und nicht-akademischen Geschichts Investitionen ihre Spuren hinterlassen haben. stellung von historischem Wissen begreifen. vielen weiteren Schauplätzen aus der noch profis zusammenspannen. Das bedeutet Zweitens: Ein solches Publikum kann nur in Und sie kann auch ihre seit dem 19. Jahrhun weitgehend unbekannten Geschichte der aber auch, nebst dem dicken Buch in einer Zusammenarbeit mit Partner*innen vor Ort dert praktisch unverändert gebliebene Kom- schweizerischen Expansion nach Übersee der Schweizer Landessprachen noch wei erreicht werden. Nur sie können die Geschich- munikationsstrategie—die Herstellung eines mitumfasst. Eine solche weltumspannende tere Kommunikationsmöglichkeiten kennen te noch stärker aus der schweizerisch-euro- dicken, meist bilderlosen Buches—nicht mehr und polyglotte Öffentlichkeit erreichen wir nur, und beherrschen zu lernen. päischen Erzählperspektive herauslösen, mit als Hauptmedium begreifen, das andere Spe Fakten und Kontexten ergänzen und sie so zialist*innen aus Kunst, Medien oder Schule erzählen, dass sie in den aktuellen politischen, the history of the modern world. Academic only reach such a global and polyglot public, history writing also needs to clarify its rela- however, if we cooperate with non-academ- over, they all developed the work in such a tion to non-academic history producers. That ic and non-European partners and learn to feldt invited artists from Sri Lanka and Indo- way as to make it relevant for an audience in is to say that university-based historians can master means of communication beyond nesia to develop works that offer an indepen- Sri Lanka or Sulawesi. The experience of this no longer see themselves as the only centre writing thick books in one of the Swiss na- dent perspective on the role of the Sarasins polyphonic, multi-perspective exhibition was of historical knowledge production. And they tional languages. in Sri Lanka and Sulawesi. In other words, the revealing to me in two ways. First: Swiss co- can no longer rely exclusively on their com- idea of the exhibition is to “decentre” Swit- lonial history affects not only the Swiss au- munication strategy, which has remained zerland not only in spatial terms but also by dience, be it long-established or migrant. It practically unchanged since the 19th centu- multiplying voices and perspectives. Hence, can also matter to much larger communities ry—the production of thick, mostly unillus- Ryser + Schonfeldt show Switzerland as one overseas, where Swiss actors, institutions, or trated books. Historians can no longer as- of three interconnected spaces in which vis- investments have left their mark. Secondly, sume that specialists in art, media or schools itors can hear and see multiple voices and such audiences can only be reached in coop- will somehow “communicate” their findings perspectives from Europe, South and South- eration with local partners. They can free his- to a broader public. Rather, as my experience east Asia. While these voices sometimes torical narratives even further from Swiss- seems to suggest, the academic study of complement each other, they often also build European perspectives, supplementing them history is merely one centre among many tensions– beyond this, the exhibition also at- with additional facts and contexts to tell the that produce historical knowledge. Other tempts to decentre authorship. It lets sever- story in such a way that it makes sense in the disciplines such as art, theatre and film, es- al perspectives and voices be seen and current political, social and cultural contexts pecially from non-European regions, should heard, which sometimes complement each beyond Switzerland and Europe. therefore be regarded as partners in the pro- other and sometimes build tensions. duction of a larger narrative framework—a Deneth Piumakshi Wedaarachchige, Decentring Historical framework that can accommodate and invite who worked on the Sri Lankan part, as well Scholarship participation from audiences that are no lon- as Rahmat Arham and Angela Wittwer, who Thanks to this transdisciplinary and cross- ger exclusively long-established and Euro- worked on Indonesia, discovered new char- border cooperation, yet another thing dawn pean, academic and bibliophilic. In addition acters and contexts during their research, ed on me: namely, that historical scholarship to the long-established and diasporic Swit which proceeded from my book. They found needs, in its own interest, to continue decen- zerland, this audience also includes commu- characters and contents I could never have tralising itself. Not only by reflecting its own nities in Brazil, South Africa, Sri Lanka, Su- discovered with my limited knowledge of lan- colonial heritage that has blinded it for so long lawesi and many other locations involved in guages and my European education. More- to the role non-European contexts played in the colonial history of Switzerland. We can 18 19
Deneth Piumakshi Wedaarachchige 136 Years Ago and Now Batticaloa, “Tamil man” Dambana, “Vedda woman” Batticaloa, “Coastal Vedda woman” Batticaloa, “Coastal Vedda” 20 21
Batticaloa, “Tamil woman” Batticaloa, “Indo Arab man” Batticaloa, “Coastal Vedda” Danigala, “Vedda woman” 22 23
Postkoloniale Das koloniale Erbe in der Schweizer Erinnerungspolitik schichtsverständnisses anzusiedeln, in dem die Schweiz Mitschuld an der Kolonialisie- solchen geschichtskritischen Nachdenkens provinzialisieren, während wir es zugleich Gedächtnis- In den letzten rund 15 Jahren ist in der Schweiz rung trägt. globalisieren, wie Bernhard Schär es in sei- ausgehend von den Geschichtswissenschaf- Unsere Ausstellung Stimmen aus einer nem Buch Tropenliebe vorschlägt? stützen ten, künstlerischen Auseinandersetzungen archivierten Stille verortet sich in einem Ver- sowie öffentlichen Debatten ein zunehmen- ständnis von Schweizer Geschichte als im- Postkoloniales Gedächtnisstützen der Druck zu beobachten, sich endlich mit mer schon Teil transnationaler historischer Führende Kulturinstitutionen spielen eine der eigenen kolonialen Vergangenheit aus Prozesse, also innerhalb eines Konzepts von wichtige Rolle im postkolonialen Nachden- Vera Ryser einanderzusetzen. Lange wurde die Ausein andersetzung mit der eigenen kolonialen Geschichte als entangled history. Das heisst, dass zum Erfassen der Schweizer kolonialen ken über die Frage, wie mit dem Erbe der Schweizer kolonialen Verstrickungen umzu und Sally Mitschuld durch den anhaltenden National- Verstrickungen die Vernetzungen und die glo- gehen ist. Die Gründungsgeschichten und mythos vernachlässigt, in keinerlei Weise in- balen Verflechtungen des Schweizer Kolo- Sammlungen vieler Museen, insbesondere Schonfeldt volviert zu sein, da die Schweiz schliesslich nialismus betont werden müssen. Am Bei- von Schweizer ethnografischen Museen, sind keine Kolonien besass. Um diesem Mythos spiel Basel stellt sich so etwa die Frage: Wie im 19. Jahrhundert angesiedelt, dem Höhe- entgegenzutreten, bringt die Schweizer post- können wir die transnationalen Netzwerke punkt der europäischen Kolonialherrschaft. koloniale Geschichtsschreibung zwei Kon- des wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und Schweizer Wissenschaftler, Missionare, zepte ein: Erstens einen «Kolonialismus ohne kulturellen Austauschs zeigen, die Basel im- Händler und Sammler nutzten die koloni- Kolonien», der die Verstrickungen der Schweiz plizit mit der früheren niederländischen Ko- sierten Gebiete, um Sammlungen ethnogra in koloniale Machtverhältnisse anerkennt, lonie in Indonesien, der britischen Kolonie in fischer Objekte aus aller Welt anzuhäufen obwohl sie formal keine eigenen Kolonien Sri Lanka sowie mit europäischen kolonialen sowie menschliche Überreste zahlreicher besass – weil sie innerhalb des Kolonialis- Hauptstädten wie London, Paris oder Berlin Bevölkerungsgruppen für Rassenforschung mus eine aktive Rolle spielte. Zweitens den verflochten? Welche Folgen hat das Heraus- zu sammeln und in die Schweiz zu bringen. Gedanken, das Verhältnis der Schweiz zum arbeiten eines verflochtenen Verständnisses Die Notwendigkeit, dieser kolonialen Prove- Kolonialismus innerhalb eines globalen Ge- der Schweizer kolonialen Involvierung für das nienz zahlreicher Schweizer Sammlungen ins heutige Basel oder die Schweizer Gesell- Auge zu sehen, wird jedoch erst in den letz- schaft? Können wir Basel im Rahmen eines ten Jahren öffentlich debattiert. Genau in dieser aufkeimenden Ausein- Postcolonial Swiss Colonial Memory Politics Over the past 15 years or so Switzerland has andersetzung mit kolonialen Sammlungspro- Mnemonics witnessed an increased urgency within its globally entangled nature of Swiss colonial- national historiography, artistic production ism. Taking the example of Basel, how can and public debate, to reckon with its colonial we show the trans-national scientific, eco- colonial domination. Swiss scientists, mis- Vera Ryser past. Underpinning a broader Swiss reluc- nomic and cultural networks of exchange sionaries, traders and collectors took advan- tance to re-appraise its own colonial complic- that entangled Basel implicitly with the for- tage of colonized spaces to amass vast col- ity has been the enduring Swiss national myth mer Dutch colony of Indonesia, the former lections of ethnographic objects from all over and Sally of not having had any colonies of its own and therefore not having any colonial culpabili- British colony of Sri Lanka as well as other European colonial metropoles such as Lon- the globe, as well as collecting the human remains of numerous peoples for scientific Schonfeldt ties. To counter this myth Swiss postcolonial don, Paris or Berlin? What are the implica- racist studies, which they brought back to historiography proposes two ideas. One, a tions of elaborating on an entangled under- Switzerland with them. However, it is only “colonialism without colonies,” which recog- standing of Swiss colonial involvement for within the past few years that public atten- nizes Switzerland’s involvement in colonial contemporary Basel or Swiss society? Can tion has been drawn to the need to confront power regimes, despite having no formal col- we provincialize Basel within such a critical the colonial provenance of numerous Swiss onies of its own, as having therefore played historical reflection whilst simultaneously collections. an active role within colonialism. Two, the globalizing it, as Bernhard Schär proposes It is precisely within this nascent con- idea that the Swiss relationship to colonial- in his book Tropenliebe? frontation with colonially provenanced col- ism is situated within a global historical un- lections that our exhibition in the foyer of derstanding, in which Switzerland was com Postcolonial Mnemonics Theater Basel situates itself. The point of plicit in colonisation. Major Swiss cultural institutions play a sig- departure for Voices… is the colonially ac- Our exhibition Voices from an Archived nificant role in this debate and in the process quired collections of two major museums Silence is situated in an understanding of of postcolonial reflection on how to deal with located in Basel—one in the Museum der Swiss histories as always being part of trans- the legacies of Swiss colonial involvement. Kulturen (MKB), the other in the Natural His- national historical processes that conceptu- Museums, in particular Swiss ethnographic tory Museum (NMB). In particular it revolves alise history as being “entangled.” That is, to museums, more often than not have founda- around two local Basel-born Swiss natural situate Swiss colonial involvement one must tional histories and collections grounded in scientists, Fritz and Paul Sarasin, who con- emphasize the inter-connectedness and the 19th century, at the height of European tributed significantly to both museums’ col- 24 25
Postcolonial Mnemonics venienzen verortet sich unsere Ausstellung en), ihrer kolonialen Mittäterschaft an diesen eine kritische Ausstellung zu machen, die die Bilder neu zu kontextualisieren? Sodass sie, im Foyer des Theaters Basel. Der Ausgangs- Orten sowie auf den Sammlungen, die sie mit Geschichte der Basler kolonialen Verstrickun- aus der Gegenwart betrachtet, ein Nachden- punkt für Stimmen … sind die kolonial erwor nach Basel brachten. gen sichtbar machen sollte, überlegten wir ken ermöglichen über das Vermächtnis von benen Sammlungen zweier wichtiger Museen Ein kritisches, postkoloniales Heraus- selbstkritisch, ob wir das überhaupt allein tun Bildern und Epistemologien für das heutige, in Basel – zum einen des Museums der Kultu arbeiten der transnationalen, koloniale Ver- können. Könnten wir eine solche geteilte, ver- allgegenwärtige Fortbestehen rassistischer ren (MKB), zum anderen des Naturhistori flechtungsgeschichten, die den Sarasins Zu- flochtene Geschichte als zwei privilegierte Stereotype, wie sie in der Schweizer Gesell- schen Museums (NMB). Insbesondere be- gang zum niederländisch besetzten Sulawesi weisse Frauen, die beide in westlichen epis- schaft immer noch vorhanden sind? Solche schäftigt sich die Ausstellung mit zwei in und britisch besetzten Sri Lanka verschafften, temologischen Traditionen aufgewachsen Fragen führten uns schnell zu den grösseren Basel geborenen Schweizer Naturwissen- fungiert als einer der zwei Pole, um die sich sind, allein angehen? Mit all unserer damit Fragen rund um die uns umgebenden Erin- schaftlern, Fritz und Paul Sarasin, die mass- Stimmen … dreht. Das Vermächtnis dieser verbundenen Macht, Arroganz und Ignoranz? nerungspolitiken, die nicht nur in die Archive geblich zu beiden Museumssammlungen beiden Basler Sammlungen für die gegen- Eine Schweizerin mit persönlichen Verbin- selbst eingebettet sind, sondern sich auch in beitrugen. Sie waren zudem eng mit den wärtige Schweizer postkoloniale Reflexion dungen zu Basel und eine Deutsch-Australie- der Gesellschaft um uns spiegeln – wer wird Gründungsgeschichten der beiden Basler bildet den anderen Pol, der uns uns zu einer rin, die seit vielen Jahren in der Schweiz lebt? dargestellt, wie werden sie dargestellt und in Museen verwoben und darüber hinaus auch zweijährigen Recherche innerhalb dieser bei- In früheren Zusammenarbeiten waren welchem Ausmass werden sie dargestellt? an zahlreichen anderen wichtigen Kulturinsti den Institutionen führte. Während der Recher- wir bereits mit ähnlichen Fragen der Reprä- Als wir kritisch auf unsere eigene privi- tutionen in Basel tätig – Fritz Sarasin war 1918 che ergaben sich schnell zahlreiche komple- sentations- und Erinnerungspolitik konfron- legierte Position mit Zugang zu diesen bei- der Gründungsdirektor des Museums für Völ- xe Fragen: Wie geht man möglichst feinfühlig tiert. Und auch im aktuellen Projekt mussten den wichtigen Basler Institutionen blickten, kerkunde (dem heutigen Museum der Kultu- mit dem zugleich gewalttätigen und verletz- wir uns fragen, wie wir es schaffen, – zum erkannten wir die entscheidende konzep ren). Ausserdem war er von 1896 bis 1920 lichen Archivmaterial um? Wie nähert man Beispiel im Umgang mit anthropometrischen tuelle Bedeutung, Wege zu finden, die die Direktor des Naturhistorischen Museums. sich einem archivalischen Erbe, das rassis- Fotos von Sri-Lanker*innen, die die Sarasins Grenzen eurozentrischen Ausstellungsma- Beide Sarasins kamen aus reichen Basler Pa- tische Prozesse des «othering» zeigt – einem auf ihren Ceylon-Expeditionen machten –, chens überwinden. Ja, wir können der weis- trizierfamilien und erlangten wissenschaftli- «othering» kolonisierter, marginalisierter Ak- nicht die rassistische Gewalt zu reproduzie- sen Schweizer Gesellschaft einen Spiegel che Abschlüsse angesehener europäischer teur*innen, während die weissen, westlich ren, die ihnen eingeschrieben ist. War nicht vorhalten und über die Sarasinischen und Universitäten. Ihr Reichtum ermöglichte es ausgebildeten reichen Wissenschaftler ver- unser Blick im Fotoarchiv des MKB ein Basler institutionellen kolonialen Verstrickun- ihnen, ihre Forschungsexpeditionen in kolo- herrlicht werden? Wie stellt man sich der ko- «othering» betreibender Blick, ähnlich dem gen nachdenken, aber können wir dasselbe nial besetzte Länder um die Jahrhundertwen- lonialen epistemischen Gewalt, die in Bilder, der Sarasins? Trotz des zeitlichen Abstands, auch für das heutige Indonesien oder Sri Lan- de selbst zu finanzieren. In Stimmen … liegt Texte und Objekte eingeschrieben ist? Wie sich verändernder wissenschaftlicher Werte ka tun? Im Bewusstsein, dass sich eurozen- der Fokus auf den Sarasinischen Expeditio- bearbeitet man die geschichtliche Erinne- und Meinungen und all unserer emotionalen trische Geschichtsschreibungen meist im nen nach Ceylon (das heutige Sri Lanka) und rungskette, die die rassistische Vergangen- Empörung vor den gewaltsamen kolonialen Zentrum verorten und häufig dieselben kolo- Celebes (das heutige Sulawesi in Indonesi- heit mit der rassistischen Gegenwart verbin- Machtverhältnissen des Sarasinischen ge- nialen Machtstrukturen verfestigen, die sie det und ineinander verkettet? Im Bestreben schichtlichen Moments? Reicht es, diese kritisieren, beschlossen wir, dass wir das Reproduzieren eines euro-monozentrischen lections. Both are also closely intertwined with the foundational histories of the two Ba- A critical postcolonial examination of the torical chain of memory linking and interlac- sel museums, not to mention being intimate- trans-national, colonially complicit and en- ing the racist past with the racist present? Ceylon expeditions. Even with the remove of ly involved with numerous other important tangled histories that gave the Sarasins ac- While thinking about how to make a critical time, the changing scientific values and opin- cultural institutions in Basel. Fritz Sarasin cess to Dutch-occupied Sulawesi and Brit- exhibition illuminating Basel’s history of co- ion, and our own emotional disgust at the was the founding Director of the Museum für ish-occupied Sri Lanka acts as one of two lonial involvement we reflected on whether violent colonial power dynamics of the Sara- Völkerkunde (today’s Museum der Kulturen) poles around which Voices… revolves. The we could do this alone? Could we approach sins’ historical moment, was not our gaze in in 1918, he was also the Director of the Nat- second of which is the contemporary legacy such a shared, entangled history as two priv- the MKB’s photo archive an “othering” gaze ural History Museum from 1899 to 1919. The of these two Basel collections for pres- ileged white women—one Swiss with per- similar to the Sarasins? Is it enough to con- Sarasins both came from wealthy Basel pa- ent-day Swiss postcolonial reflection, which sonal connections to Basel and the other a textualize these images anew? To seek a way trician families and obtained scientific de- led to two years of institutional research in German-Australian Swiss resident—both to confront them from the present and en- grees from prestigious European universi- both the MKB and NMB. Out of this research raised in Western epistemological traditions, able a reflection on the contemporary legacy ties. Their considerable wealth afforded them numerous complex questions quickly arose. with all their accompanying presumptive ar- of images and epistemologies on the perva- the ability to self-fund their scientific collect- Namely how to most sensitively engage with rogance, violence and ignorance? sive continuance of racist stereotypes still ing expeditions in colonially occupied coun- material that is simultaneously violent and In our previous collaborations we have present in Swiss society? This quickly led us tries at the turn of the 19th century. In Voic injurious? How to approach an archival leg- been confronted with similar questions of the to the bigger questions surrounding the pol- es… the focus is not only on the Sarasins’ acy that demonstrates racist processes of politics of representation, of mnemo-politics. itics of memory encircling us and embedded, expeditions to Ceylon (today’s Sri Lanka) and «othering» of colonized, marginalized actors We had to ask ourselves again, how not to not only in the archives themselves, but mir- Celebes (today’s Sulawesi in Indonesia) and whilst glorifying the white, wealthy Western reproduce the racial violence embedded in rored in the society around us—who is being their colonial complicity within those locali- trained scientists? How to confront the co- colonial images by re-exhibiting them, imag- represented, how are they being represented ties, but also on the collections they brought lonial epistemic violence inscribed in images, es such as anthropometric photos of Sri any in which way are they being represented? back with them to Basel. texts and objects? How to process the his- Lankan people taken by the Sarasins on their Gazing critically on our own privileged posi- 26 27
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