Eine EU CO2-Bepreisung für internationale Importe

 
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I

         Würzburger Berichte zum Umweltenergierecht

       Eine EU CO2-Bepreisung für
       internationale Importe

       Europa- und völkerrechtliche Einordnung eines
       CO2-Grenzausgleichssystem (Carbon Border Ad-
       justment Mechanism CBAM) vor dem Hintergrund
       der weltweiten Klimaschutzbemühungen

       # 52 | 23.06.2021

       erstellt von
       Jana Viktoria Nysten LL.M.

ISSN 2365-7146
II Ein EU CBAM – Rechtliche Einschätzung

Zitiervorschlag:
Nysten, Eine EU CO2-Bepreisung für internationale
Importe,
Würzburger Berichte zum Umweltenergierecht
Nr. 52 vom 23.06.2021.

Entstanden im Rahmen des Vorhabens:

Auswirkungen des EU Green Deal auf das
Klimaschutz- und Energierecht in Deutschland

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III

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung _____________________________________________________________ 1

A. Einleitung ___________________________________________________________________ 2

B. Grundidee des Mechanismus und konkrete Ideen zur Ausgestaltung _______ 3
I. Hintergrund und Ziele eines CO2-Grenzausgleichsystems ________________________________ 3
II. Mögliche Ausgestaltungsoptionen eines CO2-Grenzausgleichssystems ________________ 4

C. Rechtliche Einordnung ______________________________________________________ 6
I. EU-Recht ________________________________________________________________________________ 6
   1. Kompetenz der EU zur Einführung eines CO2-Grenzausgleichsystems ______________ 6
     a) Mögliche Rechtsgrundlage _________________________________________________________ 6
     b) Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit ______________________________________________ 8
     c) Haushaltsvorschriften bezüglich Verwendung des Aufkommens aus einem CO2-
     Grenzausgleichssystem _______________________________________________________________ 9
     d) Bedeutung des EU-Eigenmittelsystems ____________________________________________ 9
   2. Einbettung eines CBAM in das bestehende EU-System des Carbon Leakage-
   Schutzes _______________________________________________________________________________ 11
     a) EU-Emissionshandel und freie Allokation ___________________________________________ 11
     b) Warenverkehrsfreiheit und Beihilferecht ___________________________________________ 12
       aa) Beihilferecht ___________________________________________________________________ 12
       bb)Warenverkehrsrecht ___________________________________________________________ 13
   3. Zwischenfazit: Rechtsgrundlage und Kompatibilität nach EU-Recht _______________ 14
II. WTO-Recht ____________________________________________________________________________ 14
   1. Folgen einer Unvereinbarkeit mit WTO-Recht ______________________________________ 15
   2. Diskriminierungsverbot nach WTO-Recht__________________________________________ 15
   3. Meistbegünstigungsgrundsatz und Inländerbehandlung __________________________ 15
   4. Grenzausgleichsysteme nach GATT ________________________________________________ 17
   5. Rechtfertigungsmöglichkeiten im Fall von Verstößen _____________________________ 18
     a) Rechtfertigung nach Umweltschutz _______________________________________________ 18
     b) Gleichbehandlung bzw. gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Rahmen eines
     CBAM _______________________________________________________________________________ 19
   6. Zwischenfazit: Kompatibilität mit dem WTO-Recht ________________________________ 21
III. Sonstige Aspekte des internationalen Rechts und der Handelspolitik ________________ 21
IV Ein EU CBAM – Rechtliche Einschätzung

   1. Pariser Abkommen und Territorialitätsprinzip ______________________________________ 21
   2. Handelspolitik über Handelsrecht? – Die Gefahr politischer Vergeltung ___________ 23
   3. Zwischenfazit: Aspekte des internationalen Rechts und der Handelspolitik _______ 24

D. Fazit und Ausblick __________________________________________________________ 25
1

Zusammenfassung
Im Rahmen ihres für den Juli erwarteten        vier von der Europäischen Kommission
„Fit for 55“-Pakets wird die Europäische       konsultierten Optionen, nämlich eine klas-
Kommission u. a. einen Vorschlag für ein       sische Grenzausgleichssteuer, eine Einbe-
CO 2-Grenzausgleichsystem vorstellen. Vo-      ziehung in den Emissionshandel, eine Be-
rausgegangen ist dem eine Konsultations-       preisung von Importen in Anlehnung an
phase, in der die Europäische Kommission       den Emissionshandel sowie eine CO 2-orien-
vier Optionen zur Diskussion gestellt hatte.   tierte Steuer auf Importe und in der EU
Mit einem solchen Mechanismus soll für         selbst produzierte Waren gleichermaßen.
Importe aus dem EU-Ausland eine CO 2–Be-
                                               Die wesentlichen Ergebnisse lassen sich
preisung eingeführt werden, wie sie für be-
                                               wie folgt zusammenfassen:
stimmte Unternehmen innerhalb des Bin-
nenmarktes mit dem Emissionshandel
schon besteht.
Erklärtes Ziel der Maßnahme ist ein Beitrag    Kernergebnisse
zum globalen Klimaschutz. Im Kern geht es
darum, ein sog. Carbon Leakage zu verhin-      ▶ Die EU hat die Gesetzgebungskompe-
dern, also das Abwandern von Emissionen          tenz für ein Grenzausgleichssystem. Sie
in Regionen außerhalb der EU, in denen es        kann sich auf die Außenhandels- oder
keine (vergleichbare) CO 2-Bepreisung gibt.      die Umweltkompetenz stützen. Wird
Insoweit verfolgt der Grenzausgleich auch        eine Ausgestaltung durch eine Einbe-
wettbewerbs- und industriepolitische Mo-         ziehung in den EU-Emissionshandel
tive. Für das Erreichen der EU-Klimaziele        oder über eine preisliche Anlehnung
bei gleichzeitiger Sicherung des Industrie-      gewählt, ist – anders als bei einer
standortes wird ein Grenzausgleich als es-       Steuer – keine Einstimmigkeit im Ge-
sentielles Instrument gesehen, durch das         setzgebungsverfahren erforderlich.
der europäische Gesetzgeber deutlich           ▶ Eine diskriminierungsfreie Ausgestal-
macht, dass er bereit ist, seiner bisherigen     tung eines Grenzausgleichsystems
Politik der CO 2-Bepreisung nach innen           nach WTO-Recht ist möglich. Jeden-
auch nach außen Biss zu verleihen.               falls auf der Rechtfertigungsebene
Allerdings ist die Einführung eines solchen      kann der Klimaschutz den Vorwurf ei-
„Carbon Border Adjustment Mechanism“             ner willkürlichen oder ungerechtfertig-
(CBAM) umstritten – und das nicht erst seit-     ten Diskriminierung entkräften.
dem die Europäische Kommission ihn nach        ▶ Die Vereinbarkeit mit WTO-Recht al-
der letzten Europawahl in ihrer Kommuni-         lein ist noch keine Garantie, dass es
kation zum Green Deal als Instrument erst-       nicht doch zu handelspolitischen Kon-
mals offiziell erwähnte. Als problematisch       flikten kommen könnte. Daher emp-
wird insbesondere immer wieder das WTO-          fiehlt es sich, Ziele und Ausgestaltung
Recht – und hier speziell das Verbot von         des CBAM vorab auf internationaler
diskriminierenden Zöllen und Abgaben an-         Ebene transparent zu kommunizieren.
geführt. Aber auch die EU-rechtliche Ein-
ordnung ist nicht trivial, etwa wenn es um
die Frage der richtigen Kompetenzgrund-
lage und die entsprechenden Verfahrens-
vorschriften geht.
In Anbetracht dieser kontroversen Diskus-
sion und in Erwartung des konkreten Vor-
schlags der Europäischen Kommission be-
fasst sich der vorliegende Bericht mit den
konkreten rechtlichen Rahmenbedingun-
gen für eine solche Maßnahme, wobei un-
terschiedliche Gestaltungsoptionen be-
rücksichtigt werden. Verglichen werden die
2 Ein EU CBAM – Rechtliche Einschätzung

A. Einleitung
Im Dezember 2019 veröffentlichte die Euro-           Die Möglichkeit einer CO 2-Bepreisung von
päische Kommission (EU-Kommission) ihre              Importen wird also allseits und seit mehre-
Mitteilung zum „europäischen Green Deal“             ren Jahren kontrovers diskutiert: Kann die
für die Europäische Union (EU) 1. Darin              EU – und wenn ja wie – einen solchen
wurde als eine der möglichen Maßnahmen               CBAM einführen, um CO 2-intensive Pro-
zur Erreichung der Energie- und Klima-               dukte aus dem EU-Ausland einer CO 2-Be-
schutzziele der EU ein „CO 2-Grenzaus-               preisung auszusetzen? Und, angenommen
gleichssystem“ (auf Englisch: Carbon Bor-            ein CBAM ist europarechtlich möglich, ist
der Adjustment Mechanism, kurz und im                dann ein solcher „Ausgleich“ des vermeint-
Folgenden auch: CBAM) als Mechanismus                lichen Vorteils von bislang nicht mit einem
zur Bepreisung des CO 2-Fußabdrucks von              CO 2-Preis belegten Importen gegenüber
aus dem Ausland in die EU importierten               EU-Produkten, die in der EU einer solchen
Produkten erwähnt und im Arbeitspro-                 Bepreisung unterliegen, im internationalen
gramm der EU-Kommission für das zweite               Wettbewerb zulässig? 8
Quartal 2021 in Aussicht gestellt 2.
                                                     Dies ist auch die zentrale Frage des vorlie-
Inzwischen hat die EU-Kommission auch                genden Berichts. Dabei wird zunächst der
ein sogenanntes Inception Impact Assess-             Hintergrund und die Ziele eines CBAM er-
ment 3 erstellt und eine Konsultation durch-         läutert sowie die Ausgestaltungsoptionen
geführt, deren Ergebnisse nunmehr ausge-             nach den Vorstellungen der EU-Kommis-
wertet vorliegen 4. Auch das Europäische             sion skizziert (unter B.). Dann wird unter-
Parlament (EU-Parlament) hat sich in eige-           sucht welche möglichen Rechtsgrundlagen
ner Initiative zu der Möglichkeit eines sol-         die EU für die Einführung eines CBAM nut-
chen CBAM Gedanken gemacht, wobei der                zen könnte, auch vor dem Hintergrund des
Fokus des Berichts, der primär im Umwelt-            EU-Eigenmittelsystems, und welche weite-
ausschuss erarbeitet wurde 5, auf der Kom-           ren primär- und sekundärrechtlichen Rege-
patibilität eines solchen Mechanismus mit            lungen ggf. bei der Ausgestaltung beachtet
dem Welthandelsrecht (WTO-Recht) liegt.              werden müssen (unter C. I.). Im Anschluss
Diese Frage Dabei hatte der Umweltaus-               wird der WTO-rechtliche Rahmen betrach-
schuss des EU-Parlaments schon 2016 eine             tet und die Konsequenzen für einen mögli-
Initiative gestartet, die für eine ähnliche          chen EU CBAM aufgezeigt (unter C. II.), ge-
Maßnahme (Ausweitung des EU-Emissions-               folgt von weiteren völkerrechtlichen sowie
handels) warb 6. Jüngst äußerte sich der             (handels-)politischen Aspekten (unter
Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirt-             C. III.). Es wird mit einem Fazit zur Rechts-
schaftsministeriums diesbezüglich kritisch           konformität und politischer Machbarkeit
und schlug vor, dass man (stattdessen) bes-          geschlossen (unter D).
ser eine Art internationalen „Klimaclub“
gründen solle, im Rahmen dessen interna-
tionale Lösungen zur CO 2-Bepreisung ge-
troffen werden könnten 7.

 1                                                    6
  EU-Kommission, Mitteilung, Der europäische Grüne     EU-Parlament, ENVI Ausschuss, Entwurf Bericht
 Deal, COM/2019/640 final v. 11.12.2019.              Compromise Amendments 1-17, 2015/0148(COD), v.
 2
  EU-Kommission, Arbeitsprogramm für 2021,            14.12.2016.
                                                      7
 COM(2020) 690 final, v. 19.10.2020.                    Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministe-
 3
  EU-Kommission, Inception Impact Assessment. Ref.    rium für Wirtschaft und Energie), Ein CO2-Grenzaus-
 Ares(2020)1350037 v. 04.03.2020.                     gleich als Baustein eines Klimaclubs, v. 22.02.2021.
                                                      8
 4
   EU-Kommission, Summary Report Public consulta-      Teils werden auch Varianten diskutiert, bei denen (Ex-
 tion on the Carbon Border Adjustment Mechanism       port-)Subventionen genutzt werden, um vermeintliche
 (CBAM), Ref. Ares(2021)70541 v. 05.01.2021.          wettbewerbliche Nachteile auf dem Weltmarkt auszu-
 5
                                                      räumen. Dies wird von der EU-Kommission jedoch der-
  EU-Parlament, A WTO-compatible EU carbon border     zeit nicht erwogen und hier dann auch nicht diskutiert.
 adjustment mechanism, P9_TA-PROV(2021)0071, v.       Vgl. dazu: Fahl et. al., Kurzdossier Wettbewerbsfähig-
 10.03.2021.                                          keit und Carbon Leakage, entstanden im Rahmen des
                                                      ARIAD-NE Projekts (im Erscheinen).
3

B. Grundidee des Mechanismus und konkrete
Ideen zur Ausgestaltung

I. Hintergrund und Ziele eines CO2-                        Erzeugnisse verteuern, dazu führen kön-
                                                           nen, dass Unternehmen – anstatt ihre Pro-
Grenzausgleichsystems                                      zesse anzupassen und/oder den Preis für
                                                           die Emissionen zu entrichten – ins (EU-
Innerhalb der EU bestehen verschiedene                     )Ausland abwandern, wo keine solchen Be-
Mechanismen zur „Bepreisung“ von CO 2. So                  preisungsinstrumente bestehen. Diese Ab-
wird über das EU-Emissionshandelssystem                    wanderung hat zum einen signifikante
(EU-Emissionshandel) von Unternehmen                       wirtschaftliche Nachteile für die betroffe-
verlangt, für jede Tonne CO 2, die sie emit-               nen (EU-)Länder 15. Zum anderen wird damit
tieren, Zertifikate zu kaufen und damit ei-                keine Treibhausgasminderung erreicht,
nen bestimmten Preis für die Emissionen                    sondern lediglich eine geographische Ver-
zu entrichten 9. Darüber hinaus 10 besteht                 schiebung der Emissionen. Dem Klima
auch für die nicht vom EU-EHS umfassten                    wäre insoweit nicht geholfen 16.
Sektoren mit der Lastenteilungsverord-
nung 11 ein EU-rechtlicher Rahmen, inner-
halb dessen die EU-Mitgliedstaaten Rege-
lungen zu treffen haben, die eine CO 2-arme                Der Begriff des Carbon Leakage auf ei-
Produktion anreizen sollen, etwa indem                     nen Blick
CO 2-intensive Prozesse durch unterschiedli-
che Mechanismen „verteuert“ werden 12.                     Umweltaspekt: Emissionen verschieben
                                                           sich („leaken“) – von Ländern mit CO 2-Be-
Dabei ist das Problem des sogenannten                      preisung zu Ländern ohne/mit geringerer
„Carbon Leakage“ bekannt 13, auch wenn der                 CO2-Bepreisung = Keine Minderung/ggf.
Begriff in unterschiedlichen Zusammen-                     sogar Erhöhung der globalen CO 2-Emissi-
hängen und mit unterschiedlicher Schwer-                   onen.
punktsetzung verwendet wird (vgl. Darstel-
lung sogleich 14).                                         Wettbewerbsaspekt: Industrie wandert
                                                           ab („leak“) – in Länder mit (aufgrund
Im Wesentlichen geht es darum, dass Maß-                   nicht vorhandener/geringerer CO 2-
nahmen, die die Produktion CO 2-intensiver

 9
  Allgemein zum Emissionshandel (EHS) etwa: Nysten,         zwecks Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Über-
 Zur Zulässigkeit der Ausweitung des EU-Emissionshan-       einkommen von Paris sowie zur Änderung der Verord-
 dels nach Art. 24 EHS-RL auf die Bereiche Verkehr und      nung (EU) Nr. 525/2013; ABl. L 156, S. 26-42 v. 19.6.2018.
 Wärme in Deutschland, Würzburger Berichte zum              12
                                                             Vgl. etwa das deutsche Brennstoffemissionshandels-
 Umweltenergierecht Nr. 43 vom 12.07.2019, S. 3.            gesetz. Dazu umfassend etwa: Kahl/Simmel, Europa-
 10
   Auch im Rahmen der Energiebesteuerung sollen im          und verfassungsrechtliche Spielräume einer CO2-Be-
 Grundsatz CO2-Emissionen eingepreist und entspre-          preisung in Deutschland, Würzburger Studien zum
 chend CO2-intensive Produkte teurer und damit unat-        Umweltenergierecht Nr. 6, Oktober 2017.
 traktiver gemacht werden. Allerdings stockt zumindest      13
                                                              Umfassend: German Council of Economic Experts,
 auf EU-Ebene die Reform der EU-Energiesteuerrichtli-       Carbon Adjustment Mechanisms: Empirics, Design and
 nie und die entsprechende Einpreisung von CO2 schon        Caveats, Working Paper 11/2020, S. 15 ff. Auch: Wissen-
 seit Jahren. Die EU-Kommission hat für Juni 2021 auch      schaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirt-
 hier – ggf. im Zusammenhang mit dem EHS – eine Re-         schaft und Energie (BMWi), Ein CO2-Grenzausgleich als
 form angekündigt. Vgl. dazu: EU-Kommission, Incep-         Baustein eines Klimaclubs, v. 22.02.2021, S. 7 f.
 tion Impact Assessment Energy Taxation, Ref. Ares          14
 (2020)1350088 v. 04.03.2020.                                 Vgl. umfassend: Fahl et al., Kurzdossier Wettbewerbs-
 11
                                                            fähigkeit und Carbon Leakage, entstanden im Rahmen
   In der Lastenteilungsverordnung werden den Mit-          des ARIADNE Projekts (im Erscheinen).
 gliedstaaten Ziele zur Treibhausgasminderung außer-        15
 halb des EHS vorgegeben, wobei die konkrete Umset-          Vgl. dazu: EU-Kommission Inception Impact Assess-
 zung einen Ermessensspielraum erlaubt. Vgl. Verord-        ment, S. 1.
                                                            16
 nung (EU) 2018/842 des Europäischen Parlaments und           Vgl. dazu auch: Berrisch, Klimaschutz als Stresstest
 des Europäischen Rates vom 30. Mai 2018 zur Festle-        für die WTO, EuZW 202, S. 249. Umfassend etwa auch:
 gung verbindlicher nationaler Jahresziele für die Redu-    Bueb et al, Border Adjustment Mechanisms, in: Arent,
 zierung der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2021        The Political Economy of Clean Energy Transitions, Ox-
 bis 2030 als Beitrag zu Klimaschutzmaßnahmen               ford University Press, 2017, S. 63.
4 Ein EU CBAM – Rechtliche Einschätzung

Bepreisung) günstigerer Produktionskos-                       gewährleisten 18. Der Vorschlag für einen
ten = (finanzielle) Konsequenzen für Wirt-                    CBAM ist entsprechend auch als Beitrag zu
schaft in Ländern mit CO 2-Bepreisung.                        diesen Bemühungen zu verstehen: Damit
                                                              könnte ein Instrument geschaffen werden,
Direktes Carbon Leakage = unmittelbar                         dass es erlaubt, die Kosten der CO 2-Emissio-
durch Bepreisung (betroffene Produkte)                        nen doch noch – zumindest für Produkte
      •   Operational Leakage = Industrien                    die innerhalb der EU gehandelt und ver-
          verlagern (kurzfristig) die CO 2 in-                braucht werden sollen – zu internalisieren
          tensiven Produktionen an bereits                    und entsprechend Unternehmen weltweit
          bestehenden Standorten im Aus-                      zu veranlassen, ihre Produktion CO 2-ärmer
          land                                                zu gestalten 19.
      •   Investment Leakage = Unterneh-
          men erweitern (längerfristig) Pro-
          duktionskapazitäten für CO 2 inten-                 II. Mögliche Ausgestaltungsoptionen
          sive Produkte im Ausland
                                                              eines CO2-Grenzausgleichssystems20
Indirektes Carbon Leakage = Preiserhö-
hung für CO 2-intensive Produkte führt zu                     Im Rahmen der im Juli 2020 gestarteten Kon-
Rückgang der Nachfrage innerhalb des                          sultation zum CBAM stellte die EU-Kommis-
regulierten Bereichs und damit zu Rück-                       sion vier unterschiedliche Ausgestaltungsmo-
gang des Weltmarktpreises, was jene                           delle für einen solchen Mechanismus zur Dis-
Produkte außerhalb des regulierten Be-                        kussion21:
reichs günstig und attraktiver macht.
Grünes Carbon Leakage = Abwanderung                           ▶ Als Option 1 wurde eine Steuer auf Im-
der Industrie zu Standorten mit besseren                        porte genannt, die an der EU-Außen-
Bedingungen zur Förderung/Ausbau von                            grenze auf eine Auswahl von Produkten
Erneuerbaren Energien/Wasserstoff                               erhoben werden sollte, deren Produktion
                                                                in Sektoren fällt, die einem hohen Carbon
                                                                Leakage-Risiko ausgesetzt sind, etwa in
                                                                Gestalt einer Grenzsteuer oder einer Art
Zwar gibt es in der internationalen Staaten-                    Importzoll auf CO 2-intensive Produkte.
gemeinschaft Bemühungen um eine welt-                         ▶ Option 2 wäre eine Ausweitung des EU-
weite Emissionsminderung 17. Allerdings ist                     Emissionshandel auf Importe, wobei man
man in der Praxis weit davon entfernt, dass                     ausländische Erzeuger oder Importeure
in allen Ländern entsprechende Maßnah-                          verpflichten würde, Emissionszertifikate
men bestehen, die ein Carbon Leakage ver-                       für die im Rahmen der Erzeugung der
meiden können bzw. eine Internalisierung                        entsprechenden Produkte entstandenen
der mit den negativen Folgen von Treib-                         Treibhausgasemissionen zu erwerben.
hausgasemissionen verbundenen Kosten

 17
   Vgl. Pariser Übereinkommen v. 12.12.2015, Dec. 1/CP.21,     werden also nicht separat betrachtet. Auch hier wäre
 Annex, UN Doc. FCCC/CP/2015/10/Add.1. Nach den                eine EU- aber insbesondere auch WTO-rechtliche
 jüngsten Berichten der Vereinten Nationen sind die            Kompatibilität zu gewährleisten, was im Falle des
 globalen Emissionen allerdings noch nicht auf Ihrem           Klimaclubs nicht zuletzt aufgrund des Erfordernisses
 Höhepunkt und würde eine 25% Reduktion der Treib-             des Art. 24 GATT, nach dem „Außenstehende“ durch ei-
 hausgasemissionen gerade ausreichen um unter der              nen solchen Club nicht benachteiligt werden dürfen,
 2°C Grenze zu bleiben. Allerdings scheinen die derzeiti-      zu prüfen wäre.
 gen Anstrengungen eher auf einen Anstieg von 3°C –            21
                                                                 Ein Grenzausgleichsmechanismus, der nur Exporte
 weit gefehlt von den eigentlichen Zielen – hinauszulau-       aus der EU zum Gegenstand hätte – etwa indem EU-
 fen. Vgl. United Nations, Environment Programme,              Produkte für den internationalen Wettbewerb in ir-
 Emissions Gap Report 2019, (UNEP 2019), S. 3-10.              gendeiner Weise bezuschusst würden, ist dahingegen
 18
    So auch: Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesmi-          IV.6. nicht Gegenstand der vorliegenden Betrachtung,
 nisterium für Wirtschaft und Energie, Ein CO2-Grenz-          selbst wenn auch ein solches System in der Literatur
 ausgleich als Baustein eines Klimaclubs, v. 22.02.2021, S.    teils diskutiert wurde. Hier bestehen nicht nur große
 5.                                                            rechtliche Bedenken, sondern die Wirksamkeit eines
 19
  Vgl. EU-Kommission, Inception Impact Assessment.             solchen Mechanismus, zumindest was den Klima-
 Ref. Ares(2020)1350037 v.vom 04.03.2020., S. 1.               schutz betrifft, ist sehr fraglich. Dazu umfassend: Evans
 20
                                                               et al. Border Carbon Adjustments and Industrial Com-
   Vorliegende Ausarbeitung fokussiert sich auf die von        petitiveness in a European Green Deal, CWPE 2036,
 der EU-Kommission angedachten Ausgestaltungsopti-             2020.
 onen. Andere Möglichkeiten, wie etwa der „Klimaclub“
5

▶ Bei Option 3 würde ein spezieller Pool                 Emissionshandel im Rahmen des „Fit for
  mit gesonderten Emissionszertifikaten                  55“-Pakets 26 – vorgesehen. Eine Prüfung
  außerhalb des EU-Emissionshandel kre-                  kann daher noch nicht im Detail erfolgen.
  iert, deren Preis jedoch den des EU-Sys-               Da aber die wesentlichen Grundzüge be-
  tems reflektieren sollte, aus dem Import-              kannt sind (ggf. für unterschiedliche Optio-
  eure Zertifikate erwerben müssten.                     nen), können auch die wesentlichen rechtli-
                                                         chen Gesichtspunkte entsprechend be-
▶ Option 4 würde schließlich in einer gene-
                                                         leuchtet werden.
  rellen „Carbon Tax“ (d. h. Kohlenstoff-
  Steuer) bestehen, etwa als Verbrauchs-
  oder Mehrwertsteuer, die auf der Ver-
  braucherebene auf alle Produkte erho-
  ben würde, d. h. sowohl auf Produkte aus
  dem EU-Ausland als auch aus dem In-
  land.

Im Rahmen der Konsultation wurde mehr-
heitlich die erste Option als erfolgsverspre-
chend bewertet, wobei alle vier Optionen als
zielführend eingeschätzt wurden22. Im EU-
Parlament wurde hingegen Option 3 in Form
eines „fiktiven“ EU-Emissionshandel für Im-
porte favorisiert23.

Die EU-Kommission hatte in ihrem Inception
Impact Assessment bereits angekündigt, alle
Optionen auf ihre rechtliche und technische
Machbarkeit hin untersuchen zu wollen, und
zwar hinsichtlich sowohl des EU- als auch des
WTO-Rechts24. Dies sollte u. a. auch eine Un-
tersuchung und ggf. Abstimmung mit den
schon bestehenden Instrumenten innerhalb
der EU beinhalten, insbesondere auch der Re-
geln bezüglich des CO2-Gehalts und der ent-
sprechenden Preise, die sich aus dem EU-
Emissionshandel ergeben. Auch sollte die
mögliche sektorale Reichweite eines CBAM
noch weiter untersucht werden25.

Aus juristischer Sicht sind vor allem die ers-
ten beiden Aspekte (d. h. EU- und WTO-
Recht) relevant und sollen entsprechend
im weiteren Verlauf diskutiert werden.
Zwar liegen bis dato noch keine konkreten
Vorschläge der EU-Kommission für einen
CBAM vor. Diese sind erst für Juli 2021 –
dann im Zusammenhang mit den Vorschlä-
gen für die Reform des EU-

 22                                                       24
   EU-Kommission, Summary Report Public consulta-           EU-Kommission, Inception Impact Assessment. Ref.
 tion on the Carbon Border Adjustment Mechanism           Ares(2020)1350037 v. 04.03.2020. S. 2.
 (CBAM), Ref. Ares(2021)70541 v. 05.01.2021.              25
                                                            EU-Kommission, Inception Impact Assessment. Ref.
 23
   EU Parlament, A WTO-compatible EU carbon border        Ares(2020)1350037 v. 04.03.2020. S. 2.
 adjustment mechanism, P9_TA-PROV(2021)0071, v.           26
                                                            Vgl. Pause et al., Updates zum Green Deal
 10.03.2021. Das Parlament hatte in seinem ursprüngli-    sowie delegierte Rechtsakte der EU-Kommission am
 chen Entwurf Bericht von 2016 bereits auf die Einfüh-    Beispiel der EU-Klimataxonomie, Vortrag Green Deal
 rung eines CBAM durch eine Ausweitung des EHS auf        Erklärt v. 28.05.2021.
 Importe aus dem EU-Ausland plädiert.
6 Ein EU CBAM – Rechtliche Einschätzung

C. Rechtliche Einordnung

I. EU-Recht                                                 steuerlicher Art“ sind, nach Art. 192 Abs. 2
                                                            Buchst. a) AEUV das besondere Gesetzge-
                                                            bungsverfahren, in dem der Rat nach Anhö-
                                                            rung des EU-Parlaments einstimmig ent-
1. Kompetenz der EU zur Einführung
                                                            scheiden muss.
eines CO2-Grenzausgleichsystems

Nach dem Prinzip der begrenzten Einzeler-                   Die gemeinsame Handelspolitik, die von der
mächtigung aus Artikel 5 des Vertrags über                  EU nach Art. 207 AEUV durch Verordnungen
die Europäische Union (EUV) kann die EU                     nach dem ordentlichen Gesetzgebungsver-
nur dann handeln, wenn sie Kraft der Ver-                   fahren geregelt wird, beinhaltet u. a. die Än-
träge durch die Mitgliedstaaten dazu er-                    derung von Zollsätzen28. Allerdings haben
mächtigt worden ist. Entsprechend bedarf                    Maßnahmen der gemeinsamen Handelspoli-
es auch für die Einführung eines „EU                        tik nach Art. 207 Abs. 6 AEUV keine Auswir-
CBAM“ einer Rechtsgrundlage. Ferner gel-                    kungen auf die Abgrenzung der Zuständig-
ten die Prinzipien der Subsidiarität und                    keiten zwischen der Union und den Mitglied-
Verhältnismäßigkeit, nach denen die EU –                    staaten und führen auch nicht zu einer Har-
selbst wenn eine Rechtsgrundlage besteht                    monisierung von Rechtsvorschriften in den
– ihr Tätigwerden rechtfertigen muss.                       Mitgliedstaaten, sofern eine solche Harmoni-
                                                            sierung in den Verträgen ausgeschlossen ist.
                                                            Damit soll vermieden werden, dass die EU
a) Mögliche Rechtsgrundlage
                                                            über außenpolitisches Handeln – und damit
                                                            über eine der ausschließlichen Kompetenzen
Als Rechtsgrundlage kommen insbesondere
                                                            der EU29 - ihre Kompetenz in Bereichen über-
zwei Bestimmungen in Frage: Die Umwelt-
                                                            schreitet, die im Rahmen der EU-internen Be-
kompetenz nach Artikel 192 des Vertrags über
                                                            fugnisse mit den Mitgliedstaaten geteilt wer-
die Arbeitsweise der Union (AEUV) und die
                                                            den und in denen die EU entsprechend nicht
Außenhandelskompetenz nach Artikel 207
                                                            ohne Weiteres über eine Harmonisierungs-
AEUV.
                                                            kompetenz verfügt30, wie beispielsweise im
                                                            Umweltschutz. Für die Einführung eines
Nach Art. 192 AEUV kann die EU im Rahmen                    CBAM bedeutet dies praktisch, dass entspre-
des ordentlichen Gesetzgebungsverfahren                     chende Rechtsgrundlagen für Regelungen
umweltpolitische Maßnahmen beschließen,                     innerhalb der EU bestehen müssen, auf Basis
d.h. allgemein Maßnahmen zur „Erhaltung                     derer eine Harmonisierung mitgliedstaatli-
und Schutz der Umwelt sowie Verbesserung                    cher Regelungen möglich bzw. zumindest
ihrer Qualität“, aber insbesondere auch die                 nicht ausgeschlossen ist31.
„Förderung von Maßnahmen auf internatio-
naler Ebene zur Bewältigung regionaler oder
                                                            Aus der vorangegangenen Skizzierung der
globaler Umweltprobleme und insbesondere
                                                            beiden Bestimmungen wird deutlich, dass
zur Bekämpfung des Klimawandels“27. Aller-
                                                            die Wahl der richtigen Rechtsgrundlage stark
dings gilt für Maßnahmen, die „überwiegend
                                                            von der Ausgestaltung des CBAM abhängt32.

 27
      Art. 191 Abs. 1 AEUV.                                  nicht ausgeübt hat. Die Mitgliedstaaten nehmen ihre
 28
      Art. 207 Abs. 2 AEUV.                                  Zuständigkeit erneut wahr, sofern und soweit die
 29
                                                             Union entschieden hat, ihre Zuständigkeit nicht mehr
      Vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. e) EUV.                        auszuüben.“ Entsprechend ist – sofern eine Harmoni-
 30
   Zwar ist in der Literatur umstritten, was genau die       sierung nicht explizit ausgeschlossen ist – eine solche
 Beschränkung des Art. 207 Abs. 6 AEUV in der Praxis         durch die EU möglich; erfolgt diese nicht, so verbleibt
 bedeutet. Dazu ausführlich: Weiß, in: Grabitz/Hilfs/Net-    legislativer Umsetzungsspielraum für die Mitgliedstaa-
 tesheim, Das Recht der Europäischen Union, Werk-            ten. Dazu umfassend: Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Net-
 stand: 71. EL August 2020, Art. 207 AEUV, Rn. 76-85.        tesheim, Das Recht der Europäischen Union, Werk-
 31
   Bei geteilter Regelungskompetenz kann die EU nach         stand: 71. EL August 2020, Art. 2 AEUV, Rn. 22-31.
 den Grundsätzen des Art. 2 Abs. 2 AEUV „gesetzgebe-         32
                                                               Nach der Rechtsprechung des EuGHs ist eine dop-
 risch tätig werden und verbindliche Rechtsakte erlas-       pelte Rechtsgrundlage nur in Ausnahmefällen zulässig,
 sen. Die Mitgliedstaaten nehmen ihre Zuständigkeit          wenn diese tatsächlich beide Ziele gleichwertig verfol-
 wahr, sofern und soweit die Union ihre Zuständigkeit        gen, und nur insofern die Rechte des EU-Parlaments
7

Zwar ist generell das Ziel der Maßnahme für                  will – im Zweifelsfall wäre ggf. jedoch auch
die Wahl der Rechtsgrundlage entscheidend.                   eine doppelte Rechtsgrundlage denkbar34.
Allerdings ergibt sich aus dem Anwendungs-
bereich der Optionen bereits, dass für Op-                   Die Kompetenzschranke des Art. 207 Abs. 6
tion 4 (allgemeine CO2-Steuer) die Außenhan-                 AEUV ist für die Einführung eines CBAM nach
delskompetenz nach Art. 207 AEUV nicht                       diesen Optionen wenig problematisch: Zwar
greifen kann; hier handelt es sich nicht pri-                sind inländische Produkte bei allen drei Opti-
mär um eine außenhandelspolitische Maß-                      onen nicht betroffen, jedoch hätte die EU in
nahme, die zunächst nur Importe betrifft,                    den Bereichen Energie/Umwelt/Steuern ent-
sondern prinzipiell um eine neue Regelung                    sprechende Kompetenzen, um eine solche
bzw. Besteuerung, die auch für auch EU-Pro-                  einzuführen (Option 1), bzw. wurde der EU-
dukte gelten würde.                                          Emissionshandel bereits auf Basis entspre-
                                                             chender Kompetenzen geschaffen (Optionen
Was die Optionen 1 (Importsteuer), 2 (Auswei-                2-3). Ausgeschlossen ist damit eine Harmoni-
tung des EU-Emissionshandel auf Importe)                     sierung in diesem Bereich nicht35, selbst
und Option 3 (eigener Emissionshandel für                    wenn im Bereich der Steuern ggf. besondere
Importe) betrifft, scheint Art. 207 AEUV hinge-              Mehrheitsvoraussetzungen gelten. Somit soll-
gen als Rechtsgrundlage möglich. Zwar ist                    ten diese Optionen, vorausgesetzt sie werden
eine Materie betroffen (der Klimaschutz), die                dem Subsidiaritäts- und Verhältnismäßig-
auch innerhalb der Union geregelt ist (u. a.                 keitsgrundsatz gerecht, prinzipiell und auch
durch das EU-Emissionshandel), allerdings                    über das ordentliche Gesetzgebungsverfah-
würden die drei Optionen alle „an der Grenze“                ren mit Mehrheitsentscheidungen auf Basis
ansetzen und damit primär auf die gemein-                    dieser Rechtsgrundlage umgesetzt werden
same Handelspolitik der Union abzielen. Dies                 können.
schließt im Übrigen nicht den Klimaschutz-
charakter der Maßnahme aus: Immerhin ist                     Allerdings plant die Kommission wohl, den
die gemeinsame Handelspolitik nach den                       CBAM auf Art. 192 AEUV und damit auf die
Zielen der Union – wozu ausdrücklich der                     Umweltkompetenz zu stützen und somit den
Umweltschutz zählt – auszurichten. Aller-                    internationalen Klimaschutz als Hauptziel zu
dings ist nach der Rechtsprechung des Euro-                  wählen36, was in der internationalen politi-
päischen Gerichtshofs (EuGH) stets zu prüfen,                schen Kommunikation einen Vorteil bieten
welcher Aspekt der Maßnahme überwiegt                        könnte37. Damit würde sich je nach Ausge-
(Schwerpunkttheorie33), d. h. ob es sich primär              staltung jedoch die Frage stellen, ob es sich
um eine Außenhandelsmaßnahme handelt,                        nach Art. 192 Abs. 2 Buchst. a) AEUV um eine
etwa mit dem Hauptziel, die EU-Industrie im                  Vorschrift „überwiegend steuerliche[r] Art“
internationalen Wettbewerb nicht zu be-                      handelt. In diesem Falle wäre Einstimmigkeit
nachteiligen, oder ob die EU damit einen Bei-                im Rat erforderlich38. Andernfalls kann im
trag zum internationalen Klimaschutz leisten

 im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens geschützt              scheint – nach dem Vorbild des EHS – eine Maßnahme
 bleiben Vgl. EuGH, Rs. C-281/01, Energy-Star-Abkom-          zur CO2 Bepreisung wohl eher unter „Umweltschutz“
 men, Wahl der Rechtsgrundlage, Urt. v. 12.12.2002,           als in den Energiebereich fallen, womit Art. 194 AEUV
 Rn. 33-35 mit Nennung weiterer Rechtsprechung.               für die vorliegende Betrachtung außen vorgelassen
 33
   Vgl. Kahl, Alte und neue Kompetenzprobleme im EG-          wird.
                                                              36
 Umweltrecht – Die geplante Richtlinie zur Förderung            In den vergangenen Wochen hatte die EU-Kommis-
 Erneuerbarer Energien, NVwZ 2009, 266.                       sion immer wieder betont, dass der CBAM keine han-
 34
   Vgl. Pauwelyn/Kleimann, Trade Related Aspects of a         delspolitische, sondern eine Umweltschutzmaßnahme
 Carbon Border Adjustment Mechanism: Legal Asssess-           sein wird.
                                                              37
 ment, Studie für das EU-Parlament, INTA Ausschuss,              Immerhin wird auch jenseits von WTO-rechtlichen
 2020, S. 16 f.                                               Bedenken das politische Signal einer CBAM-Maß-
 35
   Zumindest im Umweltbereich ist das Caveat, dass            nahme, welches als Protektionismus aufgefasst wer-
 Maßnahmen die die Souveränität der Mitgliedstaaten           den könnte, als problematisch für die internationalen
 im Energiebereich nicht einschränken dürfen nach Art.        Handelsbeziehungen der EU eingeschätzt. Vgl. Etwa
 192 Abs. 2 Buchst. c AEUV kein absolutes, sondern            Zachmann/McWilliiams, A European carbon border
 durch Einstimmigkeit zu lösen. Zur – möglichen – Be-         tax: much pain, little gain, Bruegel, Policy Contribution
 deutung des Art. 194 Abs. 2 S. 2 AEUV vgl. Johnson/van       v. 05.03.2020, S. 10 f.
                                                              38
 der Marel, Ad Lucem? Interpreting the New EU Energy            Vgl. Carbon Pulse Mitteilung, Brussels leaning to-
 Provision, and in particular the Meaning of Article          wards ‘notional’ ETS for carbon border measure, says
 194(2) TFEU, European Energy and Environmental Law           EU trade Chief, carbon-pulse.com/121863. Dort ist von
 Review, Volume 22, Issue 5 (2013) pp. 181-199. Allerdings    Einstimmigkeit die Rede, was aber nach hiesiger
8 Ein EU CBAM – Rechtliche Einschätzung

ordentlichen Gesetzgebungsverfahren mit                    einer reinen außenhandelsbasierten Be-
Mehrheit entschieden werden39. Für Option 1                gründung – aber vermutlich abzuschwä-
als Importsteuer scheint der Tatbestand der                chen 44.
Steuer klar und somit das besondere Gesetz-
gebungsverfahren mit Einstimmigkeit festzu-                b) Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit
stehen. Auch Option 4 ist als (Verbrauchs-
                                                           Nach Art. 5 Abs. 3 EUV ist unter dem Prinzip
)Steuer deklariert und die entsprechende Ein-
                                                           der Subsidiarität zu verstehen, dass die
ordnung unproblematisch, was ebenso zu ei-
                                                           Union in allen Bereichen, in denen sie sich
nem Einstimmigkeitserfordernis führen
                                                           mit den Mitgliedstaaten Gesetzgebungs-
würde40. Allerdings scheint die EU-Kommis-
                                                           kompetenzen teilt, nur tätig werden darf,
sion zu erwägen, die sog. Passerelle-Klausel
                                                           „sofern und soweit die Ziele der in Betracht
heranzuziehen. Danach entscheidet der Rat
                                                           gezogenen Maßnahmen von den Mitglied-
einmalig einstimmig darüber, dass auch ein
                                                           staaten weder auf zentraler noch auf regi-
Mehrheitsentscheid im Gesetzgebungsver-
                                                           onaler oder lokaler Ebene ausreichend ver-
fahren ausreichend ist41.
                                                           wirklicht werden können, sondern vielmehr
                                                           wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkun-
Was die Einordnung der beiden „Emissions-                  gen auf Unionsebene besser zu verwirkli-
handels-Optionen“ 2 und 3 betrifft, vertritt der           chen sind“. Während es sich bei der ge-
EuGH bislang die Auffassung, dass es sich                  meinsamen Handelspolitik nach Art. 207
beim EU-Emissionshandel nicht um eine                      AEUV um eine ausschließliche Kompetenz
Steuer handelt42, so dass das ordentliche Ge-              (vgl. Art. 3 AEUV) handelt, und dieses Prin-
setzgebungsverfahren nach Art. 192 Abs. 1                  zip somit nicht zur Anwendung kommt, ist
AEUV einschlägig wäre43 – wie im Übrigen                   es für Handlungen auf Basis des Art. 192
auch für die anstehenden Reformen des EU-                  AEUV relevant.
Emissionshandel.
                                                           Will die EU also einen CBAM auf Basis die-
Somit sind alle Ausgestaltungsmöglichkei-                  ser Rechtsgrundlage erlassen, so muss
ten (auch) über die Umweltschutzkompe-                     nachvollziehbar sein, dass Maßnahmen der
tenz nach Art. 192 AEUV möglich. Zwar ist                  Mitgliedstaaten nicht ausreichend wären.
zu bezweifeln, dass allein der Umstand,                    Die EU-Kommission schreibt dazu in ihrem
dass die EU sich bei der Ausgestaltung des                 Inception Impact Assessment noch nichts
CBAM (ungeachtet des konkreten Designs)                    Konkretes 45. Betrachtet man allerdings die
auf den Umweltschutz stützt, die WTO-                      Ausgestaltungsoptionen bzw. das Instru-
rechtlichen Bedenken komplett ausräu-                      ment des CBAM als solches, wird bereits
men. Eine Kommunikation, die gezielt auf                   deutlich, dass eine solche Maßnahme
die Umsetzung des Pariser Klimaschutzab-                   durch die Mitgliedstaaten wohl – wenn
kommen und den Beitrag der EU zur Be-                      überhaupt – nur schwerlich möglich wäre.
grenzung der Erderwärmung abstellt, ver-                   Diese Annahme wird auch durch die Aus-
mag die Opposition internationaler Han-                    führungen der EU-Kommission zur EU-
delspartner zumindest – im Vergleich zu                    Emissionshandel Reform unterstützt: Hier

                                                           41
 Ansicht zumindest für Option 3, d. h. den fiktiven EHS,     Art. 192 Abs. 2 S. 2 AEUV. Dazu: Pauwelyn/Kleimann,
 nicht notwendig wäre. Die Möglichkeit anerkennend         Trade Related Aspects of a Carbon Border Adjustment
 auch das EU-Parlament, vgl. EU-Parlament, A WTO-          Mechanism: Legal Asssessment, Studie für das EU-Parla-
 compatible EU carbon border adjustment mechanism,         ment, INTA Ausschuss, 2020, S. 13.
 P9_TA-PROV(2021)0071, v. 10.03.2021, welches allerdings        42
                                                                  Vgl. Die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott,
 einen national EHS nach Option 3 – nicht zuletzt aus           wie auch im Endeffekt das Urteil des EuGHs in der Rs.
 diesen Gründen – gegenüber einer Steuer bevorzugt.             C-366/10, IATA, Urt. v. 21.12.2011.
 39
   So auch: DIW, Border Carbon Adjustments and Alter-           43
                                                                  Vgl. EU-Kommisssion, Inception Impact Assessment,
 native Measures for the EU ETS, Disussion Paper 1855,          Amendment of the EU Emission Trading System, Ref.
 2020, S. 6. Offenbar annehmend, dass das EHS zwar              Ares(2020)6081850 - 29/10/2020. Auch: Pauwelyn/Klei-
 eine „überwiegend steuerliche Maßnahme“ darstellt,             mann, Trade Related Aspects of a Carbon Border Ad-
 aber vom EuGH keine Beanstandung erwartend, sollte             justment Mechanism: Legal Asssessment, Studie für
 man im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren vorge-              das EU-Parlament, INTA Ausschuss, 2020, S. 11.
 hen: Merkle, Rechtliche Fragen einer Carbon Border             44
 Tax, ZUR 12/2020, 658, S. 663.                                      Vgl. im Folgenden ausführlicher IV. 4. bzw. IV. 7.
                                                                45
 40
   Auch: Pauwelyn/Kleimann, Trade Related Aspects of              EU-Kommission, Inception Impact Assessment,
 a Carbon Border Adjustment Mechanism: Legal Assses-            Amendment of the EU Emission Trading System, Ref.
 sment, Studie für das EU-Parlament, INTA Ausschuss,            Ares(2020)6081850 v. 29.10.2020, S. 1.
 2020, S. 13.
9

wird explizit auf den grenzüberschreiten-                 Pandemie entstehen, sowie generell Maß-
den Charakter des Problems „Klimaschutz“                  nahmen zu finanzieren, die den Zielen der
abgestellt und darauf verwiesen, dass An-                 Union dienen. Die Schätzungen bezüglich
strengungen auf allen Ebenen notwendig                    der möglichen Einnahmen sind dabei vor-
sind, wobei insbesondere durch die EU auf                 sichtig gewählt und man geht davon aus,
internationaler und EU-Ebene entspre-                     dass der EU-Haushalt mit Schwankungen
chende Anstrengungen und Maßnahmen                        bei den Einnahmen aus dieser neuen
notwendig seien 46.                                       Quelle auch umgehen könnte. Eine Abhän-
                                                          gigkeit von diesen neuen Mitteln soll also
Vielmehr stellt sich bei der Einführung ei-
                                                          vermieden werden 49. Zwar zählt zu den Zie-
nes CBAM die Frage der Verhältnismäßig-
                                                          len der Union, deren Erreichen aus dem
keit, nämlich ob das Handeln der EU hier
                                                          Haushalt finanziert werden soll, auch der
nicht über das hinaus geht, was zur Errei-
                                                          Klimaschutz. Eine besondere Mittelbindung
chung ihrer im Vertrag niedergelegten
                                                          ist jedoch derzeit nicht vorgesehen, was zu-
Ziele notwendig ist. Hier geht es also um
                                                          mindest teils kritisiert wird 50. Angesichts
die Wirkweise und Zweckmäßigkeit des
                                                          des noch unsicheren Aufkommens aus
CBAM als solchen. Dies wird in der Literatur
                                                          dem CBAM scheint es jedoch derzeit zu
vielfältig diskutiert 47 – und auch die EU-
                                                          früh, über eine mögliche Mittelbindung
Kommission stellt eigene Untersuchungen
                                                          nachzudenken.
dazu an. Es handelt sich dabei allerdings
nicht um eine juristische Fragestellung, so               Ohne eine solche spezielle Mittelbindung,
dass die definitive Antwort darauf dem Be-                die zunächst über den Mehrjährigen Fi-
trachtungsrahmen des vorliegenden Be-                     nanzrahmen und dann den Haushalt zu er-
richts entzogen ist. Vielmehr wird für die                folgen hätte, unterstehen die Einnahmen
folgenden Ausführungen angenommen,                        aus dem CBAM den allgemeinen Regeln für
dass ein CBAM zur Erreichung der Ziele der                die Mittelverwendung der EU. Hier ist ins-
EU – als Maßnahme zur Minderung des Car-                  besondere auf die Haushaltsdisziplin hinzu-
bon Leakage Problems sowohl in klima-                     weisen 51, nach der die EU ihre Ausnahmen
schutz- als auch industriepolitischer Hin-                umsichtig prüfen und rechtfertigen muss,
sicht – beitragen und somit dem Verhält-                  um eine effiziente Nutzung der Gelder zu
nismäßigkeitsprinzip entsprechen kann.                    gewährleisten 52.

c) Haushaltsvorschriften bezüglich Ver-                   d) Bedeutung des EU-Eigenmittelsystems
wendung des Aufkommens aus einem
                                                          Ungeachtet der Wahl der Rechtsgrundlage
CO2-Grenzausgleichssystem                                 stellt sich auch die Frage, ob die EU sich
Die Einnahmen aus einem CBAM sollen als                   durch einen CBAM neue Finanzmittel be-
neue Eigenmittel in den EU-Haushalt flie-                 schaffen darf. Auch wenn dies nicht das pri-
ßen 48. Geplant ist, damit unter anderem die              märe Ziel der Maßnahme zu sein scheint,
Kosten zu decken, die der Union durch die                 gehen sowohl die EU-Kommission als auch
zwischenzeitliche Aufnahme neuer Gelder
im Zusammenhang mit der COVID-19-

 46
   Vgl. EU-Kommission, Inception Impact Assessment,        management, as well as on new own resources, includ-
 Amendment of the EU Emission Trading System, Ref.         ing a roadmap towards the introduction of new own
 Ares(2020)6081850 v 29.10.2020, S. 3.                     resources, ABl. L 433 I v. 22.12.2020.
 47                                                        49
   Kritisch bspw. Wissenschaftlicher Beirat beim Bun-        Vgl. dazu : EU-Parlament, A WTO-compatible EU car-
 desministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Ein     bon border adjustment mechanism, P9_TA-
 CO2-Grenzausgleich als Baustein eines Klimaclubs,         PROV(2021)0071 vom 10.03.2021, Rn. 35.
 22.02.2021, S. 12 ff.                                     50
                                                              So wird insbesondere von der Industrie vertreten,
 48
    Vgl. Interinstitutional Agreement between the Euro-    dass Gelder aus dem CBAM dazu genutzt werden soll-
 pean Parliament, the Council of the European Union        ten, die Dekarbonisierung der (Schwer-)Industrie voran
 and the European Commission on budgetary disci-           zu treiben. Vgl. dazu etwa: O-Donaghue, Comments to
 pline, on cooperation in budgetary matters and on         the EU Parlament’s Own initiative report on a CBAM,
 sound financial management, as well as on new own         11.03.2021, abrufbar unter: https://ercst.org/event/bor-
 resources, including a roadmap towards the introduc-      der-carbon-adjustment-in-the-eu-european-parlia-
 tion of new own resources Interinstitutional Agree-       ment-own-initiative/ (zuletzt besucht: 12.03.2021).
 ment of 16 December 2020 between the European Par-        51
                                                                Vgl. Art. 310 AEUV.
 liament, the Council of the European Union and the        52
 European Commission on budgetary discipline, on co-          Dazu auch: Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV,
 operation in budgetary matters and on sound financial     5. Auflage 2016, Art. 310 AEUV.
10 Ein EU CBAM – Rechtliche Einschätzung

der Europäische Rat 53 und das EU-Parla-                    Beitrag der Mitgliedstaaten sowie seit 2020
ment 54 davon aus, dass das Aufkommen                       neu einem Beitrag der Mitgliedstaaten, der
aus einem CBAM als sogenannte „neue Ei-                     sich aus den nicht recycelten Verpackungs-
genmittel“ gelten und damit der Union zur                   abfällen für Kunststoff ergibt, zusam-
Verfügung stehen könnten.                                   men 60.
Die Haushaltsregeln der Union sehen aller-                  Für einen möglichen CBAM bedeutet dies,
dings ein geschlossenes System der finan-                   dass, sofern dieser Mechanismus genutzt
ziellen Eigenmittel vor, d. h. es können                    werden soll, um neue Eigenmittel für die
nicht jederzeit beliebig – etwa durch Steu-                 Union zu generieren, dass durch den Rat
ern und Abgaben – neue Einnahmen gene-                      erst ein entsprechender Eigenmittelbe-
riert werden 55. Vielmehr müssen über einen                 schluss nötig ist. Diesbezüglich schreibt
Eigenmittelbeschluss die Einnahmequellen                    Art. 311 Abs. 3 S. 1 AEUV vor, dass der Be-
definiert werden, um die jeweils für den                    schluss im besonderen Gesetzgebungsver-
Haushalt erforderlichen Mittel aufzubrin-                   fahren nach Anhörung des EU-Parlaments
gen, wobei der Haushalt der Union generell                  einstimmig gefasst werden muss. Damit
einer Haushaltsdisziplin untersteht 56. Dem-                kommt zu den oben diskutierten Voraus-
nach müssen bei der Aufstellung des Haus-                   setzungen bezüglich der Rechtsgrundlage
haltsplans der mehrjährige Finanzrahmen                     noch eine weitere Verfahrenskomponente
sowie der jeweilige Beschluss über das Ei-                  hinzu: Nicht nur für den CBAM müssen ent-
genmittelsystem der EU eingehalten wer-                     sprechende Mehrheiten bzw. Einstimmig-
den 57. Des Weiteren werden "Rechtsakte                     keit im Rat herrschen, sondern auch für
der Union, deren Umsetzung zu einer Über-                   dessen Funktion zur Eigenmittelbeschaf-
schreitung der im Haushaltsplan verfügba-                   fung. Diese Anforderung ist dann auch un-
ren Mittel führt (...) finanziell nicht ausge-              abhängig von der Ausgestaltungsoption,
führt, bis der Haushaltsplan entsprechend                   sondern entsteht generell soweit die Ein-
geändert worden ist" 58. Damit ist die Ver-                 nahmen aus dem CBAM in den EU-Haus-
wendung von Haushaltsmitteln streng re-                     halt fließen sollen.
guliert und Ausgaben müssen im Voraus
                                                            Der Europäische Rat hat in seinen Schluss-
geplant bzw. durch den Rat und das EU-
                                                            folgerungen aus dem Juli 2020 dann auch
Parlament abgesegnet werden.
                                                            bereits ausdrücklich erklärt, dass man auf
Derzeit setzen sich die Eigenmittel der                     einen solchen Beschluss hinarbeiten wolle
Union aus den sog. „traditionellen Eigen-                   – und Einnahmen aus dem CBAM ab 2023
mitteln“ 59, einem Anteil der Mehrwertsteu-                 als neue Eigenmittel genutzt werden kön-
ereinnahmen der Mitgliedstaaten, einem                      nen sollten 61. Die EU-Kommission scheint
über das Haushaltsverfahren festgelegten

 53
   Vgl. Europäischer Rat, Schlussfolgerungen vom             Siehe Milicevic, Kurzdarstellungen des Europäischen
 21.07.2020 EUCO 10/20, Rn. A29, Rn. 147.                    Parlaments, Die Ausgaben der Europäischen Union
 54
   Vgl. EU-Parlament, A WTO-compatible EU carbon             (2020), S. 2.
                                                             59
 border adjustment mechanism, P9_TA-                           Darunter werden Mittel „in Form von Abschöpfun-
 PROV(2021)0071, v. 10.03.2021, Rn. 32 ff.                   gen, Prämien, Zusatz- oder Ausgleichsbeträgen, zu-
 55
   Vgl. dazu umfassend: Magiera, in: Grabitz/Hilfs/Net-      sätzlichen Teilbeträgen und anderen Abgaben, Zöllen
 tesheim, Das Recht der Europäischen Union, Werk-            des Gemeinsamen Zolltarifs und anderen Zöllen auf
 stand: 71. EL August 2020, Art. 311 AEUV, Rn. 9ff.          den Warenverkehr mit Drittländern, die von den Orga-
 56
                                                             nen der Union eingeführt worden sind oder noch ein-
   Vgl. dazu: Schoo, in. Schwarze/Becker/Hatje/Schoo,        geführt werden, Zöllen auf die unter den ausgelaufe-
 EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 301 AEUV, Rn.           nen Vertrag über die Gründung der Europäischen Ge-
 24/25.                                                      meinschaft für Kohle und Stahl fallenden Erzeugnisse
 57
   Vgl. EU-Kommission, Haushaltsordnung für den Ge-          sowie Abgaben, die im Rahmen der gemeinsamen
 samthaushaltsplan der Union (2019), Art. 54.                Marktorganisation für Zucker vorgesehen sind“, ver-
 58
   Ebd. Art. 55. Des Weiteren muss die Kommission laut       standen, vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. a) Beschluss (EU, Euratom)
 der Institutionellen Vereinbarung vom 2. Dezember           2020/2053 des Rates über das Eigenmittelsystem der
 2013 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat           Europäischen Union und zur Aufhebung des Beschlus-
 und der Kommission über die Haushaltsdisziplin, die         ses 2014/335/ EU, Euratom, ABl. L424/1 vom 15.12.2020.
 Zusammenarbeit im Haushaltsbereich und die wirt-            60
                                                               Art. 2 Abs. 1 Beschluss (EU, Euratom) 2020/2053 des
 schaftliche Haushaltsführung 2013/C373/01 einen Jah-        Rates über das Eigenmittelsystem der Europäischen
 resbericht mit einer Übersicht über die finanziellen und    Union und zur Aufhebung des Beschlusses 2014/335/
 haushaltstechnischen Folgen verschiedener Tätigkei-         EU, Euratom, ABl. L424/1 vom 15.12.2020.
 ten der EU erstellen, ungeachtet dessen, ob diese aus       61
                                                               Vgl. Europäischer Rat, Schlussfolgerungen v.
 dem EU Haushalt oder anderweitig finanziert werden.         21.07.2020 EUCO 10/20, Rn. A29, Rn. 147.
11

dies ebenso einzuplanen 62, u. a. um die                     a) EU-Emissionshandel und freie Allokation
durch die COVID19-Pandemie benötigten
                                                             Im Rahmen des EU-Emissionshandel be-
Mehrausgaben abzudecken 63. Mit der Inter-
                                                             steht bereits ein Instrument, mit dem die
institutionellen Vereinbarung vom 16. De-
                                                             Gefahr eines vermeintliches Carbon
zember 2020 ist dies dann auch geschehen:
                                                             Leakage gemindert werden soll. Die soge-
Darin haben sich die Organe geeinigt, den
                                                             nannte „freie Allokation“ bezeichnet den
Weg für neue Eigenmittel für den EU-Haus-
                                                             auch für die kommende Handelsperiode
halt unter anderem über ein CO₂ Grenzaus-
                                                             fortbestehenden Mechanismus des EU-
gleichssystemmöglich zu machen. Die EU-
                                                             Emissionshandel, nach dem die Mitglied-
Kommission soll demnach bis Juni 2021
                                                             staaten für bestimmte Unternehmen und
Vorschläge vorlegen, mit dem Ziel, ab 2023
                                                             nach von der EU vorgebebenen und (ab-
auf die neuen Eigenmittel zugreifen zu
                                                             schließend) harmonisierten Regeln 65 kos-
können. Das Aufkommen soll dabei u.a. ge-
                                                             tenlose Emissionsberechtigungen ausge-
nutzt werden, um die durch die COVID-19-
                                                             ben werden. Umstritten ist, ob diese freie
Pandemie benötigten Mehrausgaben abzu-
                                                             Allokation, die im Wesentlichen Carbon
decken 64.
                                                             Leakage gefährdeten energieintensiven In-
                                                             dustrien zu Gute kommen soll, noch not-
                                                             wendig ist, wenn die EU einen CBAM ein-
2. Einbettung eines CBAM in das
                                                             führt und damit einen CO 2-Preis für alle an-
bestehende EU-System des Carbon
                                                             deren Produkte aus dem internationalen
Leakage-Schutzes                                             Wettbewerb. Immerhin könnte man argu-
                                                             mentieren, dass damit ein „Level Playing
Sind die Rechtsgrundlagen geklärt, ein ent-
                                                             Field“ entsteht und die freie Allokation bzw.
sprechender Eigenmittelbeschluss gefasst
                                                             auch andere Maßnahmen zur Vermeidung
und die Grundsätze der Subsidiarität und
                                                             wettbewerblicher Nachteile der betroffe-
der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt,
                                                             nen Industrien, nicht mehr notwendig
stellen sich für die Ausgestaltung des
                                                             sind 66. Allerdings besteht dieses Level
CBAM allerdings noch weitere primär- und
                                                             Playing Field wohl nur innerhalb der EU
sekundärrechtliche Fragen. Diese betreffen
                                                             und gilt nicht für Exporte aus der EU ins
die Auswirkungen eines solchen Mechanis-
                                                             EU-Ausland, weswegen andere argumen-
mus auf die bereits bestehenden Maßnah-
                                                             tieren, dass die freie Allokation für die Auf-
men zur Vermeidung von Carbon Leakage
                                                             rechterhaltung von EU-Produkten auf dem
und hier insbesondere den EU-Emissions-
                                                             internationalen Markt weiterhin notwendig
handel als Hauptinstrument zur CO 2-Be-
                                                             sein wird 67.
preisung und die darin vorgesehene soge-
nannte „freie Allokation“. Darüber hinaus                    Eine Antwort auf diese Frage kann im Rah-
sind auch das Beihilferecht – als Möglich-                   men der vorliegenden juristischen Bewer-
keit für die Mitgliedstaaten Wettbewerbsfä-                  tung nicht gegeben werden. Vielmehr wird
higkeit zu adressieren- sowie ggf. die Wa-                   es der EU-Kommission obliegen, im Rah-
renverkehrsfreiheit zu betrachten.                           men der Rechtfertigung der

 62
   Vgl. u. a.u. a. EU-Kommission, Die Stunde Europas –        433 I, v. 22.12.2020, Anhang II, Auch: EU-Parlament, A
 Schäden beheben und Perspektiven für die nächste             WTO-compatible EU carbon border adjustment me-
 Generation eröffnen, COM (2020) 546 final, v. 27.05.2021.    chanism, P9_TA-PROV(2021)0071, v. 10.03.2021, Rn. 34 f.;
 63
   Vgl. Europäischer Rat, Schlussfolgerungen v.               EU-Kommission, Die Stunde Europas – Schäden behe-
 21.07.2020 EUCO 10/20, Rn. A29, Rn. 147.                     ben und Perspektiven für die nächste Generation eröff-
 64
                                                              nen, COM(2020) 546 final v. 27.05.2020.
   Interinstitutional Agreement between the European          65
 Parliament, the Council of the European Union and the           Umfassend zu der Frage, welche Maßnahmen durch
 European Commission on budgetary discipline, on co-          die Mitgliedstaaten im Bereich des Emissionshandels
 operation in budgetary matters and on sound financial        noch getroffen werden können, etwa: Rodi/Stäsche et
 management, as well as on new own resources, includ-         al., Rechtlich-institutionelle Verankerung der Klima-
 ing a roadmap towards the introduction of new own            schutzziele der Bundesregierung, Juni 2015, S. 243 ff.
                                                              66
 resources Interinstitutional Agreement of 16 December          Die EU-Kommission hatte dies im Rahmen des
 2020 between the European Parliament, the Council of         Inception Impact Assessment zum CBAM aber auch
 the European Union and the European Commission on            generell im Rahmen der Reform des EU EHS zumin-
 budgetary discipline, on cooperation in budgetary            dest anklingen lassen.
 matters and on sound financial management, as well           67
                                                                Vgl. etwa: Evans et al. Border Carbon Adjustments
 as on new own resources, including a roadmap to-             and Industrial Competitiveness in a European Green
 wards the introduction of new own resources, ABl. L          Deal, CWPE 2036, 2020.
12 Ein EU CBAM – Rechtliche Einschätzung

Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen (so-                           aa) Beihilferecht
wohl des CBAM als auch der freien Alloka-
                                                                 Während die EU auch die Grundfreiheiten
tion) zu untersuchen, ob und inwieweit bei-
                                                                 zu beachten hat, sind die beihilferechtli-
des notwendig ist, um die internationale
                                                                 chen Vorgaben per definitionem nur an-
Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhal-
                                                                 wendbar auf Vorteile, die „staatlich oder
ten 68.
                                                                 aus staatlichen Quellen“, d. h. durch die
                                                                 Mitgliedstaaten gewährt werden 70.
b) Warenverkehrsfreiheit und Beihilferecht
                                                                 Was den CBAM betrifft, ist dann auch weni-
Zwar betreffen die Bestimmungen des
                                                                 ger dessen Design auf EU-Ebene relevant.
AEUV etwa zur Warenverkehrsfreiheit und
                                                                 Vielmehr stellt sich – nicht zuletzt ob der
dem Beihilferecht im Wesentlichen Maß-
                                                                 Parallele zum Emissionshandel, in dem
nahmen der Mitgliedstaaten, die drohen,
                                                                 ebenso ein Preis für CO 2-Emissionen gene-
den Wettbewerb zu verfälschen und den
                                                                 riert wird – die Frage, ob Maßnahmen, mit
Handel innerhalb der EU zu behindern. Al-
                                                                 denen die Mitgliedstaaten Unternehmen
lerdings haben auch die EU-Institutionen
                                                                 von etwaigen Auswirkungen des CBAM
bei ihren Handlungen diese Vorgaben zu
                                                                 entlasten wollen, beihilferechtlich zulässig
berücksichtigen; auch ist für (sekundäre)
                                                                 sein könnten 71.
EU-Gesetzgebung eine Kompatibilität mit
dem Recht der Verträge erforderlich 69.                          Bei den Ausgestaltungsoptionen 1 bis 3 ist
                                                                 diese Problematik allerdings nur bedingt
Was die Einführung eines CBAM betrifft,
                                                                 relevant; immerhin sollen hier Produkte aus
sollte also insbesondere geprüft werden,
                                                                 dem EU-Ausland (auf die ein oder andere
▶ wie sich ein solcher Mechanismus zu den                        Weise) einer zusätzlichen CO 2-Bepreisung
  Vorgaben des Beihilferechts verhält; und                       ausgesetzt werden 72. Bei Option 4 aller-
                                                                 dings würden auch Produkte aus den EU-
▶ ob die Ausgestaltungsoptionen keine (de
                                                                 Mitgliedstaaten einer neuen CO 2-Steuer un-
  facto) mengenmäßigen Beschränkungen
                                                                 terworfen, die sie ggf. (sofern der Wirt-
  zwischen den Mitgliedstaaten kreieren
                                                                 schaftszweig dem EU-Emissionshandel un-
  oder zumindest erleichtern.
                                                                 tersteht) zusätzlich zu den Kosten für den
Dabei wird es weniger um den Außenhan-                           Erwerb von entsprechenden Emissionszer-
delsaspekt – also die Bepreisung von im-                         tifikaten zu entrichten hätten.
portierten Produkten – gehen, sondern
                                                                 Dabei ist zu berücksichtigen, dass bereits
eher darum, wie speziell bei Ausgestal-
                                                                 im bestehenden EU-Emissionshandel für
tungsoption 4 (allgemeine CO 2-Steuer) mit
                                                                 bestimmte Unternehmen Begünstigungs-
EU-Produkten verfahren wird.
                                                                 bestände bestehen, die es den Mitglied-
                                                                 staaten ermöglichen, über staatliche Beihil-
                                                                 fen die Kostenlast zu mindern Die EU-Kom-
                                                                 mission hat diesbezüglich Leitlinien

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   Die EU-Kommission hat dazu eigene Studien ange-                Die Grundfreiheiten müssen „Freiheiten” bleiben! –
 kündigt und jüngst verlautbaren lassen, dass sie davon           Nochmals zu Tabakwerbeverbot und Gemeinschafts-
 ausgeht, die Freie Allokation zumindest langfristig              kompetenzen, EuZW 2000, 337.
 nicht fortführen zu wollen. Gleichzeitig hat die EU-             70
                                                                    Vgl. von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettes-
 Kommission mit der neuen Verordnung 2021/447/EU                  heim, Das Recht der Europäischen Union, 72. EL Feb-
 vom 15.03.2021 bereits jetzt – d. h. ohne einen CBAM -           ruar 2021, AEUV Art. 107 Rn. 128
 die Benchmarks für die Freie Allokation angeschärft.             71
 Im Bericht des EU-Parlaments wird die EU-Kommis-                    In diesem Zusammenhang ist auch die ausstehende
 sion zur Untersuchung der Notwendigkeit des Fortbe-              Reform der EU-Energiesteuerrichtlinie relevant: Sollte
 stehens der Freien Allokation (sei es in Form von Ex-            hier eine zusätzliche CO2-Bepreisungskomponente
 port Rabattes) aufgerufen; allerdings wird eine solche           eingeführt werden und durch die Mitgliedstaaten um-
 zumindest nicht (mehr) ausgeschlossen, auch wenn                 zusetzen sein, stellt sich verstärkt die Frage nach mög-
 ein solches Phase-Out ursprünglich vom Umweltaus-                lichen Befreiungen/Entlastungen, die (voraussichtlich)
 schuss vorgeschlagen worden war. EU-Parlament, A                 im beihilferechtlichen Rahmen zu klären sein wird.
                                                                  72
 WTO-compatible EU Carbon border adjustment me-                     Allerdings ist anzunehmen, dass das System der
 chanism, P9_TA-PROV(2021)0071, v. 10.03.2021, Rn. 28 f.          freien Allokation bzw. generell das bestehende Beihil-
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     Zur Bindung des EU-Gesetzgebers an die Grundfrei-            feregime für Carbon Leakage gefährdete Unterneh-
 heiten, vgl. EuGH verb. Rs. 80 u. 81/77 – Ramel – Rn. 927        men im Rahmen des EHS weiter beibehalten würde.
 ff.; in der Literatur etwa: Tietje, in: Grabitz/Hilfs/Nettes-    So zumindest: Evans et al., Border Carbon Adjustments
 heim, Das Recht der Europäischen Union, Werkstand:               and Industrial Competitiveness in a European Green
 71. EL August 2020, Art. 114 AEUV, Rn. 48-53; auch: Stein,       Deal, CWPE 2036, 2020.
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