Einige Gedanken zu Fehlmeinungen im Tennissport Tennis, anders denken und spielen!

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Einige Gedanken zu Fehlmeinungen im Tennissport
Tennis, anders denken und spielen!
Falsches Einschätzen der eigenen Möglichkeiten und Grenzen, gepaart mit falschen
Zielsetzungen und Einstellungen, führt bei vielen Tennsspielenden zu Misserfolg und
Frust.
Sinkende Mitgliederzahlen in Clubs und Tennishallen, die zu Kinder-Spielwelten oder
Soccerhallen umgebaut werden, weisen darauf hin, dass die Zahl der Tennisspielenden
abnimmt. Nebst anderen Ursachen ist auch der Verlust an Freude am Tennissport an sich
ein Grund für den Rückgang!
Ein Hauptfehler, welchen viele machen ist, dass sie den Erfolg nur einseitig, d.h. über das
Vervollkommnen der Technik suchen. Aussagen, wie
    • „gegen den (meistens ein schlechter Techniker) kann ich nicht verlieren“,
    • „das ist doch kein Tennis“ (meistens jemand, der nur hohe sicherer Bälle spielt)
belegen diese These.
Alle Unterrichtenden sind gefordert, den bestehenden Tennisspielenden falsche Denkweisen
aufzudecken und ihnen neue Entfaltungsmöglichkeiten, vor allem in taktischen und mentalen
Bereichen, aufzuzeigen. Dazu möchte ich mit den folgenden Gedanken, welche absichtlich
provokativ formuliert sind, einen Beitrag leisten.

Tipp 1:„Lassen sie den Gegner nicht laufen!“
Viele Tennisspielende denken, sie müssten den Gegner von einer Ecke in die andere
„jagen“. Andere verlieren nach einigen Crossduellen die Geduld und denken, sie müssten
„mal was anderes machen“, meistens dann mit einem Longlineball die Richtung wechseln,
um den Punkt endlich oder überhaupt gewinnen zu können. Diese Zielsetzungen
entspringen meist der falschen Einstellung, in erster Linie gegen den Gegner zu spielen und
nicht für sich selbst die einfachste und sicherste Handlung auszuwählen. Dabei ist die
Fähigkeit, den Ball platziert spielen zu können nur bei fortgeschrittenen Spielenden
vorhanden und darf beispielsweise zu Beginn einer Tenniskarriere nicht ein Hauptziel sein.
Beginnende lassen ihre Mitspielenden sowieso immer „ungewollt“ laufen. Wenn sie die Bälle
platzieren müssen, sei es zum Spielpartner oder in eine Ecke, dann werden sie viele Fehler
begehen, weil ihre Streuungskreise die ganze Platzhälfte bedecken (siehe Abbildung)

Was ist ein sicherer Longlineball?
Mit zunehmender Spielerfahrung werden die Streuungskreise kleiner und ein angemessenes
Platzieren der Bälle in die rechte oder linke Platzhälfte wird möglich.
Auch fortgeschrittene Tennisspielende können den Gegner aber nur „laufen lassen“, wenn
sie situationsbedingt den ersten Crossball spielen können, denn nach einem Longlineball
muss der Spielende weiter laufen, um den Platz richtig abdecken zu können
(Winkelhalbierende).
Ein sicherer Longlineball berücksichtigt die eigene Streuungszone mit Zielpunkt (siehe
Abbildung 2). Spielt man einen Longline von einer Spielfeldecke aus, darf er demnach nicht
parallel zur Seitenlinie, sondern leicht von aussen nach innen geschlagen werden.
Somit sind solche Bälle aber nur dann wirkungsvoll, wenn der Gegner den Platz nicht
genügend abdeckt. Deswegen müssen die Bälle solange cross gespielt werden, bis sich eine
gute Chance für den Richtungswechsel ergibt (Gegner spielt in die Platzmitte). Geduld ist
eine Tugend. Auch wenn man „nur“ Crossbälle spielt, muss der Gegner viel laufen, um den
Platz nach jedem Schlag abdecken zu können. Die Crossbälle müssen in Zeit und Raum so
gespielt werden, dass man für das Platzabdecken selbst genügend Zeit hat.

Tipp 2:“Planen sie nie einen Angriff!“
Von der Spielfeldmitte aus können die Bälle beliebig, mit Vorteil aber auf die schwächere
Seite des Gegners (meistens Rückhand) platziert werden. Viele Spielende denken in solchen
Spielsituationen, sie müssten nach schnell gespielten Bällen ans Netz vorrücken und planen
somit den Angriff, ohne die Wirkung des Balles abzuwarten. Mit solchen Handlungsweisen
können keine Punkte erzielt werden. Ein geplanter Netzangriff kann nur zum Punktgewinn
führen, wenn der Angriffsball wirkungsvoll ist, was aber nicht immer gewollt realisierbar ist.
Nur wenn der Gegner damit zu überhastet gespielten fehlerhaften Passierbällen verleitet
werden kann, führen geplante Netzangriffe immer zum Erfolg. Auch in solch offensiven
Spielsituationen ist von den Spielenden Geduld gefordert, um auf den für einen Netzangriff
wirkungsvollsten Ball warten zu können.

Der verzögerte Angriff
Die Spielenden müssen sich Zeit lassen um zu schauen, ob der Ball auch die gewünschte
Wirkung erzielt hat oder nicht. Dieses kurze „abwarten müssen“ führt dazu, dass viele
Spielende sich nicht mehr getrauen nach guten Bällen ans Netz vorzurücken, weil sie
befürchten, sie könnten zu spät kommen. Wenn sie sich aber diese Zeit nehmen, dann
werden sie am Netz eher Erfolg haben, weil sie dann zwar verzögert, aber dafür im richtigen
Moment angreifen um mit einem leicht zu erreichenden Ball den Ballwechsel erfolgreich
abschliessen zu können.

Tipp 3: „Gewinnen ohne Gewinnschlag!“
In allen Stärkeklassen gewinnen immer wieder vermeintlich „schwächere“ gegen „bessere“
Spieler. Der Grund für die Niederlage liegt auch in der falschen Einstellung. Die „Besseren“
denken, dass sie dank ihrer technischen Überlegenheit gegen die Schwächeren, welche die
Bälle mit unkonventionellen Schlägen nur übers Netz schieben, gewinnen müssen. Ein Sieg
über solche, eigentlich nicht “richtig“ Tennisspielende, scheint logisch zu sein und wird als
unangenehme Pflichtübung angesehen. So versuchen sie oft auf jeden ankommenden Ball
sofort einen Winner zu schlagen, was dann zu vielen unnötigen Fehlern führt.
Einmal in Rückstand geraten, ist es dann schwer die drohende Niederlage abzuwenden, weil
ein zu starkes Bemühtsein zu viele Muskeln beansprucht („kurzer Arm“).
Viele „schwächere“ Spieler zeichnen sich aber durch situationsgerechtes Wahrnehmen und
Handeln sowie mentaler Stärke aus. Sie nutzen die taktischen und mentalen Schwächen der
Gegner aus. Ihre Stärke ist die Geduld, mit dem Gegner die Bälle solange cross übers Netz
zu spielen, bis sich ihnen eine bessere Möglichkeit bietet. Sie versuchen nicht den Gegner
mit schnellen und riskanten Bällen übers Spielfeld zu hetzen oder überstürzt ans Netz
vorzurücken, nur um von den Zuschauern bewundert zu werden. Deswegen gewinnen sie
auch ohne Gewinnschläge.
Leider haben viele Tennisspielende für eine solche Spielweise kein Verständnis. Dabei
wären dies gerade Qualitäten, die es bei sich selbst zu entdecken und zu entfalten gilt, denn
nicht alle können technisch wie Federer spielen, welcher für seine Vollkommenheit sogar von
anderen Profis bewundert wird.

Jeder Gegner, welcher das Beste aus seinen Möglichkeiten macht, verdient den Respekt
seiner Herausforderer. Sein Bestes geben ist die Kunst, nicht resultatmässig gewinnen zu
wollen, sondern seine technischen, taktischen, mentalen und konditionellen Fähigkeiten
richtig einschätzen zu können, darauf aufzubauen und sie einzusetzen. Wer nach diesem
Grundsatz handelt, darf auf sich stolz sein und wird langfristig Freude am Tennissport haben.

Übungen
Übungen, welche die Spielenden befähigen,

1. die Aufmerksamkeit von sich weg auf den ankommenden Ball in Raum und Zeit zu richten,
2. den ankommenden Ball situationsangepasst zurückzuspielen,
3. die Wirkung der eigenen Handlung wahrzunehmen und allenfalls,
4. situativ darauf zu reagieren!

Beispiel zu 1:
A und B spielen lange Bälle, möglichst hinter eine markierte Linie (abh. von der Spielstärke).
Beide zählen die Treffer des Gegners (Länge der Bälle wahrnehmen).

Beispiel zu 2:
Spieler A und B spielen lange Crossbälle. Alle Bälle, die vor der T-Linie auftreffen, müssen
als Crosswinner zurückgeschlagen werden.
Spieler A und B spielen aus der Mitte heraus schnelle Bälle. Alle Bälle, die in den seitlichen
Zonen auftreffen, müssen hoch (Zeitgewinn) zurückgespielt werden.

Beispiel zu 3:
A und B spielen lange Bälle, möglichst hinter eine markierte Linie (abh. von der Spielstärke).
A zählt seine eigenen Treffer und B zählt die Treffer von A. A kann erfahren, ob er die Länge
seiner Bälle richtig einschätzt.

Beispiel zu 4:
A und B spielen die Bälle durch die mit Kegeln markierte Mitte (Torbreite abh. von
Spielstärke). Sobald ein Spieler den Ball ausserhalb des „Tores“ erlaufen muss, kann ein
Netzangriff erfolgen.

Der Autor
                     Martin Golser ist dipl. A-Wettkampftrainer Swiss Tennis. Seit 30 Jahren
                     trainiert er in allen Leistungs- und Altersklassen.
                     Kontakt: Tennis- und Squashcenter, Rotmatt, CH-3280 Murten
Streuungskreise und Longlinegrenze

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Der sichere Longlineballe

                            Der sichere
                            Longline

                                            Longline-Grenze Vorhandseite

                                          Taktisches „Tor“
                                          Abhängig von Spielstärke
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