Einsatz von niedermolekularen Heparinen bei Niereninsuffizienz - Vascular Care

 
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Einsatz von niedermolekularen
Heparinen bei Niereninsuffizienz
HELMUT SCHINZEL, JOHANNES-GUTENBERG-UNIVERSITÄT MAINZ, II. MEDIZINISCHE KLINIK UND POLIKLINIK

                                Die Wirkung von Arzneimitteln im Organismus                 Je enger die therapeutische Breite eines
                                ist ein komplexer Vorgang. Um einen suffizi-                Pharmakons ist, desto wichtiger werden diese
                                enten Einsatz zu gewährleisten, sind Kenntnisse             Gesichtspunkte. Die Elimination eines Arznei-
                                der Pharmakodynamik und der Pharmakokinetik                 mittels kann unverändert oder nach entsprechen-
                                der entsprechenden Substanz unerlässlich. Die               der Biotransformation erfolgen (Abb. 1). Das
                                sichere und optimale Therapie hängt entschei-               wesentliche Organ für die Biotransformation ist
                                dend von der richtigen Indikationsstellung, der             die Leber. Hier werden die Substanzen durch
                                adäquaten Dosierung sowie der Beachtung von                 Phase-I- oder -II-Reaktionen in eine ausschei-
                                Invasion (Resorption, Verteilung) und Elimination           dungsfähigere Form überführt. Während die
                                (Biotransformation und Ausscheidung) ab. Bei                Phase-I-Reaktion durch oxidative, reduktive oder
                                Unterdosierung werden die notwendigen thera-                hydrolytische Prozesse charakterisiert ist, werden
                                peutischen Wirkspiegel nicht erreicht. Bei Über-            die Substanzen in der Phase-II-Reaktion durch
                                dosierung gelangt man in den toxischen Bereich              Konjugation in eine besser eliminierbare Form
                                mit den entsprechenden Nebenwirkungen; dies                 umgewandelt. Die Phase-II-Reaktion kann im
                                gilt es unbedingt zu vermeiden.                             Anschluss an die Phase-I-Reaktion erfolgen.

                                                                                            Die wichtigsten Eliminationsorgane des Orga-
                                Abbildung 1: Eliminationswege von pharmakologischen         nismus sind Leber und Nieren. Bei Schädigung
                                Substanzen                                                  dieser Organe kann es zur verminderten Aus-
                                                                                            scheidung und damit zur Kumulation bei wieder-
                                                                                            holter Arzneimittelapplikation kommen. Durch
       unverändert                            Biotransformation                             Kumulation besteht die Gefahr gravierender, zum
                                                                                            Teil vital bedrohlicher Nebenwirkungen. Um
                                                                                            diese zu vermeiden, ist es wichtig, die Dosis
                                                                                            rechtzeitig anzupassen und, wenn möglich, bei
                                                                                            Patienten mit eingeschränkter Funktion der
                             Phase-I-Reaktion                   Phase-II-Reaktion           Eliminationsorgane ein Monitoring des entspre-
                                                                                            chenden Pharmakons durchzuführen.

                               Ausscheidung

18     VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12
Elimination von                                    Während bei den UFH die Leber die wesentliche
                                                   Rolle bei der Elimination spielt, ist bei den NMH
unfraktionierten und nieder-                       die renale Ausscheidung wichtiger [4, 6, 11, 13,
molekularen Heparinen                              14, 24, 34, 36]. Unfraktionierte Heparine be-
                                                   sitzen ein mittleres Molekulargewicht von ca.
Es stellt sich eine Reihe von Fragen:              12.000 bis 15.000 Dalton, niedermolekulare
                                                   Heparine haben ein mittleres Molekulargewicht
- Bestehen prinzipielle Unterschiede zwischen      von ca. 3.000 bis 7.000 Dalton [12]. Sowohl
  den Substanzklassen niedermolekulare (NMH)       UFH als auch NMH sind biologische Substanzen,
  und unfraktionierte Heparine (UFH)?              die aus Schweinedarmmukosa gewonnen wer-
                                                   den. NMH werden aus den UFH durch chemi-
- Welchen Eliminationsmechanismen unterliegen      sche oder enzymatische Depolymerisation herge-
  Heparine?                                        stellt.

- Sind die NMH gleich oder gibt es relevante       Der unterschiedliche Herstellungsprozess der
  präparatespezifische Unterschiede?               NMH führt zu Präparaten, die sich sowohl struk-       Der unterschiedliche
                                                   turell als auch durch ihre Molekulargewichtsver-      Herstellungsprozess der NMH
- Ab welchem Grad der Niereninsuffizienz ist mit   teilung unterscheiden. Dies hat eine nachhaltige      führt zu Präparaten, die sich
  Kumulation zu rechnen?                           Wirkung auf die einzelnen Substanzen bezüglich        sowohl strukturell als auch
                                                   pharmakokinetischer und pharmakodynamischer           durch ihre Molekulargewichts-
- Ist die Kumulation mit einem erhöhten            Eigenschaften. So ist die Anti-Faktor-Xa/Anti-        verteilung unterscheiden.
  Blutungsrisiko verbunden?                        Faktor-IIa-Ratio deutlich unterschiedlich (Tab. 1).
                                                   Die NMH sind zwar eine Substanzklasse, die ein-
- Wann ist eine Dosisadaptierung indiziert?        zelnen Präparate jedoch unterschiedlich und
                                                   damit nicht gegeneinander austauschbar. Dies
- Sind fixe Dosisreduktionsschemata zur            zeigt sich auch an den unterschiedlichen Dosie-
  Verhinderung von Komplikationen geeignet?        rungsempfehlungen der Hersteller sowohl für
                                                   die Prophylaxe- wie auch die therapeutische
- Kann man mit dem Anti-Xa-Monitoring              Dosierung. Den Unterschieden wird insbeson-
  Komplikationen verhindern (Blutungen durch       dere aus pharmakoökonomischen Gesichts-
  Überdosierung; Thromboembolien durch             punkten oft nur unzureichend Rechnung getra-
  Unterdosierung)?                                 gen.

                                                                                                  VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12       19
Special

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                                Tabelle 1: Herstellungsweise und Eigenschaften der in
                                Deutschland zugelassenen niedermolekularen Heparine

                                   Substanz                  Handelsname                Herstellungs-         Mittleres Molekular-   Anti-Xa/
                                                             (Hersteller)               verfahren             gewicht (D)            IIa-Ratio

                                   Certoparin                Mono-Embolex®              Isoamylnitrat-        4.200 – 6.200            2,2
                                                             (Novartis)                 Spaltung
                                   Dalteparin                Fragmin®                   Nitrit-Spaltung       5.600 – 6.400            2,5
                                                             (Pfizer)
                                   Enoxaparin                Clexane®                   Benzylierung          3.500 – 5.500            3,6
                                                             (Sanofi-Aventis)           und alkalische
                                                                                        Depolymerisation
                                   Nadroparin                Fraxiparin®                Nitrit-Spaltung       4.200 – 4.800            3,2
                                                             (GlaxoSmithKline)
                                   Reviparin                 Clivarin®                  Nitrit-Spaltung       3.150 – 5.150            3,5
                                                             (Abbott)
                                   Tinzaparin                Innohep®                   Heparinase-Spaltung   5.800 – 6.750            1,9
                                                             (LEO, ZLB-Behring)

                                Wirkungsmechanismen                                          Die Unterschiede zwischen UFH und NMH
                                                                                             sind strukturell bedingt. Heparine sind chemisch
                                der Heparine                                                 Mukopolysaccharide. Um beim Antithrombin-
                                                                                             Molekül eine Konformationsänderung zu errei-
                                Die gerinnungshemmende Wirkung von NMH                       chen und somit Thrombin (Faktor IIa) zu hem-
                                und UFH beruht auf ihrer Bindungsfähigkeit an                men, ist eine Monosaccharidsequenz von
                                den wichtigsten Inhibitor der endoplasmatischen              mindestens 18 Zuckereinheiten erforderlich. Für
                                Blutgerinnung, dem Antithrombin (AT).                        die Inaktivierung von Faktor Xa benötigt man
                                                                                             eine Sequenz von fünf Monosaccharideinheiten.
                                Antithrombin inaktiviert aktivierte Gerinnungs-              Nicht alle NMH-Moleküle sind lang genug, um
                                faktoren mit einer besonders hohen Affinität zu              Thrombin zu inhibieren. Damit erklärt sich der
                                Faktor Xa und Faktor IIa (Thrombin) (Abb. 2).                pharmakodynamische Unterschied zwischen den
                                In Gegenwart von Heparinen wird diese Inakti-                UFH und NMH und auf Grund der divergenten
                                vierung beschleunigt. NMH und UFH führen                     Kettenlängen der einzelnen NMH-Präparate auch
                                durch eine reversible Bindung an AT zu einer                 deren unterschiedliche Anti-Faktor-Xa/Anti-
                                Konformationsänderung des Antithrombin-                      Faktor-IIa-Ratio [14, 20, 28, 45].
                                Moleküls. Dadurch kann AT aktivierte Gerinnungs-
                                faktoren um ein Vielfaches schneller abfangen.
                                Das bedeutet also: Die Heparine wirken bei die-
                                sem Vorgang als Reaktionsbeschleuniger
                                (Katalysatoren) [20, 28].

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Während bei den UFH die Ratio 1:1 beträgt,            Auf ein generelles Labormonitoring unter NMH
ist sie bei den NMH zugunsten der Anti-Xa-Wir-        kann man verzichten. Dies gilt auch für die the-   Während bei den UFH die
kung verschoben. Aus diesen unterschiedlichen         rapeutische körpergewichtsadaptierte Dosierung.    Ratio 1:1 beträgt, ist sie bei
Ratios ergibt sich eine wichtige Konsequenz für       Da die Niere das wichtigste Eliminationsorgan      den NMH zugunsten der
das Monitoring: Die unfraktionierten Heparine         für NMH darstellt, besteht bei deutlich einge-     Anti-Xa-Wirkung verscho-
werden mittels der aktivierten partiellen Throm-      schränkter Nierenfunktion Kumulationsgefahr        ben.
boplastinzeit (aPTT) gesteuert. Dieser Parameter      und damit verbunden ein erhöhtes Blutungs-
ist für die niedermolekularen Heparine ungeeig-       risiko. Leider korrelieren die Anti-Faktor-Xa-
net. Eine direkte Messung der NMH-Konzen-             Spitzenspiegel nicht streng mit dem klinischen
tration kann nur mit großem Aufwand erfolgen          Outcome oder mit den Blutungskomplikationen
und ist deshalb nicht alltagstauglich. Als biologi-   der Patienten, so dass ihre Bestimmung genau
scher Surrogat- und damit als Monitoringpara-         genommen nur die Kumulation anzeigt, jedoch
meter dient die Anti-Faktor-Xa-Aktivität (aXa)        nicht das zu erwartende Nebenwirkungsrisiko
[12, 13, 14, 20]. Nur bei deutlicher Überdosie-       [1, 13, 25].
rung der NMH ist die aPTT relevant verlängert.
                                                      Die Anti-Xa-Bestimmung ist daher nur in
Niedermolekulare Heparine binden im Vergleich         speziellen Situationen indiziert, z. B. bei NMH-
zu UFH weniger ausgeprägt an Plasmaproteine           Applikation bei Neugeborenen, Kindern und
sowie an das Endothel und an Makrophagen.             Schwangeren, bei Patienten mit niedrigem oder
Sie weisen eine deutlich bessere Bioverfügbarkeit     hohem Körpergewicht (< 50 kg, > 150 kg), bei
nach subkutaner Applikation auf (NMH > 90 %;          schwerer Niereninsuffizienz, bei Blutungskompli-
UFH 10 bis 30 %). Die Halbwertszeit von NMH           kationen sowie bei therapeutischer intravenöser
ist etwa doppelt so lang wie die von UFH, wobei       NMH-Gabe. Dabei ist darauf zu achten, dass
es deutliche Unterschiede zwischen den einzel-        der Anti-Xa-Spiegel 3,5 bis 4 Stunden nach der
nen NMH-Präparaten gibt [11, 14, 33, 39, 45].         subkutanen Applikation ermittelt werden muss,
                                                      um den maximalen Plasmaspiegel zu erfassen.
Die günstigere Pharmakodynamik und insbe-
sondere die günstigere Pharmakokinetik haben                                                             Die günstigere Pharmako-
dazu geführt, dass die NMH in der Thrombo-                                                               dynamik und insbesondere
embolieprophylaxe und auch in der venösen                                                                die günstigere Pharmakokine-
Thromboembolietherapie die UFH sowohl im                                                                 tik haben dazu geführt, dass
chirurgischen als auch im konservativen Bereich                                                          die NMH in der Thrombo-
weitgehend verdrängt haben. Durch ihre deut-                                                             embolieprophylaxe und auch
lich bessere Bioverfügbarkeit nach subkutaner                                                            in der venösen Thrombo-
Applikation weisen die NMH neben der besser                                                              embolietherapie die UFH so-
kalkulierbaren Wirkung auch eine geringere                                                               wohl im chirurgischen als
interindividuelle Variabilität auf, was zu einer                                                         auch im konservativen Bereich
höheren Therapiesicherheit führt.                                                                        weitgehend verdrängt haben.

                                                                                                  VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12       21
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HELMUT SCHINZEL, JOHANNES-GUTENBERG-UNIVERSITÄT MAINZ, II. MEDIZINISCHE KLINIK UND POLIKLINIK

                                Bestimmung bzw. Abschätzung                                 Wodurch lässt sich die
                                der Nierenfunktion                                          Nierenfunktion beschreiben?
                                Die Nierenfunktion kann durch prärenale, renale             Die Nierenfunktion wird am besten durch die
                                und postrenale Ursachen eingeschränkt sein,                 glomeruläre Filtrationsrate (GFR) beschrieben.
                                z. B. durch ungenügende Flüssigkeitszufuhr, Er-             Die GFR ist das Gesamtvolumen des Primärharns,
                                krankungen der Nieren selbst (auch toxische                 der von allen Glomeruli beider Nieren in einer
                                Nierenschädigung) und durch renale Abflussbe-               definierten Zeiteinheit produziert wird. Leider
                                hinderungen (Nierenaufstau). Im Alter nimmt die             lässt sich die GFR nur mit aufwendigen Metho-
                                Nierenfunktion physiologischerweise ab und                  den bestimmen und ist damit für die klinische
                                erreicht bei 80-Jährigen nur noch ca. 50 % der              Routine nicht geeignet. Zwischen dem Plasma-
                                Norm.                                                       kreatinin und der GFR besteht kein linearer
                                                                                            Zusammenhang, so dass die Plasmakreatinin-
                                                                                            bestimmung nur sehr unzureichend die Nieren-
                                Abbildung 2: Angriffspunkte der Antikoagulanzien im         funktion repräsentiert. Verantwortlich hierfür ist
                                Gerinnungssystem                                            vor allem, dass der Serumkreatininspiegel nicht
                                                                                            nur von der Nierenfunktion alleine abhängt,
                                                                                            sondern auch noch von der Kreatininbildungs-
           intrinsisch                                          extrinsisch
                                                                                            rate in der Muskulatur. Durch die Abnahme der
                                                                                            Muskelmasse besonders bei älteren Patienten
                                                              Danaparoid (AT)               kann sich hinter einem normalen Serumkreatinin-
       Pentasaccharid (AT)                FXa                    NMH (AT)                   wert bereits eine deutliche Nierenfunktionsein-
                                                                                            schränkung verbergen. Erfahrungsgemäß steigt
                                                                  UFH (AT)
                                                                                            der Serumkreatininwert erst bei einer Abnahme
                                                                                            der Nierenfunktion von > 50 % an. Dies ist eine
             Hirudin
                                       Thrombin                                             unbefriedigende Situation.
           Argatroban

            Bivalirudin                                    HCo II-Dermatansulfat            Um die Nierenfunktion abzuschätzen, kann
                                                                                            die endogene Kreatinin-Clearance (CrCl) mit der
                                                                                            Sammelurinmethode herangezogen werden.
                                                                                            Unerlässliche Voraussetzung hierbei ist, dass der
                                                                                            Patient sorgfältig den Urin sammelt. Dies ist
                                                                                            aber nicht immer gewährleistet und schränkt die
                                                                                            Aussagekraft oft deutlich ein.

22     VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12
Um einfacher an Informationen über den Funk-         Warum liegen nur wenige Daten
tionszustand der Nieren zu gelangen, wurde
eine Reihe von Formeln zur Abschätzung der           zu niedermolekularen Heparinen
glomerulären Filtrationsrate (GFR) oder der          und Niereninsuffizienz vor?
Kreatinin-Clearance (CrCl) entwickelt. Eine der
wichtigsten und relativ einfachsten Formeln stellt   Bei den großen randomisierten Thrombose-
die Cockcroft-Gault-Formel dar (Abb. 3) [9]. Die     studien und bei den Studien zum akuten Koro-
GFR lässt sich auch aus der Kreatinin-Clearance      narsyndrom waren Patienten mit Niereninsuffi-
durch Multiplikation mit 0,81 berechnen. Zur         zienz explizit ausgeschlossen. Auf Grund der
Nierenfunktionsabschätzung stehen noch ver-          pharmakokinetischen Unterschiede sind die
schiedene andere Formeln wie z. B. die MDRD-         Daten eines speziellen NMHs nicht auf die ande-
oder Mayoklinik-Formeln zur Verfügung, die im        ren übertragbar, so dass jede einzelne Substanz
Vergleich zur Cockcroft-Gault-Formel genauer         untersucht werden muss. Es wurde eine Reihe
sein sollen, jedoch komplizierter in der Anwen-      pharmakologischer Studien mit einer Single-
dung sind [26, 29, 38]. Die MDRD-Formel von          dose-Applikation (intravenös bzw. subkutan)
LEVY, BOSCH UND LEWIS, 1999 [26], wird der-          durchgeführt [5, 7, 15, 16, 19, 24, 42]. Hierbei
zeit von der National Kidney Foundation zur          wurden die Maximalkonzentrationen und das
Nierenfunktionsabschätzung empfohlen. Hierbei        Verteilungsvolumen bestimmt und die Daten von
muss berücksichtigt werden, dass die MDRD-           niereninsuffizienten Patienten mit den Daten von
Formel im hohen GFR-Bereich die tatsächliche         gesunden Probanden verglichen. Dabei zeigte
GFR unterschätzt. Auch hat die Formel eventuell      sich zwar kein Unterschied in der Maximal-
Schwächen bei extrem unter- oder übergewich-         konzentration und im Verteilungsvolumen;
tigen Patienten. Bei Schwangeren und Kindern         abhängig vom Schweregrad der Niereninsuffi-
wurde die Aussagekraft dieser Formel noch nicht      zienz ergab sich aber eine Zunahme der AUC
hinreichend untersucht.                              (area under the curve) und der Eliminationshalb-
                                                     wertszeit [14, 16].
Möglicherweise bietet in Zukunft die Bestim-
mung des Cystatin C eine gute Alternative zur
Abschätzung der Nierenfunktion. Das Cystatin C       Abbildung 3: Abschätzung der Nierenfunktion
fällt im Zellstoffwechsel an und ist unabhängig      nach der Cockcroft-Gault-Formel
vom Alter, der Muskelmasse und dem Geschlecht.
Die Substanz wird rein glomerulär ausgeschie-           Cockcroft-Gault-Formel
den. Der Cystatinspiegel ist damit aussagekräfti-                                        (140-Alter) x Gewicht x FG
ger als der des Serumkreatinins. Diese Messung          Kreatinin-Clearance (ml/min) =
                                                                                         Serumkreatininkonz. x 72
hat jedoch bislang noch keinen breiten Eingang
in den klinischen Alltag zur Nierenfunktionsab-         *FG = Faktor Geschlecht: Frauen = 0,85; Männer = 1
schätzung gefunden. Die Niereninsuffizienz wird
nach den praktischen Richtlinien der National
Kidney Foundation in fünf Stadien gemäß
Tabelle 2 eingeteilt [32].

                                                                                                     VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12   23
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                                STÖBE et al. applizierten einen einmaligen Bolus            Entscheidend für den Kliniker sind jedoch nicht
                                von 50 I.E. Dalteparin/kg Körpergewicht intra-              die Daten zur Single-dose-Applikation, sondern
                                venös bei Patienten mit moderater bis schwerer              die Daten bei wiederholter Gabe. Eine richtungs-
                                Niereninsuffizienz (CrCl: 13,1 bis 56,5 ml/min),            weisende Arbeit wurde hierzu von SANDERINK
                                bei Hämodialysepatienten und bei nierengesun-               et al. mit Enoxaparin in der Hochrisiko-Prophy-
                                den Kontrollprobanden [42]. Bei den Patienten               laxedosierung (40 mg s.c./Tag) durchgeführt
                                mit eingeschränkter Nierenfunktion bzw. bei den             [37]. Es wurden vier Kollektive mit jeweils zwölf
                                Hämodialysepatienten war die Anti-Xa-Clearance              Patienten und unterschiedlicher Nierenfunktion
                                signifikant eingeschränkt im Vergleich zur Kon-             gebildet:
                                trollgruppe. Die Anti-Xa-Elimination erfolgte in
                                allen drei Gruppen gemäß einer Kinetik 1. Ord-              - Gesunde mit einer CrCl > 80 ml/min
                                nung. Bei den gesunden Probanden normalisier-               - leichte Niereninsuffizienz mit CrCl 50 bis
                                ten sich die Anti-Xa-Werte nach acht Stunden.                 80 ml / min
                                In den beiden anderen Versuchsgruppen dauerte               - mittlere Niereninsuffizienz mit CrCl 30 bis
                                dies mit zehn bis 14 Stunden signifikant länger.              50 ml / min
                                Die Eliminationshalbwertszeit war jedoch ledig-             - schwere Niereninsuffizienz < 30 ml / min
                                lich um 0,5 Stunden (1,3 Std. vs. 1,8 Std.) ver-
                                längert.                                                    In der Studie wurden jeweils die Anti-Xa-
                                                                                            Spitzen- und Talspiegel bestimmt und das Kumu-
                                Die Clearance der Anti-IIa-Aktivität erfolgte eben-         lationsverhalten über eine Zeitspanne von ins-
                                falls nach einer Kinetik 1. Ordnung. Die Anti-IIa-          gesamt vier Tagen untersucht. Bei den Patienten
                                Aktivität normalisierte sich beim Kontrollkollektiv         mit gering- und mittelgradiger Nierenfunktions-
                                innerhalb von fünf Stunden, bei den Patienten               einschränkung zeigte sich kein relevanter
                                mit eingeschränkter Nierenfunktion bzw. bei den             Anstieg der Anti-Xa-Spiegel. Die AUC stieg bei
                                Hämodialysepatienten innerhalb von acht bzw.                diesen beiden Kollektiven im Vergleich zu den
                                zehn Stunden.                                               Nierengesunden lediglich um 20 bzw. 21 % an.
                                                                                            Bei den Patienten mit schwerer Niereninsuffi-
                                                                                            zienz dagegen war der maximale Anti-Xa-
                                                                                            Spiegel signifikant erhöht, auch die AUC stieg
                                Tabelle 2: Stadieneinteilung der Nierenfunktion nach der    um 65 % an. Dies zeigt ein signifikantes Kumu-
                                National Kidney Foundation [32]                             lationsverhalten bei Patienten mit schwerer
                                                                                            Niereninsuffizienz im Vergleich zu Gesunden an
                                                                                            (p=0,0001) (Abb.4).
     Stadium der            Charakterisierung (GFR ml/min/1,73 m2)
     Niereninsuffizienz
              I:            > 90 normale oder erhöhte GFR
              II:           60-89 geringgradige Funktionseinschränkung
             III:           30-59 moderate Funktionseinschränkung
             IV:            15-29 schwere Funktionseinschränkung
              V:            < 15 Nierenversagen

24      VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12
Die Eliminationshalbwertszeit verlängerte sich     Insgesamt ergaben die Untersuchungen zu
mit zunehmender Niereninsuffizienz und betrug      Enoxaparin, dass bei Patienten mit eingeschränk-
bei schwerer Niereninsuffizienz (CrCl < 30 ml/     ter Nierenfunktion sowohl die Einzel- als auch
min) 15,9 Stunden (Normalkollektiv 6,87            die Mehrfachapplikationen zu einer verlangsam-
Stunden) (Abb.5). Die Autoren kamen zu dem         ten Ausscheidung führen [2, 3, 7, 8, 17, 21,
Schluss, dass bei milder und moderater Nieren-     22, 37].
insuffizienz keine Dosisadjustierung notwendig
ist, jedoch bei Patienten mit schwerer Nieren-     Abbildung 4: Kumulationsverhalten von Enoxaparin in
insuffizienz eine solche vorgenommen werden        der Hochrisiko-Prophylaxedosierung (40 mg s.c./Tag) in
muss.                                              Abhängigkeit von der Nierenfunktion

In einer retrospektiven Analyse von 620 Patien-
ten mit Niereninsuffizienz (CrCl < 60 ml/min)                                             60
unter therapeutisch intravenöser UFH-Applika-
                                                    Anti-Xa-Spiegel dargestellt als AUC

tion versus gewichtsadaptierter subkutaner
NMH-Gabe (Enoxaparin) war die Rate schwerer
Blutungen mit 26,3 versus 20,7 pro 1.000 Patien-                                          40
                                                    (0-24 Std.) Zunahme in %

tentagen vergleichbar. Die Inzidenz schwerer
Blutungen nahm mit dem Grad der Nierenfunk-
tionseinschränkung sowohl unter UFH als auch
                                                                                          20
unter NMH zu [43].

Obwohl in den großen kardiologischen Studien                                                                         20                21                 65
zum akuten Koronarsyndrom die Niereninsuffi-
                                                                                           0
zienz ein Ausschlusskriterium darstellte, wurden                                               gesund > 80       milde 50–80     moderate 30–50       schwere < 30
trotzdem einige Patienten mit schwerer Nieren-
                                                                                               Niereninsuffizienz / Kreatinin-Clearance ml / min
funktionsstörung (CrCl < 30 ml/min) einge-
schlossen und ausgewertet [10]. Schwere Blutun-
gen traten bei diesen Patienten unter UFH in
7 % und unter NMH (Enoxaparin) in 14 % der
Fälle auf. Im Gesamtkollektiv betrug die Rate      Abbildung 5: Halbwertszeiten von Enoxaparin
schwerer Blutungen 6,7 % (UFH = 7 %; NMH =         (40 mg s.c./Tag) in Abhängigkeit von der Nierenfunktion
6,5 %).

Ein anderes Bild ergab eine Metaanalyse der                       Eliminationshalbwertszeit in Stunden
ESSENCE- und der TIMI-11B-Studien bezüglich
der Subgruppen (n= 139) mit Nierenversagen.
Der Grad der Nierenfunktionseinschränkung war                                     gesund                     milde             moderate              schwere
                                                                                                                           Niereninsuffizienz
in den Behandlungskollektiven gleich (UFH: CrCl
25,3 +/- 4,4 ml/min; Enoxaparin: 24,8 +/-5,1 ml/
min). Es zeigten sich in beiden Patientengruppen
signifikant mehr schwere Blutungen im Vergleich                                   6,87 Std.              9,94 Std.             11,3 Std.             15,9 Std.
zu den Nierengesunden [41]. Unterschiede zwi-
schen UFH und NMH wurden nicht beobachtet.

                                                                                                                                   VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12      25
Special

HELMUT SCHINZEL, JOHANNES-GUTENBERG-UNIVERSITÄT MAINZ, II. MEDIZINISCHE KLINIK UND POLIKLINIK

                                Pharmakologische Unterschiede                               Auch die renale Ausscheidung der NMH hängt
                                                                                            entscheidend vom Molekulargewicht ab [3, 16,
                                der verschiedenen                                           23, 30, 31, 33, 39]. Hierbei gilt: je länger die
                                niedermolekularen Heparine                                  Kettenlänge des Heparinmoleküls, desto gerin-
                                                                                            ger die renale Elimination (Abb. 7). Dies bedeu-
                                In Tabelle 1 sind die in Deutschland verfüg-                tet, dass die NMH mit einer niedrigeren Moleku-
                                baren niedermolekularen Heparine aufgeführt.                largewichtsverteilung zu stärkerer Kumulation
                                Wie bereits erwähnt, unterscheiden sich die                 bei Niereninsuffizienz führen. Eine stärkere Ku-
                                einzelnen niedermolekularen Heparine in ihrem               mulation birgt ein erhöhtes Risiko von Blutungs-
                                Herstellungsverfahren, ihrem mittleren Mole-                komplikationen. Die Kumulationsgefahr ist dabei
                                kulargewicht und auch in der Intensität ihres               nicht nur vom Grad der Niereninsuffizienz ab-
                                Einflusses auf das Gerinnungssystem (Anti-Xa/IIa-           hängig, sondern auch von der repetitiv applizier-
                                Ratio). Während die Anti-Xa/IIa-Ratio bei den               ten Dosis und wahrscheinlich auch von der
                                unfraktionierten Heparinen 1:1 beträgt, liegt sie           Dauer der Medikation. Die Datenlage diesbezüg-
                                bei den NMH zwischen 1,9 bis 3,6. Die Ratio                 lich ist derzeit noch begrenzt. Untersuchungen
                                ist abhängig von der Molekulargewichtsvertei-               für jedes einzelne Präparat sind notwendig.
                                lung der Substanz, d.h. je geringer das Molekular-
                                gewicht, desto stärker die Faktor-Xa-inhibierende           Es ist bislang nicht klar belegt, wie wertvoll
                                Wirkung des entsprechenden Präparats (Abb.6).               die Bestimmung der Anti-Xa-Aktivität ist und
                                                                                            insbesondere ab welchen Anti-Xa-Spiegeln
                                Abbildung 6: Molekulargewichtsabhängigkeit der              man mit einer Blutung rechnen muss. Eigene
                                Anti-Xa/Anti-IIa-Ratio niedermolekularer Heparine           Erfahrungen haben gezeigt, dass bei Anti-Xa-
                                                                                            Spiegeln > 1,5 I.E./l vermehrt Blutungen auftre-
                                                                                            ten und eine Dosisreduktion erforderlich ist.
  Niedermolekulare Heparine
                                                                                            Ein besonders wichtiger Aspekt bezüglich
                                                                                            Blutungen unter NMH ist die Beachtung der
     Reviparin                          3.150–5.150
                                                                                            Begleitmedikation. Viele der zu beobachtenden
                                                                                            Blutungen werden durch blutverdünnende oder
     Enoxaparin                            3.500–5.500                                      die Blutverdünnung verstärkende Co-Medi-
                                                                                            kationen mitverursacht. In erster Linie ist hierbei
                                              4.200–                                        an die gleichzeitige Gabe von Thrombozyten-
     Nadroparin
                                              4.800
                                                                                            funktionshemmern wie Aspirin, Clopidogrel oder
                                                                                            GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonisten zu denken. Aber
     Certoparin                                      4.200–6.200
                                                                                            auch Schmerzmittel, die einen thrombozyten-
                                                                                            funktionshemmenden Effekt besitzen, z. B. zahl-
                                                              5.600–
     Dalteparin                                                                             reiche nicht steroidale Antirheumatika, können
                                                              6.400
                                                                                            ursächlich für Blutungen mitverantwortlich sein.
                                                                   5.800–
     Tinzaparin
                                                                   6.750

     0                2.000              4.000                6.000           8.000
                                                                             MG (D)

                           Anti-Xa-/Anti-IIa-Ratio

26       VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12
In Tabelle 3 sind die derzeitigen Empfehlungen
der Hersteller bei Niereninsuffizienz aufgeführt.
Sie reichen von Kontraindikationen, über Dosis-
reduktionen bis zu allgemeinen Warnhinweisen.
Zum Teil wird auf die Möglichkeit des Anti-Xa-
Monitorings hingewiesen.

Tabelle 3: Empfehlungen der Hersteller bei einge-
schränkter Nierenfunktion

   Substanz (Handelsname)                  Grad der Niereninsuffizienz                     Empfehlungen des Herstellers
                                                 CrCl (ml/min)

   Reviparin (Clivarin®)                            < 30 ml/min          Darf nicht angewendet werden bei schwerer Nierenfunktions-
                                                                         einschränkung. Kein Hinweis auf Anti-Xa-Bestimmungen.
   Enoxaparin (Clexane®)                            < 30 ml/min          Dosisreduktion bei der Hochrisiko-Prophylaxedosierung um 25%,
                                                                         bei der gewichtsadaptierten therapeutischen Dosierung um
                                                                         50%, Anti-Xa-Kontrollen. Auf Blutungszeichen achten.
   Nadroparin (Fraxiparin®)                           < 30 ml/min        Darf nicht angewendet werden bei schwerer Nierenfunktions-
                                                                         einschränkung.
   Dalteparin (Fragmin®)                                                 Bei Nierenversagen Anti-Xa-Kontrollen empfohlen.
   Certoparin (Mono-Embolex®)                       < 30 ml/min          Darf nicht angewendet werden bei schwerer Nierenfunktions-
                                                                         einschränkung, bei Überdosierung Anti-Xa-Bestimmungen und
                                                                         Dosisanpassung empfohlen.
   Tinzaparin (Innohep®)                                                 Vorsicht bei Niereninsuffizienz!

Tabelle 4: Aus den aktuellen Studien abgeleitete
Empfehlungen bei eingeschränkter Nierenfunktion (nicht
Dialysepatienten) und wiederholter Gabe niedermole-
kularer Heparine

   Produkt (Handelsname)                  Grad der Niereninsuffizienz                             Empfehlungen
                                                CrCl (ml/min)

   Dalteparin (Fragmin®)                                                 Keine Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz*.
                           ®
   Enoxaparin (Clexane )                            < 30 ml/min          Dosisreduktion bei der Hochrisiko-Prophylaxedosierung um 25%,
                                                                         bei der gewichtsadaptierten therapeutischen Dosierung um
                                                                         50%, Anti-Xa-Kontrollen.
   Tinzaparin (Innohep®)                            ≥ 20 ml/min          Keine Dosisreduktion bis CrCl ≥ 20 ml/min.
                                                                         Keine Dosisanpassung bei älteren Patienten.
   Nadroparin (Fraxiparin®)                         < 30 ml/min          Es liegen keine Daten bei Niereninsuffizienz vor.
   Certoparin (Mono-Embolex®)                       < 30 ml/min          Es liegen keine Daten bei Niereninsuffizienz vor.
   Reviparin (Clivarin®)                                                 Es liegen keine Daten bei Niereninsuffizienz vor.

   * Die Datenlage ist hierzu begrenzt, für die therapeutische Dosierung > 3 Tage bei schwerer Niereninsuffizienz ist sie derzeit noch
     nicht ausreichend.

                                                                                                            VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12   27
Special

HELMUT SCHINZEL, JOHANNES-GUTENBERG-UNIVERSITÄT MAINZ, II. MEDIZINISCHE KLINIK UND POLIKLINIK

                                Abbildung 7: Kumulationsgefahr der niedermolekularen          Zusammenfassung
                                Heparine bei Niereninsuffizienz in Abhängigkeit vom
                                Molekulargewicht
                                                                                              Obwohl die niedermolekularen Heparine eine
                                                                                              Substanzklasse darstellen, sind ihre pharmako-
  Niedermolekulare Heparine                                                                   dynamischen und pharmakokinetischen Eigen-
                                                                                              schaften doch sehr divergent. Sie unterscheiden
                                                                                              sich in ihrem Herstellungsverfahren, ihrem mitt-
     Reviparin                            3.150–5.150
                                                                                              leren Molekulargewicht, der Anti-Faktor-Xa/-IIa-
                                                                                              Ratio und nicht zuletzt in ihrer Kumulations-
     Enoxaparin                              3.500–5.500                                      neigung bei Niereninsuffizienz.

                                                  4.200–                                      Die bislang vorliegenden Daten zeigen zwei
     Nadroparin
                                                  4.800
                                                                                              wesentliche Einflüsse des Molekulargewichts auf
                                                                                              die Eigenschaften der verschiedenen niedermole-
     Certoparin                                         4.200–6.200
                                                                                              kularen Heparine (Abb. 6 und 7):

                                                                 5.600–
     Dalteparin                                                                               1. Je kleiner das Molekulargewicht, desto
                                                                 6.400
                                                                                                 größer die Anti-Faktor-Xa/-IIa-Ratio.
                                                                      5.800–
     Tinzaparin
                                                                      6.750                   2. Je kleiner das Molekulargewicht, desto
                                                                                                 größer der Anteil der renalen NMH-Elimi-
     0                2.000                 4.000                6.000                8.000      nation und desto größer das Kumulations-
                                                                                     MG (D)      risiko bei Niereninsuffizienz.
                           Kumulation bei Niereninsuffizienz
                                                                                              Unter der Voraussetzung, dass die Anti-Xa-Spie-
                                                                                              gel als Marker für die Kumulation herangezogen
                                                                                              werden können, gilt, dass bei den NMH mit
                                                                                              großem Molekulargewicht wie Dalteparin und
                                Tabelle 5: Anti-Faktor-Xa-Spitzenspiegel unter thera-         Tinzaparin auch bei schwerer Niereninsuffizienz
                                peutischer subkutaner Dalteparin-Gabe (2 x 100 I.E. pro       keine relevante Kumulation zu erwarten ist (Tab.
                                kg Körpergewicht pro Tag) am 3. Behandlungstag [40]           4, 5). Unter diesen Substanzen erscheint selbst
                                                                                              bei schwerer Niereninsuffizienz nach den der-
                                  Niereninsuffiziente                  Nierengesunde          zeit vorliegenden, wenn auch noch begrenzten
                                       Patienten                      Kontrollpersonen        Daten keine Dosisreduktion notwendig (Abb. 7).
 Anti-Xa I.E./ml                CrCl < 40 ml/min (n=11)          CrCl > 80 ml/min (n=11)
 Range                                    0,1 – 1,0                        0,3 – 0,9
 Median                                     0,5                                0,6
 Mittelwert und SD                      0,47 +/- 0,25                    0,55 +/- 0,20

28       VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12
Für Tinzaparin konnte explizit gezeigt werden,       Literatur
dass der Anti-Xa-Spiegel bis zu einer Kreatinin-      [1] Abbate R, Gori AM, Farsi A, Attanasio M, Pepe G: Monitoring of
Clearance von 20 ml/min auch unter therapeuti-           low-molecular weight heparins in cardiovascular diesease. Am J
scher Dosierung (175 I.E./kg KG pro Tag über             Cardiol 82 (1998) 33L–36L
zehn Tage) nicht ansteigt [39]. Die allgemeine        [2] Bazinet A, Almanric K, Brunet C, Turcotte I, Martineaus J, Caron S,
Empfehlung, NMH bei einer CrCl < 30 ml/min               Blais N, Lalonde L: Dosage of enoxaparin among obese and renal
entweder gar nicht oder nur unter Anti-Xa-               impairment patients. Thromb Res 116 (2005) 41–50
Monitoring zu geben, ist vor diesem Hintergrund       [3] Becker RC, Spencer FA, Gibson M, Rush JE, Sanderink G, Murphy
so nicht haltbar.                                        SA, Ball SP, Antman EM: Influence of patient characteristics and
                                                         renal function on factor Xa inhibition pharmacokinetics and
Einen allgemeingültigen Cut-off, ab dem mit              pharmacodynamics after enoxaparin administration in non-ST-sege-
Kumulation zu rechnen ist, gibt es nicht. Es gilt        ment elevation acute coronary syndromes. Am Heart J 143 (2002)
die Präparateunterschiede zu beachten. Die               753–59
Ergebnisse zur NMH-Gabe bei Patienten mit             [4] Boneu B, Cranobe C, Sie P: Pharmacokietics of heparin and low
schwerer Niereninsuffizienz müssen durch wei-            molecular weight heparin. Baillierres Clin Haematol 3 (1990)
tere Untersuchungen für jedes einzelne Präparat          531–44
untermauert werden. Insbesondere zur thera-           [5] Brophy DF, Wazny LD, Gehr TW et al.: The pharmacokinetics of sub-
peutischen NMH-Dosierung über einen längeren             cutaneous enoxaparin in end-stage renal disease. Pharmacotherapy
Zeitraum bei niereninsuffizienten Patienten sind         21 (2001) 169–74
weitere Daten erforderlich.                           [6] Buckley MM, Sorkin EM: Enoxaparin: a review of its pharmacology
                                                         a cliical applications in the prevention and treatment of throm-
Zu den Anti-Xa-Bestimmungen muss man                     boembolic disorders. Drugs 44 (1992) 465–97
kritisch feststellen, dass bislang immer noch kein    [7] Cadroy Y, Pourrat J, Baladre MF, Saivin S, Houin G, Monastruc JL,
Grenzwert ermittelt ist, ab dem mit einem                Vernier J, Boneu B: Delayed elimination of enoxaparin in patients
erhöhten Blutungsrisiko gerechnet werden muss.           with chronic renal insufficiency. Throm Res 63 (1991) 385–90
Eigene Erfahrungen zeigen, dass Spitzenspiegel        [8] Chow SL, Zammit K, West K, Dannenhoffer MA, Lopez-Candales A:
≥ 1,5 I.E./ml das Entstehen von Blutungskompli-          Correlation of antifactor Xa concentration with renal function in
kationen begünstigen. In diesen Fällen sollte            patients on enoxaparin. J Clin Pharmacol 43 (2003) 586–90
man die NMH-Dosis unter weiterem Monitoring           [9] Cockcroft DW, Gault MH et al.: Nephron (1976) 16–31
um ca. 25 bis 30 % reduzieren. Zahlreiche            [10] Cohen M, Demers C, Gurfinkel EP et al.: A comparison of low
Blutungskomplikationen unter NMH-Behandlung              molecular weight heparin with unfractionated heparin for unstable
sind jedoch nicht nur durch die niedermolekula-          coronary artery disease. Efficacy and safety of subcutaneous
ren Heparine, sondern insbesondere durch die             enoxaparin in non-Q-wave coronary events study group. N Engl J
Begleitmedikation bedingt. Hier ist an erster            Med 337 (1997) 447–52
Stelle die Co-Medikation mit Thrombozytenfunk-
tionshemmern oder Schmerzmitteln mit blut-
plättcheninhibierender Wirkung zu nennen.

                                                                                                                         VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12   29
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                                [11] Collignon F, Frydman A, Caplain H, Ozoux ML, Le Roux Y, Bouthier          [21] Hulot JS, Montalescot G, Lechat P, Collet JP, Ankri A, Urien S.
                                     J, Thebault JJ: Comparison of the pharmacokinetics profiles of                 Dosage strategy in patients with renal failure receiving enoxaparin
                                     three low molecular mass heparins – dalteparin, enoxaparin and                 for treatment of non-ST-segment elevation acute coronary syn-
                                     nadroparin – administered subcutaneously in healthy volunteers                 drome. Clin Pharmacol Ther 2005; 77: 542-552.
                                     (doses for prevention of thromboembolism). Thromb Haemostasis             [22] Hulot JS, Vantelon C, Mouzamodo A, Mahe I, Ankri A, Montalescot
                                     73 (1995) 630–40                                                               G, Lechat P: Effect of renal function on the pharmacokinetics of
                                [12] Cornelli U, Fareed J: Human pharmacokinetics of low molecular                  enoxaparin and consequences on dose adjustment. Ther Drug
                                     weight heparins. Sem Thromb Hemostasis 25 (Suppl 3) (1999)                     Monit 26 (2004) 305–310
                                     57–61                                                                     [23] Hory B, Claudet MH, Magnette J, Bechtel P, Bayrou B:
                                [13] Duplaga BA, Rivers CW, Nutescu E: Dosing and monitoring of low-                Pharmacokinetic of a very low molecular weight heparin in chronic
                                     molecular-weight heparins in special populations. Phamacother 21               renal failure. Thromb Res 63 (1991) 311–17
                                     (2001) 218–234                                                            [24] Laforest MD, Colas-Linhart N, Guiraud-Vitaux F, Bok B, Bara L,
                                [14] Frydman A: Low.molecular-weight heparins: an overview of their                 Samama M, Marin J, Imbault F, Uzan A: Pharmacokinetics and bio-
                                     pharmacodynamics, pharmcokinetics and metabolism in humans.                    distribution of techencium 99 m labelled standard heparin and low
                                     Haemostasis 26 (suppl 2) (1996) 24–38                                          molecular weight heparin (enoxaparin) after intravenous injection
                                [15] Frydman AM, Bara L, Le Roux Y, Woler M, Chauliac F, Samama MM:                 in normal volunteers. Br J Haematol 77 (1991) 201–8
                                     The antithrombotic activity and pharmacokinetics of enoxaparin, a         [25] Leizorovicz A, Bara L, Samma MM, Haugh MC: Factor Xa inhibition:
                                     low molecular weight heparin, in humans given single subcutane-                correlation between plasma levels of anti-Xa activitiy and occur-
                                     ous doses of 20 to 80 mg. J Clin Pharmacol 28 (1988) 609–18                    rence of thrombosis and haemorrhage. Haemostasis 23 (suppl 1)
                                [16] Goudable C, Saivin S, Houin G et al.: Phamacokinetics of a low                 (1993) S89–98
                                     molecular weight heparin (Fraxiparin®) in various stages of chronic       [26] Levy, Bosch, Lewis et al.: Ann Int Med 130 (1999) 461–70 und
                                     renal failure. Nephron 59 (1991) 543–45                                        877–84
                                [17] Guillet B, Simon N, Sampol JJ Lorec-Penet AM, Portugal H, Berland         [27] Lim W, Dentali F, Eikelboom JW, Crowther MA: Meta-analysis: low-
                                     Y, Dussol B, Brunet P: Pharmacokinetics of the low molecular                   molekular-weight heparin and bleeding in patients with severe
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