Elemente der "Fabrik der Zukunft" - Teil 2: Smart Plant - der Digitale Zwilling des Fabrikgesamtsystems - De Gruyter
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INTELLIGENTE FABRIK INDUSTRIE 4.0 Elemente der „Fabrik der Zukunft“ Teil 2: Smart Plant – der Digitale Zwilling des Fabrikgesamtsystems Simon F. Schäfer*, Die Anforderungen an zukünftige Fabriken wachsen im Zuge der im- Nils T. Gorke, mer komplexeren Vernetzung von Wertschöpfungsprozessen stetig. Cihan Cevirgen, Dieser erhöhte Druck erfordert eine digitale Transparenz, um mit den Yeong-Bae Park und gesteigerten Herausforderungen, insbesondere im Zielfeld Nachhaltig- Peter Nyhuis keit, mitzuhalten. Die Themen Digitale Fabrik, Industrie 4.0 und Buil- ding Information Modeling sind zunehmend im Einsatz in den jewei- ligen Planungsdomänen einer Fabrik und leisten ihren eigenen Beitrag zur Beherrschung der Komplexität und Verbesserung der Planungs- ergebnisse. Offen ist, wie diese Elemente strukturiert zusammen- geführt werden können, damit eine gesamtheitliche Lösung geplant, gestaltet und gesteuert werden kann. Der vorliegende Beitrag geht die- ser Frage nach und postuliert eine Vision der „Fabrik der Zukunft“. In diesem zweiten Teil dieser Beitragsreihe werden die Gemeinsamkeiten der Elemente abgeleitet und zum Digitalen Zwilling verknüpft. Einleitung men auf einen in einem Handlungsrah- Bezüglich der Denkweise werden bei men vergleichbaren Nenner zu bringen. der DF im Wesentlichen in einer räumli- Anknüpfend an die im ersten Teil dieser Das nächste Cluster ist die Denkweise, chen Planungsebene Produktionssysteme Beitragsreihe erarbeiteten Grundlagen welche die Grundhaltung des Elements u. a. durch Technologien wie Virtual/Aug- [1] werden im Folgenden in die Konzepte in der Planung und / oder Betrieb einer mented Reality (VR / AR) digital model- Digitale Fabrik (DF), Industrie 4.0 (I 4.0) Fabrik widerspiegelt. Zuletzt beschreibt liert [8], wohingegen bei der I 4.0 ganze und Building Information Modeling (BIM) der Zeitrahmen den zeitlichen Horizont, Systeme auf Prozessebene abgebildet und jeweils paarweise mithilfe eines Venn- in dem die jeweiligen Elemente für eine miteinander verknüpft werden [9]. Diese Diagramms gegenübergestellt und zuerst Fabrik im Rahmen von Planungsaktivitä- Unterscheidung zeigt, dass das Konzept in ihren grundlegenden Eigenschaften ten Wirkung erzielen. Nach den grund- I 4.0 einer ganzheitlichen Systembetrach- voneinander abgegrenzt sowie Gemein- legenden Unterscheidungen werden die tung unterliegt, wohingegen bei der DF samkeiten identifiziert. Die sich in der Schnittmengen mit ihrem dazugehörigen die ganzheitlich planungsbezogene Denk- Gegenüberstellung ergebenden Cluster Potential für die Planung, Gestaltung und weise vorherrscht. Erst durch das gezielte werden nachfolgend kurz erläutert. Steuerung einer Fabrik betrachtet. Anstoßen einer bestimmten Fragestellung Als erstes wird der Anwendungshori- (z. B. Verbesserung der Materialflüsse) zont betrachtet. Dieser bietet die Grund- Gegenüberstellung Digitale werden die dafür nötigen Informationen lage dafür, die beiden betrachteten The- Fabrik und Industrie 4.0 aus einer zugrundeliegenden Datenbank in ein Modell integriert, um zur Lösung In der ersten Gegenüberstellung werden einer Aufgabenstellung beizutragen, die Themenfelder DF und I4.0 betrachtet während durch die I 4.0 auch die Daten- * Korrespondenzautor (Bild 1). Im Anwendungshorizont un- erhebung und -verarbeitung zum Einsatz Dr.-Ing. Simon F. Schäfer terscheiden sich beide Themen grund- zukünftiger KI-gestützter Systeme vor- Ingenics AG legend: Die DF kommt im Rahmen der bereitet wird (Big Data). Schillerstraße 1/15, 89077 Ulm Prozessplanung in einer virtuellen Weitere Unterschiede zeigen sich im Tel.: +49 (0) 151 46756203 E-Mail: simon.schaefer@ingenics.com Umgebung insbesondere in der Fabrik- Zeitbezug: Die bei der I 4.0 charakteris- planung zum Einsatz [2 – 4]. Die I 4.0 tische cyber-physische Verschmelzung wiederum erlaubt durch den Einsatz von befähigt Fabriken kontinuierlich einen Hinweis Bei diesem Beitrag handelt es sich um CPS eine Verschmelzung zwischen der noch höheren Automatisierungsgrad zum einen von den Mitgliedern des ZWF- virtuellen und realen Welt. Damit hat die Beispiel durch die Selbstoptimierung von Advisory Board wissenschaftlich I 4.0 einen erheblichen Einfluss auf den Prozessen zu erreichen und damit die Ef- begutachteten Fachaufsatz (Peer-Review). Fabrikbetrieb [5 – 7]. fizienz sowie die Reaktionsfähigkeit zum Open Access.©2022 Simon F. Schäfer, Nils T. Gorke, Cihan Cevirgen, Yeong-Bae Park und Peter Nyhuis, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Jahrg. 117 (2022) 3 Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz. 151
INDUSTRIE 4.0 INTELLIGENTE FABRIK Gebäudeleittechnik. Die I 4.0 hingegen stellt einen wesentlichen Teil der Produk- tions-IT (BDE, MES, u. a.) dar und ist als solcher Grundlage weiterer „4.0“-Anwen- dungen, wie z. B. der Instandhaltung 4.0 (Predictive Analytics) zur vorausschau- enden Maschinenwartung. Hinsichtlich der Denkweise zeigt sich, Bild 1. Gegenüber- dass sich die Intelligenz bei BIM durch das stellung Digitale Fabrik und Indus- übergeordnete Koordinationsmodell und trie 4.0 die Zusammenführung von grafischen und nicht grafischen Informationen in einer gemeinsamen Informationsdaten- bank [13] als „zentrale Intelligenz“ aus- prägt. Im Gegensatz dazu findet sich die im Falle der Industrie 4.0 die Intelligenz dezentral in einzelnen CPS-Lösungen, welche jedoch zusammengeschaltet und vernetzt sind (Konnektivität) [14]. Bei der I 4.0 entsteht das „große Ganze“ somit als Summe der dezentralen, intelligenten Ein- Kunden zu steigern [10, 11]. Die DF wie- Implementierung weitreichender Smart zelteile (CPS / CPPS), während BIM erst in derum tritt in diesem Kontext als „Enab- Factory-Applikationen sein. der Zusammenführung der ausgeplanten ler“ zur Lösung eines Problems in der Pla- und parametrisierten Gebäudeelementen nung einer Fabrik auf, indem bspw. durch Gegenüberstellung BIM intelligent wird. punktuell eingesetzte Ablaufsimulationen und Industrie 4.0 Der Zeitbezug zeigt sich bei den beiden Verbesserungspotentiale für die Zukunft Themen durch den Vergleich der Ver- aufgedeckt werden können, ohne diese Im direkten Vergleich von BIM und I 4.0 änderbarkeit der Daten: Die I 4.0 exis- sofort in die Fabrik zu überführen [12]. (Bild 2) zeigt sich, dass der jeweilige An- tiert rund um untereinander vernetzte Bei Betrachtung der Schnittmenge wird wendungshorizont der beiden Themen Lösungen, welche in Echtzeit – eine der deutlich, dass im Kern die Idee der Smart sich vor allem auf das spätere Gebäude wesentlichen Eigenschaften der I 4.0 Factory (oder auch Produktion 4.0) getrof- bzw. den Gebäudebetrieb sowie die Pro- [15] – Daten austauschen. Die Datenlage fen wird. Mit der DF können rechnerba- duktion bezieht. BIM liefert durch die wird also stets aktualisiert und ist somit siert die Produkte und deren Fertigung gezielte Modellierung vor allem die Ein- dynamisch. Das BIM als Informations- virtuell abgebildet und simuliert werden. gangsdaten für das spätere Facility Ma- datenbank wird vor allem während der In Verbindung mit der Konnektivität und nagement sowie die Grundlagen für die Planungsphase aufgebaut und parame- Intelligenz von I 4.0 kann die reale Fabrik in eine smarte Produktionsumgebung überführt werden. Durch die Smart Facto- ry wird es möglich, die gesamte Planung als auch den Betrieb der Fabrik abzubil- den, um daraus organisatorische Eingriffe in die Fabrik vorzudenken und umzuset- zen. Diese Verknüpfung erlaubt die Ent- wicklung eines Industrie-4.0-DMU (Digi- taler Zwilling der Produktion), mit dessen Möglichkeiten sich ganze Prozessketten Bild 2. Gegenüber- virtuell in Betrieb nehmen, reale Produk- stellung BIM und tionssysteme kontrollieren, Anpassungen Industrie 4.0 in der Fabrik simulieren und in die realen Produktionsprozesse überführen lassen. Im gleichen Maße wie das Fabrik DMU (s. u.) die frühzeitige geometriebezogene Absicherung Fabrik ermöglicht, wird das Industrie-4.0-DMU als Testumgebung der intelligenten Produktionssysteme zu- künftig der Schlüssel für die tiefgehende 152 Jahrg. 117 (2022) 3
INTELLIGENTE FABRIK INDUSTRIE 4.0 trisiert; im Betrieb jedoch nur punktuell überarbeitet. Die Datenlage und der Zeit- bezug sind daher mit Bezug auf das Faci- lity Management als statisch anzusehen. Der gemeinsame Nutzen von I 4.0 und BIM liegt im Betrieb der Fabrik, d. h. in der kontinuierlichen Steuerung und Überwachung der Produktion im Zusammenspiel mit dem Gebäude als Bild 3. Gegenüber- funktionierende Einheit. Hierbei stehen stellung BIM und insbesondere Stoff- und Energieströme Digitale Fabrik im Fokus. BIM liefert hierfür die sta- tische Datengrundlage sowie die not- wendige Gebäudesensorik im Sinne der Gebäudeleittechnik sowie die „gewartete und funktionierende Hardware“ durch die Unterstützung des Facility Manage- ments. Innerhalb dieses Rahmenwerks verortet sich die I 4.0 als direkte Schnitt- stelle zur Produktion und Logistik sowie angrenzender Funktionen der Wert- schöpfungskette, wie etwa der Supply rung auf die Bauwerks- bzw. Fabrikpla- Der gemeinsame Nutzen von BIM und Chain oder der Instandhaltung 4.0 in nung. Während bei BIM das Bauwerk, die der DF liegt in der Planung von Fabriken Form der Produktions-IT. Zusammen bil- technische Gebäudeausstattung und die und Fabrikgebäuden sowie der zugehöri- den die beiden Elemente die gesamtheit- Bauwerkssimulation fokussiert werden gen Betriebsmittelanordnung. Durch die liche Gebäude- und Anlagensteuerung [17], liegt der Anwendungshorizont der 3D-basierte, geometrische Modellierung ab. Durch die gemeinsame Auswertung DF in der Fabrik- und der Produktions- können schon in frühen Planungspha- und die aggregierte Darstellung können technikplanung sowie der Prozesssimula- sen Informationen hinsichtlich Gebäu- Rückschlüsse auf den optimalen Be- tion [2]. Auch der Inhalt der Modellierung dekubatur, Betriebsmittelanordnungen triebspunkt der Fabrik getroffen werden. unterscheidet sich: Durch BIM werden sowie Materialflüsse u. v. m. zwischen Ebenso sind Untersuchungen zu alterna- Informationen bezüglich geometrischer unterschiedlichen Planungsbeteiligten tiven Zuständen denkbar, was durch die und nicht-geometrischer Informationen ausgetauscht werden. Durch die Nutzung neue Anwendung des Flexibilitäts-DMU in parametrisierten Gebäudeelementen einheitlicher und standardisierter Daten- zukünftig systematisch ermöglicht und hinterlegt. Hingegen sind bei der Digita- austauschformate sowie Schnittstellen untersucht werden sollte. Gerade vor len Fabrik Informationen über Prozesse wird eine digitale Durchgängigkeit er- dem Hintergrund der Nachhaltigkeit mit und Flüsse in den Modellen verankert. reicht, wodurch eine redundante Daten- der erforderlichen digitalen Transparenz Die Denkweise der Planung durch BIM haltung, systemtechnische Insellösungen (z. B. zur Auswertung und Reporting- liegt auf dem Betrieb des Bauwerks sowie oder auch der Datenaustausch via un- fähigkeit) und der notwendigen Ver- in der Koordinationsfunktion der unter- abhängigen Speichermedien obsolet zahnung von Produktions- und Energie- schiedlichen Planungsgewerke [18]. Als sind. flexibilität (vgl. [16]), zur Erhöhung des Beispiel kann hier die Kostenmodellie- In Neubau- oder Restrukturierungpro- Einsatzes erneuerbarer Energien, wird rung genannt werden. Hingegen wird jekten können die zukünftigen Fabriken, dieses DMU als Digitaler Schatten der Fa- durch die DF-Wert auf die ganzheitliche Gebäude und Produktionsanlagen über brik ein elementarer Baustein des künfti- Darstellung sowie auf die Kooperations- Virtual Reality abgesichert oder durch gen Fabrikbetriebs sein. funktion zwischen allen Betriebsmitteln Augmented Reality während des Pla- Gemeinsam steht die Schnittstelle des und Prozessen gelegt [19]. Eine beispiel- nungsprozesses in Brownfield-Projekten BIM und der I 4.0 für das Smart Building hafte Anwendung sei hier die Prozess- am vorgesehenen Einsatzort virtuell po- und stellt somit ein wesentliches Element modellierung. sitioniert werden. Zusätzlich lassen sich für die Produktion der Zukunft dar. Im Kontext der Fabrikplanung ori- Punktwolken von Bestandsdaten durch entiert sich bei der Methodik BIM der neueste Scanner-Technologien einfach Gegenüberstellung BIM Zeithorizont auf den Bauwerksentste- verorten und in die Planungsprogramme und Digitale Fabrik hungsprozess und beantwortet daher die importieren. Mittels Simulationen ist es Fragen „Wie und Wann“ etwas auszufüh- möglich, beispielsweise Klimadaten, Ma- Zuletzt werden die beiden Themen BIM ren ist. Im Gegensatz dazu orientiert sich terialflussabhängigkeiten, Energiekenn- und DF untersucht (Bild 3). Die Unter- die DF am Planungsergebnis und beant- werte und -verbräuche in die Planung schiede zwischen BIM und der Digitalen wortet damit die Frage „Was“ umgesetzt zu integrieren. Zur Absicherung der Fabrik betreffen vor allem die Fokussie- werden soll. Planung eignet sich für beide Planungs- Jahrg. 117 (2022) 3 153
INDUSTRIE 4.0 INTELLIGENTE FABRIK fälle die Methode Fabrik-DMU, bei der die Teilmodelle der einzelnen Planungsdis- ziplinen in ein Gesamtmodell zusammen- gefügt und anschließend hinsichtlich Baubarkeitsfehler, Kollisionen und Auf- baureihenfolgen zu analysieren sind. Die grundlegende Ausweitung des Planungs- umfangs der DF auf das reale Bauwerks- modell – und damit der erste Vorgriff auf Bild 4. Übergeord- die BIM-Methodik – wurde in der Auto- nete Schnittmengen- mobilindustrie bereits vor dem allgemei- betrachtung und nen Bekanntwerden von BIM umgesetzt Ableitung des Smart Plant [20]. Das Fabrik-DMU kann daher als Vorläufer der aktuellen Erschließung der BIM-Methodik durch die Fabrikplanung [13] angesehen werden. Zukünftig ist darüber hinaus die Summe der planeri- schen Einzelaktivitäten, der Integration unterschiedlicher Informationen in die Teilmodelle der Planungsbeteiligten und die anschließende Zusammenführung al- ler planerischen Ergebnisse, eine Schnitt- menge von BIM und DF, als Smart Plan- auch die Produktion und bildet alle we- Bedarf auf den Betrieb der Fabrik zu ning zu verstehen. sentlichen Aspekte der Fabrikplanung, übertragen. Er erreicht somit die bidirek- des Gebäude- und Anlagenbetriebs sowie tionale Verknüpfung von realem Vorbild Zusammenführung als Vision der Prozess- und Arbeitsorganisation ab und virtueller Spiegelung. Das beschrie- für die Fabrik der Zukunft und verknüpft sowohl statische als auch bene Zukunftsbild geht hierbei über den dynamische Daten. In der Folge ent- bisherigen Horizont Digitaler Zwillinge Durch die getrennte Betrachtung der drei steht erstmals ein holistischer Digitaler hinaus und beschreibt die umfassende Elemente konnte gezeigt werden, dass Zwilling des Fabrikgesamtsystems – das Zusammenführung des Fabrikgesamt- jeder Bereich für sich einen wesentlichen Smart Plant. systems von Gebäude, Produktion und Beitrag zur Verbesserung der Planung Dieses umfassende Gegenstück zu der intelligenter Steuerungssystematik. bzw. des Betriebs von Fabriken liefert. real existierenden Fabrik bietet einen Zur Umsetzung dieser Vision einer Bei der paarweisen Gegenüberstellung vollständig transparenten Überblick so- Fabrik der Zukunft empfiehlt es sich, und Kombination der Eigenschaften, wohl des aktuellen, dynamischen Sys- kurzfristig auf bereits im Einsatz befind- konnten – als Erweiterung des bereits er- temzustands als auch des lückenlosen, liche Systematiken aufzubauen und diese probten Fabrik-DMU – die neuen Anwen- statischen Parametersets aller der Pro- schrittweise zum Digitalen Zwilling des dungen des Flexibilitäts-DMUs sowie des duktionsstätte zugeordneten Betriebs- Fabrikgesamtsystems zu erweitern: Industrie-4.0-DMUs abgeleitet werden. mittel, technischen Ausstattungen sowie Durch diese Erweiterungen können Gebäudeelemente. Erweiterung der Parametrisierung von die immer wichtigeren, neuen Planungs- Die Kombination des Systemzustands Fabrik- und Gebäudeelemente im BIM bereiche der intelligenten Sensorik und aus BIM und I 4.0 mit dem realen System- n Fabrikplanung in BIM ist bereits erfolg- Vernetzung (Smart Factory) sowie der verhalten inkl. aller Stoff- und Energie- reich im Einsatz und kann kurzfristig Kombination von Produktions- und Ener- ströme, modelliert mit den Werkzeugen angepasst werden. gieflexibilität im Fabrikbetrieb (Smart und Methoden der DF, führt zu einer n Stoff- und Energieflüsse (z. B. Speiche- Building) nicht nur systematisch geplant, simulationsfähigen Spiegelung der Fa- rung von Vorgänger- / Nachfolger-Be- sondern auch frühzeitig überprüft und brik als Gesamtsystem von Produktion ziehungen) können in die Parametri- hinsichtlich der Funktionalität verbes- und Gebäude und erweitert somit das sierung aufgenommen werden. sert werden. Als konsequenter nächster unidirektionale Abbild der Fabrik (Digi- n Mögliche Betriebszustände, wie z .B. Schritt ist eine Zusammenführung aller taler Schatten) (Bild 5). Arbeits- und Rüstzeiten, werden ge- drei Ansätze anzustreben (Bild 4). Der Digitale Schatten ist Basis für speichert. Durch die weitere Kombination und Auswertungen und vorausschauende, n IFC könnte dadurch zum Datenformat Verknüpfung des Smart Plannings, des manuelle Eingriffe wie Predictive Ana- des Digitalen Zwillings werden. Smart Buildings sowie der Smart Factory lytics. Der Digitale Zwilling ergänzt den entsteht erstmals ein vollständig digita- Digitalen Schatten um die Möglichkeit, Verknüpfung der erweiterten BIM-Para- les Abbild der Fabrik als Gesamtsystem. alternative Systemzustände, Fahrweisen metrisierung mit dem durch DF geplan- Dieses umfasst sowohl das Gebäude als und Optimierungen zu testen und bei ten und modellierten Systemverhaltens. 154 Jahrg. 117 (2022) 3
INTELLIGENTE FABRIK INDUSTRIE 4.0 sie Potentiale bieten. Die Zusammen- führung der drei Schnittstellen (DMUs) führt zur Identifizierung des Zielfeldes mit der Vision des Smart Plant als zen- trales Instrument zur Planung und zum Betrieb der Fabrik der Zukunft. Bisherige Bild 5. Abgren- isolierte Lösungen und Ansätze, die sich zung und Ein- an einer solchen Verkettung von Metho- satzbereiche von den versuchen, sind häufig Teillösungen, Digitalem Schat- die keine gesamtheitliche Betrachtung ten und Digita- erlauben. Auch dieser Beitrag bietet lem Zwilling noch keine vollständige und einsatz- fähige Lösung. Vielmehr wird hier ein Ansatz vorgestellt, der Anforderungen und Eigenschaften einer solchen Lösung definiert sowie einen groben Stufenplan zur möglichen Realisierung vorschlägt. Eine Umsetzung und Integration in die operative Planung und den Betrieb stel- n Simulationsmodelle werden innerhalb Bilanzierung etwa im Bereich der Nach- len sich hierbei als der wesentliche zu- der DF bereits seit Jahren erfolgreich haltigkeit. künftige Forschungsbedarf dar. modelliert und eingesetzt. Herausfor- derung war und ist immer die Daten- Zusammenfassung basis des Modells. Literatur n Die statische Datengrundlage des BIM Die Abgrenzung der einzelnen Elemente 1. Schäfer, S. F.; Gorke, N. T.; Cevirgen, C.; wird damit zur Eingangsgröße eines sowie die detaillierte Betrachtung der Park, Y.-B.; Nyhuis, P.: Elemente der „Fabrik dynamischen Simulationsmodells der Schnittstellen machen deutlich, in wel- der Zukunft“ – Teil 1: Digitale Fabrik, In- dustrie 4.0 und BIM. ZWF 117 (2022) 1 – 2, DF. cher Nähe die drei diskutierten Themen S. 20 – 24 zueinanderstehen. Diese Nähe wurde DOI: 10.1515/zwf-2022-1002 Das entstandene Simulationsmodell wird bislang in der Praxis sowie in der Wis- 2. Bracht, U.; Geckler, D.; Wenzel, S.: Digitale mit den Echtzeitdaten des Betriebs aus senschaft häufig nur unzureichend be- Fabrik – Methoden und Praxisbeispiele. Ba- der I 4.0 verknüpft und erweitert. leuchtet und definiert. Diese Beitrags- sis für Industrie 4.0 (VDI-Buch). Springer- n Die vernetzten Daten bieten damit reihe bietet einen Ansatz, die drei Ele- Verlag, Berlin, Heidelberg 2018 nicht nur eine Live-Darstellung des mente BIM, Industrie 4.0, Digitale Fabrik 3. Dombrowski, U.; Karl, A.; Ruping, L.: Produktionssystems, sondern auch durch eine Betrachtung der Gemeinsam- Herausforderungen der Digitalen Fabrik im Kontext von Industrie 4.0. ZWF 113 (2018) die Möglichkeit zur Untersuchung al- keiten und Unterschiede in einen Bezug 12, S. 845 – 849 ternativer Fahrweisen und Optimie- zueinander zu setzen. Mit Hilfe dieser DOI: 10.3139/104.112030 rungen. Betrachtung ist es möglich, den nächst- 4. Plinta, D.; Krajčovič, M.: Production System konsequenten digitalen Evolutionsschritt Designing with the Use of Digital Factory Im letzten Schritt wird zusätzlich auch in der Planung und dem Betrieb von Fa- and Augmented Reality Technologies. In: noch die durch BIM geplante Gebäude- briken zu definieren: Das Smart Plant Szewczyk, R.; Zieliński, C.; Kaliczyńska, technik mit integriert. als holistischer Digitaler Zwilling des Fa- M. (Hrsg.): Progress in Automation, Robot- n WBS (Whole Building Simulation) brikgesamtsystems. ics and Measuring Techniques. Springer International Publishing, Cham 2015, oder ähnliche Verfahren können auto- Während die Unterschiede helfen, die S. 187 – 196. matisiert und in enger Verzahnung Elemente voneinander zu unterscheiden DOI: 10.1007/978-3-319-15796-2_19 der Produktions- und Gebäudedaten und den jeweiligen Einsatz zu spezifi- 5. Bauernhansl, T.; Dombrowski, U. (Hrsg.): (z. B. Abwärme durch aktuelle Maschi- zieren, dienen die Gemeinsamkeiten vor Einfluss von Industrie 4.0 auf unsere nenauslastung) durchgeführt werden. dem Hintergrund der Planung und des Fabriken und die Fabrikplanung – Eine n Die Gebäudesteuerung wird mit der Betriebs der Fabrik der Entwicklung des Broschüre des Fachbeirats Deutscher Fach- Produktionssteuerung verknüpft. Zukunftsbildes. Die Schnittstellen der kongkress Fabrikplanung. Technische Uni- drei Konzepte werden in Analogie zum versität Braunschweig, Institut für Fabrik- betriebslehre und Unternehmensforschung, In der Zusammenführung ist der ho- bereits etablierten Fabrik-DMU jeweils Braunschweig 2016 listische Digitale Zwilling des Fabrik- als Digital Mock-up (DMU) bezeichnet. 6. Mertens, P.; Barbian, D.; Baier, S.: Digita- gesamtsystems verfügbar und dient zur Sie zeigen, wie die Kombination von lisierung und Industrie 4.0 – eine Relati- Optimierung der Fahrweisen und des Be- jeweils zwei der drei Elemente als eine vierung. Springer Fachmedien Wiesbaden, triebspunkts sowie der digitalen Trans- gemeinsame Anwendung funktionieren Wiesbaden 2017 parenz hinsichtlich Auswertung und können und für welche Aufgabenfelder DOI: 10.1007/978-3-658-19632-5 Jahrg. 117 (2022) 3 155
INDUSTRIE 4.0 INTELLIGENTE FABRIK 7. Javaid, M.; Haleem, A.; Pratap Singh, R.; 18. Arayici, Y.: Towards Building Information Yeong-Bae Park, M. Sc., geb. 1994, studierte Rab, S.; Suman, R.: Upgrading the Manufac- Modelling for Existing Structures. Struc- am Karlsruher Institut für Technologie turing Sector via Applications of Industrial tural Survey 26 (2008) 3, S. 210 – 222 (M. Sc.) sowie an der Technischen Universität Internet of Things (IIoT). Sensors Interna- DOI: 10.1108/02630800810887108 Ilmenau (B. Sc.) Wirtschaftsingenieurwesen tional (2021) 2, S. 100129 19. VDI-Gesellschaft Produktion und Logistik mit den Schwerpunkten Produktion, Logistik DOI: 10.1016/j.sintl.2021.100129 (Hrsg.): VDI 4499 Blatt 1: Digitale Fabrik – und Informationstechnik. Seit 2019 arbeitet 8. Adelmann, R.: Augmented Reality in der in- Grundlagen. VDI e. V., Frankfurt a. M. 2008 er am Institut für Fabrikanlagen und Logistik dustriellen Praxis. In: Orsolits, H.; Lackner, M. 20. König, A.: Entwicklung eines digitalen Fa- (IFA) der Leibniz Universität Hannover als (Hrsg.): Virtual Reality und Augmented brikgesamtmodells und dessen Integration Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Fach- Reality in der Digitalen Produktion. Springer in die Fabrikstrukturplanung eines Auto- gruppe Fabrikplanung. In Forschungs- und Fachmedien, Wiesbaden 2020, S. 7–32 mobilherstellers. Digitales Fabrikgesamt- Industrieprojekten befasst sich Herr Park mit DOI: 10.1007/978-3-658-29009-2_2 modell für die Fabrikstrukturplanung. Zugl.: der Beschreibung, Bewertung und Gestaltung 9. Siepmann, D.: Industrie 4.0 – Fünf zen- Clausthal, Techn. Univ., Diss., 2013. Band von Kommunikationskonzepten in Fabriken trale Paradigmen. In: Roth, A. (Hrsg.): Ein- 30: Innovationen der Fabrikplanung und im Kontext von Industrie 4.0. führung und Umsetzung von Industrie 4.0. -organisation. Shaker Verlag, Düren 2013 Prof. Dr.-Ing. habil. Peter Nyhuis, geb. 1957, Springer-Gabler-Verag, Berlin, Heidelberg studierte Maschinenbau an der Leibniz Uni- 2016, S. 35 – 46 Die Autoren dieses Beitrags versität Hannover und arbeitete im Anschluss 10. Arnold, C.; Kiel, D.; Voigt, K.-I.: How the als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am In- Dr.-Ing. Simon F. Schäfer, geb. 1987, studierte Industrial Internet of Things Changes Busi- stitut für Fabrikanlagen und Logistik (IFA). Wirtschaftsingenieurwesen. Er war nach An- ness Models in Different Manufacturing In- Nach seiner Promotion zum Dr.-Ing. wurde stellung bei der Volkswagen AG (Fabrikplanung) dustries. International Journal of Innovation Wissenschaftlicher Mitarbeiter am IMAB der er habilitiert, bevor er als Führungskraft im Management 20 (2016) 8, S. 1640015 TU Clausthal (zuletzt Vertretung der Professur). Bereich Supply Chain Management in der DOI: 10.1142/S1363919616400156 Derzeit ist er Project Manager bei der Ingenics Elektronik- und Maschinenbaubranche tätig 11. Levina, A.; Kalyazina, S.; Ershova, A.; AG (Ulm) und verantwortet neben der Projektlei- war. Seit 2003 leitet er das Institut für Fabrik- Schuur, P.: IIOT Within the Architecture of tung mehrerer Kundenprojekte auch die Weiter- anlagen und Logistik (IFA) der Leibniz Uni- the Manufacturing Company. In: Proceedings entwicklung der Fabrikplanung an der Schnitt- versität Hannover. Im Jahr 2008 übernahm of the International Scientific Conference – stelle zu BIM, Smart Factory und Green Factory. er die Funktion eines geschäftsführenden Digital Transformation on Manufacturing, Er ist zudem berufen in den VDI-Richtlinienaus- Gesellschafters des IPH. Infrastructure and Service (DTMIS‘20). ACM, schuss 2552 11.8 (Fabrikplanung mit BIM). New York, NY, USA 2020, S. 1 – 6 Dipl. Wirtsch.-Ing. Nils Thorben Gorke, geb. Abstract DOI: 10.1145/3446434.3446467 1986, arbeitet bei der Volkswagen AG – Ab- 12. Dangelmaier, W.; Laroque, C.: Immersive The demands on future factories are grow- teilung Planung Fabrikstruktur. Derzeit ist 3D-Ablaufsimulation von richtungsoffenen ing steadily in the course of the increas- er Projektleiter eines Teilprojektes für den Materialflussmodellen zur integrierten ingly complex networking of value creation Werksumbau Emden als Beitrag zur Elektro- processes. This increased pressure requires Planung und Absicherung von Fertigungs- mobilität. Weiterhin ist er verantwortlich für increased digital transparency in order to systemen. In: Engelhardt-Nowitzki, C.; die Umsetzung der Methodik BIM in aktuellen keep up with the increased challenges, espe- Nowitzki, O.; Krenn, B. (Hrsg.): Management Fabrikplanungsprojekten sowie für die Weiter- cially in the target field of sustainability. The komplexer Materialflüsse mittels Simulation. entwicklung der Schnittstellen SmartBuilding topics Digital Factory, Industry 4.0 and Build- Gabler Verlag, Wiesbaden 2008, S. 253 – 267 und Greenbuilding. In dem VDI-Richtlinienaus- ing Information Modeling are increasingly DOI: 10.1007/978-3-8349-9646-6_16 schuss 2552 11.8 ist er ebenfalls berufen. used in the respective planning domains of 13. Rieke, L.; Schäfer, S. F.; Hingst, L.; Hook, J.; Cihan Cevirgen, M. Sc., geb. 1990, studierte a factory and make their own contribution to Nyhuis, P.: Einsatz von BIM in der Fabrikpla- an der Technischen Universität Braunschweig, der Leibniz Universität Hannover und der mastering the complexity and improving the nung. Weiterentwicklung durch der digitalen University of California Santa Barbara Wirt- planning results. It remains to be seen how Fabrikplanung durch eine interdisziplinäre schaftsingenieurwesen mit den Schwerpunkten these elements can be brought together in a Planungsmethodik. wt Werkstattstechnik Produktionstechnik und Produktionswirtschaft. structured way so that a holistic solution can online 111 (2021) 11 – 12, S. 881 – 886 Seit 2018 arbeitet er am Institut für Fabrikanla- be planned, designed and controlled. This DOI: 10.37544/1436-4980-2021-11-12-111 gen und Logistik (IFA) der Leibniz Universität paper explores this question and postulates 14. Gronau, N.: Der Einfluss von Cyber-Physical Hannover als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in a vision of the „factory of the future“. In this Systems auf die Gestaltung von Produk- der Fachgruppe Fabrikplanung. In Forschungs- second part, the commonalities of the ele- tionssystemen. Industrie 4.0 Management und Industrieprojekten beschäftigt sich Herr ments are derived and linked to form the 31 (2015) 3, S. 16 – 20 Cevirgen mit der Einführung von Industrie 4.0 digital twin. 15. Bauernhansl, T.; Krüger, J.; Reinhart, G.; Schuh, G.: WGP-Standpunkt Industrie 4.0. in Fabriken und der Durchführung von Mach- WGP e. V. (Hrsg.), Darmstadt 2016 barkeitsstudien in der Fabrikplanung. Schlüsselwörter 16. Schäfer, S. F.: Im Green Brownfield sind Fabrik der Zukunft, Digitaler Zwilling, Fabrik- neue Denkweisen gefragt. Ingenics Magazi- planung, Fabrikbetrieb, BIM, Industrie 4.0, ne (2021) 6, S. 16 – 19 Bibliography Digitale Fabrik, Nachhaltigkeit 17. Borrmann, A.; König, M.; Koch, C.; Beetz, J.: DOI 10.1515/zwf-2022-1029 Einführung. In: Borrmann, A.; König, M.; ZWF 117 (2022) 3; page 151 – 156 Koch, C.; Beetz, J. (Hrsg.): Building Infor- Keywords © 2022 Walter de Gruyter GmbH, mation Modeling. Springer-Vieweg-Verlag, Berlin/Boston, Germany Factory of the future, digital twin, factory Wiesbaden 2015, S. 1 – 21 planning, factory operation, BIM, Industry 4.0, ISSN 0947-0085 · e-ISSN 2511-0896 DOI: 10.1007/978-3-658-05606-3_1 Digital Factory, Sustainability 156 Jahrg. 117 (2022) 3
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