Energie erzeugen wie die Sonne - Kernfusion im Energiemix der Zukunft
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Energie erzeugen wie die Sonne Kernfusion im Energiemix der Zukunft Sibylle Günter Max-Planck-Institut für Plasmaphysik Garching Grafik: ITER Foto: SOHO (ESA & NASA) Die schier unerschöpfliche Energie der Sonne auf der Erde nutzbar zu machen, ist schon lange ein Traum der Menschheit. Der Vortrag geht zunächst auf die physikalischen Prinzipien ein, nach denen die Energieerzeugung in der Sonne funktioniert und zeigt anschließend, wo die Forscher bei der Lösung des Problems stehen und welche Aufgaben noch zu lösen sind, bis der Traum Wirklichkeit werden kann. 1
Wie gewinnt die Sonne Energie? Die Temperatur im Sonnen-Inneren ist mit 10 Mio °C sehr hoch, daher bewegen die Teilchen sich sehr schnell. Wenn man ihre Bewegung in Zeitlupe ablaufen lassen könnte, würde man wie hier im Film sehen, dass die Teilchen (Atomkerne) verschmelzen. Aus vier einzelnen Teilchen wird am Ende eines. 2
Energiegewinnung durch Kernfusion Bindungsenergie [MeV]/Nukleon Massenzahl Wie die Grafik zeigt, kann man aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnen. Weil man es mit Atomkernen zu tun hat, wird diese Kernfusion gern mit der Kernspaltung verwechselt, obwohl es gerade der umgekehrte Prozess ist. In den heutigen „Atomkraftwerken“ werden schwere Kerne gespalten; auch bei diesem Prozess wird Energie frei. 3
Was bei der Kernspaltung Sorgen machen kann, ist zum einen, dass es sich dabei im Prinzip um eine Kettenreaktion handelt. Die Kerne werden durch Neutronen gespalten. Je ein Neutron spaltet einen Kern. Da bei jeder dieser Spaltungsreaktionen aber mehr als ein Neutron frei wird, kann es dazu kommen, dass die Anzahl der Reaktionen pro Zeiteinheit dramatisch steigt. Dieses Problem ist spätestens seit Tschernobyl jedem bekannt. Wenn man allerdings einen anderen Reaktortyp wählt, kann man dieses Problem in heutigen Spaltungskraftwerken ausschließen. Was aber bleibt, ist das Problem der Endlagerung. Beim Spaltungsprozess entstehen hoch radioaktive Abfallprodukte, die man mehr als 10000 Jahre sicher lagern muss. 4
Kernfusion ist eher einem Brennvorgang ähnlich Selbsterhaltend, keine Kettenreaktion Entzündungstemperatur erforderlich: einige 100°C > 100 Mio. °C Energiegewinn pro Einzelreaktion: einige eV einige Mio. eV Die beschriebenen Probleme hat die Kernfusion nicht. Die Fusionsreaktion ist keine Kettenreaktion, die Anzahl der Reaktionen pro Zeiteinheit kann nicht unkontrolliert steigen. In diesem Sinn ähnelt die Fusion eher einem Brennvorgang: Man benötigt eine bestimmte Entzündungstemperatur: Statt der einigen 100 °C beim Anzünden von Holz allerdings mehr als 100 Millionen °C für Fusionsreaktionen auf der Erde – also eine 10mal höhere Temperatur als im Sonneninneren. Dafür ist der Energiegewinn pro Reaktion aber auch um einen Faktor eine Million größer. 5
Wie gewinnt die Sonne Energie? Verschmelzung von 4 Wasserstoffkernen Energiegewinn, weil He-Masse < 4 H-Massen E = m c2 Warum kann die Sonne durch Verschmelzen von Wasserstoffkernen Energie gewinnen? Wenn man vier Wasserstoffkerne auf eine Waage legen könnte, würde man feststellen, dass sie schwerer sind als der Heliumkern, der bei ihrer Verschmelzung entsteht. Die Massendifferenz ist zwar sehr klein, reicht aber aus, um viel Energie freizusetzen. Die gewonnene Energie kann man mit Einsteins berühmter Formel E = m c2 berechnen. 6
Wie brennt ein Fusionsofen? Fusionsleistung steigt mit zentraler Dichte und Temperatur Im Zentrum: T = 10 Mio. oC Was braucht man, um einen Fusionsofen brennen zu lassen? Die erzeugte Fusionsleistung steigt mit der Anzahl der Teilchen pro Volumen (also der Dichte) und mit der Temperatur. Im Sonneninneren herrscht eine Temperatur von ca. 10 Millionen °C. 7
Wie brennt ein Fusionsofen? Fusionsleistung steigt mit zentraler Dichte und Temperatur Strahlungsverluste steigen mit Temperatur der Oberfläche Im Zentrum: T = 10 Mio. oC Am Rand: T = 5400 oC Ein heißer Körper strahlt Energie ab. Die abgestrahlte Leistung steigt stark mit der Temperatur der Oberfläche an. 8
Wie brennt ein Fusionsofen? Fusionsleistung steigt mit zentraler Dichte und Temperatur Strahlungsverluste steigen mit Temperatur der Oberfläche Im Zentrum: T = 10 Mio. oC Am Rand: T = 5400 oC ⇒ hohe Zentraltemperatur, niedrige Randtemperatur ⇒ gute Wärmeisolation notwendig! Um die Reaktion aufrechtzuerhalten und Energie zu gewinnen, muss mehr Fusionsenergie erzeugt werden als durch Strahlung verloren geht. Man braucht also eine hohe Temperatur im Zentrum und eine geringe am Rand. Das bedeutet, dass eine sehr gute Wärmeisolation nötig ist. 9
Wie brennt ein Fusionsofen? Fusionsleistung kompensiert Strahlungsverlust 'Thermonukleares Brennen' Wenn die Fusionsleistung ausreicht, die nötigen Temperaturen aufrechtzuerhalten, spricht man vom thermonuklearen Brennen. 10
Wie brennt ein Fusionsofen? Bei diesen Temperaturen liegt Wasserstoff als Plasma vor Im Zentrum: T = 10 Mio. oC Am Rand: T = 5400 oC Bei den hohen Temperaturen befindet sich die Materie im so genannten Plasmazustand. 11
Wie brennt ein Fusionsofen? Bei diesen Temperaturen liegt Wasserstoff als Plasma vor Plasma: '4ter Aggregatzustand' - + Wasserstoff Der Plasmazustand ist so etwas wie ein vierter Aggregatzustand: Wenn ein Körper kalt ist, dann befindet er sich im festen Aggregatzustand – im Fall von Wasser wäre das Eis. Wenn wir Eis erhitzen, wird es flüssig, bei noch weiterer Wärmezufuhr verdampft das Wasser: die Dampfmoleküle können sich frei bewegen. Wenn wir dann noch mehr Energie zuführen, bricht auch die Bindung innerhalb der Atome auf und die positiv geladenen Atomkerne und negativ geladenen Elektronen trennen sich voneinander. 12
Wie brennt ein Fusionsofen? Bei diesen Temperaturen liegt Wasserstoff als Plasma vor Plasma: '4ter Aggregatzustand' elektrisch leitfähiges Gas ⇒ durch elektromagnetische Felder beeinflussbar Die Bestandteile des Plasmas sind elektrisch geladen. Man kann sie daher durch von außen angelegte elektrische und magnetische Felder beeinflussen. 13
Wie brennt ein Fusionsofen? Hohe Dichte und Temperatur führen zu hohem Druck Im Zentrum: 10 Mrd. bar Am Rand: 0,1 bar Die hohen Temperaturen und Dichten im Sonneninneren haben einen 10 Milliarden mal höheren Druck zur Folge als der Luftdruck auf der Erde. Das führt zu einer großen Expansionskraft. 14
Wie brennt ein Fusionsofen? Hohe Dichte und Temperatur führen zu hohem Druck Im Zentrum: 10 Mrd. bar Am Rand: 0,1 bar Druckdifferenz führt zu starker Expansionskraft ⇒ Einschließende Kraft notwendig (z.B. Gravitation) In der Sonne wird diese Expansinaskraft durch die Gravitation kompensiert. Die Gravitationskraft erfordert aber sehr große Massen. Ein Fusionskraftwerk sollte jedoch „etwas kleiner“ sein als die Sonne. Das heißt, dass man sich für die Fusion auf der Erde etwas anderes einfallen lassen muss. 15
Fusion auf der Erde - wie geht das? Auf der Erde ist eine andere Fusionsreaktion günstiger: - Statt Wasserstoff verwendet man + Deuterium: Tritium: schwerer Wasserstoff, wird aus überschwerer Wasserstoff, Meerwasser gewonnen, nahezu Herstellung aus Lithium (Erdkruste, unerschöpfliche Vorräte Meerwasser) Statt Wasserstoff – wie in der Sonne – verwendet man auf der Erde eine andere Fusionsreaktion: Hier soll Deuterium (auch schweres Wasser genannt) und Tritium (überschweres Wasser) zu Helium verschmelzen. Diese beiden Ausgangsstoffe sind auf der Erde in fast unerschöpflichen Mengen vorhanden. Deuterium lässt sich aus Meerwasser gewinnen, Tritium kann man aus Lithium herstellen. 16
Fusion auf der Erde - wie geht das? Auf der Erde ist eine andere Fusionsreaktion günstiger: D + T = 4He + n + Energie + viele Fusionsprozesse pro Zeiteinheit + Rohstoffe D und Li (T-Brüten) reichen einige Mio. Jahre − hohe Temperatur notwendig: 200 Mio. °C − T radioaktiv (12,5 Jahre), n aktiviert Strukturmaterialien Der Vorteil dieser Reaktion besteht darin, dass sehr viele Reaktionen pro Zeiteinheit ablaufen und die Ausgangsstoffe nahezu unbegrenzt vorhanden sind. Nachteilig ist, dass eine extrem hohe Temperatur nötig ist: Im Fusionskraftwerk wird es mehr als zehnmal heißer als im Sonneninnern. Außerdem kommt man nicht ganz ohne Radioaktivität aus. Zwar entstehen bei der Reaktion anders als bei der Kernspaltung keine radioaktiven Endprodukte; die sehr energiereichen Fusionsneutronen können allerdings die umgebenen Materialien aktivieren. Auch eine Brennstoff-Komponente, das Tritium, ist radioaktiv. Das ist allerdings relativ unkritisch, denn Tritium wird erst im Fusionskraftwerk erzeugt und dort auch wieder verbrannt. 17
Energiegewinnung durch Kernfusion Keine spontane Reaktion (geladene Teilchen stoßen sich ab) ⇒ Anfangsenergie (Temperatur) notwendig Warum braucht man eigentlich so hohe Temperaturen? Die Atomkerne sind positiv geladen – und gleichartige Ladungen stoßen sich ab. Nur wenn die Atomkerne mit extrem großer Geschwindigkeit aufeinanderprallen, kann es zu Fusionsreaktionen kommen. 18
Voraussetzung für Fusionskraftwerk •Temperatur: > 100 Mio. °C • Ausreichend Teilchen pro Volumen (ca. 1/500 000 weniger als in der Atmosphäre) System mit niedriger • gute Wärme-Isolierung Leistungsdichte hundert mal besser als Styropor! ITER: 0.5 kW/l Automotor: 50 kW/l Spaltungsreaktor: 100 kW/l Außer den hohen Temperaturen benötigt man natürlich noch ausreichend viele Teilchen, die miteinander fusionieren können. Allerdings sind nur sehr geringe Dichten nötig – eigentlich herrscht in einem Fusionskraftwerk eine Art „schlechtes Vakuum“: Man braucht nämlich pro Volumen nur etwa ein 500tausendstel der Teilchen in unserer Atmosphäre. Am allerwichtigsten ist aber eine gute Wärmeisolierung, wenn man ein Plasma auf so hohen Temperaturen halten will. Wenn man bedenkt, dass ein Fusionsplasma im Zentrum 200 Millionen °C heiß sein soll und sich im Abstand von ca. 2 Metern nicht schon an massiven Metallwände abkühlen soll, kann man sich leicht vorstellen, dass die Wärmeisolierung extrem gut sein muss. Sie muss viel besser sein als die der Materialien, die wir gewöhnlich kennen: etwa hundert mal besser als die von Styropor. Fusionskraftwerke sind trotz der hohen Temperaturen Systeme mit sehr niedriger Leistungsdichte. Sie ist etwa 100mal geringer als bei einem Automotor. 19
Wie „bändigt“ man ein heißes Plasma? Unser Plasma ist 10 mal heißer als das Sonnen-Innere Welches Material kann das aushalten? Keines! Aber geladene Teilchen können durch Magnetfelder beeinflusst werden Geladene Teilchen können sich nur parallel zum Magnetfeld frei bewegen Wie bändigt man denn nun so ein heißes Plasma? Welches Material hält Temperaturen aus, die zehnmal höher sind als die im Sonneninnern? So ein Material gibt es natürlich nicht. Aber die Teilchen im Plasma sind ja geladen. Geladene Teilchen kann man aber durch Magnetfelder beeinflussen, denn sie können sich nur entlang von Magnetfeldlinien bewegen. Senkrecht dazu können sie nur um die Feldlinien kreisen. 20
Wie „bändigt“ man ein heißes Plasma? Unser Plasma ist 10 mal heißer als das Sonnen-Innere Welches Material kann das aushalten? Keines! Aber geladene Teilchen können durch Magnetfelder beeinflusst werden Foto: ESA & NASA Geladene Teilchen können sich nur parallel zum Magnetfeld frei bewegen Das kann man auch an der Sonnenoberfläche beobachten, hier am Beispiel von solar flares. 21
Magnetischer Einschluss von Fusionsplasmen Magnetfeld: • reduziert senkrechte Teilchenbewegung (Teilcheneinschluss und Wärmeisolierung) • bilanziert Plasmadruck (~ 10 atm) Keine Endverluste im Torus Feldlinien auf magnetischen Flächen Wenn man Magnetfeldlinien geeignet formt, kann man ein Plasma einschließen. Da die Plasmateilchen den Magnetfeldlinien folgen, dürfen sie entlang von Magnetfeldlinien das Kraftwerk nicht verlassen können. Dazu müssen die Feldlinien sich entweder in sich selbst schließen oder auf geschlossenen Flächen umlaufen. Im Bild links sieht man solche Flächen: Wenn auf einer Fläche eine Feldlinie startet, wird sie nach vielen Umläufen immer noch auf dieser Fläche bleiben. So gelingt es, dass auch die Plasmateilchen im wesentlichen auf diesen Flächen bleiben. So lässt sich eine extrem gute Wärmeisolierung erreichen. Das Magnetfeld kann auch den Plasmadruck kompensieren, der eigentlich das Plasma expandieren lassen würde. Gemessen an den hohen Temperaturen ist der Plasmadruck allerdings ziemlich klein – etwa zweimal so groß wie in einem Fahrradschlauch. 22
Der Tokamak Wie erzeugt man einen Magnetfeld-Käfig, in dem das Plasma gefangen bleibt? Die einfachste Möglichkeit ist ein Tokamak. Man verwendet zum einen Spulen, in denen ein Strom fließt. Wenn man solche Spulen (im Bild grün gezeichnet) in einem Kreis anordnet und durch sie einen Strom fließen lässt, dann erzeugen sie Magnetfeldlinien, die kreisförmig durch die Öffnung in den Spulen umlaufen. Für einen geeigneten Magnetfeldkäfig braucht man aber Magnetfeldlinien, die sich um eine geschlossenen Fläche herum winden. Um das zu erreichen, lässt man auch im Plasma einen Strom fließen. Das gelingt mit Hilfe eines Transformators im Inneren des Tokamaks. 23
Das IPP-Experiment ASDEX Upgrade - Blick ins Innere In Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching wird so einen Tokamak. Betrieben. Im Foto sieht man sein Inneres und rechts einen Querschnitt durch das Plasma mit den Flächen, auf denen die Magnetfeldlinien umlaufen. 24
Das IPP-Experiment ASDEX Upgrade - eine Plasmaentladung Wenn man mit einer Kamera in das Plasma blickt, kann man Bilder wie dieses aufnehmen. Die leuchtenden Gebiete sind übrigens Bereiche, in denen das Plasma ziemlich kalt ist, in der Nähe der Wände. Im heißen Plasmazentrum strahlt das Plasma Röntgenstrahlung ab, die nicht sichtbar ist. 25
Tokamak-Experimente auf dem Weg zum Reaktor Jahr Erforderliche Temperaturen und Dichten erreicht Erfolgsparameter Aufheizung auf >100 Mio K ist kein Problem Noch zu zeigen: ausreichende Wärmeisolierung 1 10 100 1000 Temperatur (Mio °C) In der Grafik links ist der Erfolgsparameter für die Fusion gegen die Temperatur aufgetragen. Bei etwas über 100 Mio °C und einem Erfolgsparameter von 100 kann man ein Fusionskraftwerk betreiben. Die Geschichte der Fusionsforschung mit Tokamaks begann in den 1960er Jahren mit den ersten Tokamaks in der damaligen Sowjetunion. Bereits damals konnte man Temperaturen von 1 Mio °C erreichen. Die Grafik zeigt, dass sehr schnell die erforderlichen hohen Temperaturen, sogar bis zu 400 Mio °C, erreicht werden konnten. Auch der Erfolgsparameter konnte seit Beginn der Fusionsforschung um einen Faktor 10000 erhöht werden. Heute ist man nur noch etwa einen Faktor 10 vom Ziel entfernt. Das Problem für das Erreichen des Ziels ist, dass eine verbesserte Wärmeisolierung größere – und damit teurere – Anlagen erfordert. 26
Fortschritte der Fusionsforschung vergleichbar mit Entwicklung von Computerchips ITER Maß für Erfolg (nTτE) verdoppelt sich alle 1,8 Jahre Trägt man den Fortschritt der Fusionsforschung (gemessen am Erfolgsparameter) gegen die Zeit auf, zeigt sich eine rasante Entwicklung. Er hat sich in den vergangenen 40 Jahren etwa alle 1,8 Jahre verdoppelt – also genauso schnell, wie die Entwicklung in der Computerindustrie. Hier hat sich die Anzahl der Transistoren auf einem Chip etwa alle zwei Jahre verdoppelt. Erst in den letzten Jahren hat sich der Fortschritt etwas verlangsamt, weil für den letzten Schritt sehr große und daher teure Anlagen nötig sind. Der Entwurf für das nächste Experiment ITER, bei dem erstmals mehr Energie erzeugt werden soll als für die Heizung des Plasma benötigt, war bereits Mitte der neunziger Jahre im Wesentlichen fertig. 27
Das ITER-Experiment: ein internationales Gemeinschaftsprojekt Grafik: ITER Planung gemeinsam: Europa, USA, Japan, Russland Südkorea, China, Indien ITER wird als internationales Gemeinschaftsprojekt gerade in Südfrankreich gebaut unter Beteiligung von sieben Partnern. Der Testreaktor soll 2019 fertig gestellt werden und 2027 erstmals Energie erzeugen. 28
Das ITER-Experiment: Parameter Diese Grafik zeigt den Plasmaquerschnitt von ITER, die Tabelle fasst die Größe und wesentliche Parameter, die erreicht werden sollen, zusammen. 29
Planung von ITER auf der Grundlage bisheriger Experimente Die Grafiken stellen die Plasmaquerschnitte des IPP-Tokamaks ASDEX Upgrade in Garching, des zur Zeit größten Fusionsexperiments JET in Culham/England (unten rechts) und von ITER dar. Es fällt auf, dass sich die Bilder sehr ähneln. Die Anlagen unterscheiden sich eigentlich nur in den Abmessungen. Jede ist etwa einen Faktor 2 größer als die vorhergehende. Auf das Plasmavolumen bezogen, unterscheiden sie sich allerdings jeweils um einen Faktor 8. Die Plasmaform ist so gewählt, dass das heiße Plasma nicht direkt die Wände berührt und garantiert optimalen Plasmaeinschluss. Sie wurde am Tokamak ASDEX in Garching entwickelt und danach von den anderen Tokamaks übernommen. JET wurde dazu extra umgebaut. 30
Fusion: schon vor 50 Jahren diskutiert ... Die Fusionsforschung ist nun schon mehr als 50 Jahre alt und man kann sich fragen, warum es so lange dauert. Eine Antwort kann man bereits erhalten, wenn man sich ansieht, wie man sich vor 50 Jahren ein Fusionskraftwerk vorgestellt hat. Hier eine Abbildung aus der Zeitschrift Hobby aus dem Jahr 1957. 31
Aber: inzwischen von “science fiction” zum Design eines Testreaktors ITER (skaliert) Ein Fusionskraftwerk sollte laut „hobby“ 1000 m Länge und 100 m im Durchmesser besitzen, eine beeindruckende Größe. Über die Funktionsprinzipien steht nicht viel im Artikel. Obwohl ein Kraftwerk auch nach heutiger Vorstellung ziemlich groß sein wird – mit einem Durchmesser von ca. 8 m – nimmt es sich im Vergleich zu den Hobby-Plänen nahezu unscheinbar klein aus. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass man in den vergangenen 50 Jahren von Ideen, die eher wie Science Fiction anmuten, zu einem wirklichen Entwurf eines Fusionskraftwerks gekommen ist. 32
Wärmeleitung bestimmt durch Turbulenz Radius Die Fusionsforscher haben vor 50 Jahren versprochen, dass es in 50 Jahren ein Fusionskraftwerk geben wird. Und heute ist man immer noch ca. 40 Jahre davon entfernt. Warum haben sie sich so geirrt? Sie haben vor allem ein Problem für die Wärmeisolierung nicht gekannt: Turbulenz. Wenn man die Bewegung geladener Teilchen im Magnetfeld verfolgt und die Wärmeisolierung berechnet, dann sollte ein Fusionskraftwerk nicht mehr als einen Meter im Durchmesser groß sein. Das aber hat sich als falsch erwiesen, weil turbulente Prozesse sehr effektiv durchmischen können. 33
Güte der Wärmeisolierung Turbulenter Transport begrenzt (logarithmische) Steigung des Temperaturprofils Analogie Sandhaufen: Steigung begrenzt aber Höhe durch „Barrieren“ variabel Dieses Problem konnte man damals nicht erkennen, weil es erst auftrat, als man Plasmen effektiv heizen konnte. Die Turbulenz wird nämlich erst angetrieben, wenn der Temperaturunterschied zwischen Plasmazentrum und -rand einen bestimmten Wert überschreitet. Dann passiert etwas Unglaubliches: Man führt dem Plasma weiter Wärmeenergie zu, aber die Temperatur im Plasmazentrum steigt nicht weiter. Stattdessen wird nur der Wärmetransport erhöht, so als ob man in einem Haus bei aufgedrehter Heizung die Fenster öffnete. Das Problem ist ähnlich wie beim Schaufeln von Sand: Zunächst wächst der Sandhaufen, aber wenn man die Grundfläche begrenzt, kann man ihn irgendwann nicht höher aufhäufeln. Der Steigungswinkel ist begrenzt. Nur wenn man Wände einzieht, kann der Sandhaufen höher werden. 34
Zentrale Temperatur durch Temperatur am Rand bestimmt (fast unabhängig von der Heizleistung) Temperatur Radius Entdeckung am IPP: Transportbarriere am Rand (“high” confinement mode) So etwas Ähnliches funktioniert auch beim Plasma: Wenn man die Temperatur am Rand erhöht, steigt auch die Temperatur im Zentrum. Überall sonst sind die Temperaturprofile sehr ähnlich, fast unabhängig von der Heizleistung. In der Plasmaphysik nennt man Bereiche, in denen es fast keine Turbulenz gibt, Transportbarierren. Mit ihrer Hilfe kann man einen viel steileren Anstieg der Temperatur nach innen erreichen. 35
Transportbarrieren durch Turbulenzunterdrückung konventioneller Tokamak „Advanced Tokamak“ 200 Temperatur [Mio °C] Temperatur 100 0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50 Plasmaradius [cm] Plasmaradius [cm] Zündtemperatur an ASDEX Upgrade! In Garching ist es in den 1980er Jahren gelungen, solche Transportbarrieren am Plasmarand zu züchten. Dadurch konnte die Wärmeisolation um einen Faktor 2 verbessert werden – ein Plasma-Regime, das auch den ITER-Planungen zugrunde liegt. Wenn man den turbulenten Transport gut verstanden hat, gelingt es auch, Transportbarrieren im Plasma-Inneren zu züchten. In der Entladung oben ist das im IPP gelungen: Die Zünd-Temperaturen im Plasmazentrum sind erreicht – 200 Mio °C Temperaturdifferenz auf einem Abstand von 50 cm! Das ist jedoch bisher nur für sehr kurze Zeit und bei zu geringen Teilchendichten gelungen. 36
Konzepte des magnetischen Einschlusses Tokamak (axisymmetrisch) Stellarator (3D) Magnetfeld erzeugt durch äußere Spulen und nur äußere Spulen Plasmastrom (induktiv!) Der Tokamak ist nicht die einzige Konfiguration für einen auf magnetischem Einschluss basierendes Fusionskraftwerk. Eine andere Möglichkeit ist der Stellarator. Während im Tokamak ein Teil des Magnetfeldkäfigs durch einen induzierten Plasmastrom erzeugt wird, stellt man beim Stellarator die gesamte Magnetfeldkonfiguration durch äußere Spulen her. Das hat einen entscheidenden Vorteil: Der Stellarator kann im Prinzip unbegrenzt lange laufen, ohne abgeschaltet zu werden. Denn einen Plasmastrom kann man mit Hilfe eines Transformators immer nur für eine gewisse Zeit treiben, danach muss man den Tokamak kurz ausschalten. Ein Tokamak-Kraftwerk würde einige Stunden laufen und dann für ca. eine halbe Stunde abgeschaltet werden. Das würde zwar der Stromkunde nicht bemerken, aber die zyklischen Belastungen führen zu einem schnelleren Verschleiß im Tokamak. 37
Stellaratoren: Magnetfeld nur durch äußere Spulen prinzipiell dreidimensionale Geometrie Historisch: Probleme mit großem Deutlich Verlust schlechterer Einschluß in von Einzelteilchen klassischen Stellaratoren- insebsondere schneller Teilchen Den Vorteil des stationären Betriebs erkauft man sich mit anderen Schwierigkeiten: Die Magnetfeldgeometrie eines Stellarators ist komplizierter als beim Tokamak, weshalb es viel schwieriger ist, die Teilchen einzuschließen. Die Teilchen folgen nämlich nur ungefähr den Feldlinien. Mit etwa tausend Mal geringerer Geschwindigkeit (etwa wie ein Fußgänger) können sie sich von ihrer magnetischen Fläche entfernen. Im Tokamak sind die Teilchen dennoch eingeschlossen, sofern sie nicht mit anderen Teilchen stoßen oder durch Turbulenz transportiert werden. Im Stellarator ist das wegen der komplexeren Magnetfeldgeometrie nicht so: die Teilchen können aus der Anlage herausdriften. Wegen dieses Problems wurden die Stellaratoren lange nicht für konkurrenzfähig gehalten. Im IPP hat man jedoch den Stellarator parallel zum Tokamak konsequent weiterentwickelt. Seit Hochleistungsrechner zur Verfügung stehen, können Magnetfeldgeometrien berechnet werden, in denen die Teilchen ausreichend lange in der Anlage bleiben. 38
Stellarator Wendelstein 7-X im IPP Greifswald (2014) Die aus dieser Optimierung resultierende Spulengeometrie ist einigermaßen kompliziert. Die Grafik zeigt die Spulengeometrie und das Plasma des Stellaratorexperiments Wendelstein 7-X, der zur Zeit im IPP-Teilinstitut in Greifswald aufgebaut wird. 39
Optimierung: kaum Teilchenverluste (Wendelstein 7-X) Mit der Magnetfeldgeometrie von Wendelstein 7-X konnte erreicht werden, dass die Teilchen nicht aus dem Plasma laufen können. Sie folgen zwar nicht exakt den Magnetfeldlinien, bewegen sich aber auch nicht radial nach außen. 40
Das wesentliche neue Element in einem Fusionskraftwerk ist das Plasma Die meisten anderen Komponenten sind denen in bisherigen Reaktoren sehr ähnlich Ob Tokamak oder Stellarator – ein Fusionskraftwerk wird sich nicht wesentlich von bisherigen Kraftwerken unterscheiden. Das wesentliche neue Element ist das Fusionsplasma. Da es Wärme erzeugt wie beispielsweise auch ein Kohlekraftwerk, wären alle weiteren Komponenten ähnlich denen bisheriger Kraftwerke. Die Fusionsneutronen erzeugen Wärme in den Wandmaterialien, welche gekühlt werden, wobei Wasserdampf erzeugt wird, der in Turbinen Strom produziert. 41
Vorteile der Fusion Brennstoffvorrat nahezu unbeschränkt und für alle Nationen verfügbar • Deuterium (aus Wasser) und Lithium (aus Gestein und Meerwasser) Vorteile für die Umwelt • Keinerlei CO2 Emissionen • Mittlere bis niedrige radioaktive Belastung, kein Endlagerproblem • Unfall- und Verunreinigungsrisiko minimal Keine Explosionsgefahr, keine Kernschmelze • < 5 Minuten Brennstoff im Plasma Hohe Energie-Konzentration • Minimale Landnutzung im Vergleich zu Solar-, Wind- und Wasserkraft Unabhängig von Tages-, Jahres- oder Regionalen Variationen • Keine Notwendigkeit zur Energiespeicherung oder globalem Transport Fusion ist eine nachhaltige regenerative Energiequelle! Im Gegensatz zu Spaltungskraftwerken gibt es bei Fusionskraftwerken kein Endlagerproblem. Es wird kein CO2 emittiert, weshalb die Fusion klimaverträglich Energie erzeugen kann. Fusionskraftwerke stehen für die Grundlastversorgung zur Verfügung, ohne dass Speicher oder globaler Energietransport erforderlich wären. 42 42
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