Energie erzeugen wie die Sonne - Kernfusion im Energiemix der Zukunft

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Energie erzeugen wie die Sonne - Kernfusion im Energiemix der Zukunft
Energie erzeugen wie die Sonne
                    Kernfusion im Energiemix der Zukunft
                                                  Sibylle Günter

                                Max-Planck-Institut für Plasmaphysik
                                             Garching

                                                                                                               Grafik: ITER
                                                         Foto: SOHO (ESA & NASA)

Die schier unerschöpfliche Energie der Sonne auf der Erde nutzbar zu machen, ist schon lange ein Traum der Menschheit. Der
Vortrag geht zunächst auf die physikalischen Prinzipien ein, nach denen die Energieerzeugung in der Sonne funktioniert und zeigt
anschließend, wo die Forscher bei der Lösung des Problems stehen und welche Aufgaben noch zu lösen sind, bis der Traum
Wirklichkeit werden kann.

                                                                                                                                   1
Energie erzeugen wie die Sonne - Kernfusion im Energiemix der Zukunft
Wie gewinnt die Sonne Energie?

Die Temperatur im Sonnen-Inneren ist mit 10 Mio °C sehr hoch, daher bewegen die Teilchen sich sehr schnell. Wenn man ihre
Bewegung in Zeitlupe ablaufen lassen könnte, würde man wie hier im Film sehen, dass die Teilchen (Atomkerne) verschmelzen.
Aus vier einzelnen Teilchen wird am Ende eines.

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Energie erzeugen wie die Sonne - Kernfusion im Energiemix der Zukunft
Energiegewinnung durch Kernfusion

                              Bindungsenergie [MeV]/Nukleon

                                                              Massenzahl

Wie die Grafik zeigt, kann man aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnen. Weil man es mit Atomkernen zu tun
hat, wird diese Kernfusion gern mit der Kernspaltung verwechselt, obwohl es gerade der umgekehrte Prozess ist. In den heutigen
„Atomkraftwerken“ werden schwere Kerne gespalten; auch bei diesem Prozess wird Energie frei.

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Energie erzeugen wie die Sonne - Kernfusion im Energiemix der Zukunft
Was bei der Kernspaltung Sorgen machen kann, ist zum einen, dass es sich dabei im Prinzip um eine Kettenreaktion handelt. Die
Kerne werden durch Neutronen gespalten. Je ein Neutron spaltet einen Kern. Da bei jeder dieser Spaltungsreaktionen aber mehr als
ein Neutron frei wird, kann es dazu kommen, dass die Anzahl der Reaktionen pro Zeiteinheit dramatisch steigt. Dieses Problem ist
spätestens seit Tschernobyl jedem bekannt. Wenn man allerdings einen anderen Reaktortyp wählt, kann man dieses Problem in
heutigen Spaltungskraftwerken ausschließen. Was aber bleibt, ist das Problem der Endlagerung. Beim Spaltungsprozess entstehen
hoch radioaktive Abfallprodukte, die man mehr als 10000 Jahre sicher lagern muss.

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Energie erzeugen wie die Sonne - Kernfusion im Energiemix der Zukunft
Kernfusion ist eher einem Brennvorgang ähnlich

                  Selbsterhaltend, keine Kettenreaktion
                  Entzündungstemperatur erforderlich:
                   einige 100°C            > 100 Mio. °C
                  Energiegewinn pro Einzelreaktion:
                     einige eV                                          einige Mio. eV
Die beschriebenen Probleme hat die Kernfusion nicht. Die Fusionsreaktion ist keine Kettenreaktion, die Anzahl der Reaktionen pro
Zeiteinheit kann nicht unkontrolliert steigen. In diesem Sinn ähnelt die Fusion eher einem Brennvorgang: Man benötigt eine
bestimmte Entzündungstemperatur: Statt der einigen 100 °C beim Anzünden von Holz allerdings mehr als 100 Millionen °C für
Fusionsreaktionen auf der Erde – also eine 10mal höhere Temperatur als im Sonneninneren. Dafür ist der Energiegewinn pro
Reaktion aber auch um einen Faktor eine Million größer.

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Energie erzeugen wie die Sonne - Kernfusion im Energiemix der Zukunft
Wie gewinnt die Sonne Energie?

                                             Verschmelzung von
                                             4 Wasserstoffkernen

                                                                        Energiegewinn, weil
                                                                        He-Masse < 4 H-Massen
                                                                        E = m c2

Warum kann die Sonne durch Verschmelzen von Wasserstoffkernen Energie gewinnen?
Wenn man vier Wasserstoffkerne auf eine Waage legen könnte, würde man feststellen, dass sie schwerer sind als der Heliumkern,
der bei ihrer Verschmelzung entsteht. Die Massendifferenz ist zwar sehr klein, reicht aber aus, um viel Energie freizusetzen. Die
gewonnene Energie kann man mit Einsteins berühmter Formel E = m c2 berechnen.

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Energie erzeugen wie die Sonne - Kernfusion im Energiemix der Zukunft
Wie brennt ein Fusionsofen?
                  Fusionsleistung steigt mit zentraler Dichte und Temperatur

                                                            Im Zentrum:
                                                            T = 10 Mio. oC

Was braucht man, um einen Fusionsofen brennen zu lassen? Die erzeugte Fusionsleistung steigt mit der Anzahl der Teilchen pro
Volumen (also der Dichte) und mit der Temperatur. Im Sonneninneren herrscht eine Temperatur von ca. 10 Millionen °C.

                                                                                                                               7
Energie erzeugen wie die Sonne - Kernfusion im Energiemix der Zukunft
Wie brennt ein Fusionsofen?
                   Fusionsleistung steigt mit zentraler Dichte und Temperatur
                   Strahlungsverluste steigen mit Temperatur der Oberfläche

                                                              Im Zentrum:
                                                              T = 10 Mio. oC

                                                                                                   Am Rand:
                                                                                                   T = 5400 oC

Ein heißer Körper strahlt Energie ab. Die abgestrahlte Leistung steigt stark mit der Temperatur der Oberfläche an.

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Energie erzeugen wie die Sonne - Kernfusion im Energiemix der Zukunft
Wie brennt ein Fusionsofen?
                  Fusionsleistung steigt mit zentraler Dichte und Temperatur
                  Strahlungsverluste steigen mit Temperatur der Oberfläche

                                                            Im Zentrum:
                                                            T = 10 Mio. oC

                                                                                               Am Rand:
                                                                                               T = 5400 oC

                    ⇒ hohe Zentraltemperatur, niedrige Randtemperatur
                    ⇒ gute Wärmeisolation notwendig!

Um die Reaktion aufrechtzuerhalten und Energie zu gewinnen, muss mehr Fusionsenergie erzeugt werden als durch Strahlung
verloren geht. Man braucht also eine hohe Temperatur im Zentrum und eine geringe am Rand. Das bedeutet, dass eine sehr gute
Wärmeisolation nötig ist.

                                                                                                                              9
Energie erzeugen wie die Sonne - Kernfusion im Energiemix der Zukunft
Wie brennt ein Fusionsofen?

                            Fusionsleistung kompensiert Strahlungsverlust

                                         'Thermonukleares Brennen'

Wenn die Fusionsleistung ausreicht, die nötigen Temperaturen aufrechtzuerhalten, spricht man vom thermonuklearen Brennen.

                                                                                                                            10
Wie brennt ein Fusionsofen?
                  Bei diesen Temperaturen liegt Wasserstoff als Plasma vor

                                                           Im Zentrum:
                                                           T = 10 Mio. oC

                                                                                      Am Rand:
                                                                                      T = 5400 oC

Bei den hohen Temperaturen befindet sich die Materie im so genannten Plasmazustand.

                                                                                                    11
Wie brennt ein Fusionsofen?
                 Bei diesen Temperaturen liegt Wasserstoff als Plasma vor

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                                                                '4ter Aggregatzustand'

                                                                                   -

                                                                              +
                                                                                  Wasserstoff

Der Plasmazustand ist so etwas wie ein vierter Aggregatzustand: Wenn ein Körper kalt ist, dann befindet er sich im festen
Aggregatzustand – im Fall von Wasser wäre das Eis. Wenn wir Eis erhitzen, wird es flüssig, bei noch weiterer Wärmezufuhr
verdampft das Wasser: die Dampfmoleküle können sich frei bewegen. Wenn wir dann noch mehr Energie zuführen, bricht auch die
Bindung innerhalb der Atome auf und die positiv geladenen Atomkerne und negativ geladenen Elektronen trennen sich
voneinander.

                                                                                                                              12
Wie brennt ein Fusionsofen?
                  Bei diesen Temperaturen liegt Wasserstoff als Plasma vor

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                                                                 '4ter Aggregatzustand'

                                                                 elektrisch leitfähiges Gas

                                                                 ⇒ durch elektromagnetische
                                                                     Felder beeinflussbar

Die Bestandteile des Plasmas sind elektrisch geladen. Man kann sie daher durch von außen angelegte elektrische und magnetische
Felder beeinflussen.

                                                                                                                                 13
Wie brennt ein Fusionsofen?
                 Hohe Dichte und Temperatur führen zu hohem Druck

                                                          Im Zentrum:
                                                          10 Mrd. bar

                                                                                            Am Rand:
                                                                                            0,1 bar

Die hohen Temperaturen und Dichten im Sonneninneren haben einen 10 Milliarden mal höheren Druck zur Folge als der Luftdruck
auf der Erde. Das führt zu einer großen Expansionskraft.

                                                                                                                              14
Wie brennt ein Fusionsofen?
                  Hohe Dichte und Temperatur führen zu hohem Druck

                                                             Im Zentrum:
                                                             10 Mrd. bar

                                                                                                  Am Rand:
                                                                                                  0,1 bar

                     Druckdifferenz führt zu starker Expansionskraft
                    ⇒ Einschließende Kraft notwendig (z.B. Gravitation)

In der Sonne wird diese Expansinaskraft durch die Gravitation kompensiert. Die Gravitationskraft erfordert aber sehr große
Massen. Ein Fusionskraftwerk sollte jedoch „etwas kleiner“ sein als die Sonne. Das heißt, dass man sich für die Fusion auf der
Erde etwas anderes einfallen lassen muss.

                                                                                                                                 15
Fusion auf der Erde - wie geht das?
                   Auf der Erde ist eine andere Fusionsreaktion günstiger:

                                                                  -
                      Statt Wasserstoff                                          verwendet man
                                                              +

                Deuterium:                                            Tritium:
                schwerer Wasserstoff, wird aus                        überschwerer Wasserstoff,
                Meerwasser gewonnen, nahezu                           Herstellung aus Lithium (Erdkruste,
                unerschöpfliche Vorräte                               Meerwasser)

Statt Wasserstoff – wie in der Sonne – verwendet man auf der Erde eine andere Fusionsreaktion: Hier soll Deuterium (auch
schweres Wasser genannt) und Tritium (überschweres Wasser) zu Helium verschmelzen. Diese beiden Ausgangsstoffe sind auf der
Erde in fast unerschöpflichen Mengen vorhanden. Deuterium lässt sich aus Meerwasser gewinnen, Tritium kann man aus Lithium
herstellen.

                                                                                                                              16
Fusion auf der Erde - wie geht das?
                    Auf der Erde ist eine andere Fusionsreaktion günstiger:

                                       D + T = 4He + n + Energie

                  + viele Fusionsprozesse pro Zeiteinheit
                  + Rohstoffe D und Li (T-Brüten) reichen einige Mio. Jahre
                  − hohe Temperatur notwendig: 200 Mio. °C
                  − T radioaktiv (12,5 Jahre), n aktiviert Strukturmaterialien

Der Vorteil dieser Reaktion besteht darin, dass sehr viele Reaktionen pro Zeiteinheit ablaufen und die Ausgangsstoffe nahezu
unbegrenzt vorhanden sind. Nachteilig ist, dass eine extrem hohe Temperatur nötig ist: Im Fusionskraftwerk wird es mehr als
zehnmal heißer als im Sonneninnern. Außerdem kommt man nicht ganz ohne Radioaktivität aus. Zwar entstehen bei der Reaktion
anders als bei der Kernspaltung keine radioaktiven Endprodukte; die sehr energiereichen Fusionsneutronen können allerdings die
umgebenen Materialien aktivieren. Auch eine Brennstoff-Komponente, das Tritium, ist radioaktiv. Das ist allerdings relativ
unkritisch, denn Tritium wird erst im Fusionskraftwerk erzeugt und dort auch wieder verbrannt.

                                                                                                                                 17
Energiegewinnung durch Kernfusion

              Keine spontane Reaktion (geladene Teilchen stoßen sich ab)
              ⇒ Anfangsenergie (Temperatur) notwendig

Warum braucht man eigentlich so hohe Temperaturen? Die Atomkerne sind positiv geladen – und gleichartige Ladungen stoßen
sich ab. Nur wenn die Atomkerne mit extrem großer Geschwindigkeit aufeinanderprallen, kann es zu Fusionsreaktionen kommen.

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Voraussetzung für
                                          Fusionskraftwerk
                •Temperatur: > 100 Mio. °C

                • Ausreichend Teilchen pro Volumen
                  (ca. 1/500 000 weniger als in der Atmosphäre)

                                                                          System mit niedriger
            • gute Wärme-Isolierung                                       Leistungsdichte

                hundert mal besser als Styropor!                                ITER: 0.5 kW/l
                                                                                Automotor: 50 kW/l
                                                                                Spaltungsreaktor: 100 kW/l

Außer den hohen Temperaturen benötigt man natürlich noch ausreichend viele Teilchen, die miteinander fusionieren können.
Allerdings sind nur sehr geringe Dichten nötig – eigentlich herrscht in einem Fusionskraftwerk eine Art „schlechtes Vakuum“: Man
braucht nämlich pro Volumen nur etwa ein 500tausendstel der Teilchen in unserer Atmosphäre. Am allerwichtigsten ist aber eine
gute Wärmeisolierung, wenn man ein Plasma auf so hohen Temperaturen halten will. Wenn man bedenkt, dass ein Fusionsplasma
im Zentrum 200 Millionen °C heiß sein soll und sich im Abstand von ca. 2 Metern nicht schon an massiven Metallwände abkühlen
soll, kann man sich leicht vorstellen, dass die Wärmeisolierung extrem gut sein muss. Sie muss viel besser sein als die der
Materialien, die wir gewöhnlich kennen: etwa hundert mal besser als die von Styropor. Fusionskraftwerke sind trotz der hohen
Temperaturen Systeme mit sehr niedriger Leistungsdichte. Sie ist etwa 100mal geringer als bei einem Automotor.

                                                                                                                                   19
Wie „bändigt“ man ein heißes Plasma?
                     Unser Plasma ist 10 mal heißer als das Sonnen-Innere
                     Welches Material kann das aushalten?
                                                                                         Keines!

                     Aber geladene Teilchen können durch Magnetfelder
                     beeinflusst werden

                       Geladene Teilchen können
                       sich nur parallel zum
                       Magnetfeld frei bewegen

Wie bändigt man denn nun so ein heißes Plasma? Welches Material hält Temperaturen aus, die zehnmal höher sind als die im Sonneninnern? So
ein Material gibt es natürlich nicht. Aber die Teilchen im Plasma sind ja geladen. Geladene Teilchen kann man aber durch Magnetfelder
beeinflussen, denn sie können sich nur entlang von Magnetfeldlinien bewegen. Senkrecht dazu können sie nur um die Feldlinien kreisen.

                                                                                                                                            20
Wie „bändigt“ man ein heißes Plasma?
                     Unser Plasma ist 10 mal heißer als das Sonnen-Innere
                     Welches Material kann das aushalten?
                                                                                           Keines!

                     Aber geladene Teilchen können durch Magnetfelder
                     beeinflusst werden

                                                                                                     Foto: ESA & NASA
                       Geladene Teilchen können
                       sich nur parallel zum
                       Magnetfeld frei bewegen

Das kann man auch an der Sonnenoberfläche beobachten, hier am Beispiel von solar flares.

                                                                                                                        21
Magnetischer Einschluss von Fusionsplasmen

                                                                 Magnetfeld:
                                                                 • reduziert senkrechte Teilchenbewegung
                                                                   (Teilcheneinschluss und Wärmeisolierung)
                                                                 • bilanziert Plasmadruck (~ 10 atm)

                                                                        Keine Endverluste im Torus
                                                                        Feldlinien auf magnetischen Flächen

Wenn man Magnetfeldlinien geeignet formt, kann man ein Plasma einschließen. Da die Plasmateilchen den Magnetfeldlinien
folgen, dürfen sie entlang von Magnetfeldlinien das Kraftwerk nicht verlassen können. Dazu müssen die Feldlinien sich entweder in
sich selbst schließen oder auf geschlossenen Flächen umlaufen. Im Bild links sieht man solche Flächen: Wenn auf einer Fläche eine
Feldlinie startet, wird sie nach vielen Umläufen immer noch auf dieser Fläche bleiben. So gelingt es, dass auch die Plasmateilchen
im wesentlichen auf diesen Flächen bleiben. So lässt sich eine extrem gute Wärmeisolierung erreichen. Das Magnetfeld kann auch
den Plasmadruck kompensieren, der eigentlich das Plasma expandieren lassen würde. Gemessen an den hohen Temperaturen ist der
Plasmadruck allerdings ziemlich klein – etwa zweimal so groß wie in einem Fahrradschlauch.

                                                                                                                                     22
Der Tokamak

Wie erzeugt man einen Magnetfeld-Käfig, in dem das Plasma gefangen bleibt?
Die einfachste Möglichkeit ist ein Tokamak. Man verwendet zum einen Spulen, in denen ein Strom fließt. Wenn man solche Spulen
(im Bild grün gezeichnet) in einem Kreis anordnet und durch sie einen Strom fließen lässt, dann erzeugen sie Magnetfeldlinien, die
kreisförmig durch die Öffnung in den Spulen umlaufen. Für einen geeigneten Magnetfeldkäfig braucht man aber Magnetfeldlinien,
die sich um eine geschlossenen Fläche herum winden. Um das zu erreichen, lässt man auch im Plasma einen Strom fließen. Das
gelingt mit Hilfe eines Transformators im Inneren des Tokamaks.

                                                                                                                                     23
Das IPP-Experiment ASDEX Upgrade -
                                  Blick ins Innere

In Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching wird so einen Tokamak. Betrieben. Im Foto sieht man sein Inneres und rechts
einen Querschnitt durch das Plasma mit den Flächen, auf denen die Magnetfeldlinien umlaufen.

                                                                                                                                  24
Das IPP-Experiment ASDEX Upgrade -
                            eine Plasmaentladung

Wenn man mit einer Kamera in das Plasma blickt, kann man Bilder wie dieses aufnehmen. Die leuchtenden Gebiete sind übrigens
Bereiche, in denen das Plasma ziemlich kalt ist, in der Nähe der Wände. Im heißen Plasmazentrum strahlt das Plasma
Röntgenstrahlung ab, die nicht sichtbar ist.

                                                                                                                              25
Tokamak-Experimente auf dem Weg zum Reaktor

                                                                 Jahr
                                                                             Erforderliche Temperaturen
                                                                             und Dichten erreicht

              Erfolgsparameter

                                                                             Aufheizung auf >100 Mio K ist
                                                                             kein Problem

                                                                           Noch zu zeigen: ausreichende
                                                                           Wärmeisolierung

                                 1      10       100        1000
                                     Temperatur (Mio °C)

In der Grafik links ist der Erfolgsparameter für die Fusion gegen die Temperatur aufgetragen. Bei etwas über 100 Mio °C und
einem Erfolgsparameter von 100 kann man ein Fusionskraftwerk betreiben. Die Geschichte der Fusionsforschung mit Tokamaks
begann in den 1960er Jahren mit den ersten Tokamaks in der damaligen Sowjetunion. Bereits damals konnte man Temperaturen
von 1 Mio °C erreichen. Die Grafik zeigt, dass sehr schnell die erforderlichen hohen Temperaturen, sogar bis zu 400 Mio °C,
erreicht werden konnten. Auch der Erfolgsparameter konnte seit Beginn der Fusionsforschung um einen Faktor 10000 erhöht
werden. Heute ist man nur noch etwa einen Faktor 10 vom Ziel entfernt. Das Problem für das Erreichen des Ziels ist, dass eine
verbesserte Wärmeisolierung größere – und damit teurere – Anlagen erfordert.

                                                                                                                                26
Fortschritte der Fusionsforschung vergleichbar mit
                         Entwicklung von Computerchips

                                                                                                              ITER

                 Maß für Erfolg (nTτE) verdoppelt sich alle 1,8 Jahre

Trägt man den Fortschritt der Fusionsforschung (gemessen am Erfolgsparameter) gegen die Zeit auf, zeigt sich eine rasante
Entwicklung. Er hat sich in den vergangenen 40 Jahren etwa alle 1,8 Jahre verdoppelt – also genauso schnell, wie die Entwicklung
in der Computerindustrie. Hier hat sich die Anzahl der Transistoren auf einem Chip etwa alle zwei Jahre verdoppelt. Erst in den
letzten Jahren hat sich der Fortschritt etwas verlangsamt, weil für den letzten Schritt sehr große und daher teure Anlagen nötig sind.
Der Entwurf für das nächste Experiment ITER, bei dem erstmals mehr Energie erzeugt werden soll als für die Heizung des Plasma
benötigt, war bereits Mitte der neunziger Jahre im Wesentlichen fertig.

                                                                                                                                         27
Das ITER-Experiment: ein internationales
                                 Gemeinschaftsprojekt

                                                                                                          Grafik: ITER

                            Planung gemeinsam: Europa, USA, Japan, Russland
                            Südkorea, China, Indien

ITER wird als internationales Gemeinschaftsprojekt gerade in Südfrankreich gebaut unter Beteiligung von sieben Partnern. Der
Testreaktor soll 2019 fertig gestellt werden und 2027 erstmals Energie erzeugen.

                                                                                                                               28
Das ITER-Experiment: Parameter

Diese Grafik zeigt den Plasmaquerschnitt von ITER, die Tabelle fasst die Größe und wesentliche Parameter, die erreicht werden
sollen, zusammen.

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Planung von ITER auf der Grundlage bisheriger
                                    Experimente

Die Grafiken stellen die Plasmaquerschnitte des IPP-Tokamaks ASDEX Upgrade in Garching, des zur Zeit größten
Fusionsexperiments JET in Culham/England (unten rechts) und von ITER dar. Es fällt auf, dass sich die Bilder sehr ähneln. Die
Anlagen unterscheiden sich eigentlich nur in den Abmessungen. Jede ist etwa einen Faktor 2 größer als die vorhergehende. Auf das
Plasmavolumen bezogen, unterscheiden sie sich allerdings jeweils um einen Faktor 8. Die Plasmaform ist so gewählt, dass das
heiße Plasma nicht direkt die Wände berührt und garantiert optimalen Plasmaeinschluss. Sie wurde am Tokamak ASDEX in
Garching entwickelt und danach von den anderen Tokamaks übernommen. JET wurde dazu extra umgebaut.

                                                                                                                                   30
Fusion: schon vor 50 Jahren diskutiert ...

Die Fusionsforschung ist nun schon mehr als 50 Jahre alt und man kann sich fragen, warum es so lange dauert. Eine Antwort kann
man bereits erhalten, wenn man sich ansieht, wie man sich vor 50 Jahren ein Fusionskraftwerk vorgestellt hat. Hier eine Abbildung
aus der Zeitschrift Hobby aus dem Jahr 1957.

                                                                                                                                    31
Aber: inzwischen von “science fiction” zum Design
                 eines Testreaktors
                                                                                                          ITER
                                                                                                        (skaliert)

Ein Fusionskraftwerk sollte laut „hobby“ 1000 m Länge und 100 m im Durchmesser besitzen, eine beeindruckende Größe. Über die
Funktionsprinzipien steht nicht viel im Artikel. Obwohl ein Kraftwerk auch nach heutiger Vorstellung ziemlich groß sein wird – mit
einem Durchmesser von ca. 8 m – nimmt es sich im Vergleich zu den Hobby-Plänen nahezu unscheinbar klein aus. Man kann mit
Fug und Recht behaupten, dass man in den vergangenen 50 Jahren von Ideen, die eher wie Science Fiction anmuten, zu einem
wirklichen Entwurf eines Fusionskraftwerks gekommen ist.

                                                                                                                                     32
Wärmeleitung bestimmt durch Turbulenz

                                                                 Radius

Die Fusionsforscher haben vor 50 Jahren versprochen, dass es in 50 Jahren ein Fusionskraftwerk geben wird. Und heute ist man immer noch ca.
40 Jahre davon entfernt. Warum haben sie sich so geirrt?
Sie haben vor allem ein Problem für die Wärmeisolierung nicht gekannt: Turbulenz. Wenn man die Bewegung geladener Teilchen im
Magnetfeld verfolgt und die Wärmeisolierung berechnet, dann sollte ein Fusionskraftwerk nicht mehr als einen Meter im Durchmesser groß
sein. Das aber hat sich als falsch erwiesen, weil turbulente Prozesse sehr effektiv durchmischen können.

                                                                                                                                              33
Güte der Wärmeisolierung

                   Turbulenter Transport begrenzt (logarithmische) Steigung des
                   Temperaturprofils

                          Analogie Sandhaufen: Steigung begrenzt

                                 aber Höhe durch „Barrieren“ variabel

Dieses Problem konnte man damals nicht erkennen, weil es erst auftrat, als man Plasmen effektiv heizen konnte. Die Turbulenz
wird nämlich erst angetrieben, wenn der Temperaturunterschied zwischen Plasmazentrum und -rand einen bestimmten Wert
überschreitet. Dann passiert etwas Unglaubliches: Man führt dem Plasma weiter Wärmeenergie zu, aber die Temperatur im
Plasmazentrum steigt nicht weiter. Stattdessen wird nur der Wärmetransport erhöht, so als ob man in einem Haus bei aufgedrehter
Heizung die Fenster öffnete. Das Problem ist ähnlich wie beim Schaufeln von Sand: Zunächst wächst der Sandhaufen, aber wenn
man die Grundfläche begrenzt, kann man ihn irgendwann nicht höher aufhäufeln. Der Steigungswinkel ist begrenzt. Nur wenn man
Wände einzieht, kann der Sandhaufen höher werden.

                                                                                                                                  34
Zentrale Temperatur durch Temperatur am Rand bestimmt
                      (fast unabhängig von der Heizleistung)

                                     Temperatur
                                                             Radius

                          Entdeckung am IPP: Transportbarriere am Rand
                          (“high” confinement mode)

So etwas Ähnliches funktioniert auch beim Plasma: Wenn man die Temperatur am Rand erhöht, steigt auch die Temperatur im
Zentrum. Überall sonst sind die Temperaturprofile sehr ähnlich, fast unabhängig von der Heizleistung. In der Plasmaphysik nennt
man Bereiche, in denen es fast keine Turbulenz gibt, Transportbarierren. Mit ihrer Hilfe kann man einen viel steileren Anstieg der
Temperatur nach innen erreichen.

                                                                                                                                     35
Transportbarrieren durch Turbulenzunterdrückung

                         konventioneller Tokamak                                         „Advanced Tokamak“

                                                                                        200

                                                                  Temperatur [Mio °C]
            Temperatur

                                                                                        100

                         0   10   20      30     40     50                                    0   10 20 30 40 50
                             Plasmaradius [cm]                                                     Plasmaradius [cm]

                                       Zündtemperatur an ASDEX Upgrade!

In Garching ist es in den 1980er Jahren gelungen, solche Transportbarrieren am Plasmarand zu züchten. Dadurch konnte die
Wärmeisolation um einen Faktor 2 verbessert werden – ein Plasma-Regime, das auch den ITER-Planungen zugrunde liegt. Wenn
man den turbulenten Transport gut verstanden hat, gelingt es auch, Transportbarrieren im Plasma-Inneren zu züchten. In der
Entladung oben ist das im IPP gelungen: Die Zünd-Temperaturen im Plasmazentrum sind erreicht – 200 Mio °C
Temperaturdifferenz auf einem Abstand von 50 cm! Das ist jedoch bisher nur für sehr kurze Zeit und bei zu geringen
Teilchendichten gelungen.

                                                                                                                             36
Konzepte des magnetischen Einschlusses

                      Tokamak (axisymmetrisch)                                    Stellarator (3D)

                                     Magnetfeld erzeugt durch

                 äußere Spulen und                                     nur äußere Spulen
                 Plasmastrom (induktiv!)

Der Tokamak ist nicht die einzige Konfiguration für einen auf magnetischem Einschluss basierendes Fusionskraftwerk. Eine andere
Möglichkeit ist der Stellarator. Während im Tokamak ein Teil des Magnetfeldkäfigs durch einen induzierten Plasmastrom erzeugt
wird, stellt man beim Stellarator die gesamte Magnetfeldkonfiguration durch äußere Spulen her. Das hat einen entscheidenden
Vorteil: Der Stellarator kann im Prinzip unbegrenzt lange laufen, ohne abgeschaltet zu werden. Denn einen Plasmastrom kann man
mit Hilfe eines Transformators immer nur für eine gewisse Zeit treiben, danach muss man den Tokamak kurz ausschalten. Ein
Tokamak-Kraftwerk würde einige Stunden laufen und dann für ca. eine halbe Stunde abgeschaltet werden. Das würde zwar der
Stromkunde nicht bemerken, aber die zyklischen Belastungen führen zu einem schnelleren Verschleiß im Tokamak.

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Stellaratoren: Magnetfeld nur durch äußere Spulen

                                                                 prinzipiell dreidimensionale Geometrie

              Historisch: Probleme mit großem
            Deutlich
              Verlust schlechterer Einschluß in
                      von Einzelteilchen
            klassischen Stellaratoren-
            insebsondere schneller Teilchen

Den Vorteil des stationären Betriebs erkauft man sich mit anderen Schwierigkeiten: Die Magnetfeldgeometrie eines Stellarators ist
komplizierter als beim Tokamak, weshalb es viel schwieriger ist, die Teilchen einzuschließen. Die Teilchen folgen nämlich nur
ungefähr den Feldlinien. Mit etwa tausend Mal geringerer Geschwindigkeit (etwa wie ein Fußgänger) können sie sich von ihrer
magnetischen Fläche entfernen. Im Tokamak sind die Teilchen dennoch eingeschlossen, sofern sie nicht mit anderen Teilchen
stoßen oder durch Turbulenz transportiert werden. Im Stellarator ist das wegen der komplexeren Magnetfeldgeometrie nicht so: die
Teilchen können aus der Anlage herausdriften. Wegen dieses Problems wurden die Stellaratoren lange nicht für konkurrenzfähig
gehalten. Im IPP hat man jedoch den Stellarator parallel zum Tokamak konsequent weiterentwickelt. Seit Hochleistungsrechner zur
Verfügung stehen, können Magnetfeldgeometrien berechnet werden, in denen die Teilchen ausreichend lange in der Anlage
bleiben.

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Stellarator Wendelstein 7-X im IPP Greifswald (2014)

Die aus dieser Optimierung resultierende Spulengeometrie ist einigermaßen kompliziert. Die Grafik zeigt die Spulengeometrie und
das Plasma des Stellaratorexperiments Wendelstein 7-X, der zur Zeit im IPP-Teilinstitut in Greifswald aufgebaut wird.

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Optimierung: kaum Teilchenverluste (Wendelstein 7-X)

Mit der Magnetfeldgeometrie von Wendelstein 7-X konnte erreicht werden, dass die Teilchen nicht aus dem Plasma laufen können.
Sie folgen zwar nicht exakt den Magnetfeldlinien, bewegen sich aber auch nicht radial nach außen.

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Das wesentliche neue Element in einem Fusionskraftwerk
                     ist das Plasma

                  Die meisten anderen Komponenten sind denen in bisherigen Reaktoren sehr ähnlich

Ob Tokamak oder Stellarator – ein Fusionskraftwerk wird sich nicht wesentlich von bisherigen Kraftwerken unterscheiden. Das wesentliche
neue Element ist das Fusionsplasma. Da es Wärme erzeugt wie beispielsweise auch ein Kohlekraftwerk, wären alle weiteren Komponenten
ähnlich denen bisheriger Kraftwerke. Die Fusionsneutronen erzeugen Wärme in den Wandmaterialien, welche gekühlt werden, wobei
Wasserdampf erzeugt wird, der in Turbinen Strom produziert.

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Vorteile der Fusion
              Brennstoffvorrat nahezu unbeschränkt und für alle Nationen verfügbar
                  • Deuterium (aus Wasser) und Lithium (aus Gestein und Meerwasser)

              Vorteile für die Umwelt
                  • Keinerlei CO2 Emissionen
                  • Mittlere bis niedrige radioaktive Belastung, kein Endlagerproblem
                  • Unfall- und Verunreinigungsrisiko minimal

              Keine Explosionsgefahr, keine Kernschmelze
                  • < 5 Minuten Brennstoff im Plasma

              Hohe Energie-Konzentration
                  • Minimale Landnutzung im Vergleich zu Solar-, Wind- und Wasserkraft

              Unabhängig von Tages-, Jahres- oder Regionalen Variationen
                  • Keine Notwendigkeit zur Energiespeicherung oder globalem Transport

                Fusion ist eine nachhaltige regenerative Energiequelle!
Im Gegensatz zu Spaltungskraftwerken gibt es bei Fusionskraftwerken kein Endlagerproblem. Es wird kein CO2 emittiert, weshalb
die Fusion klimaverträglich Energie erzeugen kann. Fusionskraftwerke stehen für die Grundlastversorgung zur Verfügung, ohne
dass Speicher oder globaler Energietransport erforderlich wären.

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