Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main - Jahresgesundheitsbericht 2008 - frankfurt.de
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Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main Jahresgesundheitsbericht 2008
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main Jahresgesundheitsbericht 2008 Herausgeber: Amt für Gesundheit Abteilung Infektiologie Ansprechpartner: Dr. Dr. Oswald Bellinger Breite Gasse 28 D-60313 Frankfurt am Main Frankfurt am Main, im Dezember 2009 Layout der Titelseite: Heike Märtens ISBN 978-3-941782-07-5 Bild auf der Titelseite mit freundlicher Genehmigung © PIA Stadt Frankfurt am Main, Foto: Tanja Schäfer
Vorwort Die Abteilung Infektiologie des Danach werden die wichtigen Er- Amtes für Gesundheit in Frankfurt reger und Infektionskrankheiten stellt im vorliegenden Bericht die in ihrer Bedeutung für Frankfurt infektionsepidemiologische Situa- im Vergleich zu Hessen und der tion in Frankfurt für das Jahr 2008 Bundesrepublik beschrieben sowie dar. Er zeigt die Präventionsmaß- die durchgeführten Präventions- nahmen auf, die zur Verhütung maßnahmen und deren Ergebnis- und Weiterverbreitung von Infek- se dargestellt. tionskrankheiten im Jahr 2008 Am Ende sind in einem Glossar durchgeführt wurden und gibt alle wichtigen Erreger alphabe- Aufschluss über geplante Maß- tisch aufgelistet und in Kurzform nahmen. ihre Bedeutung für Frankfurt be- schrieben. Der Bericht soll einerseits den po- litisch Verantwortlichen als Infor- Im Anhang werden ein detaillier- mationsgrundlage für ihre ge- ter Überblick über die Häufigkeit sundheitspolitischen Entscheidun- meldepflichtiger Infektionskrank- gen dienen. heiten in Frankfurt in den letzten Jahren gegeben und die Leistun- Andererseits dient er der Abtei- gen der Abteilung Infektiologie im lung Infektiologie als Grundlage Jahr 2008 tabellarisch in Kurzform für die weiteren Planungen im beschrieben. Sinne des internen Qualitätsma- nagements, um den Service für die Bürger sowie den Schutz vor Infektionskrankheiten zu verbes- sern und effektiver zu gestalten. Darüber hinaus soll der Bericht der interessierten Öffentlichkeit Antworten auf Fragen zur lokalen infektionsepidemiologischen Situ- ation und zu Infektionsschutz- maßnahmen in Frankfurt geben. Vorangestellt wird eine Zusam- menfassung, die einen Überblick über die wichtigsten infektions- epidemiologischen Ereignisse des Jahres 2008 vermittelt und die wesentlichen Präventionsmaß- nahmen beschreibt. Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 1
Inhaltsverzeichnis A ZUSAMMENFASSUNG DER INFEKTIONSEPIDEMIOLOGISCHEN SITUATION IN FRANKFURT 4 1. Infektionsepidemiologische wichtige Ereignisse des Jahres 2008 4 2. Allgemeine infektionsepidemiologische Situation in Frankfurt am Main 5 3. Konsequenzen für die Zukunft 6 B EPIDEMIOLOGIE UND PRÄVENTION VON INFEKTIONSKRANKHEITEN IN FRANKFURT AM MAIN 2008 7 1. Durchfallerkrankungen 7 1.1 Bedeutung 7 1.2 Ausbrüche 8 1.3 Bakteriell bedingte Durchfallerkrankungen 9 1.3.1 Salmonellosen 9 1.3.2 Campylobacteriosen 10 1.3.3 Bedeutung bakterieller Gastroenteritiden 10 1.4 Durch Viren bedingte Durchfallerkrankungen 10 1.4.1 Noroviren 11 1.4.2 Rotaviren 11 1.5 Parasitäre Durchfallerkrankungen 12 1.6 Andere seltene Gastroenteritiserreger 12 1.7 Prävention von Gastroenteritiden in FFM 13 1.8 Literatur 13 2. Tuberkulose 15 2.1 Globale Situation 15 2.2 Tuberkuloseinzidenzen in Frankfurt 16 2.3 Risikofaktoren 17 2.4 Ansteckungsfähigkeit 18 2.5 Resistenzen 18 2.6 Behandlungsergebnisse 19 2.7 Aktive Fallfindung 20 2.8 Projekte zur Verbesserung der Tuberkulosefürsorge 20 2.9 Literatur 22 3. Sexuell übertragbare Erkrankungen 23 3.1 HIV/AIDS 23 3.1.1 HIV-Neuinfektionen in Frankfurt am Main 24 3.1.2 Im Amt für Gesundheit ermittelte HIV-Neuinfektionen 25 3.1.3 Präventionsmaßnahmen in FFM 26 3.1.3.1 AIDS-Prävention unter Personen mit Risikoverhalten 26 3.1.3.2 Öffentliche AIDS-Aufklärung 26 3.1.4 Primärprävention in besonderen Gruppen 26 3.1.4.1 Präventionsarbeit mit Jugendlichen 26 3.1.4.2 AIDS-Aufklärungen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) 28 3.1.5 Ausblick 28 3.1.6 Literatur 29 3.2. Andere sexuell übertragbare Krankheiten 29 3.2.1 STD-Präventionsmaßnahmen 31 Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 2
3.2.2 Literatur 32 4. Hepatitiden 33 4.1 Epidemiologische Situation in Frankfurt: Die Lage vor Ort 34 4.2 Präventionsmaßnahmen in Frankfurt 36 4.2.1 Hepatitisprävention für Jugendliche: das Hep-mobil 36 4.2.2 Hepatitisprävention für männliche Sexarbeiter: kostenloses Impfangebot im Kriseninterventionsprojekt für Stricher 37 4.2.3 Hepatitisprävention in der Justiz-Vollzugsanstalt (JVA): Informationsveranstaltungen für Insassen 37 4.2.4 Für Betroffene und Nichtbetroffene: die Beratungsstellen des Amtes 37 4.2.5 Impfsprechstunde: der direkte Weg zur Impfung 37 4.3 Ausblick: Wie lassen sich die Erkrankungshäufigkeiten weiter senken? 38 4.4 Literatur 39 5. Influenza 40 5.1 Influenzasaison 2008/2009 40 5.2 Präventionsmaßnahmen zur saisonalen Influenza 41 5.3 Aviäre Influenza; so genannte Vogelgrippe 42 5.4 Influenzapandemie 42 5.5 Zukünftige Entwicklung und Zielsetzung: 43 5.6 Literatur 43 6. Seltene Infektionskrankheiten 44 6.1 Weitere gefährliche Infektionskrankheiten 44 6.2 Sehr seltene gefährliche Infektionskrankheiten 45 7. Infektionen in Kindergemeinschaftseinrichtungen 46 7.1 Häufige Infektionskrankheiten in Kindergemeinschaftseinrichtungen 46 7.2 Seltene Infektionskrankheiten in Kindergemeinschaftseinrichtungen 47 7.3 Präventionsmaßnahmen in Kindergemeinschaftseinrichtungen 47 8. Kompetenzzentrum für hochinfektiöse lebensbedrohliche Erkrankungen (HKLE) 48 C GLOSSAR 49 D ANHANG 57 Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 3
A Zusammenfassung der Infektionsepidemiolo- gischen Situation in Frankfurt lassen und den ökonomischen Schaden 1. Infektionsepidemio- für die Stadt Frankfurt minimieren (www.stadt-frankfurt.de; Stichwort logische wichtige Ereig- Kommunaler Influenzapandemieplan). nisse des Jahres 2008 Dieser Plan soll 2009 unter Berücksichti- gung neuerer Erkenntnisse weiterentwi- ckelt und an die aktuelle Situation ange- Wie im Vorjahr spielte auch im Jahr 2008 passt werden. die Noroviruswelle eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zum weiter ansteigenden Die anhaltend hohen Zahlen an Tuber- Trend im Bundesgebiet waren die Zahlen kuloseerkrankten in Frankfurt mit ei- in Frankfurt mit 1.107 gemeldeten Fällen ner nun 3x höheren Inzidenz als im Lan- im Vergleich zum Vorjahr deutlich rück- des- und Bundesvergleich führten auch läufig (2007: 1.573 Fälle). Allerdings im Jahr 2008 im Amt für Gesundheit zur stiegen die gemeldeten Fälle an Fortsetzung der zielgruppenspezifischen Gastroenteritis in Kindergemeinschafts- Präventionsmaßnahmen unter Obdachlo- einrichtungen von 561 auf 925 an. sen und Drogenabhängigen. Darüber hinaus nimmt das Amt für Gesundheit 606 der gemeldeten Fälle traten im Zu- gemeinsam mit den Gesundheitsbehör- sammenhang mit 92 Ausbrüchen in Kin- den von Hamburg an einer vom For- dergemeinschaftseinrichtungen, Alten- schungsministerium geförderten 3 Jahre heimen und Krankenhäusern auf und dauernden Studie zur Identifizierung von führten dort zu Personalmangel und auf- besonders gefährdeten Personen teil. wändigen Hygienemaßnahmen. Nicht nur zum Zweck einer gezielten Tu- Erfreulicherweise konnte die Anzahl von berkuloseprävention wurde in 2008 ein Erkrankten pro Ausbruch in Kinderge- geographisches Informationssystem meinschaftseinrichtungen von 23,8 auf (GIS) zur genaueren Lokalisation von 8,4 Personen begrenzt werden. Mögli- Infektionsquellen und Erkrankten einge- cherweise haben die vom Amt für Ge- richtet. Dieses System soll neben der sundheit im September 2008 gestartete Aufdeckung regionaler Unterschiede in Aufklärungsaktion zur Hygiene in Kin- der Verteilung verschiedener Infektions- dergemeinschaftseinrichtungen und die krankheiten über das Stadtgebiet auch Aktion „saubere Hände“ der BZgA hierzu helfen, schneller Ausbrüche zu identifi- beigetragen. Diese Aktion soll in 2009 zieren und gezielter bekämpfen zu kön- wiederholt werden und auf Altenpflege- nen. einrichtungen ausgedehnt werden, bei denen die Fallzahl pro Ausbruch auch in Das Kompetenzzentrum für hochin- 2008 mit 27,3 anhaltend hoch lag. fektiöse und lebensbedrohliche Er- krankungen setzte auch 2008 seine Der Kommunale Influenzapande- beratende Funktion für hessische und mieplan der Stadt Frankfurt konnte im rheinland-pfälzische Gesundheitsämter Jahr 2008 fertig gestellt und durch Ma- fort. Erkrankungen an viral- gistrat und Stadtverordnetenversamm- hämorrhagischen Fiebern traten im Be- lung genehmigt werden. Somit scheint richtszeitraum nicht auf. Als Vorberei- die Stadt nun auf eine von Experten in tung auf den Ernstfall wurden die Fort- den nächsten Jahren erwartete Influen- bildungen und Übungen fortgesetzt. zapandemie vorbereitet und in der Lage, die medizinische Versorgung der Frank- furter Bevölkerung zu sichern und dar- über hinaus Strukturen zu schaffen, die das öffentliche Leben aufrecht erhalten Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 4
2. Allgemeine infekti- glücklicherweise noch keine Rolle, jedoch machen Sprachschwierigkeiten, schwie- onsepidemiologische Si- rige soziale Verhältnisse oder Suchtprob- tuation in Frankfurt am leme eine Führung der Patienten durch die langwierige Behandlungszeit zuneh- Main mend schwieriger und führten auch 2008 zu vier Zwangsabsonderungen. Insgesamt war die infektionsepidemiolo- gische Situation in Frankfurt auch im Während sich bundesweit der Anstieg Jahr 2008 stabil. Mit 6.873 Meldungen von HIV-Neuinfektionen im Jahr 2008 lag die Zahl in der gleichen Größenord- verlangsamt hat, lässt sich in Frankfurt nung wie im Vorjahr (6.915 Meldungen). weiterhin ein Anstieg registrieren, wobei Die überwiegende Zahl an Meldungen durch die AIDS-Beratungsstelle am Amt betraf erwartungsgemäß die Durchfaller- für Gesundheit mit 22 Fällen ein Drittel krankungen, wobei die Anzahl der Mel- aller Frankfurter HIV-Infektionen frühzei- dungen mit 2.526 deutlich unter den tig identifiziert werden konnte. Auch Meldungen des Vorjahres lag (3.134). künftig müssen allgemeine Präventions- Dies ist auf die Noroviren zurückzufüh- maßnahmen in Zusammenarbeit mit ren, die im Gegensatz zur Entwicklung in nichtstaatlichen AIDS- Hessen und im Bund einen leichten Aufklärungsorganisationen fortgesetzt, Rückgang zeigten. deren Aufklärungsarbeit unter homo- Insbesondere in Gemeinschaftseinrich- und bisexuellen Männern weiter unter- tungen, wie Kindergärten und Schulen, stützt sowie die zielgruppenspezifische Alteneinrichtungen und Krankenhäusern Aufklärung von Jugendlichen an Schulen, stellen die Gastroenteritiden ein großes Häftlingen in Justizvollzugsanstalten und Problem für die Nutzer wie auch die Be- Menschen mit hoher Promiskuität inten- schäftigten dar. siviert werden. Im Gegensatz zu den viralen Gastroente- ritiserregern scheinen Salmonellen eine Die überproportional hohe Zahl an He- zunehmend geringere Rolle zu spielen. patitis B-Infektionen gibt Anlass, die Die Fallzahlen sanken im Jahr 2008 er- Hepatitis-Prävention in den Beratungen neut von 506 Meldungen auf 336 Mel- zu HIV und anderen sexuell übertragba- dungen ab, während Campylobacterin- ren Erkrankungen sowie in der Impf- und fektionen mit 479 Meldungen konstant Reiseberatung als festen Bestandteil zu blieben. berücksichtigen. Bei der Tuberkulose lässt sich der Bun- Die saisonale Grippewelle war im Jahr desweite Trend mit einem Absinken der 2008 milder als im Vorjahr, allerdings Fallzahlen um jährlich ca. 7% in Frank- trat ein 2. Gipfel durch Influenza B-Viren furt leider nicht feststellen. Hier war auf und eine ausgeprägte Resistenz ge- auch im Jahr 2008 eine annähernd kon- genüber Neuraminidasehemmern ließ stante, um das 3-fache über dem Bun- sich verzeichnen. desdurchschnitt liegende Inzidenz zu verzeichnen. Zielgruppenspezifische An- Die stetig steigende Zahl von Meldungen gebote an Risikogruppen müssen daher aus Kindergemeinschaftseinrichtun- mit gleicher Intensität fortgesetzt wer- gen wird sicherlich ganz wesentlich da- den, um die auch aus anderen Ballungs- durch bedingt, dass die Meldepflicht dort zentren bekannten hohen Fallzahlen in zunehmend ernst genommen wird und bestimmten Bevölkerungsgruppen wie die Kommunikation zum Amt für Ge- sozial Benachteiligten, Migranten, Dro- sundheit verbessert wurde. Zweifelsfrei genabhängigen und HIV-Infizierten sind jedoch insbesondere Durchfaller- nachhaltig zu senken. krankungen, Läuse und Scharlach infek- Auffallend ist seit einigen Jahren, dass tiologische Probleme, die die Kinderge- die Betreuung der Tuberkuloseerkrank- meinschaftseinrichtungen stark beein- ten zunehmend komplexer wird. Zwar trächtigen. Hier sind anhaltend hohe, spielen multiresistente Keine in Frankfurt steigende Meldezahlen zu verzeichnen. Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 5
Günstiger scheint die Entwicklung bei gezielt auf die drohende Noroviruswelle Windpockenerkrankungen zu sein. Seit aufmerksam gemacht werden sollen. Einführung der Impfung scheinen die Zudem ist vorgesehen, zielgruppenspezi- Neuerkrankungen an Windpocken in Kin- fische Aufklärung und individuelle Bera- dergemeinschaftseinrichtungen nun erst- tung bei Personengruppen mit erhöhtem mals deutlich zu sinken. Risiko der Übertragung einer sexuell ü- bertragbaren Erkrankung speziell bzgl. Das Kompetenzzentrum für hochin- Hepatitis B und HIV/AIDS zu intensivie- fektiöse und lebensbedrohliche Er- ren. Insbesondere sollen das Hep-mobil krankungen setzte auch 2008 seine und das Aids-mobil für Schülerinnen und beratende Funktion für hessische und Schüler mittels aus Drittmitteln finan- rheinland-pfälzische Gesundheitsämter zierter Hilfskräfte ausgebaut werden. fort. Erkrankungen durch viral- hämorrhagischen Fieber traten im Be- In der Risikogruppenidentifikation für richtszeitraum nicht auf. Als Vorberei- eine Tuberkuloseerkrankung ist der Ein- tung auf den Ernstfall wurden die Fort- satz neuer Methoden – wie die Nutzung bildungen und Übungen fortgesetzt. des Geographischen Informationssys- tems (GIS) – geplant, um neue wissen- schaftliche Erkenntnisse bzgl. des Tuber- kuloseerkrankungsrisikos zu gewinnen 3. Konsequenzen für die und die Screeningverfahren zu verfei- nern. Zukunft Der kommunale Influenzapandemieplan, Die derzeit angewandten Präventions- in dem die medizinische Versorgung nun maßnahmen haben sich auch 2008 be- in allen Teilen detailliert geregelt und währt. Das Auftreten gefährlicher Infek- auch die Grundversorgung der Frankfur- tionskrankheiten wurde verhindert und ter Bürger im Pandemiefall mit den An- Ausbrüche eingedämmt. Die Aufklä- bietern geplant wurde, soll 2009 überar- rungsaktion über besondere Hygiene- beitet werden. Insbesondere die Durch- maßnahmen zur Verhinderung der Aus- impfung der Bevölkerung mit Impfstoff breitung von Durchfallerkrankungen soll gegen einen Pandemievirus ist noch vor- zukünftig in Gemeinschaftseinrichtungen zubereiten sowie die Koordination und fortgesetzt und erweitert werden, wobei Kommunikation unter den städtischen neben den Kindergemeinschaftseinrich- Ämtern für den Pandemiefall zu regeln. tungen auch Alteneinrichtungen und Krankenhäuser zu Beginn der Saison Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 6
B Epidemiologie und Prävention von Infektions- krankheiten in Frankfurt am Main 2008 1. Durchfallerkrankun- dem Verlauf keinen Arzt aufsuchen und Hausärzte bei oft fehlenden therapeuti- gen schen Konsequenzen zunächst auf eine Stuhluntersuchung verzichten. Nicht nur infektionsepidemiologisch, Ungefähr drei Viertel der gemeldeten sondern auch aus ökonomischer Durchfallerkrankungen mit Erregernach- Sicht stellen Durchfallerreger eine weis wurden durch Noroviren (878 Mel- der bedeutendsten Ursachen für In- dungen) oder durch Rotaviren (349 Mel- fektionskrankheiten in Frankfurt wie dungen) verursacht. Die darüber hinaus in ganz Deutschland dar. Auch im gemeldeten 1.053 Fälle von Gastroente- Jahr 2008 haben Durchfallerreger ritiden ohne Erregernachweis sind an- viele Frankfurter Bürger gesundheit- hand des typischen Beschwerdebildes lich beeinträchtigt und zu erhebli- und des epidemiologischen Zusammen- chen Arbeitsausfällen geführt. Nach hanges vermutlich ebenfalls überwiegend Schätzungen auf der Basis von auf Norovirusinfektionen zurückführen. Hochrechnungen aus anderen In- Es muss daher von ca. 2.000 gemelde- dustrieländern muss in Frankfurt ten Fällen an Noroviren ausgegangen jährlich von mehr als 500.000 mehr- werden. tägigen Krankheitsepisoden ausge- gangen werden (D. Musher et al). Weitere 662 (23%) Fälle von Durchfall- erkrankungen wurden bakteriell, durch Campylobacter oder Salmonellen, verur- sacht. 1.1 Bedeutung Parasitär bedingte Gastroenteritiden durch Giardia Lamblia oder Kryptospori- dien spielten mit 83 Fällen in Frankfurt Die überwiegende Zahl von Durchfaller- eine untergeordnete Rolle; Yersiniosen krankungen ist durch Infektionen be- oder Shigellosen sowie E coli-Infektionen dingt. Im Jahr 2008 wurden 3.053 infek- traten nur vereinzelt auf. tiöse Magen-Darm-Erkrankungen (Gastroenteritiden) registriert (2007: 80 3.149 Fälle). 70 60 1400 50 Fallzahl 1200 40 1000 30 800 20 Fallzahl 10 600 0 400 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Jahr 200 Giardiasis Shigellose Yersiniose Kryptosporidiose 0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Jahr Norovirus Campylobacteriose Salmonellose Rotavirus Abb. 1.2: seltene Gastroenteritiden nach Erregern 1 Abb. 1.1: häufige Gastroenteritiden nach Erregern Diese Zahl ist als Spitze eines Eisbergs zu verstehen, da viele Patienten bei mil Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 7
20 606 Erkrankten, die 2008 in FFM regist- 16 riert wurden, fanden 5 Ausbrüche mit 42 Erkrankten in Kindergemeinschaftsein- 12 richtungen statt. Während im Vergleich Fallzahl zum Vorjahr die Anzahl der Ausbrüche 8 annähernd gleich blieb, reduzierte sich 4 die durchschnittliche Anzahl der Erkrank- ten pro Ausbruch in Kindergemein- 0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 schaftseinrichtungen deutlich von etwa Jahr 24 auf 8,4 Personen. Im Bereich der Al- E.-coli-Enteritis Typhus Paratyphus EHEC tenpflegeheime stieg diese Zahl an, wäh- rend sie in den Krankenhäusern leicht Abb. 1.3: seltene Gastroenteritiden nach rückläufig war. Erregern 2 Norovirenausbrüche im häuslichen Be- reich sowie in Hotels oder Pensionen wa- 1.2 Ausbrüche ren zahlenmäßig mit 54 Ausbrüchen zwar häufiger, jedoch erkrankten durch- Infektionsepidemiologisch besonders schnittlich nur jeweils 2–3 Personen. Die bedeutsam sind Ausbrüche in Gemein- Fallzahlen resultieren vor allem aus No- schaftseinrichtungen, so z.B. in Alten- roviruserkrankungen im Haushalt mit 2-4 pflegeheimen, Krankenhäusern und Kin- Familienmitgliedern. dergemeinschaftseinrichtungen. Dort führt die Weiterverbreitung zu einer er- Durch Schulung auf der Basis der Erfah- heblichen Krankheitslast sowohl unter rungen aus dem Vorjahr und durch früh- Betreuten als auch beim Personal. Hier- zeitige Einführung von verschärften Hy- durch kann es bei immungeschwächten gienemaßnahmen konnte in Kranken- Patienten zu überproportional schweren häusern und Kindergemeinschaftsein- Krankheitsverläufen, z.T. sogar zu To- richtungen die durchschnittliche Anzahl desfällen, kommen. Der Personalmangel der Erkrankten pro Ausbruch deutlich birgt zudem die Gefahr einer Beeinträch- gesenkt werden, während in Altenpfle- tigung der Betreuungsqualität. geheimen die Fallzahl unverändert hoch lag. Die hohen Fallzahlen in den Alten- Die häufigste Ursache von Gastroenteri- pflegeheimen sind nicht nur auf die tisausbrüchen sind Noroviren. leichte Weiterverbreitung der Erreger in Von den 92 Norovirusausbrüchen mit diesen Einrichtungen zurück zuführen. Tab. 1.1: Verteilung der Ausbrüche in Gemeinschaftseinrichtungen (Noroviren) Ausbrüche Fälle Fallzahl pro Aus- Fallzahl pro Aus- bruch 2008 bruch 2007 Altersheim, Re- 7 191 27,3 24,6 ha Haushalt 51 128 2,5 3,1 Hotel, Gastro- 3 7 2,3 8,5 nomie etc. Kindergarten, 5 42 8,4 23,8 Kita Krankenhaus 26 238 9,2 14,8 gesamt 92 606 6,6 10,9 Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 8
Erschwerend kommen der niedrige Per- der gestiegenen Anzahl an Gastroenteri- sonalschlüssel, die eingeschränkten Mög- tisausbrüchen bzw. Erkrankungen ohne lichkeiten der Kohortierung und die be- Erregernachweis im Vergleich zum Rück- sondere Situation in Altenwohnanlagen gang der Meldungen von Noroviren. hinzu, in denen Isolierungsmaßnahmen Möglicherweise wurde 2008 seltener eine für Patienten und Besucher nur bedingt Labordiagnostik bei Durchfallerkrankten möglich sind. Häufig werden Noroviru- veranlasst. sausbrüche hier erst spät erkannt, so Allerdings konnte insgesamt 2008 in dass die notwendigen Maßnahmen erst FFM, bei annähernd gleich bleibenden eingeleitet werden können, nachdem Fallzahlen, eine günstigere Situation als bereits ein Grossteil der Bewohner infi- im Bundesgebiet verzeichnet werden. ziert ist. Dort stieg die Anzahl an Durchfallerkran- kungen deutlich an. Außerdem fiel die Bei Gastroenteritisausbrüchen anderer Anzahl von Erkrankten pro Gastroenteri- Ursache ließ sich allerdings ein Anstieg tisausbruch in FFM geringer aus als im von 53 auf 95 Ausbrüche mit insgesamt Vorjahr. 909 Erkrankten (Vorjahr 529 Erkrankte) feststellen. Hier war in allen Einrichtun- Die Informationskampagne des Amtes gen der Umfang der Ausbrüche ge- für Gesundheit in Kindergemeinschafts- ringgradig niedriger als im Vorjahr. Ü- einrichtungen hat sich offenbar positiv berraschend ist der gegenläufige Trend ausgewirkt. Tab. 1.2: Verteilung der Ausbrüche in Gemeinschaftseinrichtungen (Noroviren + Gastroenteritiden ohne Erregernachweis) Ausbrüche Fälle Fallzahl pro Fallzahl Ausbruch pro Aus- 2008 bruch 2007 Altersheim, Reha 11 233 20,2 21,2 Haushalt 42 130 2,5 3,1 Hotel, Gastronomie etc. 2 17 7,3 8,5 Kindergarten, Kita 53 632 9,9 11,9 Krankenhaus 38 530 7,8 13,9 gesamt 146 1542 8,1 10,6 1.3 Bakteriell bedingte Ausbrüche von Durchfallerkrankun- Durchfallerkrankungen gen ließen sich 2008 nicht feststel- len. Bakteriell bedingte Durchfallerkran- kungen wurden überwiegend durch Salmonellen (274 Meldungen; Vor- 1.3.1 Salmonellosen jahr: 403) oder durch Campylobacter (394 Fälle; Vorjahr: 388) bedingt. Die Übertragung erfolgt hier im We- Entsprechend dem Übertragungsweg sentlichen über kontaminierte Le- über kontaminierte Lebensmittel treten bensmittel. Nur in seltenen Fällen Salmonellenerkrankungen bevorzugt in spielt eine Schmierinfektion eine den warmen Monaten von Juni bis Okto- Rolle. Lebensmittelbedingte ber auf. 75 Personen (27%) erkrankten im Zusammenhang mit privaten Feiern. Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 9
Ausbrüche im Zusammenhang mit kom- 1.3.3 Bedeutung bakterieller merziell vertriebenen kontaminierten Gastroenteritiden Lebensmitteln wurden nicht verzeichnet. Einzelfälle wurden aus Kindergemein- Unter den bakteriellen Gastroenteritiden schaftseinrichtungen und Altenpflege- spielen nur Salmonellen- und im zuneh- heimen gemeldet. Entsprechend sind die menden Maße Campylobacterinfektionen Altersgruppen unter 9 Jahren und Frauen eine Rolle. Sie können zu lebensmittel- über 70 Jahren verstärkt betroffen. bedingten Ausbrüchen führen. Zur Ver- meidung der Verbreitung dieser Erreger Da Salmonellen primär über Lebensmit- werden folgende Maßnahmen ergriffen: tel übertragen werden, spielte ein Aus- • Die Lebensmittelüberwachung über das landsaufenthalt eine untergeordnete Rol- Veterinäramt le. In 60 Fällen wurde die Erkrankung als • Belehrungen von Beschäftigten im Le- Reiseinfektion erworben. bensmittelbereich durch das Amt für Gesundheit Die Inzidenz von 42 Erkrankten pro • Hygienepläne und deren Überwachung 100.000 Einwohner zeigt keine wesentli- in Gemeinschaftseinrichtungen und in che Änderung zu den Vorjahren und be- Krankenhäusern schreibt weiterhin eine günstige Situati- • die Meldepflicht des Labornachweises, on im Vergleich zu Land (47,6/100.000) von Erkrankungsfällen in Kinderge- und Bund (52,1/100.000). meinschaftseinrichtungen und von Gastroenteritisausbrüchen • Tätigkeitseinschränkungen von Perso- nal im Lebensmittelbereich, solange 1.3.2 Campylobacteriosen Keime im Stuhl ausgeschieden werden. Während Salmonelleninfektionen weniger Dieses Maßnahmenpaket auf lokaler häufig registriert werden, steigen seit Ebene bietet bislang einen ausreichen- einigen Jahren Campylobacterinfektionen den Schutz vor lebensmittelbedingten sowohl in Frankfurt als auch in Hessen Gastroenteritisausbrüchen, insbesondere und bundesweit leicht an. Die Fallzahlen in Gemeinschaftseinrichtungen und in liegen inzwischen deutlich über denen der Gastronomie. Um darüber hinaus die der Salmonellenerkrankungen. Die Inzi- Verbreitung bakterieller Gastroenteri- denz in Frankfurt wie in Hessen liegt nun tiskeime zurück zu drängen, wären wei- bei 60/100.000 Einwohner, die bundes- ter reichende nationale und internationa- deutschen Zahlen mit 78,6/100.000 le Kontrollen und Maßnahmen nötig (wie leicht darüber, bei ansteigender Ten- z.B. Kontrolle von Salmonellen in Eiern), denz. Bei den Campylobacterinfektionen um einer Kontamination von Lebensmit- handelt es sich zum weitaus größten Teil teln entgegenzuwirken. um Einzelinfektionen. Erkrankungen von der gleichen Infektionsquelle wurden nur in 44 Fällen (12,6%) registriert. Auch hier spielten importierte Fälle (25%) in- 1.4 Durch Viren bedingte fektionsepidemiologisch eine geringe Durchfallerkrankungen Rolle. Die jahreszeitliche Häufung erstreckt sich von April bis November und ist damit Virusbedingte Durchfallerkrankun- nicht nur auf die Sommermonate be- gen werden meist durch Noroviren grenzt. Primär junge Frauen und Männer oder Rotaviren verursacht. Sie kön- im Alter von 20 bis 40 Jahren waren be- nen nicht nur durch Schmierinfekti- troffen. onen, sondern auch durch Tröpf- cheninfektion übertragen werden. Dadurch ist die Kontrolle im Ver- gleich zu bakteriellen Erregern schwieriger. Es reichen geringe Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 10
Mengen an Erregern zur Auslösung auf. Daher stammt die Mehrzahl der Ro- einer Erkrankung aus. Dies macht tavirusmeldungen aus Kinderkliniken. die Erreger besonders ansteckend. Die Inkubationszeiten sind kurz und 100,0 daher können besonders in Gemein- 80,0 schaftseinrichtungen zeitgleich meh- rere Personen erkranken und Aus- 60,0 Inzidenz brüche verursacht werden, bevor 40,0 Schutzmaßnahmen greifen. Beson- 20,0 ders Noroviren sind umweltresistent und benötigen besondere Hygiene- 0,0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 maßnahmen zur Bekämpfung. Jahr Frankfurt Hessen Bund 1.4.1 Noroviren Abb. 1.5: Rotaviren: Inzidenzen Frankfurt, Hessen, Bund 2001 - 2008 Ein erheblicher Teil der Meldungen im ersten Jahresquartal ist in Zusammen- Fast ¾ (73,4%) aller Fälle betrifft daher hang mit der Epidemie 2007/2008 zu Kinder unter 9 Jahren mit einem jahres- sehen. In der Saison 2008/2009 zeigte zeitlichen Gipfel zwischen Januar und die Erkrankung in Frankfurt einen deut- April. In diesem Zeitraum sind ¾ aller lich milderen Verlauf im Vergleich zum Erkrankungen zu verzeichnen (74,2%). Vorjahr. Das Ausmaß unter Erwachsenen wird jedoch möglicherweise nicht richtig er- 300,0 fasst, da vor allem in Kinderkliniken auf 250,0 Rotaviren untersucht wird und bei Er- 200,0 wachsenen wegen des selbstlimitieren- den milden Verlaufs entsprechende La- Inzidenz 150,0 boruntersuchungen meist unterbleiben. 100,0 50,0 160 140 0,0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 120 Jahr 100 Fallzahl Frankfurt Hessen Bund 80 60 40 Abb. 1.4: Noroviren: Inzidenzen 2001 - 2008 20 0 0-9 10 - 19 20 - 29 30 - 39 40 - 49 50 - 59 60 - 69 70 ff. Altersgruppe männlich weiblich 1.4.2 Rotaviren Abb. 1.6: Rotaviren: Alters- und Ge- schlechtsverteilung in Frankfurt 2008 Die Zahl der Meldungen an Rotavirusin- fektionen ist seit Einführung des Infekti- onsschutzgesetzes nahezu kontinuierlich Insbesondere Säuglinge können durch angestiegen, wobei in Frankfurt die Zahl den Flüssigkeitsverlust in einen lebens- der Meldungen mit 349 auf dem Niveau bedrohlichen Zustand kommen. Auf des Vorjahres liegt (2007: 344 Meldun- Säuglingsstationen verbreitet sich die gen). Erkrankung trotz der dort vorhandenen Hygienepläne oft auf andere Kinder und Rotaviruserkrankungen treten bevorzugt führt zu Ausbrüchen innerhalb des Kran- bei Kleinkindern in der kalten Jahreszeit kenhauses. Inzwischen sind zwei Impf- Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 11
stoffe gegen Rotavirusinfektionen auf (5,8/100.000). Dies ist vermutlich auf dem Markt. Die Impfung wird zwischen die Bevölkerungsstruktur in Frankfurt mit der 6. Lebenswoche und dem 6. Le- einem hohen Anteil an Bürgern mit bensmonat empfohlen. Allerdings steht Migrationshintergrund und Personen mit eine Aufnahme dieser Schluckimpfung in intensiver Fernreiseaktivität zurückzu- den allgemeinen Impfkalender durch die führen. Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) noch aus. Kryptosporidiosen äußern sich durch ausgeprägte wässrige Durchfälle. Bei Maßnahmen zur Reduktion der Über- Personen mit geschwächtem Immun- tragung von Noroviren in Kinderkliniken system kann es zu großen Flüssigkeits- sind nur eingeschränkt möglich. Offenbar verlusten und lebensbedrohlichen Zu- können die verstärkten Hygienevorschrif- ständen kommen. Insbesondere bei HIV- ten von den Eltern oft nicht im notwen- Infizierten nimmt die Erkrankung trotz digen Maße eingehalten werden, sei es adäquater Behandlung häufig einen aus mangelndem Verständnis oder langwierigen und chronischen Verlauf. sprachlichen Defiziten. Ein Besuchsver- bot für Eltern auf Grund mangelnder Ein- Im Jahr 2008 wurden in FFM dem Amt sicht ist allerdings auch nicht wün- für Gesundheit nur 9 Fälle von Kryptospi- schenswert und wäre der Situation nicht ridiose mitgeteilt und damit weniger als angemessen. in den beiden Jahren zuvor (2007: 18 Eine Riegelungsimpfung von anderen Fälle; 2006: 12 Fälle). Kindern in der Einrichtung ist angesichts Da Kryptosporidien vor allem im Wasser der kurzen Inkubationszeit von 1-3 Ta- weit verbreitet vorkommen und bei den gen nicht sinnvoll, zumal zwei Injektio- meisten Personen nicht zu einer Erkran- nen im Abstand von 4 Wochen zur Errei- kung führen, gilt es, bei entsprechenden chung eines Impfschutzes notwendig Risikopersonen an diesen Erreger früh- sind. zeitig zu denken und gezielt zu behan- deln, wenn Durchfall auftritt. Infektionsepidemiologisch spielt dieser Erreger in Frankfurt keine wesentliche 1.5 Parasitäre Durchfaller- Rolle. krankungen Lamblien (Giardia lamblia) können zu Durchfall, Unwohlsein und Blähungen 1.6 Andere seltene Gastroen- führen. Die Infektion kann monatelang teritiserreger anhalten und durch chronische Schädi- gung der Dünndarmschleimhaut ein Zu den seltenen Gastroenteritiserregern schwer behandelbares Malabsortions- in Frankfurt gehören darmpathogene E. syndrom verursachen. 70% der 74 Neu- coli-Erreger. Nur in einem Fall gehörte erkrankungen im Jahr 2008 (2007: 56 der Erreger zur Untergruppe der entero- Neuerkrankungen) standen in unmittel- hämorrhagischen E.coli (EHEC). Die barem Zusammenhang mit einem Aus- häufigste gefürchtete Komplikation, ein landsaufenthalt. Oft wurde die Infektion hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) in Indien oder anderen Ländern Südost- mit Nierenversagen und Hämolyse, trat asiens erworben. Entsprechend sind ¾ bei diesem Kind nicht auf. aller Erkrankten (77%) Reisende im Alter zwischen 20 und 49 Jahren. Auch Yersiniosen spielten im Jahr 2008 in Frankfurt infektionsepidemiologisch Wie alle reiseassoziierten Krankheiten ist keine Rolle. (2008: 9 Fälle, Vorjahr 13 eine Lamblieninfektion in Frankfurt mit Fälle) 11,4/100.000 deutlich häufiger als in Hessen (5,5/100.000) und im Bund Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 12
Zu den seltenen importierten Erregern Zur Verhinderung von Infektionskrank- gehören die Shigellosen (bakterielle heiten, die über Lebensmittel übertragen Ruhr) (2008: 6 Fälle, Vorjahr 15 Fälle), werden, wie z. B. Durchfallerkrankungen Typhus (2008: 3 Fälle, Vorjahr 4 Fälle) durch Salmonellen oder durch Campylo- und Paratyphus (2008: 1 Fall, Vorjahr bacter, werden Erkrankte aus dem Le- 3 Fälle). Hier handelt es sich um Erkran- bensmittelgewerbe solange in ihrer Tä- kungen, die unbehandelt sehr schwer tigkeit eingeschränkt, bis keine Erreger verlaufen können, hierzulande jedoch mehr nachweisbar sind. meist als Einzelfälle auftreten. Durch Vorbeugend wird diesem Personenkreis frühzeitige Behandlung des Erkrankten nach Umzug des Gesundheitsamtes im und Hygienemaßnahmen bei engen Kon- März 2009 bei besseren räumlichen Mög- taktpersonen kann eine Weiterverbrei- lichkeiten eine durch die Präsentation tung verhindert werden. Bei allen 2008 eines Kurzfilmes und Durchführung einer aufgetretenen Erkrankungsfällen wurden individuellen Befragung effektivere Erst- keine Folgefälle registriert. belehrung nach § 42,43 Infektions- schutzgesetz (IfSG) angeboten. Diese gesetzliche Regelung wird in Gastrono- miekreisen zunehmend ernst genommen 1.7 Prävention von Gastroen- und befolgt. Die Zahl der Erstbelehrun- teritiden in FFM gen im Amt für Gesundheit stieg im Zeit- raum von 2001 bis 2008 von 4.866 auf inzwischen 9.673 Belehrungen. Auch wenn sich Gastroenteritiserkran- kungen in der Bevölkerung trotz des ho- Zur Vorbeugung importierter Krankhei- hen Hygienestandards in Deutschland ten wie der z. T. lebensbedrohlich ver- nicht vollständig verhindern lassen, so laufenden Infektion mit Shigellen (dem können Ausbrüche in Gemeinschaftsein- Erreger der bakteriellen Ruhr), Typhus richtungen durch gezielte Hygienemaß- und Paratyphus sowie Lamblien wird ü- nahmen wirkungsvoll eingeschränkt wer- ber die Impf- und Reiseberatung des den. Gemeinsam mit Krankenhäusern Amts für Gesundheit bei Reisen in und Kindergemeinschaftseinrichtungen Hochprävalenzländer zur Vorsicht bei konnte im letzten Jahr die Anzahl an Er- Speisen und Getränken geraten und ent- krankten pro Ausbruch auf unter 10 Per- sprechende Hygienemaßnahmen emp- sonen pro Ausbruch reduziert werden. In fohlen. Altenwohn- und Pflegeeinrichtungen ist Insbesondere bei Reisen ins südliche die Anzahl der Erkrankten mit 27 Perso- Asien wird verstärkt auf die Infektions- nen pro Ausbruch immer noch sehr hoch. gefahr durch Lamblien hingewiesen und Hier soll durch Aufklärung und Unter- über den richtigen Umgang mit Lebens- stützung der Einrichtungen durch das mitteln und Getränken informiert. Amt für Gesundheit eine konsequente Eine gezielte und verstärkte Aufklärung Umsetzung der vorhandenen Aus- von Eltern mit Hilfe von mehrsprachigen bruchsmanagementpläne zukünftig die Broschüren soll zukünftig zur besseren Zahl der Erkrankten reduzieren helfen. Einhaltung von Hygienevorschriften bei- Die Aufklärung der Bewohner und, so- tragen weit möglich, eine Kohortierung der Er- krankten wird angestrebt. Der rechtzeiti- ge Einsatz von persönlichen Schutzmaß- nahmen, insbesondere eine gründliche Händehygiene und Desinfektionsmaß- 1.8 Literatur nahmen sind hier von besonderer Bedeu- tung. In gravierenden Fällen müssen • D. Musher, B. Musher, New Eng- Einschränkungen der Besucherregelung land Journal of Medicine, 351; in Erwägung gezogen werden. 2417-2427, 2004) Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 13
• Epidemiologisches Jahrbuch 2008, RKI; www.rki.de • Epidemiologisches Bulletin 31/2008 • Salmonellose (Salmonellen- Gastroenteritis) - Ratgeber Infek- tionskrankheiten - Merkblätter für Ärzte (Stand: April 2009) Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 14
2. Tuberkulose tenzen. Schwierige Wohnverhältnis- se, Armut, Suchterkrankungen und Migration stellen nicht nur Risikofak- In Frankfurt am Main ist die Rate der toren für die Tuberkulose dar, son- Neuerkrankungen an Tuberkulose - dern erschweren auch die Behand- anders als auf Landes- und Bundes- lung. Umso bemerkenswerter ist, ebene - seit der Jahrtausendwende dass in Frankfurt bei 80% der Er- nicht weiter gesunken, sondern hat krankten die Behandlung erfolgreich sich um den Wert von 120 Erkrank- abgeschlossen werden konnte. Um ten pro Jahr eingependelt. 2008 die Umgebungsuntersuchungen wurden 111 Neuerkrankungen ge- künftig noch effektiver zu gestalten, meldet. Damit ist die Inzidenz 3-mal beteiligt sich das Amt für Gesundheit höher als im Bundesdurchschnitt. an einer vom Bundesministerium für Betroffen sind überwiegend Migran- Bildung und Forschung geförderten ten (82%). Die Zahl der Resistenzen Studie zur Erforschung der geneti- gegenüber Standardmedikamenten schen Resistenz gegen Tuberkulose. ist im Vergleich zu den Vorjahren Sie soll auch Erkenntnisse über In- nicht gestiegen. Dies gilt insbeson- fektionsketten in Frankfurt liefern. dere für die so genannten Multiresis- Abb. 2.1: Prozentualer Anteil multiresistenter Tb-Stämme bei Neuerkrankten weltweit 2.1 Globale Situation terhin zu den weltweit wichtigsten Infek- tionskrankheiten. Im Jahr 2007 wurden den jüngsten Veröffentlichungen der Um die Zahlen zur Tuberkulose in Frank- WHO zufolge 9,27 Millionen Tuberkulo- furt und Deutschland verstehen zu kön- seerkrankungen mit 1,76 Millionen To- nen, bedarf es einer Vorstellung von der desfällen registriert. Weltweit ist seit globalen Situation. Neben HIV/AIDS und 2003 die Gesamtzahl der Tuberkuloseer- Malaria gehört die Tuberkulose (TB) wie- krankungen leicht gestiegen, wegen des Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 15
Bevölkerungswachstums die Zahl der nahme um 5% gegenüber dem Vorjahr Neuerkrankungen pro 100.000 Einwoh- (106 Neuerkrankungen). In Deutschland ner aber geringfügig gesunken. Eine hingegen ist die Zahl der gemeldeten Ausnahme bildet die Europäische Region, Neuerkrankungen an Tuberkulose ge- zu der auch die Nachfolgestaaten der genüber dem Vorjahr um 9% auf 4.488 früheren Sowjetunion gerechnet werden. gesunken, in Hessen um 13% auf 404. In diesen Ländern steigt zudem der An- Die in Frankfurt im Vergleich zum Bun- teil der gegen die beiden wichtigsten desdurchschnitt dreimal so hohe Neuer- Medikamente Isoniazid und Rifampicin krankungsrate erklärt sich aus der Tat- resistenten oder auch „multiresistent“ sache, dass Gruppen mit hohem Erkran- genannten Tuberkulosestämme schneller kungsrisiko (wie Migranten, Obdachlose, als in anderen Regionen. Drogenabhängige und Immunge- schwächte) ähnlich wie in anderen Groß- Etwa 500.000 Neuerkrankungen an die- städten überrepräsentiert sind. ser Form der Tuberkulose werden nach WHO-Schätzungen jährlich beobachtet, Wie in den Vorjahren waren knapp zwei zu über 60% in Indien, China, der Russi- Drittel der Patienten (65%) männlichen schen Föderation und Südafrika. Geschlechts. Hier ist das Erkrankungsri- Die Erfolge bei der Tuberkulosebekämp- siko in der Gruppe der 30 – 59-Jährigen fung während der letzten Jahrzehnte am größten. werden durch diese Entwicklung laut WHO in Frage gestellt. 30 25 Eine weiterhin bedeutende Rolle für die 20 Tuberkuloseepidemiologie spielt die HIV- Inzidenz 15 Koinfektion. Unter den neu an Tuberku- lose Erkrankten des Jahres 2007 waren 10 1,37 Millionen oder 14% HIV-positiv (8% 5 im Jahr 2006), unter den TBC- 0 Todesfällen sogar 26% (12% im Jahr 0-9 10-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 >69 Altersgruppe 2006). männlich weiblich Abb. 2.3: Tuberkulose: Inzidenz nach Alters- gruppe und Geschlecht Frankfurt 2008 2.2 Tuberkuloseinzidenzen in Frankfurt Bei Frauen zeichnen sich zwei Erkran- 25,0 kungsgipfel im jungen Erwachsenenalter (20 - 29 Jahre) sowie im Alter über 69 20,0 Jahren ab. 15,0 Inzidenz Der Anteil von Migranten unter den Tu- 10,0 berkuloseerkrankten liegt in Frankfurt 5,0 deutlich höher als im Bundesdurch- schnitt: im Jahr 2008 lag der Anteil an 0,0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Migranten mit 82% außergewöhnlich Jahr hoch. Die aktuelle Vergleichszahl des Frankfurt Hessen Bund Bundes aus dem Jahr 2007 beträgt 43%. Besonders anschaulich in Bezug auf das Abb. 2.2: Tuberkulose: Inzidenzen Frankfurt, hohe Erkrankungsrisiko von Migranten Hessen, Bund 2001 - 2008 ist die folgende Graphik, die sich aller- dings nicht auf die Herkunft, sondern auf die Staatsangehörigkeit bezieht. Diese 111 Neuerkrankungen an Tuberkulose wird vom Amt für Statistik für die diffe- wurden in Frankfurt am Main im Jahr renzierte Altersschichtung der Frankfur- 2008 registriert, entsprechend einer Zu- ter Bevölkerung zugrunde gelegt. Die Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 16
Graphik zeigt nicht nur eine um den Fak- Nordafrika Südamerika tor 10 höhere Inzidenz bei den Frankfur- 5% 3% Deutschland ter Bürgern mit ausländischem Pass, Subsahara 18% 14% sondern auch die unterschiedliche Vertei- lung in den beiden Gruppen. Während Osteuropa und bei der deutschen Bevölkerung die Inzi- übriges Asien NUS denz bei Kindern und Jugendlichen bei 0 14% 17% liegt und bei Erwachsenen altersunab- Südostasien übriges Europa 5% hängig Werte über 9/100.000 nicht ü- 24% bersteigt, bestehen bei der ausländi- schen Bevölkerung zwei Altersgipfel bei den 10 bis 19-Jährigen sowie bei den 50- 69-Jährigen. Abb. 2.5: Tuberkulose: Herkunft der im Jahr 2008 in Frankfurt Erkrankten 140 120 Umso bemerkenswerter ist die Tatsache, 100 dass bei 74% der im Jahr 2008 an Lun- Inzidenz 80 gentuberkulose erkrankten Migranten 60 mit verwertbaren Angaben zur Einreise 40 nach Deutschland mehr als zwei Jahre 20 zwischen Migration und Krankheitsmani- 0 0-9 10-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 >69 festation vergehen. In Frankfurt liegt der Altersgruppe Median der Zeitspanne zwischen Migrati- Deutschland Ausland on und Erkrankung sogar bei 7 Jahren. Möglicherweise wird in vielen Fällen die Infektion anlässlich von Heimatbesuchen Abb. 2.4: Tuberkulose: Inzidenz nach Alters- gruppe und Staatsangehörigkeit Frankfurt erworben. 2008 18 16 Es fällt auf, dass besonders viele Patien- 14 ten aus Südostasien stammen, während 12 die Zahl aus den Ländern Afrikas südlich Fallzahl 10 der Sahara im Vergleich zum Vorjahr 8 absank. 6 4 2 Die niedrigen Erkrankungsraten unter 0 der in Deutschland geborenen Bevölke- x≤2 2
Daraus lassen sich Ansätze zur Früher- Wegen der vermeintlich großen Anste- kennung der Tuberkulose in bestimmten ckungsgefahr weckt die Tuberkulose in Risikogruppen ableiten. den meisten Fällen unbegründete Ängs- te. Ansteckend ist lediglich die so ge- Bei der überwiegenden Zahl der Erkrank- nannte offene Lungentuberkulose. Von ten konnten ein oder mehrere Risikofak- den 86 Erkrankten mit Lungentuberkulo- toren durch Befragung ermittelt werden. se sind 34 Personen (40%) bei mikro- Neben der Herkunft aus einem Hochprä- skopischem Nachweis von Tuberkulose- valenzland wurden wie im Vorjahr nied- bakterien im Sputum als hoch anste- riger Sozialstatus und chronischer Alko- ckend einzustufen, in 31 weiteren Fällen holmissbrauch als häufigste Risikofakto- (36%) konnte die Tuberkuloseerkran- ren beobachtet. Seltener genannt wur- kung nur durch kulturelle Anzüchtung als den prädisponierende Erkrankungen, Zeichen eines mäßigen Ansteckungsrisi- eine schwierige Wohnsituation, eine iv.- kos gesichert werden und in 7 Fällen Drogenabhängigkeit oder eine HIV- (8%) handelte es sich um eine nicht an- Infektion. Andere gaben eine frühere, steckende, geschlossene Lungentuberku- offenbar nicht ausgeheilte Tuberkulose lose. In 14 Fällen (16%) blieb das Anste- oder in seltenen Fällen den Kontakt zu ckungsrisiko infolge unvollständiger La- einem Tuberkulosepatienten an. bordiagnostik ungeklärt. niedriger Soz.status chron. Alk.abusus prädisp. 2.5 Resistenzen Erkrankung Tb-Vorerkrankung schwierige Eine Zunahme multiresistenter Tuberku- Wohnsit. losestämme ist in Frankfurt nicht fest- HIV-Infektion stellbar. Bei 9,6% der Erkrankten, von Drogenabhängigkeit denen eine Kultur vorliegt, besteht eine Kontakt zu offener Tb Resistenz gegenüber mindestens einem 0 5 10 15 20 25 30 der Standardmedikamente. Im Jahr zu- vor betrug dieser Anteil noch 15,8%. Abb. 2.7: Tuberkulose: Risikofaktoren für 12,0 Tuberkulose in Frankfurt 2008 (absolute 10,0 Zahlen) 8,0 Anteil in % 6,0 4,0 2,0 2.4 Ansteckungsfähigkeit 0,0 INH INH+RMP+SM PZA SM Resistenz jegliche Bei 86 der 111 Tuberkuloseerkrankten in Frankfurt (77%) war die Lunge als Hauptorgan betroffen. An zweiter Stelle steht die Lymphknotentuberkulose mit 10%. In sechs Fällen lag eine Tuberkulo- Abb. 2.8: Tuberkulose: Resistenzen von Tu- berkulosestämmen in Frankfurt 2008 se des Rippenfells (Pleura) vor. Eine Tu- (n = 83) berkulose anderer Organe wie die der Hirnhäute (Meningen) oder des Skeletts ist sehr selten. Es handelt sich bei all Die große Schwankungsbreite im Ver- diesen Krankheitsbildern um Sekundär- gleich zu Bundes- und Landeszahlen re- formen nach vorangegangener, mögli- sultiert höchstwahrscheinlich aus einem cherweise stumm verlaufener oder unzu- Phänomen der kleinen Zahlen. Interpre- reichend behandelter Lungentuberkulo- tationen sind nur bei ausreichender Fall- se. zahl im langjährigen Verlauf möglich. Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 18
Eine Resistenz gegen die beiden wich- den. Eine ausgedehntere Resistenz mit tigsten Medikamente Isoniazid und Ri- Unwirksamkeit mindestens zweier weite- fampicin wurde bei zwei Patienten rer Substanzklassen, auch als XDR (ex- beobachtet. Es handelte sich um eine tensively drug resistance) bezeichnet, junge Frau aus Tschetschenien und einen wurde in Frankfurt auch 2008 bei keinem Mann aus Indien. Typischerweise waren Patienten nachgewiesen. beide in ihrer Heimat vorbehandelt wor- 71% Abschluss der Behandlung mit Nachweis einer negativen Kultur Abschluss der Behandlung ohne Nachweis einer negativen Kultur Fortführung der Behandlung nach über 12 Monaten (Ergebnis folgt noch) Abbruch der Behandlung Tod an TB vor Beginn oder während der Behandlung 1% Tod aus anderer Ursache 3% 4% 1% unbekannt 11% 9% Abb. 2.9: Tuberkulose: Behandlungsergebnisse in Frankfurt 2007 2.6 Behandlungsergebnisse wurde die Behandlung über 12 Monate hinaus fortgeführt. Ein Erkrankter ver- starb unter der Therapie an der Tuberku- Neben einer frühen Fallfindung ist die lose, vier weitere aus anderer Ursache. erfolgreiche Behandlung der Tuberkulose Drei Erkrankte brachen die Behandlung nicht nur in Bezug auf die Prognose für ab. In einem Fall handelte es sich um den einzelnen Patienten von Bedeutung, eine Drogenabhängige mit Knochentu- sondern wirkt sich auch auf das Risiko berkulose, die über 5 Monate behandelt einer anhaltenden oder wieder einset- wurde und bei der es anschließend zu zenden Ansteckungsfähigkeit aus. Daher einem Rezidiv kam. Bei einem weiteren strebt die Therapieüberwachung durch Drogenabhängigen wurde die Diagnose den Öffentlichen Gesundheitsdienst ei- einer aktiven Lungentuberkulose im nen möglichst hohen Anteil erfolgreicher Stadtgesundheitsamt gestellt. Die statio- Behandlungen an. Da sich die Behand- när eingeleitete Therapie hat der Patient lung der Tuberkulose über mindestens nicht fortgesetzt. Die daraufhin mit dem sechs, gelegentlich auch über 12 Monate Ziel der Zwangsabsonderung eingeleitete oder mehr erstreckt, liegen die Ergebnis- Fahndung blieb erfolglos, da der Patient se erst im Folgejahr vor. Hier werden untertauchte. Bei dem dritten Patienten daher die Behandlungsergebnisse des handelte es sich um einen Migranten Vorjahres 2007 dargestellt. Bei 82% der ohne legalisierten Aufenthaltsstatus, der Patienten konnte die Behandlung erfolg- nach mehrwöchiger Behandlung spurlos reich abgeschlossen werden, entweder verschwand. mit oder ohne Nachweis einer negativen Kultur im letzten Behandlungsmonat. Bei einem Patienten mit Pleuratuberkulose Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 19
2.7 Aktive Fallfindung Aus der Zuständigkeit des Amtes für Ge- sundheit für den Frankfurter Flughafen als Drehscheibe des internationalen Neun Patienten (2007: 7) wurden aktiv Flugverkehrs erwachsen besondere Auf- durch Maßnahmen des öffentlichen Ge- gaben auch für die Tuberkulosefürsorge. sundheitsdienstes entdeckt, darunter 2 Im Berichtsjahr wurden Ermittlungen im Zusammenhang mit Umgebungsun- von Kontaktpersonen zu an Tuberkulose tersuchungen. Hier werden Personen aus erkrankten Flugreisenden entsprechend dem privaten oder beruflichen Umfeld den Vorgaben der WHO in 10 Fällen ein- mit engem Kontakt zum Erkrankten er- geleitet. In keinem Fall wurde eine Tu- fasst und gemäß den Empfehlungen des berkuloseansteckung während des Flu- Deutschen Zentralkomitees zur Bekämp- ges ermittelt. fung der Tuberkulose untersucht und überwacht. Bei Screeninguntersuchungen unter A- sylbewerbern wurden zwei Erkrankte, unter Aussiedlern ein Erkrankter ent- 2.8 Projekte zur Verbesse- deckt. Bei drei Personen fand sich bei rung der Tuberkulosefürsorge Untersuchungen vor Aufnahme in eine Justizvollzugsanstalt eine Tuberkulose In Frankfurt am Main bleibt die Zahl der und bei einem Kind wurde im Zusam- Tuberkuloseerkrankungen auf Grund der menhang mit der Familienzusammenfüh- besonderen Bevölkerungsstruktur auf rung aus Bangladesh die Erkrankung einem im Vergleich zum Land Hessen diagnostiziert. und Deutschland erhöhten Niveau. Deshalb werden die Anstrengungen fort- In dem seit 2002 durchgeführten Projekt gesetzt, Personen mit einem hohen Tu- zum Röntgenscreening von Obdachlosen berkuloserisiko zu identifizieren und be- und Drogenabhängigen wurden bislang sondere zielgruppenspezifische Maßnah- 44 Personen als Tuberkuloseerkrankte men zur frühzeitigen Entdeckung und identifiziert und einer frühzeitigen Be- Behandlung der Erkrankung für diesen handlung zugeführt. 2008 wurde im Zu- Personenkreis zu etablieren. sammenhang mit dem Umzug die Rönt- Zur gezielten Tuberkulosefürsorge für genuntersuchung extern an das Hospital Risikogruppen wie HIV-Positive, Obdach- zum Heiligen Geist ausgelagert. Dieser lose und Drogenabhängige sowie enge Wechsel führte nicht zu einem Rückgang Kontaktpersonen führte das Amt für Ge- der Untersuchungszahlen, die Zahl der sundheit besondere Maßnahmen durch Drogenabhängigen sank zwar, allerdings und nahm an mehreren wissenschaftli- bedingt durch die häufigere Registrie- chen Studien teil. rung der Drogenabhängigen als Obdach- lose, deren Anzahl dadurch in gleichem Die seit 2002 durchgeführte aktive Fall- Maße anstieg. findung mittels Röntgenscreening bei Obdachlosen und Drogenabhängigen, für 140 die das Amt auf dem ÖGD-Kongress 120 2008 mit einem Poster-Preis ausgezeich- 100 net wurde, wird trotz der Probleme durch 80 die Auslagerung der Röntgenanlage wei- 60 tergeführt. Insbesondere die Aufklärung 40 über die Tuberkulose für Personal und 20 Besucher von Drogeneinrichtungen soll 0 dazu beitragen, das Vertrauensverhältnis 1 2 3 4 5 6 7 Monat 8 9 10 11 12 zu Drogenabhängigen zu festigen und Drogen Obdachlose UU + 4.0 die Bereitschaft zur Teilnahme zu verbessern. Abb. 2.10: Röntgenuntersuchungen 2008 In Kooperation mit HIV- nach Untersuchungsgrund Schwerpunktpraxen soll das Tuberkulo- serisiko bei HIV-Infizierten bewusst ge- Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 20
macht werden mit dem Ziel, Untersu- ser auf 3 Jahre angelegte Studie ist es, chungen auf Tuberkulose regelhaft genetische Merkmale ausfindig zu ma- durchzuführen. chen, die zu einer Tuberkuloseerkran- Die Verbesserung der Tuberkulosedia- kung prädisponieren. Damit wäre es gnostik durch Verwendung von neuen möglich, nur diejenigen gezielt präventiv Testverfahren bei immunsupprimierten zu behandeln, die ein hohes Erkran- HIV-positiven Personen wurde in einer kungsrisiko haben. Darüber hinaus wer- gemeinsamen Studie mit dem Universi- den von der Teilnahme an der Studie tätsklinikum Frankfurt untersucht. Die Erkenntnisse über die Infektionsketten Ergebnisse konnten Ende 2008 veröf- erwartet. Damit verbunden ist die Hoff- fentlicht werden. nung, bei Migrantinnen und Migranten, die im Berichtsjahr mit 82% den größten Die Abteilung Infektiologie des Amtes für Teil der Neuerkrankten ausgemacht ha- Gesundheit ist an einer prospektiven, ben, die Tuberkulose durch gezieltes vom BMBF geförderten Studie beteiligt, Screening rascher zu erkennen. die unter der Leitung des Forschungs- zentrums Borstel enge Kontaktpersonen Darüber hinaus wurde im Jahr 2008 be- zu Tuberkuloseerkrankten auf ihr indivi- gonnen, das Geographische Informati- duelles Infektions- und Erkrankungsrisi- onssystem GIS zur Infektionsbekämp- ko für Tuberkulose untersucht. Ziel die- fung zu nutzen. Abb. 2.11: Tuberkulose: Verteilung innerhalb des Stadtgebietes in Frankfurt 2008 Amt für Gesundheit / Abteilung Infektiologie / Jahresgesundheitsbericht 2008 21
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