IMPULSE - Stiftung gegen Rassismus

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IMPULSE - Stiftung gegen Rassismus
EUROPA WÄHLT MENSCHENWÜRDE

IMPULSE
FÜR DIE INTERNATIONALEN
WOCHEN GEGEN RASSISMUS
11. - 24. März 2019
IMPULSE - Stiftung gegen Rassismus
Impressum                                                              Europa wählt Menschenwürde
                                                                       4    Der Geist des Grundgesetzes – Muhterem Aras
                                                                       6    Europa stärken – Rassisten abwählen – Jürgen Micksch
                                                                       8    Zusammenhalt schaffen trotz Differenz – Jagoda Marinić
 Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus
                                                                       Miteinander sprechen! Aber wie?
   Goebelstr. 21a, 64293 Darmstadt
   Telefon: 06151 / 33 99 71                                           14   No Hate Speech Movement
   Fax: 06151 / 39 19 740                                              17   Gendergerechtes Sprechen – wie geht das?
                                                                       20   Stände und Straßenaktionen gegen Vorurteile: Gestatten, Muslim.
   info@stiftung-gegen-rassismus.de
                                                                       21   Haltung zeigen, Engagement für Demokratie und Menschenrechte
   https://stiftung-gegen-rassismus.de/
                                                                            stärken! (GEW)
   Veröffentlicht im Dezember 2018
                                                                       Aktiv gegen Rassismus
   Redaktion: Marlies Horch, Susanne Menkel-Werner
                                                                       24   Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage
   Gestaltung: Wolfgang Scheffler
                                                                       27   Was der Sport kann – Zeig Rassismus die rote Karte
   Druck: Online Printers GmbH
                                                                       29   Aufstehen gegen Rassismus: Stammtischkämpfer*innen
                                                                       30   Bühne für Menschenrechte
 Spendenkonto:
                                                                       32   Abrahamische Teams: Dialog statt Konflikte
   Stiftung gegen Rassismus, Evangelische Bank eG                      34   Aktionen – richtig organisieren
   IBAN: DE14 5206 0410 0004 1206 04                                   36   Wer hat Recht? Wichtige Paragraphen
   BIC: GENODEF1EK1                                                    39   Förderung durch die Amadeu Antonio Stiftung
                                                                       40   Aktionstage: Gemeinsam gegen Hass und Hetze
   Die Stiftung ist vom Finanzamt Darmstadt unter der Steuer-Nr.
   07 250 48085 als gemeinnützig anerkannt.                            Die Internationalen Wochen gegen Rassismus –
                                                                       Die Stiftung und ihre Projekte
                                                                       42   Was geschah am 21. März 1960? Wie die UN-Wochen begonnen haben
Für die Inhalte dieser Broschüre ist die Redaktion verantwortlich.
                                                                       43   Die Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus
Die finanzielle Förderung der Internationalen Wochen gegen Rassismus
                                                                       44   Das Aktionsbündnis der Internationalen Wochen gegen Rassismus 2019
bedeutet nicht, dass die fördernden Institutionen und Organisationen
                                                                       47   Prominent gegen Rassismus
sich diese Inhalte zu eigen machen.
                                                                       48   Die »eigenen« Aktionswochen in Städten und Kommunen
                                                                       50   Religionen laden ein: Würde statt Hass
Die Erarbeitung und der Druck der Broschüre wurde gefördert.
                                                                       52   Veranstaltungen zu Antiziganismus
                                                                       53   SCHULTER AN SCHULTER
                                                                       55   Sponsoren, Unterstützer und Kooperationspartner 2019
                                                                       Materialien
                                                                       58 Das Kampagnenmaterial
                                                                       63 Bestellformular zum Heraustrennen
                                                                       65 Nachwort
IMPULSE - Stiftung gegen Rassismus
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EUROPA WÄHLT MENSCHENWÜRDE
                                                                                  Speziell Artikel 3 Grundgesetz setzt eine sehr lebensnahe Norm.

                                                                                  »Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, sei-
Der Geist des Grundgesetzes                                                       ner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder
                                                                                  politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.«

                                                                                  Leider erleben wir in unserer Gesellschaft – bei der Suche nach einer Wohnung, bei

W     ir haben in Deutschland eine wunder­
      bare Verfassung. Der Geist des Grund-
gesetzes ist der des gegenseitigen Respekts.
                                                                                  der Bewerbung um einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz, in alltäglichen Situatio-
                                                                                  nen –, dass Artikel 3 Grundgesetz (viel zu oft) verletzt wird.

Es vermittelt ein festes Fundament an Wer-                                        Mir ist es als Botschafterin deshalb ein Anliegen, dass die »Internationalen Wochen
ten: Offenheit, Gleichberechtigung, Ge-                                           gegen Rassismus« Begegnungen schaffen: Etwa zwischen Menschen, die Diskrimi-
meinsinn, Verantwortung, Freiheit und                                             nierung erleben und Menschen, für die das Thema neu ist. Mit dem Ziel, Erfahrun-
streitbare Demokratie. Und Toleranz in sei-                                       gen weiterzugeben, andere Perspektiven kennen zu lernen – und in einen Dialog zu
ner ursprünglichen Definition. Nämlich den                                        treten, wie wir gemeinsam die Werte des Grundgesetzes festigen, sie leben und für
Mut aufzubringen, Unterschiede zu akzep-                                          sie werben. Denn für die Menschen, die auf der Straße Angst oder auch nur Un-
tieren. Innerhalb dieses Rahmens sind die                                         wohlsein spüren, weil sie nicht wissen, ob andere sie als gleichwertig wahrnehmen,
unterschiedlichsten Lebensmodelle möglich.                                        sind wir alle zuständig. Dieser Auftrag ergibt sich für mich aus den Normen des
                                                                                  Grundgesetzes. Dort anzusetzen ist für mich daher die Wurzel, um Ausgrenzung zu
Das Grundgesetz ist auf Vielfalt angelegt.                                        verhindern.
Mir bietet es auch Heimat. Für diese vielfäl-
tige, einladende Heimat trete ich ein.                                            Schaden für unsere Gesellschaft entsteht nicht erst, wenn Rassismus sich in Gewalt
                                                                                  äußert. Wir dürfen gar nicht erst zulassen, dass Menschen ausgegrenzt werden,
Ich habe begonnen, mich politisch zu enga-                                        dass in Debatten das »Wir« in Abgrenzung definiert wird – »Wir gegen die«.
gieren, als Anfang der 90er Jahre Flüchtlingsunterkünfte und Wohnhäuser von
Migranten Ziele von Brandanschlägen wurden. Ich wollte meine Heimat und ihre      Das Gegenmodell – Vielfalt als Leitlinie politischen und zivilgesellschaftlichen Han-
Werte nicht von Rassisten und Kriminellen kaputt machen lassen.                   delns – ist auch ein Gebot der Vernunft. Für mehr Zusammenhalt in einer bunten,
                                                                                  lebendigen Gemeinschaft.
Als Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg will ich das Grundgesetz
– auch mit eigenen Dialog-Veranstaltungen – stärker in den Fokus der Bürger*in-   Das ist manchmal richtig anstrengend. Aber es macht uns am Ende stärker und er-
nen rücken.                                                                       folgreicher. Packen wir es also an.

Darum bin ich auch gerne Botschafterin der Internationalen Wochen gegen Ras-
sismus 2019. Die Veranstaltungen bieten ein Forum, um sich über Grundwerte               Muhterem Aras, MdL
auszutauschen, zu fragen, was sie für unseren Alltag bedeuten und wie wir diese          Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg
Werte konkret leben können.                                                              Botschafterin der Internationalen Wochen gegen Rassismus 2019

                                         4                                                                                  5
IMPULSE - Stiftung gegen Rassismus
Europa stärken – Rassisten abwählen                                                 Die Überwindung von Hass und Rassismus sind zentrale europäische Aufgaben, für
                                                                                    die politische Programme zu entwickeln sind. Bisher war es für die große Mehrheit
                                                                                    der Deutschen selbstverständlich, für die Würde aller Menschen einzutreten. Das ist
                                                                                    nun zu verteidigen.

D   as Zusammenwirken in der Europäischen
    Union ist eine Erfolgsgeschichte: Seit
Jahrzehnten gab es in Mitteleuropa keinen
                                                                                    Die UN-Wochen gegen Rassismus setzen sich für diese Ziele ein. Hunderttausende
                                                                                    werden sich wieder bei Veranstaltungen vom 11. bis 24. März 2019 für die Würde
Krieg – das ist historisch einmalig. Immer                                          von Menschen und gegen Nationalismus und Rassismus engagieren. Das macht
mehr Länder traten in die EU ein und befür-                                         Mut. Jede und jeder kann dabei aktiv werden:
worten die Werte der Demokratie und der
                                                                                     Sie können an Veranstaltungen teilnehmen oder mitwirken.
Menschenrechte. Die wirtschaftliche und
poli­tische Verflechtung kam trotz Rückschlä-                                        Am Arbeitsplatz, in der Schule und in der Familie können unsere Grundwerte
gen voran.                                                                            thematisiert werden.
                                                                                     Bundesweit gibt es aktive demokratische zivilgesellschaftliche Gruppen, bei
Diese Phase scheint sich zu ändern. Der Bre-
                                                                                      denen Sie sich engagieren können.
xit ist eine schwere Niederlage für die euro-
päischen Ideale. Der Austritt von Großbritan-                                        Gemeinsam ist es möglich, am eigenen Ort Stände aufzubauen, sich der
nien war das Ergebnis eines rassistisch auf­                                          öffent­lichen Debatte zu stellen und Gesicht zu zeigen. Dabei ist es sinnvoll,
geladenen Wahlkampfes. Auch in anderen                                                mit zu­gewanderten Menschen zusammenzuwirken.
europäischen Ländern werden rechtspopu-
                                                                                     Zahlreiche prominente Persönlichkeiten unterstützen das Engagement gegen
listische Bewegungen und Parteien stärker.
                                                                                      Rassismus.
Wahlkämpfe sind geprägt durch die Ablehnung von Flüchtlingen, Muslimen, Juden
sowie Sinti und Roma. Rechtspopulistische und teilweise rechtsextreme Parteien       Werben Sie für die Teilnahme bei den Europawahlen. Denn es geht um die
bestimmen die Politik in Dänemark, Finnland, Italien, Polen, Tschechien, Ungarn       Verteidigung von Europa, der Menschrechte und des Friedens.
und Österreich. Solche Gruppierungen sind auch in anderen Ländern gewachsen.
Es besteht die Gefahr, dass sie bei den Europawahlen am 26. Mai 2019 so stark wie
noch nie werden.                                                                           Jürgen Micksch
                                                                                           Geschäftsführender Vorstand der Stiftung für die
In den USA ist zu sehen, wohin das führt. Flüchtlinge, Muslime, Juden und andere           Internationalen Wochen gegen Rassismus
Minderheiten werden diskriminiert. Das Land ist gespalten. Hass, Nationalismus
und Rassismus breiten sich aus. Dies hat auch Auswirkungen auf den gesellschaft-
lichen und internationalen Frieden.

Schon jetzt wird es in der Europäischen Union immer schwieriger, bei zentralen
Themen wie Migration und Flucht, der Gewaltenteilung oder der Verschuldung zu
einer Verständigung zu kommen. Der Zerfall von Europa ist eine ernste Gefahr. Er
wird ausgelöst durch rassistische, nationalistische und autoritäre Bewegungen und
Gruppierungen.

                                         6                                                                                      7
IMPULSE - Stiftung gegen Rassismus
Zusammenhalt schaffen trotz Differenz                                                   Mutter alleinerziehend ist und somit zu den Armutsgefährdeten gehört? Vielleicht
                                                                                        möchten sich diese Mütter solche Szenen in der Öffentlichkeit ersparen. In ent­
                                                                                        wickelten Industriegesellschaften ist die Armut überwiegend weiblich. Mit den
                                                                                        Frauen trifft es die Jüngsten, die Zukunft eines Landes. Viereinhalb Millionen Kinder

D   ie Wochen gegen Rassismus fallen im
    Jahr 2019 in die Zeit der Europawahlen.
Alle Engagierten sind dazu eingeladen, auch
                                                                                        in Deutschland leben in Armut; Kinder, die von diesem Land nicht das Beste be-
                                                                                        kommen und auch nicht das Beste zurückgeben werden. Denn soziale Mobilität ist
                                                                                        keine Erfolgsstory »made in Germany«.
das Thema Europa und Zusammenhalt in
den Mittelpunk ihrer Arbeit während der                                                 In den Sechzigerjahren wurden weltweit Kämpfe gegen Armut geführt. Der dama-
Wochen gegen Rassismus zu stellen. Nicht                                                lige US-Präsident Lyndon B. Johnson sprach sogar von einem »Krieg gegen die Ar-
erst seit dem Brexit, sondern bereits seit der                                          mut«. Die Armutsbekämpfung der westlichen Länder war so erfolgreich, dass in-
Finanzkrise in Griechenland, ist die europäi-                                           zwischen von relativer Armut gesprochen wird. Nun stehen sie vor einer neuen
sche Solidarität gefährdet. Die Gemeinsam-                                              Herausforderung: Wie lässt sich radikal über relative Armut sprechen? Wie sagt
keiten und Schwierigkeiten des heutigen Eu-                                             man solcher Armut den Krieg an? Wie vermittelt man, was mangelnde Teilhabe für
ropas könnten während der Aktionswochen                                                 Menschen bedeutet? Armut ist bis ins Letzte erforscht, auch die Gefahr, die sie für
thematisiert werden, ebenso wie die soziale                                             Demokratien bedeutet. Und doch berühren Armutsdebatten selten so emotional
Frage, die zunehmend zu einer Spaltung der                                              wie andere Themen. Sie erregen nicht die Gemüter, bringen niemanden auf die
Gesellschaft führt. Immer mehr Gruppen                                                  Straße. Die Untersuchungsmethoden werden ständig optimiert. Das hilft zwar, die
grenzen sich von Hilfsbedürftigen ab.                                                   Armut zu vermessen. Die Nöte derer, die in relativer Armut leben, dringen jedoch
                                                                                        nicht ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit.
Jagoda Marinić, Vorstand der Stiftung gegen Rassismus, hielt zu Europa einen
Impulsvortrag bei der Vorbereitungstagung für die Internationalen Wochen gegen          Ein Weg, die Wochen gegen Rassismus zu gestalten, ist jene Menschen in den Mit-
Rassismus 2019. Hier ist noch einmal der Appell nachzulesen, auch im Rah-               telpunkt zu rücken, die sich von den wirtschaftlichen Erfolgsmeldungen der reichen
men der Aktionswochen verstärkt über Zusammenhalt und die soziale Frage zu              Wohlstandnationen abgehängt sehen. Viele sehen ihre Nöte nicht repräsentiert.
sprechen.                                                                               Während Politiker und Medien lautstarke, nationalistische Bewegungen wie Pegida
                                                                                        mit Aufmerksamkeit belohnen, bleibt der Überlebenskampf vieler Menschen in Eu-
Es gibt Szenen, die sind Deutschlands nicht würdig. Es sind Szenen, die sich in einer   ropa unsichtbar. Wie gefährlich diese Unsichtbarkeit von Armut für den gesell-
Wohlstandsgesellschaft nicht abspielen sollten. Diesen Sommer zum Beispiel setze        schaftlichen Zusammenhalt ist, zeigte sich beim Brexit: Zwischen 2013 und 2015
ich mich mit Freunden in ein Café an einem der Berliner Seen. Neben uns nimmt           stieg die Zahl der in Armut Lebenden in Großbritannien um 0,5 Prozent. Dahinter
wenig später eine vierköpfige Familie Platz. Wir bestellen Bananensplit, Spaghet-       verbergen sich 400 000 britische Einzelschicksale, die Nachbarn und Freunden
ti-Eis, eine Unmenge Eiskugeln eben. Die Mutter der Kinder blickt nervös zum            nicht entgangen sein werden. Den Medien und Parteien jedoch schon. Zudem zählt
Vater. Der Vater beugt sich zu seiner Frau vor: »Das geht, das geht!« Sie schüttelt     die Mehrheit der Armen in Großbritannien zu den sogenannten »working poor«, zu
den Kopf. »Ich hol das wieder rein, versprochen!« Die Kinder kriegen ihre Eisbecher.    Menschen, die trotz Arbeit arm bleiben. Britische Ökonomen sehen inzwischen ei-
Ein richtiges Vergnügen wird es nicht.                                                  nen möglichen Zusammenhang zwischen dem halben Prozent neu Verarmter und
                                                                                        dem Ergebnis des Referendums. Wie konnte die Verunsicherung einer halben Milli-
Das ist nur eine von vielen Alltagsszenen in Deutschland, jenem Land in Europa, das     on Menschen im Stimmungsbild untergehen?
einen wirtschaftlichen Erfolg nach dem anderen meldet. Natürlich braucht kein
Kind zum Überleben einen Eisbecher oder Nachmittage am See. Ist so etwas Ar-
mut? Oder sind arm erst jene Kinder, die nicht an diesem See auftauchen, weil ihre

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IMPULSE - Stiftung gegen Rassismus
Europäische Sozialdemokraten finden keine Strategien für diese Gruppen. Die             rung der Arbeit. Der überflüssige Arbeiter ist jedoch kein zuverlässiger Demokrat,
Rechten tun das auch nicht, doch sie verstehen es, die Verunsicherung in politi-        er ist ein ängstlicher Mensch. Er hat derzeit keine Partei. Das ist keine »German
sches Kapital umzuwandeln. Viele Linke versuchen nun, von den Rechten zu lernen         Angst«. Das ist ein tief greifender Wandel. Wer Politik machen möchte in diesem
statt aus der Geschichte und Analyse der Gegenwart. Sie riskieren die historisch        verunsicherten Europa, muss diesen Wandel benennen und gestalten, ohne neue
gewachsene Haltung der Linken zu Solidarität, die immer international gedacht           Ängste zu schüren. Die Wochen gegen Rassismus sind eine Chance, Menschen
worden war.                                                                             zusammenzubringen, die sich im Rahmen ihres zivilgesellschaftlichen Engagements
                                                                                        für genau diese Werte einsetzen. Politische Bildung im Hinblick auf die kommenden
Die Talfahrt der europäischen Sozialdemokraten zeigt jedoch: Die Wähler wollen          Europawahlen unterstützt die Engagierten bei der Wahrnehmung ihrer demokrati-
diese neue DNA der Sozialdemokratie nicht. Solidarität kann in einer globalisierten     schen Rechte.
Welt nicht nur national gedacht werden. Wer solidarisch denkt, entzieht anderen
Bedürftigen nicht die Solidarität, sondern bekämpft die Ursachen der Ungleichheit.
Demokratische Parteien beschädigen ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie Probleme                     Jagoda Marinić
nach unten verteilen. Wer fordert einen konkreten Beitrag der Finanzeliten für die             Autorin und Vorstand der
Lösung der großen globalen Herausforderungen, zum Beispiel der Migration? Einen                Stiftung gegen Rassismus
Beitrag von jenen zu erwarten, die aus den Ressourcen des afrikanischen Konti-
nents Kapital schlagen, könnte eine sozialdemokratische Forderung sein. Auch hier
kann man im Rahmen der Wochen gegen Rassismus Schwerpunkte setzen, die
nach der internationalen Verantwortung fragen.

Die Offenheit vieler für die nationale Zugehörigkeitsfrage lässt sich jedoch auch als
Fürsorgefrage von Verunsicherten deuten: »Sorgt der Staat für mich als Bürger?«
Wenn das Vertrauen in die staatliche Fürsorge erschüttert ist, sinkt die Bereitschaft
zu Solidarität, da die Bürger sich als Einzelkämpfer verstehen. Viele Arme beant-
worten die Fürsorgefrage mit Nein. Sie sind jedoch meist dankbar für die Grund­
sicherung. Diese Befriedung von Erregungspotenzial ist nicht zuletzt eine der Inten-
tionen sozialer Grundsicherung: Wer überleben kann, wird die herrschenden Eliten
und Zustände nicht radikal infrage stellen. Es geht derzeit jedoch nicht nur um
Umverteilung: Wirklich gefährlich für den sozialen Frieden wird es, wenn jene, die
für sich selbst sorgen, den Staat nicht hinter sich sehen. Nicht nur Armut gefährdet
den Zusammenhalt, sondern auch die Abstiegsangst jener, die trotz Arbeit und re-
lativen Reichtums um ihre soziale Stellung fürchten.

Die hohen Mietpreise drängen beispielsweise immer mehr Vertreter des höchstbe-
steuerten Mittelstands aus den Innenstädten. Natürlich kann die Armutsdebatte
nicht Fragen stellen wie: Muss sich jeder eine Wohnung in der Innenstadt leisten                   Das Europäische Parlament wird als einziges EU-Organ
können? Doch die Armutsdebatte einer Wohlstandsgesellschaft muss jene, die                        alle fünf Jahre demokratisch von den Bürgerinnen und
Angst vor Armut im Sinne von Ausgrenzung haben, stärker einbeziehen. Radikale                   Bürgern der EU gewählt. Die nächste Europawahl findet
Lösungen gegen die Verunsicherung, wie zum Beispiel das bedingungslose Grund-                  am 26. Mai 2019 statt. Jede Stimme zählt!
einkommen, werden nicht gewagt. Stattdessen wachsen Ängste vor der Robotisie-

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IMPULSE - Stiftung gegen Rassismus
Literatur
                                                                                                 MITEINANDER SPRECHEN! ABER WIE?
                        Leipziger Autoritarismus-Studie 2018:
                        Langzeitstudie mit aktuellen Ergebnissen zu autoritären
                        und rechtsextremen Einstellungen in Deutschland
                        Oliver Decker, Elmar Brähler (Hg.)
                        Flucht ins Autoritäre
                        Rechtsextreme Dynamiken in der Mitte der Gesellschaft /
                        Die Leipziger Autoritarismus-Studie 2018
                        Psycho-Sozial Verlag, Gießen

Zum Inhalt der Studie:
Fast jeder dritte Deutsche vertritt ausländerfeindliche Positionen, die Abwertung von einzel-
nen Gruppen steigt und die Ausländerfeindlichkeit hat in Deutschland erneut zugenommen.
Einzelnen ausländerfeindlichen Aussagen, wonach beispielsweise Ausländer den deutschen
Sozialstaat ausnutzen oder die Bundesrepublik überfremden, stimmt im Osten fast jeder
Zweite zu. Auch im Westen teilt knapp jeder Dritte diese Positionen. Das sind zentrale Er-
gebnisse der repräsentativen »Leipziger Autoritarismus-Studie«, vormals als »Mitte-Studie
der Universität Leipzig« bekannt. Mehr zu den Autoren und der Forschung:
 https://www.kredo.uni-leipzig.de/die-leipziger-autoritarismus-studie/

                        Markus Metz / Georg Seeßlen
                        Der Rechtsruck
                                                                                                 D  ie im Heft abgebildeten Zeichnungen stammen von Soufeina Hamed, die
                                                                                                    Cartoonistin beschreibt ihren Alltag als Muslima in Form kurzer Comicstrips
                                                                                                 und veröffentlicht diese auf ihrer Website tuffix.net. Soufeina, auch unter ihrem
                        Skizzen zu einer Theorie des politischen Kulturwandels                   Künstlernamen Tuffix bekannt, zeichnet auf sympathisch humoristische Art über
                        2018                                                                     Themen wie Alltagsrassismus, Identität und Diskriminierungserfahrungen.
                        Zum Inhalt des Buches:
                                                                                                 Für sie ist es ganz klar, dass wir miteinander sprechen müssen, um Vorurteile
                        »Ein Gespenst geht um in Europa und anderen Ländern des einst-
                                                                                                 abzubauen:
                        mals so goldenen Westens, das Gespenst des Rechtspopulismus…
                        Zu verstehen, was da eigentlich vor sich geht, ist die erste Waffe der   »Vorurteile sind etwas Menschliches. Ich habe Psychologie studiert. Deshalb ist
                        demokratischen Zivilgesellschaft im Kampf gegen den Rechtsruck           es für mich natürlich, dass Menschen Stereotype haben. Wir kategorisieren sehr
und die Wiederkehr von Nationalismus, Rassismus und Faschismus. Das beste Mittel gegen           gern und ordnen andere ein, um auf sie reagieren zu können. Zu einer Gefahr
Gespenster ist, ihnen furchtlos, aufrecht und mit genauem Blick entgegenzutreten.«               wird das, wenn man wertet und glaubt, von dem anderen gehe etwas Negatives
 http://www.bertz-fischer.de/rechtsruck.html                                                    aus. Wichtig ist dann, das zu hinterfragen: Warum habe ich jetzt bei dem da ein
                                                                                                 schlechtes Gefühl? Oder warum glaube ich, dass die Frau mit Kopftuch unter-
                                                                                                 drückt wird?«
                                                                                                 aus: Interview mit der TAZ, 15.2.2014

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IMPULSE - Stiftung gegen Rassismus
No Hate Speech Movement

    D   as Internet hat unsere Kommunikationskultur maßgeblich beeinflusst: Neben
        neuen Formen des Austauschs haben sich auch die zwischenmenschlichen Be-
    ziehungen durch und im Netz verändert. Konversationen, Dialoge und Diskussio-
    nen sind dynamischer, kritischer und länder- und zeitzonenübergreifend – keine
    Frage, eine oft sehr positive Entwicklung. Jedoch wird der Ton im Netz, insbeson-
    dere in den Kommentarspalten der sozialen Netzwerke, rauer, bisweilen sogar has-
    serfüllt und hetzerisch. Die Gesellschaft steht vor einer neuen Herausforderung,
    denn Phänomene wie Menschenfeindlichkeit und Rassismus sind zwar nicht
    neu, wohl aber die sozialen Netzwerke als Diskussionsräume. Es braucht zivilge­
    sellschaftliches Engagement im Netz – genau hier setzt das No Hate Speech
    Movement Deutschland (NHSM) an.

i
    Das NHSM ist eine internationale Bewegung des Europarats: 2012 initiiert durch
    den Druck internationaler Jugendorganisationen, ist die Bewegung mittlerweile in
    mehr als 40 Ländern aktiv. Dabei geht es vor allem um die Mobilisierung und das
    Empowerment junger Menschen und der Personen, die von Hass im Netz betroffen
    sind. Außerdem verbindet die Bewegung, sowohl national als auch international,
    Akteur*innen und Aktivist*innen, die sich gemeinsam gegen Hass und Menschen-
    feindlichkeit im Netz einsetzen.
                                                                                        Doch bei all dem Humor, dem Laut-und-Freundlich-sein, gilt es nicht zu vergessen,
    In Deutschland koordiniert der Neue deutsche Medienmacher e.V. seit 2016 die        dass Hate Speech im Internet ein schwerwiegendes Problem ist:
    nationale Umsetzung des NHSM im Rahmen des Bundesprogramms »Demokratie
    leben!«. Das NHSM zeichnet sich insbesondere durch seinen humorvollen Ansatz        Laut einer Forsa-Studie waren 78 % der Internetnutzer*innen bereits mit Hasskom-
    aus: Auf der Website no-hate-speech.de werden, neben zahlreichen Informationen      mentaren konfrontiert, von den 14- bis 24-Jährigen haben sogar 96 % Hate Speech
    und Hilfestellungen, auch Memes und GIFs angeboten, um dem Hass im Netz kre-        wahrgenommen.1 Das Engagement gegen Hass im Netz wird nicht einfacher da-
    ativ die Stirn zu bieten. Darüber hinaus sind im Nationalen Komitee der deutschen   durch, dass der englische Begriff ›Hate Speech‹ zum einen politisch umkämpft ist
    Bewegung rund 50 Akteur*innen, Expert*innen und Aktivist*innen vertreten, die       und zum anderen keine allgemeingültige Definition hat. Das NHSM definiert Hate
    einerseits dem NHSM beratend zur Seite stehen, andererseits aber auch zeigen,       Speech als »sprachliche Handlungen gegen Einzelpersonen und/oder Gruppen mit
    dass sich ein breites Bündnis gegen Hass im Netz positioniert. Eben dieses breite   dem Ziel der Abwertung oder Bedrohung aufgrund deren Zugehörigkeit zu einer
    Netzwerk ermöglicht es dem NHSM auch, Referent*innen und Expert*innen zum           benachteiligten Gruppe in der Gesellschaft«. Wichtig ist: Nicht die Hater*innen ent-
    Thema Hass im Netz zu vermitteln.                                                   scheiden, was Hassrede ist, sondern vielmehr die Betroffenen.

                                                                                        1  Forsa-Studie im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW (2018): https://www.medienan-
                                                                                        stalt-nrw.de/fileadmin/user_upload/lfm-nrw/Foerderung/Forschung/Dateien_Forschung/forsaHate_
                                                                                        Speech_2018_Ergebnisbericht_LFM_NRW.PDF

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IMPULSE - Stiftung gegen Rassismus
Auf eben diesen sollte auch der Fokus des Engagements im Netz liegen. Es gibt ei-     Gendergerechtes Sprechen – wie geht das?
niges, was man als Einzelperson tun kann, um sich gegen Hate Speech im Internet
stark zu machen – es ist für jede*n etwas dabei, ob nun schüchtern oder extrover-
tiert, laut oder leise:

1) Sei solidarisch: Schreibe den Betroffenen eine Nachricht und zeige ihnen, dass
sie nicht allein sind und/oder Du anderer Meinung bist oder reagiere direkt auf den
                                                                                      U   nsere Sprache ist ein deutlicher Hinweis darauf, wie wir denken, fühlen und wie
                                                                                          wir gelernt haben, miteinander umzugehen.

Hass, in den Kommentarspalten.                                                        Die Nennung aller Geschlechter drückt die Gleichbehandlung von Frauen und Män-
                                                                                      nern als demokratisches Prinzip aus. Gendergerechte Sprache zeigt Wertschätzung
2) Bleib laut und freundlich: Es bringt nicht viel, Hass mit Hass zu bekämpfen.       gegenüber allen Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht.
Zwar ist es schwierig, sich vor allem bei emotionalen Themen nicht aus der Ruhe
bringen zu lassen, aber es hilft auf jeden Fall durchzuatmen und erst dann in die     Sprache muss Gleichberechtigung Ausdruck verleihen, da wo es möglich ist.
Tasten zu hauen.
                                                                                      In unserer Sprache lebt die alte Geschlechterordnung fort: Das generische Maskulin
3) Es geht nicht darum, Hater*innen von deiner Meinung zu überzeugen                  ist die Form, die wir am längsten kennen und die unseren Alltag bisher am stärks-
– meist funktioniert das auch gar nicht. Denke vielmehr an die Menschen, die mit-     ten prägt. Verteidiger*innen des generischen Maskulinums behaupten, maskuline
lesen und versuche, diese zu erreichen.                                               Personenbezeichnungen seien nicht sexusmarkiert, denn sie bezeichnen Frauen
                                                                                      und Männer gleichermaßen; zum Beispiel Lehrer schließt die Lehrerin ein, Bäcker
4) Du siehst Kommentare, die gar nicht gehen und ggf. sogar strafrechtlich            die Bäckerin; Bürgermeister sei sexusneutral, genauso wie Genossenschaft oder
relevant sein könnten? Dann melde, sperre oder blockiere sie. Hass und Menschen-      Studentenverbindung. Doch sozialpsychologische Studien beweisen, dass durch
feindlichkeit haben nichts mit Meinungsfreiheit und Demokratie zu tun, im Gegen-      diese Sprachvorgabe häufig nur an Männer gedacht wird:1
teil: Hate Speech verhindert Meinungsvielfalt.
                                                                                      Wer in einer Stellenanzeige einen Ingenieur sucht, wird weit weniger Bewerbungen
5) Du willst gerne aktiv werden, bist aber schüchtern und/oder hast Angst, dass       von Frauen bekommen, als wenn er sich an Ingenieurinnen und Ingenieure wen-
du selbst Hass abbekommst? Kein Problem – du kannst trotzdem aktiv werden: Mit        det. Werden Menschen nach ihrem Lieblingsmusiker gefragt, nennen sie in ihren
Gefällt-mir-Angaben und privaten Nachrichten.                                         Antworten vor allem Männer. Wird dagegen zusätzlich nach Lieblingsmusikerinnen
                                                                                      gefragt, werden diese für die Befragten sprichwörtlich vorstellbarer und somit häu-
                                                                                      figer genannt.2
       Sina Laubenstein
       Projektmanagement                                                              Durch Sprache entstehen Bilder in unseren Köpfen. Werden nur Männer genannt,
       No Hate Speech Movement                                                        spiegelt sich das in unseren gedanklichen Vorstellungen wider. Das kann (ganz
       Neue deutsche Medienmacher e.V.                                                unbewusst) zu Ausgrenzungen und sogar zur Beeinträchtigung des Selbstbilds und
                                                                                      der Leistung der Nichtgenannten führen. Damit sich Frauen genauso angesprochen
                                                                                      fühlen, sollten sie also explizit genannt und somit sichtbar werden.
        Weitere Infos: no-hate-speech.de/
        Kontakt: info@no-hate-speech.de
                                                                                      1 Heise, Elke, Sind Frauen mitgemeint, in: Sprache & Kognition 2000, S. 3-13
                                                                                      2 Vgl.: Wizorek, Anne, Gendern!? Gleichberechtigung in der Sprache – Ein Für und ein Wider, S. 38

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IMPULSE - Stiftung gegen Rassismus
Literatur

() / I * _                                                                                                                 Dudenredaktion (Hg.), Anja Steinhauer, Gabriele Diewald
                                                                                                                           Richtig gendern
Das »Argument«, geschlechtergerechtes Schreiben sei eine Vergewaltigung der
deutschen Sprache, ist ignorant. Schließlich ist Sprache einzig darin konstant, dass                                       Gendern ist in vielen Institutionen und Firmen zum Standard
sie sich immer wieder wandelt: Wir nutzen immer neue Begriffe oder Anglizismen,                                            geworden, aber wie macht man es richtig?
unsere Sprache passt sich unserer Welt und unseren Bedürfnissen an. Was spricht                                            Neben Ratschlägen der Dudenredaktion, enthält das Heft einen
also gegen Veränderung zu mehr Gerechtigkeit? 3                                                                            Abriss über Geschichte und Funktion des Genderns.
                                                                                                                           Duden Verlag
Sprache verändert sich durch die, die Sprache gebrauchen.
                                                                                                                           ISBN: 978-3-411-74357-5
Konkrete Personen anzusprechen ist nicht nur eine Frage der Höflichkeit und des
Respekts, sondern auch eine demokratische Pflicht. Die deutsche Sprache bietet
geeignete Mittel für die Gleichstellung von Mann und Frau, wie zum Beispiel:                                                              Dudenredaktion (Hg),
                                                                                                                                 Anne Wizorek, Hannah Lühmann
 Paarform: Veranstalterinnen und Veranstalter
                                                                                                                                                         Gendern?!
 Einklammerung: Mitarbeiter(innen)
                                                                                                          Nach Richtig schreiben und Political Correctness ein neues
 Schrägstrich-Variante: Migrant/-innen
                                                                                                     Duden-Debattenbuch zum Thema Sprache: Müssen wir wirklich
 Binnen-I-Variante: SchülerInnen                                                                   gendern? Ist das Recht darauf, in der Sprache vorzukommen, ge-
                                                                                                        nannt zu werden, stärker als jahrhundertealte grammatische
 neutrale Schreibweise: Teilnehmende, Mitarbeitende, Studierende, Lehrkräfte
                                                                                                        Traditionen? Darf sich Sprache und ihre Sicht auf sie wirklich
                                                                                                      nicht verändern? Und warum fühlen sich viele von dem Thema
Um auch andere Menschen mit nicht binären Geschlechtsidentitäten mit einzube-
                                                                                                             und den Konsequenzen so stark persönlich angegriffen?
ziehen, besteht die Möglichkeit genderneutral zu formulieren oder sie durch das
                                                                                                                         Zwei Fachleute legen ihre Standpunkte dar.
Gendersternchen oder den Gendergap sichtbar zu machen.
                                                                                                                                                       Duden Verlag
Sternchen-Variante: Abteilungsleiter*innen                                                                                                 ISBN: 978-3-411-75619-3
Unterstrich-Variante: Bürgermeister_innen
                                                                                                                           Collien Ulmen-Fernandes
        Viele nützliche Infos zum
                                                                                                                           Lotti & Otto
        gendergerechten Formulieren
        finden Sie auf der Homepage                                                                                        Das erste Bilderbuch von Schauspielerin und Moderatorin
        »geschicktgendern.de«                                                                                              Collien Ulmen-Fernandes. Eine bezaubernde Tiergeschichte
                                                                                                                           mit wichtiger Botschaft: Egal, was als »typisch Mädchen«
                                                                                                                           oder »typisch Junge« gilt – sei einfach Du selbst!
                                                                                                                           Edel Kids Books
                                                                                                                           ISBN 978-3-96129-008-6

3 Vgl.: Wizorek, Anne, Gendern!? Gleichberechtigung in der Sprache – Ein Für und ein Wider, S. 54

                                               18                                                                                            19
Stände und Straßenaktionen                                                            Haltung zeigen,
gegen Vorurteile:                                                                     Engagement für Demokratie
Gestatten, Muslim.                                                                    und Menschenrechte stärken!

G   estatten, Muslim.« ist eine Face-to-Face-Straßenaktion. Sie findet jährlich und
    bundesweit im Rahmen der Internationalen Wochen statt. Durchgeführt wird
die Aktion auf öffentlichen Plätzen. Ziel der Aktion ist es, den Menschen ein unbe-
                                                                                      Herausforderungen für die Bildungsarbeit
                                                                                      in Zeiten des Rechtsrucks

kümmertes, sympathisches Gesprächsangebot zu machen. Es sollen mentale Barri-
                                                                                      R  echtsextreme Einstellungen sowie verschiedene Formen von Rassismus und

»
eren und Vorurteile abgebaut werden. Es geht auch darum, auf die Sorgen und              gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit machen vor Bildungseinrichtungen
Ängste der Menschen einzugehen. Insofern ist »Gestatten, Muslim.« kein Mono-          nicht Halt. In Zeiten, in denen völkisch-nationalistische Bewegungen erstarken und
log, sondern ein Austausch, um das gegenseitige Verständnis zu fördern. Denn          Hate Speech sich verbreiten, sind rassistische, sexistische und homophobe Beleidi-
zahlreiche Studien belegen:                                                           gungen, religiöses Mobbing, soziale Ausgrenzungen und Bedrohungen auch an
                                                                                      Kitas, Schulen, Hochschulen sowie in der außerschulischen Jugendbildung zuneh-
»Angst vor „Fremden« ist dort am größten, wo es die wenigsten Kontakte gibt.          mend an der Tagesordnung.
»Gestatten, Muslim.« soll diesem Phänomen entgegenwirken.
                                                                                      Demzufolge sind pädagogische Fach- und Lehrkräfte in der alltäglichen Praxis viel-
                      Weitere Infos: https://www.igmg.org/gestatten-muslim           fach herausgefordert, auf abwertende Äußerungen und Gewaltvorfälle zu reagie-
                      Kontakt: https://www.igmg.org/kontakt/                         ren, über Fake News und Geschichtsrevisionismus aufzuklären sowie menschenver-
                                                                                      achtenden und antidemokratischen Tendenzen in der Gesellschaft entgegenzuwir-
                                                                                      ken. Sie können verschiedenste (Lern)Anlässe nutzen, um mit Kindern und
                                                                                      Jugendlichen über Diskriminierungen, Ideologien der Ungleichwertigkeit und de-
                                                                                      mokratische Grundrechte zu sprechen. Die Internationalen Wochen gegen Rassis-
                                                                                      mus bieten eine gute Gelegenheit, um diese Themen planvoll und vertiefend zu
                                                                                      bearbeiten.

                                                                                      Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ermutigt die Beschäftigten
                                                                                      im Bildungswesen, gerade angesichts des politischen Rechtsrucks, damit einherge-
                                                                                      henden Herausforderungen und gezielten Provokationen, Haltung zu zeigen und
                                                                                      sich für Demokratie und Menschenrechte zu engagieren. Einschüchterungsver­
                                                                                      suche und Aufrufe zur Denunziation von kritischen Lehrkräften, wie sie derzeit in
                                                                                      einigen Bundesländern von AfD-Fraktionen unter Berufung auf das Neutralitätsge-
                                                                                      bot erfolgen, weist die GEW entschieden zurück.

                                       20                                                                                    21
i
Grundlagen und Anregungen für menschenrechtsorientierte                                 Bei der anspruchsvollen Aufgabe, junge Menschen auf dem Weg zu einer selbstbe-
politische Bildung                                                                      stimmten politischen Meinungsbildung zu stärken und ihre gleichberechtigte, de-
                                                                                        mokratische und aktive Teilhabe zu fördern, steht die GEW allen pädagogischen
Lehrerinnen und Lehrer handeln im staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag,          Fach- und Lehrkräften zur Seite. Sie unterstützt ihr Engagement durch einschlägige
der in den Schulgesetzen der Bundesländer beschrieben und in den jeweiligen Lan-        Publikationen und Veranstaltungen und empfiehlt für die Internationalen Wochen
desverfassungen sowie dem Grundgesetz verankert ist. Die dort definierten Grund-        insbesondere Materialien und Fortbildungen aus dem Bereich der diskriminierungs-
rechte und –werte zu achten und zu vermitteln gehört zu ihren zentralen pädago-         und rassismuskritischen sowie vorurteilsbewussten Bildungsarbeit.
gischen Aufgaben. Sie sollen Kinder und Jugendliche nicht wertneutral, sondern im
Geiste der Menschenwürde, Demokratie, Toleranz und Gleichberechtigung zu ver-
antwortungsbewussten, mündigen Bürgerinnen und Bürgern bilden.                                 Elina Stock
                                                                                               Referentin im GEW-Hauptvorstand
Die an Schulen geforderte parteipolitische Neutralität verbietet es Lehrkräften,
Werbung für Parteien zu betreiben oder konkrete Wahlempfehlungen auszuspre-
chen. Aber selbstverständlich können sie sich im Unterricht kritisch mit den Positio-           Kontakt: elina.stock@gew.de
nen von Parteien auseinandersetzen, ihre eigene Meinung zu tagespolitischen The-
men darlegen und sich gegen rassistische oder demokratiefeindliche Aussagen und
Diskurse inner- und außerhalb der Schule positionieren. Der in den 1970er Jahren                                                      Weitere Infos unter
formulierte »Beutelsbacher Konsens« ist eine Richtschnur für politische Bildung. Er
                                                                                                                                       www.gew.de/antirassismus
umfasst drei Grundsätze:
                                                                                                                                       www.gew.de/gesellschaftspolitik
1. Überwältigungsverbot (keine Indoktrination)
                                                                                                                                       www.gew.de/migration
2. Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kon­                                                        www.gew.de/bama
   trovers erscheinen
                                                                                                                                       www.gew.de/afd-meldeportale
3. Schülerinnen und Schüler müssen in die Lage versetzt werden, eine politische                                                        www.bpb.de
   Situation und ihre eigene Interessenlage zu analysieren
                                                                                                                                       www.vielfalt-mediathek.de
Die Kultusministerkonferenz hat zudem im aktuellen Kontext ihre Empfehlungen
zur Demokratie- und Menschenrechtsbildung erneuert. Diese heben die Bedeutung
von Schule als ›Ort gelebter Demokratie‹ hervor und skizzieren Maßnahmen, »um
das Engagement von Lehr- und Fachkräften sowie von Schülerinnen und Schülern
für eine demokratische Entwicklung in der Schule und in der Gesellschaft mehr
noch als bisher zu stärken«. Hierzu gehören die Ausweitung der Beteiligung an
demokratiepädagogischen Programmen und Initiativen wie zum Beispiel »Demo-
kratie leben« und »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage« sowie die Koope-
ration mit Institutionen der außerschulischen politischen Bildungsarbeit.

                                        22                                                                                       23
AKTIV GEGEN RASSISMUS
                                                                                       Die rund 100 Landes- und Regionalkoordinator*innen des Netzwerks halten
                                                                                       persönlichen und regelmäßigen Kontakt zu den einzelnen Schulen, und beraten,
                                                                                       motivieren und unterstützen die Schüler*innen und Pädagog*innen. Für die inhalt-
                                                                                       liche und methodische Arbeit bringen sie fachkundige Referent*innen von den
                                                                                       mehr als 350 außerschulischen Kooperationspartnern des Netzwerks Schule ohne
                                                                                       mit den Aktiven an den Schulen zusammen.

                                                                                        Wofür wir stehen
                                                                                       Wir wenden uns gegen alle Ideologien der Ungleichwertigkeit. Wir beschäftigen
                                                                                       uns deshalb gleichermaßen mit Diskriminierungen aufgrund der Religion, der sozi-
                                                                                       alen Herkunft, des Geschlechts, körperlicher Merkmale, der politischen Weltan-
                                                                                       schauung oder der sexuellen Orientierung.

                                                                                        Jeder kann mitmachen
                                                                                       Jede Schule kann dem Netzwerk beitreten, wenn sie folgende Voraussetzungen
                                                                                       erfüllt: Mindestens 70 Prozent aller Menschen, die in einer Schule lernen und arbei-
                                                                                       ten, verpflichten sich mit ihrer Unterschrift, aktiv gegen jede Form von Diskriminie-
                                                                                       rung an ihrer Schule einzutreten, bei Konflikten einzugreifen und regelmäßig Pro-
                                                                                       jekte und Aktionen zum Thema durchzuführen.

                                                                                        Was der Titel bedeutet
                                                                                       Der Titel ist kein Preis und keine Auszeichnung für bereits geleistete Arbeit, sondern
                                                                                       eine Selbstverpflichtung für die Gegenwart und die Zukunft. Courage-Schulen sa-
                                                                                       gen: Wir übernehmen Verantwortung für das Klima an unserer Schule, indem wir
Schule ohne Rassismus –                                                                uns bewusst gegen jede Form von Diskriminierung, Mobbing und Gewalt wenden.
Schule mit Courage
                                                                                        Die Unterstützer
                                                                                       Unser Anliegen wird von allen demokratischen Parteien und von vielen Prominen-
 Wer wir sind                                                                         ten aus Politik, Kultur, Religion und Sport unterstützt. Über 3.000 Persönlichkeiten
Wie wollen wir im Land der Vielfalt zusammenleben? Viele Kinder und Jugendliche        haben Patenschaften an Courage-Schulen übernommen.
stellen sich diese Frage in ihrem Schulalltag und suchen nach solidarischen Antwor-
ten. Von diesen hängt es ab, ob Deutschland auch in Zukunft ein lebenswertes
Land bleibt.                                                                                  Lena Schulze Frenking
Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage ist ein Projekt für alle Schulmitglieder.          Referentin für Öffentlichkeitsarbeit
Es bietet ihnen die Möglichkeit, das Klima an ihrer Schule aktiv mitzugestalten und           Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage Bundeskoordination
bürgerschaftliches Engagement zu entwickeln. Wir sind das größte Schulnetzwerk
in Deutschland, dem Ende 2018 mehr als 2.800 Schulen angehören, die von über
eineinhalb Millionen Schüler*innen besucht werden.                                             Weitere Infos: aktioncourage.org
                                                                                               Kontakt: info@aktioncourage.org

                                        24                                                                                           25
Material

                                                                                           Was der Sport kann –
                                      Themenheft Rassismus
                                                                                           Zeig Rassismus die rote Karte
   Das Themenheft informiert über Entstehung und Geschichte des
Rassismus und wie er heute in Deutschland auftritt. Es thematisiert
den alltäglichen Rassismus in den Medien, Behörden, in der Schule
  und will dazu beitragen, rassistische Denk- und Argumentations-
        muster zu erkennen und eindeutig beim Namen zu nennen.
                                                                                           R  assismus im Sport und besonders auf dem Fußballplatz ist ein andauerndes Pro-
                                                                                              blem. Er äußert sich zum Beispiel durch Gesänge und Bananenwürfe seitens der
                                                                                           Fans, aber auch durch Sprüche der Spieler auf dem Platz. Der Rasen wird im Mai
                                                                                           2018 plötzlich zum politischen Feld, nachdem Mesut Özil, ein deutscher National-
                                                                                           spieler, sich mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdoğan ablichten ließ.
                      Themenheft Rechtspopulismus
                                                                                           Und genau hier müsse man ansetzen, so Dr. Theo Zwanziger, Initiator der Stiftung
                      Rechtspopulistische Parteien mischen die politische Landschaft in    gegen Rassismus und früherer Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), auf
                      Europa auf. Sie agitieren gegen Minderheiten und betrachten sich     der Planungstagung in Mainz zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus
                      als strategische Partner gegen eine multikulturelle Gesellschaft.    2019. Zwanziger machte deutlich, dass Sport der Platz für Begegnungen zwischen
                      Sie fordern ein weißes heterosexuelles Europa und versprechen        Menschen und damit ein »politischer Ort« sei. Dies müsse in Deutschland stärker
                      ­ihrer Wählerschaft ein Zurück in Zeiten vermeintlicher nationaler   gefördert werden. Politische Situationen und Missstände müssen auch im Sport
                       und sozialer Sicherheit.                                            angesprochen werden.

Dieses Themenheft stellt die Stichwortgeber*innen der rechtspopulistischen Ideologie
vor und zeigt, wie rechte Burschenschaften und Organisationen agieren. Außerdem gehen
die Autor*innen der Frage nach, welche Rolle Muslimfeindlichkeit in den rechtspopulisti-
schen Bewegungen spielt.

      Baustein 4: Reden über Rassismus in Deutschland

  In diesem Baustein debattieren Aktivist*innen und Journalist*in-
       nen generationsübergreifend über Rassismus: was Rassismus
     ist, wie über Rassismus gesprochen werden kann und wie man
       ihn von anderen Formen der Diskriminierung abgrenzt. Dabei
    ­gehen sie – durchaus kontrovers – der Frage nach, wie sinnvoll
   der Ansatz der Kritischen Weißseinsforschung für die Rassismus­
                                        debatte in Deutschland ist.

                                                                                           Zahlreiche Sportvereine kommen dem schon nach und engagieren sich während
                Alle Publikationen können über                                            der Internationalen Wochen gegen Rassismus mit vielfältigen Aktionen. Verschie-
                 https://courageshop.schule-ohne-rassismus.org                             dene Fußballmannschaften ließen Sondertrikots anfertigen, um ein sichtbaren Zei-
                 bestellt werden.                                                          chen gegen Rassismus zu setzen. Verschiedene Fußballligen deutschlandweit wur-

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«
den von der DFL-Stiftung und dem Deutschen Fußball-Bund dazu aufgerufen, über        Aufstehen gegen Rassismus –
die UN-Wochen gegen Rassismus zu informieren. Viele Vereine veröffentlichten auf     Stammtischkämpfer*innen
ihrer Website oder im Stadionheft etwas zu den UN-Wochen oder wiesen mit einer
Stadiondurchsage auf die Aktionswochen und ihre Inhalte hin. Auch der Deutsche
Olympische Sportbund (DOSB) und die Deutsche Sportjugend (dsj) riefen ihre Mit-      »Wir müssen keine Helden spielen, aber wenn in Freundeskreisen, bei Familientref-
glieder dazu auf, Aktionen innerhalb der UN-Wochen anzubieten, da gerade im          fen oder im Sportverein nach dem dritten Bier Sätze mit Floskeln wie ›Das darf man
Sport »große Potenziale zur Vermittlung ethischer wie sozialer Werte und Normen«     nicht mehr sagen, aber…‹ beginnen, sollten wir mutig sein und widersprechen.«
liegen.                                                                              Wilhelm Heitmeyer, Potsdamer Neueste Nachrichten, 19.10.2018

Doch die Verantwortung liegt nicht nur bei den »Großen« sondern bei jedem Ein-       Werde Stammtischkämpfer*in – Argumentationstraining
zelnen. Zeigen Sie Rassismus die rote Karte! Legen Sie zum Beispiel Materialien in   gegen Alltagsrassismus
ihrem Vereinsheim aus, organisieren Sie »Schweigeminuten« oder Freundschafts-
spiele, sprechen Sie ihre Mitsportler*innen auf Rassismus und Ausgrenzung in der     Wir alle kennen das: In der Diskussion mit dem Arbeitskolleg*innen oder beim Gril-
Mannschaft an und suchen Sie gemeinsam nach Lösungen.                                len mit dem Sportverein fallen Sprüche, die uns die Sprache verschlagen. Später
                                                                                     ärgern wir uns, denken, da hätten wir gerne den Mund aufgemacht, widerspro-
                                                                                     chen, die rechten Parolen nicht einfach so stehen lassen.
                                                                                     Hier setzt die Stammtischkämpfer*innen Ausbildung an. Sie soll Menschen in die
                                                                                     Lage versetzen, die Schrecksekunde zu überwinden, Position zu beziehen und
                                                                                     deutlich zu machen: Das nehmen wir nicht länger hin!
                                                                                     Der Stammtisch ist überall: An der Kasse des Supermarktes, am Arbeitsplatz, auf
                                                                                     dem Spielplatz oder in der Bahn. Aber: Wir sind auch überall und wir können durch
                                                                                     Widerspruch und deutliches Positionieren die Stimmung in unserem Umfeld beein-
                                                                                     flussen und unentschlossenen Menschen ein Beispiel geben.
                                                                                     In den Stammtischkämpfer*innen-Seminaren beschäftigen wir uns mit Strategien,
                                                                                     die es uns ermöglichen, rassistischen Vorurteilen Paroli zu bieten. Es werden gängi-
                                                                                     ge rechte Positionen untersucht und gemeinsam geübt, das Wort zu ergreifen, um
                                                                                     für solidarische Alternativen zu streiten, gegen Ausgrenzung und Rassismus.
                                                                                     Neben Input zu Argumentationsstrategien gibt es praktische
                                                                                     Übungen zum Umgang mit Rassismus in Alltagssituationen.
                                                                                     Seit Juni 2016 wurden fast 9.000 Stammtischkämpfer*innen
                                                                                     in über 500 Seminaren ausgebildet. Werde auch du Teil da-
                                                                                     von. Suche dir ein Seminar in der Nähe oder organisiere
                                                                                     selbst eins. Wir unterstützen dich sehr gern!

                                                                                                    Weitere Infos: https://www.aufstehen-gegen-rassismus.de
                                                                                                    Kontakt: stammtisch@aufstehen-gegen-rassismus.de

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Bühne für Menschenrechte                                                             Im Jahr 2011 wurde das erste Stück der Bühne für Menschenrechte, die ›Asyl-­
                                                                                     Monologe‹, uraufgeführt. Es hat bis heute leider nichts an Aktualität eingebüßt. Die
                                                                                     ›Asyl-Monologe‹ erzählen die Geschichten dreier Menschen, die sich aus unter-
                                                                                     schiedlichen Gründen gezwungen sahen, aus ihrem Heimatland zu fliehen. Sie er-

D   ie Bühne für Menschenrechte erzählt mit ihren doku-
    mentarischen Theaterstücken die Geschichten von Men-
schen, die in unserer Gesellschaft von Rassismus betroffen
                                                                                     zählen von deren Leben und von ihrem jahrelangen Kampf um ihr Recht auf Asyl in
                                                                                     Deutschland. Von Ali aus Togo, von Freunden liebevoll »Präsident« genannt, Felleke
                                                                                     aus Äthiopien, der erst willensstark Abschiebeversuche verhindern muss, um dann
sind und von ihrem Mut sich diesem zur Wehr zu setzen. Die in Interviews erzählten   einen Menschenrechtspreis überreicht zu bekommen, und Safiye, die nach Jahren
Erfahrungen der Protagonist*innen werden durch wortgetreues Theater auf der          der Haft in der Türkei und einer absurden Asylablehnung sich für das Lebens­beja­
Bühne umgesetzt. Ziel dieses Theaters ist es dabei, durch authentische und berüh-    henste überhaupt entscheidet: sie schenkt einem Sohn und einer Tochter das Leben.
rende Geschichten, Menschen einen Zugang zum Thema institutioneller ­Rassismus,
rechte Gewalt, gesellschaftlicher Rassismus und Diskriminierung zu verschaffen       In den an die Monologe anschließenden ›Asyl-Dialogen‹ verschiebt sich die Pers-
und die Zuschauenden so politisch zu sensibilisieren.                                pektive hin zu Begegnungen zwischen Menschen, die sich zusammenschlossen,
                                                                                     um sich gegen die deutsche Asyl- und Abschiebepolitik zur Wehr zu setzen. Wir
Hierzu arbeitet die Bühne für Menschenrechte mit einem bundesweiten Netzwerk         hören so von Begegnungen, die Menschen verändern, von gemeinsamen Kämpfen
vom Schauspieler*innen, sodass die Stücke an unterschiedlichen Orten und mög-        in unerwarteten Momenten. Eine dieser Geschichten spielt in Osnabrück, wo seit
lichst oft dargeboten werden können. Wenn lokale Initiativen oder Theaterhäuser      März 2014 ein breites Bündnis solidarischer Menschen bereits 30 Abschiebungen
eine Vorführung in ihrer Stadt organisieren wollen, können sie die Bühne für Men-    verhindern konnte und somit für viele bundesweit zum Vorbild wurde. Auch hier
schenrechte dorthin einladen und mit vergleichsweise geringen Mitteln eine Vor-      hören wir diese Geschichte aus erster Hand, aus der Perspektive zweier junger
stellung planen. Als Teil dieser Veranstaltung werden stets auch Aktive vor Ort      Aktivist*innen. Die Geschichte konfrontiert uns mit der Frage, wie viel Mut wir ent-
eingeladen, um im Anschluss an das Theaterstück mit dem Publikum ins Gespräch        wickeln können, wenn aus zunächst lose verbundenen politischen Akteur*innen
zu kommen. So entstehen ein unmittelbarer Austausch über die in den Stücken          gute Freund*innen werden.
angesprochenen Themen und ein direkter Anknüpfungspunkt zur politischen
Arbeit am jeweiligen Ort.                                                            Seit 2016 zeigt die Bühne für Menschenrechte außerdem die ›NSU-Monologe‹.
                                                                                     Diese erzählen von den jahrelangen Kämpfen dreier Familien der Opfer des NSU,
                                                                                     von Elif Kubaşık, Adile Şimşek und ismail Yozgat. Wir hören von ihrem Mut, in der
                                                                                     ersten Reihe eines Trauermarschs zu stehen, von der Willensstärke, die Umbenen-
                                                                                     nung einer Straße einzufordern und vom Versuch, die eigene Erinnerung an den
                                                                                     geliebten Menschen gegen die vermeintliche Wahrheit der Behörden zu verteidi-
                                                                                     gen. Roh und direkt liefern sie uns intime Einblicke in den Kampf der Angehörigen
                                                                                     um Wahrheit und sind in Zeiten des Erstarkens von Rechtsextremismus an Aktuali-
                                                                                     tät kaum zu überbieten.

                                                                                     Ein neues Stück, die Mittelmeer-Monologe (Arbeitstitel), befindet sich außerdem in
                                                                                     Entwicklung, die Premiere ist im Frühjahr 2019.

                                                                                            Lisa Wollmannstetter
                                                                                            Bühne für Menschenrechte

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Abrahamische Teams in der Schule:                                                   Bei den Schulbesuchen wird aber nicht nur geredet, es entstehen auch kreative
Dialog statt Konflikte                                                              Beiträge zum Anfassen, gemeinsames Ausprobieren von Rezepten, Standbilder und
                                                                                    Rollenspiele, aber auch das Ausprobieren von gemeinsamer Stille ist möglich.

                                                                                    Wichtig ist eine vertrauensvolle Atmosphäre, um miteinander ins Gespräch zu
                                                                                    kommen. Gerade durch den Besuch von externen Expert*innen erhält der religiöse
                                                                                    Dialog eine ganz andere Dimension als sonst im Klassenzimmer.

S chulen sind Orte, an denen unterschiedliche Meinungen, Lebensauffassungen

                                                                                                                                                              i
  und Persönlichkeiten verschiedenen Alters, sozialem Hintergrund und Herkunft      Noch einmal in Kürze:
aufeinandertreffen. Nicht nur Gemeinsamkeiten, über die dicke Freundschaften
entstehen, sondern auch sichtbare und unsichtbare Unterschiede werden in der         Wer? Schulen, Religionsgemeinden, Jugendclubs kontaktieren uns.
Schule wahrgenommen und ausgelebt.                                                    Wir schicken nach Absprache Referent*innen für einen Workshop,
                                                                                      eine Podiumsdiskussion oder einen ganzen Projekttag zu euch.
Sich anders kleiden, etwas anderes essen, zu bestimmten Zeiten gar nichts essen,
etwas anderes glauben als andere oder nicht so recht wissen, was man glauben soll    Wie/Wann? Ein Antrag beim Abrahamischen Forum ist jederzeit
– das kann zu Missverständnissen, Streit und Konflikten führen.                      möglich. Es gibt keine Fristen. Ca. 6 Wochen sollen aber zwischen der
                                                                                     Planung und dem Termin liegen.
Hier setzen die Abrahamischen Teams ein. Deutschlandweit gehen kleine Expert*in-
nen-Teams von 2-3 Personen in die Schule, um mit Schülerinnen und Schülern und       Wo? Deutschlandweit sind Projekte willkommen.
Lehrerinnen und Lehrern ins Gespräch zu kommen.
                                                                                     Wann? Wir freuen uns, wenn Veranstaltungen während der Internationalen
Unsere Expert*innen sind so bunt wie das Publikum an den Schulen selbst. Jugend-      Wochen gegen Rassismus stattfinden.
pfarrer*in, Sozialpädagog*in, Imam, Regisseur*in, Rabbi*inerin, Theaterpäda­
gog*in, Künstler*in, Musiker*in, Weiterbildner*in, Muslima oder auch Menschen,      Alle weiteren Infos rund um den Antrag auf einen Besuch von einem Abrahami-
die mehrere dieser Rollen in sich vereinigen, gehören zu unseren Teams. Mit ihrem   schen Team finden sich auf https://abrahamisches-forum.de/projekte/abrahami-
religiösen Selbstverständnis und ihren Erfahrungen sind sie bestens für einen       sche-teams/
lebendigen Dialog ausgerüstet.
                                                                                    Hier können auch unser Flyer, Beispielprojekte und ein Projektantrag herunterge­
Was bedeuten eigentlich koscher und halal? Was glaubt ein Bahai? Welche Gebote      laden werden.
sind für alle Religionen gleich? Darf eine Muslima einen Christen heiraten? Warum
fasten manche Menschen? Kommen wir alle in den gleichen Himmel?
                                                                                          Stephanie Krauch
Unsere Erfahrungen: viele Schüler*innen haben bislang Informationen aus Schulbü-          Referentin Abrahamische Teams
chern oder dem Netz bekommen oder einfach aufgeschnappt. Oft wird gar nicht               und Junges Abrahamisches Forum
darüber nachgedacht. Im direkten Kontakt z.B. mit einer Muslima oder einem Mus-
lim, einem Rabbi oder einer Rabbinerin kommen viel mehr Fragen auf als geahnt.
Der geschützte Rahmen gibt auch den Mut diese Fragen zu stellen.                           Kontakt: sk@abrahamisches-forum.de
                                                                                           Telefon: 06151 - 391 97 41

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Aktionen – richtig organisieren                                                      Laut Art. 8 GG haben »alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Er-
                                                                                     laubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.« Ihre Versammlung bedarf also
                                                                                     keiner Genehmigung oder Erlaubnis von Seiten der Behörden. Die Anmeldung
                                                                                     dient lediglich dem Zweck, dass sich die Stadt auf die Aktion vorbereiten kann.

M    it kreativen Straßenaktionen können politische Themen auf die Straße getra-
     gen und so auch Menschen erreicht werden, die vielleicht nicht von sich aus
zu Informationsveranstaltungen oder Diskussionsabenden kommen würden. Akti-
                                                                                     Es gibt Gründe, die Versammlung zu verschieben, nur an einem anderen Ort zu
                                                                                     genehmigen oder bestimmte Auflagen festzulegen, diese müssen Ihnen als Veran-
onen auf öffentlichen Plätzen schaffen Begegnungen. Doch egal ob Demonstratio-       stalter*in mitgeteilt werden.
nen, Infostände oder das Verteilen von Flyern – wann immer Sie in einer Gruppe
(ab 2 Personen) öffentlich aktiv werden, sollte das angemeldet werden. Doch wie      Sie haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Auflagen eingehalten werden.
und wo meldet man Versammlungen an?                                                  Setzen Sie bei Veranstaltungen Ordner*innen (z.B. Betreuer*innen und geeignete
                                                                                     Mitglieder) ein und wägen Sie ab, ob je nach Art und Größe der Aktion ein profes-
Öffentliches Gelände oder Privates Gelände?                                          sioneller Sicherheitsdienst sinnvoll und notwendig ist. Ihre Funktion sollte erkenn-
                                                                                     bar sein (Armbinde, T-Shirt mit Aufdruck etc.).
Findet Ihre Aktion auf privatem Gelände (z.B. in der Schule, der Uni, in einem
Einkaufscenter oder auf einem Parkplatz statt) gibt es keinen vorgeschrieben Weg     Wichtig bei Demonstrationszügen
der Anmeldung. Klären Sie alle Details (Start, Ende, Teilnehmendenzahl etc.) mit
dem/der Verantwortlichen bzw. Besitzer*in und lassen Sie sich die Genehmigung        Handelt es sich bei der geplanten Aktion um einen Demozug, sollten Sie den ge-
schriftlich geben. Normalerweise übt der/die Eigentümer*in des Veranstaltungsge-     nauen Zeitablauf und die Route bei der Anmeldung angeben (z.B. auf einen ausge-
ländes das Hausrecht aus. Es kann aber für die Dauer der Veranstaltung auch auf      druckten Stadtplan nachzeichnen und Haltepunkte markieren).
jemand anderen übertragen werden. Das ist in jedem Fall empfehlenswert, um bei
eventuellen Störungen eingreifen und rechtswirksam Hausverbote aussprechen zu        Ausnahme Spontandemos / Eilversammlungen
können.
                                                                                     Demonstrationen, die spontan entstehen, müssen ca. 15 Minuten vorher bei der
Handelt es sich um eine Aktion auf öffentlichem Gelände (z.B. in der Fußgänger-      örtlichen Polizei gemeldet werden. Natürlich darf diese Versammlung vorher nicht
zone oder auf dem Marktplatz) sollten Sie diese als »Versammlung« beim zuständi-     geplant oder Material dazu erstellt werden.
gen Ordnungsamt Ihrer jeweiligen Gemeinde/Stadt oder in manchen Bundeslän-
dern (z.B. NRW) bei der Polizei anmelden. Dort erfahren Sie auch die wichtigsten     Achtung Infostand!
Bestimmungen zu Sperrzeit, Unfall- und Brandschutz usw.
                                                                                     Ein Infostand ist faktisch keine Versammlung, sondern gilt als »Sondernutzung« des
Die Anmeldung muss 48 Stunden vor der ersten Ankündigung an die zuständige           öffentlichen Raumes und bedarf einer schriftlichen Genehmigung. Außerdem kön-
Behörde gehen. Die erste Ankündigung ist gegeben, wenn Sie beispielsweise Pres-      nen für den Infostand Gebühren anfallen, das liegt u. a. daran, dass ein Infostand
semitteilungen losschicken, Plakate und Flyer für die Veranstaltung verteilen oder   oft zur Vermarktung und Promotion von Firmenprodukten genutzt wird. Sie kön-
im Internet und anderweitig für Ihre Aktion mobilisieren. Meist gibt es auf der      nen einen Infostand auch als Kundgebung mit Tisch etc. anmelden – hier entstehen
Homepage der Stadt oder bei der zuständigen Behörde einen vorgefertigten Frage-      im Normalfall keine Kosten.
bogen.

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