Erarbeitung eines anthropogen unbeeinflussten, typischen Jahresgangs der Wassertemperatur nach biozönotischen Regionen - Masterprojektarbeit ...

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Erarbeitung eines anthropogen unbeeinflussten, typischen Jahresgangs der Wassertemperatur nach biozönotischen Regionen - Masterprojektarbeit ...
Erarbeitung eines anthropogen unbeeinflussten,
typischen Jahresgangs der Wassertemperatur
nach biozönotischen Regionen

Masterprojektarbeit
Studiengang Umweltingenieurwissenschaften

                                                Valentin Müller
                                                     Mai 2011

                                                 betreut durch
                                      Peter Baumann, Limnex AG
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Die Zeichnung der Bachforelle auf der Titelseite wurde aus Schindler (1963) entnommen.
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Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit werden typische Temperaturbänder des Jahresverlaufs der Wasser-
temperatur für die biozönotischen Regionen erarbeitet. Die resultierenden Temperaturbänder
basieren auf Tageswerten, d.h. Tagesmittel, Tagesminimum und Tagesmaximum der Wasser-
temperatur von als unbeeinflusst identifizierten Fliessgewässern in der Schweiz. Die
Temperaturdaten hierfür wurden mehrheitlich vom Bundesamt für Umwelt BAFU sowie den
kantonalen Fachstellen zur Verfügung gestellt. Die Typisierung der Fliessgewässer basiert auf
den biozönotischen Regionen nach Illies (1961). Dabei ist die Erarbeitung der typischen
Temperaturbänder auf die in der Schweiz zu findenden biozönotischen Regionen begrenzt.
Zusätzlich werden auch Gletscherbäche und Quellbäche berücksichtigt. Es werden also die
typischen Temperaturbänder für das Epirhithral (obere Forellenregion), das Metarhithral
(untere Forellenregion), das Hyporhithral (Äschenregion), das Epipotamal (Barbenregion), das
Kryal (Gletscherbäche) sowie das Krenal (Quellregion) ermittelt. Aufgrund des natürlicher-
weise grossen Schwankungsbereichs wurden das Epi- sowie Metarhithral zusätzlich nach
geobotanischen Höhenstufen unterteilt, womit für diese biozönotischen Regionen vier ge-
trennte Auswertungen durchgeführt wurden. Die Temperaturen der biozönotischen Regionen
nehmen von Epirhithral bis Epipotamal stetig zu. Gleiches gilt für die Höhenstufen innerhalb
einer biozönotischen Region, wo die Wassertemperatur mit abnehmender Höhenstufe zu-
nimmt.
Zur Beschreibung des typischen Temperaturbands der biozönotischen Regionen wurde eine
Sinusregression zur idealisierten Beschreibung des Jahresverlaufs verwendet. Die erhaltenen
typischen Temperaturbänder wurden mit Hilfe der Letal- und Präferenztemperaturen der
Leitfischarten überprüft, welche eingehalten werden können.
Für die biozönotischen Regionen mit ausreichend langen Messreihen wurde die Auswertung
für zwei Perioden durchgeführt, um die Auswirkungen des Klimawandels über Veränderungen
in den Parametern der Sinusregression quantifizieren zu können. Die Grenze beider Perioden
stellen dabei die Jahre 1987/88 dar. In diesen Jahren wurde europaweit ein markanter Sprung
in den mittleren Wassertemperaturen der Oberflächengewässer festgestellt. Aus dem Vergleich
der beiden Perioden zeigt sich eine Erhöhung der langjährigen Jahresmitteltemperatur um 0.3
bis 0.7 °C. Ein ebenfalls deutlicher Trend zeigt sich für den Tag der minimalen Temperatur im
Jahresverlauf, welche im langjährigen Mittel über die letzten zwanzig Jahre zwischen einem
und sieben Tage früher eintritt, als für die erste Periode.
In der Diskussion werden Empfehlungen zur Anwendung der typischen Temperaturbänder im
Zusammenhang mit der Zustandsbewertung des Temperaturregimes von Fliessgewässern ge-
geben.
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Inhaltsverzeichnis
1 Einführung ________________________________________________________________________ 1
  1.1 Ziel und Kontext _______________________________________________________________ 1
  1.2 Gesetzliche Grundlagen _________________________________________________________ 2
  1.3 Biozönotische Regionen _________________________________________________________ 3
  1.4 Temperaturregime von Fliessgewässern _____________________________________________ 5
       1.4.1 Natürliche Einflussfaktoren _________________________________________________ 5
       1.4.2 Zeitlicher und räumlicher Temperaturverlauf __________________________________ 6
  1.5 Temperaturansprüche der Leitfischarten ____________________________________________ 7
  1.6 Anthropogene Beeinflussung _____________________________________________________ 9
       1.6.1 Unmittelbar reversible Eingriffe _____________________________________________ 9
       1.6.2 Unmittelbar irreversible Eingriffe ___________________________________________ 10
2 Datengrundlage und Methoden _______________________________________________________ 13
  2.1 Datenherkunft ________________________________________________________________ 13
       2.1.1 BAFU-Messnetze ________________________________________________________ 13
       2.1.2 Kantonale Messstellen ____________________________________________________ 13
       2.1.3 Daten aus dem Ausland ___________________________________________________ 14
       2.1.4 Daten anderer Herkunft ___________________________________________________ 14
  2.2 Stationswahl __________________________________________________________________ 14
  2.3 Beeinträchtigung durch die Wasserkraft ___________________________________________ 14
       2.3.1 Beeinträchtigung durch thermische Einleitungen ______________________________ 15
       2.3.2 Sondertypen ____________________________________________________________ 15
  2.4 Datenaufbereitung _____________________________________________________________ 16
  2.5 Auswertung __________________________________________________________________ 16
       2.5.1 Einteilung in die biozönotischen Regionen ____________________________________ 16
       2.5.2 Einteilung nach geobotanischer Höhenstufe __________________________________ 17
       2.5.3 Berechnungsvorgang _____________________________________________________ 18
3 Resultate _________________________________________________________________________ 24
  3.1 Sinusparameter des mittleren Jahresgangs __________________________________________ 24
       3.1.1 Vergleich der Perioden bis 1986 und 1990 bis 2011 ______________________________ 25
  3.2 Typischer Jahrestemperaturverlauf der biozönotischen Regionen _______________________ 26
       3.2.1 Zweifach gemittelte Jahresgänge ___________________________________________ 27
       3.2.2 Box-Whisker-Plots _______________________________________________________ 32
  3.3 Sondertypen und beeinflusste Gewässer im Vergleich mit dem typischen Temperaturband __ 37
  3.4 Vergleich mit den Letal- und Präferenztemperaturen _________________________________ 39
4 Diskussion ________________________________________________________________________ 41
  4.1 Typischer Temperaturverlauf der biozönotischen Regionen ____________________________ 41
  4.2 Rolle des Klimawandels _________________________________________________________ 43
  4.3 Empfehlungen ________________________________________________________________ 44
       4.3.1 Box-Whisker-Plot oder zweifach gemittelter Jahresgang ________________________ 44
       4.3.2 Zustandsbewertung anhand der typischen Temperaturbänder ____________________ 45
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Anhang
A1   Verwendete Stationen _____________________________________________________________ 49
A2   Mittlere Jahresgänge der Tageswerte der Stationen ______________________________________ 52
A3   Sinusparameter der Mittelwertskurven _______________________________________________ 55
A4   Sinusparameter der Box-Whisker-Plots _______________________________________________ 57
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1 Einführung

1.1 Ziel und Kontext

Vielerorts ist das Temperaturregime der Fliessgewässer durch Eingriffe durch den Menschen be-
einflusst. Wärmeeinleitungen, etwa durch thermische Kraftwerke oder kommunale Kläranlagen,
lassen die Wassertemperatur im Vergleich zum unbeeinflussten Zustand ansteigen. Neben diesen
direkten anthropogenen Eingriffen haben sich zudem in den letzten Jahrzehnten deutliche Aus-
wirkungen des Klimawandels auf den Wärmehaushalt der Oberflächengewässer gezeigt.
Flächendeckend wurde ein Ansteigen der Wassertemperaturen beobachtet. Für aquatische
Organismen ist die Wassertemperatur ein massgeblicher abiotischer Faktor, der das Wachstum
und die Fortpflanzung einzelner Arten beeinflusst und die Zusammensetzung ganzer Biozönosen
bestimmt. Wärmere Wassertemperaturen können über die Entwicklung der geographischen Ver-
breitung aquatischer Organismen entscheiden. Da das Vorkommen einer Art auch an andere
Randbedingungen (Gefälle, Strömung, usw.) gebunden ist, ist ein Ausweichen in höher- oder
tieferliegende Gewässerabschnitte oft nur eingeschränkt möglich.
Das Ziel der Auswertung ist die Ermittlung des typischen, möglichst anthropogen unbeeinflussten
Jahresverlaufs der Wassertemperatur. Typisiert werden die Fliessgewässer dabei nach den bio-
zönotischen Regionen, welche das Auftreten einer typischen Biozönose an eine räumliche Einheit
knüpfen. Für eine Typisierung der Fliessgewässer im Zusammenhang mit Wassertemperaturen
sind die biozönotischen Regionen besonders geeignet, da sie einerseits für einen Gewässer-
abschnitt leicht zu bestimmen sind, und andererseits ein deutlicher Zusammenhang zwischen der
Gewässertemperatur und der biozönotischen Region existiert.
Diese Arbeit entstand im Rahmen der Entwicklung des Moduls Temperatur für das Modul-
Stufen-Konzept des Bundesamts für Umwelt (BAFU) und der Eidgenössische Anstalt für Wasser-
versorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag). Das Modul Temperatur, an dessen
Entwicklung auch das Büro Limnex AG beteiligt ist, soll ein Werkzeug zur Beurteilung von Ver-
änderungen des Temperaturregimes eines Fliessgewässers aufgrund anthropogener Beeinflussung
bereitstellen. Einer Beurteilung des Zustandes der Gewässertemperaturregimes kann einerseits
eine emissionsbasierte Methodik zugrunde liegen, wozu die einzelnen Eingriffe bekannt und
quantifizierbar sein müssen. Anderseits kann eine solche Bewertung von beobachteten Im-
missionen im Gewässer ausgehen. Dieser Ansatz benötigt jedoch eine Referenz, welche den
natürlichen Zustand widerspiegelt. Die Referenz kann entweder aus Temperaturansprüchen
standorttypischer Organismen hergeleitet werden, oder auf Temperaturmessungen morphologisch
ähnlichen, aber unbeeinflussten Gewässern basieren. Für den letzteren Ansatz soll mit dieser
Arbeit die Grundlage geschaffen werden.

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1.2 Gesetzliche Grundlagen

Die in der Schweiz bezüglich Anforderung an die Temperaturverhältnisse in Fliessgewässern
relevante Norm ist die Gewässerschutzverordnung (GSchV). Als allgemeine Anforderungen wird
in Anhang 1 Ziff. 1 Abs. 3 Lit. A GSchV verlangt, dass in oberirdischen Gewässern die
Temperaturverhältnisse «naturnah» sind.

 GSchV Anhang 1
 Ökologische Ziele für Gewässer
 1 Oberirdische Gewässer
 3
     Die Wasserqualität soll so beschaffen sein, dass:
 a. die Temperaturverhältnisse naturnah sind;

Eine Konkretisierung der Anforderungen an die Temperaturverhältnisse wird in Anhang 2 Ziff.
12 Abs. 3 GSchV gegeben. Demnach sollen die Temperaturverhältnisse das «Gedeihen der für das
Gewässer typischen Lebensgemeinschaften» ermöglichen. Zudem werden in Anhang 2 Ziff. 12
Abs. 4 Anforderungen an den Eintrag und Entzug von Wärme durch anthropogene Eingriffe ge -
stellt. So darf die Temperatur verglichen mit dem «möglichst unbeeinflussten Zustand» um nicht
mehr als 3 °C erhöht werden. Für Gewässerabschnitte der Forellenregion beträgt die maximal er-
laubte Temperaturerhöhung 1.5 °C. Unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Fischregion wird
für alle Fliessgewässer eine maximal erlaubte Wassertemperatur von 25 °C festgelegt, die nicht
überschritten werden darf.
Eine Konkretisierung des Begriffs «naturnah» oder eine Definition des «möglichst unbeeinflussten
Zustands» werden jedoch nicht gegeben.

 GschV Anhang 2
 Anforderungen an die Wasserqualität
 1 Oberirdische Gewässer
 12 Zusätzliche Anforderungen an Fliessgewässer
 3
     Durch Wasserentnahmen, Wassereinleitungen und bauliche Eingriffe dürfen die Hydrodynamik, die Morpho-
 logie und die Temperaturverhältnisse des Gewässers nicht derart verändert werden, dass dessen Selbst-
 reinigungsvermögen vermindert wird oder die Wasserqualität für das Gedeihen der für das Gewässer typischen
 Lebensgemeinschaften nicht mehr genügt.
 4
     Die Temperatur eines Fliessgewässers darf durch Wärmeeintrag oder -entzug gegenüber dem möglichst un -
 beeinflussten Zustand um höchstens 3 °C, in Gewässerabschnitten der Forellenregion um höchstens 1,5 °C,
 verändert werden; dabei darf die Wassertemperatur 25 °C nicht übersteigen. Diese Anforderungen gelten nach
 weitgehender Durchmischung.

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1.3 Biozönotische Regionen

Die Gewässertypisierung nach biozönotischen Regionen geht davon aus, dass eine Biozönose
durch ihre Umweltansprüche an eine bestimmte Region im Längsverlauf des Gewässers gebunden
ist. Eine Biozönose ist also auf Umweltbedingungen angewiesen, die sich in mehr oder weniger
definierten Grenzen bewegen.
In der deutschsprachigen Literatur beschrieb Thienemann (1925) zum ersten Mal die
Charakteristiken der «Regionen der fliessenden Gewässer Mitteleuropas», ohne dabei den Begriff
biozönotische Region zu nennen. Die später erfolgte Definition der Fischregionen durch Huet
(1949) deckt sich weitgehend mit jenen der biozönotischen Regionen, hat ihren Ursprung jedoch
nicht in der Limnologie, sondern der Fischerei.
Die noch heute gebräuchliche biozönotische Unterteilung wurde durch Illies (1961) definiert, wo
auch der Zusammenhang mit den bis anhin verwendeten Fischregionen hergestellt wurde. Illies
schlug vor, die zwei Grossbiozönosen der Salmoniden (forellenartige Fische) und Cypriniden
(Karpfenfische) künftig Rhithron und Potamon zu bezeichnen, und diese analog zur damals bereits
gebräuchlichen Unterteilung des Ökosystems See mit den Präfixen Epi, Hypo und Meta zu unter-
teilen. Hieraus folgen die biozönotischen Regionen Epirhithral (obere Forellenregion),
Metarhithral (untere Forellenregion), Hyporhithral (Äschenregion), Epipotamal (Barbenregion),
Metapotamal (Brachsmenregion) sowie Hypopotamal (Kaulbarsch-Flunder-Region). In Illies
(1961) wurde ausserdem das Krenal (Quellregion) als weitere biozönotische Region aufgeführt. In
der vorliegenden Arbeit werden zusätzlich auch Gletscherbäche betrachtet, welche die Region
des Kryals bilden.
Eine Übersicht über die biozönotischen Regionen und deren Charakteristiken ist in Tabelle 1 ge-
geben, die mit Hilfe der Beschreibungen in Thienemann (1925), Illies (1961), Kottelat und Freyhof
(2007) und Heinrich und Hergt (1990) zusammengestellt wurde. Folgt man einem Fliessgewässer
von der Quelle bis zur Mündung in das Meer, so ist auf regionaler Skala eine typische Abfolge der
biozönotischen Regionen zu erkennen. Auf das Krenal bzw. das Kryal folgt das Epi- und
Metarhithral, nach dem Metarhithral folgt das Hyporhithral. Die Grenze zwischen Hyporhithral
und Epipotamal ist gleichzeitig die Grenze der Grosszönosen Bachregion und Flussregion. Auf das
Epipotamal folgen das Meta- und Hypopotamal, wobei letzteres bereits den durch Brackwasser
charakterisierten Mündungsbereich darstellt.
Die Forellenregion ist charakterisiert durch grosse Gefälle und grobes Sohlenmaterial bestehend
aus Steinen, Blöcken und Kies. Dadurch herrscht eine schnelle und turbulente Strömung vor, was
wiederum einen hohen Sauerstoffgehalt zur Folge hat. Die Fauna ist durch strömungsliebende
(rheophile) Organismen dominiert. In der Äschenregion ist das Gefälle geringer, so dass es ver-
mehrt zur Ausbildung eines verzweigten Gerinnes kommen kann. Durch häufige Hochwasser
wird das meist aus Kies bestehende Flussbett dynamisch umgestaltet. Das geringere Gefälle und
die grössere Wassertiefe hat eine verminderte Turbulenz zur Folge, der Sauerstoffgehalt ist aber
immer noch vergleichsweise hoch. Beim Übergang der Äschenregion zur Barbenregion endet die
Grosszönose der Bachregion (Rhithral), es beginnt die Flussregion (Potamal). Die Barbenregion ist

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in der Längszonierung der Fliessgewässer die erste Zönose der Flussregion. Kennzeichnend für die
Barbenregion ist ein relativ flaches Gefälle, das Sohlenmaterial besteht zunehmend aus Sand. Die
geringe Fliessgeschwindigkeit induziert praktisch keine Turbulenzen mehr, wodurch der Sauer-
stoffgehalt vor allem nahe der Sohle deutlich abnehmen kann. An die Barbenregion schliesst die
Brachsmenregion an. Das Sohlenmaterial wird zunehmend feiner und ist von Schluff und
organischen Sedimenten dominiert. Nahe der Sohle kann ein Sauerstoffdefizit auftreten.

Tabelle 1   Übersicht über die in der Schweiz auftretenden biozönotischen Regionen und deren Umwelt-
            bedingungen. Nach Schindler (1963) und Heinrich und Hergt (1990), verändert nach Illies
            (1961).
  Grosszönose      «Fischregion»     Biozönotische   Gerinneform       Sohlenmaterial       Sauerstoffgehalt
                                        Region
                                                     gestreckt, ver-    Steine/Blöcke,
 (Gletscherbach)          -              Kryal                                                      -
                                                         zweigt              Kies

   Quellregion            -              Krenal          gestreckt            -                     -

                        Obere                                           Steine/Blöcke,
                                       Epirhithral       gestreckt                              sehr hoch
                    Forellenregion                                           Kies
   Bachregion
                       Untere
    (Rhithral)                        Metarhithral       gestreckt       Steine, Kies           sehr hoch
                    Forellenregion

                    Äschenregion      Hyporhithral       verzweigt          Kies                  hoch

                                                                                          hoch (Oberfläche) bis
                    Barbenregion      Epipotamal     mäandrierend        Kies, Sand
   Flussregion                                                                               gering (Sohle)
    (Potamal)                                                                            ausreichend (Oberfläche)
                   Brachsmenregion   Metapotamal     mäandrierend       Sand, Schluff
                                                                                            bis Defizit (Sohle)

Der Wechsel der Charakteristiken zur Abgrenzung der biozönotischen Regionen im Längsverlauf
eines Gewässers ist meist abrupt und tritt vorwiegend bei Einmündungen oder Zusammenflüssen
auf, wo sich Gefälle und Gewässerbreite stark ändern (Illies (1961)). Tatsächlicher gehen die bio-
zönotischen Regionen jedoch fliessend ineinander über.
Da das Vorkommen bestimmter Fischarten von verschiedenen abiotischen Umweltfaktoren ab-
hängt, untersuchte Huet (1949) den Zusammenhang zwischen den Gefällsverhältnissen sowie der
Gewässerbreite und dem Auftreten von Leitfischarten der Fischregionen. Die Fischregionen
weisen demnach typische Bereiche von mittlerem Gefälle und mittlerer Breite auf. Umso breiter
ein Gewässer, desto geringer ist im Allgemeinen das dazugehörige Gefälle. Tabelle 2 wurde aus
Huet (1949) entnommen, und zeigt eine Übersicht über die Gewässerbreiten und Längsgefälle der
Fischregionen. Die Forellenregion ist charakterisiert durch steile Gefälle bei kleinen mittleren
Gewässerbreiten. Mässig steile Gefälle treten in der Äschenregion auf, die Gewässerbreite ist be-
schränkt auf Breiten grösser einem Meter. Auch die Barbenregion tritt bei Breiten kleiner einem
Meter nicht auf. Sehr kleine Längsgefälle sind charakteristisch für die Blei- bzw. Brachsmen-
region.

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Tabelle 2: Gefälls- und Breitenverhältnisse der Fischregionen. Aus Huet (1949).
                    Kleiner Bach          Bach            Kleiner Fluss       Grosser Fluss      Strom
                      (0 - 1 m)         (1 - 5 m)          (5 - 25 m)          (25 - 100 m)   (100 - 300 m)
                                                Gefälle in Promille für Breite von
                         1m               3m                  15 m                   60 m        200 m
  Forellenregion      50.0 – 12.5       25.0 – 7.5          17.5 – 6.0           12.5 – 4.5
   Äschenregion                         7.5 – 3.0            6.0 – 2.0           4.5 – 1.25      – 0.75
   Barbenregion                         3.0 – 1.0            2.0 – 0.5          1.25 – 0.33    0.75 – 0.25
    Bleiregion        12.5 – 0.0        1.0 – 0.0            0.5 – 0.0           0.33 – 0.0     0.25 – 0.0

Die Wassertemperatur eines Fliessgewässers wird massgeblich durch die Lufttemperatur be-
stimmt und somit indirekt durch die Höhenlage vorgegeben. Da auch das Längsgefälle im All-
gemeinen eine Höhenabhängigkeit aufweist, kann davon ausgegangen werden, dass ein be-
stimmter Gefällsbereich an einen bestimmten Temperaturbereich geknüpft ist. Huet (1949) zeigze,
dass ein Zusammenhang zwischen den abiotischen Faktoren Gewässerbreite und Längsgefälle
und dem Auftreten bestimmter Leitfischarten besteht. Die Leitfischarten selbst sind an bestimmte
Temperaturgrenzen gebunden sind. Da die Wassertemperatur mit dem Längsgefälle und gleich-
zeitig mit der Physiologie der Leitfischarten verknüpft ist, erscheint die Gewässertypisierung nach
biozönotischen Regionen zur Abgrenzung verschiedener Temperaturregimes vielversprechend.

1.4 Temperaturregime von Fliessgewässern

1.4.1 Natürliche Einflussfaktoren

In Abbildung 1 sind die wichtigsten natürlichen Einflussfaktoren auf die Wassertemperatur von
Fliessgewässern zusammengestellt. Grossräumig wird die Wassertemperatur eines Fliessgewässers
durch die klimatischen Bedingungen bestimmt. Regional beeinflussen topographische Faktoren
und die Wasserherkunft die Wassertemperatur massgeblich. Zusätzlich wird die Wasser-
temperatur durch Einflussfaktoren beeinflusst, welche an lokale Gegebenheiten (z.B. Beschattung
oder Gerinnemorphologie) gebunden sind.

Abbildung 1: Übersicht über die wichtigsten natürlichen Einflussfaktoren der Wassertemperatur von
             Fliessgewässern. Nach Caissie (2006), verändert.

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Die Wärmeaufnahme wird massgeblich durch die Sonneneinstrahlung bestimmt. Ein kleinerer
Beitrag zum Wärmeeintrag liefert ausserdem die Sohlreibung. Für die Wärmeabgabe sind da-
gegen vor allem langwellige Abstrahlung, Konvektion und Evaporation relevant. Diese Prozesse
sind stark von der Lufttemperatur abhängig, welche ihrerseits von der Höhenlage abhängig ist.
Es existiert eine Vielzahl von Einflussfaktoren, welche indirekt auf die Wassertemperatur wirken.
Unter den topographischen Einflussfaktoren bestimmen die Exposition sowie das Gefälle, in-
wieweit ein Fliessgewässer der Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist. Unabhängig von der Topo-
graphie spielt bei der Exposition gegenüber der Sonne vor allem auch die Beschattung durch die
Ufervegetation sowie die Gerinnemorphologie eine Rolle.
Die Wasserherkunft kann die Wassertemperatur entscheidend beeinflussen. Durch Schmelz-
wasser gespiesene Gewässer sind vor allem im Oberlauf ganzjährig kühl. In der Quellregion weist
das zu Tage tretende Grundwasser eine über das Jahr relativ konstante Temperatur auf, die auch
im Winter meist mehrere Grade über null beträgt. Auch ausserhalb des Krenals kann ein Fliess-
gewässer durch Grundwasser beeinflusst sein. Durch den Austausch über die Gewässersohle kann
im Winter eine Erwärmung auftreten, während das Wasser im Sommer gekühlt wird.

1.4.2 Zeitlicher und räumlicher Temperaturverlauf

Das Temperaturregime von Fliessgewässern umfasst die räumliche und zeitliche Entwicklung der
Wassertemperatur. Zeitlich kann der Verlauf der Wassertemperatur durch je einen typischen
Jahres- und Tagesgang beschrieben werden. Der Jahresverlauf der Wassertemperatur beschreibt
in vielen Fällen eine Sinuskurve mit einem Maximum in den Sommermonaten und einem
Minimum in den Wintermonaten. Der Tagesgang der Wassertemperatur verläuft ebenfalls sinus-
förmig, wobei das Minimum früh morgens auftritt, das Maximum lässt sich spät nachmittags bis
abends beobachten. In Abbildung 2 ist der Tagesverlauf der Wassertemperatur von drei Fliess-
gewässern in der Ostschweiz für drei Tage im Juli 2010 gezeigt. Durch natürliche Einflussfaktoren
wie Wasserherkunft oder Beschattung kann der Temperaturverlauf über den Tag teils stärker von
einer Sinuskurve abweichen.

Abbildung 2: Verlauf der Wassertemperatur über drei Tage im Sommer 2010 für drei Fliessgewässer.

                                                  6
Im Längsverlauf eines Fliessgewässers nimmt im Sommer die Wassertemperatur zu, wobei sich
die Temperaturzunahme mit zunehmender Distanz zum Krenal immer mehr verlangsamt (Illies,
1961). Im Winter kann die Wassertemperatur im Längsverlauf abnehmen, da im Fliessverlauf des
Gewässers mehr Wärme abgestrahlt als zugeführt wird. Nahe des Krenals hingegen weist das
(Quell-)wasser eine etwa ganzjährig konstante Wassertemperatur auf, welche häufig einige Grade
über null liegt (Pfammatter (2004)).
Die Temperaturverhältnisse im Querprofil hängen stark von der Gerinnemorphologie ab
(Jungwirth et al. (2003)). Verläuft ein Fliessgewässer in einem einzigen geraden und einheitlichen
Gerinne, so ist die Wassertemperatur lateral und vertikal sehr homogen. Hingegen sind in einem
strukturierten Gerinne mit ausgeprägten Uferstrukturen, Bankbildung sowie Neben- und Alt-
armen auch die Temperaturverhältnisse im Querprofil sehr heterogen. Im Vergleich zum Haupt-
gerinne weisen Nebenarme in der Regel stärkere Temperaturschwankungen auf. Altarme sind
umso wärmer je geringer die Vernetzung mit durchflossenen Armen ist. Auch im Hauptgerinne
selbst können laterale Temperaturunterschiede auftreten. In den seichten Uferzonen mit geringer
Tiefe und reduzierter Strömungsgeschwindigkeit findet im Sommer eine stärkere Erwärmung als
in der Gerinnemitte statt. Das vertikale Temperaturprofil ist stark von der Vernetzung mit dem
Grundwasser abhängig. Je grösser diese Vernetzung, welche von der Korngrössenverteilung des
Sohlenmaterials und dem Anteil organischer Feinanteile abhängig ist, desto kühler ist das Wasser
mit zunehmender Tiefe.

1.5 Temperaturansprüche der Leitfischarten

Für die Entwicklung eines Fisches spielt die Wassertemperatur eine zentrale Rolle. Da Fische als
wechselwarme Organismen keine ausgeprägten Mechanismen zur Regulierung der Körper-
temperatur besitzen, hängen ihr Wachstum und ihre Vermehrung unter anderem entscheidend
von der Wassertemperatur ab. Ganz allgemein formuliert ist das Wachstum umso schneller, je
höher die Wassertemperatur ist, denn bei höheren Temperaturen ist ein grösserer Stoffumsatz
möglich. Gleichzeitig nimmt bei zunehmender Wassertemperatur die Sauerstoffsättigung ab. Sind
bei einer Wassertemperatur von 10 °C etwa 11 g/l Sauerstoff löslich, beträgt die Sauerstoff-
sättigung bei 30 °C nur noch etwa 7 mg/l. Durch die erhöhte biologische Aktivität bei erhöhten
Wassertemperaturen steigt der Sauerstoffbedarf, die Sauerstoffsättigung nimmt jedoch ab. Daher
ist der wachstumslimitierende Faktor nicht die Wassertemperatur selbst, sondern die bei höheren
Temperaturen verminderte Sauerstofflöslichkeit ist (Jungwirth et al. (2003)).
Da die verschiedenen Entwicklungsstadien eines Fisches unterschiedliche Temperaturansprüche
aufweisen, bedeuten höhere Temperaturen nicht automatisch ein höheres Wachstum einer
ganzen Population. Bei der Bachforelle beträgt die Maximaltemperatur für die Eientwicklung
beispielsweise 14 °C, während die Letaltemperatur des adulten Fischs erst bei 30 °C liegt ( Küttel et
al. (2002)). Können die Temperaturansprüche eines Entwicklungsstadiums nicht eingehalten
werden, heisst dies nicht automatisch, dass die betrachtete Fischart in dem Gewässerabschnitt
nicht vorkommt. Er kommt lediglich nicht in allen Entwicklungsstadien vor.
Für Fische sind die Temperaturansprüchen und -grenzen heute gut bekannt. Für viele andere

                                                 7
Organismen der Zönose dagegen noch häufig ungenügend. Die Leitfischart steht jedoch stellver-
tretend für die ganzen Zönose, da für die aquatischen Organismen Fische meist an oberster Stelle
der Nahrungskette stehen. Zu den Temperaturansprüchen von Fischen und ihren Entwicklungs-
stadien wurde eine Vielzahl an Versuchen durchgeführt, dementsprechend ist die Literatur relativ
umfangreich. Die Befunde einzelner Autoren weichen dabei mehr oder weniger stark von-
einander ab. An dieser Stelle wird auf eine Auswertung dieser Literatur verzichtet, und statt -
dessen auf die Arbeit von Küttel et al. (2002) zurückgegriffen, wo im Zusammenhang mit der Re-
vitalisierung der Rhône von der Eawag eine umfängliche Literaturstudie durchgeführt wurde.
Hieraus sind für die Leitfischarten der biozönotischen Regionen in Tabelle 3 die Präferenz-
temperaturen als Überlebens- und Optimalbereich angegeben. Auch in Reinartz (2007) wurden
Literaturangaben zu Letal- und Präferenztemperaturen nach den verschiedenen Entwicklungs-
stadien zusammengetragen, die dortigen Angaben decken sich weitgehend mit den Befunden von
Küttel et al. (2002).

Tabelle 3: Letal- und Präferenztemperaturen der Leitfischarten nach verschiedenen Entwicklungsstadien.
           Nach Küttel et al. (2002).
                                            Bachforelle         Äsche (Thymallus              Barbe                      Brachsme
  Entwicklungsstadium
                                           (Salmo trutta)          thymallus)             (Barbus barbus)             (Abramis brama)
                       Maximum                  14                      16                         21                        28
                 oberes Optimum                  9                      14                         21                        20
Eier

                unteres Optimum                  1                      7                          16                        12
                       Minimum                   0                      0                          16                         6
                       Maximum                  28                                                                           34
Juvenile

                 oberes Optimum                 14                                                                           34
                unteres Optimum                  7                                                                           14
                       Minimum                   0                                                 14                        14
                       Maximum                  30                      26                         30                        36
Adulte

                 oberes Optimum                 19                      18                                                   28
                unteres Optimum                  4                      4                                                     8
                       Minimum                   0                      0                                                     8
                       Maximum                  13                      15                         29                        23
Fortplfanz.

                 oberes Optimum                 10                      10                         20                        20
                unteres Optimum                  1                      6                          14                        12
                       Minimum                   1                      4                           8                        18

Die Abfolge der einzelnen Entwicklungsstadien der Fische ist eng an den Jahresverlauf geknüpft.
Vor allem die Laichzeit findet nur entweder im Winter bis Frühjahr oder im Frühsommer statt.
Die typischen Laichzeiten der Leitfischarten der biozönotischen Regionen sind in Tabelle 4 auf-
geführt.

Tabelle 4: Laichzeiten der Leitfischarten der biozönotischen Regionen nach Kottelat und Freyhof (2007).
                         Art                     Jan.   Feb.   März   Apr.   Mai   Juni     Juli        Aug.   Sep.   Okt.   Nov.   Dez.
          Äsche (Thymallus thymallus)
              Bachforelle (Salmo trutta)
                Barbe (Barbus barbus)
              Brachsme (Abramis brama)

                                                                        8
1.6 Anthropogene Beeinflussung

1.6.1 Unmittelbar reversible Eingriffe

Eingriffe, welche durch den Menschen direkt, d.h. mit sofortiger Wirkung steuerbar sind, werden
hier als unmittelbar reversible Eingriffe bezeichnet. Diese Art von Eingriffen sowie deren Aus -
wirkung auf das Temperaturregime eines Fliessgewässers könnte, ungeachtet wirtschaftlicher
Interessen, innerhalb kürzester Zeit unterbrochen oder ganz unterbunden werden.

Wasserrückgabe und Turbinierung aus einem Speichersee

In alpinen Einzugsgebieten gelangt der Grossteil des Niederschlags im Winter nicht direkt zum
Abfluss, sondern wird als Schnee und Eis zurückgehalten. Erst im Frühjahr schwillt der Abfluss
mit Beginn der Schneeschmelze an, und erreicht im Sommer das Maximum. Mit den Speicherseen
alpiner Speicherkraftwerke wird das Schmelzwasser im Sommer zum Teil zurückgehalten, und
aufgrund des grösseren Strombedarfs vor allem im Winter abgelassen und turbiniert.
Das Tiefenwasser von Speicherseen weist in der Regel ganzjährig eine Temperatur von 4 °C auf.
Da sich der Auslass eines Speichersees aufgrund des schwankenden Wasserspiegels meist im
unteren Bereich befindet, wird das ganze Jahr über gleichmässig kühles Wasser zur Turbinierung
abgelassen. Dadurch wird die Wassertemperatur von Fliessgewässern mit Speicherkraftwerken im
Winter erhöht und im Sommer erniedrigt. Für die Rhône haben Meier und Wüest (2004) für den
Winter eine Erwärmung um etwa 1 °C und im Sommer eine Abkühlung um 2 °C ermittelt.
Insgesamt hat die Energieerzeugung durch Speicherkraftwerke in der Rhône im Jahresmittel eine
Abkühlung von 1.1 °C zur Folge.
Wird ein Speicherkraftwerk zur Deckung des Spitzenstrombedarfs gesteuert, können die oben
genannten Auswirkungen innerhalb eines Tages auftreten. Der Verlauf der Wassertemperatur
korrespondiert dabei mit dem schwall- und sunkartigen Abflussverlauf, wobei die Temperatur
während des Schwalls oft abnimmt, und beim Sunk wieder ansteigt (Forstenlechner et al. (1997)).
Bei Laufkraftwerken, welche nur über vergleichsweise kleine Tagesspeicher verfügen, ist der
Effekt der Spitzenstromerzeugung auf den Temperaturverlauf vernachlässigbar (Meier et al.
(2004)).
Ein weiterer Effekt der Wasserspeicherung ist die Vergrösserung der Wasseroberfläche sowie die
verlängerte Aufenthaltszeit und die damit eingehende zusätzliche Erwärmung der obersten
Wasserschicht. Diese Erwärmung spielt aber für die Wärmebilanz des gesamten Wasserkörpers
keine Rolle (Forstenlechner et al. (1997)).
Auf die Wassertemperatur des Rückgabewassers hat auch die Turbinierung selbst einen Einfluss.
Wird das Wasser über Leitungen und Druckstollen zur Turbinierung geleitet, wird weniger
Reibungswärme über die Gewässersohle erzeugt. Durch Laufverkürzung und glatt ausgekleidete
Druckleitungen wird ein Teil der potentiellen Energie nicht über die Sohle in Reibungswärme
umgewandelt, sondern in elektrische Energie. Für die Rhône beträgt die Abkühlung hierdurch 1.6
°C (Meier und Wüest (2004)).

                                               9
Restwasserstrecke

Wird dem Fliessgewässer Wasser entnommen und erst weiter stromab wieder zurückgeleitet bzw.
einem fremden Gewässer zugeleitet, entsteht eine Strecke mit vermindertem Abfluss (Rest-
wasserstrecke). Die Restwasserstrecke ist charakterisiert durch eine verringerte Wassertiefe,
wobei durch den unveränderten Gerinnequerschnitt die Wasseroberfläche weniger stark ab-
nimmt. Im Verhältnis zum Wasservolumen bedeutet dies ein verstärkter Wärmeaustausch mit der
Umgebung, welcher durch die verringerte Fliessgeschwindigkeit noch verstärkt wird. Es resultiert
eine im Mittel grössere Erwärmung im Sommer und eine stärkere Abkühlung im Winter
(Forstenlechner et al. (1997)). Dies Betrifft insbesondere auch die Maximaltemperaturen, welche
im Vergleich zur natürlichen Wasserführung höher ausfallen (Reinartz (2007)).

Wärmeeintrag

Der anthropogene Eintrag von Wärme geschieht entweder durch direkte Erwärmung des im Ge-
rinne vorhandenen Wassers oder durch Einleitung von im Vergleich zum Vorfluter wärmerem
Wasser anderen Ursprungs. Ersteres findet in der Regel bei der Nutzung eines Gewässers zur
Kühlung technischer Prozesse statt. Von Bedeutung ist dies vor allem bei thermischen Kraft-
werken, in der Schweiz allen voran bei den Kernkraftwerken an der Aare und am Rhein. Nach
dem Bau und der Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Beznau an der Aare konnte an der Mess-
station Felsenau ein Anstieg der Wassertemperatur um 1.2 °C im Sommer und 1.9 °C im Winter
beobachtet werden (Jakob et al. (1996)). Bei der Einleitung von wärmerem Wasser anderen Ur-
sprungs ist vor allem die Einleitung von gereinigtem Abwasser in Fliessgewässer mit geringem
Abfluss (kleines Verdünnungsverhältnis) von Bedeutung.

1.6.2 Unmittelbar irreversible Eingriffe

Eingriffe und deren Auswirkungen, welche kurzfristig nicht reversibel sind, werden hier als un-
mittelbar irreversible Eingriffe bezeichnet. Die Eigenart dieser Eingriffe besteht darin, dass sie nur
mit grossen Anstrengungen behoben werden können, oder sich nach Beheben des Eingriffs erst
allmählich eine Wirkung zeigt. Hierzu zählen die Entfernung der Ufervegetation, bauliche Ein-
griffe wie grosse Gewässerkorrektionen, aber auch der Klimawandel. Für die diese Art von Ein-
griffen ist es schwierig, den ursprünglichen, natürlichen Zustand in der Schweiz zu
rekonstruieren. Aus diesem Grund werden irreversible Eingriffe für die Auswertungen nicht be-
rücksichtigt. Die wichtigsten Eingriffe werden jedoch im Folgenden kurz erläutert.

Entfernung der Ufervegetation

Die Beschattung durch die Ufervegetation hat vor allem bei Bächen einen grossen Einfluss auf die
Wassertemperatur. Dort kann die Vegetation einen Grossteil der Wasseroberfläche beschatten, bei
grösseren Gewässern vermag die Vegetation hingegen nur die Uferstreifen beschatten. Eine Ent-
fernung der Ufervegetation führt im Sommer meist zu einer Zunahme der Wassertemperatur, im

                                                 10
Winter kann die Wassertemperatur dagegen abnehmen (Naiman et al. (2005)). Die Maximal-
temperaturen können dabei um mehrere Grade erhöht werden. Bei vorhandener Ufervegetation
wirkt das Blattwerk als Isolation gegen Abstrahlung von Infrarotstrahlung, gleichzeitig verhindert
die Vegetation die Einstrahlung kurzwelliger Strahlung. Nadelhölzern zeigen dabei einen
grösseren Kühlungseffekt als Laubbäume. Die Ufervegetation kann im Winter die Einstrahlung
kurzwelliger Strahlen mindern, gleichzeitig verhindert die Isolationswirkung ein zu starkes Aus-
kühlen des Gewässers, was insbesondere auch die Eisbildung einschränkt.
Abbildung 3 zeigt den Zusammenhang zwischen der Länge des beschatteten Gewässeranteils, der
Breite des Vegetationsstreifens und der im Unterlauf zu erwartenden Gewässertemperatur.
Ebenfalls gezeigt ist der Einfluss der Länge einer Vegetationslücke.

Abbildung 3   Links: Einfluss der Breite und Länge des oberliegenden Abschnittes mit Ufervegetation auf
              die Wassertemperatur eines Fliessgewässers. Rechts: Einfluss der Länge eines vegetations-
              losen Gewässerabschnitts auf die unterliegende Wassertemperatur. Aus Naiman et al.
              (2005).

Bauliche Veränderungen

Bauliche Veränderungen an einem Fliessgewässer lassen sich aufteilen in Kanalisierung und
Überdeckung. Eine Kanalisierung ist in der Regel mit einer Begradigung und Querschnittsver-
kleinerung verbunden. Durch die Begradigung wird das Gefälle vergrössert, wodurch die Fliess-
geschwindigkeit erhöht wird. Dies ermöglicht die Ableitung derselben Wassermenge bei
geringerer Breite, aber gleichem Pegel. Aus der schnelleren Fliessgeschwindigkeit resultiert eine
geringere Aufenthaltszeit des Wassers, wodurch der Wärmeaustausch mit der Atmosphäre und
der Gerinnesohle eingeschränkt wird. Die Folge ist ein ausgeglichener Temperaturverlauf.
Eindolungen haben ebenfalls einen ausgeglicheneren Temperaturverlauf zur Folge, da das Ge-
wässer vor Abstrahlung und Einstrahlung vollständig isoliert ist.

                                                  11
Klimawandel

Über die letzten Jahrzehnte zeichnen sich Auswirkungen des Klimawandels auch bei der Wasser-
temperatur von Fliessgewässern ab. Im Rhein an der deutsch-holländischen Grenze wurde seit
1954 eine Temperaturzunahme um etwa 2 °C beobachtet. Auch im Alpenrhein und an der Aare
konnte eine Temperaturerhöhung festgestellt werden, jedoch nicht so stark wie im Niederrhein.
Gemeinsam haben die Beobachtungen einen deutlichen Temperatursprung zwischen 1987 und
1988 (Jakob et al. (1996)).
Hari und andere (Hari und Güttinger (2004), sowie Hari et al. (2006)) werteten für 25 Fliess-
gewässer in der Schweiz Wassertemperaturdaten der Periode 1978 bis 2002 aus. Es wurde
Temperaturzunahme um 0.4 bis 1.6 °C festgestellt. Ausserdem trat eine Verschiebung des Zeit-
punktes zur Erreichung von 9 °C im Frühjahr um etwa zwei Wochen früher auf. In Hari et al.
(2006) wurde ebenfalls ein markanter Sprung der Wassertemperatur zwischen den Jahren
1987/1988 festgestellt. Ein Vergleich der Perioden vor 1987/88 und danach zeigten eine Erhöhung
des langjähringen Mittelwerts der Wassertemperatur (als Parameter der Sinusregression) um 0.1
bis 1.1 °C, wobei der Unterschied zwischen beiden Perioden mit zunehmender Höhe abnimmt.
Neben der Wassertemperatur wurde dieser Sprung ebenso in der regionalen Lufttemperatur
nachgewiesen, während andere für die Wassertemperatur relevante Einflussfaktoren kein der-
artiges Verhalten zeigten. Dies deutet darauf hin, dass die Zunahme der Wassertemperaturen
durch den Klimawandel verursacht wurde, und nicht etwa eine Folge von veränderten Ge-
wässercharakteristiken ist.
Auch in anderen europäischen Ländern wurden Zunahmen der Wassertemperatur von Fliess-
gewässern festgestellt. Daufresne et al. (2003) stellten für Wassertemperaturdaten der oberen
Rhône in Frankreich seit Ende der siebziger Jahre eine Temperaturzunahme um 1.5 °C fest. In der
Donau und ihrer Zuflüsse in Kroatien wurde eine Zunahme der Wassertemperatur um 0.7 bis 1.5
°C seit den fünfziger Jahren beobachtet (Bonacci et al. (2008)). Ebenfalls für die Donau konnten
Webb und Nobilis (2007) in Österreich eine Erwärmung um etwa 1.5 °C über das letzte Jahr-
hundert nachweisen.

                                              12
2 Datengrundlage und Methoden

2.1 Datenherkunft

Für die Auswertungen wurden Daten von 107 Messstationen verwendet, die insgesamt 1058 Jahre
an verwertbaren Daten aufwiesen. Davon lagen 876 Jahre für den Auswertungszeitraum von An-
fang 1990 bis Anfang 2011 vor. Eine Zusammenstellung über alle verwendeten Daten, deren
Herkunft und Charakteristiken ist in Anhang A1 gegeben.

2.1.1 BAFU-Messnetze

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) betreibt ein Messnetz zur Erfassung und Überwachung von
Abflussdaten. Daneben wird an vielen Stationen auch die Wassertemperatur erfasst. Die
Temperaturmessungen der BAFU-Stationen können einen systematischen Fehler von ± 0.1 – 0.2
°C aufweisen. Zufällige Fehler können nach Mittelung über einen Zeitraum von einem Tag ver-
nachlässigt werden. (Jakob et al. (1996)). Die Messreihen des Basismessnetzes Oberflächen-
gewässer reichen teilweise bis in die fünfziger Jahre zurück. Dies allerdings nur an den grossen,
und zum Teil stark anthropogen beeinflussten Gewässern, welche für die hier durchgeführten
Untersuchungen nicht verwendet werden können. Zwischen 2000 und 2002 wurde das
Temperaturmessnetz grosszügig erweitert, und gezielt Messstationen in kleineren, wenig beein-
flussten Einzugsgebieten erstellt.
Neben dem Basismessnetz der Oberflächengewässer betreibt das BAFU weitere Messnetze. Eines
davon ist das Messnetz der Nationalen Grundwasserbeobachtung (NAQUA). Das NAQUA-
Messnetz besteht aus Messstellen, an welchen die Grundwassertemperatur in Piezometerrohren
gemessen wird, aber auch aus Messstellen, welche sich an natürlichen Quellen befinden. Bei den
Letzteren handelt es sich also um Messungen in der Fliessgewässerregion des Krenals. Die Daten
dieser Messstellen wurden für diese Arbeit miteinbezogen.

2.1.2 Kantonale Messstellen

Seit Beginn der neunziger Jahre begannen auch die Kantone verstärkt eigene Hydrometrie-Mess-
netze aufzubauen. Zunächst wurden meist nur Abfluss- und Pegelmessungen durchgeführt. Erst
nach der Jahrtausendwende wurden vermehrt auch Stationen zur Erfassung der Wasser-
temperatur eingerichtet, oder bestehende Stationen aufgerüstet. Nur wenige kantonale Stationen
erfassten von Beginn an die Wassertemperatur.
Die Daten der kantonalen Hydrometrie-Abteilungen lagen für diese Arbeit in unterschiedlicher
zeitlicher Auflösung vor. Häufig konnten die Temperaturdaten als Tagesmittel mit Tages-
maximal- und -minimalwert zur Verfügung gestellt werden. In anderen Fällen lagen die Daten als
10- oder 15-Minutenwerte vor.

                                               13
Für die nachfolgenden Untersuchungen wurden Daten von den Kantonen Aargau, Bern, St.
Gallen mit beiden Appenzell, Solothurn, Waadt und Zürich verwendet. Die Daten des Kanton Uri
konnten zur Ermittlung des typischen Temperaturverlaufs der biozönotischen Regionen nicht
verwendet werden, eignen sich aber aufgrund der starken Beeinflussung für einen Vergleich mit
diesen. Für die kantonalen Stationen werden ähnliche Messungenauigkeiten wie für die Stationen
des Bundes erwartet.

2.1.3 Daten aus dem Ausland

Vor allem zur Verbesserung der Datenbasis des Hyporhithrals und des Epipotamals wurden auch
Wassertemperaturen aus Baden-Württemberg verwendet. Die Landesanstalt für Umwelt,
Messungen und Naturschutz des Landes Baden-Württemberg (LUBW) stellte Daten als
Stundenwerte zur Verfügung, wobei der Messbeginn zwischen den Jahren 1974 und 1994 lag. Es
wurden Temperaturdaten der Donau und des Neckars mit einigen Nebengewässern verwendet.

2.1.4 Daten anderer Herkunft

Neben Daten von behördlichen Hydrometrie-Messnetzen wurden auch Daten anderer Ein-
richtungen verwendet. Aus Messkampagnen der Eawag Dübendorf stammen Temperaturdaten
des Neckers sowie Wassertemperaturdaten aus dem Val Roseg, dem Spöltal, des Morteratschbachs
am Morteratschgletscher sowie der Lonza am Langgletscher (Datenquelle: Uehlinger U.,
Department of Aquatic Ecology, Eawag Dübenorf).
Ausserdem wurden Temperaturdaten von vier kollinen Kleingewässern sowie eines subalpinen
Gebirgsbaches von dem Zürcher Umweltberatungsbüro Limnex AG bereitgestellt.

2.2 Stationswahl

Als für die Wassertemperatur bedeutende und leicht ermittelbare anthropogene Eingriffe wurde
die Wasserkraftnutzung und Wärmeeinleitung identifiziert. Bei der Wasserkraft ist vor allem die
damit verbundene Restwassersituation sowie der Schwall- und Sunkbetrieb bei Speicherkraft-
werken von Bedeutung. Wärmeeinleitungen haben in der Schweiz ihre Ursache meist in der
Kühlung thermischer Kraftwerke sowie der Einleitung von gereinigtem Abwasser. Zur Be-
urteilung der anthropogenen Beeinflussung der Wassertemperatur wurden die eben genannten
Einflüsse für jedes der Gewässer mit Wassertemperaturdaten der unter Kapitel 2.1 aufgeführten
Datenquellen untersucht. Für die Fliessgewässer des BAFU-Messnetzes wurde auf die Arbeit von
Jakob (2010) zurückgegriffen, wo die anthropogene Beeinflussung durch Speicherkraftwerke,
sowie die natürliche Beeinflussung durch Grundwasser und Seen ermittelt wurde.

2.3 Beeinträchtigung durch die Wasserkraft

Die Beeinflussung der Wassertemperatur durch Speicherkraftwerke wurde anhand der Rest-
wasserkarte des Hydrologischen Atlas der Schweiz (Sprefico et al. (1992), Tafel 5.3) beurteilt.

                                              14
Aufgrund der Beeinflussung durch Speicherkraftwerke können Temperaturdaten von Gewässern
in der Zentralschweiz sowie in den Kantonen Graubünden und Wallis mit Ausnahme einiger
höherliegenden Nebengewässer praktisch nicht verwendet werden. Für die verwendeten Fliess-
gewässer in Baden-Württemberg liegt keine Beeinflussung durch Speicherkraftwerke vor, es sind
jedoch eine Vielzahl an Flusskraftwerken in Betrieb. Diese haben lediglich einen Einfluss auf die
Tagesganglinie der Temperatur, weshalb dieser Einfluss nicht berücksichtigt wird.

2.3.1 Beeinträchtigung durch thermische Einleitungen

Das Temperaturregime der Aare ist neben der Wasserkraft vor allem durch die Kühlung der an-
liegenden Kernkraftwerke beeinflusst, weswegen die Temperaturdaten der Messstationen der
Aare nicht verwendet werden konnten. Gleiches gilt für den Rhein ab Koblenz. Durch den Ein-
fluss thermischer Kraftwerke wurden aus Baden-Württemberg nur die Wassertemperaturdaten
des Neckars oberhalb des ersten thermischen Kraftwerks bei Plochingen (Haag et al. (2005)),
sowie jene der Seitenzuflüsse des Neckars verwendet.
Zur Beurteilung des Einflusses der Einleitung von gereinigtem Abwasser wurden die
Informationen zu den ARA-Standorten der Umweltdatenbank ecoGIS (BAFU (2011)) verwendet.
Neben der Ausbaugrösse werden dort auch Angaben zum Anteil an gereinigtem Abwasser im
Vorfluter bei Niedrigwasser gemacht. Daten von Messstationen, welche sich weniger als 1000 m
unterhalb einer ARA befinden, wurden unabhängig vom Verdünnungsverhältnis nicht ver-
wendet. Beträgt der Anteil an gereinigtem Abwasser im Vorfluter bei Niedrigwasser weniger als
10-20 % und der Abstand der Messstation zur Einleitungsstelle mehr als 1000 Meter, wurde die
jeweilige Messstation verwendet. Gewässer mit Abwassereinleitungen mit lokalen Anteilen von
mehr als 20-50 % wurden nur verwendet, wenn die Summe der Zuflüsse bis zur Messstation zum
betrachteten Gewässer im Verhältnis 2:1 steht. Für Baden-Württemberg lagen neben den Angaben
zum ARA-Standort keine detaillierteren Informationen zur Abwassereinleitung vor, daher
wurden nur Daten von Messstationen verwendet, die mindestens 5000 Meter von ARA-Stand-
orten entfernt liegen.

2.3.2 Sondertypen

Aufgrund von natürlichen Gegebenheiten kann ein Fliessgewässer nicht in allen Fällen einer
Fischregion zugeordnet werden. Ausserdem können durch lokale Besonderheiten starke Ab-
weichungen von den typischen abiotischen Umweltfaktoren einer biozönotischen Region auf-
treten, u.a. von der Gewässertemperatur. Dies betrifft vor allem grundwasserbeeinflusste Ge-
wässer und Seeausflüsse. Aus diesem Grund wurden die Fliessgewässer nicht nur auf anthropo-
gene Beeinflussung untersucht, sondern es wurde auch ermittelt, ob das Gewässer zu den eben
genannten Typen gehört. Seeausflüsse sind im Allgemeinen bekannt, und daher leicht zu identi-
fizieren. Eine Beeinflussung durch Grundwasser ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. Im Zu-
sammenhang mit Grundwasser kann die Wassertemperatur auf zwei Arten beeinflusst werden,
nämlich durch Exfiltration und Infiltration. Exfiltriert Grundwasser in das Fliessgewässer, so liegt

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meist ein relativ kühler und ausgeglichener Jahresverlauf der Wassertemperatur vor, wobei auch
im Winter die Wassertemperatur mehrere Grade über null liegt. Liegt eine Infiltration von Wasser
aus dem Gerinne in das Grundwasser vor, so ähneln die Auswirkungen auf die Wassertemperatur
jenen der künstlichen Restwasserstrecke, d.h. im Sommer wird das Wasser stärker erwärmt, und
im Winter kühlt es stärker aus.
Lag nach visueller Überprüfung der einzelnen Messreihen eine Beeinflussung durch Grundwasser
nahe, so wurde der Verdacht mit den kantonalen Grundwasserkarten überprüft. Für die Mess-
stationen des BAFU wurde bereits durch Jakob (2010) festgestellt, ob eine Grundwasserbeein-
flussung vorliegt oder nicht.

2.4 Datenaufbereitung

Die verwendeten Wassertemperaturzeitreihen wiesen sehr unterschiedliche Zeitintervalle auf. Die
Messreihen lagen in 10, 15 oder 30-Minutenintervallen, als Stundenmittel oder als Tagesmittel
vor. Für jede Messreihe wurden zunächst die Tagesmittelwerte berechnet. Für Messreihen mit
Zeitintervallen kleiner oder gleich einer Stunde wurde im gleichen Schritt der Tageshöchst- und
-tiefstwert aus den grössten bzw. kleinsten Werten eines Tages bestimmt. Für Daten, welche als
Tagesmittel vorlagen, waren auch bereits die Tagesextremwerte in der Datenlieferung vorhanden.
Die Datenbasis pro Station bestand also insgesamt aus drei Zeitreihen, dem Tagesmittelwert, dem
Tagesmaximum und -minimum.
Anschliessend wurden die Zeitreihen visuell auf Plausibilität und Fehler überprüft. Nicht
plausible Tageswerte wurden dabei entfernt. Datenlücken wurden nicht interpoliert. Bereits in
den Ausgangsdaten interpolierte Werte wurden entfernt, sofern dies bekannt oder ersichtlich war.

2.5 Auswertung

Die als anthropogen unbeeinflusst eingestuften Gewässer wurden für die Auswertung zunächst
den biozönotischen Regionen zugeordnet. Anschliessend wurde pro biozönotische Region unter
Zuhilfenahme des Sinusmodells der typische Jahresverlauf der Wassertemperatur bestimmt.

2.5.1 Einteilung in die biozönotischen Regionen

Die Zuordnung der Fliessgewässer zu den einzelnen biozönotischen Regionen geschah mit Hilfe
der Abgrenzungskriterien aus Huet (1949), welche in Abbildung 4 dargestellt sind. Zur Unter-
scheidung der «Forellenregion» nach Epirhithral und Metarhithral wurde die Originalgraphik von
Huet nach Ratschan (2010) ergänzt.
Grundlage für die Abgrenzung der Fischregionen sind das mittlere Gefälle und die mittlere Breite.
Das mittlere Gefälle wurde mit Hilfe der detaillierten Längsprofile aus Gilgen et al. (1916) als
Mittelwert über einen Kilometer ermittelt. Bei Gewässern, für welche keine Längsprofile vor-
lagen, wurde das Gefälle aus den Höhenkurven der Landeskarte 1:25'000 bestimmt.

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Abbildung 4: Abgrenzungskriterien der biozönotischen Regionen nach Huet (1949). Ergänzt zur Ab-
             grenzung des Epirhithral nach Ratschan (2010).

Die mittlere Gerinnebreite wurde aus den Karten der amtlichen Vermessung über die jeweiligen
kantonalen Online-Geoportale herausgelesen. Um die Breite des wasserführenden Gerinnes, und
nicht des ganzen Gerinnequerschnitts zu erfassen, wurde – falls es die Auslösung und die Ufer -
vegetation erlaubte – die ermittelte mittlere Breite mit Luftbildern validiert. Auch die mittlere
Breite wurde so bestimmt, dass sie für etwa einen Kilometer im Bereich der Messstation
repräsentativ ist.
Die Abgrenzung des Epi- und Metarhithrals wurde mit einem Nomogramm aus BUS (1980)
überprüft, wobei grösstenteils eine Übereinstimmung festgestellt wurde. Dieses Nomogramm
verwendet zur Bestimmung der biozönotischen Region neben der mittleren Breite und dem
mittleren Gefälle zusätzlich die Parameter Distanz zur Quelle, mittlere Abflusstiefe und
maximales Monatsmittel der Wassertemperatur.

2.5.2 Einteilung nach geobotanischer Höhenstufe

Nach einer ersten Auswertung konnte bereits deutliche Unterschiede der Jahresgänge der
Wassertemperatur zwischen den biozönotischen Regionen festgestellt werden. Der Unterschied
zwischen den mittleren Jahresgängen der Tagesmaximal- und -minimalwerten war teils jedoch
verhältnismässig gross, so dass insgesamt für die biozönotische Region ein breites Band vorlag.
Aus diesem Grund wurden die Messstationen des Epirhithrals sowie des Metarhithrals zusätzlich
nach den geobotanischen Höhenstufen klassiert. Somit wurde für diese biozönotischen Regionen
jeweils eine Auswertung pro Höhenstufe durchgeführt. Die Grenzen der geobotanischen Höhen-

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stufen wurden nach Baltisberger (2009) gewählt, wobei nach den geobotanischen Regionen
unterschieden wurde. Die Zugehörigkeit der Messstationen zu den geobotanischen Regionen
wurde mit Hilfe des räumlichen Datensatzes (BAFU (2010)) festgestellt. Da Baltisberger jeweils
ein Grenzbereich angegeben hat, für eine Einteilung der Messstationen in geobotanischen
Höhenstufen jedoch ein diskreter Wert erforderlich ist, wurde in Anlehnung an Jakob (2010)
jeweils ein mittlerer Wert gewählt. Die verwendeten Untergrenzen der geobotanischen Höhen-
stufen sind in Tabelle 5 aufgeführt. Die Einteilung der Fliessgewässer nach geobotanischen
Höhenstufen wird anhand der mittleren Höhe des Einzugsgebiets vorgenommen. Eine Einteilung
nach der Höhe der Messstation wurde ebenfalls geprüft, jedoch resultierte hierbei ein weniger
deutlicher Zusammenhang.

Tabelle 5: Für die Auswertung verwendeten Untergrenzen der geobotanischen Regionen.
      Höhenstufe                                  Untere Grenze (m.ü.M.)
                          Nordalpen         Zentralalpen           Südalpen           Jura
         alpin              2000                2300                  2000            2000
       subalpin             1300                1500                  1700            1200
        montan               700                800                   900             700
        kollin               300                300                   300             300

2.5.3 Berechnungsvorgang

Für ein Modul Temperatur des Modul-Stufen-Konzepts soll anhand der typischen, unbeein-
flussten Jahresverläufe der Wassertemperatur nach biozönotischen Regionen eine Bewertung des
Zustandes des Temperaturregimes eines beliebigen Gewässers möglich sein. Idealerweise sollen
zur Zustandsbewertung die fünf bereits in anderen Modulen verwendeten Klassen mit ihrer
Farbcodierung zur Anwendung kommen: natürlich/naturnah (blau), wenig verändert (grün),
wesentlich verändert (gelb), stark verändert (orange) bis naturfern (rot). Damit die Abstufung
nach diesen Klassen möglich wird, kann ein typischer Jahresverlauf nicht aus einer einzigen
Kurve bestehen. Aus diesem Grund werden die drei Tageswerte Tagesmaximum, Tagesminimum
und Tagesmittel der Wassertemperatur getrennt ausgewertet, wobei jeweils eine separate Kurve
des Jahresverlaufs entsteht. Zudem werden die Jahresverläufe von statistischen Kennwerten be-
stimmt. Insgesamt resultiert also ein typisches Temperaturband für den Jahresverlauf der
Wassertemperatur, welches aus mehreren Kurven zusammengesetzt ist.
Zur Bestimmung des typischen Temperaturbands für die einzelnen Fischregionen können die auf
Tageswerten basierenden Temperaturdaten der einzelnen Messstationen auf verschiedene Arten
statistisch zusammengefasst werden. Eine ist die Zusammenlegung der Tageswerte über alle
Messstationen und über die gesamte Zeitperiode der vorliegenden Daten, ohne Unterschieden in
der Länge der Messreihen zwischen den Messstationen Rechnung zu tragen. Bei einer an-
schliessenden statistischen Bearbeitung, z.B. der Mittelwertbildung, werden hierbei lange Mess-
reihen stärker gewichtet als Messreihen über nur wenige Jahre.
Im Gegensatz dazu kann vor der Mittelbildung über die Fischregion zunächst für jede Station ein

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