Erarbeitung eines anthropogen unbeeinflussten, typischen Jahresgangs der Wassertemperatur nach biozönotischen Regionen - Masterprojektarbeit ...
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Erarbeitung eines anthropogen unbeeinflussten, typischen Jahresgangs der Wassertemperatur nach biozönotischen Regionen Masterprojektarbeit Studiengang Umweltingenieurwissenschaften Valentin Müller Mai 2011 betreut durch Peter Baumann, Limnex AG
Zusammenfassung In der vorliegenden Arbeit werden typische Temperaturbänder des Jahresverlaufs der Wasser- temperatur für die biozönotischen Regionen erarbeitet. Die resultierenden Temperaturbänder basieren auf Tageswerten, d.h. Tagesmittel, Tagesminimum und Tagesmaximum der Wasser- temperatur von als unbeeinflusst identifizierten Fliessgewässern in der Schweiz. Die Temperaturdaten hierfür wurden mehrheitlich vom Bundesamt für Umwelt BAFU sowie den kantonalen Fachstellen zur Verfügung gestellt. Die Typisierung der Fliessgewässer basiert auf den biozönotischen Regionen nach Illies (1961). Dabei ist die Erarbeitung der typischen Temperaturbänder auf die in der Schweiz zu findenden biozönotischen Regionen begrenzt. Zusätzlich werden auch Gletscherbäche und Quellbäche berücksichtigt. Es werden also die typischen Temperaturbänder für das Epirhithral (obere Forellenregion), das Metarhithral (untere Forellenregion), das Hyporhithral (Äschenregion), das Epipotamal (Barbenregion), das Kryal (Gletscherbäche) sowie das Krenal (Quellregion) ermittelt. Aufgrund des natürlicher- weise grossen Schwankungsbereichs wurden das Epi- sowie Metarhithral zusätzlich nach geobotanischen Höhenstufen unterteilt, womit für diese biozönotischen Regionen vier ge- trennte Auswertungen durchgeführt wurden. Die Temperaturen der biozönotischen Regionen nehmen von Epirhithral bis Epipotamal stetig zu. Gleiches gilt für die Höhenstufen innerhalb einer biozönotischen Region, wo die Wassertemperatur mit abnehmender Höhenstufe zu- nimmt. Zur Beschreibung des typischen Temperaturbands der biozönotischen Regionen wurde eine Sinusregression zur idealisierten Beschreibung des Jahresverlaufs verwendet. Die erhaltenen typischen Temperaturbänder wurden mit Hilfe der Letal- und Präferenztemperaturen der Leitfischarten überprüft, welche eingehalten werden können. Für die biozönotischen Regionen mit ausreichend langen Messreihen wurde die Auswertung für zwei Perioden durchgeführt, um die Auswirkungen des Klimawandels über Veränderungen in den Parametern der Sinusregression quantifizieren zu können. Die Grenze beider Perioden stellen dabei die Jahre 1987/88 dar. In diesen Jahren wurde europaweit ein markanter Sprung in den mittleren Wassertemperaturen der Oberflächengewässer festgestellt. Aus dem Vergleich der beiden Perioden zeigt sich eine Erhöhung der langjährigen Jahresmitteltemperatur um 0.3 bis 0.7 °C. Ein ebenfalls deutlicher Trend zeigt sich für den Tag der minimalen Temperatur im Jahresverlauf, welche im langjährigen Mittel über die letzten zwanzig Jahre zwischen einem und sieben Tage früher eintritt, als für die erste Periode. In der Diskussion werden Empfehlungen zur Anwendung der typischen Temperaturbänder im Zusammenhang mit der Zustandsbewertung des Temperaturregimes von Fliessgewässern ge- geben.
Inhaltsverzeichnis 1 Einführung ________________________________________________________________________ 1 1.1 Ziel und Kontext _______________________________________________________________ 1 1.2 Gesetzliche Grundlagen _________________________________________________________ 2 1.3 Biozönotische Regionen _________________________________________________________ 3 1.4 Temperaturregime von Fliessgewässern _____________________________________________ 5 1.4.1 Natürliche Einflussfaktoren _________________________________________________ 5 1.4.2 Zeitlicher und räumlicher Temperaturverlauf __________________________________ 6 1.5 Temperaturansprüche der Leitfischarten ____________________________________________ 7 1.6 Anthropogene Beeinflussung _____________________________________________________ 9 1.6.1 Unmittelbar reversible Eingriffe _____________________________________________ 9 1.6.2 Unmittelbar irreversible Eingriffe ___________________________________________ 10 2 Datengrundlage und Methoden _______________________________________________________ 13 2.1 Datenherkunft ________________________________________________________________ 13 2.1.1 BAFU-Messnetze ________________________________________________________ 13 2.1.2 Kantonale Messstellen ____________________________________________________ 13 2.1.3 Daten aus dem Ausland ___________________________________________________ 14 2.1.4 Daten anderer Herkunft ___________________________________________________ 14 2.2 Stationswahl __________________________________________________________________ 14 2.3 Beeinträchtigung durch die Wasserkraft ___________________________________________ 14 2.3.1 Beeinträchtigung durch thermische Einleitungen ______________________________ 15 2.3.2 Sondertypen ____________________________________________________________ 15 2.4 Datenaufbereitung _____________________________________________________________ 16 2.5 Auswertung __________________________________________________________________ 16 2.5.1 Einteilung in die biozönotischen Regionen ____________________________________ 16 2.5.2 Einteilung nach geobotanischer Höhenstufe __________________________________ 17 2.5.3 Berechnungsvorgang _____________________________________________________ 18 3 Resultate _________________________________________________________________________ 24 3.1 Sinusparameter des mittleren Jahresgangs __________________________________________ 24 3.1.1 Vergleich der Perioden bis 1986 und 1990 bis 2011 ______________________________ 25 3.2 Typischer Jahrestemperaturverlauf der biozönotischen Regionen _______________________ 26 3.2.1 Zweifach gemittelte Jahresgänge ___________________________________________ 27 3.2.2 Box-Whisker-Plots _______________________________________________________ 32 3.3 Sondertypen und beeinflusste Gewässer im Vergleich mit dem typischen Temperaturband __ 37 3.4 Vergleich mit den Letal- und Präferenztemperaturen _________________________________ 39 4 Diskussion ________________________________________________________________________ 41 4.1 Typischer Temperaturverlauf der biozönotischen Regionen ____________________________ 41 4.2 Rolle des Klimawandels _________________________________________________________ 43 4.3 Empfehlungen ________________________________________________________________ 44 4.3.1 Box-Whisker-Plot oder zweifach gemittelter Jahresgang ________________________ 44 4.3.2 Zustandsbewertung anhand der typischen Temperaturbänder ____________________ 45
Anhang A1 Verwendete Stationen _____________________________________________________________ 49 A2 Mittlere Jahresgänge der Tageswerte der Stationen ______________________________________ 52 A3 Sinusparameter der Mittelwertskurven _______________________________________________ 55 A4 Sinusparameter der Box-Whisker-Plots _______________________________________________ 57
1 Einführung 1.1 Ziel und Kontext Vielerorts ist das Temperaturregime der Fliessgewässer durch Eingriffe durch den Menschen be- einflusst. Wärmeeinleitungen, etwa durch thermische Kraftwerke oder kommunale Kläranlagen, lassen die Wassertemperatur im Vergleich zum unbeeinflussten Zustand ansteigen. Neben diesen direkten anthropogenen Eingriffen haben sich zudem in den letzten Jahrzehnten deutliche Aus- wirkungen des Klimawandels auf den Wärmehaushalt der Oberflächengewässer gezeigt. Flächendeckend wurde ein Ansteigen der Wassertemperaturen beobachtet. Für aquatische Organismen ist die Wassertemperatur ein massgeblicher abiotischer Faktor, der das Wachstum und die Fortpflanzung einzelner Arten beeinflusst und die Zusammensetzung ganzer Biozönosen bestimmt. Wärmere Wassertemperaturen können über die Entwicklung der geographischen Ver- breitung aquatischer Organismen entscheiden. Da das Vorkommen einer Art auch an andere Randbedingungen (Gefälle, Strömung, usw.) gebunden ist, ist ein Ausweichen in höher- oder tieferliegende Gewässerabschnitte oft nur eingeschränkt möglich. Das Ziel der Auswertung ist die Ermittlung des typischen, möglichst anthropogen unbeeinflussten Jahresverlaufs der Wassertemperatur. Typisiert werden die Fliessgewässer dabei nach den bio- zönotischen Regionen, welche das Auftreten einer typischen Biozönose an eine räumliche Einheit knüpfen. Für eine Typisierung der Fliessgewässer im Zusammenhang mit Wassertemperaturen sind die biozönotischen Regionen besonders geeignet, da sie einerseits für einen Gewässer- abschnitt leicht zu bestimmen sind, und andererseits ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Gewässertemperatur und der biozönotischen Region existiert. Diese Arbeit entstand im Rahmen der Entwicklung des Moduls Temperatur für das Modul- Stufen-Konzept des Bundesamts für Umwelt (BAFU) und der Eidgenössische Anstalt für Wasser- versorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag). Das Modul Temperatur, an dessen Entwicklung auch das Büro Limnex AG beteiligt ist, soll ein Werkzeug zur Beurteilung von Ver- änderungen des Temperaturregimes eines Fliessgewässers aufgrund anthropogener Beeinflussung bereitstellen. Einer Beurteilung des Zustandes der Gewässertemperaturregimes kann einerseits eine emissionsbasierte Methodik zugrunde liegen, wozu die einzelnen Eingriffe bekannt und quantifizierbar sein müssen. Anderseits kann eine solche Bewertung von beobachteten Im- missionen im Gewässer ausgehen. Dieser Ansatz benötigt jedoch eine Referenz, welche den natürlichen Zustand widerspiegelt. Die Referenz kann entweder aus Temperaturansprüchen standorttypischer Organismen hergeleitet werden, oder auf Temperaturmessungen morphologisch ähnlichen, aber unbeeinflussten Gewässern basieren. Für den letzteren Ansatz soll mit dieser Arbeit die Grundlage geschaffen werden. 1
1.2 Gesetzliche Grundlagen Die in der Schweiz bezüglich Anforderung an die Temperaturverhältnisse in Fliessgewässern relevante Norm ist die Gewässerschutzverordnung (GSchV). Als allgemeine Anforderungen wird in Anhang 1 Ziff. 1 Abs. 3 Lit. A GSchV verlangt, dass in oberirdischen Gewässern die Temperaturverhältnisse «naturnah» sind. GSchV Anhang 1 Ökologische Ziele für Gewässer 1 Oberirdische Gewässer 3 Die Wasserqualität soll so beschaffen sein, dass: a. die Temperaturverhältnisse naturnah sind; Eine Konkretisierung der Anforderungen an die Temperaturverhältnisse wird in Anhang 2 Ziff. 12 Abs. 3 GSchV gegeben. Demnach sollen die Temperaturverhältnisse das «Gedeihen der für das Gewässer typischen Lebensgemeinschaften» ermöglichen. Zudem werden in Anhang 2 Ziff. 12 Abs. 4 Anforderungen an den Eintrag und Entzug von Wärme durch anthropogene Eingriffe ge - stellt. So darf die Temperatur verglichen mit dem «möglichst unbeeinflussten Zustand» um nicht mehr als 3 °C erhöht werden. Für Gewässerabschnitte der Forellenregion beträgt die maximal er- laubte Temperaturerhöhung 1.5 °C. Unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Fischregion wird für alle Fliessgewässer eine maximal erlaubte Wassertemperatur von 25 °C festgelegt, die nicht überschritten werden darf. Eine Konkretisierung des Begriffs «naturnah» oder eine Definition des «möglichst unbeeinflussten Zustands» werden jedoch nicht gegeben. GschV Anhang 2 Anforderungen an die Wasserqualität 1 Oberirdische Gewässer 12 Zusätzliche Anforderungen an Fliessgewässer 3 Durch Wasserentnahmen, Wassereinleitungen und bauliche Eingriffe dürfen die Hydrodynamik, die Morpho- logie und die Temperaturverhältnisse des Gewässers nicht derart verändert werden, dass dessen Selbst- reinigungsvermögen vermindert wird oder die Wasserqualität für das Gedeihen der für das Gewässer typischen Lebensgemeinschaften nicht mehr genügt. 4 Die Temperatur eines Fliessgewässers darf durch Wärmeeintrag oder -entzug gegenüber dem möglichst un - beeinflussten Zustand um höchstens 3 °C, in Gewässerabschnitten der Forellenregion um höchstens 1,5 °C, verändert werden; dabei darf die Wassertemperatur 25 °C nicht übersteigen. Diese Anforderungen gelten nach weitgehender Durchmischung. 2
1.3 Biozönotische Regionen Die Gewässertypisierung nach biozönotischen Regionen geht davon aus, dass eine Biozönose durch ihre Umweltansprüche an eine bestimmte Region im Längsverlauf des Gewässers gebunden ist. Eine Biozönose ist also auf Umweltbedingungen angewiesen, die sich in mehr oder weniger definierten Grenzen bewegen. In der deutschsprachigen Literatur beschrieb Thienemann (1925) zum ersten Mal die Charakteristiken der «Regionen der fliessenden Gewässer Mitteleuropas», ohne dabei den Begriff biozönotische Region zu nennen. Die später erfolgte Definition der Fischregionen durch Huet (1949) deckt sich weitgehend mit jenen der biozönotischen Regionen, hat ihren Ursprung jedoch nicht in der Limnologie, sondern der Fischerei. Die noch heute gebräuchliche biozönotische Unterteilung wurde durch Illies (1961) definiert, wo auch der Zusammenhang mit den bis anhin verwendeten Fischregionen hergestellt wurde. Illies schlug vor, die zwei Grossbiozönosen der Salmoniden (forellenartige Fische) und Cypriniden (Karpfenfische) künftig Rhithron und Potamon zu bezeichnen, und diese analog zur damals bereits gebräuchlichen Unterteilung des Ökosystems See mit den Präfixen Epi, Hypo und Meta zu unter- teilen. Hieraus folgen die biozönotischen Regionen Epirhithral (obere Forellenregion), Metarhithral (untere Forellenregion), Hyporhithral (Äschenregion), Epipotamal (Barbenregion), Metapotamal (Brachsmenregion) sowie Hypopotamal (Kaulbarsch-Flunder-Region). In Illies (1961) wurde ausserdem das Krenal (Quellregion) als weitere biozönotische Region aufgeführt. In der vorliegenden Arbeit werden zusätzlich auch Gletscherbäche betrachtet, welche die Region des Kryals bilden. Eine Übersicht über die biozönotischen Regionen und deren Charakteristiken ist in Tabelle 1 ge- geben, die mit Hilfe der Beschreibungen in Thienemann (1925), Illies (1961), Kottelat und Freyhof (2007) und Heinrich und Hergt (1990) zusammengestellt wurde. Folgt man einem Fliessgewässer von der Quelle bis zur Mündung in das Meer, so ist auf regionaler Skala eine typische Abfolge der biozönotischen Regionen zu erkennen. Auf das Krenal bzw. das Kryal folgt das Epi- und Metarhithral, nach dem Metarhithral folgt das Hyporhithral. Die Grenze zwischen Hyporhithral und Epipotamal ist gleichzeitig die Grenze der Grosszönosen Bachregion und Flussregion. Auf das Epipotamal folgen das Meta- und Hypopotamal, wobei letzteres bereits den durch Brackwasser charakterisierten Mündungsbereich darstellt. Die Forellenregion ist charakterisiert durch grosse Gefälle und grobes Sohlenmaterial bestehend aus Steinen, Blöcken und Kies. Dadurch herrscht eine schnelle und turbulente Strömung vor, was wiederum einen hohen Sauerstoffgehalt zur Folge hat. Die Fauna ist durch strömungsliebende (rheophile) Organismen dominiert. In der Äschenregion ist das Gefälle geringer, so dass es ver- mehrt zur Ausbildung eines verzweigten Gerinnes kommen kann. Durch häufige Hochwasser wird das meist aus Kies bestehende Flussbett dynamisch umgestaltet. Das geringere Gefälle und die grössere Wassertiefe hat eine verminderte Turbulenz zur Folge, der Sauerstoffgehalt ist aber immer noch vergleichsweise hoch. Beim Übergang der Äschenregion zur Barbenregion endet die Grosszönose der Bachregion (Rhithral), es beginnt die Flussregion (Potamal). Die Barbenregion ist 3
in der Längszonierung der Fliessgewässer die erste Zönose der Flussregion. Kennzeichnend für die Barbenregion ist ein relativ flaches Gefälle, das Sohlenmaterial besteht zunehmend aus Sand. Die geringe Fliessgeschwindigkeit induziert praktisch keine Turbulenzen mehr, wodurch der Sauer- stoffgehalt vor allem nahe der Sohle deutlich abnehmen kann. An die Barbenregion schliesst die Brachsmenregion an. Das Sohlenmaterial wird zunehmend feiner und ist von Schluff und organischen Sedimenten dominiert. Nahe der Sohle kann ein Sauerstoffdefizit auftreten. Tabelle 1 Übersicht über die in der Schweiz auftretenden biozönotischen Regionen und deren Umwelt- bedingungen. Nach Schindler (1963) und Heinrich und Hergt (1990), verändert nach Illies (1961). Grosszönose «Fischregion» Biozönotische Gerinneform Sohlenmaterial Sauerstoffgehalt Region gestreckt, ver- Steine/Blöcke, (Gletscherbach) - Kryal - zweigt Kies Quellregion - Krenal gestreckt - - Obere Steine/Blöcke, Epirhithral gestreckt sehr hoch Forellenregion Kies Bachregion Untere (Rhithral) Metarhithral gestreckt Steine, Kies sehr hoch Forellenregion Äschenregion Hyporhithral verzweigt Kies hoch hoch (Oberfläche) bis Barbenregion Epipotamal mäandrierend Kies, Sand Flussregion gering (Sohle) (Potamal) ausreichend (Oberfläche) Brachsmenregion Metapotamal mäandrierend Sand, Schluff bis Defizit (Sohle) Der Wechsel der Charakteristiken zur Abgrenzung der biozönotischen Regionen im Längsverlauf eines Gewässers ist meist abrupt und tritt vorwiegend bei Einmündungen oder Zusammenflüssen auf, wo sich Gefälle und Gewässerbreite stark ändern (Illies (1961)). Tatsächlicher gehen die bio- zönotischen Regionen jedoch fliessend ineinander über. Da das Vorkommen bestimmter Fischarten von verschiedenen abiotischen Umweltfaktoren ab- hängt, untersuchte Huet (1949) den Zusammenhang zwischen den Gefällsverhältnissen sowie der Gewässerbreite und dem Auftreten von Leitfischarten der Fischregionen. Die Fischregionen weisen demnach typische Bereiche von mittlerem Gefälle und mittlerer Breite auf. Umso breiter ein Gewässer, desto geringer ist im Allgemeinen das dazugehörige Gefälle. Tabelle 2 wurde aus Huet (1949) entnommen, und zeigt eine Übersicht über die Gewässerbreiten und Längsgefälle der Fischregionen. Die Forellenregion ist charakterisiert durch steile Gefälle bei kleinen mittleren Gewässerbreiten. Mässig steile Gefälle treten in der Äschenregion auf, die Gewässerbreite ist be- schränkt auf Breiten grösser einem Meter. Auch die Barbenregion tritt bei Breiten kleiner einem Meter nicht auf. Sehr kleine Längsgefälle sind charakteristisch für die Blei- bzw. Brachsmen- region. 4
Tabelle 2: Gefälls- und Breitenverhältnisse der Fischregionen. Aus Huet (1949). Kleiner Bach Bach Kleiner Fluss Grosser Fluss Strom (0 - 1 m) (1 - 5 m) (5 - 25 m) (25 - 100 m) (100 - 300 m) Gefälle in Promille für Breite von 1m 3m 15 m 60 m 200 m Forellenregion 50.0 – 12.5 25.0 – 7.5 17.5 – 6.0 12.5 – 4.5 Äschenregion 7.5 – 3.0 6.0 – 2.0 4.5 – 1.25 – 0.75 Barbenregion 3.0 – 1.0 2.0 – 0.5 1.25 – 0.33 0.75 – 0.25 Bleiregion 12.5 – 0.0 1.0 – 0.0 0.5 – 0.0 0.33 – 0.0 0.25 – 0.0 Die Wassertemperatur eines Fliessgewässers wird massgeblich durch die Lufttemperatur be- stimmt und somit indirekt durch die Höhenlage vorgegeben. Da auch das Längsgefälle im All- gemeinen eine Höhenabhängigkeit aufweist, kann davon ausgegangen werden, dass ein be- stimmter Gefällsbereich an einen bestimmten Temperaturbereich geknüpft ist. Huet (1949) zeigze, dass ein Zusammenhang zwischen den abiotischen Faktoren Gewässerbreite und Längsgefälle und dem Auftreten bestimmter Leitfischarten besteht. Die Leitfischarten selbst sind an bestimmte Temperaturgrenzen gebunden sind. Da die Wassertemperatur mit dem Längsgefälle und gleich- zeitig mit der Physiologie der Leitfischarten verknüpft ist, erscheint die Gewässertypisierung nach biozönotischen Regionen zur Abgrenzung verschiedener Temperaturregimes vielversprechend. 1.4 Temperaturregime von Fliessgewässern 1.4.1 Natürliche Einflussfaktoren In Abbildung 1 sind die wichtigsten natürlichen Einflussfaktoren auf die Wassertemperatur von Fliessgewässern zusammengestellt. Grossräumig wird die Wassertemperatur eines Fliessgewässers durch die klimatischen Bedingungen bestimmt. Regional beeinflussen topographische Faktoren und die Wasserherkunft die Wassertemperatur massgeblich. Zusätzlich wird die Wasser- temperatur durch Einflussfaktoren beeinflusst, welche an lokale Gegebenheiten (z.B. Beschattung oder Gerinnemorphologie) gebunden sind. Abbildung 1: Übersicht über die wichtigsten natürlichen Einflussfaktoren der Wassertemperatur von Fliessgewässern. Nach Caissie (2006), verändert. 5
Die Wärmeaufnahme wird massgeblich durch die Sonneneinstrahlung bestimmt. Ein kleinerer Beitrag zum Wärmeeintrag liefert ausserdem die Sohlreibung. Für die Wärmeabgabe sind da- gegen vor allem langwellige Abstrahlung, Konvektion und Evaporation relevant. Diese Prozesse sind stark von der Lufttemperatur abhängig, welche ihrerseits von der Höhenlage abhängig ist. Es existiert eine Vielzahl von Einflussfaktoren, welche indirekt auf die Wassertemperatur wirken. Unter den topographischen Einflussfaktoren bestimmen die Exposition sowie das Gefälle, in- wieweit ein Fliessgewässer der Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist. Unabhängig von der Topo- graphie spielt bei der Exposition gegenüber der Sonne vor allem auch die Beschattung durch die Ufervegetation sowie die Gerinnemorphologie eine Rolle. Die Wasserherkunft kann die Wassertemperatur entscheidend beeinflussen. Durch Schmelz- wasser gespiesene Gewässer sind vor allem im Oberlauf ganzjährig kühl. In der Quellregion weist das zu Tage tretende Grundwasser eine über das Jahr relativ konstante Temperatur auf, die auch im Winter meist mehrere Grade über null beträgt. Auch ausserhalb des Krenals kann ein Fliess- gewässer durch Grundwasser beeinflusst sein. Durch den Austausch über die Gewässersohle kann im Winter eine Erwärmung auftreten, während das Wasser im Sommer gekühlt wird. 1.4.2 Zeitlicher und räumlicher Temperaturverlauf Das Temperaturregime von Fliessgewässern umfasst die räumliche und zeitliche Entwicklung der Wassertemperatur. Zeitlich kann der Verlauf der Wassertemperatur durch je einen typischen Jahres- und Tagesgang beschrieben werden. Der Jahresverlauf der Wassertemperatur beschreibt in vielen Fällen eine Sinuskurve mit einem Maximum in den Sommermonaten und einem Minimum in den Wintermonaten. Der Tagesgang der Wassertemperatur verläuft ebenfalls sinus- förmig, wobei das Minimum früh morgens auftritt, das Maximum lässt sich spät nachmittags bis abends beobachten. In Abbildung 2 ist der Tagesverlauf der Wassertemperatur von drei Fliess- gewässern in der Ostschweiz für drei Tage im Juli 2010 gezeigt. Durch natürliche Einflussfaktoren wie Wasserherkunft oder Beschattung kann der Temperaturverlauf über den Tag teils stärker von einer Sinuskurve abweichen. Abbildung 2: Verlauf der Wassertemperatur über drei Tage im Sommer 2010 für drei Fliessgewässer. 6
Im Längsverlauf eines Fliessgewässers nimmt im Sommer die Wassertemperatur zu, wobei sich die Temperaturzunahme mit zunehmender Distanz zum Krenal immer mehr verlangsamt (Illies, 1961). Im Winter kann die Wassertemperatur im Längsverlauf abnehmen, da im Fliessverlauf des Gewässers mehr Wärme abgestrahlt als zugeführt wird. Nahe des Krenals hingegen weist das (Quell-)wasser eine etwa ganzjährig konstante Wassertemperatur auf, welche häufig einige Grade über null liegt (Pfammatter (2004)). Die Temperaturverhältnisse im Querprofil hängen stark von der Gerinnemorphologie ab (Jungwirth et al. (2003)). Verläuft ein Fliessgewässer in einem einzigen geraden und einheitlichen Gerinne, so ist die Wassertemperatur lateral und vertikal sehr homogen. Hingegen sind in einem strukturierten Gerinne mit ausgeprägten Uferstrukturen, Bankbildung sowie Neben- und Alt- armen auch die Temperaturverhältnisse im Querprofil sehr heterogen. Im Vergleich zum Haupt- gerinne weisen Nebenarme in der Regel stärkere Temperaturschwankungen auf. Altarme sind umso wärmer je geringer die Vernetzung mit durchflossenen Armen ist. Auch im Hauptgerinne selbst können laterale Temperaturunterschiede auftreten. In den seichten Uferzonen mit geringer Tiefe und reduzierter Strömungsgeschwindigkeit findet im Sommer eine stärkere Erwärmung als in der Gerinnemitte statt. Das vertikale Temperaturprofil ist stark von der Vernetzung mit dem Grundwasser abhängig. Je grösser diese Vernetzung, welche von der Korngrössenverteilung des Sohlenmaterials und dem Anteil organischer Feinanteile abhängig ist, desto kühler ist das Wasser mit zunehmender Tiefe. 1.5 Temperaturansprüche der Leitfischarten Für die Entwicklung eines Fisches spielt die Wassertemperatur eine zentrale Rolle. Da Fische als wechselwarme Organismen keine ausgeprägten Mechanismen zur Regulierung der Körper- temperatur besitzen, hängen ihr Wachstum und ihre Vermehrung unter anderem entscheidend von der Wassertemperatur ab. Ganz allgemein formuliert ist das Wachstum umso schneller, je höher die Wassertemperatur ist, denn bei höheren Temperaturen ist ein grösserer Stoffumsatz möglich. Gleichzeitig nimmt bei zunehmender Wassertemperatur die Sauerstoffsättigung ab. Sind bei einer Wassertemperatur von 10 °C etwa 11 g/l Sauerstoff löslich, beträgt die Sauerstoff- sättigung bei 30 °C nur noch etwa 7 mg/l. Durch die erhöhte biologische Aktivität bei erhöhten Wassertemperaturen steigt der Sauerstoffbedarf, die Sauerstoffsättigung nimmt jedoch ab. Daher ist der wachstumslimitierende Faktor nicht die Wassertemperatur selbst, sondern die bei höheren Temperaturen verminderte Sauerstofflöslichkeit ist (Jungwirth et al. (2003)). Da die verschiedenen Entwicklungsstadien eines Fisches unterschiedliche Temperaturansprüche aufweisen, bedeuten höhere Temperaturen nicht automatisch ein höheres Wachstum einer ganzen Population. Bei der Bachforelle beträgt die Maximaltemperatur für die Eientwicklung beispielsweise 14 °C, während die Letaltemperatur des adulten Fischs erst bei 30 °C liegt ( Küttel et al. (2002)). Können die Temperaturansprüche eines Entwicklungsstadiums nicht eingehalten werden, heisst dies nicht automatisch, dass die betrachtete Fischart in dem Gewässerabschnitt nicht vorkommt. Er kommt lediglich nicht in allen Entwicklungsstadien vor. Für Fische sind die Temperaturansprüchen und -grenzen heute gut bekannt. Für viele andere 7
Organismen der Zönose dagegen noch häufig ungenügend. Die Leitfischart steht jedoch stellver- tretend für die ganzen Zönose, da für die aquatischen Organismen Fische meist an oberster Stelle der Nahrungskette stehen. Zu den Temperaturansprüchen von Fischen und ihren Entwicklungs- stadien wurde eine Vielzahl an Versuchen durchgeführt, dementsprechend ist die Literatur relativ umfangreich. Die Befunde einzelner Autoren weichen dabei mehr oder weniger stark von- einander ab. An dieser Stelle wird auf eine Auswertung dieser Literatur verzichtet, und statt - dessen auf die Arbeit von Küttel et al. (2002) zurückgegriffen, wo im Zusammenhang mit der Re- vitalisierung der Rhône von der Eawag eine umfängliche Literaturstudie durchgeführt wurde. Hieraus sind für die Leitfischarten der biozönotischen Regionen in Tabelle 3 die Präferenz- temperaturen als Überlebens- und Optimalbereich angegeben. Auch in Reinartz (2007) wurden Literaturangaben zu Letal- und Präferenztemperaturen nach den verschiedenen Entwicklungs- stadien zusammengetragen, die dortigen Angaben decken sich weitgehend mit den Befunden von Küttel et al. (2002). Tabelle 3: Letal- und Präferenztemperaturen der Leitfischarten nach verschiedenen Entwicklungsstadien. Nach Küttel et al. (2002). Bachforelle Äsche (Thymallus Barbe Brachsme Entwicklungsstadium (Salmo trutta) thymallus) (Barbus barbus) (Abramis brama) Maximum 14 16 21 28 oberes Optimum 9 14 21 20 Eier unteres Optimum 1 7 16 12 Minimum 0 0 16 6 Maximum 28 34 Juvenile oberes Optimum 14 34 unteres Optimum 7 14 Minimum 0 14 14 Maximum 30 26 30 36 Adulte oberes Optimum 19 18 28 unteres Optimum 4 4 8 Minimum 0 0 8 Maximum 13 15 29 23 Fortplfanz. oberes Optimum 10 10 20 20 unteres Optimum 1 6 14 12 Minimum 1 4 8 18 Die Abfolge der einzelnen Entwicklungsstadien der Fische ist eng an den Jahresverlauf geknüpft. Vor allem die Laichzeit findet nur entweder im Winter bis Frühjahr oder im Frühsommer statt. Die typischen Laichzeiten der Leitfischarten der biozönotischen Regionen sind in Tabelle 4 auf- geführt. Tabelle 4: Laichzeiten der Leitfischarten der biozönotischen Regionen nach Kottelat und Freyhof (2007). Art Jan. Feb. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Äsche (Thymallus thymallus) Bachforelle (Salmo trutta) Barbe (Barbus barbus) Brachsme (Abramis brama) 8
1.6 Anthropogene Beeinflussung 1.6.1 Unmittelbar reversible Eingriffe Eingriffe, welche durch den Menschen direkt, d.h. mit sofortiger Wirkung steuerbar sind, werden hier als unmittelbar reversible Eingriffe bezeichnet. Diese Art von Eingriffen sowie deren Aus - wirkung auf das Temperaturregime eines Fliessgewässers könnte, ungeachtet wirtschaftlicher Interessen, innerhalb kürzester Zeit unterbrochen oder ganz unterbunden werden. Wasserrückgabe und Turbinierung aus einem Speichersee In alpinen Einzugsgebieten gelangt der Grossteil des Niederschlags im Winter nicht direkt zum Abfluss, sondern wird als Schnee und Eis zurückgehalten. Erst im Frühjahr schwillt der Abfluss mit Beginn der Schneeschmelze an, und erreicht im Sommer das Maximum. Mit den Speicherseen alpiner Speicherkraftwerke wird das Schmelzwasser im Sommer zum Teil zurückgehalten, und aufgrund des grösseren Strombedarfs vor allem im Winter abgelassen und turbiniert. Das Tiefenwasser von Speicherseen weist in der Regel ganzjährig eine Temperatur von 4 °C auf. Da sich der Auslass eines Speichersees aufgrund des schwankenden Wasserspiegels meist im unteren Bereich befindet, wird das ganze Jahr über gleichmässig kühles Wasser zur Turbinierung abgelassen. Dadurch wird die Wassertemperatur von Fliessgewässern mit Speicherkraftwerken im Winter erhöht und im Sommer erniedrigt. Für die Rhône haben Meier und Wüest (2004) für den Winter eine Erwärmung um etwa 1 °C und im Sommer eine Abkühlung um 2 °C ermittelt. Insgesamt hat die Energieerzeugung durch Speicherkraftwerke in der Rhône im Jahresmittel eine Abkühlung von 1.1 °C zur Folge. Wird ein Speicherkraftwerk zur Deckung des Spitzenstrombedarfs gesteuert, können die oben genannten Auswirkungen innerhalb eines Tages auftreten. Der Verlauf der Wassertemperatur korrespondiert dabei mit dem schwall- und sunkartigen Abflussverlauf, wobei die Temperatur während des Schwalls oft abnimmt, und beim Sunk wieder ansteigt (Forstenlechner et al. (1997)). Bei Laufkraftwerken, welche nur über vergleichsweise kleine Tagesspeicher verfügen, ist der Effekt der Spitzenstromerzeugung auf den Temperaturverlauf vernachlässigbar (Meier et al. (2004)). Ein weiterer Effekt der Wasserspeicherung ist die Vergrösserung der Wasseroberfläche sowie die verlängerte Aufenthaltszeit und die damit eingehende zusätzliche Erwärmung der obersten Wasserschicht. Diese Erwärmung spielt aber für die Wärmebilanz des gesamten Wasserkörpers keine Rolle (Forstenlechner et al. (1997)). Auf die Wassertemperatur des Rückgabewassers hat auch die Turbinierung selbst einen Einfluss. Wird das Wasser über Leitungen und Druckstollen zur Turbinierung geleitet, wird weniger Reibungswärme über die Gewässersohle erzeugt. Durch Laufverkürzung und glatt ausgekleidete Druckleitungen wird ein Teil der potentiellen Energie nicht über die Sohle in Reibungswärme umgewandelt, sondern in elektrische Energie. Für die Rhône beträgt die Abkühlung hierdurch 1.6 °C (Meier und Wüest (2004)). 9
Restwasserstrecke Wird dem Fliessgewässer Wasser entnommen und erst weiter stromab wieder zurückgeleitet bzw. einem fremden Gewässer zugeleitet, entsteht eine Strecke mit vermindertem Abfluss (Rest- wasserstrecke). Die Restwasserstrecke ist charakterisiert durch eine verringerte Wassertiefe, wobei durch den unveränderten Gerinnequerschnitt die Wasseroberfläche weniger stark ab- nimmt. Im Verhältnis zum Wasservolumen bedeutet dies ein verstärkter Wärmeaustausch mit der Umgebung, welcher durch die verringerte Fliessgeschwindigkeit noch verstärkt wird. Es resultiert eine im Mittel grössere Erwärmung im Sommer und eine stärkere Abkühlung im Winter (Forstenlechner et al. (1997)). Dies Betrifft insbesondere auch die Maximaltemperaturen, welche im Vergleich zur natürlichen Wasserführung höher ausfallen (Reinartz (2007)). Wärmeeintrag Der anthropogene Eintrag von Wärme geschieht entweder durch direkte Erwärmung des im Ge- rinne vorhandenen Wassers oder durch Einleitung von im Vergleich zum Vorfluter wärmerem Wasser anderen Ursprungs. Ersteres findet in der Regel bei der Nutzung eines Gewässers zur Kühlung technischer Prozesse statt. Von Bedeutung ist dies vor allem bei thermischen Kraft- werken, in der Schweiz allen voran bei den Kernkraftwerken an der Aare und am Rhein. Nach dem Bau und der Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Beznau an der Aare konnte an der Mess- station Felsenau ein Anstieg der Wassertemperatur um 1.2 °C im Sommer und 1.9 °C im Winter beobachtet werden (Jakob et al. (1996)). Bei der Einleitung von wärmerem Wasser anderen Ur- sprungs ist vor allem die Einleitung von gereinigtem Abwasser in Fliessgewässer mit geringem Abfluss (kleines Verdünnungsverhältnis) von Bedeutung. 1.6.2 Unmittelbar irreversible Eingriffe Eingriffe und deren Auswirkungen, welche kurzfristig nicht reversibel sind, werden hier als un- mittelbar irreversible Eingriffe bezeichnet. Die Eigenart dieser Eingriffe besteht darin, dass sie nur mit grossen Anstrengungen behoben werden können, oder sich nach Beheben des Eingriffs erst allmählich eine Wirkung zeigt. Hierzu zählen die Entfernung der Ufervegetation, bauliche Ein- griffe wie grosse Gewässerkorrektionen, aber auch der Klimawandel. Für die diese Art von Ein- griffen ist es schwierig, den ursprünglichen, natürlichen Zustand in der Schweiz zu rekonstruieren. Aus diesem Grund werden irreversible Eingriffe für die Auswertungen nicht be- rücksichtigt. Die wichtigsten Eingriffe werden jedoch im Folgenden kurz erläutert. Entfernung der Ufervegetation Die Beschattung durch die Ufervegetation hat vor allem bei Bächen einen grossen Einfluss auf die Wassertemperatur. Dort kann die Vegetation einen Grossteil der Wasseroberfläche beschatten, bei grösseren Gewässern vermag die Vegetation hingegen nur die Uferstreifen beschatten. Eine Ent- fernung der Ufervegetation führt im Sommer meist zu einer Zunahme der Wassertemperatur, im 10
Winter kann die Wassertemperatur dagegen abnehmen (Naiman et al. (2005)). Die Maximal- temperaturen können dabei um mehrere Grade erhöht werden. Bei vorhandener Ufervegetation wirkt das Blattwerk als Isolation gegen Abstrahlung von Infrarotstrahlung, gleichzeitig verhindert die Vegetation die Einstrahlung kurzwelliger Strahlung. Nadelhölzern zeigen dabei einen grösseren Kühlungseffekt als Laubbäume. Die Ufervegetation kann im Winter die Einstrahlung kurzwelliger Strahlen mindern, gleichzeitig verhindert die Isolationswirkung ein zu starkes Aus- kühlen des Gewässers, was insbesondere auch die Eisbildung einschränkt. Abbildung 3 zeigt den Zusammenhang zwischen der Länge des beschatteten Gewässeranteils, der Breite des Vegetationsstreifens und der im Unterlauf zu erwartenden Gewässertemperatur. Ebenfalls gezeigt ist der Einfluss der Länge einer Vegetationslücke. Abbildung 3 Links: Einfluss der Breite und Länge des oberliegenden Abschnittes mit Ufervegetation auf die Wassertemperatur eines Fliessgewässers. Rechts: Einfluss der Länge eines vegetations- losen Gewässerabschnitts auf die unterliegende Wassertemperatur. Aus Naiman et al. (2005). Bauliche Veränderungen Bauliche Veränderungen an einem Fliessgewässer lassen sich aufteilen in Kanalisierung und Überdeckung. Eine Kanalisierung ist in der Regel mit einer Begradigung und Querschnittsver- kleinerung verbunden. Durch die Begradigung wird das Gefälle vergrössert, wodurch die Fliess- geschwindigkeit erhöht wird. Dies ermöglicht die Ableitung derselben Wassermenge bei geringerer Breite, aber gleichem Pegel. Aus der schnelleren Fliessgeschwindigkeit resultiert eine geringere Aufenthaltszeit des Wassers, wodurch der Wärmeaustausch mit der Atmosphäre und der Gerinnesohle eingeschränkt wird. Die Folge ist ein ausgeglichener Temperaturverlauf. Eindolungen haben ebenfalls einen ausgeglicheneren Temperaturverlauf zur Folge, da das Ge- wässer vor Abstrahlung und Einstrahlung vollständig isoliert ist. 11
Klimawandel Über die letzten Jahrzehnte zeichnen sich Auswirkungen des Klimawandels auch bei der Wasser- temperatur von Fliessgewässern ab. Im Rhein an der deutsch-holländischen Grenze wurde seit 1954 eine Temperaturzunahme um etwa 2 °C beobachtet. Auch im Alpenrhein und an der Aare konnte eine Temperaturerhöhung festgestellt werden, jedoch nicht so stark wie im Niederrhein. Gemeinsam haben die Beobachtungen einen deutlichen Temperatursprung zwischen 1987 und 1988 (Jakob et al. (1996)). Hari und andere (Hari und Güttinger (2004), sowie Hari et al. (2006)) werteten für 25 Fliess- gewässer in der Schweiz Wassertemperaturdaten der Periode 1978 bis 2002 aus. Es wurde Temperaturzunahme um 0.4 bis 1.6 °C festgestellt. Ausserdem trat eine Verschiebung des Zeit- punktes zur Erreichung von 9 °C im Frühjahr um etwa zwei Wochen früher auf. In Hari et al. (2006) wurde ebenfalls ein markanter Sprung der Wassertemperatur zwischen den Jahren 1987/1988 festgestellt. Ein Vergleich der Perioden vor 1987/88 und danach zeigten eine Erhöhung des langjähringen Mittelwerts der Wassertemperatur (als Parameter der Sinusregression) um 0.1 bis 1.1 °C, wobei der Unterschied zwischen beiden Perioden mit zunehmender Höhe abnimmt. Neben der Wassertemperatur wurde dieser Sprung ebenso in der regionalen Lufttemperatur nachgewiesen, während andere für die Wassertemperatur relevante Einflussfaktoren kein der- artiges Verhalten zeigten. Dies deutet darauf hin, dass die Zunahme der Wassertemperaturen durch den Klimawandel verursacht wurde, und nicht etwa eine Folge von veränderten Ge- wässercharakteristiken ist. Auch in anderen europäischen Ländern wurden Zunahmen der Wassertemperatur von Fliess- gewässern festgestellt. Daufresne et al. (2003) stellten für Wassertemperaturdaten der oberen Rhône in Frankreich seit Ende der siebziger Jahre eine Temperaturzunahme um 1.5 °C fest. In der Donau und ihrer Zuflüsse in Kroatien wurde eine Zunahme der Wassertemperatur um 0.7 bis 1.5 °C seit den fünfziger Jahren beobachtet (Bonacci et al. (2008)). Ebenfalls für die Donau konnten Webb und Nobilis (2007) in Österreich eine Erwärmung um etwa 1.5 °C über das letzte Jahr- hundert nachweisen. 12
2 Datengrundlage und Methoden 2.1 Datenherkunft Für die Auswertungen wurden Daten von 107 Messstationen verwendet, die insgesamt 1058 Jahre an verwertbaren Daten aufwiesen. Davon lagen 876 Jahre für den Auswertungszeitraum von An- fang 1990 bis Anfang 2011 vor. Eine Zusammenstellung über alle verwendeten Daten, deren Herkunft und Charakteristiken ist in Anhang A1 gegeben. 2.1.1 BAFU-Messnetze Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) betreibt ein Messnetz zur Erfassung und Überwachung von Abflussdaten. Daneben wird an vielen Stationen auch die Wassertemperatur erfasst. Die Temperaturmessungen der BAFU-Stationen können einen systematischen Fehler von ± 0.1 – 0.2 °C aufweisen. Zufällige Fehler können nach Mittelung über einen Zeitraum von einem Tag ver- nachlässigt werden. (Jakob et al. (1996)). Die Messreihen des Basismessnetzes Oberflächen- gewässer reichen teilweise bis in die fünfziger Jahre zurück. Dies allerdings nur an den grossen, und zum Teil stark anthropogen beeinflussten Gewässern, welche für die hier durchgeführten Untersuchungen nicht verwendet werden können. Zwischen 2000 und 2002 wurde das Temperaturmessnetz grosszügig erweitert, und gezielt Messstationen in kleineren, wenig beein- flussten Einzugsgebieten erstellt. Neben dem Basismessnetz der Oberflächengewässer betreibt das BAFU weitere Messnetze. Eines davon ist das Messnetz der Nationalen Grundwasserbeobachtung (NAQUA). Das NAQUA- Messnetz besteht aus Messstellen, an welchen die Grundwassertemperatur in Piezometerrohren gemessen wird, aber auch aus Messstellen, welche sich an natürlichen Quellen befinden. Bei den Letzteren handelt es sich also um Messungen in der Fliessgewässerregion des Krenals. Die Daten dieser Messstellen wurden für diese Arbeit miteinbezogen. 2.1.2 Kantonale Messstellen Seit Beginn der neunziger Jahre begannen auch die Kantone verstärkt eigene Hydrometrie-Mess- netze aufzubauen. Zunächst wurden meist nur Abfluss- und Pegelmessungen durchgeführt. Erst nach der Jahrtausendwende wurden vermehrt auch Stationen zur Erfassung der Wasser- temperatur eingerichtet, oder bestehende Stationen aufgerüstet. Nur wenige kantonale Stationen erfassten von Beginn an die Wassertemperatur. Die Daten der kantonalen Hydrometrie-Abteilungen lagen für diese Arbeit in unterschiedlicher zeitlicher Auflösung vor. Häufig konnten die Temperaturdaten als Tagesmittel mit Tages- maximal- und -minimalwert zur Verfügung gestellt werden. In anderen Fällen lagen die Daten als 10- oder 15-Minutenwerte vor. 13
Für die nachfolgenden Untersuchungen wurden Daten von den Kantonen Aargau, Bern, St. Gallen mit beiden Appenzell, Solothurn, Waadt und Zürich verwendet. Die Daten des Kanton Uri konnten zur Ermittlung des typischen Temperaturverlaufs der biozönotischen Regionen nicht verwendet werden, eignen sich aber aufgrund der starken Beeinflussung für einen Vergleich mit diesen. Für die kantonalen Stationen werden ähnliche Messungenauigkeiten wie für die Stationen des Bundes erwartet. 2.1.3 Daten aus dem Ausland Vor allem zur Verbesserung der Datenbasis des Hyporhithrals und des Epipotamals wurden auch Wassertemperaturen aus Baden-Württemberg verwendet. Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz des Landes Baden-Württemberg (LUBW) stellte Daten als Stundenwerte zur Verfügung, wobei der Messbeginn zwischen den Jahren 1974 und 1994 lag. Es wurden Temperaturdaten der Donau und des Neckars mit einigen Nebengewässern verwendet. 2.1.4 Daten anderer Herkunft Neben Daten von behördlichen Hydrometrie-Messnetzen wurden auch Daten anderer Ein- richtungen verwendet. Aus Messkampagnen der Eawag Dübendorf stammen Temperaturdaten des Neckers sowie Wassertemperaturdaten aus dem Val Roseg, dem Spöltal, des Morteratschbachs am Morteratschgletscher sowie der Lonza am Langgletscher (Datenquelle: Uehlinger U., Department of Aquatic Ecology, Eawag Dübenorf). Ausserdem wurden Temperaturdaten von vier kollinen Kleingewässern sowie eines subalpinen Gebirgsbaches von dem Zürcher Umweltberatungsbüro Limnex AG bereitgestellt. 2.2 Stationswahl Als für die Wassertemperatur bedeutende und leicht ermittelbare anthropogene Eingriffe wurde die Wasserkraftnutzung und Wärmeeinleitung identifiziert. Bei der Wasserkraft ist vor allem die damit verbundene Restwassersituation sowie der Schwall- und Sunkbetrieb bei Speicherkraft- werken von Bedeutung. Wärmeeinleitungen haben in der Schweiz ihre Ursache meist in der Kühlung thermischer Kraftwerke sowie der Einleitung von gereinigtem Abwasser. Zur Be- urteilung der anthropogenen Beeinflussung der Wassertemperatur wurden die eben genannten Einflüsse für jedes der Gewässer mit Wassertemperaturdaten der unter Kapitel 2.1 aufgeführten Datenquellen untersucht. Für die Fliessgewässer des BAFU-Messnetzes wurde auf die Arbeit von Jakob (2010) zurückgegriffen, wo die anthropogene Beeinflussung durch Speicherkraftwerke, sowie die natürliche Beeinflussung durch Grundwasser und Seen ermittelt wurde. 2.3 Beeinträchtigung durch die Wasserkraft Die Beeinflussung der Wassertemperatur durch Speicherkraftwerke wurde anhand der Rest- wasserkarte des Hydrologischen Atlas der Schweiz (Sprefico et al. (1992), Tafel 5.3) beurteilt. 14
Aufgrund der Beeinflussung durch Speicherkraftwerke können Temperaturdaten von Gewässern in der Zentralschweiz sowie in den Kantonen Graubünden und Wallis mit Ausnahme einiger höherliegenden Nebengewässer praktisch nicht verwendet werden. Für die verwendeten Fliess- gewässer in Baden-Württemberg liegt keine Beeinflussung durch Speicherkraftwerke vor, es sind jedoch eine Vielzahl an Flusskraftwerken in Betrieb. Diese haben lediglich einen Einfluss auf die Tagesganglinie der Temperatur, weshalb dieser Einfluss nicht berücksichtigt wird. 2.3.1 Beeinträchtigung durch thermische Einleitungen Das Temperaturregime der Aare ist neben der Wasserkraft vor allem durch die Kühlung der an- liegenden Kernkraftwerke beeinflusst, weswegen die Temperaturdaten der Messstationen der Aare nicht verwendet werden konnten. Gleiches gilt für den Rhein ab Koblenz. Durch den Ein- fluss thermischer Kraftwerke wurden aus Baden-Württemberg nur die Wassertemperaturdaten des Neckars oberhalb des ersten thermischen Kraftwerks bei Plochingen (Haag et al. (2005)), sowie jene der Seitenzuflüsse des Neckars verwendet. Zur Beurteilung des Einflusses der Einleitung von gereinigtem Abwasser wurden die Informationen zu den ARA-Standorten der Umweltdatenbank ecoGIS (BAFU (2011)) verwendet. Neben der Ausbaugrösse werden dort auch Angaben zum Anteil an gereinigtem Abwasser im Vorfluter bei Niedrigwasser gemacht. Daten von Messstationen, welche sich weniger als 1000 m unterhalb einer ARA befinden, wurden unabhängig vom Verdünnungsverhältnis nicht ver- wendet. Beträgt der Anteil an gereinigtem Abwasser im Vorfluter bei Niedrigwasser weniger als 10-20 % und der Abstand der Messstation zur Einleitungsstelle mehr als 1000 Meter, wurde die jeweilige Messstation verwendet. Gewässer mit Abwassereinleitungen mit lokalen Anteilen von mehr als 20-50 % wurden nur verwendet, wenn die Summe der Zuflüsse bis zur Messstation zum betrachteten Gewässer im Verhältnis 2:1 steht. Für Baden-Württemberg lagen neben den Angaben zum ARA-Standort keine detaillierteren Informationen zur Abwassereinleitung vor, daher wurden nur Daten von Messstationen verwendet, die mindestens 5000 Meter von ARA-Stand- orten entfernt liegen. 2.3.2 Sondertypen Aufgrund von natürlichen Gegebenheiten kann ein Fliessgewässer nicht in allen Fällen einer Fischregion zugeordnet werden. Ausserdem können durch lokale Besonderheiten starke Ab- weichungen von den typischen abiotischen Umweltfaktoren einer biozönotischen Region auf- treten, u.a. von der Gewässertemperatur. Dies betrifft vor allem grundwasserbeeinflusste Ge- wässer und Seeausflüsse. Aus diesem Grund wurden die Fliessgewässer nicht nur auf anthropo- gene Beeinflussung untersucht, sondern es wurde auch ermittelt, ob das Gewässer zu den eben genannten Typen gehört. Seeausflüsse sind im Allgemeinen bekannt, und daher leicht zu identi- fizieren. Eine Beeinflussung durch Grundwasser ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. Im Zu- sammenhang mit Grundwasser kann die Wassertemperatur auf zwei Arten beeinflusst werden, nämlich durch Exfiltration und Infiltration. Exfiltriert Grundwasser in das Fliessgewässer, so liegt 15
meist ein relativ kühler und ausgeglichener Jahresverlauf der Wassertemperatur vor, wobei auch im Winter die Wassertemperatur mehrere Grade über null liegt. Liegt eine Infiltration von Wasser aus dem Gerinne in das Grundwasser vor, so ähneln die Auswirkungen auf die Wassertemperatur jenen der künstlichen Restwasserstrecke, d.h. im Sommer wird das Wasser stärker erwärmt, und im Winter kühlt es stärker aus. Lag nach visueller Überprüfung der einzelnen Messreihen eine Beeinflussung durch Grundwasser nahe, so wurde der Verdacht mit den kantonalen Grundwasserkarten überprüft. Für die Mess- stationen des BAFU wurde bereits durch Jakob (2010) festgestellt, ob eine Grundwasserbeein- flussung vorliegt oder nicht. 2.4 Datenaufbereitung Die verwendeten Wassertemperaturzeitreihen wiesen sehr unterschiedliche Zeitintervalle auf. Die Messreihen lagen in 10, 15 oder 30-Minutenintervallen, als Stundenmittel oder als Tagesmittel vor. Für jede Messreihe wurden zunächst die Tagesmittelwerte berechnet. Für Messreihen mit Zeitintervallen kleiner oder gleich einer Stunde wurde im gleichen Schritt der Tageshöchst- und -tiefstwert aus den grössten bzw. kleinsten Werten eines Tages bestimmt. Für Daten, welche als Tagesmittel vorlagen, waren auch bereits die Tagesextremwerte in der Datenlieferung vorhanden. Die Datenbasis pro Station bestand also insgesamt aus drei Zeitreihen, dem Tagesmittelwert, dem Tagesmaximum und -minimum. Anschliessend wurden die Zeitreihen visuell auf Plausibilität und Fehler überprüft. Nicht plausible Tageswerte wurden dabei entfernt. Datenlücken wurden nicht interpoliert. Bereits in den Ausgangsdaten interpolierte Werte wurden entfernt, sofern dies bekannt oder ersichtlich war. 2.5 Auswertung Die als anthropogen unbeeinflusst eingestuften Gewässer wurden für die Auswertung zunächst den biozönotischen Regionen zugeordnet. Anschliessend wurde pro biozönotische Region unter Zuhilfenahme des Sinusmodells der typische Jahresverlauf der Wassertemperatur bestimmt. 2.5.1 Einteilung in die biozönotischen Regionen Die Zuordnung der Fliessgewässer zu den einzelnen biozönotischen Regionen geschah mit Hilfe der Abgrenzungskriterien aus Huet (1949), welche in Abbildung 4 dargestellt sind. Zur Unter- scheidung der «Forellenregion» nach Epirhithral und Metarhithral wurde die Originalgraphik von Huet nach Ratschan (2010) ergänzt. Grundlage für die Abgrenzung der Fischregionen sind das mittlere Gefälle und die mittlere Breite. Das mittlere Gefälle wurde mit Hilfe der detaillierten Längsprofile aus Gilgen et al. (1916) als Mittelwert über einen Kilometer ermittelt. Bei Gewässern, für welche keine Längsprofile vor- lagen, wurde das Gefälle aus den Höhenkurven der Landeskarte 1:25'000 bestimmt. 16
Abbildung 4: Abgrenzungskriterien der biozönotischen Regionen nach Huet (1949). Ergänzt zur Ab- grenzung des Epirhithral nach Ratschan (2010). Die mittlere Gerinnebreite wurde aus den Karten der amtlichen Vermessung über die jeweiligen kantonalen Online-Geoportale herausgelesen. Um die Breite des wasserführenden Gerinnes, und nicht des ganzen Gerinnequerschnitts zu erfassen, wurde – falls es die Auslösung und die Ufer - vegetation erlaubte – die ermittelte mittlere Breite mit Luftbildern validiert. Auch die mittlere Breite wurde so bestimmt, dass sie für etwa einen Kilometer im Bereich der Messstation repräsentativ ist. Die Abgrenzung des Epi- und Metarhithrals wurde mit einem Nomogramm aus BUS (1980) überprüft, wobei grösstenteils eine Übereinstimmung festgestellt wurde. Dieses Nomogramm verwendet zur Bestimmung der biozönotischen Region neben der mittleren Breite und dem mittleren Gefälle zusätzlich die Parameter Distanz zur Quelle, mittlere Abflusstiefe und maximales Monatsmittel der Wassertemperatur. 2.5.2 Einteilung nach geobotanischer Höhenstufe Nach einer ersten Auswertung konnte bereits deutliche Unterschiede der Jahresgänge der Wassertemperatur zwischen den biozönotischen Regionen festgestellt werden. Der Unterschied zwischen den mittleren Jahresgängen der Tagesmaximal- und -minimalwerten war teils jedoch verhältnismässig gross, so dass insgesamt für die biozönotische Region ein breites Band vorlag. Aus diesem Grund wurden die Messstationen des Epirhithrals sowie des Metarhithrals zusätzlich nach den geobotanischen Höhenstufen klassiert. Somit wurde für diese biozönotischen Regionen jeweils eine Auswertung pro Höhenstufe durchgeführt. Die Grenzen der geobotanischen Höhen- 17
stufen wurden nach Baltisberger (2009) gewählt, wobei nach den geobotanischen Regionen unterschieden wurde. Die Zugehörigkeit der Messstationen zu den geobotanischen Regionen wurde mit Hilfe des räumlichen Datensatzes (BAFU (2010)) festgestellt. Da Baltisberger jeweils ein Grenzbereich angegeben hat, für eine Einteilung der Messstationen in geobotanischen Höhenstufen jedoch ein diskreter Wert erforderlich ist, wurde in Anlehnung an Jakob (2010) jeweils ein mittlerer Wert gewählt. Die verwendeten Untergrenzen der geobotanischen Höhen- stufen sind in Tabelle 5 aufgeführt. Die Einteilung der Fliessgewässer nach geobotanischen Höhenstufen wird anhand der mittleren Höhe des Einzugsgebiets vorgenommen. Eine Einteilung nach der Höhe der Messstation wurde ebenfalls geprüft, jedoch resultierte hierbei ein weniger deutlicher Zusammenhang. Tabelle 5: Für die Auswertung verwendeten Untergrenzen der geobotanischen Regionen. Höhenstufe Untere Grenze (m.ü.M.) Nordalpen Zentralalpen Südalpen Jura alpin 2000 2300 2000 2000 subalpin 1300 1500 1700 1200 montan 700 800 900 700 kollin 300 300 300 300 2.5.3 Berechnungsvorgang Für ein Modul Temperatur des Modul-Stufen-Konzepts soll anhand der typischen, unbeein- flussten Jahresverläufe der Wassertemperatur nach biozönotischen Regionen eine Bewertung des Zustandes des Temperaturregimes eines beliebigen Gewässers möglich sein. Idealerweise sollen zur Zustandsbewertung die fünf bereits in anderen Modulen verwendeten Klassen mit ihrer Farbcodierung zur Anwendung kommen: natürlich/naturnah (blau), wenig verändert (grün), wesentlich verändert (gelb), stark verändert (orange) bis naturfern (rot). Damit die Abstufung nach diesen Klassen möglich wird, kann ein typischer Jahresverlauf nicht aus einer einzigen Kurve bestehen. Aus diesem Grund werden die drei Tageswerte Tagesmaximum, Tagesminimum und Tagesmittel der Wassertemperatur getrennt ausgewertet, wobei jeweils eine separate Kurve des Jahresverlaufs entsteht. Zudem werden die Jahresverläufe von statistischen Kennwerten be- stimmt. Insgesamt resultiert also ein typisches Temperaturband für den Jahresverlauf der Wassertemperatur, welches aus mehreren Kurven zusammengesetzt ist. Zur Bestimmung des typischen Temperaturbands für die einzelnen Fischregionen können die auf Tageswerten basierenden Temperaturdaten der einzelnen Messstationen auf verschiedene Arten statistisch zusammengefasst werden. Eine ist die Zusammenlegung der Tageswerte über alle Messstationen und über die gesamte Zeitperiode der vorliegenden Daten, ohne Unterschieden in der Länge der Messreihen zwischen den Messstationen Rechnung zu tragen. Bei einer an- schliessenden statistischen Bearbeitung, z.B. der Mittelwertbildung, werden hierbei lange Mess- reihen stärker gewichtet als Messreihen über nur wenige Jahre. Im Gegensatz dazu kann vor der Mittelbildung über die Fischregion zunächst für jede Station ein 18
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