Reduktion von Stickoxiden in deutschen Städten nach Corona-Lockdown - Materialien, Methoden und Analysen zum GAW Brief 76 des DWD
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Reduktion von Stickoxiden in deutschen Städten nach Corona-Lockdown – Materialien, Methoden und Analysen zum GAW Brief 76 des DWD C. Plaß-Dülmer und Stefan Gilge, Deutscher Wetterdienst U. Dauert, S. Kessinger und A. Minkos, Umweltbundesamt 15. Juli 2020 1. Zusammenfassung Stickoxid-Daten von 48 deutschen Städten (> 100 000 Einw.) werden für einen Zeitraum von 5 Jahren (ab 1.1.2015) analysiert, um den Einfluss der Covid19- bedingten Lockdown-Maßnahmen ab 23.3.2020 auf die an Verkehrsstandorten gemessenen Konzentrationen zu charakterisieren. Anders als in Analysen der Landesumweltämter werden hier regionale und deutschlandweite Trends betrachtet, also über viele Städte einer Region gemittelt. Wie erwartet zeigen die Analysen, dass die Konzentrationen durch die Emissionen in den Städten, hier vor allem die Verkehrsemissionen, aber auch durch die meteorologischen Bedingungen, die den „Abtransport“ aus den Straßen maßgeblich beeinflussen, geprägt sind. Wegen des meteorologischen Einflusses vor allem durch Wind und Temperatur und der großräumigen Relevanz gerade dieser meteorologischen Parameter lassen sich für die in diesem Paper dargestellten Analysen vier Regionen „ähnlicher“ Meterorologie in Deutschland ausmachen: Ostsee (R-O), Nord- und Ost-Deutschland (Niedersachen, Hamburg, Bremen und östliche Bundesländer) (R-N-O-D), die Region Westdeutschland mit NRW und Nordhessen (R-W-D) und Süddeutschland mit Rheinland-Pfalz, Saarland, Südhessen, Baden-Württemberg und Bayern (R-S-D). Die Region Ostsee umfasst nur die 3 Städte Kiel, Lübeck und Rostock und wird wegen der geringen Repräsentativität nicht weiter diskutiert. Innerhalb jeder Region besteht eine hohe Korrelation zwischen Windgeschwindigkeiten, Temperaturen und den Stickoxid- Konzentrationen in den Städten, zwischen den Regionen eine niedrigere. Die Zeitreihen der Stickoxide der letzten 5 Jahre lassen sich als Funktionen der Windgeschwindigkeit und der Temperatur, sowie im Falle des NO 2 der Ozonkonzentration mit einem abnehmenden Trend gut darstellen. Mit Hilfe dieser angepassten Trendfunktion sind die Corona-Lockdown Effekte sehr klar darstellbar und liegen bei 31±8% für NOx und 22±6% für NO2 in den ersten 4 Wochen des Lockdowns. In der zweiten 4-Wochen-Phase des Lockdowns sind die Minderungen bedingt durch die wieder zunehmende Verkehrsaktivität schwächer. Diese Ergebnisse beziehen sich auf Werktage, an Wochenenden und Feiertagen sind die Minderungen um ca. 2% stärker ausgeprägt, was durch die an Wochenenden fehlenden Liefer- und Lastwagen und damit Prägung vor allem durch den PKW-Verkehr plausibel ist. Ohne die Anwendung dieser Fit- Funktion zeigt die Zeitreihe für 2020 eine kontinuierliche Abnahme der Konzentrationen, die dadurch verursacht wurde, dass zunächst im Februar/März 2020 ungewöhnlich hohe Windgeschwindigkeiten auftraten mit starker Verdünnungswirkung in den Städten, die dann Mitte März ab Beginn des Lockdown durch Emissionsminderungen und gleichzeitig reduzierte Windgeschwindigkeiten abgelöst wurden.
2. Methodisch Dieses Paper verwendet in seiner Analyse Tagesmittelwerte von NO und NO2 der verkehrsnahen Messstellen der Landesumweltämter in den betreffenden Städten, für Ozon die Daten von ländlichen Hintergrundstationen (hier geht es um eine Charakterisierung des regionalen Hintergrunds), sowie meteorologische Tagesmittelwerte von den räumlich nächstgelegenen Stationen des DWD. Das betrachtete Zeitintervall erstreckt sich vom 01.01.2015 bis zum 23.05.2020, die aktuellen Luftqualitätsdaten des Jahres 2020 sind noch nicht final qualitätsgeprüft und damit als vorläufig eingestuft. Das Paper fokussiert auf NOx, da NO und NO2 von KFZ emittiert werden und zwischen beiden eine schnelle Umwandlungschemie besteht, sowie auf NO2 als den für die Luftqualität kritischen, gesundheitsrelevanten Parameter. 3. Regionale Korrelationen der meteorologischen Parameter und Stickoxide Die Wind- und Temperaturdaten wurden in einer Korrelationsanalyse gruppiert, so dass Städte hoher Korrelation in räumlichen Gruppen zusammengefasst wurden (und entsprechend bei niedrigeren Korrelationen die Städte in eine andere räumliche Gruppe zu Städten sortiert wurden, mit denen wiederum eine hohe Korrelation bestand). Abbildung 1 zeigt dies am Beispiel für Nord und Ostdeutschland (ohne Ostsee) für den Zeitraum 01.01. - 06.05.2020: Abbildung 1: Zeitreihe der Windgeschwindigkeits-Tagesmittel für die Region Nord-Ost-Deutschland von 1.1.-6.5.2020 Abbildung 2 zeigt eine entsprechende Korrelationsmatrix für die Windgeschwindigkeiten (von intensiv rot (höchste Korrelationskoeffizienten; Pearson) zu intensiv grün (niedrigste R-Werte), jede Zeile und Spalte entspricht einer Stadt); man erkennt deutlich die regionalen Cluster, einzelne Städte aus benachbarten Regionen können wegen räumlicher Nähe mitunter auch gute Korrelationen zeigen.
R-O R-N-O-D R-W-D R-S-D R-O R-N-O-D R-W-D R-S-D Abbildung 2: Korrelationsmatrix für die Windgeschwindigkeiten (von intensiv rot (höchste Korrelationskoeffizienten; Pearson) zu intensiv grün (niedrigste R-Werte), jede Zeile und Spalte entspricht einer Stadt), die Städte sind regional geclustert Basierend auf der Korrelationsanalyse wurden die Regionen Nord- und Ost-Deutschland (R- N-O-D), West-Deutschland (R-W-D) und Süddeutschland (R-S-D) mit den in der folgenden Tabelle gelisteten Städten zusammengefasst (Tabelle 1). Tabelle 1: Regionale Zuordnung der Städte R-Nord+Ost- R-Westdeutschland R-Süddeutschland Deutschland (R-W-D) (R-S-D) (R-N-O-D) Bremen Mönchengladbach Freiburg im Breisgau Bremerhaven Aachen Saarbrücken Hamburg Köln Mainz Münster Leverkusen Wiesbaden Hannover Duisburg Frankfurt am Main Osnabrück Düsseldorf Darmstadt Braunschweig Gelsenkirchen Nürnberg Wolfsburg Essen Ludwigshafen a.R. Magdeburg Dortmund Karlsruhe Potsdam Wuppertal Heilbronn Berlin Solingen Stuttgart Halle (Saale) Bielefeld Reutlingen Leipzig Göttingen Augsburg Erfurt Kassel München Chemnitz Dresden Cottbus
Für diese Regionen bestanden mittlere Korrelationskoeffizienten (nach Pearson) zwischen allen gelisteten Standorten für Windgeschwindigkeit und Temperaturen (Zeitraum 01.01.2015- 23.05.2020) entsprechend folgender Matrix (Tabelle 2). So bedeutet ein Koeffizient von 0.83 bei den Korrelationen der Windgeschwindigkeiten in der Region N-O-D: alle Korrelations- koeffizienten R von einer jeden Stadt mit allen anderen Städten aus der Region N-O-D wurden gemittelt und ergaben 0.83. Die Korrelation aller W-D Städte mit den N-O-D Städten ergab im Mittel eine Korrelation von nur 0.69, s.a. Abbildung 2): Tabelle 2: Mittlere Korrelationskoeffizienten zwischen Städtepaaren innerhalb einer Region und zwischen zwei Regionen für die Parameter Windgeschwindigkeit und Temperatur Windgeschw. R-N-O-D R-W-D R-S-D Temperatur R-N-O-D R-W-D R-S-D mittl. Korr. mittl. Korr. R-N-O-D 0.83 0.69 0.59 R-N-O-D 0.98 0.96 0.95 R-W-D 0.89 0.62 R-W-D 0.99 0.96 R-S-D 0.80 R-S-D 0.98 Man erkennt die guten Korrelationen innerhalb der Regionen (Windgeschwindigkeit >0.80, Temperatur >0.98), die mittleren Korrelationen mit benachbarten Regionen und niedrige Korrelationen mit entfernteren Regionen, wobei selbst die niedrigsten Temperaturkorrelationen immer noch höher sind als die höchsten Windgeschwindkeits- Korrelationen. Überträgt man die Regionen-Einteilung auf die NOx und NO2 Konzentrationen an Verkehrsstandorten (bei mehreren Standorten in einer Stadt Mittelung über alle Standorte dieser Stadt), so ergeben sich ähnlich wie bei Wind und Temperatur relativ gute Korrelationen zwischen regional zusammenhängenden Städten (entsprechend obiger Einteilung) und schlechtere mit Städten anderer Regionen. Auffallend schlechtere Korrelationen wurden für Leverkusen beobachtet, die auf die Nähe der Messstelle zu einer Autobahn (50 m Abstand) zurückzuführen sind und die deshalb in der Region Westdeutschland nicht weiter berücksichtigt wurde. Hier sind beispielhaft die NO2-Zeitreihen für die drei Regionen für den Zeitraum 1.1.2020-19.4.2020 dargestellt (Abbildung 3, Abbildung 4 und Abbildung 5): Abbildung 3: Zeitreihe der NO2-Tagesmittel für die Region Nord-Ost-Deutschland von 1.1.-19.4.2020
Abbildung 4: Zeitreihe der NO2-Tagesmittel für die Region West-Deutschland von 1.1.-19.4.2020 Abbildung 5: Zeitreihe der NO2-Tagesmittel für die Region Süd-Deutschland von 1.1.-19.4.2020 Die Matrix der mittleren Korrelationskoeffizienten (Tabelle 3) für den gesamten Zeitraum (2015- 20) innerhalb und zwischen den ausgewiesenen Regionen zeigt gute Korrelation innerhalb einer Region (>0.69) und zunehmend schlechtere mit entfernteren Regionen: Tabelle 3: Matrix der mittleren NOx- und NO2-Korrelationskoeffizienten zwischen Städtepaare innerhalb und zwischen den Regionen NOx mittl. Korr. R-N-O-D R-W-D R-S-D NO2 mittl. Korr. R-N-O-D R-W-D R-S-D R-N-O-D 0.73 0.61 0.59 R-N-O-D 0.73 0.62 0.59 R-W-D 0.69 0.56 R-W-D 0.73 0.60 R-S-D 0.71 R-S-D 0.72 Einzelne Städte zeigen mitunter etwas abweichendes Verhalten (Abbildung 3, Abbildung 4, Abbildung 5), aber insgesamt ist das Verhalten recht robust innerhalb einer Region. Das belegt auch die Percentil-Verteilung der Korrelationskoeffizienten (Tabelle 4): Tabelle 4: Percentil-Verteilungen der Korrelationskoeffizienten innerhalb der verschiedenen Regionen Percentile NOx Verteilung 0 0.1 0.25 0.5 0.75 0.9 1 Korrelationen Region Nord und 0.50 0.62 0.68 0.74 0.78 0.81 0.89 Ost-D
Percentile Region W-D 0.36 0.53 0.59 0.66 0.75 0.82 0.91 Region S-D 0.47 0.56 0.65 0.72 0.77 0.82 0.92 NO2 Verteilung Korrelationen Region Nord und 0.48 0.62 0.68 0.74 0.78 0.82 0.89 Ost-D Region W-D 0.43 0.54 0.61 0.69 0.78 0.83 0.90 Region S-D 0.41 0.61 0.67 0.73 0.78 0.82 0.91 Also innerhalb jeder Region sind die Korrelationskoeffizienten für 90% der Städte (mit allen anderen Städten) mindestens 0.53 und für 50% mindestens 0.66. Das sind relativ gute Korrelationen, die sagen, dass das zeitliche Verhalten (der Tagesmittelwerte) stark durch nicht lokale, sondern regional einheitliche Effekte getrieben wird, wozu auch die einheitlichen Verkehrsaktivitätsmuster neben der Meteorologie gehören können. Bessere Korrelationen sind für verkehrsnahe NO2 und NOx-Konzentration auch nicht zu erwarten, da die NOx Konzentrationen stärker als alle anderen Messungen von den gegebenen Bedingungen vor Ort abhängen, wie z.B. Umleitung, Baustelle, Fahrverbote, Walzenbildung je nach Orientierung der Straßenschlucht zum Wind etc. Dazu kommen in Einzelfällen Stationsortverschiebungen sowie gezielte Maßnahmen der Verkehrsbeeinflussung um die Messstelle um die lokalen Emissionen zu reduzieren. Weiterhin beeinflusst die langfristige Änderung der Flottenzusammensetzung mit sich ändernden Anteilen von NO2 an den primären Emissionen die Korrelation über einen Zeitraum von mehr als 5 Jahren. 4. Entwicklung der Stickoxide vor und während Corona Mittelwerte der NOx Konzentrationen sind für die verschiedenen Regionen in Tabelle 5 für jeweils 4 aufeinanderfolgende Wochen in den Kategorien Wochentag(WT) und Wochenende (WE) zusammengestellt. Die Daten von 2020 sind den Daten des Vergleichszeitraums 2015- 19 (Trend-bereinigt (s.u.) und anhand von Mittelwert und Standardabweichung) gegenübergestellt. In 2020 fallen die gegenüber den Vorjahren deutlich niedrigeren Mittelwerte der 2. und 3. Periode (vor Corona-Lockdown) auf, relativ zu denen sich der Trend zu niedrigeren Konzentrationen in die Lockdown beeinflussten Perioden 4 und 5 fortsetzt, also allein anhand der Konzentrationen ist eine zweifelsfreie Identifikation eines Corona-bedingten Rückgangs nicht sicher festzustellen.
Tabelle 5: Mittelwerte der NOx Konzentrationen für die verschiedenen Regionen in 4 Wochen Intervallen unterschieden nach Wochentag (WT) und Wochenende (WE). Gleiches gilt für NO2 in der folgenden Tabelle 6: Tabelle 6: Mittelwerte der NO2 Konzentrationen für die verschiedenen Regionen in 4 Wochen Intervallen unterschieden nach Wochentag (WT) und Wochenende (WE). Somit ist eine weitergehende Analyse der Treiber für die NOx und NO2 Konzentrationen erforderlich. 5. Analyse der Treiber der Stickoxid-Konzentrationen Im Folgenden werden die Haupteinflussfaktoren auf die regional gemittelten Stickoxidkonzen- trationen analysiert. Dies sind emissionsseitig an verkehrsnahen Standorten vor allem die Verkehrsaktivitäten, d.h. in erster Linie die Unterscheidung zwischen Wochentag (WT) und Wochenende bzw. Feiertag (WE). Neben der Quellstärke bestimmt die Senke die Konzentrationen in den Straßen, in erster Linie der Abtransport durch meteorologische Prozesse. Dominierende Parameter sind hier zum einen die Windgeschwindigkeit, die Walzen und Turbulenzen in den Straßen induziert, und zum anderen die Einstrahlung der Sonne verbunden mit hohen Temperaturen und Temperaturunterschieden innerhalb von
Straßenschluchten, die zu thermischen Turbulenzen und Walzen führen. Diese Prozesse greifen auf sehr kurzen Zeitskalen von Sekunden bis Minuten, wohingegen die chemischen Abbauprozesse der Stickoxide langsam sind (Stunden bis ein Tag) und wenig Einfluss auf die Konzentrationen in den Straßen haben. Einzige Ausnahme ist die Umwandlung des von Dieselfahrzeugen vorwiegend emittierten NO durch O3, was auch, je nach Ozonkonzentration, innerhalb von Bruchteilen einer Minute bis einigen Minuten geschehen kann, sofern ausreichend Ozon zur Verfügung steht. Dieser Prozess betrifft nicht das NOx (= Summe aus NO und NO2), da es nur eine interne Umwandlung darstellt, sondern nur die Einzelkomponenten NO und NO2. Also ist die Erwartung, die unten belegt wird, dass NOx einfacher durch Emissionen und Abtransport beschreibbar ist als NO2, bei dem die Komplikation der O3-Abhängigkeit hinzukommt. Weiterhin ist bekannt, dass Ozon mit der Temperatur korreliert, also wird sich für NO2 der oben angesprochene Verdünnungseffekt durch thermische Turbulenzen teilweise mit den Ozon-induzierten Erhöhungen des NO2 kompensieren. Es ist klar und bekannt, dass Windrichtung, lokale Bebauungsstruktur, Straßengeometrie und weitere meteorologische Parameter (z.B. Inversion) die Konzentrationen an verkehrsnahen Standorten auch beeinflussen. Diese werden jedoch durch die Betrachtung von Tages- und regionalen Mitteln unbedeutender. Weiterhin interessieren hier die Haupteinflussfaktoren. Die folgende Abbildung 6 stellt die Abhängigkeit der NO2 Konzentrationen an Wochentagen (Mo-Fr) von der Windgeschwindigkeit für Wintermonate (Dez-Feb) und Abbildung 7 für Sommermonate (Jun-Aug) gemittelt in den 4 Regionen dar: Abbildung 6: Dezember-Februar NO2 Tagesmittel der verschiedenen Regionen gegen die Windgeschwindigkeits-Tagesmittel Abbildung 7: Juni-August NO2 Tagesmittel der verschiedenen Regionen gegen die Windgeschwindigkeits-Tagesmittel Es ist klar erkennbar, dass zunehmender Wind zu niedrigeren NO2 Konzentrationen an den Verkehrs-Standorten führt. Dieser Zusammenhang wird schwächer in den Sommermonaten (Jun-Aug, Abbildung 7) bei einem insgesamt etwas niedrigeren Konzentrationsniveau.
Ähnliche Zusammenhänge ergeben sich für NOx (nicht gezeigt). Die stärkere Streuung der Sommerdaten ist in erster Linie ein Temperatureffekt. Abbildung 8 zeigt die Temperaturabhängigkeit der NOx Konzentrationen in verschiedenen Windgeschwindigkeits-Klassen (an Wochentagen an Verkehrsstandorten, alle Daten 2015- 20): Abbildung 8: NOx Tagesmittel in verschiedenen Windgeschwindigkeitsklassen gegen die Temperatur, Messwerte der verschiedenen Regionen und Ergebnisse von exponentiellen Fits. Die NOx Konzentrationen in Straßen sind bei hohen Temperaturen niedriger als bei tiefen Temperaturen. Mit steigender Windgeschwindigkeit wird der Temperatureffekt kleiner, da dann die Wind-induzierten Turbulenzen dominant gegenüber den thermischen Turbulenzen werden. Im Sommer ist auch die Hintergrundkonzentration von NOx reduziert, weshalb dann bei einer Durchlüftung der Straßen auch niedrigere Konzentrationen eingemischt werden, ein Effekt, der hier von dem Temperatureffekt nicht getrennt werden soll und kann. Beide Effekte, Wind- und thermisch-induzierte Verdünnung, lassen sich am besten durch eine exponentiell abklingende Funktion mit zunehmendem Wind, bzw. steigender Temperatur beschreiben: NOx = A exp(-B*Wind bzw. Temp). Ein linearer Fit ist auch möglich, führt aber zu einer schlechteren Anpassung und würde bei hohen Windgeschwindigkeiten und Temperaturen zu negativen Werten führen. Kombiniert man beide Effekte und fügt noch einen linearen Trend hinzu, ergibt sich folgende Funktion: NOx = A * exp(-B*Wind) * exp(-C*Temp) * (1 – D*Zeit)
Für NO2 wird noch der Einfluss von Ozon berücksichtigt, der zu einem weiteren Term in der Gleichung führt: NO2 = A * exp(-B*Wind) * exp(-C*Temp) * (1 – D*Zeit) * (1 + E*Ozon) Der Parameter Ozon ist bekanntermaßen korreliert mit der Temperatur, beschreibt aber in seiner Wirkung auf NO2 unterschiedliche Effekte. Die Parameter A bis D bzw. E lassen sich an den Datensatz 1.1.2015 – 22.3.2020 (ohne die Corona-Phase) anpassen und ergeben folgende Übereinstimmungen (Abbildung 9 für Region Nord+Ost-Deutschland für NOx und NO2 an Wochentagen): Abbildung 9: Zeitreihen der gemessenen regionalen Mittelwerte der NOx und NO2 Tageswerte von Nord- und Ost-Deutschland verglichen mit den parametrisierten Werten (Fit) Beim NOx ist klar das Sommerminimum als Folge der thermisch induzierten Turbulenz und dem Abtransport von NOx aus den Straßenschluchten zu erkennen, während dies bei NO2 durch die Kompensation durch Ozon praktisch verschwindet. Da dieser Effekt aber nichtlinear ist, kann NO2 in diesem einfachen Modell nicht so gut beschrieben werden wie NOx. Auch sind hier, wie oben erwähnt, viele andere Einflussgrößen, wie Inversionslagen und lokale Effekte nicht berücksichtigt, weshalb auch die Dynamik nicht vollständig wiedergegeben werden kann. Und schließlich sind die Wetterstation nicht am gleichen Ort wie die verkehrsnahe Messstelle, was weiter zur Unschärfe beitragen sollte. Nichts desto trotz kann dieses einfache Modell im Mittel 57% der Varianz von NO2 und 65% der Varianz von NOx erklären (Tabelle 7, Parameter für Wochentage).
Tabelle 7: Fit Parameter für NOx und NO2 in den verschiedenen Regionen und für Deutschland zusammengefasst. Auch interessant sind die jährlichen Abnahmeraten (B ist die tägliche Abnahmerate, Tabelle 7), die für NOx um 6%/Jahr (Bereich in verschiedenen Regionen von 5.5-6.9%/J) liegt, dagegen bei NO2 um 5% (3.9-5.6%/J). Der Unterschied kann sowohl an dem nichtlinearen Zusammenhang zwischen NO2 und NOx als auch einer Verschiebung der NO/NO2 Emissionsverhältnisse des Verkehrs liegen. Man erkennt auch ähnliche Windabhängigkeiten (Parameter C im Mittel 25% kleiner bei NO2 als bei NOx), aber deutlich schwächere Temperaturabhängigkeiten (Parameter D im Mittel gut Faktor 2 kleiner bei NO2 als bei NOx) durch die Kompensation durch Ozon. Insgesamt liegt der Spread der Temperatur und der Ozoneinflüsse des Fits im Jahresgang bei -13% und +9% (vom Winter zum Sommer), also relativ klein und sich gegenseitig kompensierend. Würde man den Ozon-Term beim NO2-Fit ganz weglassen, so würde die Summe der Abweichungsquadrate im Durchschnitt der Regionen um 12% größer werden, je nach Region liegt der Effekt bei 3-35%. Würde man anstelle von O3 den Temperatur-Term weglassen, würde die Summe der Abweichungsquadrate um 17% im Mittel ausfallen. Beide Zahlen belegen, dass die Berücksichtigung beider Parameter im Fit von NO2 gerechtfertigt ist. 6. Trennung der meteorologischen von den Corona-bedingten Einflüssen Nimmt man nun die Parametrisierung her, um Trend und Meteorologie von dem Einfluss des Corona-bedingten Emissionsrückgangs zu trennen, so ergeben sich die folgenden Abweichungen gegenüber der Fit-Funktion (Tabelle 8):
Tabelle 8: %-Abweichungen zum Fit (d.h. der aufgrund der Meteorologie erwarteten Werte) Tab. 8 zeigt die mittleren Abweichungen der Gebietsmittel von dem Fit für die angegebenen Zeitintervalle. Hierbei sind in der ersten Spalte jeder Region die Daten von 2020, danach folgen in den nächsten beiden Spalten jeweils Mittelwert und Standardabweichung der Daten von 2015-2019. Werden nun die Abweichungen in 2020 gegenüber der mittleren Abweichung der Vorjahre dargestellt, um systematische Abweichungen des Fits vom Jahresgang auszugleichen, so ergibt sich Tabelle 9: Tabelle 9: %-Abweichungen der 2020-er Daten zum Fit korrigiert um systematische Abweichungen der Vorjahre 2015-19
Hier ist immer die Abweichung 2020 relativ zum Fit minus dem Mittel 2015-19 relativ zum Fit dargestellt (+/- Bereich entspricht Standardabweichung der 5 Jahre). Der Fit beschreibt also die Beobachtungen mit Abweichungen der Phasenmittelwerte von weniger als ca. 15% (von 2015 bis 2019) an WT und Standardabweichungen meist unter 15%, an WE wegen der geringeren Datenzahl etwas schlechter (eine vergleichsweise durchgeführte Mittelung über größere Zeiträume liefert geringere Abweichungen und Standardabweichungen). Gegenüber Fit und Vorjahren (Tabelle 9) sind die Konzentrationen in den Corona-Phasen (23.3.-19.4.20 bzw. 20.4.-17.5.) an Wochentagen um 31+/-8% bzw. 24+/-6% bei NOx und um 23+/-6% bzw. 19+/-5% bei NO2 reduziert. Die Phase 24.2.-22.3.20 liegt zwischen den Vor-Corona und Corona-Werten, was teilweise auf beginnende Reduktionen des Verkehrs auch schon vor dem offiziellen Lockdown-Termin 23.3. zurückzuführen ist. Graphisch ist ein klarer Effekt in Abbildung 10 für den Zeitraum 1.1.-23.5.2020 dargestellt (jeweils Fit und Mittel der Konzentrationen an Wochentagen Mo-Fr). NOx NO2 Abbildung 10: Zeitreihen der beobachteten und mittels Fit prognostizierten NOx-Konzentrationen (erste Spalte) und NO2- Konzentrationen (2. Spalte) in den drei Regionen an Werktagen, der Beginn des Lockdown ist als gelbe Linie eingezeichnet. An Wochenenden und Feiertagen sind die Corona-bedingten Rückgänge in den Konzentrationen noch ausgeprägter: bei NOx 33+/-6% bzw. 26+/-7% und bei NO2 28+/-5% bzw. 21+/-6% für die Phasen 23.3.-19.4. bzw. 20.4.-17.5. (Tabelle 9). Der Rückgang des Verkehrs während des Lockdowns ist hauptsächlich auf einen Rückgang des PKW-Verkehrs zurückzuführen, während Lieferwagen (LDV) und LKWs (HDV) kaum Rückgang zeigen (exemplarisch wurde dies für Verkehrsdaten von München überprüft). An Wochenenden ist dagegen hauptsächlich PKW-Verkehr und eine sehr geringe Zahl an LDV und HDV. Damit ist
der PKW-Anteil an WE relativ höher. Somit sind die Wochenend- und Feiertagsrückgänge durch den Lockdown in beiden Phasen (23.3.-19.4. und 20.4.-17.5.) um ca. 2% (bis max. 5%) stärker ausgeprägt als an WT.
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