Starke ländliche Räume: Geografie der Möglichkeiten Schwerpunkte - OECD
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Starke ländliche Räume: Geografie der Möglichkeiten Starke ländliche Räume B ei etwa 80 % der Fläche des OECD-Raums denn je scheint sich der Abstand zwischen handelt es sich um ländliche Gebiete. Gewinnern und Verlierern auszuweiten. In Etwa 30 % der Bevölkerung leben dort. 24 von 28 OECD-Ländern sind die regionalen Diese Gebiete und ihre Einwohner*innen Unterschiede beim Pro-Kopf-BIP seit der sichern fast unsere gesamte Versorgung mit Finanzkrise von 2008 gewachsen. Ländliche Nahrung, Wasser, Energie, Holz, Metallen, Gebiete sind zunehmend im Rückstand, vor Mineralien und sonstigen Rohstoffen, die unser allem solche, die weit von großen Städten ent- Leben möglich machen. Diese Gebiete sind fernt liegen. Um diese Herausforderungen zu es auch, in denen wir noch unberührte Natur, bewältigen und Chancen zu nutzen, bedarf es Tiere in freier Wildbahn und indigene Kulturen eines Umsteuerns in der Politik für die länd- erleben können. All dies macht ländliche liche Entwicklung. Räume unverzichtbar für unser aller Wohlstand und Wohlergehen. Das vor über vierzig Jahren entwickelte Rahmenkonzept der OECD für die ländliche Und doch ist Wohlstand etwas, das für viele Entwicklung half den Mitgliedsländern, den Menschen, Unternehmen und Gemeinden im Wohlstand und die Lebensqualität der länd- ländlichen Raum schwer erreichbar ist. Globali- lichen Bevölkerung zu steigern. Es wurde stetig sierung, Digitalisierung, Bevölkerungs- und weiterentwickelt, um veränderten Umständen Klimawandel sowie die Auswirkungen der Rechnung zu tragen und neue Erkenntnisse zu weltweiten Finanzkrise und der aktuellen berücksichtigen. Corona-Krise verändern das Wirtschaftsgefüge ländlicher Gemeinden tiefgreifend. Mehr 2
Schwerpunkte Mit dem Bericht Rural Well-being: Geography Ein besseres Verständnis dieser drei Arten of Opportunities wurde dieses Rahmenkonzept ländlicher Räume ermöglicht gemeinsames nochmals weiterentwickelt. Dazu wurden die Handeln und wirkungsvollere zielgerichtete früheren Arbeiten der OECD unter Nutzung Maßnahmen. Die Analyse nach dem neuen neuerer Analysen erweitert und vertieft, um Rahmenkonzept beschränkt sich nicht mehr der zunehmenden Diversität ländlicher Gebiete auf wirtschaftliche Faktoren, sondern berück- und der Notwendigkeit eines umfassenderen sichtigt auch ökologische und soziale Aspekte. Ansatzes gerecht zu werden. Das Rahmen- Im Mittelpunkt des neuen Konzepts steht das konzept für starke ländliche Räume ist entlang Wohlergehen der Bürger*innen. Dank einer eines Stadt-Land-Spektrums organisiert, das eingehenderen Analyse der vielfältigen und sich in drei Arten ländlicher Gebiete mit unter- komplexen sozioökonomischen Systeme länd- schiedlichen Merkmalen und Anforderungen licher Räume wird zudem der Diversität dieser unterteilt: Gebiete Rechnung getragen. Im Untertitel des neuen Rahmenkonzepts – Ländliche Gebiete innerhalb funktionaler Geografie der Möglichkeiten – drückt sich Stadtgebiete (sog. functional urban die zentrale Erkenntnis aus, dass ländliche areas – FUA) haben einen guten Dienst Räume zwar vor Herausforderungen stehen, leistungszugang. Sie müssen den Kom aber zweifelsohne auch Orte der Chancen petenzanforderungen des Arbeitsmarkts sind, ganz besonders im Kontext der sich be- insgesamt gerecht werden und mit ihrer schleunigenden Digitalisierung. Das Rahmen- Flächennutzungspolitik auf den wach konzept für starke ländliche Räume zeigt, wie senden Druck der Kernstadt antworten. die Politik für die ländliche Entwicklung für mehr Wohlstand, Vernetzung, Teilhabe und In ländlichen Gebieten in Stadtnähe Lebensqualität auf dem Land sorgen kann. gehen die Stadt-Land-Verbindungen Voraussetzung dafür sind gut durchdachte in beide Richtungen. Diese Gebiete Maßnahmen, die die Stärken der jeweiligen müssen kurze Lieferketten zwischen Orte nutzen und deren Umsetzung zwischen städtischen und ländlichen Unternehmen den verschiedenen staatlichen Ebenen ko- gewährleisten. Zudem müssen sie die ordiniert und zwischen den drei Akteuren richtige Balance zwischen Bevölkerungs Staat, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft wachstum zum einen und Lebensqualität abgestimmt wird. und Grünraum zum anderen finden und die Versorgung mit sekundären Gütern und Dienstleistungen verbessern. Abgelegene ländliche Gebiete sind großenteils von ihren Aktivitäten im primären Sektor abhängig. Voraussetzung für ihr Wachstum sind absolute und komparative Vorteile. Sie müssen die Anbindung an die Exportmärkte ver- bessern, den Kompetenzanforderungen wettbewerbsstärkerer Gebiete gerecht werden und die Versorgung mit wesent- lichen Dienstleistungen sichern. © OECD 2021 3
Starke ländliche Räume: Geografie der Möglichkeiten Mit dem mehrdimensionalen Konzept für starke ländliche Räume wird die Analyse in drei Richtungen ausgeweitet: Erstens werden neben den üblichen wirtschaftlichen Faktoren wie Produk tivität und Einkommen auch öko logische und soziale Aspekte der Lebensqualität berücksichtigt, um zu einem ganzheitlicheren, menschenzentrier ten Verständnis regionaler Ungleichheit und ländlicher Entwicklung zu gelangen. Zweitens wird anerkannt, dass eine wirkungsvolle Politik für den länd lichen Raum die Mitwirkung eines breiten Spektrums von Akteuren und staatlichen Ebenen voraussetzt. Das neue Rahmenkonzept enthält Instrumente für staatliche Stellen, um betroffene Akteure besser einzubeziehen, Stadt- Land-Partnerschaften zu fördern und eine Mehrebenen-Governance zu ermöglichen. Die Menschen und Unternehmen im länd- lichen Raum wissen selbst am besten, was für sie wichtig ist. Daher ist eine konstruktive Einbindung der betroffenen Akteure unerlässlich. Neue Technologien können dies erleichtern. Das neue Konzept, das städtische Räume als wichtige Partner für die Stärkung des ländlichen Raums begreift, zeigt zudem Möglich- keiten für eine wirksame Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den ver- schiedenen staatlichen Ebenen auf. Drittens wird die Bedeutung eines ortsbe zogenen Ansatzes bei der Gestaltung der Politik für den ländlichen Raum betont. Die Maßnahmen sollten stets mit Blick auf bestimmte Orte gestaltet werden, unter Berücksichtigung der Dinge, die sie einzigartig machen, d. h. ihrer besonderen Stärken, ihrer wichtigsten Branchen, ihrer Hürden für die Arbeitskräftemobilität sowie ihrer Verbindungen mit städtischen Gebieten. 4
Schwerpunkte Das Konzept für starke ländliche Räume schwenkt damit von einer eindimensionalen Rahmenkonzept für starke ländliche Räume auf eine dreidimensionale Sichtweise der Politik für ländliche Gebiete um: Mehr Lebensqualität für Land- bewohner*innen nach wirtschaftlichen, 3 Zielsetzungen: Neben wirtschaftlichen sozialen und ökologischen Kriterien werden auch soziale und ökologische Aspekte ins Visier genommen. Analyse der Wachstumsdynamik dünn besiedelter Wirtschaftsräume (Entfernung 3 Arten ländlicher Räume: An die Stelle von den Märkten, Rolle der Exportwirt- der Stadt-Land-Betrachtung tritt ein schaft und absolute Wettbewerbsvorteile) Spektrum, das der ländlichen Vielfalt Einsatz verschiedener Politikinstrumente Rechnung trägt. (Investitionen, Behebung von Markt- 3 Arten von Akteuren: Nicht mehr nur versagen und Förderung sozialer Staat, sondern auch Privatsektor und Innovationen) Zivilgesellschaft sind beteiligt. Multisektorales Konzept unter Ein beziehung öffentlicher Stellen, Ziele privater Akteure und Nichtregierungs- Akteure organisationen sowie unterschiedlicher Wirtschaft Bevölkerungsgruppen und Orte Soziales Staat Integrierte, auf den Bedarf und die Umwelt Gegebenheiten verschiedener länd- Privatwirtschaft Abgelegen licher Wirtschaftsräume abgestimmte Zivilgesellschaft In Stadtnähe Maßnahmen In funktionalen Stadtgebieten Betrachtung des Spektrums verschiedener Ländliche Gebiete ländlicher Räume – von solchen inner- halb von FUA bis zu abgelegenen Gegenden – sowie ihrer unter schiedlichen Chancen und Herausforderungen © OECD 2021 5
Starke ländliche Räume: Geografie der Möglichkeiten Ländliche Räume im Wandel S eit mehreren Jahrzehnten vollziehen sich schnitt nur 8 % der Bevölkerung. In sieben in den OECD-Ländern und -Regionen OECD-Ländern – Griechenland, Norwegen, strukturelle Veränderungen, die sich auf Finnland, Schweden, Kanada, Estland und ihre Entwicklung auswirken. Metropolräume Australien – entfällt jedoch nicht weniger (d. h. Regionen mit einer Stadt mit mehr als ein Fünftel der Bevölkerung auf diese ab- als 250 000 Einwohnern) profitieren über- gelegenen dünn besiedelten Regionen. Das proportional stark von diesen Veränderungen. jährliche Bevölkerungswachstum hat sich in Globalisierung, Digitalisierung, Bevölkerungs- Metropolregionen im Vergleich zu ländlichen und Klimawandel sowie die Auswirkungen der Regionen in den letzten zwanzig Jahren mehr globalen Finanzkrise und der aktuellen Corona- als verdoppelt. Unter den ländlichen Regionen Krise verändern das Wirtschaftsgefüge vieler verzeichneten abgelegene Gegenden einen ländlicher Gemeinden derweil tiefgreifend. stärkeren Einwohnerzuwachs als Gegenden, die nahe einer Klein- oder Mittelstadt liegen. Dort Ländliche Regionen sind stärkeren verlangsamte sich das Bevölkerungswachstum demografischen Belastungen ausgesetzt nach der Finanzkrise von 2008. Dennoch sind die demografischen Belastungen in Gegenden Von den 29 % der OECD-Bevölkerung, die größer, die weiter entfernt von Städten liegen. 2019 in ländlichen Gegenden lebten, verteilen In der Hälfte der betrachteten OECD-Länder sich drei Viertel auf Gebiete mit engen Ver- (13 von 28) wurde in abgelegenen Gegenden bindungen zu Städten. Dies lässt auf einen ein Bevölkerungsrückgang verzeichnet; in 25 % starken Austausch zwischen ländlichen und der Länder war dies für Gegenden in der Nähe städtischen Räumen schließen. In abgelegenen von Klein- oder Mittelstädten festzustellen. ländlichen Räumen leben im OECD-Durch- 6
Schwerpunkte Abbildung 1. In abgelegenen Gegenden ist häufiger ein Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen Bevölkerungswachstum 2001-2019 in OECD-Mikroregionen -2.0% -1.5% -1.0% -0.5% 0.0% 0.5% 1.0% 1.5% 2.0% Abgelegene Gegenden Australien Regionen mit/nahe einer Stadt Mexiko mit 250 000 Einw. Kanada Regionen mit einer Stadt Norwegen mit >250 000 Einw. Chile Schweden Schweiz Spanien Anmerkung: „Stadt“ bedeutet Österreich funktionales Stadtgebiet (FUA). Bevölkerungswachstum Ver. Staaten 2001-2019 in Prozent auf der Finnland Basis verfügbarer Daten für Belgien 2 147 Mikroregionen (T3). Quelle: (OECD, 2019) Ver. Königreich OECD Regional Statistics Estland (Datenbank), http://dx.doi. Niederlande org/10.1787/region-data-en. Dänemark Frankreich Slowenien Korea Italien Tschech. Rep. Slowak. Rep. Deutschland Portugal Japan Polen Ungarn Griechenland Litauen Lettland Island © OECD 2021 7
Starke ländliche Räume: Geografie der Möglichkeiten Auch die Bevölkerungsalterung ist eine drän die Auswirkungen der globalen Finanzkrise von gende Herausforderung für ländliche Regionen. 2008 deutlicher zu spüren, weshalb sie sich Eine höhere Zahl älterer Menschen (ab auch gegenüber den aktuellen und künftigen 65 Jahren) im Verhältnis zur Bevölkerung im Er- wirtschaftlichen Effekten der Corona-Krise in werbsalter (15-64 Jahre) belastet die Finanzen einer schwächeren Position befinden. Vor der der Gemeinden, weil sie mit einer größeren globalen Finanzkrise expandierten abgelegene Dienstleistungsnachfrage und geringeren Steuer ländliche Regionen stärker als andere Regionen. einnahmen einhergeht. In ländlichen Regionen In der Zeit nach der Krise war dies nicht mehr ist dieser sogenannte Altenquotient höher. Am der Fall. Großstädte und deren Umland hielten höchsten ist er in Regionen in Stadtnähe. Mit den Auswirkungen der Krise von 2008 besser 33 % ist er dort etwa 2 Prozentpunkte höher stand als andere Regionen. Auch bei der als in anderen ländlichen Gebieten und 4 Pro- Arbeitsproduktivität war in Regionen in Stadt- zentpunkte höher als im Durchschnitt aller Re nähe ein Konvergenzprozess zu beobachten, gionen. Ländliche Regionen und ganz besonders während sich das Gefälle in abgelegenen abgelegene ländliche Regionen verzeichneten in Regionen vergrößerte. den letzten zwanzig Jahren auch den stärksten Anstieg des Altenquotienten. In Bezug auf die Wirtschaftsstruktur ist fest- zustellen, dass der Dienstleistungssektor Der „Entfernungsnachteil“ kann in ländlichen in Metropolräumen ebenso wie ländlichen Räumen erhebliche Auswirkungen auf die Räumen an Bedeutung gewonnen hat. 2017 Wirtschaftsleistung haben. Das durchschnitt- entfielen 71 % der Beschäftigung in länd- liche Pro-Kopf-BIP ist in ländlichen Regionen lichen Räumen auf den Dienstleistungssektor. niedriger als in Metropolräumen. 2017 lag das In Metropolräumen waren es 75 %. Ländliche Pro-Kopf-Einkommen von Regionen in Groß- Regionen mit besonders hohem BIP sind auf stadtnähe etwa 18 Prozentpunkte unter dem Dienstleistungen mit hoher Wertschöpfung OECD-Durchschnitt. Für Regionen mit oder in spezialisiert. Ländliche Regionen mit niedrigem der Nähe von Klein- oder Mittelstädten war das BIP schafften es hingegen nicht, sich zu diver Gefälle mit 28 % sogar noch größer. Das Pro- sifizieren. Sie sind weiterhin vom primären Kopf-Einkommen von abgelegenen Gegenden Sektor und Dienstleistungen mit geringer Wert- lag 21 Prozentpunkte unter dem OECD-Durch- schöpfung abhängig. schnitt. Ähnliche Unterschiede sind auch bei Produktivität und Beschäftigung festzustellen. Ländlichen Regionen fällt es auch schwer, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das zeigte sich vor Zudem ist das Gefälle seit der globalen Finanz allem im Anschluss an die globale Finanzkrise. krise von 2008 gewachsen. Die regionale Un In der Zeit nach der Finanzkrise steuerten die gleichheit, die an der Differenz zwischen den ländlichen Regionen weniger als 10 % zum 20 % der Regionen mit dem höchsten und Beschäftigungswachstum bei. Vor der Krise den 20 % mit dem niedrigsten Pro-Kopf-BIP waren es noch über 20 %. Die Beschäftigungs- gemessen wird, ist in der Zeit nach der Krise schaffung konzentrierte sich großenteils auf in 24 der 28 Länder mit vorliegenden Daten Metropolräume. gestiegen. Die Zunahme des Gefälles war dabei Einkommenszuwächsen in den führenden Ländliche Regionen müssen ihre Stärken und Regionen zuzuschreiben (außer in Griechenland Ressourcen nutzen, um ihre Wirtschaftsleistung und Italien). und die Lebensqualität ihrer Bevölkerung zu erhöhen. OECD-Studien haben gezeigt, Die Krise zeigte auch, dass ländliche Regionen wie wichtig Innovation, Kompetenzen und – vor allem solche, die weiter von Städten ent- Digitalisierung sind, um die Produktivität zu fernt liegen – anfälliger gegenüber wirtschaft steigern und Wirtschaftsräume zukunftsfähig lichen Schocks sind. In diesen Regionen waren zu machen. Technologische Fortschritte, vor 8
Schwerpunkte Abbildung 2. Schlechterer Breitbandzugang für ländliche Haushalte Haushalte in Gegenden, in denen ein Breitbandfestnetz mit einer vertraglich zugesicherten Geschwindigkeit von mindestens 30 Mbit/s verfügbar ist, in Prozent aller Haushalte sowie aller ländlichen Haushalte % Ländlich Insgesamt 100 80 60 40 20 0 Anmerkung: Als ländliche Gegenden gelten Gebiete, in denen die Bevölkerungsdichte unter einem bestimmten Grenzwert liegt. Dieser Wert ist für EU-Länder bei 100 Einwohner/km2, für Kanada bei 400 Einwohner/km2 und für die Vereinigten Staaten bei 1 000 Einwohner je Quadratmeile (386 km2) angesetzt. Daten für 2019 oder letztes vorliegendes Jahr. Quelle: OECD (2020), OECD Regions and Cities at a Glance 2020, OECD Publishing, Paris. allem im Bereich der Internetinfrastruktur, sind geschwindigkeit von mindestens 30 Mbit/s, für ländliche Regionen besonders wichtig. Gute deutlich weniger als in den Städten (85 %). Internetverbindungen können dabei helfen, einige der zentralen Herausforderungen länd- Die Patentierungsaktivität, ein wichtiger licher Regionen zu bewältigen, namentlich Innovationsindikator, ist in ländlichen Abgeschiedenheit, hohe Transportkosten, hohe Regionen niedriger als in Metropolräumen. Dienstleistungskosten und Entfernung von den Diese Differenz ist z. T. auf Verzerrungen bei Märkten. der Messung dieses Indikators in ländlichen Gegenden zurückzuführen. Daten aus Europa Die Unterschiede beim Breitbandzugang zwi zeigen aber auch, dass das Niveau an digitalen schen ländlichen und städtischen Gebieten Kompetenzen – d. h. den Kompetenzen, haben sich inzwischen in fast allen OECD- die für viele moderne Tätigkeiten mit hoher Ländern halbiert. Im Durchschnitt haben 82 % Wertschöpfung entscheidend sind – in der der ländlichen Haushalte einen Breitbandan ländlichen Bevölkerung deutlich niedriger schluss, nur etwas weniger als in städtischen ist als unter Stadtbewohner*innen. Um die Gebieten (89 %). Bei der Qualität der Breit Innovationstätigkeit in ländlichen Regionen an- bandanbindung bestehen jedoch immer noch zukurbeln, muss daher das Stadt-Land-Gefälle erhebliche Unterschiede. Nur 56 % der länd- beim gesellschaftlichen und wirtschaftlichen lichen Haushalte verfügen über einen Festnetz- Wohlstand, beim Internetzugang sowie bei Breitbandanschluss mit einer Übertragungs Bildung und Kompetenzen verringert werden. © OECD 2021 9
Starke ländliche Räume: Geografie der Möglichkeiten Lebensqualität in den Fokus rücken M it dem Rahmenkonzept für starke länd- Lebensqualität wird zur politischen liche Räume werden mehrere struktu Priorität. Ländliche Gemeinden fordern relle Transformationen untersucht, zunehmend einen höheren Lebensstan darunter die drei Megatrends Digitalisierung, dard und weniger Ungleichheit. Die Politik demografischer Wandel und ökologischer Wan für den ländlichen Raum muss daher jen- del. Es geht darum festzustellen, wie sich diese seits der traditionellen Konzepte gezielter Transformationen auf die verschiedenen Arten Fragen wie die Digitalisierung angehen ländlicher Räume mit ihren unterschiedlichen sowie Talente fördern und anziehen. Merkmalen auswirken und so eine Vielzahl neuer Chancen und Herausforderungen ent- Stadt-Land-Verbindungen haben stehen lassen. durch die Vertiefung der Globalisierung und die Verbesserung der Infrastruktur Globale Produktionsverlagerungen an Bedeutung gewonnen. Ländliche und die Expansion des Dienst Gebiete in Stadtnähe haben zunehmend leistungssektors verschärfen die Zugang zum städtischen Arbeitsmarkt; Konkurrenz aus aufstrebenden Volks abgelegene Regionen werden über das wirtschaften. Für ländliche Regionen, Internet angebunden. Um diese Ver- deren Wirtschaftsbasis in der Regel änderungen optimal zu nutzen und weniger diversifiziert und stärker vom sicherzustellen, dass der ländliche und Verarbeitenden Gewerbe und von Waren städtische Raum gleichermaßen davon exporten abhängig ist, stellt dies eine profitieren, ist eine größere gebietsüber- besondere Herausforderung dar. greifende Koordination und Verzahnung der Maßnahmen erforderlich. 10
Schwerpunkte Technologische und digitale Menschen die Teilhabe am Wirtschafts- Innovationen schreiten rasch voran leben ermöglichen. Soziale Innovationen, und erfordern dynamische politische die der Einsamkeit älterer Menschen Reaktionen, die diesen Änderungen entgegenwirken und die Integration Rechnung tragen und sicherstellen, von Migrant*innen fördern, können ein dass Bevölkerung und Umwelt davon wichtiges Instrument sein, um Lösungen profitieren. Ländliche Regionen können für gesellschaftliche Herausforderungen den Anschluss an diese Innovationen zu finden und zugleich die Lebensqualität leicht verlieren, wenn sie nicht über die zu verbessern. richtigen Infrastrukturen (d. h. Breitband), Fähigkeiten (d. h. digitale Kompetenzen) Der Klimawandel und der Übergang und Ressourcen (d. h. Finanzmittel) zu einer klimaneutralen Wirtschaft verfügen. Wenn die Voraussetzungen erfordern eine Politik, die Klimaziele stimmen, kann die Digitalisierung neue berücksichtigt und die Stärken des Arbeitsplätze schaffen, die Bereitstellung ländlichen Raums bewahrt (z. B. Boden von Dienstleistungen modernisieren und biologische Vielfalt). Durch den und neue Transportmöglichkeiten für Ausbau erneuerbarer Energien und die Menschen und Güter schaffen. Dies Entwicklung einer Bio- und Kreislauf- stärkt die Wirtschaftskraft ländlicher wirtschaft können ländliche Gemeinden Räume und erhöht ihre Attraktivität. Wachstum und Lebensqualität steigern. Demografische Veränderungen erfor Der mehrdimensionale Ansatz des Konzepts dern neue Politikziele mit nachhaltigen für starke ländliche Räume bietet staatlichen Lösungen, damit ländliche Regionen über Stellen Orientierungshilfen, um die Vorteile ausreichend Fachkräfte und hochwertige dieser strukturellen Veränderungen zu nutzen, Dienstleistungen verfügen und attraktiv das Wachstumspotenzial ländlicher Regionen bleiben. Deshalb ist eine zukunfts- freizusetzen und zugleich die Lebensqualität gerichtete Planung notwendig, die die zu steigern. Alterung und den Bevölkerungsrückgang berücksichtigt und darauf ausgerichtet ist, junge Arbeitskräfte anzuziehen und in der Region zu halten. Angesichts des demografischen Wandels müssen länd- liche Regionen ein dynamisches Umfeld schaffen, in dem sich Menschen aller Altersgruppen wohl fühlen, und älteren © OECD 2021 11
Starke ländliche Räume: Geografie der Möglichkeiten Megatrends Chancen Herausforderungen Demografie Umwelt Technologie Globalisierung Bevölkerungs Wirtschaftlicher Weiterqualifizie Verstärkte alterung und Wandel im rung angesichts Konkurrenz aus Bevölkerungs ländlichen Raum der Automatisie aufstrebenden rückgang rung Volkswirtschaften Valorisierung Teurere des natürlichen Unzureichende Aufstieg öffentliche Reichtums Breitband innerhalb der Dienstleistungen (Boden, Bio versorgung globalen Wert diversität usw.) schöpfungsketten Teilhabe älterer Vorteile für Neue Offenheit Menschen am erneuerbare Arbeitsplätze gegenüber Wirtschaftsleben Energien und und neue Dienst Auslands Kreislauf leistungs- und investitionen Integration von wirtschaft Verkehrsoptionen Migrant*innen, Internationale um dem Die biologische Die Attraktivität Vernetzung von Bevölkerungs Vielfalt als Stärke ländlicher KMU rückgang nutzen Gebiete erhöhen entgegenzu wirken 12
Schwerpunkte Das Konzept enthält mehrere wirtschafts-, Gezielte Mentoring-Programme für die sozial- und umweltpolitische Empfehlungen junge Landbevölkerung auflegen, z. B. zur für die verschiedenen Arten ländlicher Gebiete. Förderung von Führungskompetenzen. Das Gesamtziel ist dabei, die Lebensqualität zu Ältere Menschen bedarfsgerecht unter- erhöhen. stützen (z. B. medizinische Versorgung, Mobilität usw.) und ihnen zugleich er- 1. Wirtschaftspolitische Empfehlungen – möglichen, weiter zum Leben der Ge- Steigerung von Produktivität und meinde beizutragen. Wettbewerbsfähigkeit: Soziale Innovationen für gesellschaftliche Intelligente Spezialisierungsstrategien Herausforderungen fördern (z. B. Einsam- vertiefen und Innovationen im Handels- keit unter älteren Menschen). bereich fördern. Gezielte Einwanderungsprogramme Das Wachstum und die Internationali entwickeln und die Kommunikation ver- sierung von KMU durch Vernetzung mit bessern, um junge Menschen, Fachkräfte städtischen sowie in- und ausländischen und Neuankömmlinge für das Leben im Märkten sowie durch Weiterbildung und ländlichen Raum zu gewinnen; dabei Beratung fördern. könnten Vorteile wie die niedrigeren Den Zugang ländlicher Unternehmen Lebenshaltungskosten und die Nähe zur zu traditionellen und innovativen Natur hervorgehoben werden. Finanzierungsquellen erleichtern. 3. Umweltpolitische Empfehlungen – Die Wertschöpfung in ländlichen Ge- Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft: meinden durch eine konkurrenzfähige Erneuerbare Energien ausbauen, um Regulierung sowie – monetäre und die Wirtschaft im ländlichen Raum nichtmonetäre – Gewinnbeteiligungs- zu stärken, und mit CO2-intensiven mechanismen erhöhen. Branchen zusammenarbeiten, um ihnen Die Zusammenarbeit zwischen Behör neue Chancen zu eröffnen und so ihren den, örtlichen Unternehmen und Zivil- Umbau zu fördern. gesellschaft verbessern, um die Aus- und Ökosystemleistungen wie Wasser- und Weiterbildungsprogramme auf den Luftreinigung, Schädlingsbekämpfung aktuellen und künftigen Bedarf ländlicher und CO2-Sequestrierung stärker berück- Unternehmen auszurichten. sichtigen und zur Wertschöpfung nutzen. 2. Sozialpolitische Empfehlungen – Maßnah Nachhaltige Landnutzung im Rahmen der men für eine alternde und schrumpfende Kreislauf- und Bioökonomie fördern. Bevölkerung: Verkehrsoptionen für Land- Die Qualität und Verfügbarkeit digitaler bewohner*innen neu durchdenken und Tools und Kompetenzen verbessern, bei der Emissionsreduzierung und Infra- insbesondere beim Ausbau digitaler strukturentwicklung verstärkt auf alter- Dienstleistungen für Müttergesundheit, native und technologische Innovationen Kinderbetreuung und die Integration setzen. Zugewanderter. Resiliente Dienste entwickeln und Technologie nutzen, um Verbund- und Skalenerträge zu steigern. © OECD 2021 13
Starke ländliche Räume: Geografie der Möglichkeiten Umsetzung des Rahmenkonzepts für starke ländliche Räume U m den drei Zieldimensionen des von externen Schocks wie der globalen Finanz- Rahmenkonzepts für starke ländliche krise von 2008 oder der COVID-19-Krise von Räume – Wirtschaft, Soziales und 2020 erfordert die Mitwirkung eines breiten Umwelt – gerecht zu werden, sind Mechanis- Spektrums von Akteuren und staatlichen men erforderlich, über die die verschiedenen Ebenen. staatlichen Ebenen, die Bevölkerung und die Unternehmen wirksam einbezogen werden Um den ländlichen Raum effektiv zu stärken, können. Angesichts der sich vertiefenden müssen die traditionell für die ländliche Ent Globalisierung und der wachsenden Stadt- wicklung zuständigen Ministerien (z. B. das Land-Kluft müssen die Bedürfnisse ländlicher Landwirtschaftsministerium) ihre Arbeit Gebiete stärker in der Politikgestaltung auf horizontal mit anderen für relevante Bereiche nationaler Ebene berücksichtigt werden. wie Innovation und Dienstleistungen zu- ständigen Ministerien koordinieren. Fragen der Wenn Verwaltungsbereiche und Wirtschafts- ländlichen Entwicklung müssen systematisch zweige isoliert betrachtet werden, bleiben in allen Politikbereichen berücksichtigt werden Synergien ungenutzt und können übergrei (sog. Rural Proofing). Damit ist es jedoch fende Politikziele für ländliche Regionen und nicht getan. Die staatlichen Stellen müssen Länder nicht erreicht werden. Die Erholung außerdem sicherstellen, dass die verschiedenen 14
Schwerpunkte ressort- und branchenspezifischen Strategien Veränderungen, ein sinkendes Vertrauen wie komplementär auf das gleiche Ziel ausgerichtet auch die COVID-19-Krise führen dazu, dass der sind (Änderungen der Raumordnung erfordern Staat Transparenz und Rechenschaftspflicht beispielsweise eine Abstimmung mit der Ver- stärken und seine Rolle neu überdenken muss: kehrs- und Infrastrukturplanung). Er darf nicht mehr nur Bereitsteller von Dienst- leistungen sein, sondern muss eine „partner- Weitere wichtige Aspekte für eine erfolgreiche schaftliche“ Beziehung zu den Bürger*innen Koordinierung der Politik für ländliche Räume: und dem Privatsektor aufbauen. Umfang und Governance der Maß- Die Einbeziehung lokaler Akteure in die Politik- nahmen konkret auf die jeweiligen gestaltung und -umsetzung setzt voraus, funktionalen Raumordnungskategorien dass unterschiedliche Visionen der ländlichen abstimmen, die in den meisten OECD- Regionen für ihre Entwicklung anerkannt und Ländern der Vielfalt ländlicher Regionen dass die Strategien in Zusammenarbeit mit Rechnung tragen. den Menschen vor Ort angepasst werden. Die Verantwortlichkeiten für die Ko- Dazu muss die Eigeninitiative der örtlichen ordinierung der Politik für den ländlichen Bevölkerung unterstützt werden, um sie in die Raum klar festlegen, um die nationalen Lage zu versetzen, sich effektiv als Partner in Maßnahmen besser abzustimmen, eine Mehrebenengovernance einzubringen. Synergien zu fördern und das Konzept der Entwicklung des ländlichen Raums national aufzuwerten. Die Länder und Regionen verfolgen Stadt-Land-Partnerschaften fördern, unterschiedliche Strategien für die um funktionale Verflechtungen zu Einbeziehung lokaler Akteure, von der stärken, insbesondere in Bezug auf einfachen Kommunikation bis zur ge- wirtschaftliche, demografische und öko- meinsamen Erarbeitung und Umsetzung logische Fragen sowie die Bereitstellung der Maßnahmen. öffentlicher Dienstleistungen. Bürgerbeteiligung: partizipative Die vertikale Koordinierung zwischen Haushaltsaufstellung, gemein höheren und niedrigeren staatlichen same Bereitstellung sozialer Ebenen verbessern, einschließlich ihrer Dienstleistungen, Foren oder institutionellen und finanziellen Aspekte. Strategiegipfel In vielen OECD-Ländern besteht der erste Schritt der Koordinierung darin, nationale Beteiligung des Privatsektors: Entwicklungspläne zu erstellen. Weitere öffentlich-private Partnerschaften Instrumente sind nationale Plattformen und Dialogplattformen oder regionale Foren auf nationaler Ebene, auf denen alle staatlichen Ebenen Beteiligung des Bildungssektors: vertreten sind. gemeinsame Erstellung regionaler und lokaler Pläne, Weiter- Um Nachhaltigkeit und Eigenverantwortung zu bildung öffentlich Bediensteter gewährleisten, ist die Mitwirkung eines breiten und Unterstützung der lokalen Spektrums von Akteuren und ein „Bottom- Innovationsstrategie up“-Ansatz erforderlich. Neue Technologien, Haushaltskonsolidierung, soziopolitische © OECD 2021 15
Starke ländliche Räume: Geografie der Möglichkeiten Wie verbessern die OECD-Länder die horizontale Koordinierung der Politik für ländliche Räume? Die OECD-Erhebung von 2018-2019 zur Politik für ländliche Räume zeigt, wie die OECD-Länder die Koordinierung verbessern und Zuständigkeiten festlegen: Um sektorale Ungleichgewichte und Inseldenken bei der Politikgestaltung zu über winden, haben 85 % der befragten OECD-Länder interministerielle Organe wie etwa Sachverständigenräte, Plattformen, Netzwerke oder Präsidialausschüsse eingerichtet. In den OECD-Ländern ist zumeist mehr als ein Ministerium für die Entwicklung des ländlichen Raums zuständig. In den meisten Fällen (in 62 % der befragten Länder) hat das Landwirtschaftsministerium die Federführung. In mehreren Ländern (38 %) ist das federführende Ministerium oder Organ jedoch nicht unmittelbar für die Landwirtschaft zuständig, sondern befasst sich mit einem breiteren Spektrum von Bereichen wie Regionalentwicklung, Unternehmensförderung oder Innovation (Abb. 3). Einige OECD-Länder haben die interkommunale Zusammenarbeit im ländlichen Raum durch institutionalisierte Koordinierungsgremien oder freiwillige Kooperationsmechanis men gestärkt. Andere Länder haben interkommunale Entwicklungsbehörden eingerichtet, um die Kommunalverwaltungen bei der Förderung des Geschäftsumfelds und der Lebensqualität vor Ort zu unterstützen (Finnland). Abbildung 3. Für ländliche Entwicklung zuständige Ministerien und Organe Zahl der OECD-Länder 25 20 15 10 5 0 Hauptzuständigkeit Landwirtschaft Andere Bezeichnungen ohne Nennung von Ländliche/regionale Angelegenheiten Landwirtschaft oder Regionalentwicklung und/oder regionale/territoriale Entwicklung Anmerkung: Andere Bezeichnungen sind z. B. Ministerium für Industrie, Unternehmen und Finanzangelegenheiten (Dänemark), Ministerium für lokale Gebietskörperschaften und Modernisierung (Norwegen), Staatssekretariat für Wirtschaft (Schweiz), Ministerium für Unternehmen und Innovation (Schweden), Ministerium für Verkehr und lokale Gebietskörperschaften (Island), Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (Österreich), Präsidium für Strategie und Budget (Türkei). Quelle: Institutionelle Erhebung der OECD 2018-2019. Antworten auf die Frage „Welche Ministerien oder sonstige Koordinierungsgremien sind federführend für die Entwicklung des ländlichen Raums zuständig – wichtigstes zuerst angeben“. 16
Schwerpunkte Ländliche Regionen der Zukunft D as Konzept für starke ländliche Räume den Dienstleistungszugang verbessern, die unterstreicht wie wichtig es ist, in die politische Teilhabe fördern, lokale Arbeits- Zukunft zu blicken und Technologien märkte stärken und Regionen beim Über- gegenüber offen zu sein. Nur so können gang zu einer CO2-neutralen Wirtschaft ländliche Regionen die Chancen des techno- unterstützen. logischen Wandels nutzen und zur Verwirk lichung globaler Ziele beitragen, wie der Ziele Innovation und technologischer Wandel für nachhaltige Entwicklung (SDG) und dem können ländlichen Regionen helfen, Hinder- Klimaschutz. nisse wie die Marktentfernung, die hohen Transportkosten und die fehlende kritische Megatrends wie Digitalisierung, demo- Masse zu überwinden, ihre Krisenfestigkeit zu grafischer Wandel und Klimawandel bringen stärken und den Übergang zu einer CO2-armen neue Herausforderungen und Chancen für Wirtschaft zu beschleunigen. den ländlichen Raum mit sich. Durch die Digitalisierung können Transportkosten ein- gespart werden, was wiederum die Bedeutung des Standorts für Arbeitskräfte und Unter- nehmen verringert. Dadurch können ländliche Räume international wettbewerbsfähiger und attraktiver für Menschen und Unternehmen werden. Der technologische Fortschritt kann außerdem die Dienstleistungsqualität und © OECD 2021 17
Starke ländliche Räume: Geografie der Möglichkeiten Ohne eine zukunftsgerichtete Strategie kann Ein gutes Verständnis der Innovations- der technologische Wandel sich jedoch negativ tätigkeit im ländlichen Raum. In länd- auf ländliche Regionen auswirken und die lichen Regionen erfolgt Innovation häufig Einkommensungleichheit zwischen Stadt und über Anpassungsmaßnahmen zur Über- Land vergrößern. Viele ländliche Regionen windung von Markt- und Politikversagen. leiden unter dem Wegfall von Arbeitsplätzen Innovative Produkte und Verfahren durch Automatisierung, einer unzureichenden entstehen häufig durch eine Abfolge Diversifizierung und der Abwanderung hoch- kleinerer Veränderungen („Learning by qualifizierter Arbeitskräfte. Damit ländliche doing“). Gemeinden und Unternehmen die Vorteile des Eine zukunftsgerichtete Entwicklung des digitalen Zeitalters voll nutzen können, bedarf ländlichen Raums muss außerdem mit globalen es folgender Elemente: Zielen im Einklang stehen, wie z. B. Nach- haltigkeit, Klimaschutz, Armutsbekämpfung Guter Breitbandzugang in allen Arten und Gleichstellung der Geschlechter. Die Ver- ländlicher Räume. Höhere staatliche wirklichung der SDG setzt die Mitwirkung Investitionen, ein solider politischer der lokalen Ebene voraus, die hier direkt Rahmen für den Ausbau digitaler Netze Verantwortung übernehmen muss. Länd- und die Förderung von Bottom-up- liche Regionen sind entscheidend für diese Modellen für die Finanzierung und globalen Ziele, da sie die biologische Vielfalt, Schaffung von Hochgeschwindigkeits- den Naturreichtum sowie die Nahrungs- und netzen würden die Breitbandversorgung Rohstoffversorgung der Welt sichern. Durch in ländlichen Räumen verbessern. Innovation und Einbindung der lokalen Akteure Stärkung der Infrastruktur (z. B. Tele- können die ländlichen Regionen zur welt- kommunikation und Straßen). Auch im weiten Armutsreduzierung beitragen und den digitalen Zeitalter ist eine gute Infra- Übergang zu einer CO2-neutralen Wirtschaft struktur als Rückgrat für hochwertige beschleunigen. IKT-Dienstleistungen erforderlich. Weiterbildung der Arbeitskräfte und Ver- mittlung von Zukunftskompetenzen. Dies erfordert Investitionen in bessere digitale Kompetenzen, eine stärker kompetenz- und weniger arbeitsplatzorientierte Aus- richtung der Berufslaufbahnen und mehr Koordination zwischen Bildungsanbietern und Arbeitgebern. Eine zukunftsgerichtete Politik und Regulierung, die den ländlichen Raum auf künftige Veränderungen vorbereitet. Dies umfasst eine zukunftsorientierte Planung unter Beteiligung der Kommunen, ver- besserte Informationssysteme (über die Kompetenzen und demografischen Merkmale der Arbeitskräfte) und die Erprobung technischer Lösungen. 18
Schwerpunkte Über die OECD Die OECD ist ein in ihrer Art einzigartiges Forum, in dem Regierungen gemeinsam an der Bewältigung der wirtschaftlichen, sozialen und umweltbezogenen Heraus- forderungen der Globalisierung arbeiten. Die OECD ist Vorreiterin bei den Bemühungen, neue Entwicklungen und Aufgaben besser zu verstehen und die Regierungen dabei zu unterstützen, Antworten auf diese Herausforderungen zu finden. Dazu gehören Corporate Governance, die Informationsökonomie sowie die Bevölkerungsalterung. Die Organisation bietet den Regierungen einen Rahmen, der es ihnen ermöglicht, Er- fahrungen aus verschiedenen Politikbereichen auszutauschen, nach Lösungsansätzen für gemeinsame Probleme zu suchen, gute Praktiken aufzuzeigen und auf eine Ko- ordinierung nationaler und internationaler Politiken hinzuarbeiten. Über das Zentrum für Unternehmertum, KMU, Regionen und Städte Das Zentrum hilft staatlichen Stellen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene, das Potenzial von Unternehmer*innen und KMU auszuschöpfen, Teil habe und Nachhaltigkeit in Regionen und Städten zu fördern, Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen und eine solide Tourismuspolitik zu verfolgen. Über diese Broschüre Diese Broschüre beschreibt die Schwerpunkte des Berichts Rural Well- being: Geography of Opportunities, der einen Aktionsplan zur Förderung des ländlichen Raums aufzeigt. Weitere Informationen über die Arbeit der OECD in den Bereichen Regionalpolitik und Politik für ländliche Räume finden Sie unter www.oecd.org/cfe/. Bildquellen Titelbild: © Jeffrey Fisher. Seite 2: © Getty / Imgorthand Seite 4: © Getty / lucentius Seite 6: © Shutterstock / Zoran Zeremski Seite 9: © Getty / RgStudio Seite 10: © Shutterstock / Monkey Business Images Seite 12: © Getty / as3d Seite 14: © Getty / AleksandarGeorgiev Seite 17: © Getty / wmaster890 © OECD 2021 19
Kontakt José Enrique Garcilazo > joseenrique.garcilazo@oecd.org Gesamtbericht und Länderprofile > https://oe.cd/3fN @OECD_local
Sie können auch lesen