Erbrechen bei Katzen - Aufarbeitung und Management - Aktuelle "Best Practice"-Leitlinien des European Emesis Council
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Erbrechen bei Katzen – Aufarbeitung und Management Aktuelle „Best Practice“-Leitlinien des European Emesis Council Unterstützt von November 2012 13010079_br_cat_gui.indd 1 06.08.13 14:30
Das European Emesis Council widmet sich dem Aufbau und der Entwicklung einer „Best Practice“ für das Management von Erbrechen und Übelkeit sowie deren Ursachen bei Hunden und Katzen. • D r. Patrick Devauchelle • P rof. Ed Hall DVM MA, VetMB, PhD, Dipl. ECVIM-CA, MRCVS Centre de Cancérologie Veterinaire School of Veterinary Sciences Maisons-Alfort Vet School, France University of Bristol, UK • Prof. Jonathan Elliott • D r. Erik den Hertog MA, VetMB, PhD, Cert SAC DVM Dipl. ECVPT, MRCVS Medisch Centrum voor Dieren, Amsterdam Royal Veterinary College, UK Netherlands • D r. Clive Elwood • P rof. Reto Neiger MA, VetMB, MSc, PhD, CertSAC, Dipl. ACVIM, Dipl. ECVIM-CA, PhD Dipl. ACVIM, Dipl. ECVIM, MRCVS Justus-Liebig University Giessen, Germany Managing Director Davies Veterinary Specialists, UK • D r. Dominique Peeters DVM, PhD, Dipl. ECVIM-CA • D r. Valérie Freiche Department of Internal Medicine (Small Animals) Clinique Vétérinaire Alliance University of Liège, Belgium Bordeaux, Frankreich • D r. Xavier Roura • D r. Alex German DVM, PhD, Dipl. ECVIM-CA BVSc, PhD, CertSAM, Dipl. ECVIM-CA, MRCVS Fundació Hospital Clínic Veterinari Department of Veterinary Clinical Sciences, Universitat Autònoma de Barcelona, Spanien Small Animal Hospital University of Liverpool, UK • P rof. Massimo Gualtieri DVM, PhD Head of Surgery Unit Department of Veterinary Clinical Science, University of Milan, Italy 2 13010079_br_cat_gui.indd 2 06.08.13 14:30
Einführung Erbrechen bei Katzen ist ein häufiger Vorstellungsgrund in der tierärztlichen Praxis und tritt bei einer Viel- zahl von Erkrankungen auf. Somit gehört Erbrechen zu den häufigsten Symptomen, weshalb Katzen in tierärztlichen Praxen untersucht werden. Im Folgenden stellt das European Emesis Council Empfehlungen zur Untersuchung und Behandlung von Katzen mit Erbrechen vor. Sie basieren auf einem Review zu evidenzbasierter Medizin1 und auf Expertenmeinungen. Der Brechreflex und Ursachen von Erbrechen Erbrechen ist bei Katzen ein komplex gesteuerter Reflex, der von im Hirnstamm gelegenen Neuronen koor- diniert wird und im Auswurf von Mageninhalt resultiert. Diese Neuronen können durch periphere Stimuli aus dem Magen-Darm-Trakt oder anderen abdominalen Organen, durch zentrale Stimuli wie Raumforderun- gen sowie durch zentral wirkende zirkulierende Toxine aktiviert werden. Auch vestibuläre Stimuli (Kinetose) können bei Katzen Erbrechen hervorrufen, obwohl die individuelle Empfindlichkeit hierfür bei der Katze – wie auch bei anderen Spezies – stark variiert. Aber auch emetogene Stimuli aus dem Mittel- oder dem Vor- derhirn können Auslöser für Erbrechen sein. Ursachen für akutes Erbrechen Bei Katzen steht akutes Erbrechen oft in Zusammenhang mit dem Ausstoßen von Haarballen, mit Futtermittel- oder Arzneimittelunverträglichkeiten, der Aufnahme von Zimmerpflanzen oder der Infektion mit Erregern wie z. B. dem felinen Panleukopenievirus. Gelegentlich bleibt die Ursache bei akutem selbstlimitierenden Erbrechen ungeklärt (sogenannte „akute Gastritis“). Im Gegensatz zu Hunden sind bei Katzen, die mit Erbrechen als Hauptsymptom vorgestellt werden, eher eine Behandlung und eine weitere Abklärung erfor- derlich, da Erbrechen bei Katzen seltener selbstlimitierend ist, da die Tiere (aufgrund ihrer Körpergröße) rascher dehydrieren und ein höheres Risiko für Anorexie und daraus folgende hepatische Lipidose aufwei- sen. Bei der Erstuntersuchung sollte der Schweregrad der Erkrankung bestimmt werden. Dies erleichtert die Unterscheidung, welche Katzen nach nur wenigen weiteren Untersuchungen symptomatisch behandelt werden können und welche Tiere eine umfassendere, gründlichere Abklärung oder eine spezifische Be- handlung benötigen. Zur letztgenannten Gruppe zählen Katzen mit Verdacht auf gastrointestinale Obstruk- tion, Fremdkörper oder septische Peritonitis bzw. dehydrierte Katzen. Ursachen für chronisches Erbrechen Zu den häufigen Ursachen für chronisches Erbrechen bei Katzen gehören chronisch-entzündliche Darmer- krankungen (Inflammatory Bowel Disease/IBD), chronische Pankreatitis, Futtermittelunverträglichkeiten, Lebererkrankung, Hyperthyreose und chronische Nierenerkrankungen im Endstadium. Allerdings werden Berichten zufolge auch viele andere Erkrankungen mit Erbrechen bei der Katze in Verbindung gebracht. Die Eingangsuntersuchung kann bereits Hinweise auf eine mögliche zugrunde liegende Ursache des Erbre- chens liefern. Gleichzeitig sollte klargestellt werden, ob weiterführende Diagnostik erforderlich ist und wel- che spezifischen Behandlungen folglich angezeigt sind. 3 13010079_br_cat_gui.indd 3 06.08.13 14:30
Klinisches Bild und Erstuntersuchung Die Untersuchung beginnt mit der Erfassung des Signalements (Alter, Rasse und Geschlecht der Katze) und der Anamnese, die auch die Frage umfasst, ob weitere Katzen im Haushalt Symptome zeigen. Das Alter spielt insofern eine Rolle, da einige Krankheitsursachen bzw. Erkrankungen bei jungen Katzen häufiger sind, z. B. Aufnahme von Fremdkörpern, Invagination, Infektionskrankheiten wie Panleukopenie oder Coronavirus- Enteritis sowie Parasitenbefall. Andere Krankheiten hingegen treten vermehrt bei älteren Katzen auf, z. B. Hyperthyreose, chronische Nierenerkrankung oder gastrointestinale oder hepatobiliäre Neoplasien. Auch die Rasse spielt eine wichtige Rolle (Siamkatzen weisen z. B. eine Prädisposition für gastrointestinale Adenokarzinome auf). Einige Erkrankungen treten nur bei einem Geschlecht auf. Eine vollständige Anamnese ist für die Beurteilung des Gesundheitszustands einer sich erbrechenden Katze von besonderer Bedeutung. Folgende Informationen sollten während der Erstuntersuchung erfragt werden: • U nterscheidung zwischen Erbrechen und Regurgitieren (mit oder ohne Kontraktionen der Abdominalmuskulatur?) • Beginn und Fortschreiten der Symptome • Beschreibung des Erbrochenen • Hämatemesis • Zeitpunkt im Verhältnis zum Fressen • gleichzeitig bestehende Obstipation und Tenesmen • Vorliegen von Durchfall, Hämatochezie, Meläna • Appetit, Ernährungszustand und Gewichtsverlust • Flüssigkeitsaufnahme (vermehrt, verringert oder normal) • Miktionsverhalten (einschließlich Dysurie, Anurie) • Vorliegen von Bauchschmerzen • Futterumstellungen, kürzlich durchgeführte Behandlung mit Arzneimitteln, Zugang zu Toxinen oder Fremdkörpern • Impfstatus • gleichzeitig vorliegende Hautsymptome • Ptyalismus und Lethargie • normales Lebensumfeld • hormonelle Behandlung zur Rolligkeitsprävention • Vaginalblutungen, Vaginalausfluss 4 13010079_br_cat_gui.indd 4 06.08.13 14:30
Klinische Allgemeinuntersuchung Die Untersuchung sollte Folgendes umfassen: • P alpation des Abdomens (Druckschmerz, vermehrter Bauchumfang/Flüssigkeitsansammlungen, Raumforderungen) • Rektaltemperatur (Hypothermie, Fieber) • orale Untersuchung (Vorhandensein von Fremdkörpern, auch unter der Zunge), rektale Untersuchung • Farbe der Schleimhäute (blass, ikterisch) • Herzfrequenz, Auskultation • Hautturgor • Verhalten (Depression) • Atmung (Dyspnoe) • Größe der Blase • Lymphknotenvergrößerung • Palpation der zervikalen Region • Nasenausfluss • Vaginalausfluss • neurologische Untersuchung Kriterien für weiterführende Untersuchungen Aufgrund von Signalement, Anamnese und klinischer Allgemeinuntersuchung sollte der Tierarzt bereits beurteilen können, ob das Allgemeinbefinden des Patienten nur minimal beeinträchtigt ist (allgemein stabi- le Katze ohne Anhaltspunkte, die für eine weitere Abklärung oder Behandlung sprechen) oder ob das Allgemeinbefinden merkbar gestört ist (instabile Katze mit mindestens einem Kriterium, das für eine Inter- vention spricht). Zudem sollte der Tierarzt eine Problemliste aufstellen und entsprechende weiterführende Untersuchungen und therapeutische Maßnahmen bestimmen. Katzen mit geringgradigem akuten, selbst limitierenden Erbrechen ohne Komplikationen benötigen keine weiteren Untersuchungen und können symptomatisch behandelt oder nur überwacht werden. In diesen Fällen hören die Symptome meistens un- abhängig von symptomatischer oder unterstützender Therapie innerhalb von 1 – 2 Tagen auf. Kriterien für eine weiterführende diagnostische Abklärung bzw. die Einleitung einer Therapie sind u. a.: • E rbrechen, das: – häufig und spontan auftritt – große Volumina umfasst – übel riecht oder Blut enthält • Meläna • auffälliger abdominaler Palpationsbefund • Bauchschmerzen • aufgetriebenes Abdomen oder Flüssigkeitsansammlungen • Gewichtsverlust/Kümmern • Fieber • hochgradige Dehydratation/Hypovolämie • Hypothermie/Schock • Polyurie/Polydipsie • Bradykardie (absolut oder relativ zum Volumenstatus) • deutlich gestörtes Allgemeinbefinden (Apathie, Depression, Lethargie) 5 13010079_br_cat_gui.indd 5 06.08.13 14:30
• a ndere auffällige Befunde der klinischen Allgemeinuntersuchung, z. B. blasse Schleimhäute, Ikterus, neurologische Symptome, Dysrhythmien, palpabel vergrößerte Schilddrüsen, vergrößerte Lymphknoten, Vaginalausfluss • Chronizität (Dauer > 2 Wochen) • kein Ansprechen auf die symptomatische Behandlung Diagnostischer Ansatz Bei Vorliegen von Symptomen wie Dehydratation, Schock oder Hypothermie sollte die Katze eine intra venöse Flüssigkeitstherapie erhalten. Weitere Untersuchungen sollten eine hämatologische Untersuchung, die Anfertigung eines biochemischen Profils und eine Urinanalyse umfassen. Falls die abdominale Palpation unauffällig war, empfiehlt es sich, die Ergebnisse der Blutuntersuchung, des biochemischen Profils und der Urinanalyse abzuwarten. Bei Katzen über 6 Jahre sollte auch die Bestimmung des Gesamt-T4-Wertes er- wogen werden. Röntgenaufnahmen des Thorax sind dann angezeigt, wenn die Katze hustet, dyspnoeisch oder tachy pnoeisch ist, einen auffälligen Auskultationsbefund oder bei der Palpation ein abnorm leeres Abdomen auf- weist oder wenn aufgrund der Anamnese eine Ösophaguserkrankung vermutet wird. Die Untersuchung des Abdomens mit bildgebenden Verfahren sollte bei einer sich erbrechenden Katze besonders dann in Erwägung gezogen werden, wenn sich bei der Bauchpalpation Auffälligkeiten gezeigt haben (z. B. schmerz- haftes Abdomen, Raumforderung, verdickter Darm). Ein Ultraschall ist in vielen Fällen das beste bildgeben- de Verfahren, wobei die daraus erhaltenen Informationen jedoch oft nur die radiologischen Befunde ergän- zen. Kontrastmittelverstärkte Röntgenaufnahmen, Endoskopie, explorative Laparotomie oder Laparoskopie können ebenso in Erwägung gezogen werden. Bei ikterischen Katzen sollte immer eine Ultraschalluntersu- chung (mit Feinnadelaspirationszytologie der Leber, Biopsie und/oder Cholezystozentese) durchgeführt werden. Bei Haustieren gibt es zahlreiche Ursachen für eine gastrointestinale Obstruktion, einige davon treten je- doch bei Katzen häufiger auf: lineare Fremdkörper, Haarballen, fokale intestinale Neoplasien und Mega kolon. Weisen die bildgebenden Verfahren auf eine Obstruktion hin, sollte eine explorative Laparotomie durchgeführt werden. Im Falle eines Megakolons muss der Darm unter Narkose entleert werden. In jenen Fällen, in denen eine weitere Abklärung erforderlich ist oder die bereits bei der Eingangsunter suchung auffällig waren, sind möglicherweise eine Reihe weiterer Tests angezeigt. Dazu zählen eine Elimi- nationsdiät, weitere Bluttests (z. B. Trypsin-ähnliche Immunreaktivität [TLI], Pankreas-spezifische Lipase, Folsäure, Cobalamin und Laktat sowie Gerinnungstests), Serologie (z. B. Test auf felines Leukämievirus [FeLV] und felines Immundefizienzvirus [FIV]), Kotuntersuchung (z. B. Flotationstest), Untersuchung auf eine Infektion mit Tritrichomonas foetus oder dem Panleukopenievirus, Untersuchung des Erbrochenen, Analyse von peritonealen oder thorakalen Ergüssen (Zytologie und Kultur), Feinnadelaspirationszytologie aller auffälligen Organe oder Raumforderungen, Herzwurm-Nachweis (in endemischen Gebieten), Endoskopie und Schnittbildverfahren. Mittels Endoskopie können eine direkte Untersuchung des Verdauungstrakts und Biopsieentnahmen für die histopathologische Untersuchung durchgeführt werden. Dies ist weniger invasiv als eine explorative Laparotomie. Symptomatische Behandlung Erbrechen ist nicht nur unangenehm für die Katze und belastend für den Besitzer, sondern kann auch uner- wünschte Folgen wie Anorexie, Gewichtsverlust, Futteraversion oder Störungen des Flüssigkeits-, Säure- Basen- und Elektrolythaushalts haben. Bei dysphagischen und stark geschwächten Katzen kann es auch zu einer Aspirationspneumonie kommen. Solange noch keine Untersuchungsergebnisse vorliegen, können als unterstützende Therapie bereits eine Flüssigkeits- und Elektrolyttherapie eingeleitet und Antiemetika ver- abreicht werden. In manchen Fällen können Antiemetika allerdings kontraindiziert sein, zum Beispiel bei Verdacht auf gastrointestinale Obstruktion. Je nach klinischem Status können andere Akutinterventionen notwendig sein. 6 13010079_br_cat_gui.indd 6 06.08.13 14:30
Antiemetische Behandlung Die wirksamsten Antiemetika für Katzen scheinen Substanzen zu sein, die über die NK1- oder 5HT3 -Rezep- toren* wirken.2–4 Obwohl der D2-Antagonist Metoclopramid oft als Erstlinientherapie angeführt wird, ist seine Anwendung als zentral wirkendes Antiemetikum bei Katzen fragwürdig.2 Metoclopramid ist eventuell vorzuziehen, wenn eine prokinetische gastrointestinale Wirkung erwünscht ist, z. B. bei Ileus oder verzögerter Magenentleerung. Jedoch ist auch die prokinetische Wirkung von Metoclopramid bei Katzen infrage zu stellen. Die Wirkung von NK1-Rezeptor-Antagonisten (z. B. Maropitant) zur Vorbeugung von Erbrechen in Verbin- dung mit Kinetose bei Katzen wurde unter Laborbedingungen nachgewiesen.5 Maropitant ist jedoch nur für Hunde und nicht für Katzen zur Vorbeugung von Kinetose-bedingtem Erbrechen zugelassen. Man geht davon aus, dass Antihistaminika* bei einigen Spezies wirksam gegen Kinetose sind, doch scheinen H1-Antagonisten* bei Katzen nicht vorbeugend gegen Kinetose zu wirken. Maropitant ist auch zur Behandlung und Prävention von Erbrechen und Reduktion von Übelkeit bei Katzen (zentral durch den alpha-2-adrenergen Agonisten Xylazin ausgelöst) hilfreich.6,7 Diätetische Therapie Bei vielen Katzen mit Vomitus liegt keinerlei systemische Erkrankung vor und das Erbrechen ist selbstlimitie- rend. Ernährungsempfehlungen für diese Tiere sind kaum wissenschaftlich belegt. Angesichts der selbstlimi- tierenden Natur der klinischen Symptome und fehlender gegenteiliger Beweise werden die nachstehenden Empfehlungen wahrscheinlich weiterhin gängige Praxis bleiben. Die Standardempfehlung für die Ernäh- rung von Katzen mit akuten gastrointestinalen Erkrankungen ist eine 24-stündige Nahrungskarenz und die Verabreichung kleiner Mengen einer leichten, hochverdaulichen Diät über 3 – 7 Tage, wobei die Tages ration auf 3 – 4 Portionen aufgeteilt werden sollte. Man nimmt an, dass sich der Darm durch derartiges Kurzzeitfasten „erholen“ kann, was zur Verringerung der gastrointestinalen Sekretion und der Bakterienzahl führt und gleichzeitig die unerwünschten Wirkungen von nicht absorbierten, osmotisch aktiven Nahrungs- partikeln verhindert. Der Darm kann sich zwar auch bei Fütterung einer hochverdaulichen Diät „erholen“, da diese im proximalen Dünndarm rasch assimiliert wird, doch kann die fortgesetzte Futteraufnahme das Erbrechen und den Durchfall (falls vorhanden) verschlimmern. Aus diesem Grund bleibt die Nahrungs karenz wohl weiterhin die am meisten angewandte Behandlungsstrategie. Vorsicht ist hinsichtlich der Nahrungskarenz aber nicht nur bei jungen Kätzchen, sondern vor allem bei kranken, insbesondere bei adipösen Katzen angebracht, da das Risiko der Entwicklung einer hepatischen Lipidose besteht. Für den frühzeitigen Einsatz einer enteralen Ernährung bei akut erbrechenden Katzen gibt es weder unterstützende noch widerlegende Evidenz. Der Ausdruck „leichte Kost/Schonkost“ wird häufig verwendet, jedoch selten definiert. Die meisten Dosen- futtersorten sind wohl aufgrund ihres Geschmacks und der raschen Assimilation eher als leichte Kost zu be- zeichnen, während Trockenfutter weniger geeignet erscheint. Für den Nutzen einer Ernährungsumstellung auf Futter, das eine neuartige Proteinquelle enthält, gibt es nur wenige Belege. Der Magen der Katze ist weniger dehnbar als der anderer Spezies, da der Verdauungstrakt an kleine, häufige Mahlzeiten angepasst ist. Daher sollten über den Tag verteilt mehrere kleine Mahlzeiten eines mäßig energiereichen, rohfaser armen Feucht- oder Nassfutters angeboten werden. Falls eine Futterunverträglichkeit als Ursache der chro- nischen gastrointestinalen Beschwerden vermutet wird, sollte ein Futter, das auf neuartigen Inhaltsstoffen basiert, gefüttert werden. In diesen Fällen kann eine hydrolysierte Proteindiät in Erwägung gezogen werden. Im Gegensatz zu stabilen Patienten mit akutem, selbstlimitierenden Erbrechen sind die Ernährungsanforde- rungen bei stationär aufgenommenen Katzen unterschiedlich. Eine absolute Nahrungskarenz wird für diese Tiere in der Regel nicht empfohlen, vielmehr sollte eine frühzeitige enterale Fütterung erwogen werden. Eine enterale Ernährung wird auch bei Katzen mit schwerer akuter Pankreatitis bevorzugt. * Diese Wirkstoffe sind nicht für diese Indikation zugelassen. Derzeit sind in Deutschland keine Tierarzneimittel verfügbar, in denen 5-HT3-Rezeptor- Antagonisten und Antihistaminika als wirksame Bestandteile enthalten sind. ** Dieser Wirkstoff ist nicht für diese Indikation zugelassen. 7 13010079_br_cat_gui.indd 7 06.08.13 14:30
Überwachung der Patienten Verwenden Sie für die Überwachung Techniken, die für die zugrunde liegende Erkrankung geeignet sind, z. B. häufige klinische Untersuchungen während der Hospitalisierung (besonders postoperativ), Laborunter suchungen, indirekte Blutdruckmessungen und Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren. Zeitrahmen für die erneute Beurteilung des Patienten: Wird eine Katze mit Erbrechen, bei der von einer selbstlimitierenden Erkrankung ausgegangen wird, symp- tomatisch behandelt, ist eine initiale antiemetische Behandlung über 24 Stunden zu empfehlen. Falls das Erbrechen anhält und sich andere Symptome nicht gebessert haben oder wenn neue Symptome auftreten (wie Verschlechterung von Appetit und Allgemeinzustand oder Auftreten von Durchfall), sollte spätestens 48 Stunden nach Erstuntersuchung eine Neubeurteilung des Gesundheitszustands erfolgen. Besitzer sollten darauf hingewiesen werden, dass der Einsatz von Antiemetika die Anzeichen von Erbrechen, das aufgrund einer zugrunde liegenden Erkrankung besteht, maskieren kann. Die Tierbesitzer sollten angehalten werden, die Katze möglichst frühzeitig wieder in der Klinik vorzustellen, falls keine Verbesserung eintritt, das Erbre- chen nach anfänglicher Besserung wieder schlimmer wird oder sich der Allgemeinzustand verschlechtert. Andere klinische Symptome, die auf eine zugrunde liegende Krankheit hinweisen (z. B. Anorexie, Lethargie, Fieber, Bauchschmerzen etc.) werden durch Antiemetikagabe nicht maskiert, sodass auf sie besonders auf- merksam zu achten ist. Bei einer erneuten Vorstellung sollte die Katze wieder auf solche Symptome unter- sucht werden, die weitere Diagnostik oder Therapie erfordern. Erbrechen bei Katzen mit Krebserkrankungen Katzen mit gut- oder bösartigen Tumoren erbrechen möglicherweise aufgrund der Tumorerkrankung (z. B. im Verdauungstrakt, dem hepatobiliären System, bei Pankreasbeteiligung) oder aufgrund paraneoplasti- scher Effekte. Auch bei einer Chemotherapie treten bei felinen Krebspatienten Übelkeit und Erbrechen als Begleiterscheinungen auf und können zu unerwünschten Folgen wie Anorexie führen. Bei manchen Chemo- therapeutika kommt es mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Erbrechen als bei anderen; dazu zählen: Cyclophosphamid, Ifosfamid (leichtes und selbstlimitierendes Erbrechen), Doxorubicin, Methotrexat, Mito- xantron, Idarubicin, Chlorambucil, Piroxicam und Vincristin. Eine verantwortungsvolle Chemotherapie bei Krebs sollte nur mit entsprechendem Fachwissen und Erfahrung sowie in geeigneten Einrichtungen durch geführt werden. Wenn Erbrechen und Übelkeit zu erwarten bzw. bereits bekannte Nebenwirkungen der Behandlung sind, stellt die Gabe von Antiemetika einen wichtigen Teil einer verantwortungsvollen Chemo- therapie bei Krebs dar. Literatur 1. Batchelor DJ et al. Mechanisms, causes, investigation and management of vomiting disorders in cats: a literature review. J Feline Med Surg 2013;15:237–65 2. Trepanier L. Acute emesis in cats. Rational treatment selection J Feline Med Surg 2010;12:225–30 3. Ramsey D et al. Clinical efficacy and safety of Cerenia® (Maropitant citrate) injectable solution for the treatment of vomiting in cats. Abstract, vorgestellt beim ECVIM-Meeting; Sept. 2012 Maastricht 4. Santos LC, et al. A randomized, blinded, controlled trial of the antiemetic effect of ondansetron on dexmedetomidine-induced emesis in cats. Vet Anaesth Analg 2011;38:320–7 5. Hickman MA, et al. Safety, pharmacokinetics and use of the novel NK-1 receptor antagonist maropitant (Cerenia®) for the prevention of emesis and motion sickness in cats. J Vet Pharmacol Ther 2008;31:220–9 6. Cerenia® Fachinformation 2012 7. Cerenia® EMA Wissenschaftliche Abhandlung 2012 8 13010079_br_cat_gui.indd 8 06.08.13 14:30
Erbrechen akut oder chronisch (> 3 Wochen) Chronisch, siehe Seite 10 Akutes Erbrechen Anamnese • Alter? (Infektionskrankheiten wie Panleukopenie häufiger bei jungen Katzen) • Beschreibung des Erbrochenen (Haarballen, Zimmerpflanze, Gras, Blut) • Futterumstellung, kürzlich erfolgte Arzneimitteltherapie, Zugang zu Toxinen? • Zeigen weitere Katzen im Haushalt Symptome? • Freigänger? 1. Häufige Ursachen für akutes Erbrechen • Impfstatus? • Spontanes selbstlimitierendes Erbrechen • Andere klinische Symptome, die für eine zugrunde liegende Erkrankung sprechen? – Unerwünschte Reaktion auf Futtermittel, Klinische Allgemeinuntersuchung Haarballen, Gras usw. • Infektiöse Ursachen, z. B. Infektion mit Panleuko- • Palpation des Abdomens penievirus, Parasitenbefall, Coronavirus-Enteritis • Rektaltemperatur • Felines akutes hämorrhagisches Vomitus-Syndrom Mögliche weitere diagnostische Maßnahmen • Röntgenaufnahmen des Thorax bei Verdacht auf Ösophaguserkrankung • Röntgenaufnahme des Abdomens und/oder Ultraschalluntersuchung bei Verdacht auf intestinale Obstruktion oder bei auffälligem Palpationsbefund • Kotuntersuchung auf Parasiten, Kottest auf Panleukopenievirus, Serologie auf FeLV/FIV 2. Wichtige Erwägungen bei akutem Erbrechen • Schweregrad Anamnese • Dehydratation • Urethraobstruktion? • Beginn und Fortschreiten der Symptome • Vorliegen von Durchfall • Appetit, Ernährungszustand und Gewichtsverlust • Flüssigkeitsaufnahme (vermehrt, verringert, normal?) • Miktionsverhalten, Dysurie, Anurie Bei Anzeichen von Anzeichen für • Vorhandensein von Bauchschmerzen Schock, Dehydra- FLUTD? tation oder Hypo- Klinische Allgemeinuntersuchung thermie: • Katheterisierung • Dehydratation, blasse Schleimhäute, Hypothermie, Tachykardie • Biochemisches Profil • i.v. Flüssigkeitstherapie • Größe der Blase • Harnanalyse • Blutuntersuchung • Hautturgor • Ultraschall des • Dringend: Abdomens biochemisches Profil • Urinanalyse Anamnese • Erbrechen oder Regurgitieren • Zeitpunkt im Verhältnis zum Fressen 3. Weitere wichtige Erwägungen bei (mit oder ohne Kontraktionen der • Vorliegen von Bauchschmerzen akutem Erbrechen Abdominalmuskulatur)? • Zugang zu Fremdkörpern • Hämatemesis • Ptyalismus und Lethargie • Obstruktion des Ösophagus Klinische Allgemeinuntersuchung (Unterschied zwischen Regurgitieren und Erbrechen bei Katzen nicht immer klar) • Palpation des Abdomens • Intestinale Obstruktion • Orale Untersuchung (Präsenz von Fremdkörpern, auch unter der Zunge) • Pankreatitis • Rektaluntersuchung (linearer Fremdkörper) • Fremdkörper • Aufgetriebenes Abdomen/Ergüsse • Septische Peritonitis • Dyspnoe, Tachypnoe, Auskultation – linearer Fremdkörper Weitere diagnostische Maßnahmen – Haarballen – fokale intestinale Neoplasie • Röntgen-Thorax bei Verdacht auf Ösophaguserkrankung, Dyspnoe, Tachypnoe oder – Megakolon bei auffälligem Auskultationsbefund • Bei Bauchschmerzen, abdominaler Raumforderung, verdicktem Darm: abdominale Un- tersuchung mit bildgebenden Verfahren (Ultraschall, Röntgen, kontrastmittelverstärkte Röntgenaufnahme, Endoskopie, explorative Laparotomie oder Laparoskopie), Biopsien 9 13010079_br_cat_gui.indd 9 06.08.13 14:30
Akut siehe Erbrechen akut oder chronisch (> 3 Wochen) Seite 9 Chronisches Erbrechen Anamnese • Beginn und Fortschreiten der Symptome • Hämatemesis • Beziehung zum Fressen • Vorliegen von Durchfall, Hämatochezie, Meläna 1. Häufige Ursachen chronischen Erbrechens • Appetit, Ernährungszustand und Gewichtsverlust • Entzündliche Darmerkrankungen (IBD) • Gleichzeitig bestehende Obstipation und Tenesmen • Futtermittelunverträglichkeiten Klinische Allgemeinuntersuchung • Pankreatitis • Lebererkrankung • Palpation des Abdomens • Urämie • Schleimhäute (Ikterus?) • Obstipation • Aufgetriebenes Abdomen/Ergüsse • Neoplasie • Orale Untersuchung (urämische Ulzerationen?) • Hyperthyreose Mögliche weitere diagnostische Maßnahmen • Hämatologie, klinische Chemie, Urinanalyse • Fütterungsversuche • Ultraschallaufnahme (mit Leberzytologie durch Feinnadelaspiration der Leber, Biopsie und/oder Cholezystozentese) • Endoskopie 2. Mögliche weitere Ursachen: Diagnostischer Ansatz • Keine eindeutigen, auffälligen Befunde: Beginnen Weitere diagnostische Tests, die infrage kommen Sie mit einer hämatologischen Untersuchung, dem • Eliminationsdiät biochemischen Profil und der Urinanalyse. • Weitere Bluttests (z. B. TLI-, fPL-, Folsäure-, Cobalamin-, Laktat-, Gerinnungstest und • Palpation der zervikalen Region Gesamt-T4-Messung bei Katzen > 6 Jahre) • Abdominale Palpation o.B.? Laborergebnisse • Serologie (FeLV, FIV) abwarten • Kotuntersuchung (Flotationstest), Panleukopenie-Nachweis, Tritrichomonas-Nachweis • Untersuchung mit bildgebenden Verfahren: bei allen • Untersuchung des Erbrochenen (Ollulanus tricuspis) sich erbrechenden Katzen zu erwägen, besonders • Untersuchung der Flüssigkeit peritonealer oder thorakaler Ergüsse jedoch bei auffälligem Palpationsbefund • Feinnadelaspirationszytologie aller auffälligen Organe oder Raumforderungen • Dyspnoe, Tachypnoe oder auffällige Auskultation? • Test auf Herzwurm in endemischen Gebieten Kardiologische Erkrankung in der Vorgeschichte? • Erweiterte Bildgebung Röntgen-Thorax und/oder Echokardiographie • Endoskopie mit Biopsien 10 13010079_br_cat_gui.indd 10 06.08.13 14:30
Behandlung und Management von Vomitus Symptomatische Behandlung Diätetische Therapie Bei Katzen ohne systemische Erkrankungen Bei akuten gastrointestinalen Störungen oder als unterstützende Therapie, solange noch • Nahrungskarenz über 24 Stunden keine Untersuchungsergebnisse vorliegen Darm kann sich auch erholen, wenn hochverdauliches Futter • Flüssigkeits- und Elektrolyttherapie gefüttert wird. • Antiemetische Behandlung Weiteres Füttern kann jedoch Erbrechen oder Diarrhoe NK1-Rezeptor-Antagonisten (z. B. Maropitant) verschlimmern. 5-HT3 -Rezeptor-Antagonisten (z. B. Ondansetron)* Nahrungskarenz? Vorsicht bei fettleibigen und kranken Katzen! D2-Antagonisten (Metoclopramid) • Anfüttern: kleine Mengen gut verträglichen, hochverdaulichen – Fragwürdig als zentral wirkendes Antiemetikum bei Katzen Futters 3–4 x täglich – Fragwürdig als gastrointestinales Prokinetikum Bei chronischen gastrointestinalen Erkrankungen Bei Kinetose: • Umstellung auf Futtermittel, die auf neuen Inhaltsstoffen basieren – Maropitant wirksam • Diät mit hydrolysierten Proteinen – H1-Rezeptor-Blocker* nicht wirksam Ernährungsanforderungen hospitalisierter Katzen • Nahrungskarenz wird nicht empfohlen. • Frühzeitige enterale Fütterung (auch bei Katzen mit schwerer Pankreatitis) * Diese Wirkstoffe sind nicht für diese Indikation zugelassen. Derzeit sind in Deutschland keine Tierarzneimittel verfügbar, in denen 5-HT3-Rezeptor- Antagonisten und Antihistaminika als wirksame Bestandteile enthalten sind. 11 13010079_br_cat_gui.indd 11 06.08.13 14:30
Unterstützt von 13010079_br_cat_gui.indd 12 06.08.13 14:30
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