Erfahrungsbericht ERASMUS in Göteborg WS 2012/13 (Termin 11) Göteborg

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Erfahrungsbericht ERASMUS in Göteborg WS 2012/13 (Termin 11) Göteborg
Erfahrungsbericht ERASMUS in Göteborg WS 2012/13 (Termin 11)

Göteborg

Göteborg ist eine moderne Stadt mit sehr abwechslungsreichen Stadtteilen und und sehr
städtischem Flair. Wer die roten schwedischen Sommerhäuschen und totale Stille und
Natur pur sucht, der wird in Göteborg leider nicht fündig werden. Zwar sind das Meer und
die Schären in ca. 45 Minuten mit der Straßenbahn zu erreichen, doch das Bild im
Stadtzentrum wird vor allem durch den großen Hafen und die zahlreichen Kanäle geprägt.
Kleine Cafés im historischen Stadtteil Haga laden zur Fika (der schwedischen Teatime) ein
und auch wer gern shoppen geht, kommt in Göteborg voll auf seine Kosten. Die Stadt ist
durch ein dichtes Nahverkehrsnetz gut erschlossen und beeindruckt durch die sehr gut
ausgebauten Fahrradwege. Grüne Parks, die in der gesamten Stadt verteilt sind, werden
vor allem im Sommer ausgiebig für Sport und Freizeit im Freien genutzt. Göteborg bietet
von allem etwas und hat eine sehr angenehme Größe für einen halbjährigen ERASMUS-
Aufenthalt.

Die Vorbereitungen

Planung, Bewerbung, Organisation

Nach dem ich nahezu alle Erfahrungsberichte über die verschiedenen Universitäten in
Schweden gelesen hatte, viel meine Wahl für einen ERASMUS- Aufenthalt auf die
Sahlgrenska Akademin der Universität Göteborg. Die Bewerbung übernimmt, nachdem
man fristgerecht alle Unterlagen eingereicht hat und bei einem Auswahlgespräch
überzeugen konnte, Frau Heller. Ca. zwei Monate vor Beginn des Auslandssemesters
bekommt man von der Universität Göteborg alle wichtigen Unterlagen und ein kleines
Willkommenspaket per Mail bzw. per Post zugeschickt. Auch das Learning Agreement
wurde mir ca. einen Monat bevor es in Göteborg losgehen sollte, von der Universität dort
zugeschickt, so dass genügend Zeit für die entsprechenden Unterschriften und die letzten
organisatorischen Schritte blieb.
Erfahrungsbericht ERASMUS in Göteborg WS 2012/13 (Termin 11) Göteborg
Die Bewerbung für den EILC Sprachkurs vor Semesterbeginn sowie einen Wohnheimplatz
kann man problemlos online erledigen, die nötigen Informationen findet man auf der
Internetseite der Universität Göteborg (www.gu.se). WICHTIG: Erkundigt euch möglichst
früh über die Daten und Fristen, manchmal enden diese früher als gedacht.

Die ERASMUS-Koordinatorin in Göteborg, Evelina Nyström, ist ebefalls sehr nett und
hilfsbereit, scheint aber nicht gern Emails zu schreiben. Manchmal wartet man vergeblich
auf eine Antwort und sollte deshalb, wenn es dringend ist, lieber direkt zu ihr gehen. Spart
Zeit und Nerven.

Die Sprache

Zu Beginn mag die schwedische Sprache den Eindruck vermitteln, dem Deutschen sehr
ähnlich und deshalb nicht all zu schwer zu sein. Doch je mehr man lernt und seinen
Wortschatz erweitert, werden einem die Besonderheiten und Unterschiede zum Deutschen
bewusst. Man sollte auf keinen Fall ohne gute Grundkenntnisse zu besitzen nach
Schweden gehen, um es sich nicht unnötig schwer zu machen. Ich habe ca. ein Jahr vor
meinem Auslandssemester mit dem Erlernen der Sprache begonnen und hatte zu Beginn
der Zeit in Schweden ca A2.
Doch aller Anfang ist schwer und man wird trotz allem vor Ort ins kalte Wasser gestoßen.
Meiner Erfahrung nach braucht man ca. drei Monate, um einigermaßen flüssig und ohne
zu viele und grobe Fehler sprechen zu können. Verstehen kann man Schwedisch recht
schnell, aber auch hier bedarf es zu Anfang einer Eingewöhnungsphase.

Ich kann den EILC Sprachkurs wirklich jedem als gute Wiederholung der Grundlagen
empfehlen. Außerdem trifft man hier viele Freunde, die einem während des gesamten
Aufenthaltes erhalten bleiben werden, und lernt die Stadt in aller Ruhe kennen. Außerdem
sollte man sich die Möglichkeit, Göteborg auch noch mal in der Sonne zu sehen nicht
entgehen lassen- der Herbst kommt schneller, als man denkt. Außerdem findet Mitte
August auch das Stadt- und Kulturfestival in Göteborg statt, auch das sollte man sich nicht
entgehen lassen.

Die Anreise

Nach Göteborg kann man auf unterschiedlichste Arten reisen- Flughafen, Bahnhof und
Hafen nehmen einen gern in Empfang. Da ich eine Menge Gepäck hatte und dafür keine
Unsummen ausgeben wollte, bin ich von Berlin aus ca. zehn Stunden mit dem Zug
gefahren. Das war zum einen sehr günstig und gibt einem zum anderen die Möglichkeit,
bei der Anreise noch etwas vom südlichen Schweden und der Westküste zu sehen.

Die Unterkunft

Fast alle Austauschstudenten wohnen im Studentenwohnheim Olofshjöd im Stadtteil
Johanneberg. Von hier aus das Stadtzentrum zu Fuß in ca. 20 Minuten gut zu erreichen,
der Vergnügungspark Liseberg und der Korsvägen, einer der zentralen Straßenbahn- und
Busknotenpunkte liegen ebenfalls nur unweit entfernt. Zum Sahlgrenska
Universitetssjukhuset kann man innerhalb von 15 Minuten mit den Bussen 42 und 52
fahren. Bis zum Östrasjukhuset muss man allerdings mehrmaliges Umsteigen und eine
Fahrzeit von ca. 40 Minuten in Kauf nehmen. Wem ein naher Weg zum Krankenhaus
wichtiger und die Zentrumsnähe eher vernachlässigbar erscheinen, sollte im Rosendahl
ein Zimmer mieten. Dort gibt es auch mehr Natur als in Olofshjöd, ein See und der Wald
sind direkt hinter dem Wohnheim. Von hier aus sind es zu Fuß nur zehn Minuten zum
Östra Sjukhuset.
Die Zimmer in Olofshjöd sind klein, praktisch, nicht besonders schön, aber für fünf oder
sechs Monate vollkommen in Ordnung. Man hat ein eigenes kleines Bad, die Küche teilt
man sich zu viert oder zu acht. Wie die Räume ausgestattet sind hängt von den früheren
oder aktuellen Bewohnern ab, in den meisten Zimmern gab es jedoch Bettzeug und in der
Küche eine kleine Grundausstattung für bescheidenes Kochen.

Das Studium

Termin 11 ist das letzte Semester für die Studenten in Göteborg. Viele sind daher schon
etwas älter und haben zum Großteil auch schon Familie. Ab der zweiten Semesterhälfte
sind so gut wie alle mit der Suche nach einem AT-Platz (dem schwedischen Pendant zum
PJ) beschäftigt und das ist dann auch fast immer Gesprächsthema. Am Ende des
Semesters gibt es die feierliche Examensparty, an der man gern teilnehmen kann, wenn
man möchte.
Jeder Kurs wird von einem Team aus einem Oberarzt oder Professor und zwei
sogenannten „Amanuenserna“, meist zwei Fachärzten, geleitet, die während des
gesamten Kurses Ansprechpartner sein sollen.

Gynäkologie

Mein Semester begann mit Gynäkologie. Nach zwei Wochen Vorlesungen von acht bis
sechzehn Uhr beginnt der Praxiseinsatz nach einem individuellen Rotationsschema.
Einsätze auf Station, im OP, der Notaufnahme, in einem ambulanten MVC
(„möderverdcentral“-     Schwangerschaftsversorgung),        in   den     unterschiedlichen
Sprechstunden und Spezialabteilungen der Gynäkologie und Geburtshilfe stehen auf dem
Plan. Dazu gehören auch drei Nachtdienste im Kreißsaal und zwei Wochenend- bzw.
Spätdienste in der Notaufnahme. Wie viel man selbstständig machen darf, hängt immer
sehr individuell von der Ärztin oder dem Arzt ab, dem man zugeteilt ist. Leider hatte ich
hier oft Pech und habe entweder nur zugeschaut oder Kaffee getrunken, was manchmal
sehr frustrierend war, da es nicht an meiner fehlenden Motivation lag. Die gynäkologische
Untersuchung ist natürlich für viele Frauen relativ schambelastet und nicht besonders
angenehm, weshalb einige nicht so offen für eine Untersuchung von Studenten sind. Man
braucht einen engagierten und sicheren „handledare“, um eine entsprechende und
angenehme Atmosphäre zu schaffen. Unsicherheit sollte man in keinem Fall ausstrahlen.
Insgesamt durfte ich ca. 20 gynäkologische Untersuchungen durchführen, was sehr
bereichernd war.
Wer auf die Details achtet wird feststellen, dass es erhebliche Unterschiede zwischen den
Methoden und Überzeugungen in der Gynäkologie in Schweden und Deutschland gibt.
Das kann sehr interessant, manchmal aber auch sehr verwunderlich sein.
Jeden Freitag hat man ein Seminar in einer Kleingruppe von sechs bis sieben Leuten.
Hierfür müssen Fälle vorbereitet werden, die schriftlich zu zweit ausgearbeitet und der
Gruppe sowie dem Seminarleiter vor dem Seminar per Email geschickt werden müssen.
Die Fälle werden dann im Seminar präsentiert und diskutiert. Auch hier hängt die Qualität
des Seminares vom jeweiligen Seminarleiter ab.
Wer sich sehr für Gynäkologie interessiert kann meiner Meinung nach während einer
guten und intensiven Famulatur in Deutschland genauso, wenn nicht sogar mehr
mitnehmen als in zwei Monaten in Schweden. Der Kurs war gut, aber manchmal sehr
ineffektiv und langatmig und individuell sehr verschieden. Trotzdem lernt man ein anderes
System und andere fachliche Auffassungen kennen. Diese Erfahrung möchte ich nicht
missen.
Am Ende der zwei Monate muss man eine mündliche OSCE- Prüfung bestehen. Hierbei
rotiert man zu zweit zu vier verschiedenen Prüfern und hat pro Prüfer immer 15 Minuten
Zeit, um geprüft zu werden. Diese Prüfung war leider mein negativstes Erlebnis, da keiner
der Prüfer auf mich als Austauschstudentin vorbereitet und zum Teil damit überfordert war.
Nach zwei Monaten war mein Schwedisch leider noch nicht so flüssig wie nötig gewesen
wäre und die Aufregung hat dann noch ihr übriges getan. Sicher hätte man durch eine
angepasste Prüfungssituation auch mir als Austauschstudentin das Bestehen dieser
Prüfung in fairer und vergleichbarer Art und Weise ermöglichen können. Das dafür nötige
Engagement seitens der Kursleitung fehlte leider. Ich würde allen, die in den kommenden
Semestern Gynäkologie in Göteborg belegen wollen daher empfehlen, frühzeitig auf die
Kursleitung zuzugehen und über die Möglichkeit einer speziellen Prüfung für
Austauschstudenten zu fragen. Denn dieses Erlebnis möchte ich euch gern ersparen.

Radiologie

In Termin 11 findet in einer Woche des Semesters noch der Haupttheoriekurs in Radiologie
statt. Dieser gliedert sich in einen theoretischen Vorlesungsteil am Vormittag und
praktischen Übungen in Kleingruppen am Nachmittag. Die Woche endet mir einer
mündlich- praktischen Prüfung. Für mich war es eine intensive Wiederholung und obwohl
Radiologie nicht zu meinen Lieblingsfächern gehört, hat mir die Woche viel Spaß gemacht.
Ich würde daher jeden empfehlen, diese Woche mitzunehmen.

Pädiatrie

Im zweiten Teil des Semesters hatte ich Pädiatrie. Auch dieser Kurs begann mit einer
intensiven Vorlesungswoche. Auch hier gab es ein Kursleitungsteam, was wesentlich
engagierter und herzlicher war als das der Gynäkologen. Die Atmosphäre wurde durch
Kaffeepausen und einem Einzelgespräch mit jedem Studenten in der ersten Woche, um
sich zu begrüßen und mehr über die individuellen Interessen jedes einzelnen zu erfahren,
positiv beeinflusst. Ich habe mich so als Austauschstudentin viel mehr unterstützt und
wahrgenommen gefühlt.
Auch in Pädiatrie rotiert man wochenweise zu den verschiedenen Fachrichtungen
innerhalb der Kinderheilkunde. Dabei ist man je eine Woche in der Notaufnahme, auf einer
normalen Kinderstation, in der Neonatologie, bei den Kinderchirurgen, in einem
ambulanten BVC („barnvardcentral“- ambulante Kinderpolyklinik), hat eine Woche eine
Variationswoche mit unterschiedlichsten Seminaren und verbringt eine Woche in einer
kleineren regionalen Klinik außerhalb von Göteborg (zum Teil bekommt man dort eine
Unterkunft, zum Teil muss man täglich pendeln). Der Praxisanteil war in diesem Kurs sehr
hoch und es wurde ausdrücklich gewünscht und gefördert, dass man so viele Kinder wie
möglich selbstständig untersucht und in der Notaufnahme seine eigenen Patienten
versorgt. Zwei mal schaut einem dabei einer der Kursleiter zu und gibt einem danach ein
persönliches Feedback. Teilweise fließt die Beurteilung in die abschließende
prüfungsrelevante Bewertung ein.
Am Freitag finden während des gesamten Kurses Vorlesungen und die wöchentlichen
Seminare statt, in denen wieder Fälle zu einem speziellen Thema vorbereitet und
besprochen werden. Alle Seminare waren sehr gut und mit starkem praktischen Bezug.
Der Pädiatriekurs war wirklich ein Erlebnis und dafür hat es sich sehr gelohnt, nach
Schweden zu gehen.
Alltag und Freizeit

Ich würde jedem empfehlen, sich neben der Uni noch irgendeine Aktivität in der Gruppe zu
suchen. Sein es ein Sport, Singen oder Handarbeit, ganz egal. Es macht es einem aber
um so vielen leichter, wenn man noch irgendwo „dazugehört“. Ich habe im Kammerchor
von Chalmers Sångkör gesungen und hatte mit einem tollen Probenwochenende und drei
traumhaften Weihnachtskonzerten sicher zwei der schönsten Erlebnisse während der Zeit
in Schweden.
Ansonsten kann man in Schweden machen, wonach das Herz begehrt: Wandern, segeln,
paddeln, Party machen und durch die zahlreichen teuren Clubs touren oder bei einem
Kaffeebesuch die Seele baumeln lassen. Sicher lohnen sich auch Ausflüge nach
Stockholm, Kopenhagen, Malmö und nach Lappland. Nutzt die Zeit so, wie ihr es möchtet.

Die Schweden

Die Schweden sind, wenn man das so verallgemeinernd sagen will, ein unheimlich
respektvolles und höfliches Völkchen. Gern helfen sie einem wo sie können, wenn man sie
darum bittet. Sie sind aber schwer zu knacken und machen es einem zu Anfang nicht sehr
leicht, dazu zu gehören. Man muss hartnäckig bleiben und ein bisschen Geduld haben.
Der Gedanke, dass alle grundsätzliche gleich sind, ist in Schweden sehr oft und in allen
möglichen Zusammenhängen spürbar. Hierarchien existieren so gut wie nicht und kein
blödes „Siezen“ erschwert den Umgang mit einander. Offenes Zeigen von positiven (lauten
Lachkrämpfen) und negativen (Streit auf offener Straße) sind jedoch nicht gern gesehen
und irritieren die umstehenden Schweden stark. Manchmal kann einem das etwas
langweilig erscheinen.

Die Schweden lieben ihr Land und ihr zu Hause und sind gern privat. Sie reden gern über
alles, was bei ihnen gut funktioniert und sind stolz auf ihr Land und ihre Traditionen.
Manchmal fehlt ihnen der bewusste Blick über den Tellerrand und die Neugier für Neues
und Unbekanntes. Sie teilen gern und können eines besonders gut: Für viele Leute
möglichst viel Essen und Bier organisieren und gemütliche Parties bis ins Detail planen.
Davon war ich immer wieder beeindruckt.

Mein Fazit

Die fünf Monate, die ich in Göteborg verbracht habe, waren sehr intensiv, bereichernd,
aber auch bei Weitem nicht einfach und haben mir oft auch einiges abverlangt und all die
wertvollen Erfahrungen habe ich mir zum Teil hart erkämpft. Viele Dinge, die ich an
Deutschland nie besonders beachtet hatte, habe ich in dieser Zeit enorm zu schätzen
gelernt, nicht zuletzt das Geschenk der eigenen Muttersprache und die hohe Qualität der
Vorlesungen an der Uni (Also: unbedingt hingehen!!!).
Ich muss ehrlich sagen, dass mir das schlechte Wetter und die Dunkelheit stark aufs
Gemüt geschlagen sind und mir fünf Monate vollkommen gereicht haben.
Trotz allem hat es sich in jedem Fall gelohnt und diese Zeit hat sicher dauerhafte Spuren
hinterlassen.

Ein Tipp zum Schluss:
Nehmt unbedingt mehrere Regenschirme mit nach Göteborg, ihr werdet sie brauchen. In
Schweden kosten sie ein kleines Vermögen und taugen leider nicht viel!!!
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