Ernste (Computer)spiele - Identität zwischen Bild/Spiel/Virtualität - Alexander Harder - Humboldt-Universität zu Berlin

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Alexander Harder

Ernste (Computer)spiele
Identität zwischen Bild/Spiel/Virtualität

      Q-Tutorium im Wintersemester 2015/2016

      Humboldt-Universität zu Berlin

      Philosophische Fakultät I

      Institut für Anglistik und Amerikanistik
1. Hintergrund: Weshalb Computerspiele?

Videospiele haben in den vergangenen Jahren nicht nur als Freizeitbeschäftigung, sondern auch als
Feld künstlerischer Betätigung immens an Relevanz gewonnen. Aktuelle Erhebungen der
Entertainment Software Association (ESA) legen nahe weshalb: Laut ihnen spielen fast 60% aller
Nordamerikaner_innen Videospiele (ESA, 2015). Neben der Entstehung eines millionenschweren
Marktsegments, werden virtuelle Spiele vermehrt als kulturelle und künstlerische Güter verstanden.
So eröffnete das New Yorker MoMa 2012 die erste Ausstellung über Computerspiele, und eine Reihe
von Künstler_innen entdecken digitale Spiele als Medium, aber auch als Thematik für sich (s. Farocki
2010). Videospiele sind kein subkulturelles Phänomen mehr, sondern Teil des gesellschaftlichen
Mainstreams geworden.

Die steigende Relevanz des Mediums begründet auch das wachsende akademische Interesse an
Spielen. Ähnlich der kritischen Analyse von Literatur, Film und bildender Kunst ergeben sich auch für
Computerspiele drängende und notwendige Fragen: Wie formen Spiele unsere Vorstellung von der
Welt, aber auch von uns selbst? Welche Identitäten und Identifikationspunkte bieten Spiele ihrem
Publikum? Was sind ihre politischen und kulturellen Hintergründe und wie sind sie verwoben mit
Kategorien wie Geschlecht und race, aber auch ökonomischen Strukturen? Über diese Fragen wird sich
in einer Reihe von relativ jungen wissenschaftlichen Journals (Game Studies, Eludamos, uvm.) teilweise
heftig gestritten. Das akademische Neuland der „Game Studies“ befindet sich inmitten eines
Wettstreits um die Hegemonie methodologischer und theoretischer Ansätze innerhalb der Disziplin.
Eine besondere Herausforderung stellt dabei die spezielle Qualität der Spielerfahrung und ihrer
Rezeption dar: Im Unterschied zu Literatur, Kunst und Film, ist das Publikum medientechnologisch eng
in das Computerspiel eingebunden und hat die Möglichkeit, virtuelle Welten und Identitäten
vermeintlich aktiv mitzugestalten und zu erleben. Um die gesellschaftliche Rolle von Computerspielen
und deren Anteil an der Reproduktion sozialer Kategorien und Hierarchien zu erfassen, braucht es also
ein Vokabular, welches diesen Eigenschaften gerecht werden kann.

Mein persönliches Interesse am Forschungsthema gründete sich in meinen eigenen Erfahrungen und
Auseinandersetzungen mit Computerspielen. Während den letzten Jahren meines Bachelorstudiums
habe ich mit gemischtem Erfolg versucht, die Konstruktion von Geschlecht in digitalen Spielen
analytisch zu fassen. Die Vielzahl an theoretischen Ansätzen, die spezifischen Eigenschaften von
Computerspielen als Medium und die –inzwischen etwas abgekühlten– polemischen Debatten
innerhalb der Game Studies lösten in mir den Wunsch aus, mich intensiver mit den möglichen
Analyserahmen für Geschlechterkonstruktionen in Computerspielen zu beschäftigen. Diese wollte ich,
zusammen mit Student_innen verschiedener fachlicher Hintergründe und mit eigenen Erfahrungen
und Gedanken zu Computerspielen, kennenlernen, ausprobieren und kritisch Einordnen.

2. Fragestellung

Unter dem finalen Titel „Serious (Video) Games. Investigating the intersections of
Image/Play/Virtuality“ hatte ich vor, gemeinsam mit den Teilnehmer_innen meines Q-Tutoriums
spielerisch einen ersten Überblick über die Vielzahl an theoretischen Perspektiven auf Computerspiele
zu gewinnen. Im Vordergrund stand die Frage, welche Ansätze es zur Analyse des Verhältnisses von
Gesellschaft und Computerspielen gibt und wo deren spezifische Vorteile, aber auch deren
Blindstellen, liegen. Der Fokus sollte besonders auf der Konstruktion von Geschlechteridentitäten
liegen.
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3. Das Forschungsdesign: „Bild/Spiel/Virtualität“

Das Forschungsdesign sollte daher weniger einen gemeinsamen analytischen Rahmen bereitstellen,
als eine Struktur zur kritischen Auseinandersetzung mit verschiedenen theoretischen Paradigmen.
Nach einem allgemeinen Einführungsteil von 3 Sitzungen waren drei theoretische Blöcke angedacht:
„Bild“ –in welchem die Rolle von semiotischen Spieleanalysen behandelt werden sollte–, „Spiel“ –
worin Spiele als eigene Analysekategorie besonders im Hinblick auf deren Regeln, Ordnungen und
sozialen Funktionen betrachten werden sollten– und „Virtualität“ – welche das besondere Verhältnis
zwischen Körpern und Technologie, Realität und Simulation in Computerspielen fassen sollte. Da sich
meines Erachtens der Großteil des Wissens über theoretische und methodologische Rahmen in deren
konkreter Anwendung ergibt, war geplant zu jedem der Blöcke zwei Sitzungen zu halten. In der ersten
sollte ein theoretischer Input erfolgen, in der Zweiten eine analytische Anwendung der Ideen auf ein
Spiel. So sollten die Teilnehmer_innen im Verlauf des Seminars eigene kurze Spiel-Analysen
produzieren und sich an den besprochenen Konzepten ausprobieren, sie erweitern oder kritisch
beleuchten. Diese analytischen Übungen sollten bei der Entwicklung einer eigenen Frage und eines
eigenen finalen Projekts helfen. Da das Phänomen Computerspiel und dessen Betrachtungen relativ
jung sind, sollte das Tutorium explizit Experimente, spielerisches Ausprobieren und innovative
Versuche der Analyse und Präsentation bei den Abschlussprojekten fördern. Dazu gehörte besonders
die Gestaltung von eigenen, kurzen Spielen oder nicht-linearen, interaktiven Texten mithilfe von
kostenlosen und einfachen Programmen wie twine (www.twinery.org) oder scratch
(www.scratch.mit.edu). Diese Analysen sollten das Abschlussprodukt des Seminars bilden.

Der Einführungsblock wurde durch einen Besuch im Computerspielemuseum erweitert, während in
den drei Blöcken jeweils eine gemeinsame „Spiele-Session“ abgehalten werden sollte, in der wir nach
dem Seminar gemeinsam verschiedene Videospiele ausprobieren welche die Grundlage der Analyse-
Sitzungen bilden sollten. In der 10. Woche, nach Ende des gemeinsamen theoretischen Teils, sollten
die Teilnehmer_innen ein sehr kurzes Exposé ihrer geplanten Forschungsfrage und der möglichen
Form des Abschlussprojektes einreichen. In den darauf folgenden 4 Sitzungen sollten die Tutant_innen
eigenständig an ihren Projekten arbeiten, wozu das Seminar Raum bieten sollte. Die letzten zwei
Sitzungen des Seminars dienten der gemeinsamen Präsentation der vorläufigen Ergebnisse, welche
dann bis zum 31. März 2016 noch fertig gestellt werden konnten.

4. Konkrete Umsetzung

Im Laufe des Seminars veränderte sich diese Struktur, mal durch den Wunsch der Teilnehmer_innen,
mal durch meine eigene Einschätzung. So wurde die Textauswahl im Einführungsblock weg von einem
ursprünglich geplanten historischem Überblick des Mediums, hin zu fundamentalen Debatten zum
Verhältnisses „Spiel/Text“ gerückt. Die von mir geplante Zweiteilung der Blöcke in eine Input- und eine
Analyse-Sitzung war zudem schwer durchzuhalten – letztendlich wurden für fast alle der ersten 10
Sitzungen theoretische Texte gelesen, und kleinere Analyse-teile waren über das Seminar verstreut.
Da die Organisation von Technik und die Einigung auf einen gemeinsamen Termin zum Spielen von
Videospielen schwierig war, fanden nur zwei, anstelle von drei Spielterminen statt, und diesen waren
weniger deutlich bestimmten inhaltlichen Blöcken zugeordnet. Der letzte Block zu Virtualität wurde
gekürzt und konnte aufgrund der (von mir unterschätzten) Komplexität des Themas nur erste
Denkanstöße bieten. Stattdessen wurde die 10. Sitzung zu einer Art „Ergebnis-Sicherung“ des bis dahin
erarbeiteten theoretischen Wissens: In Gruppen zu den Paradigmen von Image, Play und Virtuality

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versuchten wir gemeinsam, bei Lebkuchen und Limonade, die Ideen auf ein gemeinsam gespieltes
Videospiel anzuwenden. Die erste Seminarsitzung war mit mehr als 20 Teilnehmer_innen recht voll,
im späteren Verlauf waren durchschnittlich 12-15 Menschen anwesend. Es gab 10
Abschlusspräsentationen von insgesamt 16 Teilnehmer_innen, finalisierte Projekte gingen –aus
verschiedenen Gründen – leider nur 4 ein.

1. Forschungsergebnisse

Aufgrund der weit gestellten Forschungsfrage und der Offenheit der Abschlussprojekte war mir
bewusst, dass es nicht zu einer endgültigen „Klärung“ der Leitfrage kommen würde. Trotzdem hatte
ich gehofft, dass die Einteilung in die Paradigmen „Bild/Spiel/Virtualität“ beispielhafte Spielanalysen
produzieren würde, die sich zum Abschluss gegeneinander Diskutieren ließen. Die tatsächlichen
Ergebnisse ließen sich nur schwer einem der Blöcke zuordnen und waren aufgrund der Bandbreite an
kreativen Projekten auch schwierig zu vergleichen. Zum Zeitpunkt der Abschlusspräsentationen gab es
10 fertige Projekte, zu denen neben eher klassischen Analysen auch zwei kurze Filme und drei Spiel-
Konzepte gehörten. Die Auseinandersetzung mit der Konstruktion von Geschlecht geriet eher in den
Hintergrund, trotzdem beschäftigen sich alle Projekte mit Fragen, die im Seminar angesprochen und
diskutiert wurden.

6. Abschlusspräsentation

Nach langer Planungsphase, wurden die Ergebnisse Mitte Juni gemeinsam mit zwei anderen Q-
Tutorien in einer Ausstellung unter dem Titel „Narrative Across Media“ öffentlich gezeigt. Neben
Analysen von transmedialen Rekonfigurationen von Geschlechterstereotypen in viktorianischer
Literatur, sowie eigenen Fan-Fiction Adaption wurden dort vier Projekte unseres Tutoriums
ausgestellt: zwei Filme und zwei Spiele, welche die Tutant_innen bis zur Ausstellung fertig gestaltet
hatten. Aufgrund der geringen Rückmeldung nach Ende des Seminars war ich zunächst enttäuscht über
die wenigen fertiggestellten Ergebnisse – vor allem weil ich glaube, dass in vielen der geplanten
Projekte sehr spannende Beobachtungen und Ideen zum Ausdruck kamen. Doch die vier fertigen
Projekte im Atrium der Georgenstraße 47 ausgestellt zu sehen und ihre Autor_innen über ihren
Prozess und ihre Gedanken zu Thema sprechen zu hören, hat mich nachhaltig beeindruckt. Meine
latente Enttäuschung ist Begeisterung gewichen: Die Ideen, die Experimentierfreudigkeit und die
schiere Arbeit, welche die Tutant_innen in ihre Filme und Spiele gesteckt haben, hat mich nachhaltig
beeindruckt und mir –und ich hoffe auch den ihnen– ein tieferes und praktischeres Verständnis der
Thematik verschafft.

7. Reflexionen zum Tutoriumsverlauf

Die Durchführung des Q-Tutoriums im Wintersemester 2015/16 hat mich durch verschiedenste
emotionale Höhen und Tiefen gescheucht, und viele neue Denkanstöße hinsichtlich der
Seminarthematik, aber auch hinsichtlich meiner Vorstellungen von Lehre, Forschung und meines
Selbstverständnisses gesetzt. Ich bin immer noch im Prozess diese Eindrücke zu ordnen, jedoch lassen
sich schon einige zusammenfassen und daraus möglicherweise hilfreiche Tipps, Ratschläge oder
zumindest Impressionen entwickeln.

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7.1 Forschungsfrage und -Design

Mein Q-Tutorium litt meines Erachtens unter einer deutlich zu weit gesetzten und zu theoretisch
versierten Forschungsfrage. Die generelle Diskussion verschiedener theoretischer Ansätze zur Analyse
von Gender in Computerspielen benötigt einen breiten theoretischen Unterbau: Neben
geschlechtertheoretischen und medientheoretischen Grundlagen, fundieren auch die verschiedenen
betrachteten Theoriestränge auf langen und umfangreichen Debatten. Diese in jeweils zwei Sitzungen
gemeinsam zu erörtern und zu erproben ist kaum zu leisten, und brachte mich wiederholt in eine
„Lehrer-Rolle“, in welcher ich das Gefühl hatte, den theoretischen Inhalt für die Teilnehmer_innen
aufbereiten und vermitteln zu müssen. Dieses Problem ließ sicher durch höhere Ansprüche an die
Tutant_innen hinsichtlich des Studiensemesters oder ihrer fachlichen Ausrichtung womöglich lösen,
allerdings auf Kosten der Interdisziplinarität und Diversität der Gruppe – welche mir wichtig, und für
die ich sehr dankbar war. Im Nachhinein würde ich die Forschungsfrage also spezifizieren und mich
explizit nur einem der inhaltlichen Blöcke widmen um diesen gemeinsam genauer zu untersuchen,
anstelle eine so umfängliche Art des Theorienvergleichs anzustrengen. So könnte alleine der
Fragenkomplex, ob Spiele als „Text“ verstanden werden können, bereits ein Semester füllen und die
theoretische Breite des Themas reduzieren, spezifizieren und straffen.

Auch im Forschungsdesign spiegelt sich dieses Problem wider. Trotz des sehr umfänglichen
Theorieteils, welcher mit analytischen Übungen ausgeglichen werden sollte, blieb letztendlich doch
nur Raum für einen ersten Einstieg in die unterschiedlichen Themen. Dass dieser oft mehr Fragen als
Antworten hinterließ, war nur schwer zu vermeiden, und das Q-Tutorium bewegte sich zeitweise zu
eng an einer Art Lektürekurs. Die Zweiteilung der Blöcke in eine Theorie- und eine Analyse-Sitzung
funktionierte, wie oben erwähnt, eher mäßig – Die besten Sitzungen waren die, in denen Theorietexte
sowohl besprochen und dann direkt analytisch auf kurze Online-Spiele bezogen wurden. Das
gemeinsame Spielen förderte unser Gruppengefühl und war für das Seminar unerlässlich, allerdings
technisch und zeitlich schwierig umzusetzen, wodurch es nur zwei, anstelle von den geplanten drei
gemeinsamen Spielterminen gab. Zuletzt glaube ich, dass ich die Forschungsarbeiten in der
Kolloquium-Phase ab der 10. Sitzung besser hätte unterstützen können. Die Idee, einen langen
inhaltlichen Input an den Anfang zu setzten, daraufhin vier Sitzungen unabhängig an eigenen Projekten
zu arbeiten und diese dann zu Präsentieren bietet kaum einen formalisierte Hilfestruktur, in der
gemeinsam überprüft wird, wie der Forschungsprozess gerade läuft. Denn auch wenn ich mich selbst
als mögliche Ansprechperson, und den Seminarraum als Ort für Fragen und Probleme angeboten habe,
wurde davon wenig Gebrauch gemacht. Für mich würde ich also daraus drei kleinere Impressionen
festhalten:

    •   Eine knappe, beziehungsweise spezifische Forschungsfrage formulieren, welche die
        theoretischen Inhalte spezifisch hält (aber nicht zwingend vorschreibt), vermeidet m.E.
        ausufernde und Lektürekurs-ähnliche Tutoriumsstruktur.

    •   Die theoretischen Inhalte relativ direkt an kleine Anwendungsversuche zu knüpfen, schaffte
        bei mir nicht nur ein besseres Verständnis dieser, sondern auch eine begeisternde und
        ermächtigende Gruppenerfahrung.

    •   Die Forschungsphase sollte eine relativ feste Struktur zu Rücksprache, Feedback und
        gemeinsamer Diskussion bieten, da diese m.E. nur auf Eigeninitiative basierend oft nicht
        genutzt wird.
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7.2 Abschlussprojekte und -Präsentation

So begeistert ich von den finalen Präsentationen und Projekten war, konnte ich eine leichte
Enttäuschung über den geringen Rücklauf von Ergebnissen nicht ablegen. Allerdings glaube ich nicht,
dass eine Zwangsstruktur (z.B. Scheine erst nach Abgabe des finalen Produkts Ende März ausstellen)
dieses Problem notwendigerweise gut gelöst hätte. Meines Erachtens nach ist es sinnvoll, von Beginn
des Tutoriums an, eine klare Vorstellung der Abschlusspräsentation zu haben und diese begeistert zu
kommunizieren, oder einen kontinuierlichen Dialog um die Form und Plattform der Präsentation im
Seminar anzustrengen und dafür explizit eigene Sitzungen vorzusehen. Der geringe Rücklauf von
Projekten nach Abschluss meines Seminars hängt meiner Meinung nach auch damit zusammen, dass
ich die Form, den Ort und den Zeitpunkt der öffentlichen Präsentation erst zu spät spezifiziert hatte.
Während von Beginn an klar war, dass es sich um eine Ausstellung handeln sollte, fehlten konkrete
Informationen oder eine gemeinsame Besichtigung von Ausstellungsorten, welche die Motivation zur
Fertigstellung und die Identifikation mit den eigenen Forschungsergebnissen womöglich gesteigert
hätten.

7.3 Organisatorisches

Mein Q-Tutorium und die finale Präsentation benötigte umfängliche technische Ausstattung – HDMI
Beamer (an die man eine PlayStation 4 anschließen kann), Fernseher, DVD-Player, Laptops. Meine
Erfahrung mit der Ausleihe von Technik an der HU sind in dieser Hinsicht gemischt: Die Technik-Stellen
der Fakultäten oder Institute waren ausgesprochen freundlich, aber haben mir regelmäßig erklärt,
nicht für die Ausleihe zuständig zu sein. Stattdessen wurde ich an Menschen verwiesen, die mich an
andere Menschen verwiesen, bis ich nach einer Stunde telefonieren wieder am Anfang der
Telefonkette angekommen war. Letztendlich haben sich immer Wege und hilfreiche Personen
gefunden um auch noch spontan Geräte auszuleihen, doch es ist sinnvoll schon früh herauszufinden,
wer für die technische Ausstattung am eigenen Institut verantwortlich ist und an welche Stellen man
sich wenden kann. Für die sehr umfangreiche technische Ausstattung, die unsere
Abschlusspräsentation benötigte, haben wir vom CMS in der Grimm-Bibliothek mehrere Beamer und
PCs gestellt bekommen, sowie den Technik-Verleih der UdK „Interflugs“ genutzt, der zwar alte, aber
sehr eindrucksvolle Röhrenfernseher und DVD-Player für Zeitspannen von 7 Tagen verleiht.

Das Atrium der Medienwissenschaften ist ein ausgesprochen schöner und heller Raum, der sich für
Ausstellungen eignet, aufgrund der umliegenden Büros jedoch ruhig bleiben muss und in dem sich
Projektionen –wegen des Glasdaches– schwerer umsetzen lassen. Zudem gibt es im Atrium nur sehr
wenig Laufpublikum, und es ist sinnvoll Veranstaltungen dort nachdrücklich zu bewerben.

7.4 Forschendes Lernen oder Forschendes Lehren?

Die Durchführung des Tutoriums und die Auseinandersetzung mit forschendem Lernen hat mich mehr
Energie gekostet, als ich erwartet hatte, allerdings habe ich viel über Lehr- und Lernsituation,
Forschungsversuche und die Grenzen meiner Belastbarkeit gelernt. Vor allem mit klassischen
Seminarstrukturen und den Rollenansprüchen an Seminarleitungen zu brechen, ist nicht einfach, da
ich Widerstände sowohl bei den Teilnehmenden als auch bei mir selbst bemerkt habe. Die Kontrolle
über einen inhaltlichen Diskurs oder die Bearbeitung „meiner“ Forschungsfrage abzugeben und im
Idealfall egalitär zur Disposition zu stellen fiel mir –und häufig auch den Tutant_innen- schwer, denn
die Hierarchien zwischen Tutor und Tutant_innen halten sich zäh und lassen sich nicht wegdiskutieren.
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Aus diesen Gründen würde ich behaupten, dass die Auflösung eines klassischen Seminarverhältnisses
und das Abgeben einer Vermittlerroller bei mir nur mäßig gelungen ist.

Auch die vorgesehene Hinführung und Einbindung der Studierenden in Forschungsprozesse ist keine
leichte Aufgabe. Ich selbst habe in meinem Studium wenig aktive Forschung betrieben oder betreiben
können und dies scheint in vielen geisteswissenschaftlichen Fächern ähnlich. Wenn man selbst nur
vage Erfahrungen mit der praktischen Umsetzung von methodologischen oder analytischen Strukturen
hat, fällt es umso schwerer diese den Tutant_innen bereitzustellen und gleichzeitig offen für
Veränderung zu halten – denn dies setzt m.E. eine Form der Sicherheit mit deren Umgang voraus.
Unsicherheiten hinsichtlich der eigenen Vorstellung des Forschungsprozesses können ebenfalls das
forschende Lernen erschweren und einen dazu bringen, Tutorium und Forschung rigider zu gestalten.
Ich bin an das Tutorium nicht als selbstsicherer „jung-Wissenschaftler“ mit innovativem und
kohärenten Forschungsprojekt herangetreten bin, sondern als relativ unerfahren und neugierig, mit
einem (wie mir jetzt scheint) holprigen Forschungsdesign und dem Wunsch, gemeinsam etwas
auszuprobieren. Das macht forschendes Lernen oft zu einer Herausforderung, bei der stellenweises
Scheitern nur schwer vermeidbar scheint.

8. Fazit

Trotz viel Selbstkritik und Zweifel bin ich zufrieden mit meinem Q-Tutorium. Nicht, weil ich glaube eine
Forschungsfrage abschließend beantwortet zu haben, sondern weil ich gemeinsam mit einer diversen
Gruppe ein für uns alle interessantes Thema bearbeiten konnte, und dabei eine Reihe von Ergebnisse
entstanden sind, die mich enorm beeindrucken und die ihre Autor_innen weiter begleiten und an
denen weiter gearbeitet wird – ich hatte nicht wirklich geglaubt, dass so vollendete Spiele mit so
anspruchsvollen Konzepten als finale Projekte entstehen würden, das sich Menschen tatsächlich das
erste Mal ans Programmieren wagen oder kurze Filme drehen. Auch wenn ich meinen
Forschungsprozess und die Seminarplanung für kritikwürdig, und nicht ganz im Sinne des forschenden
Lernens halte, glaube ich einen offenen und engagierenden Raum für eine erste wissenschaftliche
Auseinandersetzung mit Computerspielen geboten zu haben. Gerade die ersten Sitzungen und die
schiere Begeisterung einiger Tutant_innen, dass an der Universität überhaupt über Spiele gesprochen
wird, sind mir in Erinnerung geblieben. Ich hoffe, dass diese Begeisterung der Tutant_innen nicht unter
zahllosen Theorie-Exegesen begraben wurde, sondern stellenweise gesteigert wurde.

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