Erstnachweis der Dünen-Ameisenjungfer Myrmeleon bore (Tjeder, 1941) in der Dresdner Heide (Neuroptera)

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Erstnachweis der Dünen-Ameisenjungfer Myrmeleon bore (Tjeder, 1941) in der Dresdner Heide (Neuroptera)
Sächsische Entomologische Zeitschrift 10 (2020)                                             71

Erstnachweis der Dünen-Ameisenjungfer Myrmeleon bore (Tjeder,
1941) in der Dresdner Heide (Neuroptera)

Michael Kurth

Spezielle Zoologie und Parasitologie, Technische Universität Dresden, Zellescher Weg 20b, 01217
Dresden; kurth.michael@googlemail.com

Zusammenfassung. Im Juli und August 2019 wurden erstmals in einem Sekundärhabitat
auf dem Gebiet der Dresdner Heide adulte Männchen und Larven der Dünen-Ameisenjungfer
(Myrmeleon bore) gefunden. Die weitere Suche in der Umgebung ergab noch mehrere
Fundorte im Bereich der eiszeitlichen Sandablagerungen, vor allem im Bereich der
Sandtagebaue. Die gesamte Population dürfte mehrere hundert Individuen betragen und
macht M. bore zur zweithäufigsten Ameisenjungfer-Art in Dresden.

Abstract. First record of Myrmeleon bore (Tjeder, 1941) in the Dresdner Heide (Neuroptera).
– In July and August 2019, adult males and larvae of the antlion Myrmeleon bore were
recorded for the time in a secondary habitat in the area of the Dresdner Heide. The further
search in the area revealed several sites in the area of the glacial sand deposits, especially
in the field of sand quarrying. The entire population should amount to several hundred
individuals and makes M. bore the second most common antlion species in Dresden.

Einleitung
Ameisenlöwen haben wegen ihrer hochspezialisierten Beutefangtechnik einen relativ
hohen Bekanntheitsgrad und gelten als die am besten untersuchten Netzflügler
(Neuroptera). Wenn auch die Wenigsten einen Ameisenlöwen zu Gesicht bekommen, so
dürften zumindest die Fangtrichter jedem Naturinteressierten bekannt sein. Im Jahr 2010
war der Ameisenlöwe (Myrmeleon formicarius Linnaeus, 1767) „Insekt des Jahres“ (Rausch
& Gepp 2009). Tatsächlich handelt es sich beim Begriff ´Ameisenlöwe´ weniger um eine
konkrete Art, sondern ist als Sammelbegriff für die Larven verschiedener Arten von trichter-
bauenden Ameisenjungfern (Myrmeleontidae) zu verstehen. Deutschlandweit, wie auch in
Sachsen gelten die Geflecktflügelige Ameisenjungfer (Euroleon nostras (Fourcroy 1785))
und die Gewöhnliche Ameisenjungfer Myrmeleon formicarius als weit verbreitet und sind z.
T. recht häufig. Daneben gibt es noch eine dritte Art, die Dünen-Ameisenjungfer Myrmeleon
bore (Tjeder, 1941). In Sachsen ist diese Art bislang aus den Sandgebieten der Oberlausitz
(Franke 1994) und der Region um Leipzig bekannt (Röhricht 1995, 1998; Klaus 2001, 2002).
Für die entomologisch gut erforschte Dresdner Heide sind bislang nur M. formicarius und
E. nostras erwähnt (Both et al. 2006). Im Juli und August 2019 konnte nun auch M. bore
in der Dresdner Heide an mehreren Fundorten in Dresden-Albertstadt und auf dem Heller
nachgewiesen werden.
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Abb. 1: Dünen-Ameisenjungfer (Myrmeleon bore)        Abb. 2: Pronotum des Adultus. Die helle Randfärbung
auf Birkenblatt ruhend.  Foto: Michael Kurth         des ist vor allem im vorderen Teil recht breit, im
                                                     hinteren Teil dagegen schmaler. Foto: Michael Kurth

Abb. 3: Terminalia des Abdomens einer männ-          Abb. 4: In Kombination mit dem männlichen
lichen Dünen-Ameisenjungfer. Neben weiteren          Geschlecht findet sich bei M. bore an der Basis
Unterschieden ist vor allem Sternit 9 deutlich       der Hinterflügel die Axillarpelotte, welche bei M.
kürzer als bei M. formicarius.                       formicarius fehlt.              Foto: Michael Kurth
                               Foto: Michael Kurth
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Sächsische Entomologische Zeitschrift 10 (2019)                                                     73

Abb. 5: Zum Lebensraum von Myrmeleon bore           Abb. 6: Fangtrichter und Kriechspuren von
gehören vegetationsfreie, feinsandige, unge-        Myrmeleon bore.                 Foto: Michael Kurth
schützte Bereiche, vor allem im nordwestlichen
Teil der Sandfläche. Auf ca. 9 m2 fanden sich ca.
30 Trichter.                  Foto: Michael Kurth

Abb. 7: Mittels Sieb aus dem Sandtrichter extra-    Abb. 8: Ventralseite des Kopfes einer L3-Larve mit
hierte L3-Larve.            Foto: Michael Kurth     den für M. bore typischen zwei dunklen Flecken.
                                                    M. formicarius und E. nostras zeigen ein anderes
                                                    Muster auf der Kopfunterseite, M. formicarius be-
                                                    sitzt zudem dunkle Flecken auf den Hinterbeinen,
                                                    die M. bore fehlen (vgl. Gepp 2010). E. nostras
                                                    baut seine Trichter zudem nur an geschützten
                                                    Stellen (Yassari et al. 1997). Foto: Michael Kurth
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Nachweise von Myrmeleon bore (Tjeder 1941) in Dresden
Bei einem abendlichen Rundgang am 18.07.2019 auf der Sandfläche, unweit des
Nordfriedhofes (Dresden-Albertstadt, bei 51°05‘01.9“N 13°46‘53.8“O, Fundort 1) wurde
gegen 20:30 Uhr ein libellenartiges Fluginsekt gesichtet, welches sich auf einer Birke nie-
derließ und sofort als Netzflügler aus der Familie der Myrmeleontidae identifiziert werden
konnte (Abb. 1). Da die Flügel keine dunklen Flecken aufwiesen, konnte die weit verbreitete
und relativ häufige E. nostras ausgeschlossen werden. Die weitere Identifikation erfolgte
unter Zuhilfenahme von Literaturangaben. Die Vorderflügellänge des hellbraunen Tieres
betrug 28 mm und ließ damit auf die Dünen-Ameisenjungfer (M. bore) schließen. Die
Vorderflügellänge beträgt bei dieser Art nach Dobosz (1993) maximal 35,4 mm (Weibchen)
bzw. 30,1 mm (Männchen), bei M. formicarius liegt sie immer bei über 35 mm (Aspöck
et al. 1980). Der helle Rand des Pronotums (Abb. 2) erschien allerdings recht breit, was
wiederum als Merkmal für M. formicarius gilt (Wachmann 1997). Dobosz (1993) beschreibt
die Pronotumfärbung bei M. bore jedoch als recht variabel, vor allem bei sehr hellen Tieren,
wie dem vorliegenden Exemplar. Der Vergleich des hinteren Abdomens (Abb. 3) mit den
Zeichnungen von Sekimoto (2014) bestätigte eine männliche Dünen-Ameisenjungfer.
Männliche M. bore haben zu M. formicarius noch ein weiteres Unterscheidungsmerkmal, die
Axillarpelotten (Kleinsteuber & Röhricht 2011). Das auch als Eltringham´s Organ bezeich-
nete, nach hinten gerichtete, pilzförmige Organ befindet sich an der Basis der Hinterflügel
(Abb. 4). Vermutlich spielt dieses Organ eine Rolle bei einer pheromonbasierten repro-
duktiven Abgrenzung zu anderen syntop vorkommenden Myrmeleontidae, v. a. Euroleon
nostras (Lofqvist & Bergström 1980). Am 20.07. und 24.07.2019 in der Zeit zwischen 20:00
und 21:00 Uhr konnte am gleichen Ort (Fundort 1) je ein weiteres adultes Exemplar von M.
bore entdeckt werden. Die Flügellänge betrug 26 mm bzw. 30 mm.

Larven und Fangtrichter
Auf der freien Sandfläche (ca. 450 m x 65 m groß, Fundort 1) befanden sich an mehreren
Stellen offene, ungeschützte Sandtrichter. Die Trichter schienen in Gruppen bzw. Kolonien
aufzutreten. So fanden sich zwei Tage nach einem starken Gewitter zwei Stellen mit 30 (Abb.
5 und 6) bzw. 10 neu angelegten Trichtern. Nach weiteren vier Tagen wurden noch weitere
‚Kolonien‘ mit bis zu 10 Fangtrichtern an drei anderen offenen Stellen der Sandfläche,
auffällig vor allem durch die vorhandenen typischen Suchgänge im Sand, gefunden.
Die meisten ‚Kolonien‘ befanden sich in der nordöstlichen Hälfte der Sandfläche und waren
nur wenige Quadratmeter groß (4–9 m2). Die Abstände zwischen den Trichterkolonien
betrugen 20–50 m, entlang einer Gesamtstrecke von ca. 170 m. Gelegentlich fanden sich
einzelne Trichter mit gelähmten Ameisen (Formicinae), welche von den Greifzangen der
Larven (Ameisenlöwen) festgehalten worden waren. Mit einem Sieb (Maschenweite 1
mm) wurde der Sand im Bereich des Trichters ausgehoben und die feinen Bestandteile
ausgesiebt (Abb 7.) Die Larven wurden im Feld fotografiert und am Ort des Fanges wieder
freigelassen. Es fanden sich alle drei Larvenstadien von M. bore, die Drittlarven zeigten am
deutlichsten die für M. bore typischen zwei dunklen Flecken auf der Kopfunterseite (Abb 8;
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vgl. Klaus 2001, Gepp 2010) und auch das
Abdominalsternit zeigte die für M. bore art-
spezifische Anordnung der Borsten (Abb. 9,
vgl. Aldini 2007 und Badano & Pantaleoni
2014).

Weitere Vorkommen in der Umgebung
Auf Luftbildern wurden weitere poten-
tielle Habitate in der näheren Umgebung
gesucht. Eine nördlich vom Erstfundort
gelegene Aufforstungsfläche in der Nähe
des Manfred von Ardenne-Rings versprach
Sandflächen, die sich dann aber vor Ort
als sehr kleinräumig und recht grob-
                                              Abb. 9: Terminalborsten einer L3-Larve in der am
sandig erwiesen. Hier konnten keine häufigsten auftretenden Variante (2(asymm.)/4/8).
Myrmeleontidae gefunden werden.               M. formicarius und E. nostras fehlen die asymme-
Vielversprechend sah auch das Gebiet trisch stehenden Terminalborsten (Pfeil, vgl. Aldini
                                              2007 und Badano & Pantaleoni 2014).
im Bereich der Hellerberge aus. Besucht
                                                                                Foto: Michael Kurth
wurde dort am 26.07.2019 zunächst der
zur Nordecke der Sandgrube angrenzende Bereich, da es hier Kiefernbestände, durchsetzt
mit freien Sandflächen, gab. Hier fanden sich keine Fangtrichter.
Fundort 2: Auf der freien Sandfläche am Sandgrubenrand (51°05‘29.5“N 13°46‘44.6“E)
konnte dann zunächst eine Ansammlung von ca. 15 freien Trichtern entdeckt werden.
Aus einem der Fangtrichter wurde eine Larve entnommen, die sich als M. bore erwies.
Westlich und südöstlich des Fundortes auf dem Heller wurden stichprobenartig noch
weitere Einzeltrichter und Trichterkolonien (meist um die 10 Einzeltrichter) auf Larven hin
untersucht und in allen Fällen wurde M. bore gefunden. Insgesamt waren die Fangtrichter
viel weiträumiger und weniger dicht verteilt als beim Erstfundort auf der Sandfläche
in Dresden-Albertstadt. Am Rande der Sandgrube fanden sich auch zahlreiche Trichter
mit E. nostras, immer und typischerweise im Sand unter wettergeschützten Stellen wie
Wurzelüberhängen oder unter Blättern von Bäumen.
Fundort 3: Auf östlich der Sandgrube gelegenen Sandflächen auf dem Heller (51°05‘44.3“N
13°45‘38.4“O und 51°05‘49.7“N 13°45‘15.0“O) konnten am 16.08.2019 ebenfalls mehrere
Trichterkolonien von M. bore gefunden werden, unter einem Wurzelüberhang auch eine
kleine Kolonie von E. nostras unweit einer M. bore Trichterkolonie. Ein scheinbar idealer
Teilbereich bei 51°05‘48.9“N 13°45‘25.5“O war ohne Trichter.
Fundort 4: Die in der Nähe des Erstfundortes gelegene Sandfläche am Nordrand der
Sandgrube Kannenhenkelweg in Dresden Albertstadt (51°05‘29.1“N 13°46‘50.0“O) wurde
am 28.07.2019 begangen. Dabei fanden sich Fangtrichter im Nordteil, während der
Nordostteil stark zertreten war und keine ungestörten Sandflächen aufwies. Larven von
M. bore wurden aus Trichtern in offenen Bereichen extrahiert. In durch die unmittelbare
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Nähe von Kiefern teilweise geschützten Trichtern, wurden allerdings auch die Larven
der Gemeinen Ameisenjungfer, M. formicarius, gefunden. In den offeneren und weniger
geschützten Bereichen zwischen den jungen Kiefern fanden sich jedoch ausschließlich M.
bore, in Baumnähe öfters auch M. formicarius.
Fundort 5: Auf einer kleinen im Wald liegenden Sandfläche (51°05‘06.6“N 13°47‘05.4“O)
nordöstlich des Erstfundortes fanden sich am 18.08. zahlreiche offen liegende Trichter,
welche M. bore zugeordnet werden konnten. Der Trichtergröße nach zu urteilen, waren
es überwiegend L1 und L2 und nur wenige L3 Larven. Unter einem Wurzelüberhang am
Nordrand fand sich auch E. nostras. Auf einem sandigen Abhang wenige Meter nördlich
der Sandfläche fanden sich wenige freie Trichter, in denen sich Larven von M. formicarius
befanden. Dieser untersuchte Bereich war damit der einzige, bei dem drei verschiedene
Ameisenjungfern in unmittelbarer Nachbarschaft auf einer Fläche von ca. 1200 m2 gefunden
werden konnten.
Bereiche mit potentiell geeigneten Habitaten (unbeschattetete, freie Sandflächen) im
Norden der Dresdner Heide und weiter östlich des Erstfundortes blieben ohne weitere
Funde von M. bore. Hier konnten nur E. nostras, teils als Massenvorkommen mit hunderten
Fangtrichtern, und M. formicarius mit wenigen Individuen bzw. Fangtrichtern (n
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Abb. 10: Untersuchte Flächen und Fundorte (FO) von Myrmeleon bore in der Dresdner Heide. Beifunde
anderer Ameisenjungfern wie Myrmeleon formicarius und Euroleon nostras sind ebenfalls mit aufge-
führt.                                          Kartenlayer: openstreetmap.com und Mitwirkende

besonderem Interesse. So kommen hier Zauneidechse (Lacerta agilis) und Schlingnatter
(Coronella austriaca) sowie Kreiselwespe (Bembix rostrata), Heuschreckensandwespe
(Sphex funerarius), Borstige Dolchwespe (Scolia hirta), Sand-Steppenrüssler (Coniocleonus
hollbergii), Dünen- Sandlaufkäfer (Cicindela hybrida), Blauflügelige Ödlandschrecke
(Oedipoda caerulescens) und die Italienische Schönschrecke (Calliptamus italicus) vor. Alle
heutigen Fundgebiete von M. bore waren ehemals mit Kiefernwald bedeckt und wurden
erst im Zuge der militärischen Nutzung gerodet und waren damit wahrscheinlich erst ab ca.
1830 als Habitat für M. bore geeignet. Nach dem Ende der militärischen Nutzung befinden
sich die Fundstellen heute auf den noch verbliebenen offenen Sandflächen des ehemaligen
Militärgebietes oder im Bereich der beiden Sandtagebaue. Die Fundorte entsprechen dabei
dem für M. bore typischen Habitat der Binnendüne und sind im Bereich der pleistozänen
Sande zu finden, die sich südlich des Lausitzer Granodioritkomplexes, zu dem der nordöst-
liche Teil der Dresdner Heide gehört, abgelagert haben und damit die südlichste Grenze des
fennoskandischen Eisschildes der Saalekaltzeit darstellen (Bastian 2003).
Myrmelon bore gilt als die seltenste der drei Trichter bauenden Ameisenjungfern in Sachsen.
Dabei ist sie in den untersuchten Gebieten der Dresdner Heide deutlich häufiger und zahl-
reicher anzutreffen als die Gemeine Ameisenjungfer (M. formicarius). Lediglich die Gefleckte
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Ameisenjungfer (Euroleon nostras) dürfte noch häufiger sein, da die Trichter in dem sehr
kleinräumigen Habitat in hoher Dichte zueinander angelegt werden (Yassari 1997). Anhand
der Fangtrichter geschätzt, leben insgesamt sicher mehrere hundert Individuen von M.
bore in den untersuchten Habitaten. Die Population dürfte derzeit auch als stabil gelten,
da Larven aller Altersklassen gefunden wurden, sich die Gesamtpopulation über mehrere
Standorte erstreckt und alle geeigneten Habitate in Dresden als besiedelt gelten können.
M. bore ist daher wahrscheinlich auch schon länger in der Dresdner Heide anwesend und
wurde wohl bislang nur übersehen, zumindest im Zeitraum der letzten 25 Jahre.
Wie von Rudnik (2004) bemerkt, reicht wohl den meisten Entomologen schon das
Vorhandensein der Trichter für den Nachweis von Ameisenjungfern (Myrmeleontidae) aus.
Dass es dabei zwei Arten gibt, die ihre Trichter auf freien Sandflächen anlegen, dürfte wohl
bislang weniger bekannt sein. M. bore, als expansives sibirisches Faunenelement geltend
(Rausch & Gepp 2009), ist u. a. schon länger aus Spanien (Letardi 1997) und Italien (Aspöck
& Aspöck 1969) bekannt. Es ist daher äußerst unwahrscheinlich, dass die Dresdner Gebiete
erst kürzlich besiedelt wurden.
Aus der anthropogenen Habitatnutzung und Habitatdynamik ergeben sich dennoch
Gefährdungen für diese Art in Dresden. Zwei Standorte im Bereich von Sandtagebauen
(Fundorte 2 und 4) könnten durch zukünftigen Sandabbau gefährdet sein, im östlichen Teil
des Habitats an der Sandgrube Kannenhenkelweg (Fundort 4) ist eine starke Trittbelastung
festzustellen, die zwar eventuell langfristig zur Offenhaltung beiträgt, kurzfristig aber auch
die Trichter zerstört. In diesem Bereich waren tatsächlich auch keine Trichter festzustellen.
Im westlichen Teil ist seit einigen Jahren zunehmender Kiefernaufwuchs zu beobachten,
der sich für M. formicarius als vorteilhaft erweisen dürfte, jedoch die für M. bore benötigten
freien, komplett unbeschatteten Sandflächen verringert. Das Habitat der Population am
Erstfundort (Fundort 1) wird ebenfalls durch Tritt und Geländeradfahrer gestört, hier dürfte
aber auch der zunehmende Aufwuchs von Robinien (Robinia pseudoacacia) problematisch
für M. bore werden. In den letzten Jahren erfuhr dieses Gebiet zudem naturschutzfachliche
Eingriffe, die mit der Errichtung von Steinhaufen v. a. als Eidechsenhabitat einhergingen.
Die Anzahl der freien Sandflächen wurde damit reduziert, da sich in solchen Bereichen nun
z. T. großflächige Steinhaufen befinden. Auch durch die Arbeiten selbst wurde der Boden
mitunter erheblich gestört, was zur Veränderung des Bewuchses führte. Verschwunden
sind in einigen Bereichen Heidekraut (Calluna vulgaris) und Grasnelke (Armeria maritima),
stattdessen fanden sich dort aktuell große Bestände vom Natternkopf (Echium vulgare). Auf
dem Gebiet des Hellers (Fundort 3, außerhalb des Sandtagebaus) war auf einer größeren
freien Sandfläche mit Binnendünencharakter kein einziger Fangtrichter feststellbar, da
offensichtlich die Trittbelastung oder Nutzung durch Geländeradfahrer zu hoch war. Auf
zwei kleineren Sandflächen ohne Trittbelastung, waren hingegen Trichter zu finden.
Da, mit dieser Arbeit nun Kenntnis über das Vorkommen von Myrmeleon bore im Stadtgebiet
Dresden herrscht, lassen sich dazu auch geeignete Maßnahmen ableiten, die zum Schutz
dieser Art beitragen.
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Danksagung
Für das Lesen des Manuskriptes und die überaus nützlichen Anmerkungen und Hinweise
gilt mein besonderer Dank Klaus Reinhardt. Ebenso danke ich Stefanie Wiedmer für das
Korrekturlesen des Manuskriptes.

Literatur
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Online-Veröffentlichung am 14.12.2020
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