Es geht aufwärts: Das Obernbergtal hat Erfolg mit sanftem Tourismus - und sonnige Touren wie den Leitnerberg.
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Win Es geht aufwärts: Das Obernbergtal hat Erfolg mit sanftem Tourismus – und sonnige Touren wie den Leitnerberg. 78 DAV 2/2020
Obernbergtal nterruhe Sanfter Tourismus im Obernbergtal abseits der Autobahn Den Brennerpass kennen viele nur als Weg zwischen Alltag in Deutschland und Urlaub in Italien. Doch unweit der großen Straße haben sich einige Orte ihr ursprüngliches Flair be- wahrt. Zu Besuch in einer Region, die sich dem Skizirkus der vergangenen Jahrzehnte verweigert hat – zum Glück für Gäste und Einheimische. Text und Fotos: Michael Pröttel B ereits in der Früh wecken die kompostierbaren Kaffeepads ei- nen ersten Verdacht, der sich nach einem wunderbaren Ski- tourentag durch die Bio-Teebeutel im Sauna-Ruheraum erhärtet. Die Almber- gers geben sich ziemliche Mühe, unser Ba- sislager im Obernbergtal möglichst um- weltschonend zu betreiben. Nach vielen, vielen Jahren haben wir uns endlich wieder zu diesem westlich der DAV 2/2020 79
Die Barockkirche Heiliger Niko- laus vor der Kulisse des Kleinen Tribulaun ist das unumstrittene Wahrzeichen des Obernbergtals. Den Habicht im Blick, die Sonne im Rücken: Der Aufstieg zum Leitnerberg ist auch für Einsteiger geeignet. 80 DAV 2/2020
Obernbergtal Brenner-Autobahn gelegenen Kleinod nig Infrastruktur. Die Leute müssen sich aufgemacht. Und hatten – das soll hier einfach mit ‚Natur pur‘ beschäftigen.“ Und nicht verschwiegen werden – gemischte glücklicherweise wird dieser Punkt vielen Gefühle. Angst vor Lawinen treibt uns an- Urlaubern immer wichtiger. gesichts Stufe eins freilich nicht um. Viel- Das war aber nicht immer so. Es gab mehr machen wir uns Sorgen, ob der Tal- Zeiten, da lebten im Obernbergtal 25 Ski- boden zwischen dem klei- lehrer, die mit ihren Kun- Alte Höfe nen Vinaders und dem ge- den in die umliegenden säumen waltigen Tribulaun immer Skigebiete fuhren, erzählt noch so schön ist wie da- Seppi: „Die Kundschaft war den Weg mals. Als wir das letzte Mal fast schon elitär. Es gab die Ski abschnallten. beispielsweise reiche In- ins Tal Genau dort, wo sich das dustrielle oder Anwälte aus zu Beginn noch enge Tal dem Kölner Raum.“ Doch öffnet, lösen sich alle Be- als diese älter wurden, kam denken in großer Vorfreude kaum Tourismusnachwuchs auf. Charaktervolle Weiler mit alten Bau- nach. Die Kinder der früheren Gäste ori- ernhöfen säumen nach wie vor den Weg entierten sich in den 1980er Jahren weg zur Barockkirche Heiliger Nikolaus, dem vom naturbelassenen Obernbergtal hin unumstrittenen Wahrzeichen des von zum touristisch hoch erschlossenen Stu- lichten Lärchenwäldern eingerahmten baital. Mittlerweile gibt es erfreulicher- Tales. weise einen gegenläufigen Trend. Wir atmen auf. Im Gegensatz zum be- Immer mehr Menschen suchen ein „be- nachbarten Pflerschtal, wo in den letzten wusstes, ganzheitliches Naturerlebnis mit Jahren wohl wegen des Liftzubringers zum körperlicher Anstrengung, (…) Genuss der Skigebiet Roßkopf große Hotels gebaut alpinen Naturschönheit und Entschleuni- wurden, hat das Obernbergtal bis heute gung“, wie es auch der Alpenverein in sei- einen Charakter bewahrt, dem nicht we- ner „Tourismusphilosophie“ der Bergstei- nige verfallen. gerdörfer schreibt. „Ich habe das Tal über die Steineralm Genau das finden die Menschen im des Schwiegervaters kennengelernt und Obernbergtal. Links und rechts des See- war sofort von seiner Schönheit faszi- bachs buhlen gut zehn attraktive Winter- niert“, sagt Seppi Almberger, der vor zwölf gipfel um die Gunst von Skitourengehern Jahren zusammen mit seiner Frau Burgi und auch Schneeschuhwanderern. Sämt- ein frei gewordenes Hotel in Obernberg liche Schwierigkeitsstufen sind hier ver- kaufte. „Leicht war der Anfang nicht. Die treten: Vom Talbeginn mit den Einsteiger- ersten Jahre hatten wir fast gar keine Gäs- touren Egger-, Leitner- und Sattelberg te“, erinnert sich die nette Wipptalerin. über mittelschwere Ziele wie Gruben- oder Damals hätte das Qualitätssiegel der Muttenkopf bis zum anspruchsvollen, den ÖAV-Bergsteigerdörfer dem jungen Gast- Talschluss dominierenden Obernberger ronomenpaar sehr geholfen. Zumal das Tribulaun. Obernbergtal die strengen Kriterien des Wer es ganz gemütlich angehen möchte Alpenvereins mit Sicherheit erfüllt hätte. oder eine Alternative für einen Schlecht- Doch die Mehrheit der Einwohner war – wettertag sucht, wandert am Seebach ent- aus welchen Gründen auch immer – ge- lang alter Mühlräder zu beeindruckenden gen eine Bewerbung, so dass die Almber- Tomahügeln – Hügel, die aus Geröll eines gers nicht weiter darauf drängten. Bergsturzes bestehen. Etwa 40 davon gibt Schließlich steht das Obernbergtal – es in der Region und auf einem steht die auch ohne das etablierte Label für sanften Pfarrkirche Heiliger Nikolaus. E Bergtourismus – nach Seppis Meinung für den richtigen Weg: „Wir haben im Tal we- DAV 2/2020 81
OBERNBERGTAL Anfahrt: Mit der Bahn über Innsbruck nach Steinach am Brenner; von dort fährt der Bus 4145 sogar bis zum Talschluss des Obernbergtals. Talort: Obernberg (1394 m). Tourismus-Info: Tourismusverband Wipptal/Obernberg Außertal 34a, A-6157 Obernberg Tel.: 0043/(0)5274/87 46 25 info@obernberg-brenner.tirol.gv.at Unterkunft: Im Obernbergtal gibt es viele nette Pensionen und Ferienwohnungen (obernberg-tirol.at). Sehr empfehlenswert ist Almi’s Berghotel mit toller Sauna inklusive Tribulaun-Blick (almis-berghotel.at). Direkt am einfacheren Gasthaus Waldesruh beginnen alle Skitouren am Talschluss (Tel. 0043/(0)5274/875 75). Und für Familien und AV-Gruppen am günstigsten ist das Jugend- und Seminarhaus des ÖAV (alpenverein.at/jugendundseminarhausobernberg). Skitouren-Möglichkeiten: › Sattelberg (2115 m), leicht, 2 Std., 850 Hm › Egger Berg (2280 m), leicht, 3 Std., 1010 Hm › Leitnerberg (2309 m), mittel, 3 ½ Std., 1020 Hm › Fradersteller (2247 m), mittel, 2 ½ Std., 880 Hm › Hoher Lorenzen (2315 m), mittel, 3 Std., 1010 Hm Ist Fliegen schöner? › Rötenspitze (2481 m), mittel, 3 Std., 1010 Hm Abfahrt von der spielsweise Gruppen des DAV Summit › Muttenkopf (2638 m), mittel, 3 ½ Std., 1200 Hm Rötenspitze mit Club, der Österreichischen Naturfreunde Niedererberg, Aller- › Allerleigrubenspitze (2131 m), mittel, 2 Std., 700 Hm oder des Austrian Alpine Club. leigrubenspitze und › Grubenkopf (2339 m), leicht, 2 ½ - 3 Std., 890 Hm den Bergen jenseits Acht Mitglieder dieses auch als „Sektion › Obernberger Tribulaun (2780 m), schwer, 5 ½ - 6 Std., 1400 Hm des Brenners. Britannia“ bekannten Vereins beraten Genaue Beschreibungen: alpenvereinaktiv.com -> Listen abends mit ihrem Bergführer die kom- menden Touren und sind ebenfalls von der Schönheit des Tales überwältigt. „Es ist Dass sich auch die Obernberger in ihrem bindung ist gut, mit Bus und Bahn ist man wirklich erstaunlich, aber die meisten Tou- Tal sehr wohl fühlen, macht eine konstan- in nur einer Stunde zum Studieren oder risten wissen gar nicht, wie naturbelassen te Einwohnerzahl von 360 deutlich. Das ist Arbeiten in Innsbruck. die Täler links und rechts der Brenner-Au- auch dank des kleinen Dorflifts so: „Hier Von dort kommt auch das Gros der Ta- tobahn sind“, sagt Seppi und bringt sein treffen sich im Winter nach der Schule fast gestourengeher ins Obernberger Tal. Die wichtigstes Anliegen auf den Punkt: „Trotz alle Schulkinder“, weiß Burgi. Und auch meisten Gäste der Almbergers bleiben hin- Panorama-Sauna wollen wir den Flair ei- wenn die Kids dann erwachsen sind, blei- gegen gleich eine ganze Woche – wie bei- ner geselligen Berghütte vermitteln. Wir ben viele von ihnen hier. Die Verkehrsan- möchten die Leute zusammenbringen. Bei 82 DAV 2/2020
Obernbergtal uns sind alle per Du, egal ob Platz für Spuren weit auseinander stehen- der Woche kommt ein Braten von unserer zwischen Professor oder Arbeiter.“ den Bäume lassen überall Alm auf die Speisekarte. Wir bieten da- Und so gut wie alle Tou- genug Platz für eine schö- durch ein wirklich ehrliches Produkt an“, den rengeher beginnen ihre ne Spur. berichten Burgi und Sepp nicht ohne Skiwoche auf der Sonnen- Deutlich dichter ist der Stolz. Und seit letztem Sommer stellt ihr Lärchen seite des Skibergsteigens. Wald auf dem nordseiti- ältester Sohn auch noch eigenen Almkäse Nämlich an den schier end- gen Zustieg zum Gruben- her. Was irgendwie gut zu Sepps Resümee losen Südhängen, die vom kopf. Nachdem man die passt: „Die Natur hier in den Bergen ist so Nösslachjoch bis zum Mut- Eisoberfläche des Obern- toll und unverbraucht. Und genau das ist tenkopf herabziehen. Nicht nur Alpinisten berger Sees überquert hat, kommt man es, was wir unseren Gästen weitergeben lieben die Wärme dort, auch Kiefernge- auf dem Weg Richtung Landesgrenze fast möchten.“ wächse fühlen sich hier sehr wohl. Ober- an der Steineralm vorbei. Der Bergjournalist Michael halb des Obernbergtals befindet sich der Dort produzieren die Almbergers – Pröttel liebt als Vorsitzender von größte Lärchenbestand Tirols. Bei der Ab- ebenfalls ganz im Sinne der Bergstei- Mountain Wilderness Deutschland besonders Täler, die für einen fahrt stören sie allerdings nicht: Die eher gerdörfer-Philosophie – mittlerweile wirklich sanften Wintertourismus eigene Wurst und Speck. „Einmal in stehen. DAV 2/2020 83
Sie können auch lesen