Ethanol ist als biozider Wirkstoff zur hygienischen Händedesinfektion unverzichtbar - VAH
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MITTEILUNGEN DER KOOPERIERENDEN GESELLSCHAFTEN | VAH Ethanol ist als biozider Wirkstoff zur hygienischen Händedesinfektion unverzichtbar Diese Stellungnahme wurde mandatiert und koordiniert durch den Verbund für Angewandte Hygiene (VAH) und wird unterstützt von – Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdiensts (BVÖGD) – Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) – Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V. (DGKH) – Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) – Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft (DVG) – European Committee on Infection Control (EUCIC) – Gesellschaft für Virologie (GfV) – Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin (GHUP) – Österreichische Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin (ÖGHMP) – Robert Koch-Institut (RKI) Zusammenfassung dieser überlegenen Wirksamkeit gegen- Ethanol wird 1888 erstmals zur antisep- über unbehüllten Viren wurde Ethanol tischen Behandlung der Hände in der als Referenzwirkstoff (Positivkontrolle) Fachliteratur erwähnt. Seitdem wird zur Bestimmung der Wirksamkeit von Ethanol neben 2-Propanol und 1-Pro- Händedesinfektionsmitteln gegenüber panol als Wirkstoff in Händedesinfekti- Viren auf künstlich kontaminierten onsmitteln in vielen Ländern der Welt Händen in der prEN 17430 ausgewählt. eingesetzt, meist als einziger Wirkstoff Die durch Händedesinfektion auf- in einer Konzentration zwischen 60% genommenen Mengen Ethanol liegen und 95%. Seit 1977 wird von der WHO unterhalb toxikologisch relevanter Kon- eine Liste unverzichtbarer Arzneimittel zentrationen. Deshalb wird die sachge- geführt (WHO Model List of Essential rechte Anwendung ethanolischer Hän- Medicines), zuletzt aktualisiert in 2019. dedesinfektionsmittel unverändert als Hier wird Ethanol (70%, vergällt) unter sicher erachtet. Verbund für Angewandte Antiseptika (15.1. Antiseptics) und un- Zusammenfassend ist Ethanol we- Hygiene e.V. ter alkoholischen Händedesinfektions- gen seiner überlegenen Wirksamkeit Desinfektionsmittel- mitteln aufgeführt (80% v/v; 15.2. Dis- gegenüber ausgewählten klinisch rele- Kommission infectants). Ethanol wird in der soge- vanten unbehüllten Viren als biozider nannten Kernliste geführt („core list“), Wirkstoff zur hygienischen Händedes- Verantwortlich: in der Wirkstoffe zur Basisversorgung infektion unverzichtbar. Prof. Dr. med. Martin Exner aufgeführt werden, die mindestens vor- (Vorsitzender) handen sein sollten. Ethanol zur Händedesinfektion Dr. rer. nat. Jürgen Gebel Die Wirksamkeit von Ethanol ge- Ethanol wird 1888 zum ersten Mal zur (Schriftführer) genüber Bakterien, Hefen und behüll- antiseptischen Behandlung der Hände ten Viren ist vergleichbar mit der von in der Fachliteratur erwähnt [1]. Seit- c/o Institut für Hygiene und 1-Propanol und 2-Propanol. Eine um- dem wird Ethanol neben 2-Propanol Öffentliche Gesundheit der fassende Auswertung der Fachliteratur und 1-Propanol als Wirkstoff in Hände- Universität Bonn zur Wirksamkeit dieser drei Alkohole desinfektionsmitteln in vielen Ländern Venusberg-Campus 1 gegenüber unbehüllten Viren zeigt je- der Welt eingesetzt, meist als einziger 53127 Bonn doch, dass Ethanol gegen verschiedene Wirkstoff in einer Konzentration zwi- Tel: 0228 287–14022 Adenoviren, den Poliovirus, den huma- schen 60% und 95%, manchmal unter Fax: 0228 287–19522 nen Enterovirus, Echoviren und ver- Zusatz eines nicht-flüchtigen Wirkstoffs E-Mail: info@vah-online.de schiedene Coxsackieviren stärker wirk- wie beispielsweise Chlorhexidindiglu- Internet: www.vah-online.de sam ist als die beiden Propanole. Wegen conat (CHG) [2]. 194 Hygiene & Medizin | Volume 45 | 11/2020
Antimikrobielle Wirksamkeit von unbehüllten Viren in Suspensionsversu- Viren weder 2-Propanol noch 1-Propa- Ethanol im Vergleich zu 1-Propanol chen geprüft. Hier zeigt sich ein diffe- nol geeignete biozide Wirkstoffe zur hy- und 2-Propanol renziertes Gesamtbild der Wirksamkeit gienischen Händedesinfektion. Wegen Bakterizide Wirkung dieser drei Alkohole (Tabelle 1). dieser überlegenen Wirksamkeit gegen- In Suspensionsversuchen wird das Von großer klinischer Bedeutung über unbehüllten Viren wurde Ethanol Spektrum der Wirksamkeit gegenüber sind Noroviren. Gegenüber dem muri- in einer Konzentration von 70% als Re- Bakterien untersucht (EN 13727). Alle nen Norovirus erweisen sich Ethanol ferenzwirkstoff (Positivkontrolle) zur drei Alkohole weisen in entsprechend und 1-Propanol als insgesamt stärker Bestimmung der Wirksamkeit von Hän- hoher Konzentration eine ausreichend wirksam im Vergleich zu 2-Propanol. dedesinfektionsmitteln gegenüber Vi- gute bakterizide Wirkung (mindestens Die verschiedenen Adenoviren lassen ren auf künstlich kontaminierten Hän- 5 log10 -Reduktion) innerhalb von 30 s sich mehrheitlich durch Ethanol inak- den in der prEN 17430 ausgewählt [42]. auf [2-4]. tivieren, die Erkenntnisse zu den Pro- Eine im Vergleich zum Referenzver- panolen sind sehr begrenzt. Gegenüber Ethanol ist für die WHO „unver- fahren ausreichend starke Wirksamkeit dem Poliovirus, dem humanen Entero- zichtbares Arzneimittel“ („essential unter praxisnahen Bedingungen (EN virus und verschiedenen Coxsackie- medicine“) 1500; hygienische Händedesinfektion) viren ist 2-Propanol unzureichend Die Weltgesundheitsorganisation wird ebenfalls von allen drei Alkoholen wirksam, mit Ethanol ist teilweise eine (WHO) betrachtet in ihrer Empfehlung erzielt, wenn die Wirkstoffkonzentrati- ausreichende Inaktivierung beschrie- zur Händehygiene im Gesundheitswe- on hoch genug ist. Für Ethanol als einzi- ben worden. Das Echovirus ist durch sen Ethanol neben 2-Propanol als ei- Ethanol mit einer deutlich geringeren nen Wirkstoff, der grundsätzlich zur gem Wirkstoff ist eine Konzentration ab Konzentration zu inaktivieren als durch Händedesinfektion geeignet ist [43]. ca. 80% (w/w) geeignet, die Wirksam- 2-Propanol. Die Wirksamkeit von Etha- Für Länder mit begrenzten finanziel- keitsanforderungen in 30 s zu erfüllen nol ist gegenüber einzelnen Viren wie len Ressourcen wurde in 2009 eine ein- [2–4]. HAV, Rhinovirus und Polyomavirus be- fache Formulierung mit 80% (v/v) Et- grenzt, Gemische aus 1-Propanol und hanol als preisgünstige Alternative zu Levurozide und fungizide Wirkung 2-Propanol (40% plus 40% bzw. 10% handelsüblichen Präparaten empfoh- Ethanol weist in Konzentrationen zwi- plus 20%) waren gegenüber dem Polyo- len, da diese vor Ort hergestellt werden schen 70% und 83% eine breite Wirk- mavirus SV 40 unwirksam [16], Daten kann [43]. Seit 1977 wird von der WHO samkeit innerhalb von 30 s gegenüber gegenüber HAV und Rhinoviren waren eine Liste unverzichtbarer Arzneimittel Hefen und Dermatophyten auf [5–11]. zu 1-Propanol bzw. 2-Propanol nicht zu geführt (WHO Model List of Essential Von 1-Propanol und propanolischen finden. Medicines), zuletzt aktualisiert in 2019. Handelspräparaten ist ebenfalls eine Eine Möglichkeit der Wirksamkeits- Hier wird Ethanol (70%, vergällt) unter starke Wirksamkeit gegenüber Hefen verbesserung des Ethanols ist der Zu- Antiseptika (15.1. Antiseptics) und un- beschrieben worden [12–14]. satz von Säuren, so dass Rezepturen ter alkoholischen Händedesinfektions- auf Basis 45%, 55%, 69,4% und 73,5% mitteln aufgeführt (80% v/v; 15.2. Dis- Wirkung gegenüber behüllten Viren Ethanol (w/w) innerhalb von 30 s oder infectants). Ethanol wird in der soge- Das Spektrum der Wirksamkeit gegen- 1 min ausreichend wirksam gegenüber nannten Kernliste geführt („core list“), über behüllten Viren wird in Suspensi- Poliovirus Typ 1 sind [17, 26, 39, 40]. in der Wirkstoffe zur Basisversorgung onsversuchen untersucht (EN 14476), Die Wirksamkeit des Ethanols gegen aufgeführt werden, die mindestens vor- in denen durch die Zugabe der organi- das Polyomavirus SV 40 kann ebenfalls handen sein sollten [44]. schen Belastung und der Virensuspen- durch Säuren deutlich verbessert wer- sion die Wirkstofflösung auf 80% ver- den [26, 40]. Vergleichbare Erkenntnis- Sicherheit der Anwendung etha- dünnt wird, so dass eine Lösung von se mit 2-Propanol oder 1-Propanol lie- nolischer Händedesinfektionsmittel 99,8% Ethanol in der Wirksamkeits- gen nicht vor. Hinsichtlich der Bewertung der Sicher- prüfung 80% Ethanol enthält. Alle drei Präparate auf Basis von Ethanol heit ethanolischer Händedesinfektions- Alkohole weisen in ausreichend hoher (72,4%, 86% bzw. 89,5% Wirkstoffge- mittel gilt es, die bestimmungsgemäße Konzentration eine ausreichend star- halt) erweisen sich auch unter praxis- Anwendung des Ethanols auf intakter ke Wirkung (mindestens 4 log10 Re- nahen Bedingungen nach prEN 17430 Haut zu bewerten. Ethanol hat nach- duktion der viralen Infektiosität) ge- innerhalb von 30 s als gut wirksam ge- gewiesenermaßen lediglich bei oraler genüber zahlreichen behüllten VIren genüber Noroviren [41]. Daten zu den Aufnahme eine kanzerogene Wirkung auf, zu denen gehören: SARS-CoV-1, Propanolen liegen bislang nicht vor. (Aufnahme von 90% des aufgenomme- SARS-CoV-2, MERS-Coronavirus, Influ- nen Ethanols) [45]. Nachfolgend wird enza-A-Virus, Influenza-B-Virus, HIV, Alleinstellungsmerkmal: Wirksam- die transdermale und inhalative Auf- HBV, HCV, Vacciniavirus, Togavirus, keit gegenüber einigen unbehüllten nahme des Ethanols bei Applikation auf Newcastle-Disease-Virus, Herpes-sim- Viren intakter Haut betrachtet. plex-Viren Typ 1 und 2, Ebolavirus, Zi- Im Gesamtbild weist Ethanol gegenüber kavirus und RSV [2–4, 15]. verschiedenen unbehüllten Viren eine Dermale und pulmonale Adsorption bei im Vergleich zu den Propanolen überle- der Händedesinfektion Wirkung gegenüber unbehüllten Viren gene inaktivierende Wirkung auf. Des- Bereits frühe Studien deuten darauf Nach der gleichen Methode (EN 14476) halb sind bei einer Kontamination der hin, dass Ethanol bei sachgerechter of- wird auch die Wirksamkeit gegenüber Hände mit ausgewählten unbehüllten fener Anwendung kaum durch die Haut Hygiene & Medizin | Volume 45 | 11/2020 195
MITTEILUNGEN DER KOOPERIERENDEN GESELLSCHAFTEN | VAH Tabelle 1: Übersicht zur Wirksamkeit von Lösungen auf Basis von Ethanol, 2-Propanol und 1-Propanol aus Suspen- sionsversuchen gegenüber verschiedenen unbehüllten Viren; ausreichende Wirksamkeit (≥ 4 log10-Reduktion oder bis zur Nachweisgrenze des Tests) mit Angabe der erforderlichen Einwirkzeit; unzureichende Wirksamkeit mit Angabe der Einwirkzeit, kursiv und grau hinterlegt; *w/w; **v/v; ***unklar ob w/w oder v/v. Spezies Virustyp Ethanol 2-Propanol 1-Propanol Referenzen Rotavirus Wa 85%* / 30 s [5] Murines Norovirus Typ 1 70% – 90%** / 30 s 50%** / 30 s 50% – 90%*** / 30 s [17–23] (MNV) 70% – 90%** / 1 min 60%** / 30 s 60%*** / 1 min 70%** / 30 s 70%** / 5 min 80%** / 30 s 90%** / 30 s 90%** / 1 min Adenovirus Typ 5 40% – 95%* / 30 s [17–19, 24] Typ 2 50%*** / 10 min 50%*** / 10 min [5, 25–27] 55%* / 2 min 70%*** / 30 s 85%* / 2 min Typ 7 79% – 83%** / 60 s [28] Typ 8 70%*** / 2 min 70%*** / 2 min [28, 29] 79% – 83%** / 60 s Typ 19 70%*** / 2 min 70%*** / 2 min [29] Typ 37 70%*** / 2 min 70%*** / 2 min [29] Poliovirus Typ 1 70%* / 3 min 70%** / 10 min [17–19, 24, 73,5%* / 30 s – 5 min 95%** / 10 min 25, 30] 73,5%* / 10 min 100% / 10 min 80%* / 2 – 5 min 85,7%* / 1 – 10 min 95%* / 30 s 100% / 1 – 10 min Coxsackievirus B5 79% – 95%** / 1 min [28, 31] B1 79% – 95%** / 10 min 95%*** / 10 min [25, 28] B2 70% – 90%*** / 1 h [32] B3 70% – 90%*** / 1 h [32] A7 79% - 95%** / 10 min [28] Echovirus Typ 11 95%** / 20 s – 1 min [33, 34] Typ 6 50%*** / 10 min 90%*** / 10 min [25] Humanes Enterovirus Typ 71 70% - 85%** / 10 min 70%** / 10 min [35] 95%** / 10 min 95%** / 10 min 100% / 10 min Hepatitis-A-Virus (HAV) HM175/24a 80% – 95%* / 2 min [36] Rhinovirus Typ 2 80%*** / 3 – 60 min [37] Polyomavirus SV 40 78,2%* / 10 min [38] 196 Hygiene & Medizin | Volume 45 | 11/2020
in den Organismus gelangen kann [46– über jeweils 3 min verrieben. Hier zeig- 1,5 min empfohlen werden und nicht 49]. Neuere Studie stützen diese Er- te sich für das Gel auf Basis von 85% Et- mehr mit den bis 2005 üblichen 3 min. kenntnis [50–52]. Mit empfindlicheren hanol die höchste Ethanolkonzentrati- Insgesamt ist also in der klinischen Pra- Nachweismethoden wurde ergänzend on im Blut (Median von 30,1 mg/l nach xis damit zu rechnen, dass die Blutetha- an jeweils 20 Probanden systematisch 30 min), gefolgt von dem Präparat mit nolkonzentrationen nach Anwendung untersucht, wie viel Ethanol nach der 95% Ethanol (Median von 17,5 mg/l ethanolischer Händedesinfektionsmit- Anwendung verschiedener Präparate nach 30 min) und dem mit 55% Ethanol tel niedriger als in der Studie ausfallen. nach hygienischer bzw. chirurgischer (Median von 8,15 mg/l nach 20 min). Deshalb ist es wichtig, diese Daten im Händedesinfektion im Blut nachweis- Hinblick auf die tatsächliche Exposi- bar ist [53]. Dazu wurden drei Han- Bewertung der Sicherheit anhand der tion zu bewerten [55]. Eine Studie an delspräparate geprüft: eine Lösung mit tatsächlichen Anwendung 34 Mitarbeitern unter Alkoholabstinenz 95% Ethanol, ein Gel mit 85% Ethanol Die Durchführung von 20 hygienischen zeigte, dass bei durchschnittlich 32 sowie eine Lösung mit 55% Ethanol und Händedesinfektionen innerhalb von Händedesinfektionen mit einem Präpa- 10% 1-Propanol (alle als w/w). 30 min ist ein Anwendungszyklus, der rat auf Basis von 80% Ethanol der Etha- in der klinischen Praxis so kaum vor- nol-Wert (Urin) im Mittel bei 1,7 mg/l Anwendungsbedingungen der hygieni- kommen wird. Darüber hinaus wurden lag; ohne Alkoholabstinenz fand sich schen Händedesinfektion in der Studie jeweils 4 ml verwendet, im Urin im Durchschnitt 110,4 mg/l Insgesamt erfolgten 20 Anwendungen in der klinischen Praxis ist das ange- [56]. Eine Übersicht zu nachgewiese- mit jeweils 4 ml innerhalb von 30 min. wendete Volumen häufig 3 ml oder we- nen Ethanolkonzentrationen im Blut in Die Anwendung des Präparats mit 95% niger [54]. Auch die Durchführung von Abhängigkeit von der Exposition findet Ethanol führte erwartungsgemäß zu 10 chirurgischen Händedesinfektionen sich in Tabelle 2. den höchsten Ethanolkonzentrationen mit jeweils 20 ml über jeweils 3 min in- Die Europäische Chemikalienagen- im Blut (Median von 20,95 mg/l nach nerhalb von 80 min wird es so in der tur (ECHA) kommt zusammenfassend 30 min), gefolgt von dem Präparat mit klinischen Praxis kaum geben. Wenn zu folgender Bewertung von Ethanol: 85% Ethanol (Median von 11,45 mg/l der Anwendungszyklus aus der Studie Unter tatsächlichen Anwendungsbedin- nach 30 min) und dem mit 55% Ethanol in die Praxis übertragen würde, müsste gungen werden zwischen 1% und 2% (Median von 6,9 mg/l nach 30 min). in den 5 min zwischen 2 chirurgischen des Ethanols über die Haut aufgenom- Händedesinfektionen das Anlegen ste- men [45]. Über Schweinehaut wurde Anwendungsbedingungen der chirurgi- riler Kleidung erfolgen, die OP durch- vom aufgetragenen Ethanol unter Ok- schen Händedesinfektion geführt und die OP-Kleidung abgelegt klusion 21% aufgenommen (Maximal- In diesem Studienteil wurden 10 An- werden. Auch ein Anwendungsvolumen wert), ohne Okklusion waren es hin- wendungen innerhalb von 80 min von 20 ml ist eher zu hoch angesetzt, gegen 1% [48]. Von der Haut verduns- durchgeführt. Pro Anwendung wurden da viele Händedesinfektionsmittel heu- tet die Hälfte des Ethanols in circa 12 s 5 × 4 ml auf Händen und Unterarmen te mit einer Anwendungsdauer von [45]. Tabelle 2: Ethanolkonzentrationen im Blut in Abhängigkeit von der Exposition. Exposition Personen Ethanolkonzentration im Blut Referenz Natürliche Ethanolbildung der Darmbakterien 1557 Mittelwert: 1,1 mg/l [57] Median: 0,4 mg/l Maximalwert: 35 mg/l Keine Exposition mit Ethanol 26 Kinder Mittelwert: 0,32 mg/l [58] 50 Anwendungen à 5 ml eines Händedesinfektions- 5 < 0,5 mg/l [59] mittels (62% Ethanol) in 4 h 50 Anwendungen à 4 ml eines Händedesinfektions- 20 Median: 20,95 mg/l [53] mittels (95% Ethanol, w/w) in 30 min Oberes 95% CI: 21,34 mg/l 25 Anwendungen à 5 ml eines Händedesinfektions- 1 < 5 mg/l [60] mittels (62% Ethanol) in 2 h 10 Anwendungen à 20 ml eines Händedesinfekti- 20 Median: 30,1 mg/l [53] onsmittels (85% Ethanol, w/w) in 30 min Oberes 95% CI: 32,11 mg/l Ein Glas Bier mit ca. 12 g Ethanol Unbekannt 150 – 250 mg/l [61] Hygiene & Medizin | Volume 45 | 11/2020 197
MITTEILUNGEN DER KOOPERIERENDEN GESELLSCHAFTEN | VAH Bedeutung der Atemwege für die Auf- das Trinken von einem halben Liter Ap- on laboratory surfaces. 1. Tissue phase. nahme und Abgabe des Ethanols felsaft eine Konzentration von 0,17 ‰ Appl Microbiol 1963; 11: 436–445. Bei der Händedesinfektion wird der Ethanol im Blut bei einem 75 kg schwe- 10. Kruse RH, Green TD, Chambers BC. Dis- größere Ethanolanteil über die Atem- ren Mann bzw. 0,25 ‰ Ethanol bei ei- infection of aerosolized pathogenic fungi wege aufgenommen [62], die trans- ner 60 kg schweren Frau ergeben [70]. on laboratory surfaces. II. Culture phase. dermale Aufnahme ist eher gering [48, Appl Microbiol 1964; 12: 155–160. 51]. Vom inhalierten Ethanol werden 11. Lowenthal K. The antifungal effect of Zusammenfassende Bewertung zwischen 55% und 60% aufgenom- 70% ethyl alcohol. Archives of derma- Zusammenfassend kann auf Basis aller tology 1961; 83: 803–805. men und sind somit im Blut nachweis- vorliegenden Daten festgestellt werden, 12. Lacroix J, Lacroix R, Reynouard F, bar [63]. Die höchste Ethanolkonzen- dass Ethanol im Vergleich zu 1-Propa- Combescot C. [In vitro anti-yeast activ- tration in der Luft hat man bei der hy- nol und 2-Propanol eine überlegene ity of 1- and 2-propanols. Effect of the gienischen Händedesinfektion nach ca. Wirksamkeit gegenüber ausgewählten addition of polyethylene glycol 400]. 20 – 30 s (13 – 14 mg/l) [64]. 20 s nach klinisch relevanten Viren aufweist und Comptes rendus des seances de la So- Beendigung der Händedesinfektion ist dass die durch Händedesinfektion auf- ciete de biologie et de ses filiales 1979; der Wert wieder bei 0 [64]. Bei der chi- genommenen Mengen Ethanol unter- 173: 547–552. rurgischen Händedesinfektion findet halb toxikologisch relevanter Konzen- 13. Reichel M, Heisig P, Kampf G. Pitfalls in sich der höchste Ethanolgehalt der Luft trationen liegt und in der Folge die efficacy testing - how important is the nach ca. 80 s (18 – 20 mg/l) [64]. Die sachgerechte Anwendung ethanoli- validation of neutralization of chlorhex- mittlere Metabolisierungsrate von Etha- scher Händedesinfektionsmittel als si- idine digluconate? Ann Clin Microbiol nol beträgt 150 mg/l innerhalb von ei- cher erachtet werden kann [71–73]. Antimicrob 2008; 7: 20. 14. Kampf G, Meyer B, Goroncy-Bermes ner Stunde, entsprechend 0,15‰/h P. Comparison of two test methods for [65]. Sie kann aber auch bei 230 mg/l Danksagung the determination of sufficient antimi- pro Stunde liegen [66]. Innerhalb von Wir danken Herrn Prof. Dr. med. Gün- crobial efficacy of three different alco- 5 min werden also durchschnittlich ter Kampf (Hamburg) für seine aktive hol-based hand rubs for hygienic hand 12,5 mg Ethanol pro l metabolisiert. Mitarbeit. disinfection. J Hosp Infect 2003; 55: Ein Teil des aufgenommenen Etha- 220–225. nols wird auch wieder über die Atem- Literatur 15. Kratzel A, Todt D, V‘Kovski P, Steiner S, wege abgegeben. Nachdem 20 Perso- 1. Fürbringer P. Zur Desinfection der Hände Gultom M, Thao TTN et al. Inactivation nen insgesamt 30 Händedesinfektionen des Arztes. Deutsche medizinische Wo- of Severe Acute Respiratory Syndrome (70% Ethanol) mit jeweils 1,2 – 1,5 ml chenschrift (1946) 1888; 48: 985–987. Coronavirus 2 by WHO-Recommended innerhalb von 1 Stunde durchgeführt 2. Kampf G. Ethanol. In: Kampf G, Ed. Hand Rub Formulations and Alcohols. hatten, war bei 6 dieser Personen Et- Kompendium Händehygiene Wiesba- Emerg Infect Dis 2020; 26: 1592-5. hanol in der Atemluft in Konzentrati- 16. von Rheinbaben F, Wolff MH. Handbuch den: mhp Verlag 2017; 325–351. onen zwischen 0,001% und 0,0025% der viruswirksamen Desinfektion, Ber- 3. Kampf G. n-Propanol. In: Kampf G, Ed. nachweisbar. Die Nachweismethode in lin: Springer 2002. Kompendium Händehygiene Wiesba- 17. Steinmann J, Paulmann D, Becker B, dieser australischen Studie war sehr den: mhp Verlag 2017; 352-61. Bischoff B, Steinmann E, Steinmann J. empfindlich, so hätte z.B. die örtliche 4. Kampf G. iso-Propanol. In: Kampf G, Ed. Comparison of virucidal activity of alco- Polizei in Melbourne Ethanol in dieser Kompendium Händehygiene Wiesba- hol-based hand sanitizers versus antimi- Konzentration nicht in der Atemluft den: mhp Verlag 2017; 362–375. crobial hand soaps in vitro and in vivo. J nachweisen können. Nach spätestens 5. Kampf G, Rudolf M, Labadie J-C, Barrett Hosp Infect 2012; 82: 277–280. 13 min waren die Werte wieder bei 0 SP. Spectrum of antimicrobial activity 18. Steinmann J, Becker B, Bischoff B, [67]. Ähnliche Ergebnisse werden aus and user acceptability of the hand dis- Magulski T, Steinmann J, Steinmann Neuseeland berichtet. Hier wurden bei infectant agent Sterillium Gel. J Hosp E. Virucidal activity of Formulation I of 10 Anästhesisten, die über 4 h ein Gel Infect 2002; 52: 141–147. the World Health Organization‘s alco- auf Basis von 70% Ethanol nach den 5 6. Best M, Springthorpe VS, Sattar SA. hol-based handrubs: impact of changes Feasibility of a combined carrier test for Momenten der Händehygiene anwen- in key ingredient levels and test param- disinfectants: studies with a mixture of deten, der Ethanolgehalt der Atemluft eters. Antimicrob Resist Infect Control five types of microorganisms. Am J In- 2013; 2: 34. zu Dienstbeginn und anschließend alle fect Control 1994; 22: 152–162. 19. Steinmann J, Becker B, Bischoff B, Paul- 15 min gemessen. Bei 6 der 10 Anästhe- 7. Okunishi J, Okamoto K, Nishihara Y, mann D, Friesland M, Pietschmann T et sisten wurde Ethanol in der Atemluft Tsujitani K, Miura T, Matsuse H et al. al. Virucidal activity of 2 alcohol-based nachgewiesen, wenn die Händedesin- [Investigation of in vitro and in vivo ef- formulations proposed as hand rubs by fektion maximal 2 min zurücklag. Der ficacy of a novel alcohol based hand rub, the World Health Organization. Am J In- höchste gemessene Wert lag bei 0,64‰ MR06B7]. Yakugaku zasshi: Journal of fect Control 2010; 38: 66–68. [68]. the Pharmaceutical Society of Japan 20. Park GW, Barclay L, Macinga D, Char- Ethanol kann auch oral versteckt 2010; 130: 747–754. bonneau D, Pettigrew CA, Vinje J. Com- über Lebensmittel aufgenommen wer- 8. Emmons CXV. Fungicidal action of some parative efficacy of seven hand sani- den. So können Fruchtsäfte bis zu 3 g common disinfectants on two dermato- tizers against murine norovirus, feline Ethanol pro l enthalten [69], und ein phytes. Archives of dermatology 1933; calicivirus, and GII.4 norovirus. J Food Apfelsaft kann durchaus 1 g Ethanol 28: 15–21. Prot 2010; 73: 2232–8. pro 500 ml enthalten. Unter der Annah- 9. Kruse RH, Green TD, Chambers BC. Dis- 21. Tung G, Macinga D, Arbogast J, Jaykus me einer Resorptionsrate von 90% kann infection of aerosolized pathogenic fungi LA. Efficacy of commonly used disin- 198 Hygiene & Medizin | Volume 45 | 11/2020
fectants for inactivation of human noro- 34. Kurtz JB. Virucidal effect of alcohols ly applied to skin. Food Chem Toxicol viruses and their surrogates. J Food Prot against echovirus 11. Lancet 1979; 1: 2001; 39: 169–174. 2013; 76: 1210-7. 496–497. 49. Gummer CL, Maibach HI. The penetra- 22. Paulmann D, Steinmann J, Becker B, 35. Chang SC, Li WC, Huang KY, Huang tion of [14C]ethanol and [14C]methanol Bischoff B, Steinmann E, Steinmann J. YC, Chiu CH, Chen CJ et al. Efficacy of through excised guinea-pig skin in vitro. Virucidal activity of different alcohols alcohols and alcohol-based hand disin- Food Chem Toxicol 1986; 24: 305–309. against murine norovirus - a surrogate fectants against human enterovirus 71. 50. Miller MA, Rosin A, Levsky ME, Patel of human norovirus. J Hosp Infect 2011; J Hosp Infect 2013; 83: 288–293. MM, Gregory TJ, Crystal CS. Does the 79: 378–379. 36. Wolff MH, Schmitt J, Rahaus M, König clinical use of ethanol-based hand sani- 23. 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