Europawahl 11 Fragen und Antworten zur am 7. Juni 2009
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11 Fragen und Antworten zur Europawahl am 7. Juni 2009 Bayerische Landeszentrale Für Politische Bildungsarbeit
Impressum: Text: Michael Markard Layout: Comtex Mediendesign, Augsburg Druck: J. Gotteswinter, München Weitere Informationen: www.europarl.de Bayerische Landeszentrale www.europarl.europa.eu Für Politische Bildungsarbeit www.politische-bildung.de 2
Wahlen zum Europäischen Parlament 1. Warum wählen? - Ist die EU denn ein Staat? Die Europäische Union (EU) ist kein Staat. Sie ist weder ressen verpflichtet. Die Kommission ist die Europäische ein Bundesstaat („Vereinigte Staaten von Europa“) noch Verwaltungsbehörde mit Initiativrecht für EU-Gesetzes ein bloßer Staatenbund. Die EU ist ein Zusammen- vorschläge und andere Maßnahmen, das Parlament schluss von Staaten, der sich in keine der traditionellen repräsentiert die Bevölkerungen der Mitgliedsstaaten Kategorien einordnen lässt. Das Bundesverfassungs- der EU. Seine Abgeordneten werden alle fünf Jahre di- gericht hat dafür die Bezeichnung „Staatenverbund“ rekt von deren Bürgerinnen und Bürgern gewählt. Trotz gewählt. Die EU besteht aus souveränen Staaten, die der fehlenden Staatlichkeit der EU besitzt jede Bürgerin allesamt demokratisch verfasst sind. Diese Staaten und jeder Bürger eines Mitgliedsstaates zusätzlich zur haben auf dem Vertragsweg bestimmte Zuständigkei- Staatsbürgerschaft des Heimatlandes automatisch auch ten auf die EU als gemeinsame Institution übertragen die sog. „Unionsbürgerschaft“ der EU. Daraus ergibt und die dazu nötigen Organe eingerichtet. sich eine Reihe von Rechten: Freizügigkeit auf dem Das Europäische Parlament gehört neben dem Rat der gesamten Gebiet der EU, Niederlassungs- und Dienst- Europäischen Union und der Europäischen Kommission leistungsfreiheit, aktives und passives Wahlrecht bei zu den entscheidenden Organen der EU. Während der Kommunal- und Europawahlen überall in der EU, di- Rat der EU die Interessen der Mitgliedsstaaten in die EU plomatische und konsularische Schutzrechte, Petitions- miteinbringt, sind die Europäische Kommission und das rechte beim Europäischen Parlament sowie das Recht Europäische Parlament nur gesamteuropäischen Inte zur Anrufung eines Bürgerbeauftragten. 3
2. Was ist das für ein Organ, das da gewählt wird? Das Europäische Parlament (EP) vertritt die Interessen Die Mitwirkung an der Gesetzgebung der EU geschieht der ca. 493 Millionen Bürgerinnen und Bürger Europas im Wesentlichen in drei Formen: Im „Verfahren der Zu- bei der EU. Es besteht aus 785 Abgeordneten aus allen sammenarbeit“ kann das Parlament der Kommission EU-Mitgliedsstaaten. Mit der Neuwahl am 7. Juni 2009 Änderungsvorschläge unterbreiten; im „Zustimmungs- wird die Zahl der Sitze auf 736 reduziert. Dem EP sitzt verfahren“ muss es z.B. internationale Abkommen mit Prof. Dr. Hans-Gert Pöttering derzeit ein Deutscher sowie Vorschläge für EU-Erweiterungen billigen; das vor. Plenarsitzungen finden in der Regel in Straßburg „Mitentscheidungsverfahren“ weist ihm in bestimmten (Sitz des EP), aber auch in Brüssel statt. Das Generalse- Fragen sogar eine gleichwertige Stellung neben dem kretariat ist in Luxemburg. Die Abgeordneten bereiten Rat der EU zu. Das EP übt durch die Mitwirkung am in 20 Ausschüssen die Plenarsitzungen vor. Haushalt einen beträchtlichen Einfluss auf die Politik der EU aus. Mit einer Zweidrittelmehrheit kann das EP Das EP hat drei wesentliche Aufgaben: über ein Misstrauensvotum den Rücktritt der Kommis- - die Mitwirkung am Gesetzgebungsprozess der EU sion erzwingen. Im EP sind derzeit Abgeordnete aus (zusammen mit dem Rat der EU), insgesamt 177 verschiedenen Parteien vertreten. Die - die Ausübung der demokratischen Kontrolle über die meisten haben sich zu europäischen Fraktionen zu- Organe der EU, insbesondere über die EU-Kommission, sammengeschlossen. Zur Zeit gibt es sieben Fraktionen - die Einflussnahme auf die Ausgaben der EU durch An- im EP. Um Fraktionsstatus zu erhalten, müssen sich nahme oder Ablehnung des vom Rat der EU erarbeite- mindestens 20 Abgeordnete aus mindestens fünf Län- ten Haushaltsplans. dern zusammenfinden. 4
Anzahl der Sitze im Europäischen Parlament 2007-09 Die Fraktionen im Europäischen Parlament Sitze gemäß Vertrag gemäß Vertrag Land 2004 – 2009 von Lissabon von Nizza Fraktion Fraktion der Allianz der Liberalen Belgien 24 22 22 Unabhängigkeit/Demokratie und Demokraten für Europa Bulgarien 18 18 17 28 103 Europäische Volkspartei Grüne/Freie (Christdemokraten) und Dänemark 14 13 13 Europäische Allianz europäische Demokraten Deutschland 99 96 99 42 278 Estland 6 6 6 Finnland 14 13 13 Frankreich 78 74 72 Sozial- Union für demokratische das Europa Griechenland 24 22 22 Fraktion der Nationen Irland 13 12 12 219 30 Italien 78 73 72 Lettland 9 9 8 Litauen 13 12 12 Luxemburg 6 6 6 Malta 5 6 5 Insgesamt: 785 Niederlande 27 26 25 Stand: Oktober 2006 fraktionslose sowie Österreich 18 19 17 Vereinigte Europäische vorübergehend vakante Sitze Polen 54 51 50 Linke/Nordische Grüne Linke 44 41 Portugal 24 22 22 Rumänien 35 33 33 Schweden 19 20 18 Slowakei 14 13 13 Die Gesamtzahl der Sitze, die auf ein Land entfallen, richtet sich in Slowenien 7 8 7 der Tendenz nach dessen Größe bzgl. der Bevölkerungszahl, allerdings Spanien 54 54 50 entfallen – legt man das genaue Verhältnis zu Grunde – auf die großen Tschechische Republik 24 22 22 Ungarn 24 22 22 Länder relativ weniger Mandate als auf die kleinen. Vereinigtes Königreich 78 73 72 Zypern 6 6 6 Summe 785 751 736 (Schaubilder: EU) Stand: 29.09.2008 5
3. Ist das EP eigentlich eine wichtige Institution? Mittlerweile ja. Zunächst hatte die sogenannte „parla- entscheidend erweitert. Vor allem durch die Befugnis, mentarische Versammlung“ lediglich beratende Funk- die endgültige Zusammensetzung der Kommission zu tionen inne. Die 142 Abgeordneten aus den sechs billigen, entwickelte sich das Parlament zu einer echten Gründungsstaaten verfügten ursprünglich über ein politischen Kontrollinstanz. Das Europäische Parla- Anhörungsrecht dem Ministerrat gegenüber und fun- ment wurde durch die Verträge von Amsterdam vom gierten mit ihm zusammen als Haushaltsbehörde der 2. Oktober 1997 und von Nizza von 26. Februar 2001 Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), weiter gestärkt: Auch die Ernennung des Kommissions- der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und präsidenten unterliegt nun der Zustimmung des Parla- der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM). ments. Außerdem wurden die Mitbestimmungsrechte Die Abgeordneten wurden von den nationalen Parla- des Parlaments auf die meisten legislativen Bereiche menten bestimmt und nach Straßburg entsandt. Am erweitert. Das Parlament ist weitgehend zum gleichbe- 30. März 1962 gab sich die Versammlung den Namen rechtigten Mitgesetzgeber geworden. Die Beteiligung „Europäisches Parlament“. Es folgten eine Ausweitung der Volksvertretung an der EU-Gesetzgebung (Verord- des politischen Spielraums und im Jahr 1979 die erste nungen, Richtlinien) ist wichtig für das demokratische Direktwahl. Die Einheitliche Europäische Akte vom Grundprinzip. Man muss nur bedenken, dass alleine die 1. Juli 1987 stärkte seine legislative und politische Rolle. Übertragung von EU-Richtlinien in nationales Recht Mit dem Vertrag von Maastricht vom 7. Februar 1992 einen großen Teil der Gesetzgebung in Deutschland wurden auch die Mitwirkungsrechte des Parlaments ausmacht. 6
Europawahlen in Bayern seit 1979 Abgegebene Stimmen Von den gültigen Stimmen entfielen auf Wahltag davon insgesamt ungültige gültige CSU SPD GRÜNE FDP Sonstige Anzahl 10.06.1979 4542784 35118 4507666 2817120 1314020 130797 211531 34198 17.06.1984 3741194 51556 3689638 2109130 1017802 250541 145833 166332 18.06.1989 5163320 39953 5123367 2326277 1239888 399584 206059 951559 12.06.1994 4940540 44672 4895868 2393374 1162117 427733 163399 749245 13.06.1999 3990183 21547 3968636 2540007 856863 243781 73984 254001 13.06.2004 3638796 40295 3598501 2063900 549206 421019 151077 413299 % 10.06.1979 62,5 29,2 2,9 4,7 0,8 17.06.1984 57,2 27,6 6,8 4,0 4,5 18.06.1989 45,4 24,2 7,8 4,0 18,6 12.06.1994 48,9 23,7 8,7 3,3 15,3 13.06.1999 64,0 21,6 6,1 1,9 6,4 13.06.2004 57,4 15,3 11,7 4,2 11,5 (Quelle: Landeswahlleiter) 7
4. Wie wird gewählt? Die Abgeordneten des EP werden von den Bürgerinnen den. Über das Wahlverfahren sowie die Listenaufstel- und Bürgern ihrer jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten direkt lungen entscheidet ebenfalls jedes Mitgliedsland selbst. gewählt. Die Wahlperiode beträgt fünf Jahre. Deutsch- Dies hat eine wichtige Auswirkung auf die Arbeit im land stellt als größter Mitgliedsstaat derzeit noch 99 EP: Fraktionszwang auszuüben ist dort kaum möglich, Abgeordnete. Der bislang noch nicht in Kraft getrete- u.a. da die Fraktionsvorsitzenden keinerlei Einfluss auf ne Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 sieht die Kandidatenaufstellung haben. Die Entscheidungs- vor, diese Zahl im Zuge einer Verkleinerung des EP auf findung wird dadurch vielfältiger, der interfraktionelle 96 zu verringern. Dies wird aber in der kommenden Kontakt unter den Abgeordneten ist intensiv. Legislaturperiode nicht mehr geschehen. In Deutsch- land wird ausschließlich das deutsche Kontingent der Europaparlamentarier gewählt. Das Wichtigste zur Wahl in Kürze: Ein EU-einheitliches Wahlrecht gibt es nicht. Es gibt auch keinen einheitlichen Wahltag, sondern eine Zeit- Wahlberechtigung spanne, innerhalb derer die Mitgliedsstaaten wählen. Alle deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die So können sowohl in Deutschland, wo die Wahlen am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben und die immer sonntags oder an gesetzlichen Feiertagen statt- besonderen Ausschlusskriterien (Entmündigung, Aufent- finden, als auch z.B. im Vereinigten Königreich oder in halt in einem psychiatrischen Krankenhaus, Verlust des den Niederlanden, wo herkömmlich am Donnerstag ge- Wahlrechts durch Richterspruch) nicht erfüllen, haben wählt wird, die Wahltraditionen aufrecht erhalten wer- das Recht zu wählen und sich wählen zu lassen. Darü- 8
ber hinaus kann jeder EU-Bürger und jede EU-Bürgerin liste oder Landeslisten aufstellen, bleibt ihnen selbst - sofern er/ sie nicht im Herkunftsland oder in Deutsch- überlassen. In Bayern traten bisher die CSU und die land von der Wahl ausgeschlossen wurde - an der Wahl Bayernpartei traditionell mit Landeslisten an, alle an- der deutschen Abgeordneten zum EP teilnehmen, wenn deren Parteien stellten sich mit gemeinsamen Listen für er/ sie sich gewöhnlich in der Bundesrepublik aufhält alle Länder zur Wahl. Eine Stimmabgabe für einzelne und seit mindestens 3 Monaten in Deutschland oder Kandidaten ist in keinem Fall möglich. Die Stimmabga- einem anderen EU-Mitgliedsstaat einen Wohnsitz ge- be geschieht in der Regel im Wahllokal. Bei Verhinde- nommen hat. Jeder EU-Bürger darf aber nur einmal an rung am Wahltag ist Briefwahl zulässig. Bitte fordern der Wahl teilnehmen, also entweder im Herkunftsland Sie in diesem Falle rechtzeitig die Wahlunterlagen an oder in Deutschland. Unionsbürger, die nicht Deutsche und senden Sie diese auch rechtzeitig wieder an Ihr sind, aber in Deutschland wählen wollen, müssen dar- Wahlamt zurück. auf achten, dass sie im Wählerverzeichnis eingetragen sind. Deutsche Staatsbürger sind dort automatisch ver- Sitzverteilung zeichnet. Wer bis ca. 4 Wochen vor dem Wahltermin Die abgegebenen Stimmen werden nach dem Prinzip noch keine Wahlbenachrichtigung erhalten hat, wendet der Verhältniswahl in Sitze für die einzelnen Listen sich an das zuständige Wahlamt (Rathaus). umgerechnet. Jede Liste (Partei) erhält von den 99 zu vergebenden Mandaten einen so großen Anteil (in Stimmabgabe Prozent), wie sie im Vergleich zu den anderen Listen Die Stimmabgabe ist denkbar einfach: Jeder Wähler Stimmen erhalten hat. Um im Europäischen Parlament hat eine Stimme. Diese vergibt er auf die Bundes- bzw. vertreten zu sein, benötigt eine Liste mindestens 5 % der Landesliste einer Partei. Ob die Parteien eine Bundes- im Wahlgebiet insgesamt abgegebenen gültigen Stim- 9
men („5 %-Hürde“). Die Sitzverteilung wird erstmals - a llgemein: Jede Person, die die Wahlrechtsvorausset- nach dem Verfahren von Sainte-Laguë/Schepers („Divi- zungen erfüllt, hat das Recht zu wählen und gewählt sor-Verfahren mit Standard-Rundung“) berechnet, das zu werden. die möglichst gerechte Verteilung der Stimmen auf die -u nmittelbar: Die Abgeordneten werden von den Bür- Sitze zum Ziel hat. gern ohne Zwischeninstanzen direkt gewählt. - f rei: Jede Person kann ohne Zwang und Kontrolle Wahlrechtsgrundsätze darüber entscheiden, ob und wen sie wählt. Die Rechtsgrundlage für die Europawahl in Deutsch- land ist das Europawahlgesetz (EuWG). Darin sind -g leich: Jede Stimme zählt gleich viel. folgende Grundsätze festgelegt, wie die Wahl der -g eheim: Die Stimmabgabe erfolgt so, dass niemand Abgeordneten vorzunehmen ist: feststellen kann, wer wen gewählt hat. Muster eines Stimmzettels 10
Die deutschen Abgeordneten Bundesweites Ergebnis der Europawahl 2004 des EP nach Parteien (2004–2009) SPD Stimmenanteile 23 40 36,5 CSU % 9 30 CDU GRÜNE 21,5 40 13 20 99 11,9 PDS 9,8 7 10 8,0 6,1 6,1 FDP 7 0 U D U S P e E stig ÜN PD FD SP CD CS GR n Bundesweites Ergebnis der Europawahl 2004 – Sitzverteilung So (Grafik: Bundeswahlleiter) (Quelle: Bundeswahlleiter) 11
Die Europäische Union 5. Ist die EU gleichzusetzen mit Europa? Nein. Zwar umfasst die EU mit 27 Mitgliedsstaaten auf ihre Größe, Einwohnerzahl und wirtschaftliche Situa- und einem Gebiet von insgesamt mehr als vier Millio- tion, aber auch wegen kultureller Aspekte die Aufnahme nen Quadratkilometern sowie rund 493 Millionen Ein- fähigkeit der EU überfordern würde. Hinzu kommt, dass wohnern einen großen Teil des europäischen Kontinents. die Türkei selbst auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein Jedoch ist das unzweifelhaft nicht das ganze Europa. wird, die Beitrittskriterien der EU zu erfüllen. Offensichtlich ist das Fehlen von Ländern wie Norwegen, Die Tatsache, dass sich der viel beschworene „Bau des Liechtenstein und der Schweiz, die der EU bislang nicht Hauses Europa“ als so schwierig erweist, liegt nicht zu- angehören wollen. Die Nachfolgestaaten des vormaligen letzt an zwei Gegebenheiten: Zum einen hat man sich Jugoslawien (mit Ausnahme von Slowenien) waren auf- niemals ein Ziel gesetzt, wohin sich die europäische grund der Nachwirkungen der Balkankonflikte noch nicht Gemeinschaft einmal entwickeln soll. Zum anderen in der Lage, der EU beizutreten, haben aber eine lang fehlt uns Europäern nach wie vor eine selbstverständ- fristige Beitrittsperspektive. Vielfach wird die Frage ge- liche Vorstellung davon, wo die Grenzen Europas (vor stellt, ob eine Aufnahme der Türkei in die EU im Hinblick allem im Osten) liegen. 12
Die Europäische Union (Bild: dpa picture-allianz) 13
6. Wie kam es eigentlich zur Gründung der EU? Die Beweggründe für die ersten Staaten, Hoheitsrechte immer weiter. Bis heute ist die Mitgliederzahl auf 27 abzugeben, liegen vor allem in den Schrecken des Zwei- Staaten angewachsen. Aber auch der weitere Integra- ten Weltkrieges. Anlass für die häufigen Auseinander- tionsprozess schritt voran. setzungen zwischen Frankreich und Deutschland war Mit dem Vertrag von Maastricht vom 7. Februar 1992 oftmals das Ringen um Bodenschätze im Grenzgebiet entstand die Europäische Union (EU). Diese verband gewesen. Im Jahr 1951 haben sechs Länder – darunter die bestehenden Europäischen Gemeinschaften mit Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland – die den neuen Feldern der Gemeinsamen Außen- und Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) Sicherheitspolitik sowie der Zusammenarbeit in den gegründet und so diesen gefährlichen Konfliktherd be- Bereichen Justiz und Inneres. Es wurde somit eine neue seitigt. Im Jahr 1957 folgte in Rom die Gründung der Struktur mit drei „Säulen“ unter dem Dach der EU Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und geschaffen. Eine Wirtschafts- und Währungsunion der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom). Zehn wurde bis 1999 schrittweise verwirklicht. Ihre Währung Jahre später fusionierten diese Gemeinschaften zur ist der EURO. Seit der letzten Erweiterung am 1. Januar Europäischen Gemeinschaft (EG). 2007 (Rumänien, Bulgarien) beruht die EU auf dem Mit der Zeit schlossen sich immer mehr Staaten diesen EG- sowie dem EU-Vertrag in den zuletzt durch die Europäischen Gemeinschaften an. Europa entwickelte Verträge von Nizza, Athen und Luxemburg geänderten sich vor allem nach der Überwindung des „Kalten Krieges“ Fassungen. 14
Am 9. Mai 1950 stellte der französische Außenminister Robert Schuman seine Ideen, die später zur Europäischen Union führten, öffentlich vor. Daher wird der 9. Mai als Europatag begangen. (Bild: SV-Bilderdienst) 15
7. Warum wird so viel von EU-Reformprozessen geredet? In einer wachsenden Union müssen auch die EU- Effizienz für Europa erreicht werden. Zwar haben die Organe verändert werden, um die zunehmende Anzahl Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten den Vertrag der Aufgaben bewältigen zu können. Als besonders am 13.12.2007 unterzeichnet, allerdings ist der Vertrag hinderlich hatte sich das Erfordernis einstimmiger aufgrund des ablehnenden Votums des irischen Volkes Beschlüsse im Rat der EU erwiesen. Im Zuge der ver- am 12.6.2008 bisher nicht in Kraft getreten. Der Ver- schiedenen Vertragsänderungen, v.a. aber durch den trag von Lissabon sieht einige wesentliche Änderungen Vertrag von Nizza, wurden die Bereiche, in denen der vor: Dem Europäischen Rat sitzt demnach ein haupt- Rat mit qualifizierter Mehrheit entscheidet, zuneh- amtlicher, auf zweieinhalb Jahre gewählter Präsident mend ausgeweitet. Um die Struktur der EU insgesamt vor. Weiterhin repräsentiert ein „Hoher Vertreter für anzupassen und der Union mit einem auf zweiein- die Außen- und Sicherheitspolitik“ die EU nach außen. halb Jahre gewählten Präsidenten des Europäischen Die Rechte des Europäischen Parlaments werden noch Rates ein Gesicht zu geben, hatte ein Konvent unter einmal gestärkt. Sein Mitbestimmungsrecht bei Ge- Valéry Giscard D’Estaing einen Verfassungsvertrag setzgebungsverfahren wird deutlich ausgeweitet. Das erarbeitet. Dieser scheiterte jedoch im Jahr 2005 an Parlament wird so bis auf wenige Ausnahmen – gleich- der Ablehnung durch die französische und die nieder- berechtigt mit dem Rat der EU – der Gesetzgeber der ländische Bevölkerung. Mit dem Vertrag von Lissabon Europäischen Union. Außerdem bestimmt nach dem sollen die wesentlichen Neuerungen des Verfassungs- Vertrag von Lissabon das Ergebnis der Europawahl vertrags im Wege einer Änderung der bestehenden die Auswahl des Kommissionspräsidenten. Beschlüsse Verträge umgesetzt und somit mehr Demokratie und sollen im Rat der EU ab 2014 grundsätzlich als Mehr- 16
heitsentscheidungen nach dem Prinzip der „doppelten vor der Tür, der Republik Mazedonien wurde offiziell Mehrheit“ gefasst werden. Ebenfalls gibt es nach dem der Status eines Beitrittskandidaten verliehen und mit Vertrag von Lissabon die Möglichkeit eines Bürgerbe- der Türkei laufen seit 2005 ergebnisoffene Beitritts- gehrens. Aber auch das Mitspracherecht der nationalen verhandlungen. Die Bayerische Staatsregierung vertritt Parlamente im EU-Gesetzgebungsverfahren soll ge- die Position, dass die EU nach der großen Erweiterung stärkt werden. Zudem sieht der Vertrag erstmals das des Jahres 2004 um 10 neue Mitgliedsstaaten, dem Recht auf Austritt aus der EU vor. Reformbedarf ergibt Beitritt Rumäniens und Bulgariens (2007) und der an- sich zudem daraus, dass weitere Staaten in die EU stehenden Aufnahme Kroatiens nun eine Phase der drängen. Als nächstes Mitglied steht Kroatien bereits Konsolidierung benötigt. Die Aufnahme neuer Mitglie- der muss zum einen von der strik- ten Erfüllung der Beitrittskriterien durch Bewerberländer, zum ande- ren von der Aufnahmefähigkeit der EU abhängig gemacht werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei der Unterzeichnung des Reform- vertrags von Lissabon (Bild: Bundesregierung/Steffen Kugler) 17
8. Wie funktioniert die EU? Die EU kennt keine Gewaltenteilung im klassischen Er ist zuständig für „Unternehmen und Industrie“ und Sinne. An der Beschlussfassung über das sogenannte gleichzeitig einer der fünf Vizepräsidenten. „Sekundärrecht“ (Verordnungen, Richtlinien, Empfeh- lungen), also über die EU-„Gesetze“, wirken drei Organe Die Regierungschefs der Mitgliederstaaten tagen als mit: Europäischer Rat. Der Europäische Rat ist kein Organ 1. Das Europäische Parlament der EU. Der Europäischer Rat tritt grundsätzlich vier- 2. Der Rat der EU. In diesem Organ tagen die jeweils zu- mal im Jahr in Brüssel („Gipfeltreffen“) zusammen. ständigen Ressortminister der Mitgliedsstaaten. Im Rat Er gibt der EU die für ihre Entwicklung erforderlichen vereinen sich Legislativ- und Exekutivkompetenzen. Impulse und legt die allgemeinen politischen Ziel- 3. Die EU-Kommission. Sie allein hat das Recht, EU- vorstellungen für diese Entwicklung fest. Außerdem Rechtsetzungsvorschläge vorzulegen (sog. Initiativ- entscheidet er in Fragen, in denen der Rat der EU zu monopol). Die Kommission besteht aus einem Präsi- keiner Entscheidung gekommen ist. Im Rahmen der denten (zur Zeit: José Manuel Barroso) und derzeit Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik befasst 26 Kommissaren, die jeweils für einen bestimmten sich der Europäische Rat auch mit internationalen Geschäftsbereich zuständig sind. Jeder Mitgliedsstaat Fragen, um zu einer einheitlichen Position der EU zu stellt eine Kommissarin bzw. einen Kommissar. Der kommen. Weitere Organe der EU sind der Europäische deutsche Kommissar ist derzeit Günter Verheugen. Gerichtshof und der Europäische Rechnungshof. 18
Die Institutionen der EU Europäischer Rat 27 Staats- bzw. Regierungschefs Richtungsweisende Beschlüsse Information RAT DER Unterrichtung EUROPÄISCHES PARLAMENT EUROPÄISCHEN UNION 736 direkt gewählte Abgeordnete (Europäischer Ministerrat) aus den 27 Mitgliedstaaten Stellungnahme, Mitentscheidung (z.B. bei Haushaltsbeschlüssen, Zustimmungsrecht zum Erweiterungen) Kommissionspräsidenten und zur Kommission, WIRTSCHAFTS- UND Stellungnahmen, SOZIALAUSSCHUSS Mitentscheidung Entscheidungen Vorschläge EUROPÄISCHE KOMMISSION 27 Mitglieder Anhörung AUSSCHUSS DER REGIONEN EUROPÄISCHER GERICHTSHOF EUROPÄISCHER RECHNUNGSHOF Kontrollfunktion Rechnungsprüfung 19
9. Wozu brauchen wir heute überhaupt eine EU? Nicht nur Europa ist enger zusammen gewachsen, mit einer Stimme spricht. Deutschland alleine kann hier sondern die gesamte Welt. Auf Europa entfällt ein im- wenig erreichen. mer geringerer Teil der Weltbevölkerung. Aufstrebende Nationen wie China und Indien reklamieren ihren An- Der Erfolg der europäischen Einigungsbemühungen teil am Wohlstand der Welt vernehmlich. Wenn Europa geht vor allem auf die wirtschaftliche Aktivität Europas vereint auftritt, kann es seine Werte und Interessen zurück. Der Binnenmarkt sowie die Wirtschafts- und effektiver geltend machen als dies ein einzelner Staat Währungsunion schaffen für die Unternehmen wichtige könnte. Es kann seine Bürgerinnen und Bürger wirk- Voraussetzungen, um im Wettbewerb auf den Welt- samer vor Terrorismus und organisierter Kriminali- märkten erfolgreich bestehen zu können. Mit gezielten tät schützen. Außerdem erhalten alle Unionsbürger in Fördermaßnahmen werden strukturschwache Regionen allen Mitgliedsstaaten gleichen Zugang zur Justiz und unterstützt, um die teilweise beträchtlichen Unter- gleichen Schutz durch das Recht. Im Zuge des Zusam- schiede im Lebensstandard auszugleichen. menwachsens Europas wurden durch die Übernahme des europäischen Umweltrechts und den Aufbau von Friede und Freiheit sind zwar in Europa verwirklicht, modernen Umweltverwaltungen in den neuen Mit- aber ein beträchtlicher Teil der Weltbevölkerung lebt in gliedsstaaten die Umweltbelastungen in Europa er- Armut und Unsicherheit. Die EU fühlt sich humanitären heblich vermindert. Ehrgeizige Klimaziele haben in der Werten verpflichtet. Sie will erreichen, dass der Mensch Zukunft gegen die wirtschaftlichen Bedenken einfluss- nicht Opfer der globalen Veränderungen ist, sondern reicher Staaten nur dann eine Chance, wenn die EU Nutznießer. 20
Die EU im internationalen Vergleich: EU-Wirtschaftskraft BIP in Mrd. EUR (2005) Mrd. EUR 10 957,9 10 011,9 3 663,5 2.000 1 787,3 1.500 1.000 610,6 500 0 EU-27 USA JP CN RU (Grafik: EU-Kommission) 21
EU-Bevölkerung Bevölkerung in Millionen Menschen (2005) Millionen 1 306,3 1 080,3 493,0 295,7 143,4 127,4 100 80 60 40 20 0 CN IN EU-27 USA RU JP (Grafik: EU-Kommission) 22
10. Was tut die EU für uns Bürger? Die EU schützt ihre Bürgerinnen und Bürger durch eine Aber die Politik der EU hat auch ganz direkte Auswir- Charta der Grundrechte. Sie gewährt ihnen Freizügig- kungen auf unseren Alltag. keit, Niederlassungsfreiheit und Aufenthaltsrecht in Hier eine Auswahl: allen Staaten der EU. Bei Reisen in einen anderen EU- -E uropäische Regeln betreffen Sicherheit, Gesundheit, Staat entfallen jegliche Grenzkontrollen, sofern dieser Information und Mitbestimmung am Arbeitsplatz. dem Abkommen von Schengen beigetreten ist. In EU- -D ie EU sorgt für sichere Lebensmittel, Medikamente, Staaten, die zum Euro-Raum gehören, bezahlt man Kosmetika und Spielzeuge. mit der gleichen Währung. Währungsumtausch entfällt -D urch die Abschaffung von Monopolen sind die Preise und Preise sind leichter vergleichbar. Die deutsche für Flüge und Telefonate im Festnetz günstig wie nie Wirtschaft profitiert von der EU: fast zwei Drittel der zuvor. Als nächstes folgen die Energiepreise. deutschen Ausfuhren gehen in EU-Staaten, da durch - Die EU hat Obergrenzen für sog. Roaming-Gebühren den Binnenmarkt alle Handelsschranken und durch eingeführt. So ist auch das Telefonieren mit dem Mobil- den Euro auch die Währungsrisiken entfallen sind. So telefon im Ausland billiger geworden. sind neue Arbeitsplätze entstanden. Ebenso hat die - Durch die Verlängerung der Produktgarantie auf zwei EU zahlreiche Bildungs- und Ausbildungsprogramme Jahre haben Verbraucherinnen und Verbraucher bei für Schüler, Studenten und Auszubildende sowie im schadhaften Produkten länger Anspruch auf Entschädi- Bereich der Erwachsenenbildung ins Leben gerufen. gung durch den Hersteller. 23
Das Europäische Parlament - hier bei einer Sitzung in Straßburg (Bild: Ullsteinbild) 24
11. Welche Rolle spielt Bayern in der EU? Bayern ist ein Land der Bundesrepublik Deutschland munen bei der EU institutionell vertreten sind, ist auf und somit eine Region innerhalb der EU. Es gehört zu Betreiben Bayerns gegründet worden. Hinzu kommen den wirtschaftsstärksten und bevölkerungsreichsten zahlreiche informelle Einflussmöglichkeiten, z.B. durch Regionen Europas. Wäre Bayern eigenständig, so wäre Gespräche mit Kommissionsmitgliedern oder Europa- es der neuntgrößte Mitgliedsstaat der EU. Aber auch abgeordneten. Bayern sieht das Ziel des europäischen als Region verfügt Bayern über verschiedene Möglich- Einigungsprozesses nicht in einem europäischen „Super- keiten, auf die Entscheidungen der EU Einfluss zu staat“, der für jeden Teil Europas dieselben Vorschriften nehmen. Die deutschen Länder haben im Grundgesetz festlegt. Vielmehr soll sich die EU auf die wirklich verankerte Mitwirkungsrechte in EU-Angelegenheiten, grenzübergreifenden Aufgaben konzentrieren und jede die durch den Bundesrat ausgeübt werden. So kann der Art von Zentralismus und unnötiger Bürokratie vermei Bundesrat Stellungnahmen zu EU-Vorhaben abgeben, den. Auf europäischer Ebene sollen Entscheidungen die von der Bundesregierung – zum Teil sogar maßgeb- nur dann getroffen werden, wenn die jeweiligen Pro- lich – zu berücksichtigen sind. In vielen Fällen nimmt bleme auf kommunaler, regionaler oder nationaler darüber hinaus ein vom Bundesrat benannter Vertreter Ebene nicht ausreichend gelöst werden können (Subsi der Länder als Mitglied der deutschen Delegation an diaritätsprinzip). Europa muss bürgernah gestaltet den Beratungen auf EU-Ebene teil. Der Ausschuss der und von unten nach oben aufgebaut werden (Europa Regionen (AdR), durch den die Regionen und Kom- der Regionen). 25
Bayern setzt sich insbesondere ein für: - eine gerechtere Lastenverteilung bei der - den offenen Binnenmarkt, Finanzierung der EU, - die gemeinsame Bekämpfung der - die Vermeidung von EU-Steuern. internationalen Schwerkriminalität, Wirtschaftlich profitiert Bayern durch EU-Fördermittel - grenzüberschreitenden Umweltschutz, (ca. 2,2 Mrd. € zwischen 2007 und 2013) und EU- - integrierte Klimaschutz- und Energiepolitik, Projekte, wie z.B. das europäische Satellitennavigations - EU-Erweiterungen mit Augenmaß, system Galileo. 26
Bayerische Mitwirkungsmöglichkeiten in der Europapolitik Europäisches Entscheidung Ausschuss der des Rates Kommission Parlament Regionen (Vorschlag) (Mitentscheidung, (Stellungnahme) Deutsche Anhörung) Haltung im Rat Bayerische Bundes- Bundesrat Europa- regierung abgeordnete Bayerische Staatsregierung Staatskanzlei Staatsministerien Landtag Formelle Mitwirkung Informelle Mitwirkung (Quelle: Bayerische Staatskanzlei) 27
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