AK Positionspapier Mai 2010 - EU-2020-Strategie Integrierte Leitlinien zu Europa 2020

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Mai 2010
       AK Positionspapier

EU-2020-Strategie
Integrierte Leitlinien zu Europa 2020

                                  www.akeuropa.eu
Wir über uns

                  Die Bundesarbeitskammer ist die         Im Rahmen ihrer Aufgaben bera-
                  gesetzliche Interessenvertretung        ten die Arbeiterkammern ihre
                  von rund 3,2 Millionen                  Mitglieder unter anderem in
                  ArbeitnehmerInnen und                   Fragen des Arbeitsrechts, des
                  KonsumentInnen in Österreich.           Konsumentenschutzes, in Sozial- und
                  Sie vertritt ihre Mitglieder in allen   Bildungsangelegenheiten. Mehr als
                  sozial-, bildungs-, wirtschafts-        drei Viertel der rund 2 Millionen Be-
                  und verbraucherpolitischen              ratungen jährlich betreffen arbeits-,
                  Angelegenheiten auf nationaler          sozial- und insolvenzrechtliche
                  als auch auf der Brüssler EU-           Fragestellungen. Darüber hinaus
                  Ebene. Darüber hinaus ist die           nimmt die Bundesarbeitskammer
                  Bundesarbeitskammer Teil der            im Rahmen von legislativen
                  österreichischen Sozialpartnerschaft.   Begutachtungsverfahren die
                                                          Aufgabe wahr, die Positionen
                  Das AK EUROPA Büro in Brüssel           der ArbeitnehmerInnen und der
                  wurde 1991 errichtet, um die            KonsumentInnen gegenüber dem
                  Interessen aller Mitglieder der         Gesetzgeber in Österreich als auch.
                  Bundesarbeitskammer gegenüber           auf EU-Ebene einzubringen.
                  den Europäischen Institutionen vor
                  Ort einzubringen.                       Alle österreichischen Arbeitnehmer-
                                                          Innen sind per Gesetz Mitglied der
                  Zur Organisation und Aufgabe der        Arbeiterkammern. Die Mitglieds-
                  Bundesarbeitskammer in Österreich       beiträge sind gesetzlich geregelt
                                                          und betragen 0,5 Prozent des
                  Die Bundesarbeitskammer Österreichs     Bruttoeinkommens (maximal bis zur
                  bildet die Dachorganisation             Höchstbemessungsgrundlage in
                  von neun Arbeiterkammern auf            der Sozialversicherung). 560.000 (ua
                  Bundesländerebene, die gemeinsam        Arbeitslose, Eltern in Karenz, Präsenz-
                  den gesetzlichen Auftrag haben,         und Zivildiener) der rund 3,2 Millionen
                  die Interessen ihrer Mitglieder zu      Mitglieder sind von der Zahlung des
                  vertreten.                              Mitgliedsbeitrages befreit, haben
                                                          aber Anspruch auf das volle AK-
                                                          Leistungsangebot!

                  Herbert Tumpel                          Werner Muhm
                  Präsident                               Direktor

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Executive Summary

                        Die von der Kommission vorgelegten          zung der Erholung ruht vor allem auf
                        integrierten Leitlinien zu Europa 2020      den Schultern der europäischen Ver-
                        werden auf Jahre wesentliche Politik-       braucher sowie der Investitionen.“
                        bereiche auf europäischer und natio-
                        naler Ebene bestimmen. Ihre konkrete        Die Stärkung der endogenen Wachs-
                        Ausgestaltung ist daher für den Erfolg      tumskräfte ist daher eine der ganz
                        der EU-2020-Strategie von zentraler         wesentlichen Herausforderungen, die
                        Bedeutung.                                  sich auch in den integrierten Leitlinien
                                                                    widerspiegeln muss. Das heißt kon-
                        Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist        kret: Stärkung der Binnennachfrage
Die Finanz- und         trotz der zu beobachtenden Stabilisie-      und von Zukunftsinvestitionen. Die
Wirtschaftskrise ist    rung der Konjunktur noch lange nicht        Bedingungen des Stabilitäts- und
trotz der zu beobach-   vorbei. Zu befürchten ist, dass Europa      Wachstumspaktes dürfen kein Hinder-
tenden Stabilisierung   eine längere Phase der Stagnation           nis dabei sein, wenn es darum geht,
der Konjunktur noch     bevorsteht, wenn es nicht gelingt, ein      durch öffentliche Zukunftsinvestitionen
lange nicht vorbei.     neues Wachstumsmodell zu etablie-           in Forschung, Bildung, Umwelt, soziale
                        ren, das auf die endogenen Wachs-           Infrastruktur etc das Potential für zu-
                        tumskräfte setzt und gleichzeitig den       künftiges Wachstum zu schaffen. Die
                        sozialen und ökologischen Herausfor-        Budgetpolitik muss auf die Ziele einer
                        derungen Rechnung trägt.                    hohen Beschäftigung, Verteilungsge-
                                                                    rechtigkeit und Wachstum ausgerichtet
                        Die integrierten Leitlinien werden einen    sein. Potential für sinnvolle Investitio-
                        Zeitraum abdecken, in dem sich ein          nen gibt es genug. Die österreichi-
                        weitreichender weltwirtschaftlicher         schen Sozialpartner fordern ua einen
                        Umbruch vollzieht. Die USA werden           „European Green New Deal“, der durch
                        als globale Konjunkturlokomotive nicht      intelligente Investitionen (zB im Bereich
                        mehr dieselbe Rolle spielen können          erneuerbarer Energien) zusätzliche
                        wie in der Vergangenheit. Die Warnung       Arbeitsplätze schafft, Innovationen
                        des IWF vom Oktober 2009, dass Euro-        fördert und Kosten einspart (zB durch
                        pa aufgrund der deutlich gesunkenen         geringere Ölimporte).
                        Nachfrage amerikanischer Verbrau-
                        cherInnen (die Asien trotz gestiegener      Ein wesentliches Defizit des vorliegen-
                        Importe nicht wettmachen könne) auch        den Entwurfs der integrierten Leitlinien
                        längerfristig mit einem schwachen           ist der Umstand, dass die Notwen-
                        Wachstum rechnen müsse, bestätigt           digkeit einer intelligenten Nachfrage-
                        sich immer mehr. Auch der IWF fordert       politik kaum thematisiert wird. Diese
                        im Grunde ein neues Wachstumsmo-            müsste sowohl bei den Vorschlägen
                        dell, indem er klarstellt: „Eine Fortset-   zur Haushaltskonsolidierung, zur Aus-

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gabengestaltung und zur Lohnpolitik         Steigerung der Beschäftigungsquote
                  entsprechend berücksichtigt werden.         von Frauen, erhöhen ihren Beitrag zum
                  Zudem fehlt ein klares Bekenntnis zu        BIP und zum Steueraufkommen und
                  einer Neugestaltung der Finanzmärkte,       gewährleisten nachhaltige Geburten-
                  die zukünftig die Entstehung system-        raten. Da sich die Gleichstellung von
                  gefährdender spekulativer Blasen            Frauen und Männern als Schlüssel zur
                  ausschließt und die Finanzmärkte der        dauerhaften Lösung alter wie neuer
                  Realwirtschaft unterordnet. Dieses The-     Probleme erwiesen hat, ist es wichtig,
                  ma ist in den Leitlinien auffällig ausge-   dass das Thema Gleichstellung ein
                  klammert, ebenso die Notwendigkeit,         Kernelement der EU-Strategie für 2020
                  die Finanzmärkte an den Kosten zur          bleibt. Gleichstellungsmaßnahmen
                  Bewältigung der Krise zu beteiligen.        sollten deshalb nicht als kurzfristiger
                                                              Kostenfaktor, sondern als langfristige
                  Ebenso kommt einmal mehr Vertei-            Investition betrachtet werden.“
                  lungsgerechtigkeit nicht explizit vor.
                  Aus unserer Sicht geht es dabei um
                  das Recht von ArbeitnehmernInnen an
                  einer fairen Entlohnung bzw Beteili-
                  gung am erwirtschafteten Wohlstand.
                  Aber auch die ungleiche Verteilung von
                  Vermögen muss thematisiert werden,
                  da sie ein wesentlicher struktureller
                  Faktor war, der zur Finanz- und Wirt-
                  schaftskrise geführt hat.

                  Wenig Bezug genommen wird auch
                  auf Gleichstellungspolitik bzw Frauen-
                  förderung. Die Überwindung der Diskri-
                  minierung von Frauen am Arbeitsmarkt
                  muss Bestandteil jeder Strategie zur Lö-
                  sung der aktuellen Probleme sein, wie
                  dies auch im Gleichstellungsbericht der
                  Europäischen Kommission aus dem
                  Jahr 2009 zum Ausdruck kommt: „Bei
                  der Gleichstellung handelt es sich nicht
                  nur um eine Frage der Vielfalt und der
                  sozialen Gerechtigkeit – ohne Gleich-
                  stellung rücken auch Ziele wie nach-
                  haltiges Wachstum, Beschäftigung,
                  Wettbewerbsfähigkeit und sozialer
                  Zusammenhalt in weite Ferne. Investi-
                  tionen in Gleichstellungsmaßnahmen
                  lohnen sich, denn sie sorgen für eine

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Die Position der AK im Einzelnen

                          ad) Leitlinie 1: Gewährleistung der          eines Ausbaus der bestehenden
                          Qualität und langfristigen Tragfähig-        sozialstaatlichen Absicherung, eines
                          keit der öffentlichen Finanzen               flächendeckenden Angebots an Bil-
                                                                       dungs- und Betreuungseinrichtungen
Angesichts der Rekord-    Angesichts der Rekordarbeitslosigkeit        usw bedürfen, die eine Grundvor-
arbeitslosigkeit von 24   von 24 Millionen Menschen in der EU          aussetzung für technologischen,
Millionen Menschen        muss die Bekämpfung von Arbeitslo-           strukturellen und gesellschaftlichen
in der EU muss die        sigkeit ein Hauptanliegen bzw ein kon-       Wandel darstellen. Insbesondere für
Bekämpfung von            kretes Ziel der EU sein. In diesem Zu-       eine bessere Vereinbarkeit von Beruf
Arbeitslosigkeit ein      sammenhang ist einer „Exit-Strategie“        und Familie und damit für eine höhere
Hauptanliegen bzw         bzw Konsolidierungsplänen nur unter          Beschäftigungsquote sind die Rahmen-
ein konkretes Ziel der    Konjunktur- bzw Beschäftigungsvorbe-         bedingungen derzeit nicht gegeben.
EU sein.                  halten zuzustimmen.                          Diese längst notwendigen Zukunftsin-
                                                                       vestitionen weiter zu verschieben wäre
                          In der Leitlinie 1 wird aus unserer          ein fataler Fehler.
                          Sicht zu sehr auf den Budgetkonsoli-
                          dierungspfad (insbesondere auf das           Vor diesem Hintergrund und ange-
                          „strukturelle“ Defizit) fokussiert. Völlig   sichts des Ausmaßes der Krise sollte
                          unterbewertet werden (wieder) dabei          aus unserer Sicht in der Leitlinie – die
                          ua die konsum- und somit konjunktur-         zudem laut Kommission bis 2014 weit-
                          stützenden Wirkungen der sog „auto-          gehend unverändert gelten soll – kein
                          matischen Stabilisatoren“ zB im Bereich      konkreter Zeitpunkt für den Beginn der
                          der Arbeitslosen- oder Pensionsver-          Konsolidierung festgeschrieben wer-
                          sicherung. Gerade in wirtschaftlichen        den. Stattdessen sollte das Wort „zeit-
                          Abschwungphasen bzw bei niedrigem            gerecht“ eingefügt und der Rückgang
                          Wirtschaftswachstum stellen sie ver-         der Arbeitslosigkeit als geeigneter Indi-
                          lässliche Konstanten für den Erhalt der      kator angeführt werden.
                          Kaufkraft und die Stabilisierung der
                          Konsumausgaben der privaten Haus-            Am Ende des ersten Absatzes soll-
                          halte dar. Gerade angesichts der Tat-        te eingefügt werden: „Die Wirkung
                          sache, dass die Wachstumsprognosen           der automatischen Stabilisatoren
                          nur sehr verhalten und unsicher sind,        darf dabei ebenso wenig gefährdet
                          erscheinen die Konsolidierungsemp-           werden wie die notwendigen Inve-
                          fehlungen überzogen und sozial- wie          stitionen in den Ausbau der sozialen
                          auch wachstumspolitisch kontrapro-           Infrastruktur.“
                          duktiv.
                                                                       Bei der Aufzählung der wachstumsför-
                          Statt die Sozialausgaben iwS zu kür-         dernden Ausgabenposten im zweiten
                          zen, würde es im Gegenteil sogar             Absatz sollte jedenfalls Armutsbe-

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kämpfung bzw Sicherung des sozialen        merInnen. Problematisch sind hier die
                  Zusammenhaltes und Ausbau der              Formulierungen zur Lohnpolitik, die als
                  sozialen Dienste dazu kommen.              versteckter Aufruf zur Lohnzurückhal-
                                                             tung gewertet werden können.
                  Bei der wachstumsfreundlichen Gestal-
                  tung des Steuersystems sollte ergänzt      Wir schlagen daher wie folgt vor:
                  werden: „... indem die Steuerlast vom
                  Faktor Arbeit stärker beispielsweise auf   •   Makroökonomische Ungleichge-
                  umweltschädliche Tätigkeiten sowie             wichte resultieren auch aus der
                  vermögens- und gewinnbezogene                  ungleichen Verteilung von Einkom-
                  Steuern verlagert wird.“ Damit wäre ua         men und Vermögen; dies sollte
                  auch die Finanztransaktionssteuer er-          entsprechend angeführt werden.
                  fasst. Auch der Steuerbetrug sollte an-
                  gesprochen werden, denn eine weitere       •   Die Rolle der Sozialpartner in der
                  Haushaltsentlastung kann durch eine            Lohnpolitik sollte verstärkt wer-
                  Bekämpfung des Steuerbetrugs er-               den. Gleichzeitig sollte klar zum
                  reicht werden. In der EU werden durch          Ausdruck kommen, dass eine
                  Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und          an der Produktivitätsentwicklung
                  Steuervermeidung jährlich geschätzte           orientierte Lohnpolitik in allen Mit-
                  200 bis 250 Mrd Euro entzogen, das             gliedstaaten notwendig ist und es
                  entspricht immerhin 1,6% des BIP der           sollte eine Aussage zur Etablierung
                  EU-27. Allein der Ausfall durch Mehr-          armutsvermeidender Mindestlöh-
                  wertsteuerbetrug wird – laut Angaben           ne enthalten sein.
                  des ehemaligen EU-Kommissar Kovacs
                  am 6. Oktober 2009 vor dem Wirt-           •   Im zweiten Absatz sollte ergänzt
                  schaftsausschuss des Europäischen              werden: der Finanz- und Aktien-
                  Parlaments – auf 60-70 Mrd Euro pro            märkte.
                  Jahr geschätzt.
                                                             •   Am Ende des Absatzes sollte Be-
                                                                 zug auf die Finanzmärkte genom-
                  ad) Leitlinie 2: Beseitigung makroöko-         men werden, zB durch folgende
                  nomischer Ungleichgewichte                     Formulierung: „Außerdem achten
                                                                 die Union und die Mitgliedstaa-
                  Es ist wichtig, dass die Beseitigung
                                                                 ten durch umsichtige und zielori-
                  makroökonomischer Ungleichge-
                                                                 entierte Regulierung darauf, dass
                  wichte thematisiert wird. Die konkrete
                                                                 nicht durch spekulative Blasen
                  Formulierung der Leitlinie ist jedoch
                                                                 und Ungleichgewichte auf den
                  potentiell gefährlich im Sinne einer
                                                                 Finanzmärkten die Realwirtschaft
                  verklausulierten Aufforderung zur wei-
                                                                 in Mitleidenschaft gezogen wird.“
                  teren Druckweitergabe an Arbeitneh-

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ad) Leitlinie 3: Abbau von Ungleich-        Dimension völlig unterbelichtet ist,
                        gewichten in der Eurozone                   schlagen wir folgende Änderungen
                                                                    bzw Ergänzungen vor:
                        Positiv ist, dass hier die „Musterschü-
                        ler“ aufgefordert werden, „strukturelle     •   Es ist darauf zu achten, dass
                        Hemmnisse“ für den privaten Ver-                Dienstleistungen von allgemeinem
                        brauch zu beseitigen. Das ist zwar              wirtschaftlichem Interesse sozial,
                        etwas mysteriös formuliert, ist aber            demokratisch, umweltschonend
                        zu begrüßen, wenn es um eine faire              und auf qualitativ hochwertiger
                        Beteiligung der ArbeitnehmerInnen am            Basis zu erschwinglichen Preisen
                        erwirtschafteten Wohlstand geht. In             zur Verfügung gestellt werden. Wo
                        diese Richtung sollte es auch konkreti-         dies notwendig ist, sind diese da-
                        siert werden.                                   her von den allgemeinen Regeln
                                                                        des Binnenmarktes auszunehmen.
Wie die momentane       Im Zusammenhang mit der Konsoli-
Krise verdeutlicht,     dierung und den Ungleichgewichten           •   Wie die momentane Krise verdeut-
kann eine offene        in der Eurozone verweisen wir auf eine          licht, kann eine offene Marktwirt-
Marktwirtschaft nur     interessante Studie des Instituts für Ma-       schaft nur dann langfristig aufrecht
dann langfristig auf-   kroökonomie. Die Studie kommt zum               erhalten werden, wenn sie in eine
recht erhalten wer-     Ergebnis, dass eine alternative Strate-         soziale Dimension eingebettet ist.
den, wenn sie in eine   gie – basierend auf einem Ausgleich             Denn der Binnenmarkt ist kein Ziel
soziale Dimension       der strukturellen Ungleichgewichte              an sich, sondern ein Mittel zur Er-
eingebettet ist.        durch eine schwächere Konsolidierung            reichung von sozialem Fortschritt.
                        in den Überschussländern und eine               Dieser wird durch ein hohes Maß
                        stärkere gesamteuropäische Nachfra-             des Schutzes der Arbeiterneh-
                        georientierung – nicht nur positiv für          merInnen, der VerbraucherInnen
                        Wachstum, Beschäftigung und Einkom-             und der Umwelt gewährleistet und
                        men der ArbeitnehmerInnen ist, son-             zielt auf Vollbeschäftigung. Die
                        dern wahrscheinlich auch die einzige            Binnenmarktpolitik der nächsten
                        Chance darstellt, die Währungsunion             Jahre muss daher den Kampf
                        zu retten.                                      gegen Sozial- und Lohndumping
                                                                        in den Mittelpunkt stellen und
                        ad) Leitlinie 6: Verbesserung der Rah-          den sozialen Grundrechten zum
                        menbedingungen für Unternehmen                  Durchbruch verhelfen. Es gilt den
                        und Verbraucher und Modernisierung              unfairen Wettbewerb um die
                        der industriellen Basis                         niedrigsten Schutz- und Steuer-
                                                                        standards zu beenden. Davon
                        In der Leitlinie werden erneut die klas-        profitieren nicht nur die Arbeitneh-
                        sischen Argumente angeführt, die auf            merInnen und VerbraucherInnen
                        die „Segnungen des Wettbewerbs“                 sondern auch die europäischen
                        abzielen. Da aus unserer Sicht we-              Unternehmen: Auf der Grundlage
                        sentliche Aspekte für die zukünftige            zunehmend vereinheitlichter Stan-
                        Binnenmarktpolitik ausgeklammert                dards im Bereich Arbeit, Soziales,
                        werden und insbesondere die soziale             Konsumentenschutz und Umwelt

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verlagert sich der Wettbewerb auf      Frauen und Männer auf 75% bis zum
                      Innovation, Kreativität und nach-      Jahr 2020 ist grundsätzlich unterstüt-
                      haltiges Wirtschaften.                 zenswert, es fehlen jedoch weitere
                                                             Ziele. Im dritten Absatz wird zwar die
                  •   Bei der Verbesserung der Rah-          Erhöhung der Beschäftigungsquoten,
                      menbedingungen für Unterneh-           insbesondere bei Jugendlichen, älteren
                      men muss sichergestellt werden,        Arbeitskräften und Frauen angespro-
                      dass sich dadurch keine negativen      chen, konkrete Ziele auf europäischer
                      Auswirkungen auf Arbeitnehmer-         Ebene sind jedoch nicht vorgesehen.
                      Innen und VerbraucherInnen erge-       Das bedeutet aus unserer Sicht eine
                      ben. Der Hinweis auf die „Initiative   merkliche Schwächung des europä-
                      für kleinere und mittlere Unterneh-    ischen Ansatzes.
                      men in Europa“ sollte gestrichen
                      werden.                                Wir vermissen zudem das Bekenntnis
                                                             zum Ziel der Vollbeschäftigung und
                  •   Es muss sichergestellt werden,         schlagen folgende Formulierung vor,
                      dass die Mitbestimmung der Ar-         die sich auf eine Schlussfolgerung
                      beitnehmerInnen und der Schutz         des Europäischen Rates stützen kann:
                      der GläubigerInnen nicht durch         „Vollbeschäftigung in der Europäischen
                      neue Gesellschaftsformen unter-        Union ist das Kernstück der EU-2020-
                      laufen wird. Streng gilt es gegen      Strategie und das Hauptziel der Wirt-
                      Briefkastenfirmen vorzugehen, die      schafts- und Sozialpolitik; hierfür müs-
                      aus dem alleinigen Grund Steuern       sen mehr und bessere Arbeitsplätze
                      zu sparen oder geringere Regulati-     geschaffen werden .“
                      onsstandards für sich in Anspruch
                      zu nehmen, ihren Sitz in einen         Im ersten Absatz sollte in Bezug auf „...
                      anderen Mitgliedstaat verlagern.       angemessenen Systemen der sozialen
                                                             Sicherung zur Absicherung beruflicher
                  •   Die das öffentliche Auftragswesen      Übergänge“ deutlich zum Ausdruck
                      kennzeichnenden Grundsätze von         gebracht werden, dass es um die
                      offenen Märkten, Transparenz und       Abfederung der sozialen Kosten von
                      wirksamem Wettbewerb sollten           Übergängen in einem Arbeitsleben
                      verstärkt durch sozial- und um-        geht und nicht nur um Anreize zur
                      weltpolitische Vergabekriterien        aktiven Arbeitssuche. Der Satzteil ab
                      ergänzt werden. Darüber hinaus         „...ergänzt um eine eindeutige Fest-
                      sollte das öffentliche Auftragswe-     legung der Rechte der Arbeitslosen“
                      sen Innovationsanreize bieten.         sollte daher gestrichen werden, bzw
                                                             zum Ausdruck gebracht werden, dass
                  ad) Leitlinie 7: Erhöhung der Beschäf-     die Aktivierung zur Arbeitsuche vor
                  tigungsquote und Abbau der struktu-        allem durch die Zurverfügungstellung
                  rellen Arbeitslosigkeit                    von leistungsfähigen Dienstleistungen
                                                             des Arbeitsmarktservice gewährleistet
                  Das EU-Ziel der Erhöhung der Beschäf-      werden sollte und weniger durch so
                  tigungsquote der 20- bis 64jährigen        genannte „Anreize“ bei den Arbeitslo-
                                                             senunterstützungen.

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Im zweiten Absatz sollten Maßnahmen          frastruktur angeregt werden. So könn-
                          zum Abbau der geschlechtsspezifi-            ten Regionalfonds und der Agrarfonds
                          schen Segmentierung des Arbeits-             Mittel für die Herstellung der Infrastruk-
                          marktes explizit erwähnt werden, dh es       tur bereitstellen, Personal könnte aus
                          sollen Maßnahmen gegen die Domi-             dem ESF gefördert werden.
                          nanz von Frauen in schlechtbezahlten
                          Berufen (zB durch gendersensible Be-         Wichtig wäre auch, nicht nur auf die
                          rufsorientierung, Förderung von Ausbil-      Notwendigkeit von Maßnahmen zur
                          dungen in nicht-traditionellen Berufen)      gleichen Entlohnung hinzuweisen, son-
                          und zur Verbesserung der beruflichen         dern zielführende Maßnahmen, wie zB
                          Position von Frauen (zB betriebliche         Einkommensberichte, anzuregen: Wie
                          Karriereförderung von Frauen, Förde-         das best practice Beispiel Schweden
                          rung von Frauen in Führungspositio-          zeigt, sind Berichte über die Einkom-
                          nen) eingefordert werden.                    menssituation von Frauen und Män-
                                                                       nern auf betrieblicher Ebene ein gutes
                          Im dritten Absatz sollte nicht nur auf       Instrument für mehr Transparenz. Sie
                          die Notwendigkeit der Schaffung von          tragen dazu bei, ungerechtfertigte
                          erschwinglichen Betreuungsmöglich-           Lohnunterschiede offenzulegen und
                          keiten zur Erhöhung der Beschäfti-           auszugleichen. Diese Berichte dienen
                          gungsquoten von Frauen hingewiesen           nicht nur der Erhebung der Fakten,
                          werden, sondern auch, dass es um die         sondern setzen bei den Verantwortli-
                          Schaffung von qualitativ hochwertigen        chen auch einen Prozess der Ausein-
                          Betreuungsmöglichkeiten geht und             andersetzung in Gang.
                          Väterbeteiligung an der Betreuung
                          gefördert werden soll. Gute Kinder-          Darüber hinaus vermissen wir in der
                          betreuung ist eine der wichtigsten           Leitlinie jede Aussage zur Gestaltung
                          Maßnahmen für die Gleichstellung von         der Arbeitszeit, etwa Zurückdrängung
                          Frauen und Männern. Die EU hat mit           exzessiver Überstundenarbeit (allein
                          den Barcelona-Zielen von 33% Betreu-         in Österreich werden jährlich unbe-
                          ungsquote für unter 3-Jährige und 90%        zahlte Überstunden im Ausmaß von
                          Betreuungsquote für die Kinder zwi-          bis zu 60.000 Vollzeitjobs geleistet)
                          schen 3 Jahren und Schuleintritt kon-        als Instrument zur besseren Vertei-
                          krete Zielvorgaben bis 2010 vorgelegt.       lung des Arbeitsvolumens sowie zur
                          Jedoch haben 18 der 27 EU-Mitglied-          Notwendigkeit einer generellen Ar-
                          staaten das Ziel für die Kleinkinder         beitszeitverkürzung. Gerade die Krise
                          zum Teil deutlich nicht erreicht, 17 Staa-   hat gezeigt, dass die Verkürzung der
                          ten erreichen die Quote bei den Kin-         Arbeitszeiten einen massiven Anstieg
Die AK ist für eine       dergartenkindern nicht. Das Monitoring       der Arbeitslosigkeit verhindern kann.
europäisch koordinier-    hinsichtlich der Erreichung dieser Ziele     Für eine europäisch koordinierte Politik
te Politik der Arbeits-   sollte daher jedenfalls weitergeführt        der Arbeitszeitverkürzung sprechen
zeitverkürzung.           werden. Es sollte auch die Nutzung von       zwei Argumente: Ersten wird es noch
                          EU-Mitteln für den Ausbau von qualita-       lange dauern, bis das Vorkrisen-Wirt-
                          tiv hochwertiger Kinderbetreuungsin-         schaftsniveau wieder erreicht ist. Und

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zweitens wird der technische Fortschritt    Erwerbslebens mit einem neu erlernten
                  auch in dieser Zeit weiter voranschrei-     Beruf neu anzufangen) ganz wichtig.
                  ten. Vor der Wahl stehend, entweder         Derartige Hinweise fehlen derzeit.
                  weniger Beschäftigte oder weniger
                  Arbeitsstunden je Beschäftigtem sollte      Ebenso gilt es, Maßnahmen gegen
                  Europa die letztere Option bevorzugen.      geschlechtsspezifische Segmentierung
                  Wir schlagen daher folgende Formulie-       beim Zugang zu einer hochwertigen
                  rung vor: „Zur Erhöhung der Erwerbs-        beruflichen Aus- und Weiterbildung
                  beteiligung sollten auch intelligente       (zB durch Maßnahmen einer gender-
                  Maßnahmen zu einer besseren Vertei-         sensiblen Ausbildungs- und Berufs-
                  lung der Arbeit geprüft werden.“            orientierung) anzuführen. Dies wäre
                                                              ebenso bei „Leitlinie 9: Steigerung der
                                                              Leistungsfähigkeit der allgemeinen
                  ad) Leitlinie 8: Heranbildung von Ar-
                                                              und beruflichen Bildungssysteme auf
                  beitskräften, deren Qualifikationen
                                                              allen Ebenen und Verbesserung des
                  den Anforderungen des Arbeits-
                                                              Zugangs zur Hochschulbildung“ zu
                  marktes entsprechen, Förderung der
                                                              berücksichtigen.
                  Arbeitsplatzqualität und des lebens-
                  langen Lernens
                                                              ad) Leitlinie 10: Bekämpfung von
                  Insgesamt ist das Thema „Arbeits-           gesellschaftlicher Ausgrenzung und
                  platzqualität“ in dieser Leitlinie mehr     Armut
                  als unterbelichtet: Keine Aussagen
                  zu menschenwürdiger Arbeit, fairen          Die AK begrüßt ausdrücklich eine eige-
                  Einkommen oder Gesundheitsschutz.           ne Leitlinie zur Bekämpfung von gesell-
                  Dabei sind gerade diese Aspekte für         schaftlicher Ausgrenzung und Armut.
                  eine ausgewogene Flexicurity-Strate-        Angesichts der aktuellen gesellschaftli-
                  gie von zentraler Bedeutung und sind        chen Entwicklung, die einerseits durch
                  unverzichtbare Elemente einer Politik,      zunehmende Erwerbslosigkeit, Verar-
                  die flexible und reaktionsfähige interne    mung und Versorgungsdefizite sozial-
                  und externe Arbeitsmärkte realisieren       staatlicher Leistungssysteme und an-
                  helfen will.                                dererseits durch soziale Veränderun-
                                                              gen in den Partnerschaftsbeziehungen
                  Aus unserer Sicht ist der Aspekt der        und Familienformen geprägt ist und
                  Gesundheitsförderung von Arbeitneh-         somit beträchtliche Konsequenzen für
                  merInnen (sei es während der Beschäf-       materielle und soziale Teilhabechan-
                  tigung oder während Arbeitslosenpe-         cen zeitigt, bedarf es entsprechender
                  rioden) und der betrieblichen Wieder-       Instrumente, um diesen Phänomenen
                  eingliederung von ArbeitnehmerInnen         entgegenzuwirken bzw die daraus re-
                  nach langen Krankenständen oder             sultierenden Folgen für die Betroffenen
                  nach beruflicher Rehabilitation wegen       zumindest abzufedern.
                  massiver gesundheitlicher Beeinträch-
                  tigungen (was ja nichts anderes be-         Eine klarere Passage zur Integration
                  deutet, als in der Regel in der Mitte des   von Personen mit Migrationshinter-

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grund in Gesellschaft und Arbeits-         der im EU-weiten Vergleich niedrigen
                      markt als ein wichtiges Thema zur          Nettoersatzrate und der steigenden
                      Gewährleistung gesellschaftlichen          Arbeitslosigkeit eine Erhöhung der
                      Zusammenhaltes in der EU wäre wün-         Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld
                      schenswert. Hier geht es um deutlich       notwendig, um zu verhindern, dass
                      mehr als um die Gewährleistung von         Arbeitslosigkeit mit Armut einhergeht.
                      Einkommenssicherheit in Situationen        In einem ersten Schritt sollte diese auf
                      des beruflichen Übergangs. Auch sollte     60% erhöht werden. Abschließend
                      darauf hingewiesen werden, dass die        bedarf es einer Gesetzesänderung im
                      wachsende Gruppe der „working poor“        Bereich der Notstandshilfe, wonach
                      besondere Aufmerksamkeit erfordert.        das PartnerIneinkommen in Hinkunft
                                                                 nicht mehr zur Anrechnung gelangt.
                      Eine ehrgeizige EU-Vorgabe ist sinnvoll,
                      weil gerade in diesem Bereich in den
                      meisten EU-Staaten ein enormer Hand-
                      lungsbedarf gegeben ist. Für Öster-
                      reich, das aktuell ca 1,2 Mio armutsge-
                      fährdete Personen aufweist, bedeutet
                      dies – in Übereinstimmung mit dem in
                      der Leitlinie 10 festgehaltenem Kernziel
                      – als quantifizierbares Ziel eine Reduk-
                      tion der armutsgefährdeten Personen
                      um ca 300.000 bis 2020, was einer
                      jährlichen Senkung um 30.000 Betrof-
                      fenen entspricht.

                      Zur Zielerreichung ist die Einführung
                      der Bedarfsorientierten Mindestsiche-
                      rung in Österreich mit 01.09.2010 ein
                      erster wesentlicher Schritt zur Armuts-
                      verringerung, wobei es jedoch noch
                      weiterer Schritte zur Anpassung an der
                      von EU SILC festgesetzten Armutsge-
                      fährdungsgrenze bedarf.
Ein weiterer we-
                      Ein weiterer wesentlicher Beitrag zur
sentlicher Beitrag
                      Bekämpfung der Armutsgefährdung
zur Bekämpfung der
                      ist die Anhebung und Durchsetzung
Armutsgefährdung
                      der Mindestlöhne in Österreich, die
ist die Anhebung
                      netto mindestens die Armutsgefähr-
und Durchsetzung
                      dungsschwelle zu erreichen haben
der Mindestlöhne in
                      und zwischen den Sozialpartnern zu
Österreich.
                      vereinbaren sind. Zudem ist angesichts

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Für weitere Fragen steht Ihnen gerne zur
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                                                             Herr Norbert Templ
                                                             (Experte der AK Wien)
                                                             T +43 (0) 1 501 65 2158
                                                             norbert.templ@akwien.at

                                                             sowie

                                                             Herr Christof Cesnovar
                                                             (in unserem Brüsseler Büro)
                                                             T +32 (0) 2 230 62 54
                                                             christof.cesnovar@akeuropa.eu

                                                             Bundesarbeitskammer Österreich
                                                             Prinz-Eugen-Strasse, 20-22
                                                             A-1040 Wien, Österreich
                                                             T +43 (0) 1 501 65-0
                                                             F +43 (0) 1 501 65-0

                                                             AK EUROPA
                                                             Ständige Vertretung Österreichs bei der EU
                                                             Avenue de Cortenbergh, 30
                                                             B-1040 Brüssel, Belgien
                                                             T +32 (0) 2 230 62 54
                                                             F +32 (0) 2 230 29 73

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