Evaluation und Förderung von ökologischen Facetten einer Nachhaltigkeitskompetenz bei Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I - Zeitschrift ...

 
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– Originalbeitrag –

             Evaluation und Förderung von ökologischen Facetten einer
            Nachhaltigkeitskompetenz bei Schülerinnen und Schülern der
                                 Sekundarstufe I

     Evaluating and fostering ecological aspects of a sustainability competence among
                                   secondary students

                                       Tobias Hoppe und Werner Rieß
                                            Pädagogische Hochschule Freiburg,
                                           Institut für Biologie und ihre Didaktik

                                                  ZUSAMMENFASSUNG
Um globalen Herausforderungen wie der ökologischen Krise zu begegnen und an einer nachhaltigen Entwicklung mitzuwirken,
benötigen Lernende ein grundlegendes Verständnis ökologischer Prinzipien und Wirkungszusammenhänge. Im Unterrichts-
fach Biologie sollen hierfür wesentliche ökologische Konzepte vermittelt werden. Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass Lernende
trotz oft vorausgegangenem Unterricht häufig Schwierigkeiten haben, relevante Aspekte wie z. B. die essentielle Bedeutung
von Pflanzen in Ökosystemen angemessen einzuschätzen. Es stellt sich die Frage, wie sich bei Lernenden das Verständnis
ökologischer Konzepte entwickelt und wie es wirksam gefördert werden kann. Zur Beantwortung dieser Fragen wurden im
Rahmen einer Querschnittstudie Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I aus unterschiedlichen Klassenstufen zu ihren
Vorstellungen und Denkmustern zu wesentlichen ökologischen Konzepten befragt (N = 294). Darüber hinaus wurden im Rah-
men einer Wirksamkeitsstudie die Effekte eines Waldschulheimaufenthalts auf die Entwicklung eines Verständnisses der Be-
deutung von Pflanzen und von Prozessen der Stoffzersetzung getestet (N = 52). Es zeigte sich u. a., dass sich die Vorstellungen
der Lernenden zur Stoffzersetzung im Laufe der Sekundarstufe I deutlich in Richtung fachlich gültiger Vorstellungen verän-
derten. Durch den Waldschulheimaufenthalt konnten lediglich einzelne Aspekte gefördert werden, z. B. die Artenkenntnis von
Pflanzen des Waldes. Die Ergebnisse werden in Hinblick auf die Wirkung von Biologieunterricht und die Entwicklung von
Lernangeboten hinsichtlich der Förderung nachhaltigkeitsrelevanten ökologischen Wissens diskutiert.
Schlüsselwörter: Nachhaltigkeitskompetenz, plant blindness, Stoffzersetzung, Schülervorstellungen, Interesse, Biologieunter-
richt, außerschulisches Lernen, Sekundarstufe I

                                                         ABSTRACT
Learners need a substantial understanding of ecological principles and interdependencies in order to encounter global chal-
lenges such as the ecological crisis. Basic ecological concepts make up common contents in biology lessons. At the same time,
learners seem to experience difficulties acquiring relevant aspects such as, for example, plants’ essential role within ecosystems.
Within the scope of a cross-sectional study, we asked secondary students from different grades about their conceptions and
thinking patterns about basic ecological concepts (N = 294). For example, we found that students seem to reconstruct their
intuitive conceptions about material cycles towards valid scientific conceptions in the course of the secondary school. Further,
we examined the effects of a stay in a forest-based, extra-curricular learning center on the development of an understanding of
plants’ role in ecosystems as well as an understanding of decompositions processes (N = 52). While students’ understanding of
decomposition processes improved in the course of secondary school, through these extra-curricular learning activities only
the knowledge of plant species could be fostered substantially. The results of this study are discussed considering the effects
of biology lessons as well as the development of adequate interventions.
Key words: sustainability competence, plant blindness, biological decomposition, student conceptions, interest, biology edu-
cation, extracurricular learning, secondary education

                                                                                                                               27
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1 Einleitung                                                  ständnisses zu rekonstruieren (Gropengießer & Ma-
                                                              rohn, 2018). Um Aufschluss darüber zu erhalten, ob im
Um Personen zu ermöglichen, globalen Herausforde-             Rahmen der Entwicklung bestimmter Wissensfacetten
rungen wie der ökologischen Krise zu begegnen, benö-          von Nachhaltigkeitskompetenz entscheidende ökologi-
tigen diese ein grundlegendes Verständnis der Zusam-          sche Kenntnisse im Biologieunterricht angeeignet wer-
menhänge in Ökosystemen. Dazu zählen wichtige öko-            den, sind in der vorliegenden Untersuchung Schülerin-
logische Konzepte wie Stoffkreisläufe, Energieflüsse          nen und Schüler unterschiedlicher Klassenstufen der
und Nahrungsnetze (Cherrett, 1990), aber auch das Er-         Sekundarstufe I aufbauend auf Befunden der Schüler-
kennen der herausragenden Bedeutung von Pflanzen in           vorstellungsforschung nach ihren Vorstellungen zu
Ökosystemen (z. B. Jose, Wu & Kamoun, 2019). In Bil-          nachhaltigkeitsrelevanten ökologischen Aspekten be-
dungsstandards, Lehr-, Rahmen- und Bildungsplänen             fragt worden. Die Vorstellungen der Schülerinnen und
wird entsprechend gefordert, dass Schülerinnen und            Schüler wurden vor dem Hintergrund fachlich gültiger
Schüler befähigt werden auf lokaler und globaler Ebene        Perspektiven bewertet, um deren Nähe bzw. Distanz zu
einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung zu            fachlich gültigen Konzepten einzuschätzen. Darüber
leisten (vgl. z. B. Leitperspektive BNE in den Bildungs-      hinaus stellt sich die Frage, welche spezifischen Förder-
plänen 2016 für Baden-Württemberg; Rieß, 2010). Die           maßnahmen eine Aneignung relevanter ökologischer
hierfür notwendige Gesamtheit an kognitiven Fähigkei-         Kenntnisse begünstigen. Hier wurde die Wirkung eines
ten sowie damit verbundene motivationale, volitionale         mehrtägigen Waldschulheimaufenthalts als eine Form
und soziale Bereitschaften zum Lösen nachhaltigkeits-         außerschulischen Lernens getestet. Neben bestimmten
relevanter Probleme und Gestalten einer nachhaltigen          Wissensaspekten wurde jeweils auch das Interesse der
Entwicklung wird als Nachhaltigkeitskompetenz be-             Lernenden an entsprechenden Themen berücksichtigt.
zeichnet (vgl. Rieß, Mischo & Waltner, 2018; Waltner,         Die Ergebnisse der Untersuchung können dazu dienen,
Rieß & Mischo, 2019). Dabei kann zwischen einer ba-           den Lernerfolg – hier bezogen auf die untersuchten As-
salen fächerübergreifenden und einer basalen fachspe-         pekte – sowohl im Biologieunterricht allgemein als
zifischen Nachhaltigkeitskompetenz unterschieden              auch ausgehend von spezifischen Interventionen einzu-
werden, die im Lauf der Schulzeit gefördert werden            schätzen und didaktische Konsequenzen bzw. unter-
können und verschiedene Facetten umfassen (bspw.              richtliche Interventionen abzuleiten.
Wissen, Kenntnisse, Einstellungen, Verhaltensbereit-
schaften). Die Entwicklung von Nachhaltigkeitskompe-          2 Theoretischer Hintergrund und
tenz trägt wesentlich dazu bei, dass wichtige                 Stand der Forschung
Sustainable Development Goals mit ökologischem Fo-
kus (z. B. Ziel 13: Klimaschutz – Umgehend Maßnah-            2.1 Schülervorstellungen zu ökologischen Themen
men zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner                Um Zusammenhänge in Ökosystemen zu verstehen,
Auswirkungen ergreifen, Ziel 15: Leben an Land –              muss die Funktion und Bedeutung von Pflanzen für den
Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre            Energiefluss und die Stoffkreisläufe in Ökosystemen
nachhaltige Nutzung fördern […]) erreicht werden kön-         grundlegend berücksichtigt werden (Jose et al., 2019).
nen (Rieckmann, 2018).                                        Die Wahrnehmung von Pflanzen steht jedoch häufig in
Dem Unterrichtsfach Biologie kommt für die Aneig-             einem eklatanten Kontrast zu ihrer Bedeutung in Öko-
nung ökologischer Kenntnisse eine entscheidende Rolle         systemen und letztlich auch für den Menschen (Ham-
zu: Die o. g. ökologischen Konzepte sind in den Curri-        mann & Asshoff, 2015). Viele Menschen beachten
cula des Faches aufgeführt und sollen an die Lernenden        Pflanzen in ihrer Umgebung nicht oder kaum (Jose et
vermittelt werden (Rieß et al., 2018). Um wesentliche         al., 2019; Schneekloth, 1989; Wandersee & Schussler,
ökologische Kenntnisse zu vermitteln, wird im Biolo-          1999). Wandersee und Schussler (1999) bezeichnen
gieunterricht häufig in exemplarischer Form das Öko-          dieses Phänomen als plant blindness. Pany (2014)
system Wald thematisiert (Hammann & Asshoff, 2015).           konnte zudem zeigen, dass es vielen Lernenden beson-
Grundlegend soll den Lernenden durch den Unterricht           dere Schwierigkeiten bereitet, ein Verständnis für die
ermöglicht werden, ihre bereits vorhandenen, oft fach-        Bedeutung von Pflanzen in Ökosystemen zu entwi-
lich unzureichenden Vorstellungen zu ökologischen             ckeln. Wandersee und Schussler (1999) stellten fest,
Konzepten in Richtung eines fachlich gültigen Ver-            dass Lernende ein geringeres Interesse an Pflanzen hat-

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ten als an Tieren und zudem weniger über Pflanzen             wicklung nachhaltigkeitsrelevanter Kompetenzen
wussten. In einer Untersuchung von Strommen (1995)            führte Baisch (2009) eine Untersuchung mit Grund-
zeigte sich, dass Schülerinnen und Schüler der vierten        schülerinnen und -schülern durch. Für die Vorstellun-
Klassenstufe wesentlich mehr Tierarten als Pflanzenar-        gen von Verrottungsvorgängen organischer Materialien
ten benennen konnten.                                         konnte sie beispielsweise zeigen, dass Beschreibungen
Für die Entstehung von plant blindness werden unter-          sinnlich wahrnehmbarer Veränderungen des Aussehens
schiedliche Gründe angenommen. Wandersee und                  bzw. der Stabilität von Stoffen dominieren. Auch struk-
Schussler (2001) vermuteten beispielsweise, dass              turelle Veränderungen von Materialien (z. B. sie wer-
Pflanzen aufgrund ihrer sichtbaren Eigenschaften (z. B.       den zu Erde) wurden von den Lernenden beschrieben.
überlappende, ähnlich gefärbte Blätter von nebeneinan-        Erde oder Humus wurde dabei häufig als Endprodukt
derstehenden Pflanzen) als Gruppe und nicht als indivi-       der Zersetzung betrachtet. Als Ursachen für Zerset-
duelle Pflanzen wahrgenommen werden. Neben Wahr-              zungsprozesse wurden zwar eine Reihe von biologi-
nehmungsgewohnheiten wird als Ursache für die Ent-            schen Faktoren benannt, jedoch schien es den Lernen-
stehung von plant blindness auch der Zoochauvinismus          den schwer zu fallen, einzelne Faktoren miteinander in
angeführt (Allen, 2003). Für den Biologieunterricht be-       Beziehung zu setzen und Zersetzungsprozesse zyklisch
schreibt der Zoochauvinismus das Phänomen, dass zur           zu verstehen. Die Ergebnisse von Baisch decken sich
exemplarischen Beschreibung biologischer Basiskon-            weitgehend mit vorausgehenden Erhebungen von Schü-
zepte in erster Linie Tiere verwendet werden und Pflan-       lervorstellungen zu Stoffkreisläufen bzw. zur biologi-
zen von daher als weniger relevant betrachtet werden          schen Zersetzung bei Schülerinnen und Schüler sowohl
(Bozniak, 1994; Hershey, 1996; Link-Pérez, Dollo,             der Primar- als auch der Sekundarstufe (Hilge, 1999;
Weber & Schussler, 2010). Allen (2003) weist zudem            Leach, Driver, Scott & Wood‐Robinson, 1996; Smith &
darauf hin, dass möglicherweise ein direkter Kontakt zu       Anderson, 1984). Leach et al. (1996) stellten fest, dass
den Pflanzen als Lerngegenständen zu einer Überwin-           sich bestimmte Vorstellungen über Zersetzungspro-
dung von plant blindness beitragen kann. Die unter-           zesse zwar in allen untersuchten Altersstufen finden,
schiedlichen Facetten der plant blindness (z. B. unzu-        bestimmte Aspekte (wie die Bedeutung von Mikroorga-
reichendes Verständnis hinsichtlich der Bedeutung von         nismen) aber in höheren Altersstufen eher erkannt wer-
Pflanzen in Ökosystemen, geringeres Interesse an              den als in niedrigeren Altersstufen. Die Schwierigkeiten
Pflanzen im Vergleich zu Tieren) als Denkrahmen               von Lernenden, ein fachlich angemessenes Verständnis
(Schecker & Duit, 2018) bzw. Schülervorstellung               von Stoffkreisläufen zu entwickeln, führte Helldén
(Hammann & Asshoff, 2015) wurden in verschiedenen             (1995) in erster Linie darauf zurück, dass die unterlie-
Kontexten erforscht und diskutiert wurden. Dabei bleibt       genden Prozesse letztlich nicht beobachtbar sind (vgl.
weitgehend offen, wie sich Facetten einer plant blind-        auch Sander, Jelemenská & Kattmann, 2006). Über
ness bei Lernenden über verschiedene Altersstufen hin-        Wirkungen spezifischer Interventionen auf die Vorstel-
weg entwickeln und damit auch welche Wirkungen von            lungen von Lernenden zu Stoffkreisläufen ist bis
dem Biologieunterricht insbesondere der Sekundarstufe         auf wenige Ausnahmen (z. B. Baisch, 2009) wenig be-
I auf die plant blindness ausgehen. Es stellt sich bei-       kannt.
spielsweise die Frage, ob der Biologieunterricht eine         Die dargestellten Aspekte der Bedeutung von Pflanzen
sachlich angemessenere Wahrnehmung und Einschät-              konzeptualisiert als plant blindness (s. o.) sowie der bi-
zung der Bedeutung von Pflanzen in Ökosystemen so-            ologischen Zersetzung bilden die Zusammenhänge in
wie systemisches Denken bei Schülerinnen und Schü-            Ökosystemen nicht als Ganzes ab. Sie stellen aber mit
lern fördert (Rieß, Schuler & Hörsch, 2015; Schuler,          dem jeweiligen Fokus auf der Bedeutung der Produzen-
Fanta, Rosenkränzer & Rieß, 2017).                            ten bzw. Destruenten wesentliche Schlüsselkonzepte
Neben Vorstellungen und Denkmustern zur Bedeutung             dar, die ein umfassendes Verständnis der Zusammen-
von Pflanzen in Ökosystemen wurden etliche weitere            hänge in Ökosystemen bedingen (Cherrett, 1990; Urry,
nachhaltigkeitsrelevante Schülervorstellungen erhoben,        Cain, Wasserman, Minorsky & Reece, 2019).
beispielsweise zur Biodiversität (Menzel & Bögeholz,
2006) und zum Energiefluss (Opitz, Blankenstein &             2.2 Schülerinteresse an ökologischen Themen
Harms, 2017). Für Schülervorstellungen zum wichtigen          Die Entwicklung von Interesse wird als wesentliche Be-
Konzept der Stoffkreisläufe in Hinblick auf die Ent-          dingung gelingenden Lernens angesehen (z. B. Blan-

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kenburg & Scheersoi, 2018). Insofern spielt das Inte-         rend für unterschiedliche biologische Themen ge-
resse an nachhaltigkeitsrelevanten Themen für die För-        schlechtsspezifische Unterschiede im Interesse festge-
derung von Nachhaltigkeitskompetenz eine bedeutsame           stellt wurden (Holstermann & Bögeholz, 2007), scheint
Rolle (Rieß et al., 2018). Interesse kann beschrieben         das Interesse an Umweltthemen tendenziell ge-
werden als Beziehung einer Person zu einem Gegen-             schlechtsunspezifisch zu sein (Finke, 1998; Holster-
stand (Krapp, 1998, 2002). Ein hohes Interesse an ei-         mann & Bögeholz, 2007).
nem Gegenstandsbereich geht u. a. häufig mit der Be-
reitschaft einher, sich mit diesem Gegenstand vertieft        2.3 Möglichkeiten der Förderung von Kenntnissen
auseinanderzusetzen (Blankenburg & Scheersoi, 2018).          über und Interesse an ökologischen Themen
Insofern kann Interesse als einflussreiche, motivatio-        Um Schülerinnen und Schülern eine Rekonstruktion ih-
nale Bedingung für das schulische Lernen angesehen            rer Vorstellungen und Denkmuster zu nachhaltigkeits-
werden (Krapp, 1999). Für die Förderung von in unse-          relevanten Themen (z. B. Bedeutung von Pflanzen in
rem Kontext nachhaltigkeitsrelevanten Fachwissen gilt         Ökosystemen) zu ermöglichen, gilt es bei der Förde-
es entsprechend, die Interessen der Lernenden zu be-          rung sowohl kognitive als auch motivationale Aspekte
rücksichtigen bzw. eine Interessenentwicklung zu er-          (wie das Interesse, s. o.) zu berücksichtigen (Vogt,
möglichen.                                                    2007). Die bereits vorhandenen Vorstellungen bei den
Bei der Beschreibung von Interesse kann grundsätzlich         Schülerinnen und Schülern bilden dabei eine wesentli-
zwischen Fach- und Sachinteresse differenziert werden.        che Lernausgangslage (Schrenk et al., 2019). Bei der
Während das Fachinteresse das Interesse einer Person          Planung von Fördermaßnahmen ist entsprechend zu be-
an einem bestimmten Schulfach im Vergleich zu ande-           rücksichtigen, dass die Verarbeitung von neuen Lernan-
ren Schulfächern beschreibt, ist mit dem Sachinteresse        geboten grundsätzlich von den bereits vorhandenen
das Interesse an bestimmten Themen bzw. Kontexten             Schülervorstellungen beeinflusst wird (Schecker &
innerhalb einer fachlichen Domäne gemeint (Blanken-           Duit, 2018). Lernangebote sollten deswegen an den
burg & Scheersoi, 2018). Im Rahmen der Entwicklung            Schülervorstellungen anknüpfen (z. B. Kattmann,
von Nachhaltigkeitskompetenz sind spezifische The-            2015, 2017). Auch für die Förderung von Interesse ist
men aus unterschiedlichen Fachbereichen relevant              ein expliziter Bezug zu den bereits vorhandenen Vor-
(Rieß et al., 2018). Entsprechend ist in diesem Kontext       stellungen der Lernenden entscheidend (Gebhard,
in erster Linie das Sachinteresse an betreffenden             2013; Tessartz & Scheersoi, 2019). Darüber hinaus ha-
Themen (z. B. bezogen auf das Ökosystem Wald) rele-           ben sich für die Interessenförderung weitere Prinzipien
vant.                                                         bei der Gestaltung von Lernangeboten als wirksam er-
Allgemein hat sich für den Unterricht gezeigt, dass das       wiesen (vgl. zusammenfassend Gebhard, 2013; Vogt,
Interesse an naturwissenschaftlichen Themen abnimmt           2007). Beispielsweise sollte bei biologischen Themen
bzw. stagniert (Potvin & Hasni, 2014; Tessartz &              möglichst häufig ein Erleben der Natur ermöglicht wer-
Scheersoi, 2019). Ein mit der Klassenstufe abnehmen-          den (Allen, 2003; Janssen & Trommer, 1988).
des fachspezifisches Interesse zeigte sich über alle          Es ist theoretisch sehr plausibel, dass beispielsweise ein
Schulfächer hinweg (Daniels, 2008). Für das spezifi-          Anknüpfen an den Vorstellungen der Lernenden den
sche Interesse von Lernenden an Umweltthemen ist die          Lernerfolg wesentlich beeinflusst (Rath, 2017). Es gibt
Forschungslage weniger einheitlich. Das Sachinteresse         aber – abgesehen von wenigen Ausnahmen (z. B.
an Pflanzen in der Natur (s. o.) bzw. etwas allgemeiner       Baisch 2009) – kaum empirische Nachweise zur Wirk-
an Natur- und Umweltschutzthemen scheint bei Schü-            samkeit bestimmter Fördermaßnahmen auf die Rekon-
lerinnen und Schülern eher gering bis mittelmäßig aus-        struktion spezifischer Vorstellungen zu ökologischen
geprägt zu sein (Dietze, Gehlhaar & Klepel, 2005; Els-        Inhalten bei den Lernenden. Außerschulische Lernan-
ter, 2007; Löwe, 1992). Im Rahmen aktueller Shell-Ju-         gebote haben das Potenzial, sowohl die Aneignung von
gendstudien wurde dagegen eine wachsende Achtsam-             Wissen über biologische Zusammenhänge zu ermögli-
keit gegenüber ökologischen Fragen bei den Jugendli-          chen als auch speziell das Interesse von Lernenden zu
chen festgestellt (Schneekloth, 2015; Schneekloth &           fördern (Schmitt-Scheersoi & Vogt, 2005; Wilde & Ur-
Albert, 2019). Diese Beobachtung kann möglicher-              hahne, 2008). Zu den bevorzugten Themen außerschu-
weise als Hinweis auf ein tendenziell wachsendes Inte-        lischen Lernens zählen Natur und Umwelt (Mayer,
resse an ökologischen Fragen gedeutet werden. Wäh-            2013), weshalb außerschulisches Lernen auch bei Lern-

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zielen, die ökologische Zusammenhänge im Kontext              1. Wie entwickelt sich das Interesse am Ökosystem
nachhaltiger Entwicklung umfassen, als besonders an-          Wald bei Schülerinnen und Schülern im Laufe der Se-
gemessen erscheint. Als Lernorte kommen hier bspw.            kundarstufe I?
das Freiland, Umweltzentren oder Naturheime in Frage          2. Wie entwickelt sich das Verständnis der Bedeutung
(Mayer, 2013).                                                von Pflanzen in Ökosystemen unter besonderer Berück-
                                                              sichtigung des Phänomens plant blindness im Laufe der
3 Forschungsfragen                                            Sekundarstufe I?
                                                              3. Wie entwickelt sich das Verständnis der biologischen
Ausgehend von den vorgestellten theoretischen Überle-         Zersetzung im Laufe der Sekundarstufe I?
gungen und Forschungsständen soll untersucht werden,          Teilstudie 2: Wirkungen außerschulischen Lernens in
inwiefern Facetten einer Nachhaltigkeitskompetenz             einem Waldschulheim auf die Entwicklung spezifischer
durch den Biologieunterricht gefördert werden. Um             Facetten einer Nachhaltigkeitskompetenz im Rahmen
globalen Herausforderungen wie der ökologischen               einer Wirksamkeitsstudie
Krise zu begegnen, benötigen Lernende ein grundlegen-         4. Welche Wirkungen hat das außerschulische Lernen
des Verständnis der Zusammenhänge in Ökosystemen.             im Waldschulheim auf das Interesse am Ökosystem
Exemplarisch ausgewählt wurden für ein Verständnis            Wald?
dieser Zusammenhänge besonders relevante und auf der          5. Welche Wirkungen hat das außerschulische Lernen
Schülerseite in unterschiedlichen Studien erhobene            im Waldschulheim auf das Verständnis der Bedeutung
Teilaspekte: das Verständnis der Bedeutung von Pflan-         von Pflanzen in Ökosystemen unter besonderer Berück-
zen in Ökosystemen unter besonderer Berücksichtigung          sichtigung des Phänomens plant blindness?
des Phänomens der plant blindness sowie das Verständ-         6. Welche Wirkungen hat das außerschulische Lernen
nis der biologischen Zersetzung.                              im Waldschulheim auf das Verständnis der biologi-
Bei der Entwicklung von Nachhaltigkeitskompetenz              schen Zersetzung?
sind neben kognitiven Aspekten auch affektiv-motiva-
tionale Facetten bedeutsam. Insbesondere für den The-         4 Methode
menbereich der Pflanzen aber auch z. B. für Natur- und
Umweltschutzthemen konnte gezeigt werden, dass das            4.1 Die Studie
Interesse bei Schülerinnen und Schülern eher gering           Im Fokus der Studie steht die Evaluation und Förderung
ausgeprägt ist. Das Interesse gilt aber als einflussreiche    von Facetten einer Nachhaltigkeitskompetenz. In die-
motivationale Lernbedingung. Insofern erscheint es be-        sem Rahmen spielt ein Verständnis der komplexen Zu-
deutsam, bei der Förderung von Aspekten des Ver-              sammenhänge in Ökosystemen eine wesentliche Rolle
ständnisses von Ökosystemen auch das Interesse bei            (s. o.). Ausgewählt wurden exemplarisch die Aspekte
den Lernenden an entsprechenden Themen zu berück-             der Bedeutung von Pflanzen sowie das Schlüsselkon-
sichtigen. Es gilt zu klären, wie sich diese oben genann-     zept der biologischen Zersetzung. Um Aufschluss dar-
ten Faktoren (Aspekte des Verständnisses von Zusam-           über zu erhalten, wie sich das Interesse am Ökosystem
menhängen in Ökosystemen und Interesse an entspre-            Wald, das Verständnis der Bedeutung von Pflanzen in
chenden Themen) im Verlauf der Schulzeit (hier: Se-           Ökosystemen unter besonderer Berücksichtigung des
kundarstufe I) entwickeln. Wenn an bestimmten Stellen         Phänomens plant blindness sowie das Verständnis der
Defizite festgestellt werden, lassen sich ggfs. Schlüsse      biologischen Zersetzung im Verlauf der Sekundarstufe
ziehen auf Anknüpfungspunkte für eine gezielte Förde-         I entwickeln, wurden entsprechende Variablen im Rah-
rung. Darüber hinaus soll die Wirkung einer Förder-           men einer Querschnittsuntersuchung in verschiedenen
maßnahme (ein fünftägiger Waldschulheimaufenthalt)            Klassenstufen (5, 7, 9) der Sekundarstufe I mit Hilfe ei-
auf die Entwicklung der untersuchten Variablen getes-         nes Fragebogens erhoben. Zur Erfassung der Wirkun-
tet werden. Spezifisch wurden die folgenden Fragestel-        gen eines fünftägigen Waldschulheimaufenthalts auf
lungen im Rahmen von zwei Teilstudien untersucht:             das Interesse am Ökosystem Wald, die Artenkenntnis,
Teilstudie 1: Entwicklung spezifischer Facetten einer         das Verständnis der Bedeutung von Pflanzen sowie der
Nachhaltigkeitskompetenz im Laufe der Sekundarstufe           biologischen Zersetzung wurde eine Schulklasse (Real-
I (Klassenstufen 5, 7, 9) im Rahmen einer Querschnitt-        schule, Klassenstufe 7) vor und nach dem Waldschul-
studie                                                        heimaufenthalt getestet. Eine andere Klasse (gleiche

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Realschule, Klassenstufe 7) besuchte als Kontroll-            men (u. a. Pflanzen und Tiere des Waldes) mit Hilfe ei-
gruppe in dieser Zeit den regulären Unterricht an der         ner Skala bestehend aus 10 Items erhoben. Hier sollte
Schule. Themen, die das Ökosystem Wald betreffen,             das Interesse z. B. an den Tieren des Waldes auf einer
waren nicht Teil des Unterrichts.                             vierstufigen Likertskala (1 = stimme zu bis 4 = stimme
Zur Erfassung der oben genannten Aspekte (Interesse           nicht zu) eingeschätzt werden. Die Reliabilität betrug
am Ökosystem Wald, Verständnis der Bedeutung von              für die Einschätzung des Interesses an spezifischen
Pflanzen unter besonderer Berücksichtigung des Phäno-         Themen (10 Items) α = .74 und liegt damit in einem ak-
mens plant blindness etc.) wurde in den Klassen ein           zeptablen Bereich (Blanz, 2015).
Fragebogen ausgeteilt, vorgestellt und besprochen. Die        Nach der Artenkenntnis wurde mit Hilfe von zwei offe-
Klasse, welche an einem Waldschulheim teilgenommen            nen Aufgaben gefragt. Die Schülerinnen und Schüler
hatte sowie eine Kontrollgruppe (Klasse ohne Wald-            sollten auf die Frage „Welche Pflanzen (bzw. Tiere) des
schulheimaufenthalt) erhielten den Fragebogen an zwei         Waldes kennst du?“ antworten. Bei der Auswertung
Messzeitpunkten: eine Woche vor Beginn und am Ende            wurden für die korrekte Nennung einer Art oder Gat-
des Waldschulheimaufenthalts.                                 tung ein Punkt, für die Nennung größerer Gruppen
Neben Angaben zur Klassenstufe und zum Geschlecht             (bspw. Laubbäume, Nadelbäume) ein halber Punkt ver-
lässt sich der Fragebogen in vier Abschnitte einteilen:       geben.
Aufgaben zur Erfassung des Interesses am Thema                Um die Einschätzung der Bedeutung von Pflanzen im
Wald, Aufgaben zur Erfassung der Artenkenntnis sowie          Ökosystem Wald zu erfassen, wurde die Zuweisung ih-
Aufgaben zur Erfassung der Vorstellungen über die Be-         rer Bedeutung für andere Lebewesen (z. B. Herbivoren,
deutung von Pflanzen und sowie die biologische Zerset-        Carnivoren, Destruenten, Mensch, andere Pflanzen)
zung. Die Vorstellungen über die Bedeutung von Pflan-         über 5 Items erfasst (s. Abb. 1). Die Schülerinnen und
zen wurden als Aspekte von plant blindness konzeptu-          Schüler sollten auf einer Skala von 1-6 jeweils einschät-
alisiert. Berücksichtigt wurde das Interesse an Pflanzen      zen, wie wichtig Pflanzen des Waldes für bestimmte an-
im Vergleich zum Interesse an Tieren, die Artenkennt-         dere Lebewesen sind (1 = unwichtig bis 6 = ganz wich-
nis von Pflanzenarten des Waldes im Vergleich zur Ar-         tig). Die Reliabilität lag bei α = .66 und wird damit all-
tenkenntnis von Tierarten des Waldes sowie die Ein-           gemein als fragwürdig angesehen (Blanz, 2015). Im
schätzung der Bedeutung von Pflanzen für andere Le-           Kontext bedeutungsvollen Lernens (z. B. bei der Erfas-
bewesen. Die Erfassung der Schülerantworten erfolgte          sung von Wissen) sind niedrige Reliabilitätswerte je-
teils in einem offenen, teils in einem geschlossenen Mo-      doch zu erwarten und kommen häufig vor (Schmitt,
dus (s. Tabelle 1).                                           1996).
Zur Erfassung des Interesses am Thema Wald wurden             Die Erfassung des Verständnisses der biologischen Zer-
die Schülerinnen und Schüler zunächst gebeten auf ei-         setzung wurde über 8 offene und geschlossene Items re-
ner Skala von 1 (sehr groß) bis 6 (überhaupt nicht) ein-      alisiert. Die Formulierung der geschlossenen Items ori-
zuschätzen, wie interessant sie das Thema Wald grund-         entierte sich an bereits erhobenen Schülervorstellungen
sätzlich finden. Anschließend wurde ihr Interesse für         zur biologischen Zersetzung (z. B. Baisch, 2009; Leach
spezifische, mit dem Wald zusammenhängende The-               et al., 1996; s. Abb. 2). Die Bewertung der Aufgaben

Tabelle 1
Überblick über das Messinstrument
 Variablen                                              Messung & Items                                       α
 Interesse Wald (allgemein)                             1 Item (Bewertung 1-6)                                -
 Interesse Waldthemen                                   4-stufige Likert-Skala mit 10 Items                  .74
 Artenkenntnis Pflanzen                                 Offenes Antwortformat                                 -
 Artenkenntnis Tiere                                    Offenes Antwortformat                                 -
 Verständnis Bedeutung von Pflanzen                     6-stufige Likert-Skala mit 5 Items                   .66
 Verständnis Biologische Zersetzung                     8 offene und geschlossene Items                      .65

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  Wie wichtig sind die Pflanzen des Waldes für andere Lebewesen? Setze für jede der fünf genannten
  Gruppen ein Kreuz in das „Spinnennetz“. (von 1 = Pflanzen sind für diese Lebewesen ganz unwichtig bis
  6 = Pflanzen sind für diese Lebewesen ganz wichtig)

Abbildung 1. Beispielaufgabe zur Erfassung des Verständnisses der Bedeutung von Pflanzen in Ökosystemen

erfolgte über ein „partial-credit“-Modell (Hammann &          Zur Förderung der interessierenden Facetten von Nach-
Jördens, 2014). Je eher sich eine Vorstellung inhaltlich      haltigkeitskompetenz wurde eine außerschulische Lern-
in bedeutenden Aspekten der fachlich gültigen Vorstel-        gelegenheit in Form eines fünftägigen Waldschulheim-
lung annäherte, desto mehr Punkte wurden jeweils ver-         aufenthalts realisiert. Im Rahmen des Aufenthalts wur-
geben. Weil die Rohwerte für die einzelnen Aufgaben           den die Lerneinheiten der Schülerinnen und Schüler
unterschiedlich skaliert waren, wurden alle Einzelvari-       methodisch vielfältig umgesetzt. Dazu zählten Kurz-
ablen, für die eine einzige Skala des Verständnisses der      vorträge im Wald und in Schulungsräumen, eine Lehr-
biologischen Zersetzung gebildet werden sollten,              wanderung sowie eine Vogelexkursion, die praktische
z-standardisiert. Die Reliabilität der Skala betrug           Durchführung von Revierarbeiten, Lernspiele im Freien
α = .65. Die Reliabilität ist entsprechend als fragwürdig     zum Erwerb ökologischen Wissens, ein Besuch im Sä-
einzustufen (s. o.).                                          gewerk sowie die Teilnahme an einer Waldrallye.

Abbildung 2. Beispielaufgabe zur Erfassung des Verständnisses der biologischen Zersetzung

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Inhaltlich orientierten sich die Lerneinheiten an wesent-     Rund 90 Prozent (absolut: 263) waren auf der Real-
lichen Bildungsinhalten zum Thema Wald als Ökosys-            schule, 6 Prozent (absolut: 18) auf der Gemeinschafts-
tem, u. a. Pflanzen- und Tierarten im Wald, Waldboden,        schule und 4 Prozent (absolut: 13) auf einer Haupt- und
Bewirtschaftung, Nahrungsnetze und Stoffkreisläufe.           Werkrealschule. 128 (43.5 Prozent) der Schülerinnen
Zusätzlich konnten die Schülerinnen und Schüler an er-        und Schüler besuchten die Klassenstufe 5, 114 (38.8
lebnispädagogischen, waldbezogenen Aktivitäten (z. B.         Prozent) die Klassenstufe 7 und 52 (17.7 Prozent) die
Baumklettern) teilnehmen. Die Kontrollgruppe erhielt          Klassenstufe 9. Die Schulen sowie Lehrerinnen und
keine themenspezifischen Fördermaßnahmen und nahm             Lehrer wurden im Rahmen eines Kompaktseminars so-
am normalen Schulunterricht teil. Die Mitarbeiterinnen        wie im Rahmen von Masterarbeiten von Lehramtsstu-
und Mitarbeiter des Waldschulheims wurden im Vor-             dierenden des Unterrichtsfachs Biologie in verschiede-
feld des Aufenthaltes darüber informiert, dass in             nen Regionen Baden-Württembergs angefragt und um
dem eingesetzten Fragebogen die Bedeutung von Pflan-          Teilnahme gebeten.
zen und die biologische Zersetzung thematisiert wer-          An der Wirksamkeitsstudie nahmen 52 Schülerinnen
den.                                                          und Schüler aus zwei 7. Klassen einer großstädtischen
                                                              Realschule teil. Die Klasse, welche an dem fünftägigen
4.4 Die Stichprobe                                            Waldschulheimaufenthalt teilnahm (= Experimental-
An der Querschnittsuntersuchung nahmen insgesamt              gruppe) sowie die Kontrollgruppe bestand aus jeweils
294 Schülerinnen und Schüler von sieben weiterführen-         26 Schülerinnen und Schülern.
den Schulen (vor allem Realschulen) in 13 Klassen teil.
Von diesen Schülerinnen und Schülern waren 120 (45.3          5 Ergebnisse
Prozent) Jungen, 128 (43.5 Prozent) Mädchen. 17 (5.8
Prozent) Schülerinnen und Schüler wählten die Option          Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt entlang der For-
„Ich will keine Angaben machen“, bei 29 (9.9 Prozent)         schungsfragen. Die deskriptiven Daten sind in Tab. 1
Schülerinnen und Schülern fehlte eine Angabe zum Ge-          (Querschnittstudie) bzw. Tab. 2 (Wirksamkeitsstudie)
schlecht.                                                     zu finden. Um Entwicklungen von Interessen und Ver-

Tabelle 2
Skalenmittelwerte und Standardabweichungen der Ausprägungen der untersuchten Variablen in den unterschied-
lichen Klassenstufen
                                                          Klassenstufen
          Variablen                5 (n = 128)              7 (n = 114)                 9 (n = 52)
                                 M            SD          M            SD              M            SD
  Interesse Wald (allgemein)    2.32         1.19        2.81         1.07           3.04          0.89
  Interesse Waldthemen          2.00         0.53        2.12         0.54           2.30          0.48
  Interesse Pflanzen            1.94         0.99        2.12         0.91           2.21          0.85
  Interesse Tiere               1.44         0.73        1.64         0.77           1.62          0.63
  Artenkenntnis Pflanzen        1.99         1.69        3.72         2.57           3.53          3.19
  Artenkenntnis Tiere           6.54         3.32        7.96         4.36           8.07          4.11
  Bedeutung von Pflanzen        4.22         1.08        4.28         1.07           4.32          1.09
  Verständnis Zersetzung*       -0.23        0.39        0.12         0.54           0.36          0.63
Anmerkung. Bei den Interessenitems steht der Wert 1 für ein sehr hohes Interesse, der Wert 4 für ein sehr niedriges
Interesse. *Mittelwerte und Standardabweichungen vorher z-standardisiert.

ständnis über die Sekundarstufe I hinweg zu klären,           werden kann. Mithilfe von Kruskal-Wallis-Tests wurde
wurden Skalenmittelwerte für die Ergebnisse aller teil-       überprüft, ob im Verlauf der Sekundarstufe I eine signi-
nehmenden Lernenden gebildet, damit die Höhe des In-          fikante Entwicklung erzielt wurde. Durch Einzelver-
teresses bzw. die Güte des Verständnisses eingeschätzt        gleiche der verschiedenen Klassenstufen in Form von

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Mann-Whitney-Tests wurde überprüft, zwischen wel-             Bei einer Analyse der Ergebnisse für einzelne Items (s.
chen Klassenstufen die Unterschiede signifikant waren.        Tab. 1) über alle teilnehmenden Schülerinnen und
Um die Wirksamkeit des Waldschulheimaufenthalts               Schüler hinweg zeigte sich, dass das Interesse an Pflan-
einschätzen zu können, wurden Lernzuwächse von Prä-           zen (M = 2,06, SD = 0.94) unter dem Interesse an Tie-
zu Posttest für Experimental- und Kontrollgruppe be-          ren lag (M = 1.55; SD = 0.73). Die Unterschiede im In-
rechnet. Mit Hilfe von Wilcoxon-Vorzeichenrangtests           teresse der Lernenden an Pflanzen erwiesen sich als sig-
wurde festgestellt, ob Lernzuwächse signifikant waren.        nifikant niedriger als das Interesse an Tieren (p < .001).
Darüber hinaus wurden mit Hilfe von Mann-Whitney-             Bei Vergleichen des Interesses an Pflanzen zwischen
U-Tests die Ergebnisse zum Post-Test-Zeitpunkt vergli-        den Klassenstufen konnte festgestellt werden, dass
chen. Zur Testung wurden ausschließlich non-paramet-          das Interesse an Pflanzen tendenziell im Verlauf der Se-
rische Verfahren verwendet, die voraussetzungsarm             kundarstufe I abzunehmen scheint (s. Tab. 1). Ein
sind, also keine Annahmen über die Form der Vertei-           Kruskal-Wallis-Test zeigte, dass sich die einzelnen
lung in der Population oder die Varianzhomogenität            Klassenstufen in ihrem Interesse an Pflanzen je-
treffen. Die Entscheidung hierfür ist darin begründet,        doch nicht signifikant voneinander unterscheiden
dass infolge der kleinen Stichprobe der Wirksamkeits-         (p = .078). Das Interesse an Tieren nahm in den Klas-
studie (Waldschulheimaufenthalt, N = 52) mithilfe des         senstufen 7 und 9 signifikant ab im Vergleich zur Klas-
zentralen Grenzwertsatzes eine Normalverteilung nicht         senstufe 5 (p = .015), blieb jedoch über dem Interesse
zweifelsfrei bestimmt werden kann.                            an Pflanzen (s. o.).

5.1 Wie entwickelt sich das Interesse am Ökosystem            5.2 Forschungsfrage 2: Wie entwickelt sich das Ver-
Wald bei Schülerinnen und Schülern in der Sekun-              ständnis der Bedeutung von Pflanzen in Ökosyste-
darstufe I?                                                   men unter besonderer Berücksichtigung des Phäno-
Um zu überprüfen, wie das Interesse am Thema Wald             mens plant blindness im Laufe der Sekundarstufe I?
im Allgemeinen über verschiedene Klassenstufen hin-           Bei der Artenkenntnis zeigten sich deutliche Unter-
weg ausgeprägt ist, wurden Skalenmittelwerte für das          schiede: Insgesamt konnten die teilnehmenden Schüle-
Interesse am Wald berechnet und verglichen. Ein Mit-          rinnen und Schüler signifikant mehr Tier- als Pflanzen-
telwert von 2.64 und darunter zeigte ein überdurch-           arten nennen (p < .001) (s. Abb. 3). Bei der Benennung
schnittliches Interesse an. Ein Kruskal-Wallis-Test           von Pflanzenarten erhielten die Lernenden durch-
zeigte ein signifikant abnehmendes allgemeines Inte-          schnittlich 2.95 Punkte (SD = 2.51). Deskriptiv zeigte
resse am Thema Wald über die Klassenstufen (von               sich, dass die Kenntnis von Pflanzenarten des Waldes
Stufe 5 über Stufe 7 nach Stufe 9) (p = .01). Für die aus     von Klassenstufe 5 nach Klassenstufe 7 zunahm, dann
10 Items bestehende Skala zu spezifischen, das Thema          von Klassenstufe 7 nach Klassenstufe 9 wieder abnahm.
Wald betreffenden Themen belegte ein Skalenmittel-            Einzelvergleiche der Klassenstufen zeigten, dass sich
wert von 2.10 und darunter ebenfalls ein überdurch-           Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 5 in ihrer
schnittliches allgemeines Interesse für das Thema Wald        Kenntnis von Pflanzenarten des Waldes signifikant un-
(s. Tab. 1). Auch hier konnte mit Hilfe eines Kruskal-        terschieden von Schülerinnen und Schülern der Klas-
Wallis-Tests gezeigt werden, dass das allgemeine Inte-        senstufen 7 und 9 (p < .001). Über alle Klassenstufen
resse am Thema Wald über die Klassenstufen hinweg             hinweg erreichten die Schülerinnen und Schüler bei der
signifikant abnahm (p = .002). Bei Vergleichen zwi-           Nennung von Tieren des Waldes durchschnittlich 7.35
schen den Klassenstufen zeigten Mann-Whitney-U-               Punkte (SD = 3.94). Die Kenntnis von Tierarten nimmt
Tests, dass es signifikante Unterschiede im Interesse         über die Klassenstufen hinweg signifikant zu
zwischen den Klassenstufen 7 und 9 gab (p < .001),            (p = .003). Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe
aber nicht zwischen den Klassenstufen 5 und 7                 7 kannten signifikant mehr Tierarten als Lernende in der
(p = .021).                                                   Klassenstufe 5 (p = .004). Schülerinnen und Schüler

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                              Artenkenntnis Pflanzen und Tiere des Waldes

Abbildung 3. Entwicklung der Artenkenntnis von Pflanzen und Tieren des Waldes von Klassenstufe 5 hin zu Klas-
senstufe 7; Klassenstufen übergreifender Vergleich zwischen der Artenkenntnis von Pflanzen und der Artenkennt-
nis von Tieren.
*p < .05, **p < .01

der Klassenstufe 7 und der Klassenstufe 9 unterschei-         den Vergleich zwischen Klassenstufen 7 und 9). Das
den sich dagegen nicht signifikant in der Kenntnis von        Verständnis der biologischen Zersetzung scheint sich
Waldtierarten (p = .601).                                     bei den Schülerinnen und Schülern im Laufe der Sekun-
Um zu überprüfen, ob sich die Schülerinnen und Schü-          darstufe deutlich zu verbessern.
ler je nach Klassenstufe in ihrer Einschätzung der Be-
deutung von Pflanzen im Ökosystem Wald unterschei-            5.4 Forschungsfrage 4: Welche Wirkungen hat das
den, wurde wiederum ein Kruskal-Wallis-Test durchge-          außerschulische Lernen in einem Waldschulheim
führt. Für das Verständnis für die Bedeutung von Pflan-       auf das Interesse am Ökosystem Wald?
zen im Ökosystem Wald zeigte sich bei den Lernenden           Um zu überprüfen, ob sich die Versuchsgruppe sowie
deskriptiv zwar eine leichte Zunahme der Skalenmittel-        die Kontrollgruppe a priori in den abhängigen Variab-
werte von Klassenstufe 5 bis hin zur Klassenstufe 9 (s.       len unterschieden, wurden die abhängigen Variablen in
Tab. 1), die Zunahme war aber nicht signifikant.              den beiden Gruppen mit Hilfe von Mann-Whitney-
                                                              U-Tests verglichen. Das Interesse an Themen des Öko-
5.2 Forschungsfrage 3: Wie entwickelt sich das Ver-           systems Wald war bei der Experimentalgruppe signifi-
ständnis der biologischen Zersetzung im Laufe der             kant höher (p = .036). Für das Interesse speziell bezo-
Sekundarstufe I?                                              gen auf Pflanzen zeigten sich keine signifikanten Un-
Für das Verständnis der biologischen Zersetzung wurde         terschiede (p = .875). Ebenfalls keine signifikanten Un-
über alle teilnehmenden Schülerinnen und Schüler ein          terschiede zwischen den Gruppen zeigten sich bei der
Skalenmittelwert von 0.027 (SD = 0.55) gebildet. Über         Kenntnis von Pflanzenarten (p = .104) und Tierarten
alle drei Klassenstufen hinweg zeigte sich mit Hilfe ei-      (p = .838) sowie beim Verständnis der Bedeutung von
nes Kruskal-Wallis-Tests, dass das Verständnis der bi-        Pflanzen im Ökosystem Wald (p = .088) und der biolo-
ologischen Zersetzung in den höheren Klassenstufen            gischen Zersetzung (p = .714). In den wesentlichen Va-
signifikant zunahm (p < .001). Einzelvergleiche zeig-         riablen fanden sich also keine signifikanten Unter-
ten, dass sich das Verständnis der biologischen Zerset-       schiede zwischen den Gruppen bis auf das allgemeine
zung zwischen allen untersuchten Klassenstufen signi-         Interesse an Themen des Waldes bei der Experimental-
fikant voneinander unterschied (p < .001 für den Ver-         gruppe, welche kurz vor dem Waldschulheimaufenthalt
gleich zwischen Klassenstufen 5 und 7; p = .022 für           stand.

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Tabelle 3
Skalenmittelwerte und Standardabweichungen der Ausprägungen der untersuchten Variablen zum Prä- und Post-
testzeitpunkt
                                  Interventionsgruppe (n = 26)                          Kontrollgruppe (n = 26)
        Variablen
                                    Prätest                Posttest                  Prätest              Posttest

                                M             SD         M            SD         M             SD       M            SD

 Interesse Waldthemen         1.96            0.45     1.88        0.48        2.27            0.51    2.31       0.44
 Interesse Pflanzen           2.30            0.93     2.19        0.80        2.27            1.00    2.24       0.83
 Interesse Tiere              1.75            0.74     1.69        0.79        1.81            0.69    1.84       0.62
 Artenkenntn. Pflanzen        4.15            2.07     7.46        3.38        5.71            3.31    5.24       2.95
 Artenkenntn. Tiere           9.80            4.81    11.25        4.43        9.56            4.62    8.50       4.12
 Bedeutung v. Pflanzen        4.34            0.72     4.32        0.58        4.74            0.76    3.95       0.83
 Verst. Zersetzung*           0.05            0.51     0.02        0.53       -0.00            0.47    0.02       0.51
Anmerkung. Bei den Interessenitems steht der Wert 1 für ein sehr hohes Interesse, der Wert 4 für ein sehr niedriges
Interesse. *Mittelwerte und Standardabweichungen vorher z-standardisiert.

Für das allgemeine Interesse an Themen des Waldes             war zum Post-Test-Zeitpunkt nicht signifikant
konnte zum Post-Test-Zeitpunkt ein signifikanter              (p = .809).
Unterschied zwischen den Gruppen festgestellt                 Für die Artenkenntnis von Pflanzen des Waldes zeigte
(p = .002). Die Experimentalgruppe zeigte ein höheres         sich nach dem Waldschulheimaufenthalt ein signifikan-
Interesse. Bezüglich des Interesses bestand bereits zum       ter Unterschied zwischen Experimentalgruppe und
Prä-Test-Zeitpunkt ein signifikanter Unterschied zwi-         Kontrollgruppe (p = .028). Auch der Lernzuwachs bei
schen den Gruppen (s. o.). Von Prä- zu Posttestzeit-          der Experimentalgruppe erwies sich von Prä- zu Post-
punkt zeigte sich jedoch weder für die Experimental-          testzeitpunkt als signifikant (p < .001). Schülerinnen
gruppe noch für die Kontrollgruppe eine signifikant po-       und Schüler, die an dem Waldschulheimaufenthalt teil-
sitive Entwicklung des Interesses (p = .196 bzw.              genommen hatten, konnten Pflanzen des Waldes am
p = .732).                                                    Ende des Aufenthaltes häufiger und genauer benennen.
                                                              Bei der Kontrollgruppe zeigte sich erwartungsgemäß
5.5 Forschungsfrage 5: Welche Wirkungen hat das               kein signifikanter Lernzuwachs (p = .430). Auch für die
außerschulische Lernen in einem Waldschulheim                 Kenntnis von Tierarten des Waldes konnte nach dem
auf das Verständnis von Pflanzen in Ökosystemen               Waldschulheimaufenthalt ein signifikanter Unterschied
unter besonderer Berücksichtigung des Phänomens               zwischen den Gruppen festgestellt werden (p = .031).
plant blindness?                                              Die Experimentalgruppe konnte zum Post-Test-Zeit-
Für die untersuchten Aspekte von plant blindness bzw.         punkt Waldtierarten häufiger und genauer benennen.
des Verständnisses der Bedeutung von Pflanzen in              Bei der Berechnung des Lernzuwachses zeigte sich
Ökosystemen konnte durch den Waldschulheim ledig-             jedoch, dass der Unterschied in der Kenntnis von Tier-
lich hinsichtlich der Artenkenntnis von Pflanzen des          arten von Prä- zu Post-Test-Zeitpunkt in der Experi-
Waldes ein signifikanter Zuwachs erzielt werden (s. u.).      mentalgruppe die Signifikanzgrenze nicht erreichte
Für das spezielle Interesse an Pflanzen zeigte sich           (p = .085). Gleiches gilt für die Kontrollgruppe
nach dem einwöchigen Waldschulheimaufenthalt                  (p = .388). Für die Kenntnis der Bedeutung von Pflan-
keine signifikante Entwicklung bei der Experimental-          zen im Ökosystem Wald zeigte sich zum Post-Test-
gruppe (p = .655) und bei der Kontrollgruppe                  Zeitpunkt kein signifikanter Unterschied zwischen
(p = 1.000). Der Unterschied im Interesse an Pflanzen         der Experimentalgruppe und der Kontrollgruppe

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(p = .123). In den deskriptiven Ergebnissen zeigte sich       Schneekloth & Albert, 2019). Ein einwöchiger Wald-
eine negative Entwicklung, die sich bei der Kontroll-         schulheimaufenthalt in der Klassenstufe 7 scheint im
gruppe als signifikant erwies (p < .001), nicht aber bei      Vorfeld das Interesse für Waldthemen zu wecken und
der Experimentalgruppe (p = .274).                            dann über den Waldschulheimaufenthalt hinweg zu er-
5.5 Forschungsfrage 6: Welche Wirkungen hat das               halten. Einschränkend ist zu bemerken, dass die Stich-
außerschulische Lernen in einem Waldschulheim                 probe für die Experimentalgruppe sowie für die Kon-
auf das Verständnis der biologischen Zersetzung?              trollgruppe relativ klein und dadurch die statistische
Für die Kenntnis des Schlüsselkonzeptes der biologi-          Power gering ist (s. o.). Es lassen sich lediglich Indizien
schen Zersetzung zeigte sich in den deskriptiven Daten        für die Wirkung des Waldschulaufenthalts gewinnen.
eine leichte Abnahme von Prä- zu Posttestzeitpunkt.           Grundsätzlich deutet sich aber wie oben beschrieben an,
Diese Abnahme erwies sich als nicht signifikant, weder        dass das Waldschulheim als Lernumgebung eine Inte-
für die Experimentalgruppe (p = .243), noch für die           ressenentwicklung für Waldthemen über das ohnehin
Kontrollgruppe (p = .681). Der Unterschied in der             vorhandene Interesse hinaus anregt. Es wäre wün-
Kenntnis des Konzeptes der biologischen Zersetzung            schenswert zu untersuchen, welche spezifischen As-
war zum Post-Test-Zeitpunkt nicht signifikant                 pekte eines Waldschulheimaufenthalts das Interesse an-
(p = .856).                                                   regen und aufrechterhalten (Vogt, 1998). Um festzu-
                                                              stellen, inwiefern Interesse an Waldthemen über einen
6 Diskussion                                                  längeren Zeitraum hinweg aufrechterhalten werden
                                                              können, wäre bei zukünftigen Studien in einem ähnli-
In der vorliegenden Studie wurde untersucht, inwiefern        chen Kontext der Einsatz eines Follow-Up Tests güns-
sich das Verständnis komplexer Ökosysteme (im vor-            tig.
liegenden Fall das Verständnis der Bedeutung von              Zur Entwicklung des Verständnisses der Bedeutung von
Pflanzen in Ökosystemen und der biologischen Zerset-          Pflanzen in Ökosystemen in der Sekundarstufe I. Ergeb-
zung) als wichtige Facette einer basalen fächerspezifi-       nisse vorangegangener Studien konnten insofern repli-
schen Nachhaltigkeitskompetenz über verschiedene              ziert werden, als dass das Interesse an Tieren deutlich
Klassenstufen hinweg verändert. Darüber hinaus wurde          höher zu sein scheint als das Interesse an Pflanzen (z. B.
untersucht, ob sich die fokussierten Aspekte des Ver-         Elster, 2007; Wandersee & Schussler, 1999). Bei Ver-
ständnisses von Ökosystemen durch einen Waldschul-            gleichen zwischen den Klassenstufen scheint das Inte-
heimaufenthalt fördern lassen. Bei der Interpretation         resse an Pflanzen im Verlauf der Sekundarstufe I eher
der Ergebnisse muss berücksichtigt werden, dass die           abzunehmen. Durch den einwöchigen Waldschulheim-
teilnehmenden Schülerinnen und Schüler fast alle Real-        aufenthalt konnte das Interesse der teilnehmenden
schulen besuchten und andere Schulformen (z. B. Gym-          Schülerinnen und Schülern an Pflanzen nicht gefördert
nasien) nicht untersucht wurden. Hinsichtlich der Wirk-       werden. Dies mag einerseits am Gegenstand liegen –
samkeitsstudie ist zu berücksichtigen, dass die Stich-        Pflanzen wird im Vergleich zu anderen biologischen
probe relativ klein ist. Dies stellt eine Limitation hin-     Themen – tendenziell geringeres Interesse entgegenge-
sichtlich der statistischen Power und der Generalisier-       bracht (s. o., z. B. Holstermann & Bögeholz, 2007; Klee
barkeit der Ergebnisse dar.                                   2005), andererseits könnten bei der methodisch-didak-
Zur Entwicklung des Interesses am Ökosystem Wald in           tischen Gestaltung des Waldschulheimaufenhalts As-
der Sekundarstufe I. Das allgemeine und spezifische In-       pekte weniger Berücksichtigung gefunden haben, die
teresse für das Thema Wald nimmt im Laufe der Sekun-          eine Entwicklung von Interesse an Pflanzen begünsti-
darstufe I ab. Gleichzeitig bleibt es aber relativ hoch.      gen (z. B. Schmitt-Scheersoi & Vogt, 2005; Vogt,
Dies mag insofern überraschen, als dass in vorausge-          2007). Zu diesen Aspekten zählt beispielsweise, dass
gangen Studien ein eher geringes bis mittleres Interesse      bei den Lernenden bereits vorhandene Vorstellungen zu
an Umweltschutz- und Naturthemen bei (älteren) Schü-          Pflanzen (hier: das Phänomen plant blindness) aufge-
lerinnen und Schülern festgestellt wurde (Dietze et al.,      griffen werden (Gebhard, 2013). Gerade außerschuli-
2005; Elster, 2007; Löwe, 1992). Möglicherweise zeigt         sche Lerngelegenheiten – wie eine Exkursion im Rah-
sich in unserer Untersuchung eine aktuell insgesamt bei       men eines Waldschulheimaufenthalts – bieten bei-
Jugendlichen festzustellende wachsende Achtsamkeit            spielsweise die Möglichkeit, entgegen einer plant blind-
gegenüber ökologischen Fragen (Schneekoth, 2015;              ness einzelne Pflanzen als individuelle Organismen er-

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kennbar zu machen (Wandersee & Schussler, 2001) und           es darum geht, beispielsweise die Bedeutung von Pflan-
im direkten Kontakt mit den Pflanzen deren Fähigkeiten        zen nicht nur für Pflanzenfresser, sondern auch für
zu erläutern (Allen, 2003). Tessartz und Scheersoi            Fleischfresser oder andere Pflanzen einzuschätzen,
(2019) konnten zudem feststellen, dass das Interesse an       dann müssen Schülerinnen und Schüler zudem in der
Pflanzen zuzunehmen scheint, wenn bestimmte Kon-              Lage sein systemisch zu denken (Bräutigam, 2014;
texte (z. B. die ökologische und gesellschaftliche Be-        Rieß, 2010). Systemisches Denken ist komplex und er-
deutung von Pflanzen) einbezogen werden. Weil das In-         fordert seitens der Lernenden spezifische Vorausset-
teresse Lernprozesse entscheidend beeinflusst (Krapp,         zungen (Fanta, Bräutigam & Rieß, 2019; Mambrey,
1998), erscheint es für den Biologieunterricht angemes-       Timm, Landskron & Schmiemann, 2020). Einschrän-
sen zu sein, der Interessenentwicklung für das Thema          kend ist zu berücksichtigen, dass die Items zur Erfas-
Pflanzen in allen Klassenstufen besondere Aufmerk-            sung des Verständnisses der Bedeutung von Pflanzen in
samkeit zukommen zu lassen (Tessartz & Scheersoi,             Ökosystemen sowie der biologischen Zersetzung (s. u.)
2019).                                                        noch nicht in einem zufriedenstellenden Bereich lagen.
Während das Interesse an Pflanzen durch den Wald-             Bei einer Verwendung der Items in weiteren Studien
schulheimaufenthalt weitgehend unverändert blieb, er-         sollte das Messinstrument weiterentwickelt werden.
höhte sich die Kenntnis von Pflanzenarten deutlich. Die       Zur Entwicklung des Verständnisses der biologischen
Kenntnis von Tierarten konnte durch den Waldschul-            Zersetzung. Im Verlauf der Sekundarstufe I scheint es
heimaufenthalt tendenziell gefördert werden. Sowohl           Schülerinnen und Schülern weitgehend zu gelingen,
bei der Experimentalgruppe als auch bei der Untersu-          ihre Vorstellungen zur biologischen Zersetzung in
chung über verschiedene Klassenstufen hinweg konn-            Richtung fachlich gültiger Vorstellungen zu rekonstru-
ten die Schülerinnen und Schüler Tierarten häufiger und       ieren. Perspektivisch wäre es für die Schulpraxis wün-
genauer benennen als Pflanzenarten. Dieses Phänomen           schenswert, Kompetenzstufen zu formulieren, welche
bestätigt Ergebnisse vorausgegangener Forschungsar-           die Anforderungen an die Lernenden in den verschiede-
beiten (Strommen, 1995). Diese Tendenz zeigt sich             nen Klassenstufen differenziert beschreiben (Schrenk et
auch darin, dass bei Vergleichen zwischen Schülerin-          al., 2019). Die Ergebnisse der Studie liefern dafür erste
nen und Schülern unterschiedlicher Klassenstufen der          Anhaltspunkte. Weiterführend bedarf es auch einer qua-
Sekundarstufe I die Kenntnis von Pflanzenarten zu-            litativen Beschreibung der Entwicklung der Lernenden-
nächst zunimmt, sich dieser Verlauf nach Klassenstufe         vorstellungen (z. B. zur Stoffzersetzung) und eine ent-
7 aber nicht weiter zeigt, während die Kenntnis von           sprechende Einordnung hinsichtlich des Lernfort-
Tierarten über alle drei untersuchten Klassenstufen hin-      schritts. Das Waldschulheim erscheint als Lernort zur
weg signifikant zunimmt. Dass die Kenntnis von Pflan-         Vermittlung ökologischer, nachhaltigkeitsrelevanter
zenarten des Waldes von Klassenstufe 5 hin zu Klassen-        Themen grundsätzlich geeignet zu sein (Mayer, 2013).
stufe 7 signifikant zunimmt, könnte daran liegen, dass        Bemerkenswert ist aber, dass Kenntnisse der biologi-
das Ökosystem Wald als Thema im Biologieunterricht            schen Zersetzung durch den Waldschulheimaufenthalt
der Klassenstufe 6 an dieser Stelle Wirkung zeigt.            nicht gefördert werden konnten, obwohl diese im Rah-
Für das Verständnis der Bedeutung von Pflanzen in             men der durchgeführten Aktivitäten thematisiert wurde.
Ökosystemen zeigte sich im Verlauf der Sekundarstufe          Die Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler erwei-
I von Klasse 5 über Klasse 7 bis zur Klasse 9 nur ein         sen sich als widerständig gegen Veränderung (Duit,
geringer, statistisch nicht signifikanter Anstieg. Auch       Treagust & Widoro, 2008). Dieser Befund weist darauf
im Rahmen des Waldschulheimaufenthalts konnten die            hin, dass außerschulische Lernorte – wie das Wald-
Kenntnisse nicht erweitert werden. Die Einschätzung           schulheim – nicht per se lernförderlich sind (Mayer,
der Bedeutung von Pflanzen in Ökosystemen scheint             2013). Vielmehr bedarf es einer spezifischen Gestal-
für die Schülerinnen und Schüler herausfordernd zu            tung der Lerngelegenheiten (Wilde & Urhahne, 2008).
sein. Diese Beobachtung kann verschiedene Ursachen            Dazu zählt wesentlich, dass Schülerinnen und Schüler
haben, die mit dem Phänomen plant blindness in Zu-            die Gelegenheit haben, sich mit den eigenen Vorstellun-
sammenhang gebracht werden (Jose et al., 2019). Wenn          gen auseinanderzusetzen (z. B. Schecker & Duit, 2018).

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