STUDIE: 100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN
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März 2020 STUDIE: 100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN im Auftrag der Deutschen Handelskammer in Österreich (DHK) www.ecoaustria.ac.at
STUDIE 100 Jahre deutsch-österreichische Wirtschaftsbeziehungen Prof. Gabriel Felbermayr, PhD, Institut für Weltwirtschaft (IfW) Prof. Dr. Tobias Thomas, EcoAustria – Institut für Wirtschaftsforschung Philipp Koch, BSc, EcoAustria – Institut für Wirtschaftsforschung. Mag. Dr. Wolfgang Schwarzbauer, EcoAustria – Institut für Wirtschaftsforschung Studie im Auftrag der Deutschen Handelskammer in Österreich (DHK) März 2020 Executive Summary Vor 100 Jahren wurden die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den jungen Republiken Österreich und Deutschland auf eine neue Basis gestellt. So kam es im Jahr 1920 zur Gründung des Verbandes zur Wahrung deutscher Industrie- und Handelsinteressen, der heute unter „Deutsche Handelskammer in Österreich“ aktiv ist. Die deutsch-österreichischen Handelsbeziehungen durchliefen seitdem Zeiten mit Höhen und Tiefen: mit Ende des ersten Weltkrieges, dem Niedergang Österreich-Ungarns, der großen Depression und den Folgen, dem Nationalsozialismus, Anschluss Österreichs und dem zweiten Weltkrieg, dem wirtschaftlichen Aufschwung gerade in den 1960er Jahren, dem Zusammenbruch des Bretton Woods System bis hin zum Fall des Eisernen Vorhangs, der deutschen Wiedervereinigung und der Einführung des Euro. Heute sind beide Länder wirtschaftlich eng miteinander verflochten: So agieren 4.480 deutsche Unternehmen in Österreich, beschäftigen 300.313 Personen und produzieren Waren und Dienstleistungen im Wert von 56,7 Mrd. Euro mit einer inländischen Wertschöpfung von 23,75 Mrd. Euro. Zusätzlich sind damit Vorleistungen innerhalb Österreichs von zusätzlich 30,4 Mrd. Euro an Produktion, 14,7 Mrd. Euro an Wertschöpfung und 180.658 Beschäftigten verbunden. Damit sind deutsche Unternehmen in Österreich gesamtwirtschaftlich mit einem Produktionswert von 87,1 Mrd. Euro, einer Wertschöpfung von 38,4 Mrd. Euro sowie 480.971 beschäftigten Personen verbunden. Von besonderer Bedeutung sind dabei der Handel und die Industrie mit einer direkten Wertschöpfung von je mehr als acht Mrd. Euro. Die österreichischen Waren- und Dienstleistungsexporte nach Deutschland wiederum machen auf direktem Wege eine Produktion von rund 70,8 Mrd. Euro mit einer inländischen Wertschöpfung von 24,3 Mrd. Euro und 254.205 Beschäftigten aus. Hinzu kommen weitere Effekte innerhalb Österreichs aufgrund von Lieferverflechtungen. Diese belaufen sich auf einen Produktionswert von 39,8 Mrd. Euro, eine Wertschöpfung von 16,9 Mrd. Euro sowie 182.071 Beschäftigten. Insgesamt ergibt sich daraus eine gesamtwirtschaftliche Bedeutung der österreichischen Exporte nach Deutschland in Höhe von 110,6 Mrd. Euro an Produktionswert, 41,3 Mrd. Euro an Wertschöpfung und 436.276 Vollzeitjobs. Insbesondere in der österreichischen Industrie sind viele Beschäftigungsverhältnisse mit dem Außenhandel mit Deutschland verbunden. Die wirtschaftliche Lage in Österreich und Deutschland ist zurzeit ungleich. Von 2010 bis 2016 hatte Deutschland, mit der Ausnahme von 2012, teilweise deutlich höhere Wachstumsraten des realen Bruttoinlandsprodukts; 2018 und 2019 war das Gegenteil der Fall. In den nächsten Jahren ist in beiden Ländern mit geringere Wachstumsdynamiken zu rechnen, wobei Österreich aufgrund seines kräftigeren Bevölkerungswachstums etwas besser abschneiden dürfte. Die abnehmende Wachstumsdynamik ist mit einer schwachen Industrieproduktion insbesondere in der deutschen Automobilindustrie verbunden, wo die Produktion seit Sommer 2017 um fast 25 Prozent zurückgegangen ist. Insgesamt hat die Industrieproduktion in Deutschland von Dezember 2017 bis Dezember 2019 um mehr als 12 Prozent nachgelassen. Zeitverzögert schlägt sich dies auch in Österreich nieder, wo die Industrieproduktion von November 2018 bis November 2019 um fast 5 Prozent nachgegeben hat. Der deutsche Automobilsektor ist insofern interessant, weil Importe nach Deutschland in den letzten Jahren stark gestiegen sind, und die deutschen Automobilkonzerne 2019
Absatzrekorde erreicht haben. Dies legt nahe, dass die Krise neben den Folgen des Dieselskandals wenig mit einer heimischen Nachfrageschwäche oder mit einem technologischen Zurückfallen der deutschen Hersteller zu tun hat, sondern insbesondere mit strukturellen Problemen einer schlechter werdenden Standortqualität Deutschlands. Davon ist Österreich als Zulieferland auch negativ betroffen. Tatsächlich verschlechtert sich seit einigen Jahren die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Die realen Lohnstückkosten in Deutschland sind zwischen 2010 und 2018 um rund drei Prozent gestiegen, während diese in Österreich und dem gesamten Euroraum leicht gesunken sind. Insgesamt können weder Deutschland noch Österreich im Hinblick auf die Abgabenbelastung im internationalen Vergleich punkten. Im Jahr 2018 lag die Abgabenquote in Deutschland bei 41,5 Prozent und damit markant über dem EU-Schnitt von 40,3 Prozent. In Österreich lag die Abgabenbelastung mit 42,8 Prozent noch einmal deutlich über derer Deutschlands. Hinzu kommen nach wie vor hohe bürokratische Hürden für Unternehmer und BürgerInnen. Will man die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaftsstandorte im internationalen Wettbewerb sichern und ausbauen und damit die Grundlage für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung legen, ist neben einer Reduktion der hohen Abgabenbelastung, der Abbau bürokratischer Hürden sowie eine Verbesserung der Bildungsstruktur und eine Steigerung des Forschungsoutputs angezeigt. Beiden Ländern ist dabei gemein, dass es sich um relativ offene Volkswirtschaften handelt: der Wert der Exporte von Waren und Dienstleistungen bezogen auf das BIP lag 2018 in Deutschland bei 46,4 Prozent, davon 26,5 Prozentpunkte Exporte in die EU; in Österreich lag die Offenheit bei 54,5 Prozent, davon machte die EU 39,4 Prozentpunkte aus. Die Spannungen in der Handelspolitik weltweit und die dadurch ausgelöste Unsicherheit über Zölle und nicht-tarifäre Handelsbarrieren sind daher für Österreich und Deutschland besonders problematisch. Es liegt daher nahe, dass sich Österreich und Deutschland gemeinsam für den Erhalt und die Reform der Welthandelsorganisation einsetzen sollten und für den Abschluss bilateraler Freihandelsabkommen, die das einzige Instrument der EU darstellen, um gegen die Erosion der Rechtssicherheit im internationalen Handel vorzugehen. Zudem sind beide Länder große Profiteure des EU- Binnenmarkts. Nach Berücksichtigung der Nettozahlungen liegt das BIP in Österreich um 7,91 Prozent und damit 31 Milliarden Euro höher als ohne die EU. Deutschland profitiert im Ausmaß von 5,1 Prozent des BIP bzw. 175 Milliarden Euro. Dass das Schengenabkommen derzeit vielerorts - gerade auch an der deutsch- österreichischen Grenze - ausgesetzt ist, läuft der wohlstandsförderlichen Wirkung des Handels beider Länder entgegen.
Inhalt 1. Motivation und Hintergrund ..............................................................................................1 2. Historische Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen im Zeitraffer ............................2 3. Aktuelle wirtschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und Österreich ...........8 3.1. Direktinvestitionen .............................................................................................................8 3.2. Handel von Gütern und Dienstleistungen .........................................................................9 3.3. Deutsch-österreichische Zahlungsbilanz ....................................................................... 13 4. Volkswirtschaftliche Bedeutung der wirtschaftlichen Beziehung für Österreich .... 15 4.1. Gesamtwirtschaftliche Bedeutung von Direktinvestitionen aus Deutschland ................ 15 4.2. Gesamtwirtschaftliche Bedeutung Deutschlands als Exportdestination für Österreich . 17 5. Gemeinsame Herausforderungen und Lösungsansätze ............................................ 20 6. Literaturverzeichnis ........................................................................................................ 27
100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN 1 1. Motivation und Hintergrund Vor hundert Jahren wurden die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den jungen Republiken Österreich und Deutschland auf eine neue Basis gestellt. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, unter den schwierigen Bedingungen der Friedensverträge von Versailles und Saint Germain und einem allgemein sehr protektionistischen Umfeld bedurfte es einer Neuordnung: die junge Republik Deutsch-Österreich, die bisher ihre wichtigsten Absatz- und Beschaffungsmärkte in den anderen Teilen der Donaumonarchie hatte, versuchte sich verstärkt, den westlichen Märkten hinzuwenden. So kam es im Jahr 1920 zur Gründung eines Verbandes zur Wahrung deutscher Industrie- und Handelsinteressen.1 Der Zweck lag darin, „alle Industrie- und Handelsinteressen Deutschlands im Gebiet der Republik Österreich wahrzunehmen und zu schützen und die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Staaten zu fördern, kräftigen und auszugestalten“. Nur zwei Jahre später erfolgte die Umbenennung in „Deutsche Wirtschaftskammer in Österreich“. Die Kammer unterstützte dabei insbesondere Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig waren. Die seinerzeit anwachsenden Handelsbarrieren machten diese Unterstützung und die auch politische Interessenvertretung stetig wichtiger. So sprach die Kammerzeitung im Jahr 1925 von einem „Chaos der Ein- und Ausfuhrverbote, der zeitweiligen Grenzsperren und Einfuhrkontingentierungen“. 1928 erfolgte eine weitere Umbenennung, nun in „Deutsche Handelskammer in Wien“. Im Zuge des Anschlusses Österreichs im Jahr 1938 wurde Handelskammer aufgelöst. Am 22. September 1955 erfolgte die Neugründung. Dabei wurde im Gegensatz zur Einrichtung der Zwischenkriegszeit darauf geachtet, dass die Kammer gleichwertig die Interessen der Unternehmen beider Länder fördern sollte. Seither hat sich die nunmehr unter „Deutsche Handelskammer in Österreich“ firmierende Kammer dynamisch weiterentwickelt. Ihre Entwicklung zeichnet die Wirtschaftsgeschichte der letzten Jahrzehnte nach: Dabei sind der Beitritt Österreichs zur EU im Jahr 1995, die Einrichtung der Schengenzone und die Einführung des Euros wichtige Meilensteine, die zu einer Intensivierung des Handels und der Investitionen zwischen Österreich und Deutschland beigetragen haben. Gleichwohl bleibt eine Vielzahl von gerade am aktuellen Rand auch wachsenden Herausforderungen, wie zunehmende Grenzkontrollen im Schengenraum oder wachsende Handelskriege weltweit, die ausführliche Beratungsaktivitäten der Handelskammer notwendig und ein engagiertes Eintreten für den europäischen Binnenmarkt und Freihandel erforderlich machen. Das nächste Kapitel stellt die wesentlichen Entwicklungen der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Österreich der letzten 100 Jahre im Zeitraffer dar. Danach werden die Verflechtungen zwischen Deutschland und Österreich deskriptiv anhand der regionalen Außenhandels- und Direktinvestitionsstruktur der beiden Länder dargestellt, bevor im folgenden Kapitel die volkswirtschaftliche Bedeutung für Österreich quantifiziert wird. Das letzte Kapitel diskutiert einige aktuelle Herausforderungen. 1 Die folgenden Ausführungen verwenden Material, das auf https://100jahre-dhk.at abgerufen werden kann.
2 100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN 2. Historische Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen im Zeitraffer Von 1918 bis heute ging die deutsch-österreichische wirtschaftliche Zusammenarbeit durch Höhen und Tiefen. 1918 – 1929: Ende des Ersten Weltkriegs und die 1920er Jahre Mit Ende des ersten Weltkrieges 1918 zerfiel Österreich-Ungarn in mehrere Nachfolgestaaten. Nachdem der letzte Habsburger Kaiser am 11. November 1918 abdankte, beschloss die provisorische Nationalversammlung in Wien am 12. November die Gründung der demokratischen Republik „Deutschösterreich“. Ziel war zu dieser Zeit der Beitritt Deutschösterreichs zu Deutschland, da der deutschsprachige Teil der ehemaligen Donaumonarchie unter anderem als wirtschaftlich allein als nicht lebensfähig erachtet wurde. So war das Gebiet des heutigen Österreich zwar das Verwaltungs- und Regierungszentrum der 53 Mio. Einwohner zählenden Monarchie, die industrielle Basis, die Rohstoffquellen und die landwirtschaftliche Basis waren aber in anderen Nachfolgestaaten verortet. Durch die Pariser Friedensverträge wurde jedoch dem neuen Staat ein Anschluss an Deutschland untersagt. In der Republik Österreich, deren Grenzen erst 1921 endgültig feststanden, lebten nunmehr rund 6,5 Mio. Menschen. Das Gebiet war vor dem Krieg ein Teil eines historisch gewachsenen Wirtschaftsraumes gewesen, der sich nach dem Weltkrieg in viele Einzelteile auflöste. Die Bedeutung der Nachfolgestaaten lässt sich etwa an Außenhandelsstatistiken ablesen. So gingen 1924 ca. 34 Prozent der Exporte in die Nachfolgestaaten (inkl. Tschechoslowakei, Polen, Ungarn; exkl. Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen sowie Italien), während nur 13 Prozent aller österreichischen Exporte nach Deutschland geliefert wurden (vgl. Abbildung 1). Neben der dramatischen Verkleinerung des Binnenmarktes fielen noch die wirtschaftliche Spezialisierung Österreichs und Wiens als administratives Zentrum im Krieg negativ ins Gewicht, zudem der hohe Verlust an gut ausgebildeten Arbeitskräften und nicht zuletzt die Umstellung von einer Kriegs- auf eine Friedenswirtschaft (vgl. Sandgruber, 1995). Eine Folge der Kriegswirtschaft und der im Krieg angehäuften Staatsschuld schlug sich auch in einer Phase der Hyperinflation bis zur Einführung der neuen Währung, dem Schilling im Jahr 1924 nieder. Die Währungsreform, die unter strengen internationalen Auflagen und unter internationaler Aufsicht durchgeführt wurde, erwies sich in Hinblick auf das Preisniveau und den Außenwert bis 1938 als sehr erfolgreich. Die neue Währung, der Schilling, etablierte sich als Hartwährung („Alpendollar“). Da wesentliche westeuropäische Länder gleichzeitig ihre Währungen deutlich abwerteten ging die Stabilisierungspolitik jedoch zu Lasten der Exportwirtschaft (vgl. Jobst und Kernbauer. 2016), was in der Handelsbilanz Niederschlag fand. Die Leistungsbilanz wurde erst 1937 erstmals seit Bestehen der Republik positiv. 1929 – 1933: Die Große Depression und ihre Folgen Die große Depression traf Österreich als kleine offene Volkswirtschaft besonders hart, da es gerade auch in der Zwischenkriegszeit stark von internationalem Handel abhängig war. Verstärkt wurde dies durch eine Reihe von heimischen Bankencrashs, allen voran die Pleite der Creditanstalt im Jahr 1931, die sowohl Auswirkungen auf Deutschland als auch die wichtigsten
100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN 3 Handelspartner in Mitteleuropa hatten. Zudem verfolgten im Anschluss an die Krise viele Staaten eine zunehmend protektionistischere Außenwirtschaftspolitik. All das führte zu einer Verschärfung der Krise in Österreich. Ein Ausweg wurde unter anderem durch Zollunionsprojekte in Mitteleuropa gesucht, wie etwa im Donauraum oder auch mit Deutschland. So wurde 1931 eine deutsch-österreichische Zollunion projektiert, die letztendlich unter anderem am internationalen Widerstand Frankreichs scheiterte. 1933 – 1938: Nationalsozialismus und Ständestaat Die Machergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland im Jänner 1933 markierte eine Wende in den deutsch-österreichischen Wirtschaftsbeziehungen, die zunehmend von Spannungen geprägt waren. So wurde im Mai desselben Jahres die „1000-Mark-Sperre“, die in heutiger Währung einen Wert von fast 6000 Euro darstellt, eingeführt, die von deutschen Staatsangehörigen beim Grenzübertritt nach Österreich an den deutschen Staat entrichtet werden mussten. Ziel war es, den immer wichtiger werden Wirtschaftsfaktor Tourismus zu schwächen, was zum Teil auch gelang. Allein in Tirol ging die Anzahl der Übernachtungen von 4,4 Millionen auf 500 000 zurück. Im Juliabkommen von 1936 wurden die angespannten Wirtschaftsbeziehungen wieder entschärft, und Österreich stärker an Deutschland gebunden. Zwei Jahre später erfolgte der Anschluss Österreichs an Deutschland. 20 Jahre nach Ausrufung der Republik Österreichs hatte die Bedeutung von Deutschland als Wirtschaftspartner deutlich zugenommen. So war der Anteil Deutschlands an den österreichischen Warenexporten von 7 auf 17 Prozent gestiegen (vgl. Abbildung 1). Sandgruber (1995) schätzt, dass vor der Annexion Österreichs durch Deutschland etwa zehn Prozent des Industrieaktienkapitals und rund acht Prozent des Bankenaktienkapitals in deutscher Hand waren. 1945 – 1960: Ende des Zweiten Weltkriegs und Normalisierung Die wirtschaftliche Situation Deutschlands und Österreichs und die Wirtschaftsbeziehungen beider Staaten waren zunächst durch die unmittelbaren Folgen des Zweiten Weltkriegs, insbesondere durch den hohen Verlust an Menschen und damit auch an Arbeitskräften, der großen Zerstörung des produktiven Kapitals, der Umstellung von der Kriegswirtschaft auf eine Friedenswirtschaft sowie der Konfiszierung deutschen Eigentums durch die Alliierten geprägt. Erst die Währungsreformen 1947 in Österreich und 1948 in Deutschland führten allmählich zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage. Beide Staaten, sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die Republik Österreich, befanden sich in direkter Nachbarschaft des Eisernen Vorhangs, der ihre außenwirtschaftspolitischen Optionen geographisch beschränkte. Zudem wurde die Frage des deutschen Eigentums in Österreich erst spät geklärt, und zwar beginnend 1955 mit dem österreichischen Staatsvertrag. Das ehemals deutsche Eigentum wurde zunächst verstaatlicht. Im Vermögensvertrag von 1958 wurden dann kleinere deutsche Unternehmensbeteiligungen und Unternehmen an Deutschland restituiert. Während der Anteil des Warenexports Österreichs nach Deutschland auf rund 25 Prozent stieg, blieb die deutsche Investitionstätigkeit in Österreich verhalten (vgl. Urban, 1995). So war 1961 die USA mit etwa 28 Prozent der wichtigste ausländische Kapitalgeber, gefolgt von der Schweiz, Großbritanniens und den Benelux-Staaten während Deutschland mit rund 9,5 Prozent an fünfter Stelle lag. Im Jahr 1957 kam es zudem zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit Deutschland
4 100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN als einem der Gründungsmitglieder. Österreich blieb die Teilnahme aufgrund seiner Neutralität versagt. 1961 – 1970: Wirtschaftlicher Aufschwung in den 1960er Jahren Im Lauf der 1960er-Jahre überholte Deutschland die USA als wichtigster ausländischer Direktinvestor in Österreich: Rund 28 Prozent des 1969/70 in Österreich investierten ausländischen Kapitalbestands ging auf deutsche Investitionen zurück; der Anteil der USA war hingegen auf 19 Prozent gesunken. Gründe hierfür lagen zum einen in der Transformation der deutschen Volkswirtschaft vom Kapitalimporteur zum Kapitalexporteur. So kam es zur Umwandlung deutscher Großunternehmen in multinationale Konzerne, die im Ausland nach attraktiven Anlagemöglichkeiten suchten. Österreich war gleich aus mehreren Gründen interessant: Erstens gab es eine geringe geographische, kulturelle und sprachliche Distanz zwischen den beiden Ländern. Etablierte und starke Handelsbeziehungen erleichterten deutschen Unternehmen zudem ein Engagement auf dem österreichischen Markt als logischer nächster Schritt. Drittens ergaben sich in Österreich im Vergleich zu Deutschland Kostenvorteile in der Produktion, was vor allem auf die im Vergleich niedrigeren Löhne in Österreich zurückzuführen war. Letztendlich war Österreich als EFTA-Mitglied für Unternehmen aus E(W)G- Staaten wie Deutschland ein interessantes Zielland, da durch die Gründung von Tochterunternehmen die Umgehung von Zöllen und anderen Handelshemmnissen möglich wurde (Urban, 1995). Mitte der 1960er-Jahre war bereits eine hohe Konzentration des deutschen Engagements im Leder-, Textil und Bekleidungsgewebe feststellbar, ebenso wie in der chemischen Industrie, der Kunststoff- und Gummiverarbeitung, der Stahl-, Maschinen-, Fahrzeug und Schiffbauindustrie sowie in der Elektrotechnik, der Feinmechanik und der Sport- und Spielwarenerzeugung. In der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre änderte sich die Branchenverteilung der deutschen Direktinvestitionen zugunsten der Chemie-, Pharma- und der Elektroindustrie. Wesentliche deutsche Großunternehmen wie BASF, Bayer, Beiersdorf, Henkel, Hoechst, Schering, Schwarzkopf und Wella waren zu dieser Zeit bereits stark in Österreich vertreten, und auch der Siemens-Konzern erhöhte sein Engagement: So entstand später 1971 die österreichische Siemens AG, an der die Österreichische Industrieholding Aktiengesellschaft (ÖIAG) mit rund 44 % und Siemens BRD mit 56 % beteiligt waren (Urban, 1995). 1971 - 1980: Zusammenbruch des Bretton Woods System Der Zusammenbruch des Systems fixer Wechselkurse von Bretton Woods Anfang der 1970er- Jahre führte zu starken Schwankungen auf den globalen Währungsmärkten (vgl. etwa Breuss, 1983) und machte eine Neuordnung der österreichischen Währungspolitik notwendig, insbesondere aufgrund des Einbruchs wichtiger Exportmärkte Mitte der 1970er-Jahre und des daraufhin steigenden Leistungsbilanzdefizits. Damit einhergehend änderten sich Warenhandelsströme zwischen Ländern auch in Abhängigkeit von den jeweiligen bilateralen Wechselkursen. So sank auch der deutsche Anteil an österreichischen Warenexporten auf 20 Prozent, während er gegen Ende der Dekade wieder anstieg.
100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN 5 Abbildung 1: Entwicklung des deutschen und mitteleuropäischen Anteils an österreichischen Warenexporten 1920 - 2018 40,00% 35,00% Anteil an den österreichischen Gesamtexporten 30,00% 25,00% 20,00% 15,00% 10,00% 5,00% 0,00% 1920 1923 1925 1927 1929 1931 1933 1935 1937 1950 1952 1954 1956 1958 1960 1962 1964 1966 1968 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 1938 - 1945 Deutschland BRD DDR HUN, CZE, SK, POL Quelle: Fouqin & Hugot (2016), IMF DOTS In Hinblick auf die Direktinvestitionen erhebt die Österreichische Nationalbank (OeNB) seit 1970 (teilweise seit 1968) Bestände ausländischer Direktinvestitionen in Österreich. Diese sind jedoch aufgrund einiger Umstellungen in der Methodik 2 mit den seit 1989 publizierten jährlichen Statistiken nur in eingeschränktem Ausmaß vergleichbar. Dennoch sind interessante Tendenzen erkennbar: In den 1970er-Jahren zeigt sich ein steigender Anteil deutscher Direktinvestitionen. So rangierte Deutschland zu Beginn der 1980er-Jahre an erster Stelle der in Österreich getätigten Direktinvestitionen, gefolgt von der Schweiz, den USA und den Niederlanden (Urban, 1995). 1981 – 1989: Die österreichische Hartwährungspolitik Die Integration der österreichischen und der deutschen Wirtschaft setzte sich in den 1980er- Jahren weiter fort. Ein wesentlicher Grund erscheint in diesem Zusammenhang die zunehmende Orientierung der österreichischen an der deutschen Geldpolitik. Vollzogen wurde dies in der 1981 eingeschlagenen neuen Währungspolitik der OeNB, die einen konstanten DM-Schilling- Wechselkurs ab 1982 zur Folge hatte (Jobst und Kernbauer, 2016). Das Ergebnis dieses Schrittes war eine stärkere Verschränkung der österreichischen mit der deutschen Wirtschaft (vgl. etwa Ritzberger-Grünwald und Wörz, 2010 sowie Jobst und Kernbauer, 2016). So stieg etwa der Anteil österreichischer Warenexporte nach Deutschland von gut 30 Prozent zu Beginn auf über 35 Prozent zu Ende der Dekade. 2 Revision um den Sitz des Stammhauses und damit explizite Berücksichtigung von Holdingkonstruktionen wie z.B. über die Schweiz.
6 100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN 1990 – 1994: Deutsche Wiedervereinigung, Fall des Eisernen Vorhangs und Aufstieg Mittelosteuropas Die Ereignisse 1989/90 veränderten in vielfacher Hinsicht die österreichisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen: Erstens führte der Zusammenbruch der DDR zur deutschen Wiedervereinigung 1990. Dies bedeutete, dass die Integration des wirtschaftlich am Boden liegenden Ostens in den Vordergrund der Wirtschaftspolitik und der Strategie der deutschen Unternehmen rückte. Andererseits ermöglichte der Fall des Eisernen Vorhangs der österreichischen Wirtschaft, die traditionell starken wirtschaftlichen Beziehungen zu mittel- und osteuropäischen Staaten wieder stärker auszubauen. So profitierte Österreich im besonderen Maße von der Transition der ehemaligen Planwirtschaften zu marktwirtschaftlichen Systemen und dem damit einsetzenden wirtschaftlichen Aufholprozess. Abzulesen sind diese Entwicklungen und deren Folgen sowohl an der Struktur der ausländischen Direktinvestitionsbestände in Österreich als auch der österreichischen Exportstruktur. Seit 1990 ist tendenziell ein Sinken des deutschen Anteils ausländischer Direktinvestitionsbestände in Österreich von 38 Prozent (1990) auf 29,9 Prozent (2018) beobachtbar. Diese Entwicklung ist vor allem auf die schwächere Dynamik der deutschen Bestände im Vergleich zu den Beständen anderer Länder zurückzuführen. Deutschland, das 1990 mit 24 % den höchsten Anteil aller Bestände österreichischer Direktinvestitionen im Ausland aufwies, rangierte zwar auch 2018 noch auf Platz 1, der Anteil fiel jedoch auf 15 Prozent. Überflügelt wurde Deutschland von der Dynamik der Staaten Mittelosteuropas3: Entfielen 1990 lediglich 11 Prozent auf diese Ländergruppe, war dieser Anteil 2018 auf 40,5 Prozent gestiegen und hatte sich somit nahezu vervierfacht. 1995 bis heute: Beitritt Österreichs zur EU und Einführung des Euro Neben den Direktinvestitionen zeigt auch die Entwicklung des deutschen Anteils an österreichischen Exporten diese Entwicklung. Der deutsche Anteil, der zu Beginn der 1990er Jahre noch ein All-Time-High von 40 Prozent erreicht, sank graduell auf rund 30 Prozent, wo er seitdem auch verblieb. Zurückzuführen ist dies auf eine schwächere Dynamik der österreichischen Warenexporte nach Deutschland im Vergleich zu den Warenexporten insgesamt. Neben des Falls des Eisernen Vorhangs, der deutschen Wiedervereinigung und dem Aufholprozess Mitteleuropas kam es in den 1990er Jahren zu zwei weiteren überaus folgenreichen Ereignissen: Zum einen trat Österreich 1995 gemeinsam mit Finnland und Schweden der Europäischen Union bei. Österreich und Deutschland wurden zudem noch Gründungsmitglieder der Europäischen Währungsunion, im Zuge dessen der Euro im Jahr 2002 als Bargeld eingeführt wurde. Gemäß Breuss (2015) konnte Österreich – unter anderem auch durch den EU-Beitritt – erfolgreicher an der Globalisierung der 1990er und 2000er Jahre profitieren, indem es seine Exportstruktur auch insgesamt stärker geographisch diversifizierte. 3 OeNB-Definition: Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Mazedonien, Republik Moldau, Montenegro, Polen, Rumänien, Russland, Serbien, Slowakische Republik, Slowenien, Tschechische Republik, Ukraine, Ungarn, Weißrussland.
100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN 7 Felbermayr et al. (2018a) schätzen, dass Österreich ungefähr 8 Prozent und Deutschland etwa 5 Prozent seiner Wirtschaftsleistung seiner Mitgliedschaft in der EU zu verdanken hat, sowie dass alle Mitgliedsstaaten signifikant von der EU profitiert haben. Ende des 20. Jahrhunderts waren Österreich und Deutschland stärker wirtschaftlich integriert als je zuvor. Die große Rezession 2008/09 Jahre zeigte in dieser Hinsicht einen wesentlichen Vorteil dieser Integration der beiden Volkswirtschaften. So hatten sich in bereits vor der Krise innerhalb Europas mehrere Länder- Cluster herausgebildet, wobei in Bezug auf Produktivitätsentwicklung und Performance im Zuge und nach der Krise der sogenannte „Central European Manufacturing Core“ heraussticht. Dieser Produktionsverbund umfasst Deutschland als Technologiegeber, Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei als Technologienehmer und Österreich in einer Mittelposition (vgl. Stehrer und Stöllinger, 2015).
8 100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN 3. Aktuelle wirtschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und Österreich 3.1. Direktinvestitionen Direktinvestitionen können aus passiver und aktiver Sicht betrachtet werden. Passive Direktinvestitionen beschreiben dabei Investitionen, die von ausländischen Unternehmen im Inland getätigt werden, während sich aktive Direktinvestitionen auf Investitionen von inländischen Unternehmen im Ausland beziehen. Die regionale Struktur der Direktinvestitionsbestände Österreichs im Jahr 2018 ist in Tabelle 1 dargestellt. Insgesamt bestehen Direktinvestitionsverflechtungen von ausländischen Unternehmen nach Österreich in Höhe von 176,3 Mrd. Euro. Mit 96 Mrd. Euro kommt der Großteil aus anderen EU-Staaten. Deutschland ist mit 52,7 Mrd. Euro (29,9 Prozent der gesamten passiven Direktinvestitionsbestände) der bedeutendste Kapitalgeber, gefolgt von Russland, den USA, der Schweiz und den Vereinigten Arabischen Emiraten (UAE). Auf Seite der aktiven Direktinvestitionen ist Deutschland ebenso das bedeutendste Zielland. Insgesamt sind österreichische Unternehmen mit 203 Mrd. Euro im Ausland investiert, 15 Prozent des Kapitals sind dabei in Deutschland verortet. Es fällt auf, dass der Anteil der EU-Staaten bei den aktiven Direktinvestitionen mit 71,5 Prozent deutlich höher ist als bei den passiven. Tabelle 1: Regionale Struktur der Direktinvestitionsbestände Österreichs, 2018 Passiv Aktiv Partner Mio. EUR % Partner Mio. EUR % Global 176.333 100,0% Global 202.973 100,0% EU-28 96.014 54,5% EU-28 145.172 71,5% Drittstaaten 80.319 45,5% Drittstaaten 57.801 28,5% Deutschland 52.689 29,9% Deutschland 30.438 15,0% Russland 24.271 13,8% Niederlande 29.316 14,4% USA 12.305 7,0% Luxemburg 13.577 6,7% Schweiz 11.024 6,3% Tschechien 12.903 6,4% UAE 10.445 5,9% USA 11.788 5,8% Quelle: OeNB Aus deutscher Perspektive sind die Investitionsverflechtungen mit Österreich naturgemäß aufgrund der Größe Deutschlands nicht von derart zentraler Bedeutung wie für Österreich, sie sind aber dennoch nicht zu vernachlässigen. Ausländische Unternehmen sind mit insgesamt 740,7 Mrd. Euro in Deutschland investiert. Mit 70,8 Prozent kommt die Mehrheit des Kapitals aus anderen EU-Staaten. Neben den Niederlanden zählen auch Luxemburg und die USA zu den wichtigsten Kapitalgeberländern. Österreich rangiert auf Platz 8. Vier Prozent der ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland stammen aus Österreich. Deutsche Unternehmen sind mit insgesamt 1.167 Mrd. Euro im Ausland investiert. Die USA sind das bedeutendste Zielland deutscher Investitionen: Mit 225,1 Mrd. Euro gehen 19,3 Prozent der
100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN 9 deutschen Direktinvestitionen an die USA. Österreich ist mit 3,8 Prozent und 44 Mrd. Euro ebenfalls ein bedeutendes Kapitalzielland für deutsche Investoren. Tabelle 2: Regionale Struktur der Direktinvestitionsbestände Deutschlands, 2017 Passiv Aktiv Partner Mio. EUR % Partner Mio. EUR % Global 740.696 100,0% Global 1.166.950 100,0% EU-28 524.621 70,8% EU-28 659.098 56,5% Drittstaaten 216.075 29,2% Drittstaaten 507.852 43,5% Niederlande 156.879 21,2% USA 225.101 19,3% Luxemburg 126.358 17,1% Luxemburg 141.919 12,2% USA 78.744 10,6% Niederlande 121.680 10,4% Schweiz 70.633 9,5% Vereinigtes Königreich 105.056 9,0% Österreich (Rang 8) 29.309 4,0% Österreich (Rang 7) 43.954 3,8% Quelle: Deutsche Bundesbank 3.2. Handel von Gütern und Dienstleistungen Neben den Direktinvestitionen ist auch der Handel mit Deutschland ein zentraler Pfeiler der österreichischen Wirtschaft. Nicht nur aus historischer Perspektive waren Deutschland und Österreich stets wichtige Handelspartner, sondern auch aktuell sind die beiden Staaten eng miteinander verbunden. Insbesondere in den letzten 20 Jahren hat sich der „Central European Manufacturing Core“ entwickelt, der den Produktionsverbund von Deutschland, Österreich, Polen, Slowakei, Tschechien und Ungarn beschreibt. Tabelle 3 beschreibt die Länderstruktur des Waren- und Dienstleistungshandels Österreichs im Jahr 2018. Insgesamt exportieren Unternehmen in Österreich 150,1 Mrd. Euro an Waren und 63,3 Mrd. Euro an Dienstleistungen. Demgegenüber stehen 156,1 Mrd. Euro an Waren- und 53 Mrd. Euro an Dienstleistungsimporten. Der Großteil des Außenhandels wird mit EU-Staaten vollzogen. Deutschland nimmt für Österreich aber eine äußerst bedeutende Rolle im Waren- und Dienstleistungshandel ein. Von den insgesamt rund 150,1 Mrd. Euro an Warenexporten gehen 30,1 Prozent (45,2 Mrd. Euro) an Deutschland. Warenimportseitig ist der Anteil Deutschlands mit 37,2 Prozent (55,9 Mrd. Euro) sogar höher. Im Bereich der Dienstleistungen gehen 40,4 Prozent (25,5 Mrd. Euro) der Exporte Österreichs nach Deutschland. Die vorläufigen Zahlen für den Warenhandel im Jahr 2019 sind in Tabelle 4 dargestellt. Die Warenexporte steigen dementsprechend leicht auf 153,8 Mrd. Euro an, die Importe erhöhen sich ebenso leicht auf 158,0 Mrd. Euro. Die Verflechtungen mit Deutschland bleiben in absoluten Zahlen stabil, wenngleich der Anteil des Außenhandels mit Deutschland am insgesamten Außenhandel leicht rückläufig ist. Diese Entwicklung ist seit 1990 zu beobachten. Abbildung 2 zeigt, dass die relative Bedeutung Österreichs als Exportmarkt für Deutschland, und Deutschlands als Exportmarkt für Österreich im Zeitablauf abgenommen hat. Gingen 1990 noch 38 Prozent der österreichischen Warenexporte nach Deutschland, ist dieser Anteil aktuell auf 29 Prozent gefallen. Umgekehrt ist der Anteil Österreichs an den deutschen Exporten nur um einen Prozentpunkt von circa 6 Prozent
10 100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN auf 5 Prozent gesunken und in den letzten Quartalen sogar wieder leicht angestiegen. Dies ist angesichts der großen Verschiebungen im Welthandel, die sich in den letzten 30 Jahren ereignet haben, eine bemerkenswerte Stabilität. Von einer Abkopplung der österreichischen von der deutschen Wirtschaft kann also keine Rede sein. Tabelle 3: Länderstruktur des österreichischen Außenhandels, 2018 Waren Dienstleistungen Export Import Saldo Export Import Saldo Mrd. EUR % Mrd. EUR % Mrd. EUR Mrd. EUR % Mrd. EUR % Mrd. EUR Global 150,1 100,0% 156,1 100,0% -6,0 63,3 100,0% 53,0 100,0% 10,3 EU-28 104,9 69,9% 110,3 73,5% -5,4 48,5 76,7% 42,0 79,3% 6,5 Euroraum 78,1 52,0% 87,3 58,2% -9,3 38,3 60,6% 30,3 57,1% 8,1 Drittstaaten 45,1 30,1% 45,7 30,5% -0,6 14,7 23,3% 11,0 20,7% 3,8 Deutschland 45,2 30,1% 55,9 37,2% -10,6 25,5 40,4% 15,7 29,7% 9,8 Vereinigte Staaten 10,6 7,1% 6,0 4,0% 4,6 2,0 3,2% 2,2 4,1% -3,5 Italien 9,8 6,5% 10,0 6,6% -0,2 2,8 4,5% 3,0 5,7% -0,2 Schweiz 7,0 4,7% 6,8 4,5% 0,2 4,9 7,8% 2,2 4,2% 2,7 Frankreich 6,4 4,3% 4,3 2,9% 2,1 1,4 2,2% 1,2 2,2% 0,2 Quelle: Statistik Austria, OeNB Tabelle 4: Länderstruktur des österreichischen Warenhandels, 2019 Waren Export Import Saldo Mrd. EUR ∆ Vorjahr % Mrd. EUR ∆ Vorjahr % Mrd. EUR Global 153,8 3,7 100,0% 158,0 1,9 100,0% -4,2 EU-28 107,2 2,3 69,7% 110,8 0,5 70,1% -3,6 Euroraum 79,2 1,1 51,5% 87,4 0,1 55,3% -8,2 Drittstaaten 46,6 1,5 30,3% 47,2 1,5 29,9% -0,6 Deutschland 45,1 -0,1 29,3% 55,3 -0,6 35,0% -10,2 Vereinigte Staaten 10,2 -0,4 6,6% 7,1 1,1 4,5% 3,1 Italien 9,8 0,0 6,4% 10,4 0,4 6,6% -0,6 Schweiz 7,3 0,3 4,7% 6,1 -0,7 3,9% 1,2 Frankreich 6,7 0,3 4,4% 4,2 -0,1 2,7% 2,5 Quelle: Statistik Austria, vorläufige Zahlen Die zentrale Bedeutung Deutschlands spiegelt sich auch in einer regionalen Betrachtung des Warenhandels Österreichs wider. So ist Deutschland für jedes österreichische Bundesland der wichtigste Außenhandelspartner. Insbesondere für Salzburg und Oberösterreich ist die Bedeutung Deutschlands hervorgehoben: 45,1 Prozent der Warenexporte Salzburgs sowie 41,6 Prozent der Warenexporte Oberösterreichs gehen nach Deutschland (vgl. Tabelle 5).
100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN 11 Abbildung 2: Anteile der Exporte an den Gesamtexporten (Warenhandel, %) 43% 6,5% 41% 39% 6,0% 37% 5,5% Österreichs nach 35% Deutschland, linke 33% Achse 5,0% 31% Deutschlands nach 29% 4,5% Österreich, rechte 27% Achse 25% 4,0% 1994M12 2014M12 1990M12 1992M12 1996M12 1998M12 2000M12 2002M12 2004M12 2006M12 2008M12 2010M12 2012M12 2016M12 2018M12 Quelle: DoTS, eigene Berechnungen und Darstellung. 12-Monats-Summen, Dez. 1990 bis Okt. 2019. Tabelle 5: Regionale Struktur des österreichischen Warenhandels mit Deutschland, 2018 Exporte nach Deutschland Importe aus Deutschland Mrd. EUR Prozent Mrd. EUR Prozent Salzburg 5,95 45,1% 3,16 29,2% Oberösterreich 12,02 41,6% 14,33 37,5% Vorarlberg 3,04 38,2% 3,11 29,6% Steiermark 7,12 36,9% 6,9 27,9% Tirol 4,3 36,0% 3,53 27,8% Wien 12,36 32,4% 4,54 23,3% Kärnten 2,18 31,0% 2,36 29,1% Burgenland 0,8 30,9% 0,65 28,3% Niederösterreich 7,9 29,6% 6,67 28,8% Quelle: Statistik Austria Im Unterschied zu Österreich fällt bei der Betrachtung der Länderstruktur des deutschen Außenhandels (Tabelle 6) ein höheres Maß an Diversifizierung auf. Einerseits ist Deutschland stärker mit Nicht-EU-Staaten, insbesondere den Vereinigten Staaten und China, vernetzt. Andererseits ist kein Handelspartner für Deutschland von derart zentraler Bedeutung wie Deutschland für Österreich. Der wichtigste Handelspartner für Deutschland sind die Vereinigten Staaten. Von den insgesamt 1.317,4 Mrd. Euro an Warenexporten gehen 113,3 Mrd. Euro (8,6 Prozent) in die USA. Im Dienstleistungsbereich nehmen die Vereinigten Staaten mit einem Anteil von 13,9 Prozent der Exporte eine noch größere Bedeutung ein. Österreich ist Abnehmer von 4,9 Prozent der deutschen Waren- und 3,3 Prozent der Dienstleistungsexporte, während Deutschland 3,9 Prozent ihrer Waren- und 5,7 Prozent ihrer Dienstleistungsimporte aus
12 100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN Österreich bezieht.4 Damit rangiert Österreich unter den zehn wichtigsten Handelspartnern Deutschlands. Genauer: im Warenhandel war 2018 Österreich für Deutschland die siebtwichtigste Exportdestination und die zehntwichtigste Importquelle. Tabelle 7 stellt die vorläufigen Warenexporte und -importe für das Jahr 2019 dar. Während für den gesamten Warenhandel sowohl import- als auch exportseitig ein Plus zu verzeichnen ist, gehen die Exporte in andere EU-Länder leicht zurück. Treiber sind hier insbesondere geringere Exporte ins Vereinigte Königreich und Irland. Tabelle 6: Länderstruktur des deutschen Außenhandels, 2018 Waren Dienstleistungen Export Import Saldo Export Import Saldo Mrd. EUR % Mrd. EUR % Mrd. EUR Mrd. EUR % Mrd. EUR % Mrd. EUR Global 1317,4 100,0% 1088,7 100,0% 228,7 290,6 100,0% 310,2 100,0% -19,6 EU-28 778,6 59,1% 623,1 57,2% 155,5 150,1 51,7% 181,4 58,5% -31,3 Euroraum 492,5 37,4% 405,0 37,2% 87,5 95,7 32,9% 118,9 38,3% -23,2 Drittstaaten 538,8 40,9% 465,6 42,8% 73,2 140,5 48,3% 128,8 41,5% 11,7 Vereinigte Staaten 113,3 8,6% 64,5 5,9% 48,8 43,3 13,9% 40,5 13,1% 2,7 Frankreich 105,4 8,0% 65,0 6,0% 40,3 20,5 6,6% 18,4 5,9% 2,1 China 93,0 7,1% 106,1 9,7% -13,1 - - 7,4 2,4% - Niederlande 91,1 6,9% 97,7 9,0% -6,6 17,9 5,8% 17,5 5,7% 0,4 Vereinigtes Königreich 82,2 6,2% 37,0 3,4% 45,1 26,6 8,6% 25,6 8,3% 1,0 Österreich 65,0 4,9% 43,0 3,9% 22,0 10,1 3,3% 17,8 5,7% -7,6 Quelle: Deutsches Statistisches Bundesamt Tabelle 7: Länderstruktur des deutschen Warenhandels, 2019 Waren Export Import Saldo Mrd. EUR ∆ Vorjahr % Mrd. EUR ∆ Vorjahr % Mrd. EUR Global 1327,8 10,4 100,0% 1109,3 20,6 100,0% 218,5 EU-28 777,3 -1,3 58,5% 631,4 8,3 56,9% 145,9 Euroraum 492,2 -0,3 37,1% 409,2 4,2 36,9% 83,0 Drittstaaten 550,5 11,7 41,5% 477,9 12,3 43,1% 72,6 Vereinigte Staaten 118,7 5,4 8,9% 73,1 8,6 6,6% 45,6 Frankreich 106,8 1,4 8,0% 66,2 1,2 6,0% 40,6 China 96,0 3,0 7,2% 110,7 4,6 10,0% -14,7 Niederlande 91,7 0,6 6,9% 98,7 1,0 8,9% -7,0 Vereinigtes Königreich 78,7 -3,5 5,9% 38,4 1,4 3,5% 40,3 Österreich 65,9 0,9 5,0% 44,0 1,0 4,0% 21,9 Quelle: Deutsches Statistisches Bundesamt, vorläufige Zahlen Setzt man die Exporte aus deutschen Bundesländern nach Österreich in Relation zu den Gesamtexporten Deutschlands nach Österreich und umgekehrt, so ergeben sich die Exportintensitäten deutscher Bundesländer hinsichtlich Österreichs und die Exportintensitäten österreichischer Bundesländer hinsichtlich Deutschlands. Diese sind in Abbildung 3 dargestellt. 4 Beim Vergleich von Tabelle 7 mit Tabelle 4 werden die Asymmetrien in der Außenhandelsstatistik deutlich. Laut Statistik Austria importiert Österreich 2019 Waren im Wert von 55,3 Mrd. EUR aus Deutschland, während das Deutsche Statistische Bundesamt Exporte nach Österreich im Wert von 65,9 Mrd. EUR ausweist. Derartige Diskrepanzen sind trotz stetiger Bemühungen der Vereinheitlichung auf europäischer Ebene üblich und können auf mehrere Gründe zurückzuführen sein. Dazu gehören u.a. Unterschiede in der Bewertung der Transport- und Versicherungskosten oder in der Bewertung von Handel zwischen verflochtenen Unternehmen (vgl. Deutsches Statistisches Bundesamt, 2019).
100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN 13 Es zeigt sich, dass unter den deutschen Bundesländern vor allem Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt überdurchschnittlich viel an Waren nach Österreich liefern. Umgekehrt stechen unter den österreichischen Bundesländern vor allem Oberösterreich, aber auch Salzburg, Kärnten und im Westen Vorarlberg hervor. Abbildung 3: Regionale Bedeutung des Nachbarlandes für deutsche und österreichische Regionen im Warenexport 2018 Quelle: Deutsches Statistisches Bundesamt, Statistik Austria. 3.3. Deutsch-österreichische Zahlungsbilanz Österreich hat traditionell ein Leistungsbilanzdefizit gegenüber Deutschland. Im Warenhandel überstiegen die Importe die Exporte im Jahr 2018 um den Betrag von circa 22 Milliarden Euro (Abbildung 4). Im Dienstleistungshandel erwirtschaftete Österreich allerdings einen Überschuss, der im Jahr 2018 fast 8 Milliarden Euro betrug. Deutschland erzielte wiederum in Österreich einen Überschuss im Primäreinkommen, dem Saldo der Erwerbs- und Vermögenseinkommen. Wie Abbildung 4 zeigt, übersteigen die Einkünfte Deutschlands in Österreich jene Österreichs in Deutschland um circa 5 Milliarden Euro pro Jahr. Das hat vor allem mit den deutschen Direktinvestitionen in Österreich zu tun, die deutlich über jenen Österreichs in Deutschland liegen. Die Leistungsbilanz bezieht darüber hinaus noch Transfers (Überweisungen ohne erkennbare Gegenleistungen) ein; sie zeigt aus österreichischer Sicht einen negativen Saldo, der seit 2006 jedoch nominal konstant ist; in Prozent des österreichischen Bruttoinlandsprodukts ist das Leistungsbilanzdefizit seitdem kontinuierlich zurückgegangen, von circa 6,4 im 3. Quartal 2006
14 100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN auf 4,2 Prozent im 3. Quartal 2019.5 In den letzten Jahrzehnten ist die bilaterale deutsch- österreichische Leistungsbilanz also ausgeglichener geworden. Abbildung 4: Österreichs Leistungsbilanz mit Deutschland und ihre Salden, Summen über letzte vier Quartale, Q4 1999 bis Q3 2019 10 5 0 Sekundäreinkommen -5 Primäreinkommen Mrd. € -10 Dienstleistungen -15 Waren -20 Leistungsbilanz -25 -30 1999-10 2002-10 2005-10 2008-10 2011-10 2014-10 2017-10 Quelle: Bundesbank; eigene Darstellung. 5 Summen der letzten vier Quartale bis zum Berichtsquartal.
100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN 15 4. Volkswirtschaftliche Bedeutung der wirtschaftlichen Beziehung für Österreich 4.1. Gesamtwirtschaftliche Bedeutung von Direktinvestitionen aus Deutschland Grundlage für die Quantifizierung der Bedeutung von deutschen Direktinvestitionen in Österreich ist die Branchenstruktur deutscher Unternehmen in Österreich. Statistik Austria erhebt dies im Rahmen der Statistik der Auslandsunternehmenseinheiten auf jährlicher Basis. Es werden dabei Unternehmen erfasst, die zu mehr als 50 Prozent in deutschem Eigentum stehen. Die Ergebnisse für die derzeit aktuellen Werte aus dem Jahr 2017 sind in Tabelle 8 dargestellt. Insgesamt agieren 4.480 deutsche Unternehmen in Österreich, beschäftigen 300.313 Personen und produzieren Waren und Dienstleistungen im Wert von 56,7 Mrd. Euro. Zum Vergleich: In Österreich sind 338.948 Unternehmen mit 2,97 Mio. Beschäftigten aktiv und produzieren Waren und Dienstleistungen im Wert von 759 Mrd. Euro. Auf Branchenebene dominieren der Handel mit 133.233 Beschäftigten und 14,5 Mrd. Euro Produktionswert sowie die Industrie (i.e. Herstellung von Waren) mit 77.342 Beschäftigten und knapp 27 Mrd. Euro Produktionswert. Weiters von Bedeutung sind die Branchen Information und Kommunikation, der Verkehr, der Tourismus (Beherbergung und Gastronomie), Finanz- und Versicherungsdienstleistungen sowie freiberufliche und technische Dienstleistungen. Letzteres umfasst insbesondere Rechts- & Steuerberatung, Unternehmensberatung, Werbe-, Marktforschungs- und F&E-Dienstleistungen, sowie Dienstleistungen von Architektur- und Ingenieurbüros. Tabelle 8: Branchenstruktur deutscher Unternehmen in Österreich, 2017 Unternehmen Beschäftigte Produktionswert ÖNACE Anzahl Prozent Anzahl Prozent Mio. EUR Prozent B Bergbau 14 0,3% 329 0,1% 96 0,2% C Herstellung von Waren 485 10,8% 77.342 25,8% 26.966 47,6% D Energieversorgung 32 0,7% 112 0,0% 293 0,5% E Wasserversorgung und Abfallentsorgung 22 0,5% 302 0,1% 100 0,2% F Bau 146 3,3% 3.291 1,1% 1.170 2,1% G Handel 1.790 40,0% 133.233 44,4% 14.552 25,7% H Verkehr 129 2,9% 16.930 5,6% 2.869 5,1% I Beherbergung und Gastronomie 233 5,2% 8.315 2,8% 749 1,3% J Information und Kommunikation 412 9,2% 12.241 4,1% 2.433 4,3% K Finanz- und Versicherungsleistungen 79 1,8% 5.568 1,9% 2.436 4,3% L Grundstücks- und Wohnungswesen 390 8,7% 740 0,2% 516 0,9% M Freiberufliche/techn. Dienstleistungen 485 10,8% 9.175 3,1% 1.599 2,8% N Sonst. wirtschaftl. Dienstleistungen 259 5,8% 32.697 10,9% 2.925 5,2% S Sonst. Dienstleistungen 4 0,1% 38 0,0% 4 0,0% Gesamt 4.480 100,0% 300.313 100,0% 56.708 100,0% Statistik Austria, Sonderauswertung
16 100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN Diese Zahlen beschreiben die direkte Bedeutung der deutschen Unternehmen in Österreich. Ihre gesamtwirtschaftliche Bedeutung geht aber darüber hinaus, da die jeweiligen Unternehmen Vorleistungen von österreichischen Unternehmen beziehen. Die Produktion, Wertschöpfung und Beschäftigung, die mit der Nachfrage von deutschen Unternehmen nach Vorleistungen verbunden sind, werden als indirekte Effekte bezeichnet. Mittels Input-Output-Tabellen, die die Liefer- und Vorleistungsverflechtungen innerhalb der österreichischen Wirtschaft abbilden, kann die gesamtwirtschaftliche Bedeutung abgeschätzt werden. Tabelle 9: Gesamtwirtschaftliche Bedeutung deutscher Unternehmen in Österreich, 2017 Direkter Indirekter Gesamtwirtschaftlicher Effekt Multiplikator Effekt Effekt (direkt + indirekt) Produktion (Mio. EUR) 56.708 30.423 87.131 1,54 Wertschöpfung (Mio. EUR) 23.750 14.673 38.423 1,62 Beschäftigung (Vollzeitäquivalente) 300.313 180.658 480.971 1,60 Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnungen Tabelle 9 stellt die Ergebnisse der Input-Output-Analyse dar. Die direkte Bedeutung belaufen sich auf einen Produktionswert von 56,7 Mrd. Euro, 300.313 Beschäftigte und eine inländische Wertschöpfung in Höhe von 23,75 Mrd. Euro. Die indirekten Effekte, die auf Vorleistungsverflechtungen innerhalb Österreichs zurückzuführen sind, betragen zusätzlich 30,4 Mrd. Euro an Produktion, 14,7 Mrd. Euro an Wertschöpfung und 180.658 Beschäftigte. Gesamtwirtschaftlich sind deutsche Unternehmen in Österreich mit einem Produktionswert von 87,1 Mrd. Euro, einer Wertschöpfung von 38,4 Mrd. Euro sowie 480.971 beschäftigten Personen verbunden.6 Der Multiplikator, der das Verhältnis von gesamtwirtschaftlicher zu direkter Beschreibung beschreibt, sagt aus, dass für jeden Euro an Produktionswert, der in Österreich von deutschen Unternehmen geschaffen wird, 1,54 Euro an Produktion in der österreichischen Wirtschaft insgesamt entstehen. Zudem zeigt die Input-Output-Analyse die branchenspezifische Bedeutung deutscher Unternehmen in Österreich. Abbildung 5 stellt die Branchenstruktur der direkten und indirekten Wertschöpfung deutscher Unternehmen in Österreich dar. Es zeigt sich, dass der Handel und die Industrie mit einer direkten Wertschöpfung von je mehr als acht Mrd. Euro dominieren. Vor allem auf indirektem Wege profitieren auch freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen, sowie das Immobilienwesen. 6 Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass die gesamtwirtschaftliche Bedeutung von Exporten nach Deutschland und die Bedeutung von deutschen Direktinvestitionen in Österreich nicht unabhängig voneinander sind. Eine Aussage über die gesamte Bedeutung von Exporten und Direktinvestitionen für Beschäftigung oder Output kann dementsprechend nicht erfolgen. Es handelt sich im Übrigen auch nicht um die kausalen Effekte deutscher Unternehmen auf die genannten Variablen in Österreich, weil dafür die Bestimmung eines counterfactuals (der hypothetischen Situation in Österreich ohne deutsche Unternehmen) erforderlich wäre.
100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN 17 Abbildung 5: Direkte und indirekte Bedeutung deutscher Unternehmen für die Wertschöpfung in Österreich nach Branchen, 2017 in Mio. Euro Handel 8.190,3 1.558,5 Industrie 8.017,6 1.877,0 Sonstige wirtschaftl. Dienstleistungen 1.827,7 1.754,7 Information und Kommunikation 1.249,1 789,0 Verkehr und Lagerei 1.238,3 1.501,8 Finanzdienstleistungen 1.162,5 1.387,1 Freiberufliche, wissenschaftl. und 869,8 technische Dienstleistungen 1.958,4 Tourismus und Gastronomie 475,8 direkt 211,3 indirekt Bau 403,6 672,0 Immobilienwesen 156,6 1.462,3 Energieversorgung 54,2 337,9 Bergbau 53,7 154,3 Wasserversorgung und Abfallentsorgung 48,2 337,9 Land- und Fortswirtschaft, Fischerei 0,0 313,5 Sonstiges 2,6 255,0 0 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000 Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnungen. 4.2. Gesamtwirtschaftliche Bedeutung Deutschlands als Exportdestination für Österreich Mittels Input-Output-Analyse kann weiters die Bedeutung Deutschlands als Exportmarkt für die österreichische Wirtschaft abgeschätzt werden. Neben der direkten Bedeutung, die durch die Exporte nach Deutschland dargestellt ist (siehe Tabelle 3), sind zudem die indirekten Effekte relevant, die auf Lieferverflechtungen in der Produktion der Exporte innerhalb Österreichs zurückzuführen sind. Für die Input-Output-Analyse muss eine Abschätzung der Branchenstruktur österreichischer Exporte nach Deutschland erfolgen. Im Rahmen der vorliegenden Studie werden dazu Daten der World Input Output Datenbank (WIOD, Timmer et al., 2015) sowie von Statistik Austria herangezogen.
18 100 JAHRE DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN Tabelle 10 zeigt die gesamtwirtschaftliche Bedeutung österreichischer Waren- und Dienstleistungsexporte nach Deutschland im Jahr 2018. Auf direktem Weg sind die Handelsverflechtungen mit Deutschland mit einer Produktion von rund 70,8 Mrd. Euro verbunden, die sich in 24,3 Mrd. Euro an Wertschöpfung und 254.205 Beschäftigungsverhältnissen (Vollzeitäquivalente) äußern. Die indirekten Effekte, die innerhalb Österreichs aufgrund von Lieferverflechtungen entstehen, belaufen sich auf einen Produktionswert von 39,8 Mrd. Euro, eine Wertschöpfung in Höhe von 16,9 Mrd. Euro sowie 182.071 Beschäftigungsverhältnissen. Insgesamt ergibt sich daraus eine gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Exporte nach Deutschland in Höhe von 110,6 Mrd. Euro an Produktionswert, 41,3 Mrd. Euro an Wertschöpfung und 436.276 Vollzeitjobs. Das Verhältnis der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung zum direkten Effekt ergibt wiederum den Multiplikator. Jeder Euro, den österreichische Unternehmen nach Deutschland exportieren, ist mit einer 1,56-fach höheren Produktion in Österreich verbunden. Tabelle 10: Gesamtwirtschaftliche Bedeutung österreichischer Waren- und Dienstleistungsexporte nach Deutschland, 2018 Direkter Indirekter Gesamtwirtschaftlicher Effekt Multiplikator Effekt Effekt (direkt + indirekt) Produktion (Mio. EUR) 70.777 39.824 110.601 1,56 Wertschöpfung (Mio. EUR) 24.340 16.949 41.289 1,70 Beschäftigung (Vollzeitäquivalente) 254.205 182.071 436.276 1,72 Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnungen Die Effekte werden weiters auf Branchenebene dargestellt werden. Abbildung 6 veranschaulicht die direkte und indirekte Bedeutung der Exporte nach Deutschland für die Beschäftigung im Jahr 2018. Dabei zeigt sich, dass insbesondere in der Industrie viele Beschäftigungsverhältnisse am Außenhandel mit Deutschland hängen. 136.450 Vollzeitjobs in der österreichischen Industrie sind direkt mit Exporten nach Deutschland verbunden, zusätzliche 33.200 Beschäftigungsverhältnisse über indirekte Verflechtungen. Neben dem Handel profitieren außerdem freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen von den Handelsverflechtungen mit Deutschland. Darunter sind insbesondere Rechts- & Steuerberatung, Unternehmensberatung, Werbe- und Marktforschungsdienstleistungen, F&E sowie Dienstleistungen von Architektur- und Ingenieurbüros subsummiert.
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