Die Zukunft der Tabakregulierung in Deutschland Teil IV - Die Auswirkungen unterschiedlicher Ansätze auf die Raucherprävalenz bei der Regulierung ...

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Die Zukunft der Tabakregulierung in Deutschland Teil IV - Die Auswirkungen unterschiedlicher Ansätze auf die Raucherprävalenz bei der Regulierung ...
Die Zukunft der
Tabakregulierung
in Deutschland
Teil IV

Die Auswirkungen unterschiedlicher
Ansätze auf die Raucherprävalenz bei der
Regulierung risikoreduzierter Produkte
Die Zukunft der Tabakregulierung in Deutschland Teil IV - Die Auswirkungen unterschiedlicher Ansätze auf die Raucherprävalenz bei der Regulierung ...
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1:   Entwicklung der Regulierung risikoreduzierter Produkte in Deutschland Seite 9
Abb. 2: 	Entwicklung der Prävalenzrate des Rauchens sowie
          risikoreduzierter Produkte unter Erwachsenen in Deutschland Seite 10
Abb. 3:   Nutzer von E-Zigaretten nach Rauchstatus in Deutschland, 2018 Seite 10
Abb. 4: 	Entwicklung der Prävalenzrate des Rauchens sowie
          risikoreduzierter Produkte unter Jugendlichen in Deutschland Seite 11
Abb. 5:   Entwicklung der Regulierung risikoreduzierter Produkte in Großbritannien Seite 14
Abb. 6: 	Entwicklung der Prävalenzrate des Rauchens sowie risikoreduzierter Produkte
          unter Erwachsenen – Vergleich Großbritannien und Deutschland Seite 15
Abb. 7:   Nutzer von E-Zigaretten nach Rauchstatus in Großbritannien und Deutschland, 2018 Seite 15
Abb. 8: 	Entwicklung der Prävalenzrate des Rauchens sowie risikoreduzierter Produkte
          unter Jugendlichen – Vergleich Großbritannien und Deutschland Seite 16
Abb. 9:   Entwicklung der Regulierung risikoreduzierter Produkte in den USA Seite 19
Abb. 10: 	Entwicklung der Prävalenzrate des Rauchens sowie risikoreduzierter Produkte
           unter Erwachsenen – Vergleich Großbritannien und USA Seite 21
Abb. 11: 	Nutzer von E-Zigaretten nach Rauchstatus in Großbritannien und den USA, 2018 Seite 21
Abb. 12: 	Entwicklung der Prävalenzrate des Rauchens sowie risikoreduzierter Produkte
            unter Jugendlichen – Vergleich Großbritannien und USA Seite 22
Abb. 13: Entwicklung der Regulierung konventioneller und risikoreduzierter Produkte in Australien Seite 23
Abb. 14: 	Entwicklung der Prävalenzrate unter Erwachsenen und Jugendlichen in Australien Seite 24
Abb. 15: 	Entwicklung der Prävalenzrate des Rauchens unter Erwachsenen –
           Vergleich Großbritannien und Australien Seite 24
Abb. 16: Wahrnehmung des Risikos von E-Zigaretten unter Rauchern Seite 28
Abb. 17: Gründe für den Konsum von E-Zigaretten Seite 28
3

     Inhaltsverzeichnis
                                   Zusammenfassung
                                        Seite 4

                                       Kapitel 1
                           Das deutsche Regulierungssystem
                            auf Basis des Vorsorgeprinzips
                                        Seite 7

                                       Kapitel 2
                             Großbritannien als Beispiel für
                        eine transformierende Tabakregulierung
                                        Seite 12

                                      Kapitel 3
                        Fehlender Jugendschutz in den USA und
                         Grenzen der Regulierung in Australien
                                       Seite 18

                                       Kapitel 4
                                 Ausgestaltung einer
                             innovativen Tabakregulierung
                                       Seite 26

                                         Quellen
                                         Seite 29

                                       Impressum
                                         Seite 31

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im gesamten Text nur die männliche Form verwendet.
                    Selbstverständlich sind beide Geschlechter gemeint.
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    Zusammenfassung
    S       eitdem risikoreduzierte Tabakprodukte wie
            E-Zigaretten und Tabakerhitzer auf den Markt
            gekommen sind, wird der regulatorische Um-
                                                                Raucherinnen ist dieses noch einmal stärker ausge-
                                                                prägt als bei männlichen Rauchern.
                                                                    Risikoreduzierte Tabakprodukte könnten deshalb
    gang mit diesen Produkten eingehend diskutiert. In          gerade bei Rauchern mit einem ausgeprägten Gesund-
    der Folge kam es international zu unterschiedlichen         heitsbewusstsein, die nicht mit dem Rauchen aufhö-
    Regulierungsansätzen. Diese reichen von einem kom-          ren, eine Alternative zur klassischen Zigarette darstel-
    pletten Nutzungsverbot der Produkte wie etwa in Sin-        len. Bei der Nutzung dieser Alternative wären die
    gapur bis zu einer strategischen Integration der Pro-       gesundheitspolitisch erstrebenswerten Effekte auf die
    dukte in die Tabakkontrollpolitik zur Senkung der           Lebensqualität substanziell: Wird der regulatorische
    gesundheitlichen Gefahr durch das Rauchen wie in            Rahmen so angepasst, dass die Hälfte der Raucher in
    Großbritannien. Dieser vierte Teil der Studienreihe zur     Deutschland auf risikoreduzierte Produkte umsteigt,
    Zukunft der Tabakregulierung in Deutschland ver-            könnte die Lebensqualität in der Bevölkerungsgruppe
    gleicht internationale Erkenntnisse verschiedener Re-       der 45- bis 64-Jährigen um bis zu 25% ansteigen. Dabei
    gulierungsansätze aus Deutschland, Großbritannien,          wird die Lebensqualität als Verringerung der krank-
    den USA und Australien. Dabei soll aufgezeigt werden,       heitsbedingt beeinträchtigten Lebensjahre aller Rau-
    wie das Potenzial risikoreduzierter Produkte genutzt        cher ("Years lived with Disabilities" – YLDs) definiert.
    werden kann, ohne bisherige Erfolge in der Tabakprä-        Berücksichtigt werden bei dieser Berechnung vier typi-
    vention zu gefährden.                                       sche Folgeerkrankungen des Rauchens: Herzinfarkt,
                                                                Schlaganfall, Lungenkrebs und COPD (chronisch ob-
    FAZIT AUS DEN BISHERIGEN DREI STUDIEN                       struktive Lungenerkrankung).
    Vor allem bei Jugendlichen und Nichtrauchern hat sich           Welcher Regulierungsansatz darin erfolgreich sein
    die Tabakkontrollpolitik Deutschlands in der Vergan-        könnte, diese Gruppe zu erreichen, ohne bisherige Er-
    genheit als erfolgreich erwiesen. Diese hat das Ziel, den   folge der Tabakprävention insbesondere bei Jugendli-
    gesundheitsschädlichen Zigarettenkonsum in der Be-          chen zu gefährden, wird in dieser vorliegenden Studie
    völkerung zu minimieren. Zwar lassen sich auch bei          untersucht.
    den bestehenden Rauchern Erfolge erkennen, doch
    stößt sie dort teilweise an ihre Wirkungsgrenzen. Ins-      ZIELE, VORGEHENSWEISE, ERKENNTNISSE UND
    besondere in der Altersgruppe ab 50 Jahren gibt es im-      EINSCHRÄNKUNGEN DIESER STUDIE
    mer noch eine Vielzahl starker Raucher, die mehr als        Eine zielorientierte Regulierung bedarf einer soliden
    20 Zigaretten pro Tag rauchen. Nichtsdestotrotz ist wie     Datenbasis. Aktuell gibt es noch Datenlücken, sodass
    bei der gesamten Bevölkerung auch in dieser Bevölke-        eine abschließende empirische Auswertung regulato-
    rungsgruppe der gesellschaftliche Trend zu einem ge-        rischer Maßnahmen noch nicht möglich ist. Beispiele
    sundheitsbewussten Lebensstil erkennbar. Es zeigt           dafür sind das Wechselverhalten der ehemaligen Rau-
    sich, dass auch diese Gruppe von Rauchern ein starkes       cher sowie Zusammenhänge zwischen dem Konsum
    Gesundheitsbewusstsein hat. Gerade bei weiblichen           von Zigaretten und risikoreduzierten Produkten unter
5

Jugendlichen. Stattdessen kann aber eine sogenannte        lierung in Deutschland ist dabei, dass risikoreduzierte
Ereignisstudie durchgeführt werden, die mithilfe gra-      Produkte Jugendliche ansprechen und als Einstiegspro-
fischer Auswertungen aktuell verfügbarer Daten erste       dukte für das Zigarettenrauchen dienen könnten (soge-
vorsichtige Schlussfolgerungen über die Auswirkun-         nannter "Gateway"-Effekt). Das britische System be-
gen einzelner Regulierungsansätze auf die Raucher-         trachtet risikoreduzierte Produkte hingegen als Baustein
prävalenz, also den Anteil der Raucher in der Bevölke-     für die Reduktion des gesundheitlichen Risikos und
rung, zulässt. Genau das ist das Ziel dieser Studie. Sie   unterstützt im Gegensatz zu Deutschland aktiv den
soll einen Überblick über vier verschiedene Regulie-       Umstieg von Rauchern, die nicht aufhören, auf E-Ziga-
rungssysteme in den Jahren 2010 bis 2018 vermitteln        retten. Zudem differenziert Großbritannien in seiner
und dadurch gewonnene Erkenntnisse vergleichend            Regulierung deutlicher zwischen Produkten mit unter-
betrachten. Dies soll zur Orientierung in einem bis-       schiedlicher Schadstoffexposition. Gleichzeitig ist aber
lang wenig geordneten und deswegen unübersichtli-          auch dort – genau wie in Deutschland – die oberste Prä-
chen technologisch-regulatorischen Umfeld dienen.          misse, dass Jugendliche nicht dazu verleitet werden dür-
Die Studie soll zudem dazu beitragen, mehr Sicherheit      fen, mit dem Konsum der neuen Produkte zu beginnen.
hinsichtlich der Beurteilung von Regulierungsmaß-          Die Ergebnisse vorliegender Untersuchungen begrün-
nahmen mit Blick auf die Vereinbarkeit von Verbrau-        den in der Tat, dass im Bereich der Nutzung von E-Ziga-
cherschutz und Risikoreduktion zu schaffen. Sie adres-     retten durch Jugendliche besondere Wachsamkeit gebo-
siert eine diesbezüglich verständliche Unsicherheit,       ten ist. Zwar ist 2018 mit 3,5% in Großbritannien und
ohne den Anspruch zu erheben, diese abschließend           5,1% in Deutschland der Anteil der Jugendlichen, die
oder vollständig aufzulösen. Immerhin kann auf Basis       E-Zigaretten nutzen, in beiden Ländern gering. Die Wer-
der derzeit zur Verfügung stehenden Daten festgehal-       te verdeutlichen aber, dass dem Konsum von Tabakpro-
ten werden, dass zu Sorgen über eine Rückkehr zu ei-       dukten jeglicher Art unter Jugendlichen generell weiter-
nem Status quo ante wenig Anlass besteht, weder bei        hin größte Aufmerksamkeit beigemessen werden muss.
konventionellen noch bei neuartigen Tabakprodukten         Bei den Erwachsenen lässt sich in Großbritannien seit
oder E-Zigaretten. Tatsächlich deutet der Vergleich un-    Einführung der risikoreduzierten Produkte im Vergleich
terschiedlicher Regulierungsansätze in dieser Studie       mit Deutschland ein stärkerer Rückgang der Raucher-
darauf hin, dass durch einen transformierenden Regu-       prävalenz erkennen.
lierungsansatz nach britischem Vorbild bei gleichblei-         In der Gesamtschau überwiegen die Vorteile des
bend hohem Schutzniveau zusätzliche Verringerungen         britischen Systems im Vergleich mit Deutschland. Da-
von Gesundheitsrisiken erreicht werden können.             her nutzen wir es als Maßstab für einen anschließen-
    Zunächst betrachtet die Studie Regulierung sowie       den Vergleich mit zwei weiteren angelsächsischen Re-
Verbreitung risikoreduzierter Tabakprodukte in             gulierungssystemen, von denen eines restriktiver und
Deutschland und Großbritannien. In Deutschland wird        eines zurückhaltender ist. Während risikoreduzierte
auf Basis der europäischen Tabakproduktrichtlinie          Produkte in den USA zwischen 2010 und 2016 kaum re-
(englisch: Tobacco Products Directive, TPD) mit Aus-       guliert wurden, kommt die Regulierung in Australien
nahme der Besteuerung sowie der Warnhinweise keine         inzwischen fast einem Verkaufsverbot gleich. Und auch
weitreichende regulatorische Unterscheidung zwischen       dabei lässt sich kein Nachteil des auf einer Transforma-
konventionellen und risikoreduzierten Produkten vor-       tion des Marktes und des Konsumverhaltens zielenden
genommen. Der zugrunde liegende Gedanke der Regu-          britischen Systems erkennen: Während in den USA der
6

    Aspekt des Jugendschutzes vernachlässigt wurde und            als Kontrollzeitraum, um die Erkenntnisse außerdem
    es in der Folge zu einem Anstieg des Konsums von              zu validieren. Für alle Länder betrachten wir im We-
    E-Zigaretten unter Jugendlichen kam, werden in Austra-        sentlichen drei Aspekte:
    lien die Grenzen der Tabakregulierung deutlich: Vor           I.	die Entwicklung der Prävalenz konventioneller und
    allem in der Altersgruppe ab 55 Jahren kam es in den                risikoreduzierter Produkte unter Erwachsenen,
    letzten Jahren trotz einer äußerst strengen Regulierung       II.	die Aufteilung der Konsumenten risikoreduzierter
    konventioneller Produkte zu keinem weiteren Rück-                   Produkte nach Rauchstatus und
    gang des Zigarettenkonsums.                                   III.	die Entwicklung der Prävalenz konventioneller und
        Als vierter Teil unserer Studienreihe zeigt die vorlie-         risikoreduzierter Produkte unter Jugendlichen.
    gende Publikation, dass Regulierung konventioneller
    Tabakprodukte und neuartiger Produkte, Jugend-                Aufgrund der Datenlage zur Verwendung neuartiger
    schutz, Nichtraucherschutz und Reduktion des gesund-          Produkte ist die Aussagekraft der Daten teilweise ein-
    heitlichen Risikos bei bestehenden Rauchern keine             geschränkt. So kann zwar bei den Nutzern risikoredu-
    sich ausschließenden Gegensätze sein müssen. Wie              zierter Produkte unterschieden werden, ob sie zuvor
    anhand des angestellten Vergleichs deutlich wird, er-         geraucht haben oder aktuell parallel Zigaretten rau-
    möglicht ein weniger auf Verbote und Vorschriften,            chen. Es lässt sich jedoch nicht beurteilen, ob sie mit-
    sondern mehr auf die Transformation des Marktes und           hilfe der neuen Produkte oder sogar schon zuvor mit
    des Konsumverhaltens zielendes System, wie es in              dem Rauchen aufgehört haben. Auch kann insbeson-
    Großbritannien vorherrscht, beide verbraucherschutz-          dere bei den Jugendlichen nicht beurteilt werden, ob es
    politischen Ziele zu vereinen und eine Transformation         sich bei den Rauchern und den Nutzern von E-Zigaret-
    des Marktes hin zu risikoreduzierten Produkten zu er-         ten um dieselben Personen handelt (im Folgenden als
    reichen. Zudem sensibilisiert diese Studie dafür, dass        Dual User bezeichnet). Zudem liegt der Schwerpunkt
    aufgrund der noch fehlenden Datengrundlage einige             der Betrachtung aufgrund fehlender Daten zu anderen
    Forschungsfragen derzeit nicht beantwortet werden             neuartigen Produkten auf E-Zigaretten.
    können. Beispielsweise können Effekte vereinzelter                Darüber hinaus vergleichen wir in der vorliegen-
    Maßnahmen nicht untersucht werden. Insofern ist es            den Studie Daten aus verschiedenen Studien und Be-
    nicht möglich, eindeutige Schlussfolgerungen über das         fragungen. Die Vergleichbarkeit der Daten untereinan-
    richtige Maß an Differenzierung zwischen verschiede-          der ist insofern gewährleistet, als z.B. Altersgruppen,
    nen Produkten zu ziehen. Dies macht deutlich, dass            Definition der Konsumhäufigkeit sowie betrachtete
    weitere Anstrengungen zur Förderung wissenschaftlich          Produkte entsprechend ausgewählt wurden. Nichts-
    belegbarer Erkenntnisse notwendig sind.                       destotrotz bleibt anzumerken, dass vereinzelt unter-
                                                                  schiedliche Indikatoren auftreten können. So wird
    METHODISCHE ANMERKUNGEN                                       z.B. beim Konsum der Jugendlichen in den USA und
    Um eine Vergleichbarkeit der Daten zu gewährleisten,          Deutschland der Konsum innerhalb der letzten 30 Tage
    betrachten wir die Entwicklungen ab 2010. Denn ab             betrachtet, in Großbritannien hingegen regelmäßiger
    diesem Zeitpunkt sind in Deutschland, Großbritanni-           und gelegentlicher Konsum.
    en und den USA eindeutige Tendenzen des jeweiligen
    Regulierungssystems zu erkennen. Den Zeitraum zwi-            Mit der Durchführung der Studie wurden Roland Berger und das IPE
    schen 2000 und 2009 berücksichtigen wir zusätzlich            Institut für Politikevaluation von der Philip Morris GmbH beauftragt.
7

       1
   Das deutsche
Regulierungssystem
   auf Basis des
 Vorsorgeprinzips
8

    Das Vorsorgeprinzip als Leitgedanke                       le Tabakmarktregulierung in der EU zielt folglich vor
    der Tabakregulierung                                      allem darauf ab, Nichtraucher grundsätzlich vom
                                                              Konsum tabakhaltiger Produkte abzuhalten und
    Die europäische Tabakproduktrichtlinie 2014/40/EU         Raucher durch Aufklärungskampagnen und Regulie-
    (englisch kurz: TPD) hat die Tabakregulierung in Eu-      rungsmaßnahmen davon zu überzeugen, mit dem
    ropa vereinheitlicht.1 Hinsichtlich konventioneller Ta-   besonders schädlichen Konsum konventioneller Ta-
    bakprodukte setzt sie eine Verschärfung der Regulie-      bakerzeugnisse aufzuhören.6
    rung fort.2 Hierdurch sollen vor allem Jugendliche
    davon abgehalten werden, zur Zigarette zu greifen.        Versuche zur Gleichstellung von risikoreduzier-
    Aber auch erwachsene Raucher sollen dazu bewegt           ten Produkten und Verbrennungsprodukten
    werden, mit dem Rauchen aufzuhören. Ebenfalls von         schon vor Einführung der TPD in Deutschland
    der TPD erfasst werden risikoreduzierte Produkte wie
    E-Zigaretten oder Tabakerhitzer.                          Auf dem deutschen Markt wurden E-Zigaretten im
        Die TPD agiert auf Basis des sogenannten Vorsor-      Jahr 2006 eingeführt. Nachdem es zunächst keine Re-
    geprinzips, das erstmals in Art. 174 (2) des Vertrags     gulierung der Produkte gab, wurde frühzeitig ver-
    über die Europäische Gemeinschaft kodifiziert und         sucht, diese den konventionellen Tabakprodukten
    dessen Anwendungsbereich im Dezember 2000 mit             gleichzustellen. So kam es ab 2011 zeitweise zu einem
    der Annahme der Deklaration von Nizza über die Zu-        Verkaufsverbot von E-Zigaretten in Nordrhein-Westfa-
    kunft der Europäischen Union von der Umweltpolitik        len und Bayern (siehe Abbildung 1).7 Hessen verbot den
    auf den Bereich der Gesundheits- und Lebensmittelsi-      Konsum von E-Zigaretten überall dort, wo das Rau-
    cherheitspolitik ausgedehnt wurde. Das Vorsorge-          chen konventioneller Zigaretten untersagt war.8
    prinzip sieht im Kern vor, dass Regulierung zum               Die Umsetzung in nationales Recht erfolgte
    Schutz des Konsumenten in den Markt eingreifen            schließlich im Jahr 2016. Bereits seit ihrer Einfüh-
    soll, sobald ein Zweifel an der Sicherheit eines Pro-     rung 2014 war die TPD jedoch zentraler Orientie-
    dukts besteht.3 Im Geltungsbereich der TPD gilt die-      rungspunkt für Gerichtsentscheidungen. Seit dem
    ser Zweifel für neuartige Tabakerzeugnisse als be-        Zeitpunkt ihres Inkrafttretens ist deshalb in Deutsch-
    rechtigt. Und dies, obwohl andere Staaten – wie           land eine nur geringfügig veränderte Regulierung von
    Großbritannien, die USA oder Neuseeland – bereits         E-Zigaretten sowie neuartigen und konventionellen
    anerkannt haben, dass diese Produkte weniger schäd-       Tabakprodukten zu konstatieren. Schließlich wurde
    lich sind als konventionelle Tabakprodukte.4              in Deutschland 2020 ein Außenwerbeverbot für
        In der Konsequenz wurden risikoreduzierte Ta-         konventionelle Tabakprodukte, Tabakerhitzer und
    bakprodukte hinsichtlich der Genehmigung zum              E-Zigaretten beschlossen, das schrittweise ab 2021 in
    Verkauf sowie ihrer Bewerbung ähnlich wie konventi-       Kraft treten wird.
    onelle Produkte reguliert. Ausnahmen, welche die
    risikoreduzierten Produkte geringfügig besserstel-        Erste Befunde: Nutzer von E-Zigaretten
    len, lassen sich in der fehlenden bzw. geringeren Be-     rauchen häufig auch konventionelle Produkte
    steuerung von E-Zigaretten und neuartigen Tabaker-
    hitzern sowie in weniger strengen Auflagen für            Wie bereits im ersten Teil dieser Studienreihe darge-
    Warnhinweise in Deutschland erkennen.5 Die aktuel-        legt wurde, zeigt die Tabakregulierung in Deutsch-
9

Abb. 1     Entwicklung der Regulierung risikoreduzierter Produkte in Deutschland
  2000-05            2006          2007-10          2011            2012         2013          2014          2015         2016           2017-19

                                    Keine                                                                                            Keine
                                 eindeutige                                                                                      Anpassung der
                                Regulierung                                                                                       Regulierung

                Markteintritt                              Einige Bundesländer              Neufassung            Umsetzung der TPD
                   erster                                       behandeln                    der TPD:             in nationales Recht:
                E-Zigaretten                                 E-Zigaretten wie            Tabakerzeugnisse        Tabakerzeugnisgesetz
                                                              Zigaretten, z.B.            und verwandte           und Tabakerzeugnis-
                                                                hinsichtlich            Erzeugnisse werden       verordnung behandeln
                                                              Rauchverboten               gleich reguliert         Tabakerzeugnisse
                                                                                                                     und verwandte
                                                                                                                   Erzeugnisse gleich

                                            Zeitweise Verbote              Gerichtsurteile            TPD wird bereits
                                             von E-Zigaretten                  stellen                 als Grundlage
                                               in einzelnen                 E-Zigaretten              bei gerichtlichen
                                              Bundesländern                und Zigaretten             Entscheidungen
                                                                               gleich                     gesehen
Quelle: Eigene Darstellung (auf Grundlage verschiedener Quellen).

land sowohl bei den Erwachsenen als auch bei den                             liebtheit. So konsumierten 2018 2,6% der Bevölkerung
Jugendlichen wichtige Erfolge. Zwischen 2002 und                             regelmäßig E-Zigaretten.
2010 ging der Anteil der erwachsenen Raucher im Alter                            Ein Großteil dieser Nutzer gehört auch zur Gruppe
ab 18 Jahren jährlich um 1,3% von 30,4% auf 27,3%                            der Raucher: Bei 86% der Nutzer von E-Zigaretten han-
zurück (siehe Abbildung 2), zwischen 2010 und 2018                           delt es sich um Dual User (siehe Abbildung 3). Da diese
betrug der jährliche Rückgang weiterhin 1,2% bis auf                         weiterhin Zigaretten rauchen, scheint die Möglichkeit,
24,9%. Zugleich verdeutlicht die Betrachtung nach Al-                        das individuelle gesundheitliche Risiko zu verringern,
tersgruppen, dass die Regulierung vor allem bei Ziga-                        bisher von deutschen Rauchern nur in begrenztem
rettenkonsumenten, die älter als 50 Jahre sind, an ihre                      Maße genutzt zu werden. Lediglich ein Zehntel der
Grenzen stößt. Bei den Jugendlichen erweist sich die                         Nutzer sind ehemalige Raucher, denen der Umstieg
Regulierung hingegen als äußerst erfolgreich. Seit                           von Zigaretten auf E-Zigaretten gelungen sein könnte.
2001 sank der Anteil der 12- bis 17-Jährigen, die zur                        4% der Nutzer von E-Zigaretten haben niemals zuvor
Zigarette greifen, kontinuierlich von 28% auf knapp                          geraucht. Ist diese Gruppe der Letztgenannten auch
7% (siehe Abbildung 4). Das entspricht einem jährli-                         wesentlich geringer als die Zahl der Dual User, bietet
chen Rückgang von über 8%.                                                   diese Prozentzahl dennoch Anlass zu Besorgnis. Einge-
    Der ebenfalls betrachtete Konsum von E-Zigaretten                        hendere Untersuchungen bezüglich dieser Gruppe lie-
gewinnt bei Erwachsenen in Deutschland hingegen in                           gen derzeit noch nicht vor. Die Notwendigkeit einer
allerdings sehr verhaltenem Tempo eine gewisse Be-                           genaueren Untersuchung ist aber unbestritten. Erste
10

          Entwicklung der Prävalenzrate des Rauchens sowie risikoreduzierter
     Abb. 2
     Produkte unter Erwachsenen in Deutschland (in %)
     2001     2002     2003 2004 2005 2006               2007      2008 2009        2010     2011   2012     2013    2014     2015    2016     2017    2018

              30,4                               29,8
                               29,7                                28,2
                                                                                    27,3            27,2
                                                                                                                     26,8
                                                                                                                                      25,6             24,9

       Konventionelle Tabakprodukte
       Risikoreduzierte Produkte                                                                                                                        2,6
                                                                                                                                       1,2
     Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von Bennewitz, E. & Kaul, A. (2020). DKFZ (2014).                       0,4
     DKFZ (2016). DKFZ (2018) sowie eigene Schätzung auf Grundlage des SOEP.9

     Abb. 3 N
             utzer von E-Zigaretten nach Rauchstatus in Deutschland, 2018

                                      ehemalige
                                                                     10%
                                       Raucher*

             2,6%                   Nieraucher**               4%

                                      Dual User                                                                                           86%

                                                        0%                20%               40%               60%               80%               100%

                                                                             *Diese Personen haben zuvor geraucht und nutzen heute ausschließlich E-Zigaretten
     Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von DKFZ (2018).10            **Diese Personen haben nie geraucht und nutzen heute ausschließlich E-Zigaretten
11

     Entwicklung der Prävalenzrate des Rauchens sowie risikoreduzierter
Abb. 4
Produkte unter Jugendlichen in Deutschland (in %)
 2001     2002     2003 2004 2005 2006                   2007     2008 2009          2010     2011      2012    2013   2014   2015   2016   2017   2018

 27,5

                   22,5 23,5
                                      20,0
                                                         17,7
                                                                  15,4
                                                                                     12,9     11,7     12,0
                                                                                                                       9,7    7,8    7,4           6,6
  Konventionelle Tabakprodukte                                                                                                                     5,1
  Risikoreduzierte Produkte (gegenwärtiger Konsum, 14- bis 17-Jährige)                                                 4,0           4,2
  Risikoreduzierte Produkte (30-Tages-Prävalenz, 12- bis 17-Jährige)
                                                                                                        2,6                                 2,9
Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2013).                                   2,3
Orth, B., Töppich, J. (2015). Orth, B. & Merkel, C. (2018). Orth, B. & Merkel, C. (2019) sowie DEBRA (2020)11                                      0,8

Auswertungen zeigen, dass es vor allem junge Erwach-                                  E-Zigaretten genutzt.13 Damit wäre der Anteil des regel-
sene sind, die als Nichtraucher mit dem Konsum von                                    mäßigen Konsums von E-Zigaretten unter Jugendli-
E-Zigaretten beginnen.12                                                              chen in Deutschland geringer als bei Erwachsenen.
    Unter Jugendlichen scheinen E-Zigaretten zwar                                     Der Anstieg der 30-Tages-Prävalenz ist jedoch proble-
nicht zu einem sich schnell entwickelnden Trend zu                                    matisch und muss lückenlos erforscht werden, um
werden, jedoch steigt der Anteil der jugendlichen Nut-                                wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.14
zer seit 2012 an. 2018 gaben rund 5% aller 12- bis
17-Jährigen an, in den letzten 30 Tagen E-Zigaretten
genutzt zu haben. Dies heißt zugleich: Seit 2012 ist der
Anteil jugendlicher Nutzer, die in den letzten 30 Tagen
E-Zigaretten nutzten, jährlich um 12% angestiegen.
Tendenziell ist die 30-Tages-Prävalenz höher als der re-
gelmäßige Konsum, da dieser ebenfalls diejenigen be-
rücksichtigt, die E-Zigaretten nur probiert haben. Be-
trachtet man lediglich den gegenwärtigen Konsum der
Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren, ist dieser
deutlich niedriger. Laut Daten der DEBRA haben 2018
sogar nur rund 0,8% der Jugendlichen regelmäßig
12

            2
       Großbritannien
     als Beispiel für eine
      transformierende
      Tabakregulierung
13

In Großbritannien setzt man auf eine                      tinhaltiger E-Zigaretten auf einigen Kanälen, z.B. im
evidenzbasierte Markttransformation                       Kino oder auf Plakaten, über ihre Produkte informie-
                                                          ren. Damit die Produkte bei der Gruppe der Jugendli-
Um den Zigarettenkonsum zu reduzieren, hat man            chen nicht an Attraktivität gewinnen, unterliegt die
sich in Großbritannien hohe Ziele gesteckt. In Eng-       Kommunikation jedoch strengen Auflagen. Diese Aus-
land etwa soll der Anteil der Raucher unter Jugendli-     legung der TPD war die logische Konsequenz des be-
chen bis 2022 auf maximal 3% und unter Erwachse-          reits 2010 eingeschlagenen Weges einer Markttrans-
nen auf maximal 12% gesenkt werden. Ziel ist es,          formation (siehe Abbildung 5).18 Schon damals setzten
die erste rauchfreie Generation heranzuziehen. Dazu       sich Teile des britischen Gesundheitsministeriums
sollen insbesondere Jugendliche davon abgehalten          mit der zukünftigen Rolle von E-Zigaretten auseinan-
werden, mit dem Rauchen zu beginnen. Neben einer          der und beauftragten Studien, die das Potenzial zur
äußerst strengen Regulierung konventioneller Tabak-       Risikoreduktion der neuen Produkte untersuchen
produkte setzt man in Großbritannien aber auch auf        sollten. Dieser Prozess mündete 2015 in die Bewer-
eine evidenzbasierte Markttransformation mithilfe         tung durch die britische Gesundheitsbehörde Public
innovativer Technologien wie E-Zigaretten und Tabak-      Health England (PHE), dass der Konsum von E-Zigaret-
erhitzer.15 Denjenigen, denen es nicht gelingt, mit       ten rund 95% weniger schädlich ist als das Rauchen.19
dem Rauchen aufzuhören, wird empfohlen, auf den           Seitdem wird die Möglichkeit einer Reduzierung des
Konsum risikoreduzierter Produkte umzusteigen.16          gesundheitlichen Risikos durch E-Zigaretten von bri-
Um einen hohen Standard beim Schutz der Konsu-            tischen Behörden aktiv beworben. Zudem verweisen
menten zu gewährleisten, erfolgt durch staatliche In-     Gesundheitsbehörden die Raucher von konventionel-
stitutionen eine permanente Evaluation der Sicher-        len Produkten auf E-Zigaretten als Mittel, um mit dem
heit sowie der gesundheitlichen Auswirkungen der          Rauchen aufzuhören.20
neuen Produkte.                                               Das gesundheitliche Potenzial anderer neuartiger
                                                          Produkte wie von Tabakerhitzern wird derzeit noch
Hersteller dürfen in Großbritannien                       von den britischen Behörden evaluiert. Jedoch lässt
über E-Zigaretten informieren                             sich bereits die klare Tendenz erkennen, dass sie wie
                                                          E-Zigaretten als weniger gesundheitsschädlich aner-
Großbritannien weist im europäischen Vergleich die        kannt werden.21 Beide Produkte, E-Zigaretten und Ta-
strengste Regulierung konventioneller Produkte auf.17     bakerhitzer, haben steuerrechtlich ihre eigene Pro-
Bereits seit 2002 sind Werbung und Sponsoring von         duktkategorie erhalten und sind ihrem Risiko
Zigaretten verboten und seit 2016 gibt es eine standar-   entsprechend deutlich niedriger besteuert als her-
disierte, einheitliche Verpackung (sogenanntes Plain      kömmliche Zigaretten.
Packaging). Mit diesen Maßnahmen ging man weit
über die europäischen Vorgaben der TPD hinaus. Bei
E-Zigaretten blieb man bei den europäischen Vorga-
ben, entschied sich aber – wie bereits in der Zusam-
menfassung dargelegt – für eine Auslegung, welche
auf eine Transformation des Marktes und von Konsu-
mentenverhalten abzielt. So dürfen Hersteller niko-
14

     Abb. 5 E
             ntwicklung der Regulierung risikoreduzierter Produkte in Großbritannien

        2000-05          2006          2007-09         2010        2011-13        2014         2015         2016        2017        2018         2019

                                         Keine                     Keine
                                      eindeutige               Anpassung der
                                     Regulierung                Regulierung

                     Markteintritt              PHE* diskutiert                           Report der PHE:       Veröffentlichung             Verbot des
                        erster                   die Rolle von                              E-Zigaretten          der Tobacco                Influencer-
                     E-Zigaretten                E-Zigaretten                            sind 95% weniger       Control Strategy:          Marketings für
                                                                                            schädlich als         E-Zigaretten              E-Zigaretten
                                                                                           konventionelle         als Mittel zur
                                                                                             Zigaretten          Reduktion des
                                                                                                                gesundheitlichen
                                                                                                                     Risikos

                                                                               Neufassung                Nationale           Lockerung der
                                                                                 der TPD:               Umsetzung           Werbebeschrän-
                                                                               Verkauf ab                der TPD:         kungen: E-Zigaretten
                                                                                18 Jahren              E-Zigaretten        dürfen als weniger
     *PHE = Public Health England                                                                     werden strenger     gesundheitsschädlich
     Quelle: Eigene Darstellung (auf Grundlage verschiedener Quellen).                                   reguliert         bezeichnet werden

     In Großbritannien haben Nichtraucher nicht mit                                malige Raucher handelt, 44% sind Dual User und rau-
     dem Konsum von E-Zigaretten begonnen – vor                                    chen somit ebenfalls klassische Zigaretten und ledig-
     allem ehemalige Raucher nutzen E-Zigaretten                                   lich 4% der Nutzer von E-Zigaretten haben zuvor
                                                                                   niemals geraucht (siehe Abbildung 7). Bisher erlaubt
     Die Tabakregulierung gilt auch in Großbritannien als                          die Datenlage noch keine eindeutigen Rückschlüsse
     erfolgreich: Der Anteil der Bevölkerung ab 18 Jahren,                         darüber, wie sich der Konsum von risikoreduzierten
     der regelmäßig raucht, ist dort von 2002 bis 2010 von                         Produkten auf den Rückgang der Raucherprävalenz
     25,9% auf 20,3% und bis 2018 auf 14,7% zurückgegan-                           auswirkt. Es kann beispielsweise auch nicht geschluss-
     gen (siehe Abbildung 6). Damit war der Rückgang bei                           folgert werden, dass ein Anstieg des Konsums von
     dieser Bevölkerungsgruppe seit 2010 mit jährlich fast                         E-Zigaretten in gleichem Maße zu einem Rückgang der
     4% sogar noch größer als in den acht Jahren zuvor.                            Raucherprävalenz führen müsste. Jedoch gibt es erste
     Dieser starke Rückgang geht mit einem Anstieg des                             Studien, die auf einen direkten Zusammenhang schlie-
     Konsums risikoreduzierter Produkte einher. 2018 nutz-                         ßen lassen.22 Zu beachten ist, dass der Rückgang der
     ten bereits über 6% aller Erwachsenen regelmäßig                              Raucherprävalenz in Großbritannien insbesondere zwi-
     E-Zigaretten. Zwischen 2012 und 2018 entspricht dies                          schen 2007 und 2011 abgeflacht ist und erst wieder zu-
     einem jährlichen Anstieg von rund 24%. Betrachtet                             nahm, als auch E-Zigaretten an Beliebtheit gewannen.
     man die Nutzer von E-Zigaretten im Jahr 2018, fällt auf,                          Die bestehende Tabakregulierung in Großbritanni-
     dass es sich bei mehr als der Hälfte der Nutzer um ehe-                       en scheint auch Jugendliche vom Zigarettenkonsum
15

     Entwicklung der Prävalenzrate des Rauchens sowie risikoreduzierter
Abb. 6
Produkte unter Erwachsenen – Vergleich Großbritannien und Deutschland
30%

25%

20%

15%

10%

 5%

 0%
         2000           2002           2004            2006           2008           2010           2012           2014      2016   2018

Konventionelle Produkte                       Risikoreduzierte Produkte
  Deutschland      Großbritannien               Deutschland       Großbritannien

Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von Bennewitz, E. & Kaul, A. (2020). DKFZ (2014). DKFZ (2016). DKFZ (2018).
Office for National Statistics (2000-2020). Ash (2019a) sowie eigene Schätzung auf Grundlage des SOEP.23

Abb. 7Nutzer von E-Zigaretten nach Rauchstatus
in Großbritannien und Deutschland, 2018

   ehemalige                         10%
    Raucher*                                                                             52%

                           4%
 Nieraucher**
                           4%

                                                                                                                             86%
    Dual User
                                                                              44%

                   0%                       20%                      40%                       60%                     80%          100%
  Deutschland       Großbritannien

 *Diese Personen haben zuvor geraucht und nutzen heute ausschließlich E-Zigaretten
**Diese Personen haben nie geraucht und nutzen heute ausschließlich E-Zigaretten
Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von DKFZ (2018). Ash (2019a).
16

          Entwicklung der Prävalenzrate des Rauchens sowie risikoreduzierter
     Abb. 8
     Produkte unter Jugendlichen – Vergleich Großbritannien und Deutschland
     30%

     25%

     20%

     15%

     10%

      5%

      0%
              2000             2002            2004            2006            2008            2010            2012            2014            2016            2018

     Konventionelle Produkte              Risikoreduzierte Produkte
       Deutschland                          Deutschland
       Großbritannien                       Großbritannien

     Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2013). Orth, B., Töppich, J. (2015). Orth, B. & Merkel, C. (2018). Orth,
     B. & Merkel, C. (2018). Orth, B. & Merkel, C. (2019). Ash (2019b) sowie eigene Berechnung auf Grundlage von NHS Digital (2018) und Public Health England (2019).24

     abzuhalten. Bei den 11- bis 18-Jährigen kam es zwi-                                 Großbritannien schneidet im Vergleich
     schen 2001 und 2010 zu einem Rückgang des Zigaret-                                  mit Deutschland hinsichtlich des Rückgangs
     tenkonsums von 21,6% auf 10,8% (siehe Abbildung 8).                                 des Zigarettenkonsums erfolgreicher ab
     Dieser Trend setzte sich auch im Beobachtungszeit-
     raum ab 2010 fort, sodass 2018 nur noch 6,1% der Ju-                                Die Auswirkungen risikoreduzierter Produkte auf das
     gendlichen regelmäßig rauchten. Bei E-Zigaretten kam                                Rauchverhalten in Deutschland und in Großbritanni-
     es in der Vergangenheit jedoch zu einem geringen An-                                en lassen sich am besten ab dem Jahr 2010 verglei-
     stieg. Sie wurden 2018 von fast 4% der Jugendlichen                                 chen, denn ab diesem Zeitpunkt beginnt sich die Re-
     regelmäßig verwendet.                                                               gulierung in den beiden Ländern grundlegend in
17

unterschiedliche Richtungen zu entwickeln. Ver-           E-Zigaretten greifen. Dem Zigarettenkonsum unter Ju-
gleicht man den Rückgang der Raucher in der Bevöl-        gendlichen muss somit weiterhin eine verstärkte Auf-
kerung, ist dieser in Großbritannien mit jährlich fast    merksamkeit gelten. Zwar zeigt sich in der Vergangen-
4% mehr als dreimal so hoch wie in Deutschland            heit ein leicht rückläufiger Trend, jedoch ist es noch
mit rund 1%. Gleichzeitig ist aber auch der Anteil der    nicht gelungen, ausnahmslos alle Jugendlichen vom
Nutzer von E-Zigaretten in Großbritannien mit 6,2%        Konsum konventioneller oder neuer Produkte abzu-
mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland mit           halten. Hier werden weitere Anstrengungen und insbe-
2,6%. Ein bedeutender Unterschied lässt sich vor al-      sondere zusätzliche wissenschaftliche Forschungen
lem darin erkennen, wer die neuen Produkte nutzt:         notwendig sein, um durch zielgenaue Regulierung die
Während es in Großbritannien vor allem Erwachsene         Prävalenz konsequent weiter zurückzuführen.
sind, die zuvor geraucht und mittlerweile komplett            Der Vergleich macht jedoch bereits jetzt deutlich,
mit dem Rauchen aufgehört haben, raucht in Deutsch-       dass eine auf die Transformation des Marktes und des
land ein Großteil zusätzlich weiterhin konventionelle     Konsumverhaltens abzielende Regulierung wie in
Zigaretten. Dies ist zwar noch kein eindeutiger Beleg     Großbritannien nicht zu einem breite Bevölkerungs-
dafür, dass es Rauchern in Großbritannien mithilfe        schichten umfassenden Anstieg des Konsums von
von E-Zigaretten gelingt, vom Zigarettenkonsum los-       konventionellen oder neuen Tabakprodukten führt –
zukommen. Es verdeutlicht aber, dass die Konsumen-        weder bei Erwachsenen noch bei Jugendlichen.
ten dort zumindest deutlich besser über die neuen
Produkte und ihre weniger gesundheitsschädliche
Nutzung informiert sind. Denn in dem Maße, wie
Nutzer von E-Zigaretten zusätzlich zur konventionel-
len Zigarette greifen, wie dies in Deutschland häufig
geschieht, ist ihr gesundheitlicher Nutzen gering.
Der auf die Transformation des Marktes und des Kon-
sumentenverhaltens abzielende britische Regulie-
rungsansatz ist erfolgreicher in der Erreichung eines
entscheidenden Ziels: Er reduziert die Zahl der er-
wachsenen Raucher ("Core Smoker"), die einem be-
sonders hohen gesundheitlichen Risiko unterliegen.
    Der Zigarettenkonsum von Jugendlichen ging in
beiden Ländern zwischen 2010 und 2018 in ähnlichem
Maße zurück, sodass im Jahr 2018 der Anteil der ju-
gendlichen Raucher in Großbritannien geringfügig
niedriger als in Deutschland war. Beim Konsum von
E-Zigaretten war der Anteil der Jugendlichen, die diese
regelmäßig nutzen, in Großbritannien sogar leicht
niedriger als in Deutschland. Die Datenlage lässt an
dieser Stelle offen, ob es sich bei den jugendlichen
Rauchern um dieselben Personen handelt, die auch zu
18

              3
     Fehlender Jugendschutz
         in den USA und
     Grenzen der Regulierung
          in Australien
19

N      ach den beiden bisher diskutierten Regulie-
       rungsansätzen werden im Folgenden zwei wei-
       tere, äußerst unterschiedliche Formen der Re-
                                                                               bildung 9).25 Allerdings kam es erst sechs Jahre später
                                                                               mit der Einführung der sogenannten Deeming Rule zu
                                                                               dieser Befugnis. Bis 2016 gab es somit nur in einzel-
gulierung betrachtet. Während E-Zigaretten jeglicher                           nen Bundesstaaten Regulierungsmaßnahmen, nicht
Form in den USA lange Zeit fast gar nicht reguliert                            aber auf Bundesebene. Nach Jahren einer eher zurück-
wurden, ist der Verkauf nikotinhaltiger Liquids für                            haltenden Regulierung benötigen risikoreduzierte
E-Zigaretten in Australien verboten. Um den transfor-                          Produkte deswegen heute eine Zulassungsgenehmi-
mierenden Regulierungsansatz Großbritanniens bes-                              gung der FDA. So wurden auf der einen Seite im Jahr
ser einordnen und bewerten zu können, wird dieser                              2017 risikoreduzierte Produkte als Mittel zur Rauch-
im Folgenden mit den entsprechenden Regulierungs-                              entwöhnung offiziell anerkannt und auch der Tabak-
maßnahmen in den USA und in Australien verglichen.                             erhitzer Iqos darf damit beworben werden, weniger
                                                                               Schadstoffe abzugeben.26 Auf der anderen Seite wurde
Zurückhaltende Regulierung in den USA                                          infolge eines Anstiegs des Konsums von E-Zigaretten
                                                                               unter Jugendlichen das Mindestalter angehoben und
Wie auch in Großbritannien ebnete die US-amerikani-                            es wurden Warnhinweise auf der Verpackung von Li-
sche Regierung bereits 2010 den Weg für die zukünf-                            quids für E-Zigaretten eingeführt. Konventionelle Ta-
tige Regulierung von E-Zigaretten. Denn damals wur-                            bakprodukte wurden in den USA hingegen kontinu-
de in den USA gerichtlich verfügt, dass die Food and                           ierlich reguliert. So ist etwa Werbung jeglicher Art für
Drug Administration (FDA) eine rechtliche Grundlage                            konventionelle Tabakprodukte in den USA schon seit
zur Regulierung von E-Zigaretten benötigt (siehe Ab-                           1997 verboten.

Abb. 9     Entwicklung der Regulierung risikoreduzierter Produkte in den USA
   2006          2007        2008-09         2010         2011-14       2015     bis 2016     2016          2017      2018        2019       2020

                              Keine                      Keine
                           eindeutige               Veränderung der
                          Regulierung                 Regulierung                 Einige             E-Zigaretten
                                                                             Bundesstaaten        werden als Mittel
           Markteintritt           E-Zigaretten müssen                     verbieten Konsum         zur Zigaretten-          Erhöhung des
              erster                als Tabakprodukte                       von E-Zigaretten         entwöhnung              Mindestalters
           E-Zigaretten              reguliert werden,                      in geschlossenen          anerkannt:              auf 21 Jahre
                                   damit diese durch die                  Räumen und Verkauf      Ankündigung von
                                   FDA reguliert werden                     in Supermärkten       Produktstandards
                                          können
                                                               Einige Bundesstaaten      Mindestalter          Youth Tobacco             Iqos erhält
                                                                 erheben erstmals      von 18 Jahren für       Prevention Plan           Zulassung
                                                                Steuern auf Liquids,     E-Zigaretten                                    als MRTP*
                                                                   welche jedoch                               Einführung von
                                                                  geringer sind als      Deeming Rule:         Warnhinweisen
                                                                bei konventionellen     FDA-Zulassung
                                                                     Zigaretten          ist notwendig:
*MRTP = Modified Risk Tobacco Product                                                  Fristen noch nicht
                                                                                         implementiert
Quelle: Eigene Darstellung (auf Grundlage verschiedener Quellen).                      (Stand 05/2020)
20

     Der Konsum von E-Zigaretten stieg in den USA
     unter Jugendlichen erheblich an

     Ein Vergleich zwischen den USA und Großbritannien
     bietet sich nicht nur hinsichtlich der Entwicklung der
     Regulierungsansätze, sondern auch hinsichtlich der
     Entwicklungen am Tabakmarkt an. Dabei sollte man
     das Jahr 2010 zum Ausgangspunkt des Vergleichs neh-
     men. In diesem Jahr traf die Politik in beiden Ländern
     weitreichende Entscheidungen, was die Regulierung
     von E-Zigaretten betraf – mit beträchtlichen Folgen für
     den Tabakmarkt.
          Hinsichtlich des Anteils der Raucher im Alter ab
     18 Jahren gab es in beiden Ländern ähnliche Entwick-
     lungen. Wie auch in Großbritannien ging der Anteil
     der Raucher in den USA stark zurück. Mit jährlich über
     4% zwischen 2010 und 2018 war dieser Rückgang in
     den USA sogar noch etwas größer als in Großbritanni-
     en. Beim Konsum von E-Zigaretten unterscheidet sich
     die Entwicklung jedoch in auffälliger Weise. Bis 2014
     kam es zwar in beiden Ländern zu einem Anstieg der
     Prävalenz, in den USA war der Konsum von E-Zigaret-
     ten unter Erwachsenen zwischen 2014 und 2017 dann
     jedoch leicht rückläufig (siehe Abbildung 10). Zudem
     ist auch der Anteil der Dual User in beiden Ländern auf
     einem ähnlichen Niveau, der Anteil an ehemaligen
     Rauchern ist jedoch in Großbritannien merklich höher
     als in den USA (siehe Abbildung 11).
          Am deutlichsten werden die Konsequenzen der
     unterschiedlichen Regulierungsansätze bei den Ju-
     gendlichen sichtbar.27 Die Entwicklung des Konsums
     von Zigaretten folgt in beiden Ländern gleicherma-
     ßen einem rückläufigen Trend (Abbildung 12). Der
     Anteil der rauchenden Jugendlichen ging in beiden
     Ländern von rund 11% im Jahr 2011 auf ca. 6% im
     Jahr 2018 zurück. Auffallend ist, dass sich dieser
     Rückgang vor allem der Entwicklung bis 2014 ver-
     dankt. Seitdem stagniert der Rückgang in beiden Län-
     dern. In den USA kam es danach zu keinem weiteren
21

      Entwicklung der Prävalenzrate des Rauchens sowie risikoreduzierter
Abb. 10
Produkte unter Erwachsenen – Vergleich Großbritannien und USA
25%

20%

15%

10%

 5%

 0%
          2000            2002           2004            2006            2008          2010           2012           2014            2016          2018

Konventionelle Produkte                  Risikoreduzierte Produkte
  Großbritannien     USA                   Großbritannien      USA

Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von Center for Disease Control and Prevention (2018). Center for Disease Control and Prevention (2014).
Dai, H. & Leventhal, A. M. (2019). Office for National Statistics (2000-2020). Ash (2019a).28

Abb. 11 Nutzer von E-Zigaretten nach Rauchstatus in Großbritannien und den USA, 2018

    ehemalige                                                          36%
     Raucher*                                                                             52%

                                                     22%
 Nieraucher**
                             4%

                                                                               42%
    Dual User
                                                                                 44%

                    0%                        20%                        40%                    60%                       80%                      100%
  Großbritannien       USA

 *Diese Personen haben zuvor geraucht und nutzen heute ausschließlich E-Zigaretten
**Diese Personen haben nie geraucht und nutzen heute ausschließlich E-Zigaretten

Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von Villarroel et al. (2020). Ash (2019a).
22

          Entwicklung der Prävalenzrate des Rauchens sowie risikoreduzierter
     Abb. 12
     Produkte unter Jugendlichen – Vergleich Großbritannien und USA
     25%

     20%

     15%

     10%

      5%

      0%
              2000            2002            2004           2006            2008            2010            2012           2014            2016           2018

     Konventionelle Produkte             Risikoreduzierte Produkte
       Großbritannien                      Großbritannien
       USA                                 USA

     Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von Center for Health Metrics and Evaluation (2019) sowie verschiedene Studien auf Grundlage des National Health Inter-
     view Survey (NHIS) und des National Youth Tobacco Survey (NYTS). Ash (2019b) sowie eigene Berechnung auf Grundlage von NHS Digital (2018) und Public Health
     England (2019).29

     Rückgang und in Großbritannien lag der Rückgang                                   und Großbritannien ein unterschiedliches Bild zutage.
     bei 3% pro Jahr. Im Vergleich: Zwischen 2011 und                                  In den USA kam es im Gegensatz zu Großbritannien zu
     2014 gab es einen jährlichen Rückgang von rund 18%                                einem deutlichen Anstieg. Im Jahr 2018 konsumierten
     in den USA bzw. 14% in Großbritannien. Bei einer In-                              rund 14% der Jugendlichen E-Zigaretten. Das ent-
     terpretation dieser Entwicklung ist allerdings Vor-                               spricht dem Niveau des Zigarettenkonsums in den USA
     sicht geboten. Eine mögliche Erklärung könnte sein,                               von 2006 bei dieser Klientel. Im Jahr 2016 gab es zeit-
     dass Tabakregulierung auch bei Jugendlichen Wir-                                  weise einen Rückgang der E-Zigaretten-Prävalenz, der
     kungsgrenzen erreichen könnte. Hier ist weitere For-                              sich vermutlich auf die Anhebung des Mindestalters
     schung nötig.                                                                     auf 18 Jahre und einen damit einhergehenden Um-
         Eine vergleichende Betrachtung des Konsums von                                bruch in der Regulierung von risikoreduzierten Pro-
     E-Zigaretten unter Jugendlichen fördert für die USA                               dukten zurückführen lässt. Nichtsdestotrotz erfolgt
23

dieser Wechsel offensichtlich zu spät: Der Trend zur                           Die strenge Tabakregulierung in Australien erweist
E-Zigarette scheint sich bereits so weit unter den Ju-                         sich insbesondere bei Jugendlichen als erfolgreich:
gendlichen verbreitet zu haben, dass es zwischen 2016                          Laut National Drug Strategy Household Survey33 rauch-
und 2018 zu einem weiteren Anstieg kam.30                                      ten 2016 nur noch etwas über 2% der 12- bis 17-Jähri-
                                                                               gen (siehe Abbildung 14). Gegenüber 2010 hätte sich
Die Tabakregulierung stößt auch                                                die Raucherprävalenz der Jugendlichen somit inner-
in Australien an ihre Grenzen                                                  halb von sechs Jahren fast halbiert. Jedoch erweist sich
                                                                               die Datenlage in Australien nicht als eindeutig. Eine
Australien hat eine der strengsten Tabakregulierun-                            Befragung, die sich auf australische Jugendliche kon-
gen in der westlichen Welt. Während konventionelle                             zentriert, zeigt, dass es zwischen 2011 und 2017 nur zu
Produkte aufgrund einer äußerst hohen Besteuerung                              einem Rückgang von 9% auf rund 7% der Jugendli-
so teuer sind wie in keinem anderen Land und Ziga-                             chen kam.34 Demnach wäre der jährliche Rückgang in
retten standardisiert verpackt sind, wurden nikotin-                           Australien sogar geringer als in Großbritannien,
haltige E-Zigaretten de facto komplett verboten. 31                            Deutschland und den USA.
Selbst ein Import ist nur mit einer Verschreibung                                  Bei den Erwachsenen ist ein eindeutiger Rückgang
möglich (siehe Abbildung 13).32                                                der Raucherprävalenz zu erkennen. Zwischen 2001 und

Abb. 13Entwicklung der Regulierung konventioneller und
risikoreduzierter Produkte in Australien
       1973               1994                2010                  2012           2014            2015            2016             2020

       Erste                            Starker Anstieg                     E-Zigaretten werden                Im Australian
  Warnhinweise                          der Besteuerung                      als Tabakprodukt                Capital Territory
  auf Zigaretten-                        von Zigaretten                     angesehen und nicht             werden sämtliche
    schachteln                            (2010: 25%)                        länger in Western                E-Zigaretten als
                                                                             Australia verkauft,               Tabakprodukt
                                          Rauchverbot in                   andere Bundesstaaten               eingestuft und
                                        Kneipen und Clubs                          folgen                   dementsprechend
                                      in allen australischen                                                     reguliert:
                                              Staaten                                                      Mindestalter 18 Jahre,
                                                                                                             rauchfreie Zonen
                      Mindestalter                               Plain                                       für E-Zigaretten,
                     von 18 Jahren                             Packaging                                   Verbot von Werbung
                     für Zigaretten                                                                           und Marketing

                                                                                               Mindestalter                     Importe von
  Konventionelle Produkte                                                                    von 18 Jahren für                  E-Zigaretten
  Risikoreduzierte Produkte                                                                   E-Zigaretten in                 werden verschrei-
                                                                                             New South Wales                   bungspflichtig
Quelle: Eigene Darstellung (auf Grundlage verschiedener Quellen).
24

          Entwicklung der Prävalenzrate unter
     Abb. 14
     Erwachsenen und Jugendlichen in Australien
     25%

     20%

     15%

     10%

      5%

      0%
              2000            2002            2004            2006            2008            2010            2012            2014             2016   2018
       Erwachsene        Jugendliche

     Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage des Australian Bureau of Statistics (2000-2018). Australian Institute of Health and Welfare (2016).

           Entwicklung der Prävalenzrate des Rauchens unter Erwachsenen –
     Abb. 15
     Vergleich Großbritannien und Australien
     30%

     25%

     20%

     15%

     10%

      5%

      0%
              2000            2002            2004            2006            2008            2010            2012            2014             2016   2018
       Großbritannien gesamt                Großbritannien (55+)
       Australien gesamt                    Australien (55+)
     Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage des Australian Bureau of Statistics (2000-2018). Office for National Statistics (2000-2020).35
25

2018 ging der Anteil der Erwachsenen, die regelmäßig      schen Rauchern überdies auch keine risikoreduzierte
zur Zigarette greifen, von 24,2% auf 15,1% zurück (sie-   Alternative angeboten werden. Dies führt insbesonde-
he Abbildung 14). Jedoch gibt es auch in Australien Be-   re in der Gruppe der über 55-Jährigen dazu, dass ein
völkerungsgruppen, bei denen die Tabakregulierung         seit 2012 unverändert hoher Anteil weiterhin zur kon-
an ihre Grenzen stößt. Insbesondere bei Rauchern, die     ventionellen Zigarette greift. Beide Ansätze können das
55 Jahre und älter sind, kam es in der Vergangenheit      gesundheitliche Problem des Rauchens somit nicht
kaum noch zu einem weiteren Rückgang. Während es          besser lösen als der britische Ansatz der Risikoredukti-
in der Gesamtbevölkerung zwischen 2012 und 2018 zu        on durch Transformation des Marktes und des Kon-
einem jährlichen Rückgang von rund 2,9% kam, rauch-       sumverhaltens.
ten in dieser Altersgruppe 2018 sogar mehr Menschen
als noch 2012 (siehe Abbildung 15). Zum Vergleich: In
Großbritannien kam es bei den über 55-Jährigen im
gleichen Zeitraum zu einem jährlichen Rückgang von
rund 3,8%. Ein Blick auf die Daten zum Konsum von
E-Zigaretten in Großbritannien verrät, dass 2018 knapp
7% der Bevölkerung im Alter zwischen 50 und 59 Jah-
ren E-Zigaretten nutzten. Der Anteil der Nutzer von
E-Zigaretten liegt somit in dieser Altersgruppe über
dem nationalen Durchschnitt. Folglich könnte der stär-
kere Rückgang der Raucherprävalenz in Großbritanni-
en auf den Umstieg von E-Zigaretten zurückzuführen
sein. Damit hat der Rückgang in Großbritannien sogar
die Entwicklung in Australien überholt. Sowohl in der
Gesamtbevölkerung als auch in der Altersgruppe ab
55 Jahren ist 2018 nicht nur die Raucherprävalenz in
Großbritannien niedriger, auch ging der Anteil der
Raucher stärker zurück als in Australien.
    Wie diese Ausführungen zu den USA und Australi-
en zeigen, können weder der amerikanische noch der
australische Regulierungsansatz als Vorbild für die Ta-
bakregulierung in Deutschland dienen, da beide mit
erheblichen Nachteilen einhergehen. Während es der
Regulierung in den USA lange Zeit nicht gelang, Ju-
gendliche von E-Zigaretten fernzuhalten, verzeichnet
Australien hinsichtlich des Jugendschutzes zwar be-
sondere Erfolge. Dort stößt die Regulierung konventi-
oneller Produkte jedoch bei bestehenden Rauchern an
klare Wirkungsgrenzen. Durch das de facto geltende
Verkaufsverbot für E-Zigaretten kann den australi-
26

           4
      Ausgestaltung
     einer innovativen
     Tabakregulierung
27

D        er Vergleich des Rauchverhaltens zwischen
         den vier Ländern weist in dieser Studie auf die
         Vor- und Nachteile der jeweiligen Regulie-
                                                           erzielt im Betrachtungszeitraum geringere Quoten
                                                           an Jugendlichen, die E-Zigaretten konsumieren, als
                                                           Deutschland. In Großbritannien also scheint das aus-
rungsansätze hin und stellt noch einmal die Frage in       gegebene politische Ziel am besten erreicht worden zu
den Mittelpunkt, wie das Potenzial der Risikoreduzie-      sein, nämlich die Akzeptanz von risikoreduzierten Pro-
rung genutzt werden kann, indem Raucher zum Um-            dukten unter Rauchern zu fördern, ohne eine Attrakti-
stieg bewegt werden können, ohne Präventionserfol-         vität dieser Produkte für Nichtraucher zu erzeugen.
ge zu gefährden.                                               Im internationalen Vergleich bringt das britische
    Das Vorsorgeprinzip in Deutschland kann als er-        System demnach die größten Vorteile mit, um das ge-
folgreich bezeichnet werden, wenn es darum geht,           sundheitliche Risiko durch Rauchen in der Bevölke-
den Zigarettenkonsum bei Jugendlichen zu senken            rung insgesamt zu reduzieren.
sowie dafür Sorge zu tragen, dass Nichtraucher vom
Beginn des Konsums konventioneller und neuartiger          Differenzierung als Merkmal einer
Produkte abgehalten werden. Der Ansatz wird somit          innovationsorientierten Regulierung
bei Jugendlichen seiner Bezeichnung gerecht. Auch
stellt er kein Risiko dafür dar, dass der bisherige Er-    Kennzeichen des britischen Regulierungsansatzes ist
folg in der Bekämpfung des Zigarettenkonsums ge-           die differenzierte Behandlung der unterschiedlichen
fährdet wird.                                              Produkte entsprechend ihrem Risiko für den Konsu-
    Wie jedoch bereits in den vorherigen Studien auf-      menten. Zwar mag es bezüglich des idealen Zuschnitts
gezeigt, stößt dieses Prinzip der Vorsorge bei jenem       und des genauen Zusammenspiels einzelner Regulie-
Teil der Raucher, die nicht mit dem Rauchen aufhö-         rungsmaßnahmen legitime Meinungsverschieden-
ren, an seine Wirkungsgrenzen. Diesen wird im deut-        heiten geben. Aber an der Sinnhaftigkeit der grund-
schen Regulierungssystem insofern wenig geholfen,          sätzlichen Prämisse einer Produktdifferenzierung,
als ihnen kaum Unterstützung im Sinne von Angebo-          wie sie den britischen Ansatz prägt, kann kein Zweifel
ten für einen Wechsel zu weniger gesundheitsschädli-       bestehen.
chen Produkten geboten wird.                                   Das wirkt sich in unterschiedlichen Bereichen aus:
    Im Gegensatz zum deutschen Ansatz gelingt es           Was die Regulierung der Nachfrage betrifft, so sind Zi-
der transformierenden Regulierung in Großbritanni-         garetten in Großbritannien beispielsweise stark be-
en, die deutlicher zwischen den mit den einzelnen          steuert, auf Liquids für E-Zigaretten fällt wie aktuell in
Produkten verbundenen Risiken differenziert, jene          Deutschland hingegen nur die Umsatzsteuer an. Da
Raucher, die nicht mit dem Rauchen aufhören, zu ei-        Raucher oft preissensibel reagieren, kann sich diese
nem Umstieg auf risikoreduzierte Produkte zu bewe-         differenzierte Besteuerung als ein effektives Mittel zur
gen. Eine Folge davon ist ein stärkerer Rückgang des       Regulierung erweisen.36
Zigarettenkonsums in der Gesamtbevölkerung.                    Ein zentraler Unterschied zwischen Deutschland
Gleichzeitig gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass       und Großbritannien zeigt sich bei Regulierung der An-
Nichtraucher und insbesondere Jugendliche stärker          gebotsseite. So darf in Großbritannien nicht nur über
als in Deutschland durch diese transformierende            die Vorteile risikoreduzierter Produkte informiert wer-
Form der Regulierung von den neuen Produkten an-           den, sondern auch die Gesundheitsbehörden selbst
gesprochen werden. Im Gegenteil: Großbritannien            informieren über E-Zigaretten und raten Rauchern so-
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     gar aktiv zu einem Umstieg. Es ist daher naheliegend,
     dass Raucher in Großbritannien besser über Möglich-            Wahrnehmung des Risikos
                                                              Abb. 16
     keiten und Potenziale eines risikoreduzierten Kon-
     sums aufgeklärt sind. Sie können auf diese Weise zu-
                                                              von E-Zigaretten unter Rauchern
     dem auch besser vor irreführender Information            E-Zigaretten sind mindestens
     geschützt werden.                                        genauso schädlich wie Zigaretten
         Die Bedeutung dieses Unterschiedes lässt sich
     durch drei Zahlen illustrieren: Erstens ist der Anteil
     der Raucher, die E-Zigaretten entgegen wissenschaft-                                                                      64%
     lichen Erkenntnissen staatlicher Forschungseinrich-
     tungen, wie der britischen Zulassungs- und Aufsichts-
     behörde für Arzneimittel in Großbritannien (MHRA),
     für mindestens genauso schädlich wie Zigaretten hal-                             22%
     ten, in Deutschland fast dreimal so hoch wie in Groß-
     britannien (siehe Abbildung 16). Zweitens ist der An-
     teil der Nutzer von E-Zigaretten, welche diese als       0%              20%                40%                  60%            80%
     Mittel zur Rauchentwöhnung sehen, in Großbritanni-
                                                                Deutschland         Großbritannien
     en mit 64% eindeutig höher als in Deutschland (siehe
     Abbildung 17). Drittens ist der Anteil der Nutzer von    Quelle: Ash (2019a). Gravely, S., Driezen, P. et al. (2020).37
     E-Zigaretten, die zusätzlich Zigaretten rauchen, mit
     rund 86% in Deutschland fast doppelt so hoch wie in
     Großbritannien (siehe Abbildung 7). Der hohe Anteil
     der Dual User lässt darauf schließen, dass den Nut-            Gründe für den Konsum von
                                                              Abb. 17
     zern in Deutschland nicht bewusst ist, dass sie voll-    E-Zigaretten
     ständig auf den Konsum risikoreduzierter Produkte        E-Zigaretten als Alternative zu Zigaretten
     umsteigen müssen, um ihr gesundheitliches Risiko
     zu verringern.
         Eine Transformation des Marktes und des Kon-
     sumverhaltens kann folglich nur mithilfe geeigneter                                                         50%
     Lenkungsmechanismen auf Angebots- und Nachfra-
     geseite gelingen, wie etwa einer differenzierten Regu-
     lierung in Verbindung mit einer gezielten Informati-
     onspolitik gegenüber den Betroffenen. Letztere spricht                                                                    64%
     jenen Teil der Raucher an, der nicht mit dem Zigaret-
     tenkonsum aufhört. Werden die Produkte ohne jegli-
                                                              0%              20%                40%                  60%            80%
     che zielgerichtete Regulierung auf den Markt gebracht,
     drohen Szenarien wie beispielsweise beim Konsum
                                                                Deutschland         Großbritannien
     von E-Zigaretten unter amerikanischen Jugendlichen
     in der Vergangenheit.                                    Quelle: Europäische Kommission (2018).38
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