Evangelische Kirche Much - Predigt zum 05.09.2021 14. Sonntag nach Trinitatis

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Evangelische Kirche Much - Predigt zum 05.09.2021 14. Sonntag nach Trinitatis
Evangelische Kirche Much

 Predigt zum 05.09.2021

  14. Sonntag nach Trinitatis

   von Prädikantin Heide Kemper

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1 Thessalonicher 5,14-24

14 Wir ermahnen euch aber: Weist die Nachlässigen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die
Schwachen, seid geduldig mit jedermann. 15 Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem
vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach, füreinander und für jedermann. 16 Seid allezeit
fröhlich, 17 betet ohne Unterlass, 18 seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes
in Christus Jesus für euch. 19 Den Geist löscht nicht aus. 20 Prophetische Rede verachtet nicht.
21 Prüft aber alles und das Gute behaltet. 22 Meidet das Böse in jeder Gestalt. 23 Er aber, der
Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib
unversehrt, untadelig für das Kommen unseres Herrn Jesus Christus. 24 Treu ist er, der euch ruft;
er wird's auch tun.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus

und die Liebe Gottes

und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes

sei mit uns allen!

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Liebe Gemeinde,

gefühlte vierzehn Ausrufezeichen, wie Fanfarenstöße. Das kennt man aus der Musik, aber gleich
14-mal? Ermahnungen aneinandergereiht wie Perlen auf einer Kette. Nur: wer will sich schon so
eine Kette um den Hals hängen oder gar an den Spiegel stecken?!

Welch ein Einstieg unseres Predigttextes! Gelegentlich sagt man, dass das Wichtigste am Schluss
kommt. Kurz bevor man sich trennt, möchte man seinem Gegenüber noch etwas Wichtiges mit auf
den Weg geben. Uns so macht es Paulus auch: Seine Sätze sind der Briefschluss und bilden
gleichzeitig den Höhepunkt seines Schreibens.

Manchmal hört man beim Auseinandergehen den Satz: „Was ich dir unbedingt noch sagen
wollte.“ Meist folgt eher Alltägliches. Welcher Elternteil kennt das nicht: „Zieh Mütze und Schal an,
wenn du auf den Schulhof gehst.“ „Iss dein Pausenbrot“, „Achte darauf, was die Lehrerin sagt.“

Eine Fülle von Anweisungen oder Ermahnungen tragen nicht unbedingt dazu bei, dass sie gehört
und befolgt werden. Es ist doch oft so, dass Kinder warten, bis die Ermahnungen vorbei sind, und
dann tun, was sie für richtig halten. Die Erfahrungen, die sie machen, können gut oder schlecht
sein – ihre Methode der Abwehr ist sicher nicht die schlechteste, auch wenn dabei Autoritäten
angekratzt werden. Ist es mit den Ermahnungen des Paulus auch so?

Was Paulus hier am Ende seines ersten Briefes an die Gemeinde in Thessaloniki schreibt, klingt
beim ersten Lesen und Hören sehr nach Ermahnungen: Vierzehn Imperative in zehn Versen. Und
doch, schaut man genau hin, dann sind das keine Ermahnungen mit erhobenem Zeigefinger nach
dem Muster: „Du sollst, du musst, sonst …“. Nein, Paulus ist der Überzeugung, dass die
Thessalonicher schon auf dem richtigen Weg sind; das meiste tun sie schon. Die Liste des Paulus ist
so etwas wie eine Gedankenstütze, damit nichts in Vergessenheit gerät, was der christlichen
Lebensweise der jungen Gemeinde dient.

Als Paulus seinen Brief an die Christen in Thessaloniki schreibt, lag die Gründung der Gemeinde
nur gut ein Jahr zurück, so um das Jahr 50 nach Christus. Paulus befand sich auf seiner zweiten
Missionsreise.

Thessaloniki, die Hauptstadt der Provinz Mazedonien, war eine pulsierende Hafenstadt mit einem
Gemisch vieler Völker und Religionen. Schon bald nach der Gemeindegründung gab es Querelen;
Paulus musste deshalb die Stadt fluchtartig verlassen. Die Gemeinde lag ihm aber am Herzen. Er
war besorgt über Nachrichten, die er aus Thessaloniki erhielt. Anfeindungen der heidnischen
Landsleute stellen die junge Gemeinde auf eine ernste Probe. Paulus ist weit weg, er kann nicht
mal eben anrufen oder eine E-Mail schreiben. Selbst kommen kann er auch nicht. Also schickt er
seinen Begleiter Timotheus nach Thessaloniki, damit der nach dem Rechten schauen soll. Das
dauert, quälend muss die Ungewissheit sein, bis Timotheus nach Monaten zurück ist und Bericht
erstattet. Die Nachrichten aber, die Timotheus bringt, beruhigen und erfreuen Paulus. Die junge
Gemeinde besteht noch und hat sich gut eingerichtet. Erleichtert schreibt er den Brief, den wir
heute als 1. Thessalonicherbrief kennen.

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In diesem Brief ist der Dank für die Gemeinde allgegenwärtig: „Wir müssen Gott allezeit für euch
danken, Brüder und Schwestern“. Man spürt, wie sehr Paulus aufatmet, dass alles gut in
Thessaloniki läuft. Dann zeichnet er geradezu ein Idealbild einer Gemeinde, malt sich aus, wie das
Zusammenleben in der Gemeinde aussehen soll. Beantwortet auch Fragen, die sich der jungen
Gemeinde gestellt haben. Zum Beispiel, wie es sich mit den Verstorbenen verhält, wenn Jesus
Christus wiederkommt. Das erfahren wir im 4. Kapitel dieses Briefes: „Wir wollen euch aber nicht
verschweigen, was mit den Verstorbenen geschieht.“ (1 Thess 4,13).

Es musste alles bereit sein, wenn der große Tag kommt. Auch Paulus glaubte, dass er den Tag der
Wiederkunft Christi noch in seinem irdischen Leben erleben werde. Er tröstet die Gemeinde, dass
die schon verstorbenen Gemeindeglieder mit Christus am Tag des Herrn als erste auferstehen
werden. Die Naherwartung der ersten christlichen Gemeinden war eben sehr stark. Man wollte
vorbereitet sein durch ein gutes Leben.

Schauen wir uns die vierzehn Imperative des Paulus näher an. Auffallend ist, dass sie klar und
deutlich formuliert sind, aber ohne Drohungen und Rechthaberei. Zum Schluss werden sie sanft
zusammengefasst in einem einzigen kleinen Satz: „Er wird’s auch tun.“ Das ist der Satz, auf den
alles hinausläuft. „Treu ist er, der euch ruft, er wird’s auch tun.“

Gott selbst steht seiner Gemeinde bei, er macht heil, was zerbrochen ist; und wo Zweifel
herrschen, gibt er Ruhe. Darauf vertraut Paulus, das will er auch der jungen Gemeinde in
Thessaloniki sagen. Sie soll sich fest auf den Gott, der sich in Jesus Christus offenbart hat, verlassen
dürfen.

Dieses Vertrauen in Gott macht Paulus, der ja oft genug selbst zornig und ungeduldig ist, zu einem
gelassenen Mahner. So kann er geduldig aufzählen, was das Zusammenleben in der Gemeinde
leichter macht. Die Vorbildfunktion der Thessalonicher reicht nicht aus. Paulus möchte, dass sie
auch im alltäglichen Leben auf das baldige Kommen Jesu vorbereitet sind. Dass sie am Jüngsten
Tag sozusagen heilig vor Gottes Thron stehen und mit Jesus in die ewige Freude des
Himmelreiches eingehen dürfen. Das unterscheidet seine Sicht der Dinge maßgeblich von unserem
Blick auf seinen Maßnahmenkatalog fast 2000 Jahre später. Die Naherwartung ist in unserer
Gegenwart kein Thema mehr.

Gelegentlich gibt es Weltuntergangsszenarien, bei denen aber alle Termine verstrichen sind. So
hatte zum Beispiel das Volk der Maya den Weltuntergang bereits für 2012 angekündigt. Trotzdem
gilt weiterhin, dass niemand den Tag und die Stunde kennt, außer Gott dem Herrn. Darum: „Seid
wachsam und betet“ (Mk 14,38).

„Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen …“ Zeichnet Paulus hier
ein Idealbild eines Christen? Das würde nicht zu ihm passen. Er ist lebenserfahren und hat in
seinem eigenen Leben schon etliche Schicksalsschläge erdulden müssen. Er erwartet nicht, dass
Christen in schwierigen Situationen fröhlich pfeifend schweres Leid durchstehen. Nein, er versucht
den Thessalonichern zu verdeutlichen, dass Christen, auch im Leid, Freude erkennen können, weil
sie wissen, dass sie von Gott geliebte und angenommene Menschen sind. Es ist nicht ein ständiges
Lächeln oder „Lobe den Herrn“ bestimmter christlicher Gruppierungen gemeint. Menschen, die
solchen Mustern folgen, sind oft selbst am Boden zerstört, wenn Schicksalsschläge ihren Glauben
anfechten.

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Bei diesen drei Forderungen geht es ums Ganze. Im Leben der Christen soll die Fröhlichkeit Raum
haben, ja. Sie sollen ihrem Tagewerk nicht schlecht gelaunt und mit griesgrämigem Gesicht
nachgehen. Denn Gott ist da. Sie sollen auch nicht die Hände in den Schoss legen und ihre
Aufgaben vernachlässigen. Jede Arbeit kann Gebet sein, wenn man Gott vertraut und mit ihm in
Verbindung bleibt.

Und mit dem „Dankbarsein“ ist eine positive Lebenseinstellung gemeint. Es gibt immer Gründe zu
danken. Ich muss nur genau hinschauen. Danke für den wunderbaren Sonnenaufgang am Morgen,
das Lächeln der Kollegin, der beruhigende Telefonanruf – alles ist gutgegangen. Danke, weil Gott
mich beschenkt. Mein Leben ist ein unverdientes Geschenk; mein Dank ist die Antwort auf seine
Gnade.

Und ein zeitgenössischer Dichter [Hans Magnus Enzensberger] hat dasselbe ausdrücken wollen in
einem Gedicht, nämlich den Dank für alles, den der Mensch Gott schuldet. Er nennt es „Zurück an
den Absender“:

Vielen Dank für die Wolken.
Vielen Dank für das Wohltemperierte Klavier
und, warum nicht, für die warmen Winterstiefel.
Vielen Dank für mein sonderbares Gehirn
und für allerhand andre verborgne Organe,
für die Luft, und natürlich für den Bordeaux.
Herzlichen Dank dafür, daß mir das Feuerzeug nicht ausgeht,
und die Begierde, und das Bedauern, das inständige Bedauern.
Vielen Dank für die vier Jahreszeiten,
für die Zahl „e“ und für das Koffein,
und natürlich für die Erdbeeren auf dem Teller,
gemalt von Chardin, sowie für den Schlaf,
für den Schlaf ganz besonders,
und, damit ich es nicht vergesse,
für den Anfang und das Ende
und die paar Minuten dazwischen
inständigen Dank,
meinetwegen für die Wühlmäuse draußen im Garten auch.

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Aber zurück zu Paulus: „Meidet das Böse!“ Nein, wieder kein erhobener Zeigefinger. Auch hier
spricht große Gelassenheit. Paulus sagt nicht: „Verurteilt das Böse“, auch nicht: „Vernichtet es“,
sondern „Meidet das Böse“, schenkt dem, von dem ihr meint, dass es euch schadet, keine
Aufmerksamkeit. Lasst die Orte links liegen, wo es stattfindet, beachtet sie nicht.

Vor 20 Jahren zerstörten Terroristen die Twin Towers in New York und töteten über 3.000
Menschen. Der Opfer zu gedenken ist richtig, aber die ständige Wiederholung der furchtbaren
Bilder förderte auch Trittbrettfahrer; das Böse bekam eine riesige Plattform. Informationen, ja,
aber schenkt dem Bösen nicht eine Aufmerksamkeit, die ihm nicht zusteht. Wenn es uns
persönlich gelänge, das Böse möglichst zu meiden, uns nicht immer in Situationen zu begeben, in
denen wir uns selbst nicht mehr kennen, dann wäre das schon viel. Der Kampf jedes Gläubigen,
sich selbst im Griff zu haben und Versuchungen zu widerstehen, ist schwierig genug.

Das wusste auch Paulus, darum betet er für die Gemeinde in Thessaloniki. Sein Gebet gilt uns noch
heute. Nicht nur die Thessalonicher, auch wir beten füreinander und bitten Gott um Orientierung
und Kraft. Weil Gott treu ist, wird er’s auch tun.

Paulus ist stolz darauf, dass die Christen in Thessaloniki nach so kurzer Zeit gute Jüngerinnen und
Jünger und zu einem Vorbild für andere geworden sind.

Nachdem alles Wesentliche gesagt ist, gibt er ihnen noch diesen wunderbaren Segenspruch mit:
„Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele
und Leib unversehrt, untadelig für das Kommen unseres Herrn Jesus Christus. Treu ist er, der euch
ruft, er wird’s auch tun.“ Ein Segenswunsch aus tiefstem Herzen, er umfasst den ganzen Menschen
in all seinen Lebensbezügen von Körper, Geist und Seele. Dass das Zusammenleben in den inneren
und äußeren Beziehungen gut gelingen möge, das wünscht sich Paulus für seine Gemeinde. Und
das sollte auch für uns gelten. Amen.

Und der Friede Gottes,

der höher ist als all unsere Vernunft,

bewahre unsere Herzen und Sinne

in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.

          Die Predigt können Sie sich als Video auf unserer Homepage
          (www.ev-kirche-much.de) anschauen und/oder ausdrucken.

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