EVENTISIERUNGSDRUCK Nachhaltige Nutzung öffentlicher Freiräume als Veranstaltungsorte - am Beispiel Berlin
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EVENTISIERUNGSDRUCK Nachhaltige Nutzung öffentlicher Freiräume als Veranstaltungsorte – am Beispiel Berlin Entwicklung eines kriterienbasierten Bewertungsverfahrens und von Handlungsempfehlungen vorgelegt von Dipl.-Ing. Birte Jung geb. in Berlin von der Fakultät VI – Planen – Bauen – Umwelt der Technischen Universität Berlin zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Ingenieurwissenschaften – Dr.-Ing. – genehmigte Dissertation Promotionsausschuss: Vorsitzende: Prof. Undine Giseke Gutachterin: Prof. Cordula Loidl-Reisch Gutachterin: Prof. Dr.-Ing. Birgit Kröniger Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 02. Juli 2019 Berlin 2019
EVENT ISIERUNGS DRUCK Nachhaltige Nutzung öffentlicher Freiräume als Veranstaltungsorte – am Beispiel Berlin
INHALT 1 EINLEITUNG 17 1.1 Problemstellung und Ausgangslage 18 1.2 Stand der Forschung 22 1.2.1 Der öffentliche Freiraum als Veranstaltungsort 22 1.2.2 Verträglichkeit von Veranstaltungen auf Grünflächen 22 1.2.3 Nachhaltige Events / Veranstaltungsauswirkungen 23 1.2.4 Umweltmanagement und nachhaltige Bewertungssysteme 24 1.2.5 Handlungsempfehlungen und Leitfäden für ein nachhaltiges Veranstaltungsmanagement 24 1.2.6 Umwelt- und Nachhaltigkeitsberichte 25 1.2.7 Management und Koordinierung von Veranstaltungen (Verwaltung) 25 1.2.8 Diplomarbeit Freiraum und Veranstaltung 26 1.2.9 Auswertung des Forschungsstandes 26 1.3 Zielsetzungen und Fragestellungen der Arbeit 27 1.4 Aufbau der Kapitel 28 2 FORSCHUNGSDESIGN 31 2.1 Methodisches Vorgehen 32 2.1.1 Kennzeichen eines qualitativen Forschungsprozesses 32 2.1.2 Ergänzung durch Mixed Methods (Kombination qualitativer und quantitativer Daten) 33 2.1.3 Berlin als Untersuchungsraum und Auswahl der Fallstudien 33 2.2 Allgemeine angewandte qualitative Methoden 35 2.2.1 Literatur-, Medien- und Dokumentenrecherche 35 2.2.2 Leitfadengestützte Experteninterviews 36 2.2.3 Ergänzende Methoden (Beobachtungen, Fotodokumentationen, Befragungen) 38 2.2.4 Situations-Maps und typologische Analyse 39 2.3 Quantitative Recherche: Onlinebefragung von Gartenamtsleiter*innen 39 2.3.1 Methodik und Aufbau der Umfrage 39 2.3.2 Information über Onlineumfrage und Stichprobenerhebung 40 2.3.3 Umfragezeitraum 40 2.3.4 Schwierigkeiten und mögliche Fehlerquellen 40 2.3.5 Analyse und Auswertung der Ergebnisse mit SPSS 41 2.4 Entwicklung eines Erfahrungskatalogs 42 2.5 Bewertungsmethodik: Nutzwertanalytisches Verfahren 42 2.6 Gesamtüberblick: Recherche-, Analyse und Auswertungsmethoden 43 3 DER ÖFFENTLICHE FREIRAUM ALS VERANSTALTUNGSORT 45 3.1 Der öffentliche Freiraum – Begrifflichkeiten 46 3.1.1 Morphologischer und physikalischer Raumbegriff in der Stadt- und Freiraumplanung 46 3.1.2 Widmung und Eigentumsverhältnisse von öffentlichen Freiräumen 47 3.1.3 Soziologischer Raumbegriff aus der Nutzerperspektive 47 3.1.4 Eingrenzung des Raumbegriffs in der Forschungsarbeit 48
3.2 Konflikte und Probleme – öffentlicher Freiraum als umkämpfter Raum 48 3.2.1 Kommerzialisierung und Privatisierung 48 3.2.2 Eventisierung und Festivalisierung 49 3.2.3 Pflegedefizite und Übernutzung von öffentlichen Grünflächen 50 3.3 Der öffentliche Freiraum als Ort für Veranstaltungen 52 3.3.1 Veranstaltungen in „Möglichkeitsräumen“ und „Arenen“ 52 3.3.2 Geschichte und Entwicklung von Veranstaltungen im öffentlichen Freiraum 53 3.4 Charakteristik und Klassifizierung von öffentlichen Freiräumen 54 3.4.1 Lage und Umfeld 54 3.4.2 Nutzung und Funktion 54 3.4.3 Raumstruktur, Größe und Grenzen 55 3.4.4 Äußere Erschließung und Anbindung 56 3.4.5 Innere Erschließung 56 3.4.6 Gestaltung, Ausstattung und Vegetation 57 3.4.7 Atmosphäre und landschaftsarchitektonischer Wert 57 3.4.8 Bedeutung und Raumkontext 57 3.4.9 Gesetze und Widmung 58 3.5 Typen von öffentlichen Freiräumen 58 3.5.1 Haupttyp Straße 59 3.5.2 Haupttyp Platz 59 3.5.3 Haupttyp Grün 60 3.5.4 Untertyp Repräsentation 60 3.5.5 Untertyp Infrastruktur 61 3.5.6 Untertyp Nachbarschaft 61 3.6 Zwischenfazit Kapitel 3 64 4 VERANSTALTUNGEN IM ÖFFENTLICHEN FREIRAUM 65 4.1 Begrifflichkeiten Veranstaltungen und Events 66 4.1.1 Definition Veranstaltung 66 4.1.2 Definition Event 66 4.1.3 Kritik am Begriff „Event“ und seine Verwendung 67 4.2 Nachhaltige Veranstaltungen und nachhaltiges Veranstaltungsmanagement 68 4.2.1 Begriffsdefinition Nachhaltige Entwicklung 68 4.2.2 Nachhaltigkeitsdimensionen 69 4.2.3 Definition nachhaltige Veranstaltungen / nachhaltiges Veranstaltungsmanagement 70 4.2.4 Verwendung des Nachhaltigkeitsbegriff in der Arbeit 72 4.3 Veranstaltungsauswirkungen auf den Freiraum und dessen Umgebung 73 4.3.1 Unterscheidungsmerkmale von Veranstaltungsauswirkungen 73 4.3.2 Ökologische Auswirkungen 74 4.3.3 Soziokulturelle und ästhetische Auswirkungen 78 4.3.4 Ökonomische und politische Auswirkungen 81 4.4 Klassifizierung von Veranstaltungen (Veranstaltungsaspekte) 86 4.4.1 Arten und Themen von Veranstaltungen 86
4.4.2 Veranstaltungsmotiv 86 4.4.3 Angemeldete vs. unangemeldete Veranstaltungen (Free-Open-Airs) 87 4.4.4 Zeit, Dauer und Häufigkeit von Veranstaltungen 88 4.4.5 Bezug zum Ort 88 4.4.6 Bedeutung und öffentliches Interesse von Veranstaltungen 89 4.4.7 Veranstaltungsgröße 90 4.4.8 Sicherheitsrelevante Unterscheidungsmerkmale und soziodemographische Aspekte 90 4.4.9 Bewegung und Dynamik einer Veranstaltung 91 4.4.10 Einzugsbereich einer Veranstaltung 92 4.4.11 Zugang und Freizügigkeit 92 4.5 Veranstaltungszonierung im Freiraum 92 4.6 Akteure – Interessen, Anforderungen und Konflikte 93 4.7 Rechtliche Vorgaben, Genehmigungen, Auflagen und Normen 96 4.7.1 Versammlungen auf öffentlichen Straßen – Versammlungsgesetz 96 4.7.2 Sondernutzungserlaubnis und straßenverkehrsrechtliche Erlaubnis 97 4.7.3 Ablauf eines Genehmigungsverfahren 98 4.7.4 Ausnahmegenehmigung für Veranstaltungen in Grünanlagen 99 4.7.5 Baurechtliche Vorgaben und Fliegende Bauten 99 4.7.6 Musterversammlungsstätten-Verordnung (MVSättVO) 100 4.7.7 Umwelt- und denkmalschutzrechtliche Vorgaben 100 4.7.8 Immissionsschutzrechtliche Bestimmungen (Drittschutz) 103 4.7.9 Kultur- und Denkmalschutz 105 4.8 Nachhaltige Veranstaltungsdurchführung nach ISO, EMAS und Co 106 4.9 Zwischenfazit Kapitel 4 107 5 KONFLIKTFELD ÖFFENTLICHE GRÜNFLÄCHEN ALS VERANSTALTUNGSORTE 109 5.1 Umfrageergebnisse I: Stimmungsbild und Erfahrungen der GALK mit Veranstaltungen 110 5.1.1 Die Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) – Begriffserklärung 110 5.1.2 Rücklauf der Umfrage und Verteilung nach Bundesländern und Größenklassen 111 5.1.3 Veranstaltungsorte auf öffentlichen Grünflächen 112 5.1.4 Veranstaltungshäufigkeit 112 5.1.5 Veranstaltungstypen 112 5.1.6 Bezug zum Ort 113 5.1.7 Veranstaltungsauswirkungen auf Grünflächen 113 5.1.8 Ein erstes Stimmungsbild 114 5.2 Umfrageergebnisse II (Positiv- und Negativbeispiele ) 118 5.2.1 Nutzungen und Zugänglichkeit der Grünflächen 118 5.2.2 Vorhandensein von Infrastruktur 118 5.2.3 Veranstaltungstyp / -thema 119 5.2.4 Anzahl der Veranstaltungsbesucher 120 5.2.5 Nutzungsentgelt und Kaution 120 5.2.6 Veranstaltungsauswirkungen 120 5.2.7 Auflagen und Maßnahmen 121
5.2.8 Durchführung von (Pflege-)Maßnahmen nach der Veranstaltung 123 5.3 Zwischenfazit zur Onlineumfrage 123 5.4 Erfahrungskatalog: Beispiele von Veranstaltungsfolgen/-schäden 125 5.4.1 Bremer Kindertag – Bürgerpark (Bremen) 126 5.4.2 Das Fest – Günther-Klotz-Anlage (Karlsruhe) 130 5.4.3 Hessentag – Colchesteranlage (Wetzlar) 134 5.4.4 Diverse Veranstaltungen – Friedrichsplatzanlage (Mannheim) 138 5.4.5 Lichterfest – Stadtpark (Lahr) 142 5.4.6 Public Viewing – Französischer Garten (Celle) 146 5.4.7 Umsonst & Draußen – Toskanapark (Lindau) 150 5.5 Zwischenfazit zum Erfahrungskatalog 154 6 NACHHALTIGE NUTZUNG ÖFFENTLICHER FREIRÄUME ALS VERANSTALTUNGSORTE 157 6.1 Ziele einer nachhaltigen Nutzung öffentlicher Freiräume als Veranstaltungsorte 158 6.2 Anwendungsbereich und Anforderungen an das kriterienbasierte Bewertungsverfahren 161 6.2.1 Anwendungsbereich und Zielgruppen 161 6.2.2 Anforderungen an ein Bewertungssystem und an die Bewertungskriterien 162 6.3 Ablauf und Durchführung einer Bewertung 163 6.4 Entwicklung und Auswahl von Bewertungskriterien 165 6.5 Kriterien für eine nachhaltige Veranstaltungsnutzung öffentlicher Freiräume 167 6.5.1 Bewertungskriterien Ökologische und Umwelt-Aspekte 168 6.5.2 Bewertungskriterien Funktionale und technische Aspekte 183 6.5.3 Bewertungskriterien Soziokulturelle und ökonomische Aspekte 202 6.6 Zwischenfazit Kapitel 6 214 7 FALLBEISPIEL BERLIN: ANWENDUNG DES BEWERTUNGSVERFAHRENS 215 7.1 Straße des 17. Juni 218 7.2 Gneisenaustraße 224 7.3 Dunckerstraße 228 7.4 Gendarmenmarkt 232 7.5 Alexanderplatz 236 7.6 Nettelbeckplatz 240 7.7 Platz der Republik 244 7.8 Tempelhofer Feld 248 7.9 Preußenpark 254 7.10 Rückschlüsse und Verallgemeinerungen für die Freiraumtypen 262 7.10.1 Haupttyp Straße 262 7.10.2 Haupttyp Platz 263 7.10.3 Haupttyp Grün 263 7.10.4 Untertyp Repräsentation 264 7.10.5 Untertyp Infrastruktur 265 7.10.6 Untertyp Nachbarschaft 265 7.11 Zwischenfazit Kapitel 7 268
8 HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR EINE NACHHALTIGE VERANSTALTUNGSNUTZUNG 269 8.1 Veranstaltungsbezogene Maßnahmen 270 8.1.1 Schutz der natürlichen Umwelt 272 8.1.2 Lärm- und Lichtemissionen 276 8.1.3 Sicherheit und Freiraumkapazität 279 8.1.4 Verkehr und Mobilität 282 8.1.5 Energie und Infrastruktur 284 8.1.6 Tragfähigkeit und Belastbarkeit 285 8.1.7 Abfall und Entsorgung 286 8.1.8 Kultur- und Denkmalschutz 290 8.1.9 Zugänglichkeit und Barrierefreiheit 291 8.1.10 Zusammenarbeit mit der Verwaltung / Kontrolle 292 8.1.11 Nachhaltiges Engagement und Management einer Veranstaltung 294 8.2 Wiederherstellungs-und Pflegemaßnahmen 295 8.2.1 Vegetationsschäden und verdichte Bodenflächen 295 8.2.2 Koordinierung von Sanierungs- und Pflegearbeiten in Freiräumen mit hohem Nutzungsdruck 296 8.2.3 Reinigung des Freiraums und Abfallentsorgung 296 8.2.4 Schäden am Freiraummobiliar 296 8.3 Freiraumplanerische Maßnahmen / Adaptierung von Freiräumen 296 8.3.1 Allgemeine planerische Aspekte zur Neuplanung und Umgestaltung von öffentlichenFreiräumen mit Veranstaltungsnutzung 297 8.3.2 Schutzgüter: Verbesserung der Empfindlichkeit und Belastbarkeit 300 8.3.3 Technische Infrastruktur und Ausstattung 303 8.4 Koordinierung von Veranstaltungen und verwaltungstechnische Maßnahmen 307 8.4.1 Entwicklung von Nutzungsregeln /-plänen /-zeiten 308 8.4.2 Veranstaltungsflächen für Free Open Airs und eine vereinfachte Genehmigungspraxis 309 8.4.3 Rechtliche Regelungen und Gesetzesänderungen 311 8.4.4 Entwicklung und Anpassung einer transparenten Gebührenordnung 312 8.4.5 Koordinierungsstelle für Veranstaltungen 312 8.5 Zwischenfazit Kapitel 8 314 9 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 315 9.1 Zusammenfassung und Fazit 316 9.2 Ausblick 320 10 LITERATURVERZEICHNIS 323 A ANHANG 349 A.1 Übersicht über interviewte Expert*innen 350 A.2 Interviewleitfaden 351 A.3 Übersicht GALK Ansprechpartner*innen aus den Landesgruppen (Stand 2014) 352 A.4 Web-Survey-Fragebogen 353 A.4 Weitere Ergebnisse aus der Onlineumfrage 358 A.5 Tabelle Erfahrungskatalog 360
KAPITEL 1 1 EINLEITUNG Einleitung 17
1.1 Problemstellung und Ausgangslage Öffentliche Freiräume – Straßen, Plätze oder Stadt entwickelt (vgl. Anders & Wittstock 2013, Grünflächen – werden als frei zugänglich, multi- 91). Eine nachhaltige Veranstaltungsnutzung, die funktional, nutzungsoffen definiert; sie schließen nicht dauerhaft zulasten anderer Freiraumfunktio- keine Gruppen aus und erfüllen unterschied- nen geht, steht im Fokus der Forschungsarbeit. liche Funktionen (vgl. Breuer 2003, 5ff.; Klamt 2012, 777ff.; Petrow 2012, 806): Für Menschen Anhand des Beispiels Berlins wird einleitend dar- sind sie Verbindungswege, Erholungs- und Auf- gestellt, wo Veranstaltungen in der deutschen enthaltsorte, Treffpunkte oder Orte der sozialen Hauptstadt stattfinden und welche Probleme Begegnung. Sie sind zugleich Lebensräume für sich daraus ergeben. Öffentliche Grünflächen, Tiere und Pflanzen und wirken sich positiv auf Straßen und Plätze sind auch in Berlin Orte für Umwelt und Klima aus. Öffentliche Freiräume Veranstaltungen. Hier sind zum einen die Park- sind auch Veranstaltungsorte, um die es in der anlagen wie der Mauerpark zu nennen. Dieser vorliegenden Promotionsarbeit gehen wird. zieht an schönen Sonntagen tausende von Menschen in den Park, zum Picknick oder zum In dicht bebauten Städten ist öffentlicher Freiraum Karaoke im Amphitheater. Der Preußenpark im knapp und wird daher als besonders schützens- Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ist wert betrachtet (vgl. Ermer, Hoff & Mohrmann zum touristischen Treffpunkt für thailändisches 1996, 57; Pauleit, Sauerwein & Breuste 2016, 2ff.; Essen geworden. Große Grün- und Erholungs- Anders, Hauber & Pustal 2013, 127). Der öffentliche anlagen wie das Tempelhofer Feld oder der Freiraum ist also auch „umkämpfter Raum“, in dem Treptower Park werden zur Musikbühne von unterschiedliche Nutzerinteressen und-bedürf- internationalen Festivals wie dem Lollapalooza. nisse aufeinandertreffen (vgl. Klamt 2012, 792). Die Straße des 17. Juni wird als die „Veranstal- Natürliche Ressourcen sind dazu begrenzt ver- tungsmeile“ in Berlin bezeichnet (vgl. Knierbein fügbar und erfordern einen schonenden Umgang 2010, 225). Ob als Fanmeile beim Livestream von (vgl. Hauff 2014, 31ff.). „Nachhaltige Entwicklung“ Fußball- Welt- oder Europameisterschaften, als wird deshalb seit mehreren Jahren auch in der Demonstrationsstrecke vom Christopher Street Stadtentwicklung und in Diskussionen zu urbanen Day, für Sportveranstaltungen wie dem Ber- Freiräumen thematisiert (u.a. Dangschat 1997; Dril- lin-Marathon sowie als Ort für Straßenfestivals ling & Schnur 2012; Wehrheit 2002; Breuste 2016, wie dem Umweltfestival, diese Straße beherbergt 207ff.; Chiesura 2004, 129ff.; Bott, Grassl & Anders jedes Jahr zahlreiche Veranstaltungen. Aber auch 2018, 11ff.). Als nachhaltige Entwicklung wird auf anderen Straßen der Stadt wird gefeiert, eine dauerhafte oder zukunftsfähige Entwick- wie auf der Gneisenaustraße zum Straßenum- lung beschrieben, die nicht auf Kosten anderer zug des Karnevals der Kulturen. Zum nachbar- Menschen, Räume oder nachfolgender Genera- schaftlichen Myfest auf Kreuzberger Straßen tionen gehen darf (vgl. Hauff 2014; Kap. 4.2). Dies kommen Anwohner*innen und Tourist*innen bedeutet übertragen auf städtische Freiräume, zusammen. Die Karl-Marx-Allee wird zur Renn- dass deren nachhaltige Entwicklung und Nutzung strecke der Formel E. Öffentliche Plätze wie unterschiedliche Nutzerbedürfnisse und Freiraum- der Alexanderplatz sind zugleich auch Orte für funkionen einschließt und erhält, und öffentliche Weihnachts- und Ostermärkte oder Oktoberfes- Freiräume zu zukunftsfähigen, lebenswerten und te. Der Pariser Platz war lange Zeit das Zuhause anpassungsfähigen Orten in einer nachhaltigen der Mercedes Benz Fashion Week. Während des 18
Evangelischen Kirchentags wurde im Jahr 2017 zungsdruck und bewirken, dass aufgrund hoher KAPITEL 1 der Gendarmenmarkt zur Open-Air-Kirche. Belastungen durch Veranstaltungsbesucher*in- nen und Eventverkehr Rasenflächen abgetragen, Nicht nur in Berlin zeigt sich dieses Bild, sondern Böden verdichtet, Pflanzen geschädigt werden in vielen Städten der Welt werden öffentliche und eine große Menge Abfall beispielsweise nach Straßen, Plätze oder Parks auch als urbane dem Wochenende im Park verbleibt (vgl. Kap. Veranstaltungsorte angesehen (vgl. Betz, Hitz- 4.3). Der Treptower Park konnte während des ler & Pfadenhauer 2011, 9ff.; Kröniger 2005; kostenpflichtigen Musikfestivals Lollapalooza nur Pegels & Berding 2013, 9; Opaschowski 2000, 16ff.). in Teilen öffentlich genutzt werden und wird so Besonders historische Gärten und Stadtplätze seiner ursprünglichen Funktion als Erholungsort sind aufgrund ihrer zentralen Lage oder Attraktivi- während dieser Zeit nicht gerecht (vgl. Schmidl tät bevorzugte Veranstaltungsorte (vgl. Formann 2016b). Anwohner*innen entlang dieser Grünflä- 2015; Pegels & Berding 2013; Flierl 2002, 18ff.). chen beklagen sich über zunehmende Geräusch- emissionen (vgl. Schmidl 2016c; Hönicke 2018). Veranstaltungen bereichern den öffentlichen Freiraum und bieten die Möglichkeit für unterhalt- Auf der Straße des 17. Juni oder anderen Straßen- same Freiraumkultur und Freizeitgestaltung, die zügen kommt es während Großveranstaltungen, zugleich das Freiraumbild verändern (vgl. Gehrcke wie dem Fest zur Deutschen Einheit 2018, zu 2001a, 326; Kröniger 2005,6). Großveranstaltungen, Straßensperrungen und Nutzungseinschränkun- wie das Fest zur Deutschen Einheit (2018), insze- gen (vgl. Hasselmann 2011; Piontek 2018). Wäh- nieren sich im öffentlichen Raum und in den Medi- rend sich die einen über die autofreien Straßen en vor dem Brandenburger Tor, wirken identitäts- und das Erlebnisangebot freuen, beklagen sich stiftend und Image steigernd für eine Stadt (vgl. andere, dass sie den Verkehrsweg nicht mehr Häußermann & Siebel 1993, 28; Pegels & Berding nutzen können (vgl. Hasselmann 2011). Das tra- 2013,9). Sie besitzen eine wichtige gesellschafts- ditionelle Myfest hat sich von einem geplanten politische Rolle (vgl. Betz, Hitzler & Pfadenhauer Stadtteilfest hin zu einem touristischen Party- 2011, 9ff.) und wirken als Tourismusmagnet (vgl. highlight und „Ballermann“ am 1. Mai entwickelt Richards & Wilson 2004, 1931ff.). Folglich kann der (vgl. Studnik 2018): Das Besucheraufkommen öffentliche Raum als Bühne betrachtet werden, ist so groß, dass Zugänge zum Fest aus Sicher- die bespielt wird (vgl. Kröniger 2005, 6). Als „Motor“ heitsgründen temporär gesperrt werden müssen, einer Stadt können sie Infrastrukturentwicklungen Anwohner*innen Probleme haben, in ihre Wohnun- unterstützen und die Wirtschaft durch Tourismus gen zu gelangen (vgl. Salmen 2015; Hasselmann und Entstehung neuer Arbeitsplätzen ankurbeln 2015). Nach dieser Veranstaltung sind Straßen (vgl. Häußermann & Siebel 1993, 17; Ritchie 1984). des Festgeländes und in der Umgebung vermüllt (vgl. Salmen 2015; Mallwitz & Kraetzer 2018). Doch obwohl diese Veranstaltungen positive Effekte für eine Stadt oder ein Quartier mit sich Plätze wie der Pariser Platz oder der Gendarmen- bringen, zeigen sich auf der anderen Seite zuneh- markt werden für die Berliner Fashion Week oder mend Schäden und Konflikte in öffentlichen für den Evangelischen Kirchentag durch Absper- Freiräumen. Das Karaoke-Event im Mauerpark, die rungen und Sicherheitskontrollen ganz oder Thaiwiese im Preußenpark und andere – zum Teil teilweise in ihrer Zugänglichkeit begrenzt und ver- unangemeldete – Veranstaltungen auf Berliner lieren zumindest zum Teil ihre Funktion als öffentli- Grünflächen führen zu einem erhöhten Nut- cher Raum. Der Alexanderplatz ist an 120 Tagen Einleitung | PROBLEMSTELLUNG UND AUSGANGSLAGE 19
im Jahr mit Veranstaltungen belegt: Weihnachts- mit Prominenz zur abgesperrten und kontrollierten oder Ostermarkt, Oktoberfest, veganes Sommer- „Sicherheitszone“ (Dinger 2017) und „Spazieren im fest oder das Internationale Berlin Lacht Straßen- Tiergarten [ist] verboten“ (Görke & Törne 2015). theaterfestival, es gibt nur noch wenige Wochen im Jahr, an denen dort keine Veranstaltungen Viele Akteure sind am Zustandekommen und stattfinden (vgl. Kap. 7.5; Seeling 2017). Die Sym- Gelingen einer Veranstaltung beteiligt (vgl. Heinze bolik, Ästhetik und charakteristische Funktionen 2004b, 36). Es treffen verschiedene Interessen und dieser öffentlichen Freiräume werden durch zahl- Vorstellungen aufeinander, was nicht zuletzt die reiche Events überlagert, gestört oder verdrängt. Anforderungen an den Veranstaltungsfreiraum betrifft. In Berlin kommt es in den letzten Jahren Einige dieser negativen Veranstaltungsauswirkun- zunehmend zu Konflikten – zwischen Erlebnis- und gen – ob im Berliner Freiraum oder auf Grün- und Ruhebedürftigen, zwischen Umweltbehörden Freiflächen anderer Städte – sind von kurzer, und Wirtschaftsverwaltungen sowie zwischen andere von langer Dauer oder zeigen sich erst Anwohner*innen und Eventbesucher*innen –, viel später, wenn beispielsweise Vegetation (v.a. wenn Veranstaltungen auf Straßen, Plätzen oder Sträucher und Bäume) zerstört oder Böden ver- in Parkanlagen stattfinden (vgl. Kap. 4.6). Zustän- dichtet werden (vgl. IOC 2005, 9; Balder 2002, 13ff.; dige Behörden sehen sich mit Genehmigungs- Millward, Paudel & Briggs 2011). Nicht jede Veran- wünschen aus verschiedenen Interessenlagern staltung ist vergleichbar und verursacht Schäden konfrontiert und haben Bescheide auszustellen. im öffentlichen Raum. Die verschiedenen Arten Veranstalter*innen wiederum sind auf Genehmi- von Veranstaltungen variieren in ihren Auswir- gungen zuständiger Behörden angewiesen (vgl. kungen (vgl. Kap. 4.4). Besonders wiederkehrende Risch & Kerst 2011, 441). Es bestehen Unklarheiten, Großveranstaltungen besitzen ein hohes Scha- aber Entscheidungen müssen getroffen werden, denspotenzial (vgl. Heinzel & Zimmermann 1990; welche Veranstaltung wann und an welchem Ort Cierjacks, Behr & Kowarik 2012, 328ff.; Cierjacks, stattfinden darf. Häufig dienen dabei nicht einheit- Teichert & Diefenbacher 2008, 17). Dabei unter- liche, gerechte Kriterien als Entscheidungsgrund- scheiden sich Freiräume in ihrer Empfindlichkeit. lage, sondern es zählt der politische Wille und der Wunsch durch internationale Großveranstaltun- Vor allem Veranstaltungsauswirkungen wie gen mehr Touristen in die Hauptstadt zu locken Nutzungseinschränkungen bei Straßensperrun- (vgl. Kap. 3.2.2; Knierbein 2010, 224ff.). Schäden gen, erhöhtes Abfallaufkommen oder Vegeta- an öffentlichen Freiräumen, vor allem auf Grün- tionsschäden (vgl. Case 2013, 55ff.; Bowdin et al. flächen, werden dabei in Kauf genommen (vgl. Kap. 2011, 79ff.; Ritchie 1984, 4ff.; Gibson & Wong 2011, 5.; Schönig 2006, 22f.). Die Genehmigungspraxis 93ff. ) führen zu einem Negativbild von Events ist dazu häufig intransparent und langwierig (vgl. im öffentlichen Freiraum (vgl. Kröniger 2005, 13; Kap. 4.7.3 / 4.6). Viel zu oft bestehen zahlreiche, Seeling 2017). Die Eventisierung des öffentlichen widersprüchliche Interessen, wie zum Beispiel bei Raums (vgl. Betz, Hitzler & Pfadenhauer 2011, 9ff.; der Loveparade 2010 in Duisburg, bei der es durch Hitzler 2011) führt verstärkt zu Kontroversen in der zu große Menschenmassen zu einer Massenpanik Stadt. Dies spiegeln bereits seit mehreren Jah- mit 21 Todesopfern kam (vgl. Helbing & Mukerji ren Schlagzeilen verschiedener Tageszeitungen 2012; Bolsmann 2010): Trotz vorheriger Sicher- wider: Zum Beispiel „werden Straßen und Plätze heitsbedenken aufgrund unzureichender Flucht- […] gnadenlos verramscht“ (Matzig 2008) oder der möglichkeiten sowie nicht vorhandener Sicherung öffentliche Raum wird bei Großveranstaltungen von potenziellen Gefahrenquellen wurde die 20
Veranstaltung wegen der erwarteten Image- Bowdin et al. 2011, 156ff.). Dies betrifft vor allem KAPITEL 1 steigerung für die Stadt genehmigt (vgl. Bols- Großereignisse wie die Olympischen Spiele mann 2010; Diehl & Röbel 2010; Helbing & Mukerji oder Fußball-Weltmeisterschaften (vgl. Bowdin 2012). Städte stehen unter Eventisierungsdruck et al. 2011, 157ff.). Aber auch einige Straßenfes- (Betz, Hitzler & Pfadenhauer 2011, 9ff.). te und andere Freiluftevents berücksichtigen Nachhaltigkeits- und Umweltmaßnahmen in der Die zentralen öffentlichen Freiräume im Berliner Veranstaltungsdurchführung (vgl. Große Ophoff Innenstadtring werden mit Bezug auf eine Sonder- 2016, 12). Auf Großveranstaltungen, wie dem nutzungserlaubnis besonders nachgefragt (vgl. Berliner Karneval der Kulturen im Bezirk Fried- Aulich 2009; Bezirksamt Mitte von Berlin 2010). richshain-Kreuzberg, wird beispielsweise Abfall Eine solche ist erforderlich, um individuelle Ver- eingespart, indem Mehrweggeschirr verwendet anstalterinteressen mit den öffentlichen Interes- wird; eine „Grüne Meile“ informiert über nach- sen im Sinne des Gemeinwohls abzuwägen (vgl. haltige Themen (vgl. Haus des Karnevals 2018). Knierbein 2010, 60). Im Jahr 2012 gab es beispiels- weise viele Genehmigungsanfragen zur Straße Auch in öffentlichen Freiräumen werden Ver- des 17. Juni in Berlin. Neben dem Christopher anstaltungsaspekte in der Planung berück- Street Day und der Fanmeile zur Fußballeuropa- sichtigt, wie im Fall der Straße des 17. Juni, die meisterschaft sollten in diesem Sommer fast zur durch Veranstaltungsinfrastruktur nachgerüstet gleichen Zeit Fashion Week und das Velothon worden ist (vgl. Kap. 7.1). In Parkanlagen, wie Radrennen stattfinden (vgl. Stollowsky 2012). Nur im Berliner Gleisdreieckpark, werden multi- durch einen Kompromiss – die Fashion Week zog funktionale Bereiche mit Stromanschlüssen an die Siegessäule – konnten sich alle Veranstal- geschaffen, die auch temporäre Veranstal- ter*innen einigen (ebd.). 2018 musste der Berliner tungsbühnen sein können (vgl. Kap. 8.3.1). Marathon auf dieser Straße um zwei Wochen vor- verlegt werden, weil er sich sonst mit den Aufbau- Trotz dieser zunehmenden Bemühungen, Ver- arbeiten für das Einheitsfest auf der Straße des anstaltungen nachhaltig durchzuführen oder 17. Juni überschnitten hätte (vgl. Gandzior 2018). öffentliche Freiräume an Veranstaltungen anzu- passen, reichen diese nicht immer aus, um Veranstalter*innen versuchen auf die negativen negative Auswirkungen zu verhindern: Öffentliche Veranstaltungsauswirkungen zu reagieren. Es Freiräume unterscheiden sich in ihrer Eignung für werden nicht nur verstärkt Sicherheitsaspekte in Veranstaltungen. Es bedarf einer ganzheitlichen der Veranstaltungsplanung berücksichtigt, auch Betrachtung und Bewertung der öffentlichen ökologische, ökonomische und soziokulturelle Freiräume, wie sie auch als Orte für Veranstal- Aspekte – im Sinne eines nachhaltigen Veran- tungen nachhaltig genutzt werden können. staltungsmanagements – spielen in den letzten Dadurch können dem Eventisierungsdruck von Jahren eine zunehmende Rolle (vgl. Holmes et „oben“ belastbare Kenngrößen und sinnvolle al. 2015, 5; Holzbaur 2016; Abele & Holzbaur 2011; Maßnahmenpakete entgegengesetzt werden. Jones 2018, Raj & Musgrave 2009; Große Ophoff 2016, 11). Ziele einer nachhaltigen Entwicklung, wie der Erhalt natürlicher Ressourcen, werden verstärkt in die Veranstaltungsplanung integriert und umgesetzt (vgl. Abele & Holzbaur 2011, 7; Große Ophoff 2016, 11ff.; Raj & Musgrave 2009, 3; Einleitung | PROBLEMSTELLUNG UND AUSGANGSLAGE 21
1.2 Stand der Forschung Dem Thema wurde – trotz seiner Aktualität Parkanlagen für Veranstaltungen und deren und Relevanz – in der Forschung bisher nur Auswirkungen beschäftigt. Zum Beispiel nennt wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Einzelne Gehrcke (2001a) Kriterien, um die Eignung von Aspekte des Forschungsgegenstandes wur- Veranstaltungen oder Festivals in Parks zu den in verschiedenen Wissenschaften aus bewerten. Diese Kriterien beziehen sich auf unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Veranstaltungstypen, das Schadenspotenzial Diese werden im Nachfolgenden vorgestellt. einer Veranstaltung, die Schadensempfind- lichkeit und Größe einer Parkanlage sowie die 1.2.1 Der öffentliche Freiraum als Veranstaltungsort Intensität einer Veranstaltungsnutzung. Bislang gibt es nur wenige Untersuchun- gen und Studien darüber, die sich explizit Balder (2002) setzt sich mit Schäden durch mit öffentlichen Räumen beschäftigen, die Großveranstaltungen in öffentlichen Grün- für Veranstaltungen genutzt werden. flächen auseinander. Er beschreibt Veran- staltungsauswirkungen auf die Vegetation Hierzu zählt in erster Linie die Dissertation der und auf den Boden, gibt erste Maßnahmen- Landschaftsarchitektin Birgit Kröniger (2005), vorschläge und bewertet deren Effizienz. die sich in ihrem Forschungsvorhaben „Der Frei- raum als Bühne – Zur Transformation von Orten Auch Henze (2016) beschäftigt sich mit Strategien durch Events und inszenierte Ereignisse“ aus zu Events auf Grünflächen. Sie plädiert dafür, freiraumplanerischer und sozial-kulturwissen- Leitbilder für diese Freiräume zu entwickeln, schaftlicher Perspektive mit der Eventisierung die Aspekte wie Grünflächentyp, Flächengrö- von Freiräumen und deren Auswirkungen auf ße, Gestaltungselemente sowie Denkmal- und den öffentlichen Raum beschäftigt hat. Naturschutzaspekte berücksichtigen (vgl. Henze 2016, 34). Henze betont des Weiteren die Wich- Die Eventisierung und Festivalisierung von öffent- tigkeit, die freie Zugänglichkeit für alle Nutzer- lichen Räumen spielt auch in Knierbeins Disserta- gruppen, auch während einer Veranstaltung, und tion (2010) „Die Produktion zentraler öffentlicher den öffentlichen Charakter der Grünflächen zu Räume in der Aufmerksamkeitsökonomie“ eine erhalten. Außerdem empfiehlt sie einen ausrei- Rolle. Großveranstaltungen werden hier als ein chenden zeitlichen Abstand zwischen den Events Mittel der medialen Stadtinszenierung betrachtet und eine Maximalanzahl einzuhalten (ebd.). (vgl. Knierbein 2010, 218ff.). In Knierbeins Arbeit werden weitere Aspekte wie Kommerzialisierung Formann (2015) gibt allgemeine Handlungsemp- und Privatisierung von öffentlichen Freiräumen fehlungen für Veranstaltungen in historischen in Berlin thematisiert, die für das vorliegende Gärten. Sie betont die Notwendigkeit einer Eig- Forschungsthema eine Rolle spielen (vgl. Kap. 3.2). nungsprüfung der Parkanlage, um abzuschätzen, ob eine konkrete Veranstaltung mit der denkmal- 1.2.2 Verträglichkeit von Veranstaltungen auf gerechten Nutzung eines Freiraums vereinbar ist. Grünflächen Neben Nutzungsgrenzen und Tabuzonen sollten Einige in Fachzeitschriften der Freiraum- und laut Formann Maßnahmenvorschläge vertraglich Grünflächenplanung erschienene Untersuchun- für den Veranstalter*in festgeschrieben sein. gen haben sich mit der Eignung von öffentlichen 22
Der Arbeitskreis „Historische Gärten“ in der Eine der wenigen aktuellen deutschsprachigen KAPITEL 1 Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Lehrbücher zum Thema nachhaltiges Event- Landschaftskultur (DGGL) hat eine Checklis- management stellen die Werke von Große te entwickelt, mit Hilfe derer die verantwort- Ophoff (2016) und von Holzbaur (2016) dar. lichen Denkmaleigentümer, Fachbehörden Holzbaur gibt in dem Grundlagenbuch allge- oder Verwaltungen die Verträglichkeit einer meine Informationen zum Thema nachhaltige Veranstaltung in Gartendenkmälern über- Events, Leitfäden für die Konzeption und Umset- prüfen können (vgl. Müller-Glaßl 2000). zung und stellt allgemeine Checklisten vor. 1.2.3 Nachhaltige Events / Veranstaltungsauswirkungen Das Handbuch „Sustainable Event Manage- Viele Studien betrachten dagegen Nachhaltig- ment: A practical guide“ von Jones (2018), keits- oder Umweltsaspekte bei Veranstaltungen, das bereits in einer 3. aktualisierten Ausgabe welche eine wichtige Rolle für die Forschungs- erschienen ist, richtet sich insbesondere an thematik spielen. Diese Aspekte werden zuneh- Veranstalter*innen. Es liefert neben allgemeinen mend auch im Veranstaltungsbusiness berück- Hintergrundinformationen vor allem praktische sichtigt (vgl. Brooks, Magnin & O’Halloran, 2009; Hilfestellungen für Veranstaltungsorganisa- Dickson & Arcodia 2010; Getz & Andersson 2008; tor*innen, wie sie eine nachhaltige Organisation Jones 2018; Musgrave & Raj 2009; Große Ophoff von Events und Festivals umsetzen können. 2016). Eine nachhaltige Veranstaltungsdurchfüh- rung wird in Kapitel 4.2 ausführlich thematisiert. Veranstaltungsauswirkungen / Einzelaspekte Verschiedene Studien und Aufsätze wid- Nachhaltige Veranstaltungen men sich den Veranstaltungsauswirkungen Eins der ersten deutschen Werke zum Thema oder thematisieren – auch für diese Arbeit stellt das Handbuch „Umweltschonende Groß- – wichtige Einzelaspekte (u.a. Balder 2002, veranstaltungen“ von Heinzel und Zimmermann Heinzel & Zimmermann 1990; Case 2013; Die- (1990) dar. Darin werden umweltbedingte Aus- nel & Schmithals 2004; Dávid 2009; Tassio- wirkungen von Großveranstaltungen untersucht poulos & Johnson 2009; Paul et al. 2014). und darauf aufbauend Maßnahmenvorschläge für eine umweltschonende Veranstaltungs- Eines der wichtigen englischsprachigen Wer- durchführung für Veranstaltungsorte in ke stammt von Robert Case (2013). Dieser Gebäuden und im Freien (sowohl im innerört- beschäftigt sich in seiner Monographie „Events lichen Raum als auch Außenraum) gegeben. and the Environment“ umfassend mit Umwelt- auswirkungen durch Events auf Makro- (z. B. Ein umfassendes englischsprachiges Werk zur Luftverschmutzungen) und Mikroebene (z. B. Nachhaltigkeit im Eventmanagement haben Bodenverdichtungen). Er nennt erste Kriterien, Musgrave & Raj mit „Events and Sustainability“ die ein Veranstaltungsort im Außenraum erfül- (2009) herausgebracht. Neben allgemeinen len sollte, wie zum Beispiel eine gute Anbin- Informationen zur Nachhaltigkeit und zum dung an das Öffentliche Nahverkehrsnetz, nachhaltigen Veranstaltungsmanagement und vorhandene Stellplatzflächen für PKWs, einer zu politischen Leitlinien, werden positive und geeigneten und verfügbaren sowie belastbaren negative Veranstaltungsauswirkungen identi- Flächengröße und Standorte, welche Umwelt- fiziert, Werkzeuge und Indikatoren für ein „Sus- auswirkungen wie Lärm, Müll, Licht oder Vanda- tainable Event Management“ vorgestellt. lismus per se reduzieren (vgl. Case 2013, 35). Einleitung | STAND DER FORSCHUNG 23
Die Herausgeber*innen Dienel und Schmithals Einen weiteren theoretisch-konzeptionellen (2004) sowie Bernhard (2003) beschäftigten sich Ansatz zur Messung von Nachhaltigkeit bei mit Eventverkehren und Verkehrsauswirkungen Events haben Wall und Behr (2010) in ihrer Arbeit durch (Groß-)Veranstaltungen. Besonderheiten entwickelt. Sie stellen qualitative und quantita- des öffentlichen Freiraums und des behördlichen tive Indikatoren zur Bewertung der Nachhaltig- Genehmigungsablaufs werden beschrieben. keitsleistung einer Veranstaltung auf. Wall und Behr beschränken sich nicht auf Indikatoren zur Sicherheitsaspekte greifen die Herausgeber*innen ausschließlichen Messung der Nachhaltigkeit Paul, Ebner, Klode und Sakschewski (2014) in ihrem von Events, sondern ergänzen diese um Indi- Grundlagenwerk „Sicherheitskonzepte für Veran- katoren zur Messung, inwiefern Events einen staltungen“ auf und geben wichtige Informationen Teil zur nachhaltigen Entwicklung beitragen. zu Sicherheitsaspekten bei Veranstaltungen auch im öffentlichen Freiraum. Best-Practice-Beispiele Nachhaltige Bewertungssysteme mit Bezug zum Freiraum für Sicherheitskonzepte von Veranstaltungen Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und werden in dem nachfolgenden Buch von Sak- Stadtentwicklung (vgl. Loidl-Reisch, Richter & Zim- schewski, Klode und Paul (2016) aufgezeigt, das mermann 2012) hat die Broschüre „Nachhaltig auch Genehmigungsabläufe und die Genehmi- geplante Außenanlagen auf Bundesliegen- gungspraxis von Veranstaltungen thematisiert. schaften“ herausgegeben, die unter anderem Planungsempfehlungen gibt, die dazu motivieren 1.2.4 Umweltmanagement und nachhaltige sollen, die Prinzipien des nachhaltigen Bauens im Bewertungssysteme Planungsprozess zu berücksichtigen. Es wurde Bewertung und Messung von Veranstaltungsauswirkun- ein nachhaltiges Bewertungssystem entwickelt, gen und Umweltmanagementsysteme das die Gegebenheiten eines Standortes berück- Einige Großveranstaltungen wie der Evan- sichtigt und sowohl die ökologische, ökonomi- gelische Kirchentag haben eigene Umwelt- sche, soziokulturelle oder funktionale Qualität als oder Nachhaltigkeitsmanagementsysteme auch die technische Qualität oder Prozess- und etabliert, um Veranstaltungsauswirkungen Standortqualität einer Außenanlage betrachtet zu kontrollieren und Lärm- und CO2-Emis- (vgl. Loidl-Reisch, Richter & Zimmermann 2012). sionen zu reduzieren (vgl. Cierjacks , Tei- chert & Diefenbacher 2008; Kap. 4.2.3). 1.2.5 Handlungsempfehlungen und Leitfäden für ein nachhaltiges Veranstaltungsmanagement Des Weiteren haben Gibson und Wong (2011) In den letzten Jahren entstanden viele Leit- Umweltauswirkungen von Festivals bewer- fäden und Handlungsempfehlungen für ein tet und stellen Messwerkzeuge für die spezi- nachhaltiges Veranstaltungsmanagement, fische Anwendung auf Musikfestivals zur die sich insbesondere an Veranstalter*innen Verfügung – wie z. B. die ökologische Fuß- richten. Die Tabelle 1 zeigt Themenfelder von abdruckmethode (vgl. Wong 2005). Handlungsempfehlungen für ein nachhaltiges Veranstaltungsmanagement auf, die in Leit- Lamberti, Fava und Noci (2009, 119ff.) zeigen fäden, Checklisten etc. berücksichtigt wor- in ihrem Aufsatz „Assessing and Monitoring den sind. Sie ordnet diese Leitfäden zu, die the Performances of a Sustainable Event“, in der vorliegenden Promotionsarbeit beson- welche Rolle es spielt, Veranstaltungen hin- dere Berücksichtigung gefunden haben. sichtlich ihrer Nachhaltigkeit zu messen. 24
Tab. 1: Übersicht HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN Handlungsempfeh- BMUB & UBA BEHR ET AL. BMU & DOSB JONES NACHHALTIGE BMU 2009 lungen für ein nach- KAPITEL 1 2015 2013 2007 2018 haltiges Veranstal- VERANSTALTUNGEN tungsmanagement THEMENFELDER Mobilität / Transport X X X X X Energie / Klimaschutz X X X X X Catering / Verpflegung X X X X X Veranstaltungsort X X X X X Lärm X X Natur / Landschaft X X X Abfall / Ressourcenschutz X X X X X Wasser / Sanitär X X X X X Soziale Aspekte / Barrierefreiheit X Kommunikation / Bildung X X X X Einige dieser Leitfäden bzw. Handlungsempfeh- altonale oder das Niedersächsische Landesturn- lungen sind hauptsächlich auf Veranstaltungs- fest evaluieren den Erfolg von Nachhaltigkeits- orte in geschlossenen Räumen ausgerichtet maßnahmen in Umweltdokumentationen oder (vgl. BMUB & UBA 2015) und berücksichtigen Nachhaltigkeitsberichten (vgl. Evangelischer deshalb keine Empfindlichkeiten und Beson- Kirchentag 2017; Hansen 2017; Fritsch & Platta derheiten von Veranstaltungsorten im öffentli- 2012). Diese werden zum Teil in der Forschungs- chen Freiraum. Lärmaspekte, die eine wichtige arbeit berücksichtigt, da sie Hinweise auf Rolle bei Veranstaltungen im Freien spielen, erfolgreiche Maßnahmen für eine nachhal- werden seltener benannt. Ausnahmen stellen tige Veranstaltungsdurchführung geben. hierfür der von Sounds for Nature Foundation e.V. herausgegebene und auf Festivals ausge- 1.2.7 Management und Koordinierung von richtete „Leitfaden für die umweltverträgliche Veranstaltungen (Verwaltung) Gestaltung von Open-Air-Veranstaltungen“ Auch die Stadtverwaltungen verschiedener euro- dar (vgl. Behr et al. 2013). Ein anderes Beispiel päischer Städte versuchen Lösungen zu finden, ist der vom Deutschen Sportbund (DOSB) und wie mit der zunehmenden Eventisierung öffent- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz licher Freiräume und den daraus resultierenden und Reaktorsicherheit (BMU) herausgebende Problemen im Stadtraum umgegangen werden Leitfaden für umweltfreundliche Sportgroß- kann. Dazu zählen Best-Practice-Beispiele wie veranstaltungen „Green Champions“. Diese Veranstaltungskontingente und Bespielungsre- Leitfäden beinhalten sowohl Maßnahmen zur geln in Basel, ein Veranstaltungsbüro in Stuttgart Reduzierung von Lärmemissionen und von Aus- oder eine Umweltberatungstelle für Großveran- wirkungen auf die Umwelt und den Naturschutz. staltungen in Wien, die alle separat in Kapitel 8 vorgestellt werden. Ein für zentrale öffentliche 1.2.6 Umwelt- und Nachhaltigkeitsberichte Freiräume in Berlin-Mitte wichtiges Kriterien- Einige Veranstaltungen wie der Evangelische raster wird im Nachfolgenden dargestellt. Kirchentag, das Hamburger Straßenfestival Einleitung | STAND DER FORSCHUNG 25
Berlin: Positiv- / Negativkatalog (vgl. Jung 2010, 97ff.). Die Bewertungsergebnisse In Berlin hat das Bezirksamt Mitte (2010) einen legen Handlungsempfehlungen nahe, die die Ver- Positiv-und Negativkatalog erarbeitet. Dieser anstaltungseignung eines Freiraums verbessern befasst sich mit prominenten öffentlichen Plätzen können (vgl. Jung 2010, 115ff.). Der Nachhaltigkeits- und Straßen im zentralen Bereich von Berlin, aspekt spielte, im Gegensatz zur vorliegenden wie der Straße des 17. Juni, Pariser Platz oder Forschungsarbeit, in dieser Abschlussarbeit nur Bebelplatz, die, wie bereits beschrieben, auch eine untergeordnete Rolle. In der Diplomarbeit beliebte Veranstaltungsorte sind. Der Positiv-/ liegt der Fokus auf einer Veranstaltung, die einen Negativkatalog definiert Ausschlusskriterien für öffentlichen Freiraum nutzt. Eine nachhaltige Nut- Veranstaltungen, so werden zum Beispiel keine zung öffentlicher Freiräume und nachhaltige Ver- Werbeveranstaltungen genehmigt, und benennt anstaltungsdurchführung werden nicht bzw. nur Besonderheiten und Merkmale spezifischer Orte am Rande thematisiert. Diesen Aspekt rückt nun im öffentlichen Raum, die ausschlaggebend für die vorliegende Promotionsarbeit in den Vorder- die Art und Weise der Nutzung sind. Des Weite- grund, was auch eine erweiterte und umfassende ren werden in dem Katalog allgemeine Kriterien Literaturrecherche zu neuen Forschungsaspekten vorgeschlagen, die bei der Bewertung von neuen voraussetzt. Dadurch verändern sich Frage- und Veranstaltungen berücksichtigt werden sollen. Zielstellung und Ergebnisse der Forschungs- Hierzu zählen örtliche Belange, wie die historische arbeit. Die vorangegangene Abschlussarbeit dient oder nationale Bedeutung eines Freiraums, öffent- somit lediglich als Ausgangsgrundlage, deren liches Interesse und Schutzbelange wie Sicher- Ergebnisse an einigen Stellen in die Arbeit ein- heits- oder Naturschutzaspekte oder verkehrsbe- fließen. Diese werden entsprechend markiert. dingte Auswirkungen. Diese Aspekte müssen im Genehmigungsverfahren berücksichtigt werden. 1.2.9 Auswertung des Forschungsstandes Im Forschungsstand wurde aufgezeigt, dass 1.2.8 Diplomarbeit Freiraum und Veranstaltung es bereits verschiedene Studien, Forschungen, Im Gegensatz zu dem im Forschungstand dis- Fachliteratur und Best-Practice-Beispiele zu kutierten Schriften hat sich die unveröffentlichte unterschiedlichen Forschungsaspekten gibt, Diplomarbeit der Verfasserin Birte Jung (2010) die für die vorliegende Arbeit von Relevanz sind. bereits ausführlicher mit der Thematik „Eignung Insbesondere der Aspekt der Nachhaltigkeit in von öffentlichen Freiräumen als Veranstaltungs- Bezug auf Veranstaltungen ist mehrfach unter- orte“ beschäftigt und gibt deshalb einen wichtigen sucht worden. Es wird jedoch festgestellt, dass Input für die vorliegende Forschungsarbeit. In es gänzlich an wissenschaftlichen Arbeiten dieser Diplomarbeit wurde eine erste Bewertungs- und Forschungsliteratur fehlt, die die Beson- methodik entwickelt, mit der überprüft werden derheiten des öffentlichen Freiraums als Ver- kann, inwiefern sich ein öffentlicher Freiraum anstaltungsort in Verbindung mit dem Nach- für Veranstaltungen eignet (Jung 2010). Dieses haltigkeitsaspekt in den Vordergrund stellen: Verfahren basiert auf einer Vielzahl von Kriterien, die sowohl gestalterische, technische als auch Die Studien und Untersuchungen zur Verträg- ökologische Aspekte eines Freiraums und einer lichkeit von Veranstaltungen auf Grünflächen Veranstaltung berücksichtigen (vgl. Jung 2010, (u.a. Gehrcke 2001; Balder 2002; Formann 2015) 67ff.). Anhand der Großveranstaltung des Karne- beschränken ihre Ergebnisse nur auf diese vals der Kulturen in Berlin wurde die Methodik ein und sind nicht auf andere städtische Räume erstes Mal auf ihre Anwendbarkeit hin überprüft wie Straßen oder Stadtplätze übertragbar. 26
Konkrete Kriterien mit Bezug zu einer nach- berücksichtigen, um so die Eignung und nach- KAPITEL 1 haltigen Veranstaltungsplanung fehlen. haltige Nutzung öffentlicher Freiräume als Veranstaltungsort bestimmen zu können. Fachliteratur zum Thema nachhaltige Events (u.a. Heinzel & Zimmermann 1990; Raj & Musgra- Leitfäden einer nachhaltigen Veranstaltungs- ve 2009; Holzbaur 2016; Jones 2018) fokussiert durchführung (u.a. BMUB & UBA 2015; Behr größtenteils auf eine nachhaltige oder umwelt- et al. 2013) geben keine konkreten oder nur freundliche Veranstaltungsdurchführung und wenige Hilfestellungen für nachhaltige Ver- berücksichtigt nur am Rande oder lediglich Teil- anstaltungen im öffentlichen Freiraum. aspekte von öffentlichen Freiräumen, die auch als Veranstaltungsort dienen. Untersuchungen Die Diplomarbeit der Verfasserin (Jung 2010) zu Veranstaltungsauswirkungen (u.a. Case 2013; sowie die Dissertation von Kröniger (2005) Dienel & Schmithals 2004; Dávid 2009) beschrän- thematisieren zwar den öffentlichen Frei- ken sich auf einzelne Aspekte und nennen keine raum als Veranstaltungsort, die Verknüpfung oder nur teilweise Lösungsmöglichkeiten, die zu einer nachhaltigen Nutzung und ausführ- auf den öffentlichen Raum übertragbar sind. liche Handlungsempfehlungen fehlen jedoch. Die dargestellten nachhaltigen Bewertungs- Mit der vorliegenden Arbeit soll diese Forschungs- ansätze (u.a. Loidl-Reisch, Richter & Zimmer- lücke geschlossen und das Thema umfassend mann 2012; Cierjacks, Teichert & Diefenba- aus freiraum- und stadtplanerischer sowie aus cher 2008; Wall & Behr 2010) beinhalten keine nachhaltiger Sichtweise und veranstaltungs- Methoden, die umfassend und alle Aspekte planerischer Perspektive betrachtet werden. eines Veranstaltungsortes in einer städti- Verschiedene Lösungsmöglichkeiten für eine schen Umgebung mit infrastrukturellen, nachhaltige Veranstaltungsnutzung sollen dafür sozialen und umweltbedingten Gegebenheiten in öffentlichen Freiräumen entwickelt werden. 1.3 Zielsetzungen und Fragestellungen der Arbeit Die soeben dargestellte Problemstellung und Aus- als Veranstaltungsort beurteilt und verbessert wertung des Forschungsstandes verdeutlichen werden kann. Dadurch sollen negative Auswir- die Relevanz fehlender Bewertungsinstrumente, kungen durch Veranstaltungen im Freiraum und Richtlinien und Handlungsempfehlungen, die in seiner Umgebung vermieden oder reduziert öffentliche Freiräume hinsichtlich ihrer Empfind- werden. Unter Berücksichtigung der Ziele einer lichkeit und Eignung als Orte für Veranstaltungen nachhaltigen Entwicklung und der Nachhaltig- und unter Berücksichtigung ihres gesetzlichen keitsdimensionen werden sowohl ökologische, Status, ihrer Nutzung und vegetativ-baulich-ma- ökonomische, soziokulturelle als auch technische teriellen Elemente überprüfen. Hieraus ergibt Aspekte in der vorliegenden Forschungsarbeit sich das Hauptziel der Forschungsarbeit, ein auf diskutiert (vgl. Kap. 4.2). Nicht nur Eignung und Sachverständnis und Erfahrungen basierendes, Belastungspotenzial von Freiräumen, auch Art und verständliches und nachvollziehbares Bewer- Zweck einer Veranstaltung werden in der Arbeit tungsverfahren zu entwickeln, mit Hilfe dessen berücksichtigt. Gleichfalls spielen Anforderungen eine nachhaltige Nutzung öffentlicher Freiräume und Vorstellungen von Genehmigungsbehörden, Einleitung | ZIELSETZUNG UND FRAGESTELLUNGEN 27
Fachverwaltungen und Veranstaltungsorgani- Dabei gilt es herauszufinden, wann sich ein öffent- sator*innen an einen Veranstaltungsort, unter- licher Freiraum als Veranstaltungsort eignet und schiedliche Empfindlichkeiten von Freiräumen und welche Kriterien zu berücksichtigen sind. Des Wei- Veranstaltungsauswirkungen eine wichtige Rolle. teren muss definiert werden, wann eine Nutzung von öffentlichen Freiräumen als Veranstaltungsort Ein qualitatives Bewertungsverfahren soll hier- als nachhaltig bezeichnet werden kann, sowohl für Transparenz bezüglich einer nachhaltigen unter ökologischen, ökonomischen als auch unter Veranstaltungsnutzung schaffen, indem jeder soziokulturellen Gesichtspunkten. Abschließend Bewertungsschritt dargestellt und die Eignung steht die Beantwortung der Frage nach Hand- einer Veranstaltung für einen konkreten Ort lungsstrategien und temporären oder langfristige veranschaulicht wird. Ergänzt wird das Bewer- Maßnahmen für eine nachhaltige Veranstaltungs- tungsinstrument durch Maßnahmen- und Pla- nutzung im öffentlichen Freiraum im Mittelpunkt. nungsvorschläge zur Anwendung durch Ver- Diese zentralen Forschungsfragen, weitere waltung, Veranstaltungsorganisator*innen und Nebenfragestellungen sowie eine zusammen- Landschaftsarchitekt*innen, mit deren Hilfe eine fassende Problemstellung und daraus abgeleitete nachhaltige Veranstaltungsnutzung in öffent- Thesen werden in der Tabelle 2 veranschaulicht. lichen Freiräumen temporär oder langfristig verbessert oder besser koordiniert werden soll. 1.4 Aufbau der Kapitel Die dargelegte Problemstellung und Ausgangslage lichen Freiraums näher definiert und relevantes verbunden mit den spezifischen Ziel- und Frage- Hintergrundwissen zu Problemen und Konflikten stellungen bedingen die Struktur der vorliegenden erläutert. Außerdem erfolgt eine Klassifizierung Arbeit und erfordern eine interdisziplinäre Heran- von Freiräumen und es werden Freiraumtypen gehensweise, da sie sich an den Schnittstellen voneinander abgegrenzt (Kapitel 3). Das anschlie- von Stadt- und Freiraumplanung, Nachhaltigkeits- ßende Kapitel 4 fokussiert das Thema Veran- forschung und Veranstaltungswissenschaften 1 staltungen im öffentlichen Freiraum, erläutert („event studies2“) bewegt. Gleichzeitig ergibt sich Grundbegriffe zur (nachhaltigen) Veranstaltung, aus der Fragestellung die Notwendigkeit einer nennt veranstaltungsbedingte Auswirkungen engen Verschränkung von Theorie und Praxis. im Freiraum und stellt Akteure und rechtliche Vorgaben der Veranstaltungsplanung dar. Die Arbeit untergliedert sich grob in vier Haupt- bereiche (vgl. Abb. 1), einem Grundlagen- und Die theoretischen Erläuterungen der wesentlichen Praxisteil (1), einem Bewertungsabschnitt (2), Begrifflichkeiten werden mittels der Ergebnisse einem anwendungsorientietem Aufgabenteil (3) einer Onlineumfrage unter Gartenamtsleiter*innen und einem Maßnahmenteil (4). Nach der Erläute- durch Erfahrungen aus der Praxis ergänzt. Dabei rung von Forschungsdesign und methodischem rücken die Grünflächen in den Vordergrund und Vorgehen (Kapitel 2) wird der Begriff des öffent- es werden Probleme mit Events in Parkanlagen 1 siehe u.a. Nölting , Voß & Hayn (2004): Nachhaltigkeitsforschung – jenseits von Disziplinierung und anything goes. 2 siehe Getz (2012): Event studies. Theory, Research and Policy for Planned events 28
Tab. 2: Darstellung Probleme, Thesen, Fragestellungen KAPITEL 1 NR. PROBLEME THESEN FRAGESTELLUNGEN 1 Es finden viele Veranstaltungen in Öffentliche Freiräume werden in Folge Wann eignet sich ein öffentlicher Frei- öffentlichen Freiräumen statt. des Eventisierungsdrucks durch Veran- raum als Veranstaltungsort? Wie viele Gleichzeitig besteht ein hoher staltungen oft fehlgenutzt, übernutzt und Veranstaltungen verträgt ein Freiraum? Nutzungsdruck. in ihrer Qualität beeinträchtigt, weil sie nicht mit Bedacht ausgewählt wurden. Wann ist eine Nutzung von öffentlichen Freiräumen als Veranstaltungsort nachhaltig – ökologisch, ökonomisch und soziokulturell? 2 Veranstaltungen führen zu verschiedenen Das Ausmaß von Veranstaltungsauswir- Welche Veranstaltungsauswirkungen (negativen) Auswirkungen und Schäden kungen variiert je nach Veranstaltungs- beeinträchtigen besonders öffentliche in öffentlichen Freiräumen und in ihrer und Freiraumtyp und unterschiedlichen Freiräume? Umgebung. (Nutzungs-) Ansprüchen der Akteure. Aus diesem Grund müssen öffentliche Welche Freiraum- und Veranstaltungs- Freiräume und Veranstaltungen in ihrer typen eignen sich besser bzw. schlechter Art differenziert betrachtet werden. für Veranstaltungen? 3 Es fehlen Bewertungsinstrumente für Ein Bewertungsverfahren und Bewertungs- Welche Kriterien sollte ein Bewertungs- eine nachhaltige Veranstaltungsnutzung kriterien können eine nachhaltige verfahren für eine nachhaltige Veranstal- in öffentlichen Freiräumen. Nutzung öffentlicher Freiräume als tungsnutzung beinhalten? Veranstaltungsorte fördern und Schäden am Freiraum vermeiden. Was sind Ausschlusskriterien für Freiräume oder Veranstaltungen? Wie sollte ein Bewertungsverfahren auf- gebaut sein, damit eine breite Anwen- dung und Nutzbarkeit bei unterschied- lichen Akteuren möglich ist? 4 Es bestehen Diskrepanzen zwischen Ein einfaches und transparentes Bewer- Wie kann ein Bewertungsverfahren dazu (Fach-) Verwaltungen und tungsverfahren erleichtert Verwaltungen beitragen, Entscheidungen bei der Veranstalter*innen sowie eine zum Teil Entscheidungen bei der Genehmigungs- Genehmigungsvergabe zu erleichtern? intransparente Genehmigungspraxis vergabe und fördert Akzeptanz und Kompromissbereitschaft innerhalb der Wie tragen Bewertungsverfahren und Genehmigungspraxis. Kriterien zur Akzeptanz von Genehmi- gungsentscheiden bei? 5 Öffentliche Freiräume sind nicht an die Die systematische Adaptierung von Wie sehen temporäre und langfristige Veranstaltungsnutzung angepasst. öffentlichen Freiräumen an die Veranstal- Maßnahmen für eine nachhaltige tungsnutzung sowie Auflagen und Maß- Veranstaltungsdurchführung in öffentli- nahmen für eine Veranstaltung können chen Freiräumen aus? eine nachhaltige Veranstaltungsnutzung unterstützen und negative Auswirkungen Wie sollten Freiräume, in denen viele dadurch vermeiden . Veranstaltungen stattfinden, gestaltet werden? Wie können Veranstaltungen besser koordiniert werden? Einleitung | AUFBAU DER KAPITEL 29
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