Reden halten. Vorträge gestalten. Überzeugend auftreten - Sie kann. Er kann. Sie können.
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Ein Service von momentum, dem Institut für Rhetorik und Kommunikation. Reden halten. Vorträge gestalten. Überzeugend auftreten. Ein Ratgeber für wirkungsvolle und überzeugende Reden. Sie kann. Er kann. Sie können.
Inhalt 2 2 Inhaltsverzeichnis 38 > Worte wählen, Sätze bilden. 4 Über Reden. 6 Jeder muss mal reden. 40 3. Der Zuhörer, das unbekannte Wesen. 42 > Zuhörer sind immer Mitwirkende. 8 1. Reden halten 44 > Vom Monolog zum Dialog. 10 > Reden sollte man schreiben können. 46 > Von Zwischenrufen und Beifallsbekundungen. 12 > Frei. Sprech. Anlage. 14 > Das Ziel im Blick, den Zuhörer im Visier. 48 4. Der Redner tritt auf, das Pult wird zur Bühne. 16 > Redegattungen und Strukturen. 50 > Schau. Spiel. Sein. 18 > Sinn stiften. Struktur festlegen. 52 > Authentizität und Außenwirkung. 22 > Jede Rede braucht Persönlichkeit. 54 > Das ewige Lampenfieber. 24 > Eine Rede ist Sprache, nicht Schreibe. 56 > Ein Instrument namens Stimme. 26 > Die Ansprache des Publikums. 58 > Aussen Wirkung. Innen Spannung. 28 > Die Orientierung zum Anfang. 30 > Einstieg und Ausstieg, das A und O der Rede. 60 Die 10 Gebote für Redner. 32 2. Rhetorische Stilmittel 62 Impressum 34 > Stil und Stilmittel. 36 > Gute Metaphern und schräge Vergleiche. 1. Kapitel – Reden halten zurück zum Inhalt >>>
Über Reden. 4 Ja, es gibt sie, die geborenen Redner. Die Charisma in Sprache übertragen. Die Mitmenschen begeistern, beflügeln, inspirieren und informieren. Die zu Tränen rühren oder zu tosendem Gelächter führen. Die mit Worten Menschen verzaubern können, mit Sprache und Stimme Emotionen freiset- zen und Massen bewegen. Denken wir an Martin Luther King mit „I have a dream“ oder John F. Kennedy mit „I’m a Berliner“, Kulminationspunkte historischer Reden, die sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben. Mit einer Rede die Welt zu verändern, ist eine Kunst, mit einem guten Vortrag sein Publikum zu begeistern, ist auch Handwerk. Dieser Ratgeber führt Sie anschaulich vom weißen Blatt Papier bis zum Applaus. Sie lernen Techniken und Grundsätze der Rede, erhalten das Werkzeug, um Inhalte zu finden und zu Tipp verbinden, Sie erhalten Hinweise zu rhetorischen Mitteln und zur gelungenen Interaktion mit Ihrem Publikum. Mit Zitaten kann der Redner nichts falsch machen. Goethe und Co. sind Einstiegs-Giganten und Empa- Das kann aber nur die Grundlage sein, die Basis unserer langjährigen Erfahrung, thie-Garanten und eine sichere Nummer auch für die wir in den Seminaren und Coachings bei momentum, dem Institut für unerfahrene Redenschreiber. Achten Sie darauf, dass Rhetorik und Kommunikation gesammelt haben. Diese Anleitung ersetzt natürlich Ihr mühsam gefundenes Zitat auch zur Erlebniswelt keinen Kurs bei einem zertifizierten Trainer, kann aber eine gute Grundlage Ihrer Zuhörer passt. dafür sein. Alle Zitate unter www.zitate.de Gute Reden sind so vielfältig wie die, die sie halten. Gerade deshalb sind persönli- ches Training und individuelles Feedback die ideale Möglichkeit, das Beste aus sich herauszuholen. Ganz nach dem Goethe-Diktum: „Es trägt Verstand und rechter Sinn mit wenig Kunst sich selber vor.“ zurück zum Inhalt >>>
Jeder muss mal reden. 6 Irgendwann erwischt es jeden. Die Notwendigkeit zu reden. Ob Hochzeit oder Trauerfeier, ob Vereinssitzung oder Aktionärsversammlung, ob Führungskräftetagung oder Vorstellung der Quartalszahlen, ob Power- point-Präsentation oder Jubiläumsfeier. Und dann gilt das elfte Gebot: Du sollst nicht langweilen. Auch sehr sachliche Inhalte kann man kurzweilig und unterhaltsam vermitteln. Der Philosoph Odo Marquard begann jede seiner Vorlesungen mit einem Witz, aus dessen Pointe er dann sein Thema entwickelte. Fidel Castro dagegen beendete jede seiner Reden mit dem starken Appell: Tipp „Patria o muerte. Venceremos!“ Und auch die Rede auf der Konfirmation Ihrer Nichte darf in Tradition der großen Redner erheitern, überraschen, begeistern. Wiederholungen sind ein unterschätztes Stilmittel. Siehe Castros „Venceremos“. Der römische Staats- mann Marcus Porcius Cato beendete jede Rede mit „Im Übrigen bin ich der Meinung, Karthago müsste zerstört werden.“ Und am Ende wurde Karthago eingestampft. zurück zum Inhalt >>>
8 1. Kapitel Reden halten Eine gute Rede zu schreiben ist eher Hand- als Hexenwerk. Erfahren Sie mehr über starke Strukturen, anregende Anfänge und über- zeugende Ziele. zurück zum Inhalt >>>
Reden sollte man 10 schreiben können. Auch wer keinen professionellen Redenschreiber zur Verfügung hat, sollte den Ablauf seiner Rede, die Argumentation, die Eröffnung und das Rede- nende skizzieren, um sich den Fluss vor Augen zu führen. Die Struktur im Kopf ist die beste Versicherung vor einem Blackout, der auch den besten Redner sprachlos macht. Ob Sie die Rede in Stichworten auf Karten skizzieren oder wörtlich durchtexten, ist abhängig von Ihrer Erfahrung, dem nötigen Zeitaufwand, der juristischen Verbindlichkeit. Eine launige Jubiläumsrede verträgt mehr Spontaneität als ein Bilanzvortrag. Tipp Die Mindmap-Technik hilft, eine ideale Struktur Ihrer Rede zu finden und einen Masterplan für das Definieren Sie vor dem Erstellen des Manuskripts das Timing. Pro DIN A 4 Seite mit 1 ½ Zeilen Abstand können Sie 2 Minuten Redezeit rechnen. fertige Skript immer vor Augen zu haben. In der Kürze liegt die Würze, sagt der Volksmund, die meisten Parteitagseröff- nungsreden aber dauern über eine Stunde, da braucht es zum Spannungserhalt schon Redner wie Christian Lindner. Natürlich können Sie das Schreiben Ihrer Rede auch in Auftrag geben. 1. Kapitel – Reden halten zurück zum Inhalt >>>
Frei. Sprech. Anlage. 12 Die meisten Reden werden abgelesen. Das ist für die Zuhörer meist ermüdend, weil es mehr schlechte als gute Leser gibt. Weil jeder Mensch einen ganz authentischen Redestil hat, ist es wirkungsvoller, frei zu sprechen (gerne auch nach Stichworten) statt abzulesen. Sogar ein Äh oder ein Räuspern kann dann noch rhetorisches Mittel sein, denn man vermeidet die Monotonie gelesener Sätze. Überlegen Sie, wen Sie als rhetorisches Modell für Ihre Rede wählen möchten. Wie z.B. den großen Fidel Castro, der über mehrere Stunden mühelos auf einem lateinamerikanischen Ärztekongress über die medizinischen Probleme Südameri- kas sprechen konnte, frei und voller Wissen in einer bildhaften, packenden Tipp Sprache. Die Fähigkeit der freien Rede kann man ideal trainie- Ihr Weg zum freien Sprechen: üben, üben, üben ... Wenn Sie nur fünf Minuten ren mit einem Coaching, wo die Individualität und täglich trainieren, werden Sie schnell viel sicherer. Schreiben Sie möglichst Authentizität des Sprechers auf seinen Sprechmodus Begriffe auf Karteikarten, ziehen Sie eine Karte und sprechen Sie frei und assozia- hin trainiert wird. tiv drei Minuten zu diesem Thema. Beginnen Sie zunächst mit einfachen Begriffen aus der Natur und steigern Sie sich allmählich bis hin zu Heinrich von Kleist riet dazu: „Die Idee kommt beim Sprechen.“ Das wird Ihnen nach kurzer Zeit zu einer abwechslungsreichen Übung. 1. Kapitel – Reden halten zurück zum Inhalt >>>
Das Ziel im Blick, 14 den Zuhörer im Visier. Emotionale Ebene Jede Rede hat ein Ziel und sie hat eine Zielgruppe, Ihr Publikum. Ob Sie eine Ausstellung eröffnen, einen Jubilar verabschieden, die Unternehmens- strategie erklären, Sie wollen entweder informieren oder unterhalten, begeistern oder motivieren, Stimmung erzeugen oder Wissen vermitteln. Sachebene Zwischen Büttenrede und Vorlesung, zwischen der Trauerrede und dem Firmen- jubiläum liegen Welten. Machen Sie sich dieses Ziel klar, es entscheidet über Stil und Tonalität, über die Art, wie Sie reden. Grob gesagt werden Sie eines dieser drei Ziele verfolgen: Laien Interessierte Vorgebildete Experten Unterhaltung/ Würdigung Sie bereichern mit Ihrer Rede ein Fest oder eine Veranstaltung, eine Messe oder Tipp Eröffnung, Sie würdigen ein Ereignis oder ehren eine Person. Überlegen Sie sich, ob Sie die emotionale oder Information/Wissensvermittlung die Sachebene Ihrer Rede stärker gewichten wollen. Hier steht Ihre Kompetenz im Vordergrund, als Wissenschaftler oder Experte, Überfordern Sie Zuhörer ohne Vorwissen nicht mit als Kenner oder Könner. Die Informationsvermittlung steht im Vordergrund, die einer Faktenflut – sie überzeugen sie leichter mit Zuhörer interessieren sich für Ihr Thema. emotionalen Inhalten. Experten für ein Thema erwarten hingegen Belege Motivation/ Haltung und sachliche Argumente. Natürlich sind die Über- Sie wollen eine gewisse Stimmung vermitteln, meist motivieren und anstiften, oft gänge fließend und der Spielraum groß. mit einem Appell verbunden, etwas zu tun oder zu lassen. Auch Wahlkampfreden fallen unter diese Rubrik. 1. Kapitel – Reden halten zurück zum Inhalt >>>
Redegattungen und 16 Strukturen Es gibt keine sinnvollen Reden ohne klare Zielsetzung. Auch wenn Sie überraschend zu einem Redebeitrag eingeladen oder aufgefordert werden, definieren Sie zunächst Ihr persönliches Ziel. Ob Hochzeitsrede oder der Dank für eine Preisverleihung: Formulieren Sie Ihr Redeziel in einem Satz. Das ist Ihre Kernbotschaft. Alles was folgt, sollte diese Kernbotschaft stützen. Konzentrieren Sie sich auf diese Botschaft/Zielsetzung, richten Sie den roten Faden daran aus. Wenn Sie eine Wahlkampfrede halten oder Partei ergreifen, legen Sie die Prioritäten Ihrer Argumente fest. Tipp Benennen Sie Ihr Ziel möglichst konkret und nicht nebulös. Treffen Sie ins Schwarze und zielen Sie nicht ins Blaue. 1. Kapitel – Reden halten zurück zum Inhalt >>>
Sinn stiften. 18 Struktur festlegen. Folgende Redestrukturen haben sich in vielen Reden bewährt. Wenn Sie 3. Klassischer Fünfsatz keine eigene Struktur festlegen, orientieren Sie sich an einer der sechs > Thema Strukturen. Auch Mischformen sind möglich. > These > Begründung > Fazit 1. Die zeitliche Gliederung mit Ausblick. > Aufforderung > Gestern > Heute Die Allrounderin unter den Gliederungen. Wenn Sie unsicher sind, welche > Morgen Struktur die Richtige für Ihre Zwecke ist, ist der Klassische Fünfsatz ein solider Anfang. Gut geeignet, um Trends darzustellen. Der Zukunftsausblick lässt eine dramati- sche Zuspitzung von Entwicklungen zu. Er motiviert zum Handeln – ob ermutigend („Wenn wir nicht nachlassen, wird alles noch viel toller!“) oder 4. Pro – Kontra Formel warnend („Wir müssen jetzt etwas unternehmen, um das zu verhindern!“). > Thema > Gegenposition – Antithese > Eigene Position – These 2. Zeitliche Gliederung bis zum Status quo. > Fazit – Synthese, logischer Schluss > Beginn > Appell – Aufforderung zum Handeln > Entwicklung > Heutiger Status quo Zeugt von Reflexion und Expertise: Indem Sie erst die Gegenposition darstel- len, zeigen Sie Ihre tiefgehende Beschäftigung mit dem Thema. Wenn Sie sie Besonders beliebt, wenn etwas abgeschlossen und Leistung zu würdigen ist. dann mit Ihrer eigenen Ansicht entkräften, nehmen Sie Skeptikern den Wind aus Bei der Verabschiedung eines Mitarbeiters in den Ruhestand oder auf der Party den Segeln. Außerdem geben Sie Ihren Unterstützern eine Vorlage, um später zum Abschluss eines großen Projektes sind Sie mit dieser Gliederung gut beraten. selbst auf Kritik zu reagieren. 1. Kapitel – Reden halten zurück zum Inhalt >>>
20 5. Pyramide > Situation/Problem > Fragestellung > Kernbotschaft/Empfehlung/Lösung > Argumentation/Schritte > Wiederholung Kernbotschaft Eine starke Struktur für komplexe Kontexte. Vor allem, wenn Sie in der Rolle des Experten vor Laien auftreten, will das Publikum an die Hand genommen werden. Sie verzichten auf die Darstellung verschiedener Positionen zugunsten der Übersicht. Stattdessen überzeugen Sie durch Ihr Wissen und Ihre Fähigkeit, einen schwierigen Sachverhalt verständlich zu vermitteln. Tipp Jede Rede ist auch ein Stück Arbeit. Aber sie sollte zu Ihrer Persönlichkeit passen. Vermeiden Sie, 6. Trichter Standardreden aus dem Internet auszudrucken > Frage/Problem und abzulesen. Das ist zwar immer bequem, wird > Argumentation aber vom Publikum fast immer erkannt. > Key-Message/Empfehlung/Lösung Die Umkehrung der Pyramide in light-Version. Reden Sie über eine konkrete Fragestellung in einer Runde mit genügend Hintergrundwissen, dürfen Sie sich auf das Wesentliche konzentrieren. Die Zuhörer werden es Ihnen danken. 1. Kapitel – Reden halten zurück zum Inhalt >>>
Jede Rede braucht 22 Zu welchem Typ tendieren Sie? Persönlichkeit. Der Dampfredner (Franz-Josef Strauß) Der Vatertyp (Johannes Rau) Der nüchterne Hanseat (Helmut Schmidt) Wenn Sie Gerhard Schröder, Angela Merkel und Christian Lindner verglei- Der Wissenschaftstyp (Angela Merkel) chen, haben Sie drei Rednertypen, wie sie unterschiedlicher kaum sein können. Und jeder pflegt seinen Redestil, entwickelt ihn aus seiner Persön- Der Dynamikredner (Christian Lindner) lichkeit und kommt dabei fast immer authentisch beim Publikum an. Der Staatsredner (Willy Brandt) Der Kampfredner (Herbert Wehner) Analysieren Sie Ihren Persönlichkeits-Typ, reflektieren Sie das mit guten Freunden und Der Überzeugungsredner (v. Weizsäcker) entwickeln daraus Ihren Redetypus. Der Wissenschaftler hat selten das Zeug zum Agitator, allein Joschka Fischer ist das Kunststück gelungen sich vom jugendlichen Protestapologeten zum staats- tragenden Außenminister vor der UNO zu entwickeln. Aber dafür hat er auch 30 Jahre gebraucht. Tipp Je stärker Ihr Selbstbild mit dem Außenbild, das Ihre Umgebung sich macht übereinstimmt, desto einfacher ist auch der zu Ihnen passende Redestil Der Tonfall der Rede muss zu Ihrem ganz eigenen Sprachduktus passen. Luthers zu finden und wirkt immer authentisch. Wortgewalt braucht auch Luthers klare Sätze. Jemand anders wirkt damit schnell lächerlich. Auch ein Franz Josef Strauß war mit seinen skurrilen Satzbauten und Eigenwortschöpfungen immer ein barocker sprachmächtiger Rhetor. Und auch Angela Merkel ist mit ihrem kantschen Vernunftstil jederzeit authen- tisch. Eine Aussage wird ergänzt durch die nächste, eine dritte begründet und daraus wird sinnvoll der Schluss gezogen. 1. Kapitel – Reden halten zurück zum Inhalt >>>
Eine Rede ist 24 Sprache, nicht Schreibe. Wenn Sie Ihre Rede ausformulieren, bemühen Sie sich um eine einfache Struktur, so wie Sie wörtlich formulieren würden. Schreiben Sie so, als würden Sie mit einem Freund sprechen. Die häufigsten Fehler beim Redenschreiben: 1. V ermeiden Sie langatmige Formulierungen, Schachtelsätze, Nebensatzgebilde, Endlosaufzählungen. Kurze Sätze steigern die Spannung. 2. Verzichten Sie auf Beiwörter wie „eigentlich“, „quasi“, „im Prinzip“, … 3. Benutzen Sie starke, lebendige Verben und vermeiden Sie man-Konstruktionen Tipp wie „Man sollte hierbei beachten …“. Man heißt nichts anderes als „Mensch“ – in der Überzeugungsarbeit wenig zu gebrauchen. Gemeinschaft erzeugen Sie Nehmen Sie Ihre Rede auf und hören Sie sich das über wir, einen Appell leiten Sie mit direkter Anrede ein (Sie/Du/Ihr). Resultat mit zeitlichem Abstand an. Sind Sie von sich selbst überzeugt? 4. Vermeiden Sie abgegriffene Modewörter und leere Worthülsen mit endlosen Verknüpfungen. 5. Bleiben Sie im Aktiv-Modus und scheuen Sie sich vor dem Passiv und dem Konjunktiv. 1. Kapitel – Reden halten zurück zum Inhalt >>>
Die Ansprache 26 des Publikums. Die Begrüßung zu Beginn einer Rede ist ein sehr sensibler Punkt. Ellenlange Namenslisten sind eine Tortur für die Gäste. Gleichzeitig soll niemand übergangen werden. Beginnen Sie mit dem Ehrengast, meist der wichtigsten Person. Doch versichern Sie sich vorher, dass der explizit begrüßte Ministerpräsi- dent auch persönlich anwesend ist und nicht einen Adlatus geschickt hat. Begrüßen Sie möglichst nicht mehr als drei Personen oder Personengruppen. Denken Sie immer an Ihre Zuhörer und da gilt: Sie sprechen für Ihr Publikum. Darum sprechen Sie es persönlich an. Wenn Sie keinen protokollarischen Zwängen unterliegen, begrüßen Sie nicht Tipp Nehmen Sie gerne lokalen oder regionalen Bezug in Ihre Ansprache auf: ein maritimes Ahoi oder ein jeden Würdenträger separat. Gerne können Sie einen Ehrengast ganz persönlich ruhrpottkundiges Glückauf kann eine Rede gesellig ansprechen, aber vermeiden Sie ewige Danksagungen und Grußbotschaften. und humorig einleiten. Das übliche „Meine Damen und Herren …“ klingt langweilig und gewöhnlich. Lässt es sich partout nicht vermeiden, dann bringen Sie es erst nach Ihrem Einstieg. Denken Sie immer an das 11. Gebot: Du sollst nicht langweilen. 1. Kapitel – Reden halten zurück zum Inhalt >>>
Die Orientierung 28 zum Anfang. Geben Sie Ihrem Publikum gleich zu Anfang eine Strassenkarte Ihrer Rede. Sagen Sie, wie lange Zeit Ihre Rede haben wird, geben Sie eine kurze Gliederung Ihrer Inhalte, sagen Sie, worüber Sie sprechen werden, auch wozu Sie nichts sagen werden und geben Sie ein echtes Versprechen, welches Spannung aufbaut. Beispiele: „Am Ende meiner Ausführungen werden Sie nicht nur verstehen, wie das Bad Honnefer Modell funktioniert, nein, Sie werden es auch anwenden können.“ „Wenn wir die Geschichte der Rhetorik Revue passieren lassen, etwa von Cato bis Tipp Castro, dann durchschreiten wir 3.000 Jahre Redekunst in 30 Minuten. Ein sportliches Unterfangen, das uns gemeinsam gelingen wird.“ Eine Schreibe, die zur Rede wird, überfordert jeden Zuhörer. Langatmigen Formulierungen und schwung- Orientieren Sie Ihr Publikum auch, ob im Anschluss Fragen möglich sind, es eine voll konstruierten Schachtelsätzen kann keiner moderierte Diskussion gibt oder Sie im Anschluss das persönliche Gespräch wirklich folgen. Achten Sie also darauf, kurze und suchen. klare Hauptsätzen zu formulieren. Und damit die Lebendigkeit erhalten bleibt, variieren Sie: So können Sehr hilfreich ist auch die Mitteilung, ob es ein Handout gibt oder Sie Ihren Sie z. B. auf zwei knappe Hauptsätze einen längeren Beitrag zusätzlich im Internet einstellen. Satz folgen lassen. 1. Kapitel – Reden halten zurück zum Inhalt >>>
Das A und O 30 der Rede. Der gute Anfang und das perfekte Ende machen jede Rede richtig rund. Ein bekannter Psychologe, der jeden Vortrag mit einer Geschichte von seinem Der Anfang entscheidet über die Aufmerksamkeit des Publikums und das roten Porsche begann, gewann damit nicht immer die Sympathien seines Ende entscheidet wesentlich, wie die Rede erinnert wird. Auch wer frei Publikums. spricht, sollte von Einstieg und Ausstieg ein klares Bild haben. Signalisieren Sie klar, wenn Ihre Rede sich dem Ende nähert und dann sind Die häufigsten Formen des Redebeginns sind das Zitat, die Anekdote oder der es meist noch vier mögliche Schritte bis zum letzten Satz: Witz, alle drei schaffen schnell Gemeinsamkeit und ermöglichen eine lockere, entspannte Atmosphäre. Odo Marquard, der jede Rede mit einem Witz begann, 1. S ie fassen Ihre Kernpunkte zusammen in einer Summary: „Um unser war auch ein begnadeter Witzeerzähler, was eine Voraussetzung ist. Wo niemand Jahresziel zu erreichen müssen wir erstens … zweitens … drittens.“ lacht, ist auch kein Witz. 2. Sie schaffen einen Ausblick in die Zukunft und gestalten diese: Die Schockeröffnung ist für die meisten Reden ungeeignet, mit Churchills „Wenn ich an 2050 denke, dann habe ich eine klare Vision von uns.“ „I have nothing to offer but blood, sweat and tears.“ kann man genau genommen nur eine Kriegserklärung beginnen. 3. Sie schlagen die Brücke zum Anfang, z.B. zum Zitat: „Wenn Goethe unsere Erfahrungen im Außendienst gemacht hätte, dann würde sein Zitat wohl heute Das Zitat ist eine sehr wirkungsvolle Eröffnung, sollte allerdings präzise recher- so lauten …“ chiert werden. Bitte suchen Sie das Zitat sorgfältig und passgenau aus, denn besonders Goethe muss hier öfter herhalten, als es vielen Themen gut tut. 4. S ie richten einen eindeutigen Appell an ihr Auditorium, dabei orientieren Sie sich an dem formulierten Ziel Ihrer Rede: „Und wenn wir morgen in alle Mit einer Anekdote schaffen viel Redner einen sehr persönlichen Einstieg, wenn Himmelsrichtungen auseinandergehen, dann wissen wir sicher, dass diese man zum Beispiel über den Ort des Treffens eine Verbindung herstellt oder die Erfolgsgeschichte noch nicht am Ende ist.“ Mühen der Anreise. Hier sind viele Varianten denkbar. Die persönliche Geschichte reduziert Distanz und beweist im Idealfall, wie nahe die Lebenswelten von Redner und Auditorium sind. 1. Kapitel – Reden halten zurück zum Inhalt >>>
32 2. Kapitel Rhetorische Stilmittel Lassen Sie die Litotes links liegen. Originelle Metaphern und ein großer Wortschatz sind wichtiger – lesen Sie hier, wie Sie beides erreichen. zurück zum Inhalt >>>
Stil und Stilmittel 34 Rhetorische Stilmittel sind die Würze einer jeden Rede. Damit können wir uns in epischer Länge beschäftigen, denn die klassischen Stilmittel der Rhetorik füllen ganze Bücher und Doktorarbeiten. In ihrer ganzen stilistischen Brillanz sind sie aber primär für professionelle Redenschreiber interessant, für den Gelegenheitsredner sind die klassischen rhetorischen Figuren so relevant wie der doppelte Rittberger beim Eiskunstlauf. Wichtig ist Ihr eigener, intuitiver Zugang dazu. Verwenden Sie sie wie einen Pfefferstreuer und wiegen Sie nicht aufs Gramm Tipp genau ab. So prägen Sie den persönlichen Stil Ihrer Rede, der sich aus dem Thema, dem Auditorium und der Person und Zielsetzung des Redners ergibt. Einer der größten Stilisten war Friedrich Schiller. Der hat seinen Helden Reden geschrieben, die mit So ist die klassische Trauerrede ein Rückblick, der das persönliche Verhältnis allen rhetorischen Stilmitteln gewaschen sind. Lesen zweier Personen in den Vordergrund stellt. Ob man hier gemeinsame Erlebnisse Sie die Reden von Karl Moor, von Wallenstein, von oder Anekdoten einstreut, wenn die Trauergemeinde ein deutlich gezeichnetes der Jungfrau von Orleans und entdecken Sie unter Porträt des Verstorbenen vor Augen hat, ihn wertschätzt und positiv erinnert, hat dem hohen Pathos alle Formen der reinen Rhetorik, die Rede ihr Ziel erreicht. Mit Hilfe der rhetorischen Stilmittel kreieren Sie einen brillante Formulierungen, agitatorische Appelle. authentischen Vortrag, der ein starkes Bild vermittelt, ein gekonntes Porträt zeichnet, einen Menschen lebendig werden lässt. 2. Kapitel – Rhetorische Stilmittel zurück zum Inhalt >>>
Gute Metaphern und 36 schräge Vergleiche. Bildsprache und Sprachbilder sind ganz wichtige Momente um Dinge anschaulich, nachvollziehbar und klar werden zu lassen, um Abstraktes den Menschen verständlich zu machen. Ein jeder erinnert sich an die blühenden Landschaften, die uns Helmut Kohl in seiner Kanzlerlyrik versprach, der Gegenpol sind die schwarzen Kassen, die das Ende seiner Kanzlerschaft einleiteten. Solche gesprochenen Bilder sind emotiona- ler, wirkungsstärker als so abstrakte Bezeichnungen, wie Gerhard Schröder sie schätzte. Die Agenda 2010 oder die Hartz IV-Reformen sind ebenso komplexe, abstrakte Begriffe, die keine Bildwelten eröffnen. Berühmt-berüchtigt ist noch Franz Josef Strauß Kommentar zum Putsch in Chile: „Wenn Militärs die Macht übernehmen ist das was anderes, als wenn Franziskaner Suppe ausschenken.“ Auch die Bibel ist reich an dieser Bildsprache, Sie erinnern sich an „Eher geht Tipp Trauen Sie sich und basteln Sie eigene Metaphern, bildhafte Vergleiche. Sorgen Sie für Überraschungs- ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt.“ Der schon erwähnte Martin Luther hat diese Sprachmacht mit seiner barocken effekte bei Ihren Zuhörern, indem Sie neue, wenig Sprache noch deutlich verschärft, hier sieht man in aller Deutlichkeit, wozu abgenutzte Bilderwelten erschließen. Dass wir die Sprache mächtig ist. Segel neu setzen, wenn der Wind sich dreht, haben wir inzwischen alle verstanden. Fällt Ihnen ein Selbst schräge Vergleiche, die jeder Logik widersprechen, sind gute Bilder und anderes Motiv ein? meistens sehr merkfähig und zitierfreudig. Der große Curd Jürgens wurde im Interview einmal auf den Widerspruch zwischen seiner sozialdemokratischen Gesinnung und seinem Park an Luxuskarossen angesprochen und antwortete: „Ein Sozialist im Rolls-Royce ist mir lieber als ein Nazi im Panzerwagen.“ Schräger Vergleich, aber schönes Bonmot. 2. Kapitel – Rhetorische Stilmittel zurück zum Inhalt >>>
Worte wählen, 38 Sätze bilden. Viele Redner landen in Sprachhülsen und Formelsätzen, die kein Mensch Wir unterscheiden den passiven und den aktiven Wortschatz. Passiv nennen wir so sagen würde. Beispiel: „Ich möchte hier und heute den Standpunkt die Wörter, die wir verstehen, aktiv die Wörter, die wir selbst verwenden. Der vertreten, dass man Erwägungen anstellen sollte, um die richtige Lösung gewöhnliche Zeitgenosse kommt mit aktiven 2.000 – 3.000 Worten zurecht, bei um- und durchzusetzen.“ Goethe haben wir einen aktiven Wortschatz von 20.000 Worten, bei Shakespeare gar 60.000. Ein fast inhaltsleerer Satz, der viel Talmi um sein inhaltliches Nichts ansammelt. Das psychologische Gesetz der abnehmenden Reizwirkung besagt: Es liegt auf der Hand, dass ein großer Wortschatz zu mehr Sprachmacht verhilft, das rhetorische Potenzial vervielfacht. Ein Reiz nimmt bei ständiger Wiederholung an Wirkung ab. Tipp Das dritte Glas Wasser schmeckt dem Durstenden weit weniger als das erste. Dieses Gesetz gilt nicht nur in Leben, Liebe, Kunst und Leidenschaft, sondern Suchen Sie sich Worte, die Sie so noch nicht gehört genauso im Redestil. Werden Sie zum Wortsammler, sammeln Sie seltene unge- haben und bauen diese mit Absicht in Ihre Alltags- wöhnliche Wort und benutzen Sie diese in Maßen. Sie werden überrascht wer- kommunikation ein. Beginnen Sie gleich heute mit den, wie viele Menschen nachfragen, weil sie zunächst irritiert sind. dem wunderbaren Hydrozephalus (Wasserkopf). Nehmen Sie sich jeden Tag drei von Ihnen wenig genutzte Worte vor und benut- zen Sie diese am gleichen Tag. Schreiben Sie sie ruhig auf, um sich abends selbst zu überprüfen. Eine weitere Übung: Hemingway war für seine kurzen Sätze berühmt, Thomas Mann für seine langen, beide Nobelpreisträger schätzten sich trotzdem. Versuchen Sie, den gleichen Inhalt in einem Hemingway- und einem Mann-Satz zu sagen. 2. Kapitel – Rhetorische Stilmittel zurück zum Inhalt >>>
40 3. Kapitel Der Zuhörer, das unbekannte Wesen. Sie reden für Ihr Publikum, nicht für das Pult. Wir zeigen Ihnen Techniken, um das Auditorium einzubinden und mit Zwischenrufen umzugehen. zurück zum Inhalt >>>
Zuhörer sind immer 42 auch Mitwirkende. Das Publikum einer Unternehmensversammlung nach der dritten Kündigungswelle befindet sich in einem anderen Gemütszustand als eine Hochzeitsgesellschaft. Eine Trauerfeier ist anders gestimmt als eine Parteiveranstaltung. Versetzen Sie sich in das Stimmungsklima Ihrer Zuhörer, gehen Sie mit Empathie auf Ihr Auditorium ein. Aus welcher Motivation heraus hören die Besucher Ihre Rede? Ist es eine Pflicht- veranstaltung oder sind sie freiwillig erschienen, haben vielleicht noch Eintritt bezahlt? Ein freiwilliges Publikum erwartet auch einen Unterhaltungswert und vielleicht etwas Insiderwissen. Tipp Seien Sie schon vorher präsent, erkunden Sie die Stimmungslage und die Erwartungshaltung im Können Sie das Vorwissen beurteilen? Bei regionalen Parteiveranstaltungen Publikum. Bereiten Sie sich auf mögliche Kritik vor. ist der Dissens oft vorprogrammiert. Hier sollten Sie eine diplomatische These- Überlegen Sie, welche Fragen auftreten könnten. Antithese-Argumentation einbauen, um nicht Fronten entstehen zu lassen. Und wie Sie darauf reagieren. Denn im Idealfall beantworten Sie Ihrem Publikum Fragen, bevor es Als Experte mit Wissensvorsprung ist es wichtig für Sie, Ihren Vorsprung subtil in sie stellt. Allgemeinwissen zu transformieren. Sind eindeutig Gegner im Plenum, die ein Forum suchen, sollten Sie eine Strategie parat haben. 3. Kapitel – Der Zuhörer, das unbekannte Wesen. zurück zum Inhalt >>>
Vom Monolog zum 44 Dialog. Die Einbindung des Publikums in einen Quasi-Dialog ist eine wahre Meister- 4. Sparrings-Partner leistung. Dazu gibt es technische und rhetorische Möglichkeiten. Sie Bitten einen Zuhörer um Assistenz, weisen ihm eine Rolle zu, bitten ihn, die Gegenposition zu vertreten oder im Auditorium Meinungen einzufangen. Beispiele zur Publikumsintegration. 5. Wetten dass? Sie bieten dem Publikum eine Saalwette an, machen Ihren stärksten Wider- 1. Referenzbesucher sacher zum Antagonisten und haben so eine veritablen Showdown, der Ihre Sie haben einen Kollegen, Bekannten, Freund im Publikum, den Sie als Meinungsoffenheit betont. Dialogpartner einbauen, dem Sie Fragen stellen können oder den Sie um seine Einschätzung bitten. 6. Hände hoch! Stellen Sie dem gesamten Publikum eine Frage. „Wer von Ihnen bügelt seine 2. Schätzfragen Unterwäsche?“ Die betreffenden Personen sollen sich mit Handzeichen Sie stellen Ihrem Publikum Fragen, es soll Fakten einschätzen, etwa die Zahl melden. So können Sie Statistiken erfahrbar machen oder die Häufigkeit bzw. der Veganer auf einem Lebensmittelkongress. Mit den realen Zahlen können Seltenheit eines Phänomens betonen. Sie meist verblüffen, Sie können dem, der mit seiner Schätzung der Realität am nächsten kam, einen Piccolo Champagner überreichen. 3. Ted-Analyse Mit den übliche Ted-Geräten können Sie im Publikum Zustimmung und Ablehnung zahlenmäßig erfassen. Bei einer Baumaßnahme können Sie Befür- worter und Ablehner zahlenmäßig darstellen. Mittlerweile bietet das Unternehmen unter OnlineTED.de die Möglichkeit, ohne eigenes Gerät oder den Download spezieller Software Abstimmungen durchzu- führen, etwa über Smartphones. Auch Apps als Interaktionstools lassen sich wunderbar einplanen. 3. Kapitel – Der Zuhörer, das unbekannte Wesen. zurück zum Inhalt >>>
Von Zwischenrufen 46 und Beifallsbekun- dungen. Gerade im politischen Umfeld sind Reden auch Sprachschlachten. Sie sollen den Parteifreunden Unterstützung geben, Gedanken, Ideen und Formulie- rungen für die politische Auseinandersetzung anbieten. Die Unschlüssigen sollen begeistert und gewonnen werden, der politische Gegner soll in seiner Argumentation erschüttert werden. Dazu gehören auch Zwischenrufe, die den Redner aus dem Konzept bringen sollen. Das sind bewuss- te Störungen, daneben gibt es auch unbewusste, wie zum Beispiel Lachen. Wenn Sie als Redner diese Heiterkeit ausgelöst haben, freuen Sie sich mit dem Auditorium und warten Sie mit dem Vortrag, bis die Geräuschkulisse es wieder zulässt. Bei Zwischenrufen entscheiden Sie selbst. Einfache Störungen ignorieren Tipp Sie, bei sachlichen Einwürfen können Sie spontan antworten und darauf einge- hen. Wenn Sie fürchten, den roten Faden zu verlieren, laden Sie zur Diskussion Legen Sie sich Sätze zurecht, mit denen Sie auf oder zum anschließenden Vier-Augen-Gespräch ein. Zwischenrufe reagieren. Die Vorbereitung hilft Ihnen, in der Situation selbstbewusst aufzutreten. So nehmen Sie Provokateuren den Wind aus den Die meisten Redner werden mit Applaus belohnt. Segeln. Üben Sie sich in der Kunst der Gegenfrage, dies hilft, mögliche Generalisierungen der Frage Dafür ist notwendig, dass Ihre Zuhörerschaft das Ende klar erkennt. Ihren zu präzisieren. Schlusssatz, ob Pointe, Aphorismus oder Zitat, müssen die Zuhörer als solchen erleben. Nur schlechte Redner verweisen darauf, dass sie jetzt zum Schluss kommen. Nach den letzten Worten falten Sie das Manuskript zusammen, stecken Sie Ihre Stichwortkarten ein, schauen offen ins Publikum – denn meistens ent- steht eine kleine Pause bis zum Beifall. Laufen Sie vor dem Applaus nicht weg, verbeugen Sie sich, lächeln Sie und gehen Sie dann ruhig vom Podium oder Pult. 3. Kapitel – Der Zuhörer, das unbekannte Wesen. zurück zum Inhalt >>>
48 4. Kapitel Der Redner tritt auf, das Pult wird zur Bühne. Ein Redner ist mehr als die Summe seiner Stimmbänder. Ihre Persönlichkeit macht die Rede authentisch. Das Lampenfieber gehört dazu. zurück zum Inhalt >>>
Schau. Spiel. Sein. 50 Friedrich Schiller hat treffend bemerkt, dass der Mensch nur da Mensch ist, wo er spielt. Und darum spielen wir Rollen, je nach Ort und Situation. Ob Finanzexperte oder Forschungsreisender, ob Vater der Braut oder trauernder Hinterbliebener, die meisten Reden werden in einer gewissen Rolle gehalten. Und so, wie eine Büttenrede nur Spass, Vergnügen, Lachen auslösen soll, so will eine Parteitagsrede das Publikum zur Parteinahme anstiften. Ihr Rollenverständnis sollte Ihnen also klar sein, es bestimmt Ziel und Haltung der Rede. Dabei ist die Rede dem Monolog im klassischen Theater sehr ähnlich. Und wenn Sie einen Schiller- oder Shakespeare-Monolog als Zuschauer verfolgen, werden Sie die sprachliche Gestaltungsmacht des Schauspielers als Beispiel der Tipp Gönnen sie Ihrem Publikum und sich selbst vor Ihren ersten Worten einen Moment der Ruhe. Das ist der Redekunst erleben. Nehmen Sie sich das zum Vorbild. Jede Rede braucht einen Abschied vom Lampenfieber und der Moment zur dramatischen Impetus. höchsten Konzentration. 4. Kapitel – Der Redner tritt auf, das Pult wird zur Bühne. zurück zum Inhalt >>>
Authentizität und 52 Außenwirkung. Authentisch aufzutreten ist die Leistung Ihrer Persönlichkeit, das Überzeugen mit Ihrer Person. Das beginnt mit dem Weg zum Podium, das bedeutet eine saubere Stimmfüh- rung, eine angemessene Lautstärke, einen festen Stand. Wenn Sie ein gestenrei- cher Mensch sind, lassen Sie das ganz natürlich in Ihre Rede einfließen. Und wenn Sie einen Dialekt sprechen, verleugnen Sie das nicht mit der Suche nach dem reinen Hochdeutsch. Der authentische Redner ist immer bei seinem Publikum, hält die Spannung, führt durch seine Inhalte und unterhält sein Auditorium. Tipp Wie würden Sie den Inhalt Ihrer Rede in der Unter- haltung mit einem guten Freund darstellen? In dieser Situation sind Sie ungezwungen und authen- Der andere Redner schleicht zum Pult, packt einen kleinen Zettel aus und liest tisch. Orientieren Sie sich an dieser Vorstellung, vom ersten Satz bis zum letzten Wort, ohne sein Publikum anzuschauen oder während Sie Ihre Rede vorbereiten. einzubeziehen. Jeder hat wohl schon einmal einen Vertreter dieser Spezies durchlitten. 4. Kapitel – Der Redner tritt auf, das Pult wird zur Bühne. zurück zum Inhalt >>>
Das ewige 54 Lampenfieber. Warum heißt die Nervosität vor dem Auftritt Lampenfieber? Weil es fast jeder große Schauspieler erlebt, bevor er die beleuchtete Bühne betritt. Mit dem Auftritt ist das Fieber dann in den meisten Fällen auch vorbei. Viele Menschen scheuen den öffentlichen Auftritt gerade vor einer großen Zuhörerschaft, weil sie mit der Nervosität nicht umgehen können. Doch diese Grundnervosität, dieses leichte Kribbeln, hält uns auch wach – und hoch- konzentriert. Tipp Wichtig ist natürlich die exakte gründliche Vorbereitung, auch eine Generalprobe vor dem Spiegel, wo man idealerweise auch die Zeit misst, die man brauchen Wenn Sie der direkte Blickkontakt mit dem Publikum wird, um seine Botschaft zu vermitteln. Das gibt Sicherheit. nervös macht, schauen Sie den Menschen auf Stirn und Nase anstatt in die Augen. Der Unterschied fällt ihrem Publikum nicht auf, kann Ihnen aber eine große Portion Sicherheit geben. 4. Kapitel – Der Redner tritt auf, das Pult wird zur Bühne. zurück zum Inhalt >>>
Ein Instrument 56 namens Stimme. Stimme ist Stimmung. Wie hoch der Punkteabzug bei Reden und Präsen- Stimm-Führung tationen ist, der auf eine unsichere, monotone Stimme zurückzuführen ist, Wer monoton spricht, redet am Publikum vorbei. Trainieren Sie den Wechsel von können wir nur schwer schätzen. Lautstärke und Sprachgeschwindigkeit, beide sind gut steuerbar und machen Ihre Aussagen packender und prägnanter. Gerade bei der Lautstärke können Sie Sicher ist: Stimme und Sprechweise sind eine wesentliche Basis für unsere die Mittellage entwickeln wie ein Instrument, schon kleine Nuancierungen Außenwirkung. Und hier fließen mit ein: Melodieführung, Klangfarbe, Lautstärke machen Ihre Sprache spannender, die Extreme sollten Sie meiden. Polternde und Betonung, Tempo und Pausen. Lautstärke wird als abschreckend und dominant empfunden, der Leisesprecher wird oft einfach nicht verstanden. Stimm-Gewalt Erinnern Sie sich noch an den ruhigen tiefschwarzen Bass eines Willi Brandt, an Stimm-Studium die barocke Orgelstimme von Franz Josef Strauß oder an den sonoren staatstra- Wenn Sie Anleitung wünschen, können Sie natürlich gerne ein Stimmtraining bei genden Bariton eines Gerhard Schröder. Die Stimme ist eines der mächtigsten momentum buchen. Sie können auch einen Schauspieler fragen, diese Berufs- Organe, sie kann Menschen zum Lachen oder Weinen bringen, sie kann Glauben gruppe ist besonders intensiv stimmlich geschult. schaffen oder Zweifel wecken, da ist der Inhalt Ihrer Worte gar zweitrangig. Die Stimme ist quasi die akustische Körpersprache. Stimm-Training Tipp Sprache ist Silber, Pausen sind Gold. Nutzen Sie die Dramaturgie der Pause, z. B. um Schlüsselworte zu Die Stimme kann man trainieren wie jeden Muskel. Sänger müssen das täglich, betonen. Unterscheiden Sie dabei die Spannungs- Sie sollten spätestens vor der nächsten Präsentation die Stimme lockern und sich pause, die bewusste Pause vor dem Schlüsselwort freisprechen. Die Höhenlage der Stimme hängt ab von der Anatomie der Stimm- und die Wirkpause, die kontrollierte Pause nach dem lippen, ist aber in gewissem Umfang auch trainierbar. Wenn eine Stimme wie die Schlüsselwort. Beides können Sie ideal beim der Callas mühelos sechs Oktaven umfasst, dann sehen wir daran, was technisch Telefonieren trainieren. möglich ist. Versuchen Sie, etwa bei Telefonaten Ihre Stimmtiefe zu trainieren, denn eine tiefe Stimme ist angenehmer für das menschliche Ohr und strahlt Kompetenz und Reife aus. 4. Kapitel – Der Redner tritt auf, das Pult wird zur Bühne. zurück zum Inhalt >>>
Aussen Wirkung. 58 Innen Spannung. Die gesamte mentale und körperliche Spannung ist wichtig für den Rede- erfolg, ablesen lässt sich das an der Stimme, die manchmal wegrutscht oder sich von der Farbe her verändert. Hier helfen eine ruhige Atmung, auch Entspannungsübungen können Wunder wirken. Schon der Gang zum Podium verrät viel über die Ausgeglichenheit des Redners. Eine kurze Pause vor dem ersten Wort dient der Konzentration. Halten Sie den Kopf hoch, das entspannt den Kehlkopf und sieht souveräner aus als ein über das Podium gelegter Oberkörper. Denn: Unsere Zuhörer nehmen uns primär nonverbal, achten auf Körpersprache, Mimik und Gestik. Die Hände gehören als Verstärker zum Gestenrepertoire, nur Flegel stecken sie während Tipp Eine ausgezeichnete Hilfe gegen Blockaden und der Redezeit in die Hosentasche. Verspannung ist die Progressive Muskelentspan- nung nach Jacobson. Im Internet finden Sie unter Stehen Sie aufrecht, lehnen Sie nicht am Pult und halten Sie unbedingt den diesem Begriff hilfreiche Übungen, auf Youtube auch Augenkontakt zu Ihren Zuhörern. als Kurzfilm. Die Rhetorik war eine der antiken Künste. Obwohl die Macht der Rede eher zurückgeht, gab es für antike Reden fest gelernte Posen und Gesten. Achten Sie darauf, dass Sie frei stehen, ihre Arme frei gestikulieren können und sie frei atmen, dann trägt sich Ihre Rede fast von selber vor. 4. Kapitel – Der Redner tritt auf, das Pult wird zur Bühne. zurück zum Inhalt >>>
Die 10 Gebote 60 für Redner. 1. Worüber Sie auch sprechen, es gilt: 6. Geben Sie Zeitdauer und Thema Du sollst nicht langweilen. Ihrer Rede vorher bekannt. 2. Formulieren Sie ein Ziel, 7. Halten Sie sich an Ihren roten Faden. was Ihre Rede bewirken soll. 8. Schauen Sie Ihr Publikum an, 3. D efinieren Sie die Rolle, in der Sie nicht Ihr Manuskript. zum Auditorium sprechen. 9. Lernen Sie den ersten und letzten 4. Sprechen Sie laut genug. Testen Sie Satz auswendig, dazwischen arbeiten den Raum. Fragen Sie Ihr Publikum, Sie mit Notizen in Stichworten. ob es Sie gut versteht. 10. Verändern Sie ruhig Tempo und 5. Treten Sie authentisch auf. Lautstärke, das baut Spannung auf. Die 10 Gebote für Redner. zurück zum Inhalt >>>
62 Danke für Ihre Lektüre dieses Ratgebers. Wenn Sie daraus Gewinn gezogen haben, war das die Absicht von momentum. Wenn Sie Kritik haben, Vorschläge und Ergänzungen machen möchten, tun Sie das gerne unter: dialog@momentum-kommunikation.de. Wenn wir von Rednern oder Zuhörern sprechen, meinen wir auch natürlich auch immer Rednerinnen und Zuhörerinnen. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Broschüre die maskuline Form verwendet – und damit wollen wir alle Geschlechter inkludiert sehen. Dafür bitten wir um Verständnis. Impressum Herausgeber momentum Institut für Rhetorik und Kommunikation v. Sydow & Hochreiter GbR Hauptstraße 25 / 53604 Bad Honnef / T 02224 988 50 70 www.momentum-kommunikation.de Creative Director Text Ulrich J. C. Harz / www.ein-harz-fuer-texte.de Design Petra Bähner / www.petrabaehner.de Bildnachweis iStock zurück zum Inhalt >>>
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