Tarifrunde DEINE - Tarif- und Besoldungsrunde 2019 mit der ...

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... denn es ist
         vor allen Dingen

         DEINE

TarifrundeÖFFENTLICHER DIENST

          Fakten zur Tarifpolitik im öffentlichen Dienst
          und zur Tarif- und Besoldungsrunde Bund und
          Kommunen 2018

                        sgabe
    t u a l i s ierte Au luss
 Ak                   esch
             erungsb
mit Ford ebruar 2018
    vom 8. F
Herausgeber
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di
Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin
Verantwortlich: Wolfgang Pieper
Bearbeitung: Ronny Keller, Sabine Reiner, Onno Dannenberg, Patrick Schreiner
Satzerstellung: VH-7 Medienküche GmbH, 70372 Stuttgart
Druck: alpha print medien AG, Darmstadt
W-3544-44-1117, Februar 2018
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   VIELES
  KANN ICH
  SELBST  –
ABER GROSSES
BEWEGEN WIR
   BESSER
 GEMEINSAM!
WIR
SIND ES
 WERT.
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Liebe Kollegin, lieber Kollege!

Als wäre es gestern gewesen: Ich erinnere      Gehaltserhöhungen durchgesetzt. Die Be-
mich noch gut an die letzte Tarifauseinan-     schäftigten von Bund und Kommunen lie-
dersetzung mit dem Bund und der Vereini-       gen bei der Entwicklung der Bezahlung seit
gung der kommunalen Arbeitgeberverbän-         dem Jahr 2000 gegenüber dem Durch-
de (VKA). Wohl auch deshalb, weil diese        schnitt der anderen Branchen um ca. vier
Auseinandersetzung im Frühjahr 2016 von        Prozentpunkte zurück. Diese Lücke, liebe
zwei schwierigen Themen bestimmt wurde:        Kollegin, lieber Kollege, die müssen wir ver-
Dem erfolgreichen Abschluss der Entgelt-       ringern! Der öffentliche Dienst macht nicht
ordnung bei den Kommunen. Endlich!             nur das Zusammenleben in unserer Gesell-
Wahrlich ein tarifpolitisches „Mammut-         schaft möglich und auch lebenswert. Auch
werk“, in dem die Eingruppierung für die       die Gewinne der Unternehmen und das
Vielzahl an Tätigkeiten im kommunalen          ­damit verbundene Wirtschaftswachstum in
­öffentlichen Dienst neu geregelt und mit       diesem Land entstehen nur, weil die öffent-
 deutlichen Verbesserungen verbunden ist.       liche Infrastruktur gut und verlässlich
                                                ­funktioniert.
Zweitens ist es uns gelungen, die von den
Arbeitgebern geforderte Kürzung der Leis-      Zur Abwehr von Forderungen bemühen Ar-
tungen der Zusatzversorgung – die tarifliche   beitgeber gerne das Argument der „leeren
Betriebsrente im öffentlichen Dienst – abzu-   Kassen“. Abgesehen davon, dass es nur die
wehren. Beides kostete Kraft und musste        berechtigten Forderungen der Beschäftig-
von den Gewerkschaften zusätzlich zu den       ten des öffentlichen Dienstes infrage stellen
Gehaltsforderungen verhandelt werden.          soll, trifft es momentan sowieso nicht zu.
                                               Nach den aktuellen Vorhersagen steigen
Deshalb müssen wir in der bevorstehenden       die Steuereinnahmen der öffentlichen
Tarif- und Besoldungsrunde 2018 beson-         Haushalte in den nächsten Jahren um vier
ders für den klassischen „Tarif“ – also das    bis fünf Prozent – Jahr für Jahr! Zugegeben,
Monatseinkommen von Dir und Deinen             nicht jede Kommune wird ausreichend Geld
Kolleginnen und Kollegen – gemeinsam           in der Kasse haben, um die höheren Löhne
einstehen!                                     ohne Zimpern zahlen zu können. Doch das
Auch die Beschäftigten des öffentlichen        darf nicht heißen, dass die Beschäftigten
Dienstes haben ein Recht, an wirtschaftli-     verzichten und für eine verfehlte Haushalts-
chem Wachstum und steigender Produktivi-       politik die Zeche zahlen müssen. Geld ist an
tät teilzuhaben. Die Arbeitnehmerinnen         anderer Stelle genug da – es muss nur klug
und Arbeitnehmer haben in den zurücklie-       und gerecht verteilt werden.
genden Jahren insgesamt gute Lohn- und
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Aber letzten Endes liegt die Entscheidung        In diesem „Fakten-Heft“ wollen wir Dir un-
über die Forderungen, die wir an die Arbeit-     sere Leidenschaft, die uns gemeinsam vor-
geber stellen, bei Dir und Deinen Kollegin-      antreibt – nämlich mit guten Tarifverträgen
nen und Kollegen. Von November ’17 bis           gute Arbeits- und Lebensbedingungen zu
­Januar ’18 haben die ver.di-Mitglieder in den   gestalten – ein Stück näherbringen!
 Betrieben und Dienststellen der Kommunen        Damit Du mehr mitreden kannst, wenn Du
 sowie den Behörden des Bundes ihre Forde-       schon dabei bist. Und damit Du überhaupt
 rungen diskutiert. Die gewählten Mitglieder     erst mitmachen kannst, wenn Du es bisher
 der ver.di-Bundestarifkommission für den öf-    noch nicht getan hast.
 fentlichen Dienst haben anschließend am 8.
 Februar 2018 über die gemeinsame Forde-         Ich freue mich auf eine aktive Tarif- und Be-
 rung abgestimmt.                                soldungsrunde, in der wir erneut zeigen,
                                                 dass wir gemeinsam einfach besser sind!
Und jetzt zu Dir! Ich lade Dich nicht nur
herzlich ein, über die möglichen Forderun-
gen bei Dir im Betrieb zu sprechen, sondern      Auf geht’s!
fordere Dich sogar dazu auf! Gewerkschaft
                                                 Dein Wolfgang Pieper
heißt eben auch: Mitmachen. Sich beteili-
                                                 Mitglied des ver.di-Bundesvorstands
gen. Verantwortung übernehmen. Gemein-
sam mehr erreichen! Für Dich, aber auch
für die Anderen.
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Was es hier zu lesen gibt –
Inhaltsverzeichnis

1
		 Den öffentlichen Dienst im Blick
		Zahlen, Daten, Fakten zur Beschäftigung im
    öffentlichen Dienst............................................................................................ Seite 6

2
		
   Tarifarbeit im öffentlichen Dienst und die
       Tarifrunde mit Bund und Kommunen.............................................. Seite 8
       ­

3
		Von der Forderungsdiskussion
   bis zur Tarifeinigung
		Wie entsteht ein Tarifvertrag – und wie kannst Du Dich einbringen?................ Seite 10

4
		
   Was regelt der Tarifvertrag?
       Und was steht im Gesetz?............................................................... Seite 15

5
		 Tariffolklore oder: Warum denn schon wieder?
		 Ziele gewerkschaftlicher Lohnpolitik................................................................ Seite 16

6
		Die Situation der
       öffentlichen Haushalte ................................................................... Seite 21

7
		 Tarifpolitische Themenfelder
		 Eine erste Orientierung für die Forderungsdiskussion....................................... Seite 23

8
		 Jetzt aktiv werden:
		 Unser Erfolg hängt auch an Dir!...................................................................... Seite 27
6

1
	Den öffentlichen Dienst
  im Blick
	Zahlen, Daten, Fakten zur Beschäftigung
  im öffentlichen Dienst

Woran denken die meisten Bürgerinnen              den Bürgerinnen und Bürgern bereitstellen.
und Bürger wohl zuerst, wenn man sie              Dazu sind sie durch das Sozialstaatprinzip
nach dem öffentlichen Dienst fragt? Wahr-         (Artikel 20 Grundgesetz) verpflichtet.
scheinlich an das Rathaus, das Bürgeramt,         ­Bürgerinnern und Bürger haben also einen
an Formulare.                                      Rechtsanspruch auf einen funktionierenden
Doch die öffentliche Daseinsvorsorge hat           Staat. Wirtschaftlichkeit ist nicht die Bedin-
weitaus mehr zu bieten. Zum Beispiel Mobi-         gung. Es dreht sich nicht um Profit wie in
lität – ob nun mit dem Auto auf öffentli-          Unternehmen, sondern um die Erbringung
chen Verkehrswegen, oder im Personen-              guter Leistungen – und zwar gleicherma-
nahverkehr auf den Schienen. Gepflegte             ßen für alle Menschen, die in diesem Land
Parks und Stadtgärten. Schwimmbäder.               leben.
Freizeiteinrichtungen und Sportplätze.            Gute Arbeit braucht gute Leute. Und die
­Kultur- und Begegnungsstätten. Soziale           müssen auch ordentlich für ihre Arbeit
 ­Einrichtungen und Hilfe im Lebensalltag.        ­entlohnt werden – so lautet schon länger
  Gesundheitsvorsorge und Krankenhäuser.           unsere Botschaft an die öffentlichen Arbeit-
  Schutz und Sicherheit vor Verbrechen,            geber, und die hat auch weiterhin Berechti-
  ­Feuer oder Katastrophen. Kitas, Schulen         gung! Wir sind es wert, Kolleginnen
   und Hochschulen. Von der Versorgung mit         und Kollegen.
   Energie und Wasser – bis zur Entsorgung        Insgesamt arbeiten 4,7 Millionen Beschäf-
   von Abfällen. Finanzielle Absicherung bei      tigte im öffentlichen Dienst und nochmals
   Krankheit, im Alter, bei Arbeitslosigkeit      etwa 500.000 bei kommunalen Unterneh-
   oder Arbeitsunfällen. Behörden, Verwaltun-     men, das heißt mehr als jeder und jede
   gen und Betriebe – damit der Rechtsstaat       zehnte Erwerbstätige in Deutschland. Etwa
   auch funktionieren kann. Kurzum: Alle          die Hälfte von ihnen – knapp 2,4 Millionen
   ­öffentlichen Leistungen, die das Leben auch   – sind Beschäftigte der Bundesländer. Bei
    lebenswert machen!                            Städten, Gemeinden und kommunalen
Diese und noch weitere Leistungen der             ­Unternehmen arbeiten gut zwei Millionen
­Daseinsvorsorge müssen Bund, Länder,              Menschen, im Bundesbereich knapp
 ­Gemeinden und Sozialversicherungsträger          500.000 und bei den Sozialversicherungs-
  im Rahmen ihrer Aufgaben und Pflichten           trägern knapp 400.000. Sie arbeiten als
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t­ arifbeschäftigte Arbeitnehmerinnen und              6,7 Millionen 1991 auf einen Tiefstand
 Arbeitnehmer oder als Beamtinnen und                  von 4,5 Millionen 2008. Darunter hat die
 ­Beamte sowie Richterinnen und Richter.               Bereitstellung von öffentlichen Leistungen
  Auch Soldatinnen und Soldaten zählen                 in vielen Bereichen spürbar gelitten. Seither
  zum öffentlichen Dienst. Darunter fallen             steigt die Zahl wieder leicht an. Zusätzliche
  auch rund 88.000 junge Menschen die                  Stellen gab es vor allem in den Kommunen
  beim Bund und den Kommunen ihre                      durch den Kita-Ausbau. Allerdings arbeiten
  ­Berufsausbildung oder ein Praktikum                 heute viel mehr Beschäftigte in Teilzeit.
   ­absol­vieren.                                      Im öffentlichen Dienst insgesamt sind knapp
In den vergangenen Jahrzehnten ist die                 ein ­Drittel Teilzeitbeschäftigte, in den
Zahl der Beschäftigten im öffentlichen                 ­Städten und Gemeinden sind es sogar fast
Dienst erheblich reduziert worden: von                  40 Prozent.

 Beschäftigte nach Dienst-/Arbeitszeitverhältnis
    Beamte/Beamtinnen und Richter/-innen               Soldat/-innen         Arbeitnehmer/-innen

                Bund               36,8 %                     33,5 %                            29,8 %

               Länder                       53,9 %                                     46,1 %

          Gemeinden       12,7 %                                87,3 %

  Sozialversicherungen   8,4 %                                 91,6 %

            Insgesamt              35,7 %            3,5 %                                      60,8 %

                                                                   Quelle: Statistisches Bundesamt 2017, Zahlen für 2016
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2
	
  Tarifarbeit
             im öffentlichen
         Dienst und die Tarifrunde
         mit Bund und Kommunen

Für die Tarifbeschäftigten im Bereich des         ­ rbeitgeber, die ihre Interessen durch die
                                                  A
Bundes und der Kommunen gilt der „Tarif-          „Vereinigung der kommunalen Arbeit­
vertrag für den öffentlichen Dienst“, kurz        geberverbände“ am Verhandlungstisch
TVöD. Hinzu kommen für die kommunalen             ­vertreten lassen.
Versorgungsunternehmen der TV-V und für           Da ver.di auch immer die zeit- und inhalts-
die kommunalen Nahverkehrsunternehmen             gleiche Übertragung des Ergebnisses auf
die jeweiligen landesweiten TV-N. Für die         die Beamtinnen und Beamten, Richterinnen
­Tarifbeschäftigten der Länder gilt der „Tarif-   und Richter sowie Soldatinnen und Soldaten
 vertrag für den öffentlichen Dienst der Län-     fordert, ist diese Tarif- und Besoldungsrunde
 der“ (TV-L), in Hessen der TV-H.                 auch Maßstab für die Besoldung von rund
Im Frühjahr 2018, genauer gesagt ab dem           360.000 Beamtinnen und Beamten ­sowie
26. Februar 2018, wird wieder über den            175.000 Versorgungsempfängerinnen und
TVöD und den TV-V bzw. über einzelne              -empfänger des Bundes. Für die Besoldung
­Regelungen dieser Tarifverträge verhandelt.      der Beamtinnen und Beamten der Kommu-
 Die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten     nen sind die Bundesländer ­zuständig, sodass
 der Bundesländer finden davon getrennt           sie nicht in die Tarif- und Besoldungsrunde
 statt. Dort haben wir mit dem letzten Tarif-     2018 einbezogen sind.
 abschluss im Februar 2017 unter anderem          Die Gewerkschaft ver.di ist Verhandlungs­
 eine Erhöhung der Tabellenentgelte um zwei       führerin auf der Gewerkschaftsseite und der
 Prozent, mindestens aber 75 Euro für 2017        ­öffentliche Dienst bei uns „Chefsache“.
 und eine weitere Erhöhung um 2,35 Prozent         ­Deshalb führen Frank Bsirske, Vorsitzender
 für 2018 erreicht. Die nächste Verhandlung         von ver.di, und Wolfgang Pieper, Mitglied im
 mit den Arbeitgebern im ­Länderbereich – der       ver.di-Bundesvorstand, die Verhandlungen
 Tarifgemeinschaft ­deutscher Länder, TdL –         für unsere Kolleginnen und Kollegen. Doch
 findet im Frühjahr 2019 statt.                     dabei sind sie nicht allein, denn die ver.di-
Die Verhandlungen für Bund und Kom­                 Verhandlungskommission ist ebenfalls vor
munen finden gemeinsam statt: Für die               Ort. Mit ihr berät die Verhandlungs­spitze
­Be­schäftigten des Bundes wird mit dem             den aktuellen Stand, diskutiert das weitere
 ­Bundesinnenminister verhandelt. Die Be-           Vorgehen und lässt sich von der Stimmung
  schäftigten der Städte und Gemeinden und          der ­Beschäftigten in den Ver­waltungen und
  kommunalen Betriebe haben unzählige               Betrieben berichten. Die Verhandlungskom-
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mission wiederum setzt sich aus Vertreterin-          ­ erade bei öffentlichen Arbeitgebern weit
                                                      g
nen und Vertretern aus der Bundestarifkom-            verbreitet. Nach wie vor nicht ­geschlossen
mission für den öffent­lichen Dienst (BTK öD)        ist auch die Lücke zwischen den Löhnen und
zusammen. Deren Mitglieder sind gewählte             Gehältern im öffentlichen Dienst und den
Kolleginnen und Kollegen von Dir, aus allen          Löhnen und Gehältern in anderen Branchen.
Bereichen des öffentlichen Dienstes. Die             Gegenüber dem Jahr 2000 sind die Ein­
BTK öD entscheidet zum Beispiel über                 kommen der Beschäftigten bei Bund und
­Tarifforderungen und die Annahme oder               Kommunen um 44,3 Prozent gestiegen. In
 ­Ablehnung von ­Verhandlungsergebnissen.            der Gesamtwirtschaft hin­gegen betrug das
Trotz guter Erfolge in unserer Tarifarbeit in        Plus in diesem Zeitraum 48,3 Prozent, in
den letzten Jahren gibt es im Bereich des            der ­Metallindustrie sogar fast 56 Prozent.
­öffentlichen Dienstes noch einiges „gerade          Hier gilt es aufzuholen: Die abhängig Be-
 zu rücken“. Wer nämlich glaubt, Beschäftig-         schäftigten im öffentlichen Dienst müssen
 te beim Staat haben auf Lebenszeit einen            wieder an der gesamtwirtschaftlichen Ent-
 ­sicheren Arbeitsplatz, zählen zu den Spitzen­      wicklung t­ eilhaben. Dafür braucht es deut­
  verdienern und haben bereits jetzt für ihren       liche Lohnsteigerungen, die mithelfen, die
  Ruhestand ausgesorgt, der irrt. Prekäre            Lücke g ­ egenüber anderen Branchen zu
  ­Arbeit, wie zum Beispiel Befristungen, ist        ­verringern.

 Tarifentwicklung 2000–2017                                                            2000 = 100

 160,0
           Metallindustrie          155,7
 150,0     Chemische Industrie      154,8
           Preise + Produktivität   152,1
           Gesamt                   148,3
 140,0     Öffentlicher Dienst
           Bund und Gemeinden       144,3
 130,0     Bankgewerbe              139,5
           Einzelhandel             139,4
 120,0     Preisindex               127,6

 110,0

 100,0
         2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
                                                                                    Quelle: WSI-Tarifarchiv
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3        Von der Forderungsdiskussion
           bis zur Tarifeinigung
	Wie entsteht ein Tarifvertrag –
  und wie kannst Du Dich einbringen?

Ein kurzer Exkurs zum Tarifvertrag im           tarifvertrag geregelt. Der Grund? Über die
Allgemeinen:                                    Höhe des Entgelts muss regelmäßig, alle
Gewerkschaften schließen Tarifverträge ab.      ein bis zwei Jahre, verhandelt werden. Der
Und das nicht erst seit gestern. Arbeiterin-    Manteltarifvertrag hingegen wird seltener
nen und Arbeiter haben im 19. Jahrhundert       verhandelt und kann daher eine längere
Gewerkschaften genau dafür gegründet,           Laufzeit haben. Getreu dem Motto: „Was
um nicht alleine dem Arbeitgeber gegen-         man hat, das hat man.“ Im öD sind diese
über zu stehen, sondern gemeinsam besse-        Regelungsarten in einem Werk zusammen-
re Einkommens- und Arbeitsbedingungen           gefasst – liest sich einfacher. Dafür haben
durchsetzen zu können. Verhandelt wird          aber die Entgeltregelungen entsprechend
mit dem jeweiligen Arbeitgeber oder mit         der vereinbarten Laufzeit auch andere
dem Zusammenschluss mehrerer Arbeit­            ­Kündigungsfristen.
geber, dem Arbeitgeberverband. Im Tarif-        Tarifverträge gelten zwingend und unmit-
vertrag halten Gewerkschaften und Arbeit-       telbar wie ein Gesetz nur für die Mitglieder
geber das Ergebnis schriftlich fest.            der vertragsschließenden Gewerkschaft.
Während Tarifverträge früher in erster Linie    Ein Arbeitgeber, der Mitglied im unterzeich-
den „Tarif“, also die Bezahlung der Be-         nenden Arbeitgeberverband ist, muss den
schäftigten, regelten, sind sie heute um        Tarifvertrag für die ver.di-Mitglieder anwen-
­einiges umfangreicher. Beispielsweise bei      den. Nur wer Mitglied der unterzeichnen-
 den allgemeinen Arbeitsbedingungen, zu         den Gewerkschaft ist, hat unmittelbaren
 denen u. a. die regelmäßige wöchentliche       Anspruch auf die Leistungen aus dem Tarif-
 Arbeitszeit, der Anspruch auf Erholungs­       vertrag. Wer sich darauf ausruhen will, dass
 urlaub und Arbeitsbefreiung oder Regelun-      sein Arbeitgeber einen geltenden Tarifver-
 gen zur Beendigung des Arbeitsverhältnis-      trag bei allen Beschäftigten anwendet, dem
 ses zählen. Diese „Rahmenbedingungen“          sei gesagt: Dieses „Entgegenkommen“ ist
 werden in einem Rahmen- oder Mantelta-         freiwillig!
 rifvertrag festgehalten. Die Bezahlung, also   Und wichtig ist: Je mehr Beschäftigte Mit-
 das Tabellenentgelt und weitere Entgelt­       glied der Gewerkschaft sind, umso bessere
 bestandteile (wie Zulagen oder die Jahres-     Regelungen können durchgesetzt werden.
 sonderzahlung) sind oft in einem Entgelt­      Wenn niemand in der Gewerkschaft wäre,
11

könnten die Arbeitgeber wieder einseitig          Doch keine Sorge: Auch wenn die Entgelt­
die Arbeits- und Bezahlungsbedingungen            regelungen gekündigt sind – Geld gibt’s
bestimmen. Denn Dein Interesse ist nicht          trotzdem weiterhin. Die „Nachwirkung“
das Interesse Deines Arbeitgebers, auch           sorgt dafür, dass die gekündigten Regelun-
wenn es ein öffentlicher Arbeitgeber ist.         gen ­solange weitergelten, bis ein neuer
Deshalb: Nicht nur mitnehmen –                    Tarif­abschluss erzielt wird. Das gilt aller-
­sondern auch mitmachen!                          dings nur für Gewerkschaftsmitglieder, die
                                                  bereits vor dem Zeitpunkt des Wirksamwer-
                                                  dens der Kündigung (also am 28. Februar
Am Anfang des Neuen steht                         2018) bei demselben Arbeitgeber beschäf-
das Ende des Alten:                               tigt waren.
Ende der Laufzeit und Kündigung
des Tarifvertrages.                               Alles andere als ein W
                                                                       ­ unschkonzert:
                                                  Die Forderungsdiskussion.
Tarifverträge haben grundsätzlich eine
­bestimmte Laufzeit, die festlegt, wann der       Jetzt sind die ver.di-Mitglieder gefragt: Was
 Tarifvertrag oder eine einzelne Regelung         und in welcher Höhe soll gefordert wer-
 frühestens gekündigt werden kann. Das            den? Deshalb ist es wichtig, dass die in
 schafft Planungssicherheit auf beiden            ver.di organisierten Kolleginnen und Kolle-
 ­Seiten. Die ver.di-Bundestarifkommission        gen auf Versammlungen in den Betrieben
  öD hat unter Einhaltung der Fristen die         und Dienststellen darüber diskutieren,
  ­Entgelttabellen (insbesondere die allgemei-    ­welche Forderungen sie an die Arbeitgeber
   ne Entgelttabelle sowie die Entgelttabellen     richten wollen. Zwei Dinge sind dabei zu
   für den Sozial- und Erziehungsdienst und        beachten: Zum einen muss die Forderung
   für den Pflegedienst) sowie die Entgelte für    grundsätzlich „arbeitskampffähig“ sein,
   die Auszubildenden und Praktikantinnen          d. h. es darf hierzu nicht bereits eine Rege-
   und Praktikanten zum 28. Februar 2018           lung bestehen bzw. muss diese gekündigt
   ­gekündigt. Damit haben wir den Start-          sein – denn das ist Voraussetzung, dass
    schuss für die Tarif- und Besoldungsrunde      wir unsere Forderungen nötigenfalls auch
    2018 ­gegeben. Nach dem Ende der Lauf-         durch Streik durchsetzen können. Und,
    zeit am 28. Februar 2018 sind wir für          noch viel wichtiger: Wer etwas fordert,
    die Entgeltforderungen auch arbeitskampf-      muss sich auch immer die Frage stellen,
    fähig.                                         welche Bereitschaft es in den eigenen
                                                   ­Reihen gibt, diese Forderung auch mit
                                                    Nachdruck und im äußersten Fall mit Streik
                                                    durchzusetzen!
12

Allerdings: Nicht jede Forderung, die vor        Manege frei!
Ort aufgestellt wird, schafft es in die Tarif-   Die Tarifverhandlungen beginnen.
runde. Die letzte Entscheidung liegt bei der
Bundestarifkommission. Sie diskutiert die        Für die Verhandlungen werden in der Regel
Forderungsempfehlungen, fasst die Dis­           drei bis vier Termine angesetzt. Beim Ver-
kussion zusammen und beschließt eine             handlungsauftakt, also dem ersten Termin,
­gemeinsame Forderung, die bundesweit            an dem Gewerkschaften und Arbeitgeber
 gilt. Für diese Forderung gilt es, gemeinsam    zusammenkommen, gab es in der Vergan-
 aktiv zu werden und zu kämpfen!                 genheit wenig Bewegung. Und dennoch ist
                                                 der Auftakt von Bedeutung. Denn bereits
Und jetzt?                                       zu diesem Zeitpunkt sind wir gefordert zu
Die Zeit bis zum Beginn der                      zeigen, dass wir gemeinschaftlich und
                                                 ­entschlossen hinter unseren Forderungen
Tarifverhandlungen.                               stehen! Es ist ein guter Ersteindruck gegen-
                                                  über den Arbeitgebern und wichtig für die
Bevor die Verhandlungen beginnen, ist             weiteren Verhandlungen, wenn wir schon
­ausreichend Zeit, um in den Betrieben und        im Vorfeld in den Betrieben und Dienst­
 Dienststellen sowie in der Öffentlichkeit        stellen aktiv waren und uns am Tag des
 auf unsere Forderungen aufmerksam zu             ­Verhandlungsauftakts am Verhandlungsort
 machen. Das heißt, im Rahmen von ge-              blicken lassen!
 meinschaftlichen Aktionen weitere Mit­
 streiterinnen und Mitstreiter im Betrieb,       Denn eins ist klar: Allein am Verhandlungs-
 aber auch Unterstützerinnen und Unter­          tisch werden wir unsere Forderungen nicht
 stützer in der Öffentlichkeit zu gewinnen.      durchsetzen können. Für unseren Erfolg
 Jetzt ist Kreativität gefragt! So lassen sich   braucht es die Unterstützung jeder einzel-
 Mittagspausen nutzen, um Kolleginnen            nen Kollegin und jedes einzelnen Kollegen!
 und Kollegen in einer Pausen-Aktion,            Zwischen den Verhandlungsterminen ist es
 z. B. in der Kantine, zu informieren und        bereits möglich und auch gängige Praxis,
 zu ­interessieren, damit wir auch auf ihre      dass ver.di – in Abhängigkeit vom Verlauf
 Unter­stützung und Beteiligung zählen           der bisherigen Verhandlungen – zu ersten
 ­können. Dazu gehört auch, sie aus guter        Warnstreiks aufruft. Der Streik ist das
  Überzeugung für eine Mitgliedschaft in         ­wichtigste Mittel der Beschäftigten, ihren
  ver.di zu ­gewinnen!                            Forderungen auch Nachdruck zu verleihen,
                                                  Entschlossenheit zu demonstrieren und
                                                  „Schwung“ in die weiteren Verhandlungen
                                                  zu bringen.
13

Ein Ergebnis – oder kein Ergebnis?            schlag. Die Schlichtungsempfehlung hat
                                              keine bindende Wirkung. Anders als wäh-
Sind die anberaumten Verhandlungen            rend der Verhandlungen herrscht während
­beendet, gibt es zwei Möglichkeiten:         der Schlichtung Friedenspflicht: Arbeits-
                                              kampfmaßnahmen sind auf beiden Seiten

 A        eine Einigung und
         K                                    untersagt.
         somit auch kein Ergebnis.            Die Tarifvertragsparteien sind verpflichtet,
         Und nun?                             innerhalb von drei Tagen die Verhandlun-
                                              gen auf Grundlage der Schlichtungsemp-
                                              fehlung wiederaufzunehmen.
Eine Möglichkeit ist es, einen weiteren
­Verhandlungstermin zu vereinbaren. Doch
                                              Verhandlungen oder Schlichtung
 häufig sind zu diesem Zeitpunkt alle Ar­
                                              ­gescheitert: Streik!
 gumente ausgetauscht. Dann müssen die
 Arbeitgeber mit anderen Mitteln überzeugt    Wenn keine Einigung erzielt werden konn-
 werden und alle Zeichen stehen auf Streik.   te, ist der Arbeitskampf das letzte Mittel,
 Denn Tariffragen sind Machtfragen!           um unsere Forderungen durchzusetzen.
                                              Ob ein Streik ausgerufen werden soll, ent-
Ein weiterer Versuch der Einigung:            scheiden die ver.di-Mitglieder in einer Urab-
Die Schlichtung                               stimmung. Hierbei müssen sich mehr als
Bevor die Gewerkschaft versucht, ihre Ziele   75 Prozent der unter den umkämpften
mit einem unbefristeten Arbeitskampf zu       ­Tarifvertrag fallenden ver.di-Mitglieder für
erreichen, kann in den Tarifrunden mit         einen Streik aussprechen.
Bund und VKA von beiden Seiten die            Wir sind jetzt also im Ausstand! Wir, die
Schlichtung angerufen werden. Wenn von        ­Beschäftigten im öffentlichen Dienst, sind
einer Seite die Schlichtung angerufen wird,    im Streik!
muss sich die andere Seite auf das Ver­
fahren einlassen. Von beiden Seiten wird      Ein kleiner Exkurs zum Arbeitskampf
eine Schlichterin bzw. ein Schlichter be-
                                              Die Rechtsprechung zu Arbeitskämpfen
nannt, die abwechselnd stimmberechtigt
                                              passt nicht in diese Broschüre. Die gesetz­
sind. Die Schlichterinnen bzw. Schlichter
                                              liche Grundlage hingegen kommt mit drei
versuchen, mit den Schlichtungskommis­
                                              Zeilen aus:
sionen der Arbeitgeber und der Gewerk-
schaften zu einer gemeinsamen Schlich-        „Das Recht, zur Wahrung und Förderung
tungsempfehlung zu kommen. Gibt es            der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen
kein Einvernehmen, gibt die Stimme der        Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann
stimmberechtigten Schlichterin bzw. des       und für alle Berufe gewährleistet.“ (Artikel
stimmberechtigten Schlichters den Aus-        9 Abs. 3 Grundgesetz)
14

Beschäftigte dürfen sich also zur Verbesse-
rung ihrer Arbeitsbedingungen einer
­Ver­einigung (Gewerkschaft) anschließen
                                                    B       Einigung auf ein
                                                            Verhandlungsergebnis.

 ­(Koa­litionsfreiheit). Auf Grundlage dieses
  Artikels des Grundgesetzes hat das Bundes-       Konnte eine Einigung am Verhandlungs-
  arbeitsgericht höchstrichterlich entschieden,    tisch erzielt werden, so entscheidet die
  dass Streik ein legitimes und auch das           Bundestarifkommission über die Annahme
  ­einzige Mittel ist, mit dem die Beschäftigten   des Verhandlungsergebnisses. Dies jedoch
   ihre Interessen durchzusetzen können. Alles     nicht, ohne vorher die Meinung der Mit­
   andere wäre nichts weiter als „kollektives      glieder eingeholt zu haben. Im Rahmen
   Betteln“.                                       ­einer Mitgliederbefragung wird das Ergeb-
Das jedoch nur am Rande, denn mehr                  nis vorgestellt und mit den Kolleginnen
braucht man nicht zu wissen. Um das                 und Kollegen diskutiert. Die ver.di-Mitglie-
Rechtliche kümmert sich ver.di. Sobald die          der entscheiden dann, ob das Tarifergebnis
Gewerkschaft zum Streik aufruft, sind die           angenommen werden soll, oder ob sie zur
Beschäftigten berechtigt, die Arbeit nieder-        Erreichung eines besseren Ergebnisses zum
zulegen. Da während eines Streiks kein              unbefristeten Streik bereit sind.
­Anspruch auf Entgeltzahlung besteht, zahlt        Erst danach entscheidet die Tarifkommissi-
 die Gewerkschaft ver.di ihren Mitgliedern         on über die endgültige Annahme des
 aus der solidarisch finanzierten Streikkasse      ­Verhandlungsergebnisses.
 eine Streikunterstützung.
Die Verhandlungen können jederzeit
                                                   Der Tarifkonflikt ist somit beendet.
­fortgesetzt werden. Der Streik wird dann
                                                   ­Unsere Aufgabe ist es dann, den
 für die Dauer der Verhandlungen ausge-
                                                    ­Tariferfolg in den Betrieben und Ver-
 setzt. Kommt bei den weiteren Tarifver-
                                                     waltungen auch entsprechend umzu-
 handlungen ein Verhandlungsergebnis
                                                     setzen! Hier sind die Personal- und
 ­zustande, müssen die Mitglieder erneut
                                                     ­Betriebsräte – mit Unterstützung ihrer
  ihr Votum abgeben. Bei dieser zweiten
                                                      Gewerkschaft – in der Verantwortung,
  ­Urabstimmung müssen sich mindestens
                                                      die Einhaltung der Tarifregelungen
   25 Prozent der Mitglieder für die Annahme
                                                      im Blick zu behalten und nötigenfalls
   des Verhandlungsergebnisses aussprechen.
                                                      einzufordern.
   Ist dies der Fall, wird auch der Streik
   ­beendet, da im Umkehrschluss die für die
    Fortsetzung des Streiks erforderlichen
    75 Prozent nicht mehr vorhanden sind.
15

	
4 Was regelt der Tarif­
         vertrag? Und was steht
         eigentlich im Gesetz?

Tarifverträge kommen in der Rangfolge               Klausel z. B. im Arbeitsvertrag eines Gewerk-
der unterschiedlichen Rechtsnormen in               schaftsmitglieds, die das Niveau der Tarifrege-
Deutschland nach den Gesetzen und vor               lung unterläuft, hat ebenso keinen Bestand.
der ­Betriebs- oder Dienstvereinbarung und          Da die Gesetzgebung also Mindeststandards
dem Einzelarbeitsvertrag.                           für die Arbeitsbedingungen bestimmt, kön-
Daraus ergibt sich folgende Logik: Das Gesetz       nen durch Tarifvertrag bessere Regelungen
steht über dem Tarifvertrag. Ein Tarifvertrag       vereinbart werden – vorausgesetzt natürlich,
kann folglich nicht gegen eine Regelung im          die Gewerkschaft ist aufgrund eines hohen
Gesetz verstoßen. Eine Regelung im Tarifver-        Organisationsgrades entsprechend durch­
trag, die schlechter ist als die gesetzliche, ist   setzungsfähig. Das ist das überzeugendste
nichtig. Besser geht jedoch immer, d. h. das        Argument gegenüber dem Arbeitgeber!
„Günstigkeitsprinzip“ erlaubt es, im Tarifver-      Nachfolgend eine Auswahl an gesetzlichen
trag eine Regelung zu treffen, die über dem         Regelungen in Gegenüberstellung zur Ver-
Niveau des Gesetzes liegt. Gleichzeitig ist der     einbarung im TVöD.
Tarifvertrag „nach unten“ bindend. Eine

 Gegenstand         Gesetz                                       TVöD
 Regelmäßige        Arbeitszeitgesetz                            39 Stunden je Woche bei Bund und
 wöchentliche       max. 48 Stunden je Woche                     Kommunen (West) und 40 Stunden
 Arbeitszeit                                                     bei Kommunen (Ost)
 Erholungs­urlaub   Bundesurlaubsgesetz                          30 Arbeitstage je Jahr
                    24 Tage Werktage (bei 6-Tage-Woche) ent-     (bei 5-Tage-Woche)
                    sprechend 20 Arbeitstage bei 5-Tage-Woche
 Ausbildungs-       Berufsbildungsgesetz (BBiG)                  Auszubildende nach dem BBiG
 vergütung          „angemessene Vergütung“,                     von 918,26 Euro (1. Ausb.jahr)
                    jährlich steigend                            bis 1014,02 Euro (3. Ausb.jahr)
 Jahressonder-      Keine Regelung                               z. B. 82,05 % vom Monats-Brutto
 zahlung                                                         in den Entgeltgruppen 1– 8
                                                                 (VKA – Tarifgebiet West)
16

5
	Tariffolklore oder:
  Warum denn schon wieder?
          Ziele gewerkschaftlicher Lohnpolitik

Gewerkschaftliche Lohnpolitik ist keine             Aber warum denn „alle Jahre wieder“
­Tariffolklore, sondern hat gleich mehrere          Tarifverhandlungen?
 gute Gründe!                                       Die Regelmäßigkeit, in der die Beschäftig-
Grundsätzlich schützt ein Tarifvertrag die          ten des öffentlichen Dienstes wie auch
­einzelnen Beschäftigten vor der Willkür des        aus anderen Branchen in Tarifverhandlun-
 Arbeitgebers und entfaltet damit auch für          gen eine Entgelterhöhung fordern, erklärt
 die Gesellschaft insgesamt eine positive Wir-      sich so:
 kung. Abgesehen von dieser grundsätzlichen         Jedes Jahr verändern sich wirtschaftliche
 Schutzfunktion gebieten Tarifverträge auch         Kennzahlen. Daher muss sich auch im
 dem Wettbewerb um den billigsten Lohn              ­Portemonnaie was tun. Die Wirtschaft
 und damit um die billigsten Arbeitskräfte           wächst, gleichzeitig werden Waren und
 Einhalt. Wenn Tarifverträge für eine ganze          Dienstleistungen teurer, dadurch verliert
 Branche für allgemeinverbindlich e­ rklärt          ­unser Geld an Wert (Inflation). So kann es
 werden und somit für alle Unternehmen                dazu kommen, dass Beschäftigte ohne jähr-
 ­dieser Branche gelten, können die Unter­            liche Lohnerhöhung im nächsten Jahr mit
  nehmen nicht mehr über immer niedrigere             der gleichen Menge Geld weniger kaufen
  Löhne konkurrieren, die sie ihren B  ­ eschäf­-     ­können. Es geht also nicht immer darum,
  tigten zahlen. Stattdessen müssen sie sich           „mehr Geld“ zu bekommen – sondern
  über die Qualität der Produkte und Dienst-           auch darum, zu vermeiden, dass sich weni-
  leistungen und guten Service behaupten.              ger Geldwert im Portemonnaie befindet!
  Und noch was: Tarifverträge sind manchmal
  auch Vorreiter für die Gesetz­gebung. Vieles,     Wenn die Wirtschaft von Jahr zu Jahr
  was wir heute als selbst­verständlich aus         wächst, gibt es außerdem immer mehr zu
  ­Gesetzen kennen, wurde erstmals in einem         verteilen. Dabei dürfen die Arbeitnehmerin-
   Tarifvertrag geregelt. ­Bezahlter Urlaub? –      nen und Arbeitnehmer nicht zu kurz
   Bis 1945 nur in Tarif­verträgen geregelt.        ­kommen: Schließlich sind sie es, die den
   ­Gesetzlicher Kündigungsschutz? – Geht auf        Wohlstand in unserem Land erwirtschaften.
    eine Vereinbarung zwischen den Gewerk-
    schaften und den ­Arbeitgeberverbänden von      Teilhabe am Wachstum
    1950 zurück. Sechs Wochen Lohnfortzah-          Der öffentliche Dienst trägt maßgeblich zu
    lung im Krankheitsfall? – Eine Tarifregelung,   Wachstum und Wohlstand in Deutschland
    die sogar erst 1969 für alle Gesetz wurde.      bei. Er schafft die Bedingungen für eine
17

 Aufschwung setzt sich fort
 Bruttoinlandsprodukt in Deutschland

                     4,1 %
                             3,7 %

                                                     1,9 %           1,9 %   2,2 %       2,2 %
                                                             1,7 %                                   1,6 %
   1,1 %
                                     0,5 %   0,5 %

                                                                                            Prognose

                  -5,6 %

    2008   2009      2010    2011    2012    2013    2014    2015    2016    2017        2018        2019
                                                                             Quelle: Stat. Bundesamt, 2018/19: DIW

funktionierende Wirtschaft und ermöglicht             Ausgleich von Preissteigerung
somit auch Umsatz und Profit in der Privat-           Ein Ziel gewerkschaftlicher Lohnpolitik ist
wirtschaft.                                           der Ausgleich von gestiegenen Verbrau-
Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP)                  cherpreisen – der Inflationsausgleich. Im
wuchs 2016 um 1,9 Prozent und 2017                    Jahr 2016 wirkten sich Entgelterhöhungen
um 2,2 Prozent. Die Forschungsinstitute               besonders positiv aus, da die Inflationsrate
erwarten eine Fortsetzung dieses Trends.              mit 0,5 Prozent vergleichsweise gering war.
Die in den verschiedenen Konjunkturprog-              Für die Jahre 2017 bis 2019 prognostizieren
nosen für 2018 genannten Wachstums­                   die Wirtschaftsinstitute jedoch eine Steige-
raten haben eine Spannweite von 2,2 bis               rung der Verbraucherpreise zwischen
2,4 Prozent.                                          1,5 und 1,8 Prozent.
                                                      Damit sich eine Entgelterhöhung für Be-
                                                      schäftigte auch spürbar auswirkt, müssen
                                                      prozentuale Erhöhungen vereinbart wer-
                                                      den, die deutlich oberhalb der prognosti-
                                                      zierten Inflationsrate liegen.
18

Der verteilungsneutrale Spielraum                                                           Wachstum der Arbeitsproduktivität. Die Pro-
Bei den Tarifforderungen von ver.di und                                                    duktivität steigt, wenn die Beschäftigten in
­anderen Gewerkschaften spielt der so­                                                     der gleichen Zeit mehr Waren oder Dienst-
 genannte „verteilungsneutrale Spielraum“                                                  leistungen schaffen oder für eine gleiche
 eine zentrale Rolle. Er beziffert jenen Wert,                                             Menge an Waren oder Dienst­leistungen
 um den die Löhne und Gehälter binnen                                                      ­weniger Zeit benötigen. Für den verteilungs-
 ­eines Jahres steigen müssen, damit die                                                    neutralen Spielraum wird die Veränderung
  ­Verteilung des Volkseinkommens zwischen                                                  der Arbeitsproduktivität im gesamtwirt-
   Arbeit und Kapital (und damit die Lohn­                                                  schaftlichen Durchschnitt b
                                                                                                                      ­ erücksichtigt.
   quote) exakt gleich bleibt. Der Anteil der                                              Für das Jahr 2018 erwarten die Wirtschafts-
   ­Beschäftigten am gesamtwirtschaftlichen                                                forschungsinstitute eine Inflationsrate von
    Kuchen bleibt dann unabhängig von der                                                  1,5 bis 1,7 Prozent und einen Anstieg der
    Größe des Kuchens gleich – die erzielten                                               Arbeitsproduktivität von 1,0 bis 1,2 Pro-
    Entgelterhöhungen sind somit verteilungs-                                              zent. Der verteilungsneutrale Spielraum
    neutral. Berechnet wird der verteilungs­                                               liegt also zwischen 2,5 und 2,9 Prozent.
    neutrale Spielraum als Summe aus der jährli-
    chen Preissteigerung sowie dem jährlichen

  Neutraler Verteilungsspielraum und Lohnentwicklung
  5,0 %
                                                                                         4,2%

  4,0 %
                                      3,9%

                                                                           3,6%
                        3,5%

  3,0 %
          3,1%

                                                                                                                                  3,1%
                                                     2,9%

                                                                                                                                                                    2,8%
                                                    2,8%

                                                                                                       2,7%

                                                                                                                                                 2,7%
                                                                                                                   2,7%
                                                                                                       2,6%
                                                                    2,6%

                                                                                                                                                                  2,4%
                                                                                                                                                           2,4%
                                                                                                                2,3%

  2,0 %
                                             2,2%

                                                                                                2,0%

                                                                                                                                                        1,8%
                                                                                  1,8%

                                                                                                                           1,7%
                 1,6%

                               1,5%

  1,0 %
                                                                                                                                          1,0%

  0,0 %
                                                            -2,3%

 -1,0 %

                                                                                                                                         Verteilungsspielraum
 -2,0 %
                                                                                                                                         Tariflohnentwicklung
 -3,0 %
          2005          2006          2007          2008    2009           2010          2011          2012     2013       2014           2015          2016      2017
                                                                                                        Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, WSI-Tarifarchiv
19

                                                             Umverteilung
       Inflationsrate              1,5 – 1,7 %
                                                             Das Herstellen von Gerechtigkeit ist ein
 +     Produktivität               1,0 – 1,2 %               Grundwert gewerkschaftlichen Handelns.
 =     Verteilungsneutraler        2,5 – 2,9 %               Gerechtigkeit auch mit Blick auf die
       Spielraum                                             ­Verteilung von Gewinnen und Vermögen.
                                                             Auch wenn die Entgelte von Arbeitneh-
2012 bis 2016 sind den Gewerkschaften                        merinnen und Arbeitnehmern in den letz-
Tarifabschlüsse gelungen, die im jährlichen                  ten Jahren wieder stärker gestiegen sind,
Durchschnitt zu Lohnsteigerungen oberhalb                    so klafft gesamtwirtschaftlich bei der Ent-
des verteilungsneutralen Spielraums führ-                    wicklung von Löhnen auf der einen Seite
ten. So stiegen die Tariflöhne und -gehälter                 sowie Unternehmens- und Vermögensein-
etwa 2016 um 2,4 Prozent, während der                        kommen auf der anderen Seite weiterhin
verteilungsneutrale Spielraum nur 1,8 Pro-                   eine Lücke – und zwar zum Nachteil der
zent betrug. 2017 allerdings lagen die Tarif-                ­Beschäftigten. Während die Unternehmens-
abschlüsse mit durchschnittlich 2,4 Prozent                   und Vermögenseinkommen seit dem Jahr
wieder unterhalb des verteilungsneutralen                     2000 um 37 Prozent gestiegen sind, ver-
Spielraums von 2,8 Prozent.                                  zeichneten die Entgelte der Arbeitneh-

 Schere zwischen Lohn und Profit immer noch weit offen
 Preisbereinigte Entwicklung 2000 bis 2017

 145 %
 140 %
 135 %
                   Unternehmens- und
 130 %
                   Vermögenseinkommen
 125 %
 120 %
 115 %
 110 %
 105 %
 100 %
                                                                                        Arbeitnehmerentgelt
     95 %
                                                                                        je Stunde
     90 %
            2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
                                          Quelle: wipo.verdi.de, Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen, 2000 = 100% gesetzt
20

merinnen und Arbeitnehmer lediglich ein       während die Bedeutung des Außenhandels
Plus von zehn Prozent.                        für das Wachstum abgenommen hat und
Um an dieser Verteilungsungerechtigkeit et-   voraussichtlich noch weiter abnehmen wird.
was zu ändern, müssen Entgelterhöhungen       So nahmen zum einen die Staatsausgaben
her, die oberhalb der Summe aus Inflations-   kräftig zu. Zum anderen wuchs aber ins­
rate und Produktivitätssteigerung liegen –    besondere auch der private Verbrauch
oberhalb des sogenannten verteilungsneu­      dank guter Lohnabschlüsse und niedriger
tralen Spielraums.                            Inflationsrate.
                                              Weiterhin deutliche Lohnsteigerungen sind
Stärkung der Binnenkonjunktur                 vor diesem Hintergrund wünschenswert,
Gute Tarifabschlüsse stärken die Kaufkraft    um die Binnennachfrage als Treiberin dieser
und somit auch die Wirtschaft im Land.        guten Entwicklung weiterhin zu stützen.
                                              Durch höhere Löhne und Gehälter die Kauf-
Die Wirtschaft wächst, wenn die Nachfrage     kraft in Deutschland zu stärken, ist daher
nach Waren oder Dienstleistungen wächst.      nicht nur gerecht, sondern auch wirtschafts­
In den letzten Jahren war die inländische     politisch vernünftig.
Nachfrage wesentlicher Wachstumstreiber,
21

	
6 Die Situation der
           öffentlichen Haushalte

Tarifverhandlungen mit öffentlichen Arbeit-                schäftigte im öD das gleiche Recht auf gute
gebern stehen nicht wie Verhandlungen mit                  Bezahlung haben, wie alle anderen auch.
privaten Firmen dem Interesse an möglichst                 Aktuell zieht das Argument sowieso nicht,
hohen Gewinnen gegenüber. Löhne und                        weil die Steuereinnahmen sprudeln und
Gehälter der Beschäftigten im öD müssen                    die Haushaltsüberschüsse so hoch sind wie
aber, wie alle Leistungen der öffentlichen                 noch nie.
Daseinsvorsorge, aus den öffentlichen Kas-                 Schon seit 2015 nehmen Bund, Länder und
sen finanziert werden. Regelmäßig versu-                   Kommunen insgesamt mehr ein, als sie
chen sich die Arbeitgeber mit dem Argu-                    ­ausgeben. Das Jahr 2017 schließen die
ment „Die öffentlichen Kassen sind leer!“                   ­öffentlichen Haushalte mit einem Rekord­
aus der Verantwortung zu stehlen. Dieses                     überschuss von 38,4 Milliarden Euro ab.
Argument ist grundsätzlich unfair, weil Be-

   Steuerentwicklung Deutschland
   tatsächliche und geschätzte Steuereinnahmen in Milliarden Euro

                                                                                                                  890
                                                                                                         858
                                                                                                827

                                                                                       795
                                                                             764
                                                                       735
                                                                 706

                 tatsächliche                                                aktuelle Steuerschätzung
                                                           673
                 Steuereinnahmen                                             November 2017
                                                     644
                                               620
                                         600
          561 Mrd. €
                                   573

    538                      531
                       524
   2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022
                                                                                   Quelle: Arbeitskreis Steuerschätzungen
22

Der Überschuss soll weiter kräftig steigen.   senkungen. Würde zum Beispiel der Soli –
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsfor-     der Solidaritätszuschlag – ersatzlos weg­
schung prognostiziert Überschüsse von 46      fallen, wäre damit auch der größte Teil der
bzw. 54 Milliarden Euro 2018 und 2019.        momentanen Haushaltsüberschüsse futsch.
Die Steuerschätzung vom November 2017         Und profitieren würden von diesem Steuer-
hat ergeben, dass die Steuereinnahmen         geschenk vor allem diejenigen, die hohe
­gegenüber der Schätzung vom Mai 2017         Einkommen erzielen. Wenn die öffentlichen
 nochmals stärker steigen. Jahr für Jahr      Arbeitgeber anschließend lamentieren, dass
 nimmt der Bund demnach 4,5 Prozent           sie sich mehr Ausgaben für ihre Beschäftig-
 mehr an Steuern ein und die Steuerein­       ten nicht mehr leisten können, ist dies kein
 nahmen der Kommunen sollen sogar um          Sachzwang. „Leere Kassen“ sind die Folge
 4,85 Prozent jährlich steigen.               einer Politik, die darauf verzichtet, not­
Eine Gefahr für die öffentlichen Haushalte    wendige Einnahmen für gute öffentliche
geht momentan lediglich von einer künf­       ­Leistungen, von denen alle etwas haben,
tigen Bundesregierung aus. Teile der CDU       zu e­ rzielen.
und vor allem die FDP versprechen Steuer-
23

	
7 Tarifpolitische
  Themenfelder

Die Forderung der                              Erwartungen an die Arbeitgeber
Bundestarifkommission                          ­richten sich ferner auf:
Die ver.di-Bundestarifkommission für den       1.	Manteltarifliche Änderungen für Be-
öffentlichen Dienst hat die Forderungen für         schäftigte:
die Tarif- und Besoldungsrunde 2018 in ihrer        – Zusatzurlaub für Wechselschicht- und
Sitzung am 8. Februar 2018 beschlossen.                  Schicht­arbeit um 50 Prozent a­ nheben,
                                                         wertgleiche Regelung im TV-V und
                                                         TV-N
Die Forderung im Einzelnen:                         –A    ngleichung der Jahressonderzahlung
1.	Erhöhung der Tabellen­entgelte um                  (VKA) Ost an das Niveau West
    6,0 Prozent, mindestens um 200 Euro             – E inrechnung der Pausen in die
    monatlich                                          ­Arbeitszeit bei Wechselschicht in
2.	Erhöhung der Entgelte für Auszubilden-              Krankenhäusern sowie Pflege- und
    de und Praktikantinnen/Praktikanten                 Betreuungseinrichtungen
    um 100 Euro monatlich                           –A    nhebung des Samstagszuschlags in
3. Laufzeit 12 Monate                                   Krankenhäusern auf 20 Prozent
4.	Die Ausbildungsbedingungen der bisher           –V    erlängerung der Regelungen zur
    nicht tariflich ­geregelten Ausbildungs-            ­Altersteilzeit
    und Praktikumsverhältnisse sollen in            – E rweiterung der Regelungen bei
    Anlehnung an TVAöD bzw. TVPöD                        Leistungsmin­derung
    ­tarifiert werden                          2.	Manteltarifliche Änderungen für Aus­
5.	Wiederinkraftsetzung der Regelungen             zubildende und Praktikantinnen/Prakti-
     zur Übernahme der Auszu­bildenden              kanten:
     nach erfolgreich abgeschlossener Aus-          –3    0 Tage Urlaub für A
                                                                             ­ uszubildende
     bildung                                        –Ü    bernahme der Kosten beim Besuch
6.	Anhebung des Nachtarbeitszuschlags in              auswärtiger Berufsschulen
     Krankenhäusern auf 20 Prozent                  – Ausdehnung des ­Lern­mittelzuschusses
                                                       auf den Pflegebereich
                                               3.	­Verhandlungen über ein kostenloses
                                                    Nahverkehrs­ticket
24

Der Bund wird aufgefordert, das Verhand-         wöchentlich kürzere Arbeitszeit erfolgen
lungsergebnis zeit- und w
                        ­ irkungsgleich auf      und dadurch für die Beschäftigten einen
die ­Beamtinnen und Beamte, Richterinnen         Spielraum zur Anpassung der Arbeitszeit an
und Richter, Soldatinnen und Soldaten            die eigenen Bedürfnisse schaffen.
­sowie Versorgungsempfängerinnen und             Der Kampf um eine kürzere Arbeitszeit er-
 -empfänger zu übertragen.                       fordert eine durchdachte und schlüssige
                                                 ­Argumentationsstrategie, ein positives ge-
Weitere tarifpolitische Themen                    sellschaftliches Klima für dieses Ziel und vor
In ihren Sitzungen hat die Bundestarif­           allem eine Erzwingungsstreikfähigkeit, die
kommission auch über weitere tarifpoliti-         zum derzeitigen Zeitpunkt im öffentlichen
sche Themen diskutiert.                           Dienst nicht in ausreichendem Maße gege-
                                                  ben ist. Für die Forderung nach Arbeitszeit-
Arbeitszeitverkürzung                             verkürzung muss das gesellschaftliche Um-
Nach dem Der DGB-Index „Gute Arbeit für           feld von ver.di in Form einer Kampagne
die öffentliche Verwaltung 2015“ haben            bearbeitet werden und intern müssen die
40 Prozent der Befragten den Eindruck,            Mobilisierung und die Durchsetzungsfähig-
mehr Arbeit in der gleichen Zeit schaffen zu      keit stark verbessert werden.
müssen, als ein Jahr zuvor. Insgesamt fühlen     Die BTK öD hat sich entschieden, in der
sich 52,8 Prozent der Beschäftigten in der       ­Tarifrunde 2018 das Thema Arbeitszeitver-
öffentlichen Verwaltung sehr häufig oder oft      kürzung durch freie Tage noch nicht anzu-
in der Arbeit gehetzt. Viele Beschäftigte ent-    gehen. Es ist jetzt zu diskutieren, wie ver.di
scheiden sich individuell für Arbeitszeitver-     die Diskussion zur Verkürzung der Arbeits-
kürzung und arbeiten in Teilzeit.                 zeit in den Fachbereichen des öffentlichen
Die gestiegene Produktivität, die durch die       Dienstes frühzeitig angeht. Dabei müssen
anstehende Digitalisierung noch weiter            wir gemeinsam klären, ob und wie wir eine
­steigen wird, gibt genügend Spielraum für        kürzere Arbeitszeit in der nächsten Tarif­
 eine Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen       runde anstreben. Die BTK öD muss zeitnah
 Dienst. Die unterschiedliche Entwicklung in      entscheiden, ob eine Arbeitszeitkampagne
 den verschiedenen Bereichen des öffent­          gestartet werden soll und ob dies das
 lichen Dienstes könnte eine gemeinsame           Schwerpunktthema für die nächste Tarif-
 Forderung nach Verkürzung der regelmäßi-         runde nach 2018 ist.
 gen wöchentlichen Arbeitszeit erschweren.
 Dennoch ist die Verkürzung der Arbeitszeit      Mitgliedervorteilsregelungen
 der gemeinsame Nenner für alle Beschäftig-      Viele ver.di-Mitglieder fordern regelmäßig
 ten im öffentlichen Dienst. Die Umsetzung       die Einführung einer tariflichen Mitglieder-
 einer kürzeren Arbeitszeit kann in den ein-     vorteilsregelung. Damit soll eine Leistung
 zelnen Bereichen in Form von freien Tagen,      im Tarifvertrag aufgenommen werden, die
 in veränderten Schichtmodellen oder als         – entgegen der gängigen Praxis – aus-
25

schließlich die Gewerkschaftsmitglieder         Weitere Ost-West-Angleichung
­erhalten. Argumentiert wird, dass es die       Im kommunalen Tarifrecht bestehen noch
 Gewerkschaftsmitglieder sind, die den Tarif-   zwei wesentliche Unterschiede zwischen
 vertrag erst möglich gemacht haben, von        den Tarifgebieten West und Ost: Im TVöD
 dem alle profitieren.                          und im TV-V beträgt die regelmäßige wö-
Alle drei Arbeitgeberbereiche des öffent­       chentliche Arbeitszeit 39 Stunden im Tarif-
lichen Dienstes – Bund, TdL und VKA – leh-      gebiet West und 40 Stunden im Tarifgebiet
nen Mitgliedervorteilsregelungen („tarif­       Ost. Und im TVöD beträgt der Bemessungs-
vertragliche Differenzierungsklauseln“)         satz für die Jahressonderzahlung 75 Prozent
entschieden ab. Solche Klauseln müssten         des Bemessungssatzes im Tarifgebiet West.
daher letztlich mit dem Mittel des Arbeits-     Die BTK ist der Auffassung, dass die Frage
kampfes durchgesetzt werden. Bliebe diese       der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit
Frage als einzige strittige Frage in einer      nicht getrennt von der grundsätzlichen
Tarif­auseinandersetzung „übrig“, müsste        ­Debatte um eine Arbeitszeitverkürzung ge-
der Streik nur um die Durchsetzung der Dif-      führt werden kann. Nur so kann vermieden
ferenzierungsklausel geführt werden. Dafür       werden, dass die Arbeitszeitfrage auf eine
wäre ein hoher Organisationsgrad von 80          Ost-West-Problematik reduziert wird und
oder 90 Prozent nötig, zumal es – anders         die Beschäftigten im Tarifgebiet Ost alleine
als bei den übrigen Tarifforderungen – kei-      eine Forderung durchsetzen müssten, die
ne Unterstützung für diese Forderung durch       ein zusätzliches materielles Volumen von
Nichtmitglieder geben würde. Außerhalb           2,5 Prozent zur Entgelterhöhung hat.
von Notlagentarifverträgen sind Mitglieder-
vorteilsregelungen bisher nur in Betrieben      Die Bundestarifkommission schlägt deshalb
mit extrem hohem Organisationsgrad              vor, in der Tarifrunde 2018 in Anlehnung an
durchgesetzt worden. Nicht der Organisati-      die Tarifeinigung mit dem Bund von 2016
onsgrad wird durch Mitgliedervorteilsrege-      für die Kommunen eine Angleichung des
lungen erhöht, sondern Mitgliedervorteils-      Bemessungssatzes für die Jahressonderzah-
regelungen können nur bei einem hohen           lung im TVöD an den im Tarifgebiet West
Organisationsgrad durchgesetzt werden.          zu fordern.
Forderungen nach Vereinbarung von Diffe-
renzierungsklauseln würden unsere Durch-        Regionale Differenzierung
setzungsfähigkeit in den Tarifrunden für        Für und gegen regionale Differenzierungen
den öffentlichen Dienst nicht verbessern,       im bundesweiten Tarifvertrag lassen sich
sondern deutlich erschweren. Unsere ge-         ­jeweils viele gute Gründe ins Feld führen.
meinsame Aufgabe bleibt es daher weiter-         Für solche Regelungen spricht:
hin, die Nichtmitglieder inhaltlich von der
                                                  h
                                                   ohe Mietkosten erfordern in Ballungs-
Notwendigkeit der gewerkschaftlichen
                                                  räumen ein höheres Entgelt,
­Organisation zu überzeugen.
26

  e ine tarifliche Gestaltung würde an die       f ür „bezahlbare“ Mieten zu sorgen ist
  Stelle eines Wildwuchses von einseitigen         Aufgabe der staatlichen Wohnungs-
  Arbeitgeberregelungen treten,                    bauförderung, nicht der Tarifpolitik
  in den Tarifrunden könnte eine bessere         n
                                                   iedrigeren Mietkosten stehen außerhalb
  Mobilisierung durch direktere Betroffen-        von Ballungsräumen höhere Fahrtkosten
  heit der Beschäftigten erreicht werden,         und Fahrtzeiten gegenüber,
  r egionale oder örtliche Auseinander­          D ifferenzierung ließe sich nicht auf
   setzungen können zu einem höheren              ­Abweichungen nach oben begrenzen –
   ­Organisationsgrad führen,                      die Arbeitgeber würden sofort auch Ab-
  d er Druck, unter dem die Arbeitgeber           weichungen nach unten f­ ordern,
  zur Gewinnung von Arbeitskräften                Ö
                                                   ffnungsklauseln können zur Erosion
  ­stehen, sollte ausgenutzt werden, eben-        des Flächentarifvertrages führen,
   so die Solidarität mit den Beschäftigten       r egionale Differenzierungen verletzen
   in Bereichen mit hohem Miet- bzw.               den gewerkschaftlichen Grundsatz der
   Preisniveau.                                    Solidarität, wonach die Stärkeren die
                                                   Schwächeren unterstützen.
Gegen regionale Differenzierungen spricht:
                                                In ihrer Bewertung hat die Bundestarif­
  d
   as Entgelt wird für die Arbeitsleistung     kommission deshalb festgestellt, dass eine
  gezahlt und nicht als Alimentation,           Lösung gefunden werden muss, die den
  r egionale Differenzierungen widerspre-      ­Interessenlagen sowohl der Befürworter
  chen dem Grundsatz „Gleiches Geld für          als auch der Gegner regionaler Differen­
  gleiche Arbeit“,                               zierungen gerecht wird und die gegenüber
  d
   ie Bestreitung der Lebenshaltungskos-        der Arbeitgeberseite durchsetzbar ist.
  ten muss durch die Beträge der bundes-         ­Hierzu schlägt die BTK vor, ein kostenloses,
  weit geltenden Entgelttabelle sicherge-         landesweites Nahverkehrsticket für alle
  stellt sein, ggfs. müssen durch soziale         ­Beschäftigten zu fordern, das regional
  Komponenten die unteren Entgelt­                 auszuge­stalten ist. Davon würden sowohl
  gruppen stärker angehoben werden,            die Beschäftigten in Ballungsräumen
                                               als auch die Beschäftigten in ländlichen
                                               ­Regionen profitieren.

Die Verhandlungstermine:
      26. Februar 2018               12./13. März 2018               15./16. April 2018

           erste                         zweite                          dritte
     Verhandlungs­runde            Verhandlungs­runde              Verhandlungs­runde
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Liebe Kollegin, lieber Kollege!
Die Tarif- und Besoldungsrunde können wir
nur gemeinschaftlich für uns erfolgreich
­gestalten. Nutze die Möglichkeit, Dich zu                                  en zur
                                                                  formation
 beteiligen und stehe gemeinsam mit Dei-           Aktuelle In            srunde au
                                                                                    f
                                                    rif- u n d Besoldung
 nen Kolleginnen und Kollegen für unseren        Ta                           ert.de
                                                         i  r - s i nd-es-w
 Tarif­erfolg ein. Es geht um Deine Arbeits-    www.w                         seite
                                                                    ampagnen
 und Lebensbedingungen – aber auch um                  oder der K
                                                                        Jugend
 die der Anderen.                                            der ver.di
                                                                              e.de
                                                                    ifdelux
Die Möglichkeiten, sich zu beteiligen, sind            www.tar

                                                                  tWaenriigerfdisteWluahnsxinen.
                                                         #
vielfältig! Schon bei der Forderungsdiskussi-
on konnten alle mitmachen. Sei jetzt dabei,
wenn es darum geht, weitere Kolleginnen
und Kollegen für unser gemeinsames Ziel
zu begeistern. Stelle Dich den Diskussionen
in Betrieben und Dienststellen – aber auch
in der Öffentlichkeit, mit Bürgerinnen und
Bürgern. Und sei dabei, wenn es heißt, un-
sere Forderungen auch durch einen Arbeits-
kampf durchzusetzen!
28

     JETZT LIEGT
     ES AN UNS –
     UND AN DIR!
       GEMEINSAM
      ­KÖNNEN WIR
       VIELES, IN
     JEDEM FALL
         MEHR.
WIR
SIND ES
 WERT.
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