Evolution statt Revolution - Auto Service Praxis
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Bet rie bspra x is Evolution statt Revolution Af tersales-Studie 2030 | Bis zum Ende des Jahrzehnts wird alles elektrischer und digitaler – das treibt Kunden vermehrt in die Markenwerkstatt. Aber der Fahrzeugbestand auf der Straße wird gleichzeitig immer älter und das spielt dem freien Markt in die Karten. chen Anteile entfallen auf verschiedene Typen von Hybridfahrzeugen, die noch mit Verbrennungsmotor ausgestattet sind. Dramatisch ist der Einfluss von Fahreras- sistenzsystemen: Die wachsende Verbrei- tung von Fahrerassistenzsystemen senke die Unfallquote bis 2030 um zehn bis 20 Prozent, schreiben die BCG-Branchenex- perten. Markenwerkstätten sind Gewinner Für freie Werkstätten werde der Wettbe- werb härter. Die Autohersteller und ihre Foto: kinwun/stock.adobe.com Markenwerkstätten profitierten von der zunehmenden Vernetzung der Autos, denn die Daten ermöglichten ihnen eine frühzeitige Ferndiagnose und Wartung. Das steigere Kundenzufriedenheit und Die Mobilität wird zwar digitaler, aber der Altbestand an Fahrzeugen ist noch lange im Markt. Kundenbindung. In zehn Jahren dürfte die Hälfte der Autos vernetzt sein, und die Markenwerkstätten dürften ihren Markt- D anteil in Europa auf 40 Prozent gesteigert as Servicegeschäft in Westeuropa Die Verbreitung von batterieelektrisch be- haben. Albert Waas, Managing Director wird in den nächsten zehn Jahren triebenen Fahrzeugen (BEV, Battery Elec- und Partner der Boston Consulting Group um nur ein bis zwei Prozent jähr- tric Vehicles) wirkt sich negativ auf den München, erklärt dazu „Wir gehen für den lich zulegen. Insgesamt dürfte der europä- Umsatz mit Wartung und Reparatur aus. Zeitraum ab 2025 davon aus, dass die ische Markt von 225 Milliarden Euro in Die Verfasser der Studie gehen davon aus, markengebundenen Werkstätten ein diesem Jahr auf insgesamt 282 Milliarden dass durch rein batterieelektrisch betrie- Euro im Jahr 2030 wachsen. Die Ursachen bene Fahrzeuge (BEV) sich der Teilebe- für das nur moderate Wachstum liegen in darf um 20 Prozent reduziert, bei reinen der Abnahme von Unfällen aufgrund bes- Verschleißteilen sogar um die Hälfte. Die Studie serer Fahrerassistenzsysteme, geringerer Fahrleistung durch Arbeiten im Homeof- Verbrenner noch lange unterwegs In der umfassenden Studie „At the Cross- fice, Zunahme der Elektromobilität und roads: The European Aftermarket in dem verstärkten Einsatz von Softwareup- Bei solchen Zahlen stellt sich die Frage, 2030“ arbeitete Boston Consulting dates ohne Werkstattaufenthalt. Zu diesem was für Arbeiten überhaupt in Zukunft Group BCG zusammen mit der European Ergebnis kommt eine Studie der Unterneh- möglich sind und wo Werkstätten noch Association of Automotive Suppliers und mensberatung Boston Consulting Group Geld verdienen können. Bis reine Elektro- Wolk After Sales Experts, um die Heraus- (BCG), die in Kooperation mit der Euro- autos in großen Mengen in freien Werk- forderungen für die Branche zu ermitteln pean Association of Automotive Suppliers stätten aufschlagen, wird noch etwas Zeit und strategische Antworten zu finden, (CLEPA) und der Unternehmensberatung vergehen. Die BCG geht davon aus, das im wie die Unternehmen die Zukunft meis- Wolk After Sales Experts in Bergisch Glad- Jahr 2030 gerade einmal sechs Prozent tern. Dazu wurden mehr als 30 Inter- bach erstellt wurde. Insgesamt wurden aller Pkw und Nutzfahrzeuge in Europa views mit Führungskräften der Aftermar- über 600 Betreiber von Werkstätten und rein elektrisch unterwegs sind. 81 Prozent ket-Branche und über 600 Interviews mit Servicezentren befragt sowie zahlreiche der Fahrzeuge werden laut Studie noch Betreibern von Werkstätten in ganz Experteninterviews geführt. mit Verbrenner unterwegs sein, die restli- Europa durchgeführt. 40 AUTO SERVICE PRAXIS 05/2021 www.autoservicepraxis.de
Stück weit gewinnen werden. Das ist ge- Albert Waas trieben durch eine höhere Penetration von Elektrofahrzeugen und durch die zuneh- Managing Director und Partner Boston Consulting Group Munich (BCG) mende Komplexität der Fahrzeuge als System. Gerade in der Anfangsphase wer- asp: Was war die Motivation für diese Studie? den sich Kunden mit diesen Fahrzeugen A. Waas: Wir wollten wissen, wie es um den Werk- beim OE besser aufgehoben fühlen.“ statt-Gesamtmarkt in Europa bestellt ist. Zahlrei- Ein anderer wichtiger Faktor ist laut che Einflussfaktoren verändern den Markt zuse- Waas das Thema „Remote Diagnostics“, hends. Die Autos auf der Straße werden immer äl- Foto: Boston Consulting Group das seiner Meinung nach in einigen Jahren ter, die Ersatzteile werden komplexer und damit langsam zum Tragen komme. „Wir gehen auch kostspieliger. Dazu haben wir in Zusammen- daher von 2025 bis 2030 davon aus, dass arbeit mit Wolk After Sales Experts mit über 600 sich der Markt um drei Prozentpunkte Werkstätten in Europa gesprochen sowie mit zahl- wieder zum markengebundenen Markt reichen Stakeholdern der Branche. Im Ergebnis se- verschiebt. Eine radikale Marktverschie- hen wir einen sehr resilienten und über die kommenden Jahre leicht wach- bung erwarten wir aber nicht – denn der senden Aftermarket. Über die nächsten fünf Jahre wird der freie Reparatur- Altbestand an Fahrzeugen sorgt dafür, markt ein jährliches Wachstum von ca. zwei Prozent aufweisen. Nach 2025 dass auch die freien Werkstätten ausgelas- erwarten wir eine Abflachung auf ca. ein Prozent pro Jahr. tet bleiben.“ asp: Was sind die Treiber für diese Entwicklung? Fuhrpark wird immer älter A. Waas: Den größten Einfluss hat das zunehmende Alter des Gesamtfuhr- parks, aber auch die Zunahme des Anteils von Flottenfahrzeugen, die gar Es ist der Altbestand von Fahrzeugen im nicht im Privatbesitz sind. Dort herrscht ein großer Kostendruck, was dem IAM riesigen europäischen Fuhrpark, der den in die Hände spielt, sofern er passende Angebote macht. freien Betrieben noch auf Jahre die Exis- tenz sichert – und die Autos werden ten- asp: Sie prognostizieren einen relativ geringen Einfluss der Elektromo- denziell immer älter. In der Studie heißt es bilität – warum? dazu: „In den letzten zehn Jahren ist das A. Waas: Die Elektromobilität wird nur als leichter Bremsfaktor für die Umsatz- Durchschnittsalter der Pkw-Flotte gestie- entwicklung eingestuft. Es ist richtig, dass bei rein batterieelektrisch betriebenen gen. Das durchschnittliche Fahrzeug in Fahrzeuge deutlich weniger Wartungsarbeiten anfallen – durch geringen Ver- Westeuropa ist elf Jahre alt; in Mittel- und schleiß, weniger bewegliche Teile, weniger Flüssigkeiten, kein Öl etc. Dafür ha- Osteuropa ist es sogar noch älter.“ Dies ben wir mehr Reifenabrieb, alle Karosseriearbeiten und Instandsetzungsarbeiten wirke sich auf den Reparaturmarkt aus, da bleiben erhalten sowie alle Reparaturen rund um das Fahrwerk. Unterm Strich ältere Fahrzeuge mit größerer Wahr- gehen wir daher von einem Minus von 20 Prozent bei den Wartungsarbeiten aus. scheinlichkeit gewartet werden müssen. In Bei den Plug-in-Hybriden sehen wir in der Realität eine schwarze Null, teilweise Westeuropa ist der Anteil der Fahrzeuge, sogar höhere Ausgaben aufgrund der hohen Komplexität. Wenn man die Effekte die älter als acht Jahre sind (Segment 3) aber mit der Penetration im Gesamtfuhrpark verrechnet, kommen wir trotzdem von 50 Prozent im Jahr 2011 auf 65 Pro- nur auf einen begrenzten Einfluss der Elektromobilität in der Gesamtheit. zent im Jahr 2019 gestiegen. Dieser Trend werde sich fortsetzen, wobei der Anteil asp: Welche Rolle spielt das Thema Connected Car heute schon? von Segment 3 bis 2030 bis zu 75 Prozent A. Waas: Der Trend „Connected Car“ ist sichtbar mit all den damit verbunde- erreicht. In den mittel- und osteuro- nen Themen wie Remote Diagnostics und direkte Kundenansprache. Das The- päischen Ländern ist der Trend laut ma wird kommen, aber man muss auch sehen: Wir haben über 300 Millionen BCG-Studie noch ausgeprägter. Fahrzeuge auf der Straße, und nur die wenigsten davon verfügen heute schon über eine Datenanbindung. Das wird auch in den nächsten zehn Jahren mehr- Digitalisierung schreitet voran heitlich so sein. Vergleichs- und Vermittlungsplattformen asp: Dennoch wartet man noch auf Regularien zum fairen Datenzugang. für Kfz-Teile und für Werkstätten werden A. Waas: Man ist auf EU-Ebene gerade dabei, die Regularien zu definieren, sich nach Einschätzung von BCG einen wie die Daten dem freien Markt zur Verfügung gestellt werden müssen. Hier wachsenden Teil des Kuchens sichern und sind vor allem zwei Regelwerke spannend. Einerseits steht die GVO zur Neu- schon 2025 über 15 bis 20 Prozent an den verhandlung an. Hier ist eine Verlängerung der Freistellungsverordnung zu vermittelten Leistungen verfügen. Techni- erwarten. Zum anderen wird es in der Frage des Datenzugangs eine Regelung scher Wandel, neue digitale Player und geben, hier sind noch offene Fragen zu klären, beispielsweise ob der Zugriff eine zunehmende Marktkonsolidierung für den IAM in Echtzeit oder nur mit einer gewissen Zeitverzögerung erlaubt setzten Ersatzteil-Großhändler und Werk- wird. Dann wird auch klar, in welchem Umfang Daten dem freien Markt zur stätten unter Druck. Verfügung stehen und wie hoch das Preisschild daran ist. Wir gehen davon Daher ist der Reparaturmarkt auf der aus, dass am Ende der Fahrer selbst entscheiden kann, mit wem er seine Suche nach datenbasierten Geschäftsmo- Daten teilen möchte. www.autoservicepraxis.de AUTO SERVICE PRAXIS 05/2021 41
Bet rie bspra x is dellen. Auf die Frage, welches Potenzial solche datenbasierten Geschäftsmodelle Deutlich geringere Wartungskosten für die freie Werkstatt haben werden, sieht Albert Waas vor allem den Groß- Durchschnittl. jährl. Teilekosten pro Fahrzeug (in €) „ handel im Zugzwang: „Aus Sicht des Elektrofahrzeuge werden sich strukturell auf den Markt auswirken, Großhandels sind Systeme, die den Kun- durch veränderten Ersatzteilbedarf und wegfallende Wartungsarbeiten den digital stärker einbinden, genau der richtige Weg. Der Großhandel muss sich fragen, wie man die Kunden in die Werk- stätten zieht, die beliefert werden. Digi- -20% -50% -50% +20% tale Geschäftsmodelle zielen in zwei BEV: Geringere Kosten 426 161 BEV: Höhere Kosten Richtungen: Es geht einerseits um Diag- -78 -81 ICE: Vergleichsbasis nostic, also die Abfrage und Auswertung 73 +12 20 -10 von Fahrzeugdaten über einen OBD-Ste- 61 Batterietausch noch nicht geklärt; 184 cker, und die Nähe zum Kunden über Annahme mit 10 Jahre Lebensdauer eine Smartphone-App.“ Teilekosten Verschleiß/ Motor & Reifen Karosserie, Der zweite wichtige Aspekt betreffe Wartung Antrieb Elektronik, & Zubehör den Prozess der Teilebestellung in der Werkstatt. Hier wolle der Teilegroßhan- ■ ca. 20 Prozent ■ Wegfall von ■ Niedrigere ■ Stärkerer Rei- ■ Keine Unter- geringere Tei- Teilen & ge- Teilevielfalt fenabrieb schiede del sicherstellen, dass die Werkstatt mög- lekosten bei ringerer Ver- reduziert po- duch höhere lichst bequem die Teile aus dem eigenen BEV; bei PHEV, schleiß bei tenziellen Re- Gewichte und Sortiment bestellt. Dort gehe es also um und HEV gerin- manchen Tei- paraturbe- stärkere Be- gere Kostendif- len (z.B. darf schleunigung Themen wie Integration von Bestellsys- ferenz Bremse) temen, Angebot von RMI Daten etc. „Je tiefer hier die Integration ist, desto wahr- Quelle: Expert interviews; BCG analysis scheinlicher geht die Bestellung durch. Es geht um den Aufbau eines eigenen klei- nen Ökosystems“, erläutert Waas die Idee dahinter. Treiber für das Marktwachstum 2019 bis 2030 Europäischer Aftermarket (2019 Index 100) Kein schwarzer Schwan in Sicht Allgemein/ Dass schon bald ein branchenfremdes Ausgaben für Service pro Fahrzeug Marktveränderung Unternehmen den Markt von hinten auf- +1.8 -4.7 -2.0 rollt, dafür spricht derzeit nicht sehr viel, +10.1 glaubt Albert Waas: „Der Reparatur- -7.2 +6.0 +20.9 125.0 markt erweist sich als erstaunlich wider- standsfähig. Wir sehen derzeit auch nicht 100.0 den berühmten schwarzen Schwan am Horizont. Die größte Veränderung bringt 2019 Teile- Produkt- Fahreras- Elektrifi- Laufleis- Lohn- Fuhrpark 2030 wert mix sistenz- zierung tung niveau wohl das Thema E-Commerce in der Tei- systeme leversorgung. Online-Shops für Kfz-Tei- ■ Einfluss auf alle Teilekategorien durch geringe Fahrleis- ■ höherer EV-Anteil nach 2025 mit Hybriden und BEVs ■ Fahrleistung sinkt durch Homeoffice und E-Commerce ■ Unterschiede best. Produktkategorien (z.B. Beleuch- le sind meist auch B2B-Player in Rich- ■ Starker Rückgang bei Verschleiß/Wartung und me- ■ Unfallkosten beeinflusst durch Entwicklung ADAS ■ Geringerer Ersatzbedarf durch längere Haltbarkeit ■ Assistenzsysteme reduzieren Unfälle um ~15% bis ■ Höhere Kosten duch höhere Komplexität der Teile ■ Stärkeres Wachstum in Osteuropa, da Markt noch ■ Höhere Löhne durch makroökonomische Efffekte tung kleinere Werkstätten, auch wenn sie sich vor allem als B2C-Player positionie- ■ Fuhrpark wächst langsamer, aber stetig ren.“ Der Branchenexperte beobachtet zu- dem, dass die ursprüngliche Skepsis der ■ Stärkerer Anstieg in Osteuropa Ersatzteilhersteller gegenüber den On- line-Shopanbietern mehr und mehr schwindet. „Man erkennt dort mittler- ■ Mehr Elektronik weile ein großes Wachstumspotenzial. Es chanische Teile nicht gesättigt trägt zum Umsatz bei, wenn man die Teile direkt vom Hersteller kaufen kann, tung) 2030 tung ohne dass ein Teil der Marge beim Han- del verbleibt. Die Kundschaft, also die kleineren Werkstätten, nehmen dafür die etwas längere Lieferzeit in Kauf.“ Quelle: BCG market model Dietmar Winkler ■ 42 AUTO SERVICE PRAXIS 05/2021 www.autoservicepraxis.de
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