FACHBEITRÄGE Corona und ADHS - Die besonderen Schwierigkeiten von Kindern mit ADHS
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4 Fachbeiträge ADHS Deutschland e. V. FACHBEITRÄGE Corona und ADHS Die besonderen Schwierigkeiten von Kindern mit ADHS In der Debatte um Schwierigkeiten von Kindern in der Herausforderungen, die Corona mit sich bringt, sowie Schule spielt die ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hy- ihrer ohnehin erhöhten Vulnerabilität auch in höherem peraktivitäts-Störung bzw. das –Syndrom) eine heraus- Maße leiden und von den Folgen stärker betroffen sind. ragende Rolle. Regelmäßig wird ADHS von Lehrkräften aller Schularten immer noch als eine der größten pädago- ADHS und emotionale und soziale Störungen gischen Herausforderungen genannt. Zunächst sah es so aus, dass durch die Regelungen, die Um die besonderen Belastungen der von ADHS be- aufgrund der Corona-Pandemie getroffen wurden – Ab- troffenen Kinder und Jugendlichen in der Schule und beim stand halten, Hygiene, Maskentragen – manche Probleme, Lernen zu verstehen, stelle ich die pädagogischen Heraus- die Kinder mit ADHS in der Schule haben, gemildert wür- forderungen dar, denen sie auch ohne Pandemie oftmals den. Durch die Abstände kam es zu weniger Konflikten, ausgesetzt sind. die Markierung von Wegen und Orten kam ihnen eben- Aufgrund der schlechteren Regulations- bzw. Steue- falls entgegen und die Masken führten vielleicht sogar zu rungsfähigkeit erleben sich Kinder und junge Menschen einer gewissen Bremse der Impulsivität. Außerdem sind mit ADHS als eingeschränkt sowohl in ihrer Ich- als auch Kinder mit ADHS häufiger in Krisen, sodass ihnen ver- in ihrer Sozial-Kompetenz, da ihnen häufiger als anderen mutlich zunächst die Veränderungen gar nicht so auffielen. etwas misslingt. Sie sind unsicherer und machen seltener Sie haben durch ihr Störungsbild eine gewisse Krisener- Erfahrungen einer positiven Selbstwirksamkeit. Dies führt fahrung mitgebracht, die das Aushalten der Veränderung zu einem schlechteren Selbstbild und weniger Zuversicht, zu Beginn der Pandemie auch ein Stück weit erleichtern selbst gesteckte Ziele auch zu erreichen. Alles zusammen konnte. Auf der anderen Seite verlangt genau dieses Stö- bewirkt, dass die Kinder insgesamt verletzbarer sind, fra- rungsbild nach Halt und struktureller Sicherheit – eine gilere Beziehungen haben und ihr Leistungspotential oft- ambivalente Ausgangslage für Kinder mit ADHS in Kri- mals nicht ausschöpfen können. senzeiten wie diesen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Steuerungsfähig- keit nicht verlässlich oder unzureichend ist, d. h. mal gelingt Corona ist eine Zumutung, so unsere Bundeskanzle- die Steuerung besser, mal erstaunlich gut, mal schlechter rin Angela Merkel. Allerdings mutet Corona Kindern, die bis gar nicht, stets abhängig von Personen und Situationen. von einer seelischen Entwicklungsstörung betroffen sind Dadurch wirkt die Störung oftmals willkürlich und mani- und auch ihren Lehrkräften, Pädagog*innen und vor allem pulativ. Gerade dies ist ein weiteres Merkmal, das sich auf auch ihren Familien besonders viel zu. die sozialen Beziehungen auswirkt. Den Kindern wird oft- Mit dem Anhalten der Pandemie und den immer län- mals mangelnder Wille unterstellt und seltener mangelnde ger andauernden Lockdowns wird deutlich, dass junge Fähigkeit. Menschen, ihre Familien und auch ihr sonstiges Lebens- Es kommt zu Fehleinschätzungen und die Kinder umfeld auf Corona besonders sensibel reagieren. selbst und ihre Intentionen werden in den Schulen falsch In nahezu allen Untersuchungen zu den psychischen wahrgenommen. So wird sehr häufig von den Kindern Belastungen durch Corona kommen die Autoren zu ähn- verlangt, sie sollten sich „zusammenreißen“, oder „aufhö- lichen Ergebnissen, nämlich einer starken Zunahme von ren“, und dazu werden Konsequenzen angedroht oder es psychischen Störungen. Besonders genannt werden dabei werden Druckmittel wie Bloßstellungen eingesetzt. Ausge- Ängste, hier speziell auch Zukunftsangst und depressive rechnet von den Kindern, die sich am wenigsten anpassen Stimmungen, Vergesslichkeit, Verwirrtheit, Schlaflosigkeit, können, verlangt man also einfach nur Anpassung. Das, Suchtverhalten und vor allem auch in jedem Fall bei einer was sonst bei der Mehrheit der Schüler*innen wirkt, sollte Erkrankung, eine Stressstörung. Es liegt auf der Hand, dass es einfach auch bei diesen Kindern tun. Kinder und Jugendliche mit ADHS unter den psychischen Die irreführende Annahme besteht darin, es stünde in Nachdruck und Vervielfältigung aller Art nur mit Genehmigung des Verbandes. neue AKZENTE Nr. 118 1/2021
ADHS Deutschland e. V. Fachbeiträge 5 der Macht der Kinder (und auch ihrer Eltern), ihr Verhal- und auch bei anderen wahrnehmen und benennen. Aus ten besser zu steuern oder sich zu entscheiden, wie sie sich diesem Grund kommt es immer wieder vor, dass sie ande- verhalten wollen. ren feindselige Absichten unterstellen. Den Zusammen- Oftmals wird vermutet, die Kinder würden uns ab- hang zwischen ihrem eigenen Verhalten und den Folgen sichtlich ärgern und wenn sie wollten, könnten sie sich und zwar sowohl in sozialer Hinsicht als auch beim Lernen einfach anders verhalten und unseren Erwartungen bes- zu erkennen, fällt ADHS-Betroffenen meist schwer. Des- ser entsprechen. Damit in Zusammenhang steht auch die halb ist es ihnen oft auch nur mit viel Hilfe und Unterstüt- Vorstellung vieler Lehrkräfte, dass die Kinder dann ihr zung möglich, den eigenen Anteil an einem Konflikt zu er- Verhalten ändern könnten oder würden, wenn sie selbst kennen und darüber hinaus auch noch zuzugestehen. nur geduldig genug und geschickt genug wären oder über Tipps oder Tricks verfügten, nach deren Einsatz dann die Bindung und Bindungsstörungen Störung verschwinden würde. Gerade auch sehr engagier- te Lehrkräfte fühlen sich in der Folge hilflos und verzwei- Kinder mit ADHS erleben in der Folge öfter als andere feln daran, dass einfach nichts „wirkt“ oder „funktioniert“, Kinder Ausgrenzung und Ablehnung, sowohl von anderen obwohl sie sich doch so große Mühe geben. Kindern als auch von Erwachsenen. Sie reagieren darauf Andere haben die Überzeugung, dass, wenn man die auch stärker, fühlen sich häufiger einsam und erleben die Kinder nur mit ausreichender Strenge anfasse, würden sie vielen persönlichen Niederlagen als sehr schmerzhaft. Die anfangen, ein besseres Verhalten zu wählen. Falls das nicht daraus resultierende erhöhte Verletzbarkeit ist ein signifi- den gewünschten Erfolg hat, werden den Kindern Konse- kantes Merkmal ADHS-Betroffener. quenzen angedroht, bis dahin, dass sie die Schule verlassen Die Kinder sind auf regelmäßige, stabile Bindungsan- müssen, weil sie einfach unzumutbar sind. gebote durch andere Kinder und auch Erwachsene außer- halb der Familie angewiesen. Viele Lehrkräfte und Pädagog*innen haben auch be- Corona beschränkt die verlässlichen Kontaktmöglich- stimmte Rechtsüberzeugungen von Kindern mit emotio- keiten der Kinder in hohem Maße, wenn sie Homeschoo- nalem und sozialem Förderbedarf. ling machen müssen und auch sonst die Kontaktmöglich- Sie sind der festen Meinung, dass die Rechte der Mehr- keiten stark eingeschränkt sind. heit der Schüler*innen wichtiger sind als die der kleinen Minderheit und erleben es als unfair, wenn sie sich diesen Folgen von ADHS für die Schule und das Lernen intensiver zuwenden als denen, die sich in ihren Augen „richtig“ verhalten. Außerdem sind sie der Auffassung, Die grundlegenden Defizite der betroffenen Kinder dass sie das Recht haben, sich nur als Lehrer*innen zu ver- wirken sich nicht nur ungünstig auf das Sozialverhalten, stehen und nicht auch noch als Erzieher*innen oder The- sondern auch auf das gesamte Lernverhalten des Kindes rapeut*innen. Darüber hinaus gibt es auch noch die Vor- aus. Metakognitive Prozesse werden schlechter entwickelt stellung, dass die Schule ein Recht darauf habe, ihren Ruf und die Fähigkeit und Motivation, kognitive und soziale zu wahren, den diese Kinder möglicherweise gefährden. Probleme zu lösen, ist eingeschränkt. Um die Probleme zu kompensieren und das eigene Selbstwertgefühl zu stützen, Stress und ADHS entwickeln Kinder mit ADHS unterschiedliche Bewälti- gungsstrategien, die Angst, Unsicherheit und Verletzlich- Kinder mit ADHS machen vielfach bereits frühkindli- keit vermindern sollen. Ausreden, ein So-tun-als-ob, Ver- che Stresserfahrungen, zum einen durch die Regulations- meidung oder Verweigerung und Abwehr oder Abwertung störungen, die sie mit auf die Welt bringen, zum anderen von Aufgaben sind typische Verhaltensmuster. Es geht den aber auch durch die Belastungen in der Bindung zu den Kindern in den Interaktionen sowohl mit anderen Kindern Eltern, die negative Wechselwirkungen zur Folge haben als auch mit Erwachsenen in hohem Maße darum, Nieder- können. lagen oder Gefühle von Hilflosigkeit zu vermeiden und das Gesicht beziehungsweise die Selbstachtung nicht zu ver- Kinder mit ADHS sind insgesamt einem höheren chro- lieren. Insgesamt sind die Kinder in ihrer Ich- und in ihrer nischen Stresslevel ausgesetzt, wobei sie auf Stress stärker Sozialkompetenz eingeschränkter. reagieren und auch Stress häufiger verursachen. Typisch für ADHS-Kinder ist, dass sie wegen ihrer Unsi- Sie haben eine geringere Fähigkeit zur Stressregulati- cherheiten schneller alarmiert sind und sich als Folge davon on und dadurch insgesamt in der Folge geringere soziale häufiger der Beziehungen zu anderen versichern müssen. Kompetenzen. Oft verarbeiten sie soziale Informationen Manche Kinder suchen ständig die Aufmerksamkeit nicht richtig, d. h. sie können Gefühle schlechter bei sich der Erwachsenen, zum Beispiel durch häufiges Nachfra- neue AKZENTE Nr. 118 1/2021
6 Fachbeiträge ADHS Deutschland e. V. gen oder andere Sicherstellungen von Zuwendung. Dieses Die hier aufgeführten Lernfelder, nämlich mit Unsi- Verhalten wird in der Regel als Störung bewertet und wirkt cherheit zurecht zu kommen, Niederlagen zu ertragen, sich auch tatsächlich als störend für das Kind selbst, die Fehler auszuhalten, Widersprüche und Ambiguität zu Klasse und den Verlauf des Unterrichts aus. Häufig führt bewältigen und insgesamt mit Stress besser zurechtzu- dieses Verhalten in einen Teufelskreis, dessen Bewältigung kommen, werden durch die Anforderungen, die die Co- den Betroffenen viel Kraft kostet. Es liegt auf der Hand, rona-Pandemie an die Kinder und jungen Menschen, aber dass diese verbrauchte Energie am Ende für das Lernen auch an die Lehrkräfte und die Eltern stellt, problemati- und Gestalten fehlt. scher. Schule an sich hat in der Regel schon keine förder- lichen Rahmenbedingungen für diese Herausforderungen. Angesichts einer drohenden Möglichkeit, einen Feh- Durch Corona kommen nun viele Unwägbarkeiten, Unvor- ler zu machen, einen Fehler anderer aushalten zu müssen hersehbarkeiten und angstauslösende Belastungen hinzu. oder etwa in einem Spiel zu verlieren, reagieren Kinder mit Umso wichtiger ist es, dass die Hilfen, die Schule für das ADHS besonders empfindlich. Sie können deshalb oftmals Lernen von Kindern mit ADHS anbieten sollte, im Hin- sowohl schlechter gewinnen als auch verlieren. Gewinnen blick auf ihre Umsetzung unter der Belastung von Corona sie etwa bei einem Spiel, dann reicht ihnen das manchmal überprüft und gegebenenfalls modifiziert werden. noch nicht, sondern der Triumph wird auch auf Kosten der Verlierer ausgelebt. Und verlieren sie, erleben manche Schule als schützender Lebensraum das als solch schlimme Niederlage, dass sie darüber sehr wütend werden, das Spiel oder die Mitspieler abwerten bis Das oberste Ziel der Schule sollte sein, dass sie für Kin- dahin, dass sie das Spiel sogar zerstören. Auf jeden Fall ent- der mit erhöhter Stressbelastung und Verletzlichkeit als steht eine sehr schwierige Situation für Mitspielende und Gemeinschaft und Lebensraum Schutz und Halt vermit- auch für die involvierten Pädagogen. telt. Kinder mit ADHS und auch mit anderen sozial-emo- Deshalb gehört es zu den wichtigsten Förderzielen der tionalen Entwicklungsstörungen sind darauf angewiesen, betroffenen Kinder, verlieren und gewinnen zu lernen, in dass sie unterstützt werden in kleinen und sicheren Schritten. Dabei müssen die drohen- • Aufmerksamkeitslenkung durch pädagogische Führung den negativen Gefühle vorweggenommen werden und ge- und Regulierungshilfen zur Selbststeuerung und auch der naue Abmachungen getroffen werden, wie man sich als gu- Steuerung der Lerngemeinschaften und Klassen. ter Gewinner oder Verlierer verhält. Für das Kind muss das • der Verbesserung ihrer Selbstwirksamkeit durch ange- Förderziel klar sein: Es geht weniger darum, das Spiel zu messene kognitive Anforderungen. gewinnen als den Sieg über die eigenen Gefühle und ihre In der Folge können Misserfolgserwartungen reduziert Regulierung zu erlangen. Erst wenn das gelingt, kann das und Mut, sich Herausforderungen zu stellen, gewonnen Spiel mitgespielt und genossen werden und das ist so lange werden. in der Ferne, wie das erste Ziel, nämlich Sieg oder Nieder- Dies führt zu einem positiveren Selbstbild, das gestützt lage fair zu ertragen, nicht erreicht ist. wird durch mehr Selbstvertrauen und Gelassenheit im Umgang mit Schwächen. Ambiguitätstoleranz ist die Fähigkeit, Widersprüche Auf diese Weise entwickeln sich Zuversicht und eine po- zu ertragen und zu wissen, dass es nicht immer eine allge- sitivere Zukunftserwartung. meingültige Lösung gibt. Dazu gehört auch die Fähigkeit, • emotionalem Rückhalt bei der Regulierung ihrer Emo- eine andere als die eigenen Perspektive einnehmen zu kön- tionen. Sie benötigen besondere Hilfen, eigene Gefühle nen und Mehrdeutigkeit auszuhalten. Ambiguitätstoleranz wahrzunehmen, auszudrücken und ihnen weniger impul- ist zudem eine Voraussetzung für interkulturelle Kompe- siv ausgeliefert zu sein. Gleichzeitig brauchen sie beson- tenz. Allerdings verlangt sie Ich-Stärke. dere Angebote, die Gefühle anderer wahrzunehmen, zu Ein gemeinsames Merkmal von Kindern mit Störungen respektieren und auf sie Rücksicht zu nehmen. ihrer Ich-Kompetenz ist, dass sie Ambiguität sehr schlecht Aus diesem Grund ist es unerlässlich, dass Lehrkräfte ertragen. Bei zu viel Verschiedenheit vermuten sie Unein- über die Entstehung und Wirkung von ADHS besser Be- deutigkeit und dadurch geraten sie schneller in eine Identi- scheid wissen und dadurch über Fördermöglichkeiten ver- tätskrise oder fühlen sich bedroht davon und verlieren den fügen, die die Kinder tatsächlich unterstützen und ihnen Boden unter den Füßen. Oft beharren sie daher auf Polari- dabei helfen, erfolgreicher zu lernen. sierungen wie gut - böse, schwarz – weiß, wir - die anderen und reagieren auf Mehrdeutigkeit eher aggressiv. Deshalb sind sie auch gefährdeter, sich Cliquen oder Gruppierun- gen anzuschließen, die sie von den für sie schwer erträgli- chen ambivalenten Gefühlen entlasten. Nachdruck und Vervielfältigung aller Art nur mit Genehmigung des Verbandes. neue AKZENTE Nr. 118 1/2021
ADHS Deutschland e. V. Fachbeiträge 7 Anregungen für die Schulpädagogik und Unterrichtsgestaltung bei ADHS und ihre Modifikation in Corona-Zeiten Aufmerksamkeitslenkung durch pädagogische Führung Anregungen Modifizierungen bei Corona Eindeutige Regeln einführen: Besser wenige Regeln und die konsequent Anwendung eingeschränkt, einhalten. Anpassung nach jeweiliger Lernsituation. Regeln mit den Kindern formulieren und gut sichtbar auch für andere Lehrkräfte in der Klasse anbringen. Regeln täglich in Erinnerung bringen. Weitere Regeln oder Modifikationen erst einführen, wenn die vorigen von allen angenommen sind oder sich zwingende neue Bedingungen ergeben. Umsicht zeigen: Übersicht behalten über die Interaktionen zwischen Stark erschwert oder unmöglich. den Kindern. Die gesamte Klassendynamik zu jedem Zeitpunkt im Auge haben. Sich nicht auf das einzelne Kind „einschießen“. Vorausschauendes Wahrnehmen der Gruppen- Ggf. Regelungen anpassen. dynamik vor allem bei Übergängen und Ortswechseln. Besonders wichtig, da Routinen kaum oder Mit Störungen rechnen und in der Unterrichts- weniger möglich. planung Steuerungsmöglichkeiten mitdenken. Störungen und Ablenkungen im Ansatz erkennen und produktiv umlenken. Gilt immer. Kurz, sachbezogen und vorwurfsfrei sprechen. Eindeutige Anweisungen: Kurz, knapp, nicht vorwurfsvoll sprechen. Gilt immer. Verhaltensregelnde Symbole, Handzeichen, Gestik/-Mimik „vereinbaren“. Sehr schwierig umsetzbar im Homeschooling. Verschiedene akustische Signale einsetzen für Situationswechsel. Anweisungen möglichst zugleich schriftlich anbie- ten oder erschließen lassen. Anweisungen auf Arbeitsblättern mit Markern hervorheben (lassen). neue AKZENTE Nr. 118 1/2021
8 Fachbeiträge ADHS Deutschland e. V. Reaktionen auf Regelverstöße: Mit Regelverstößen rechnen und in Planungen Wahrnehmen, wenn Regelverstöße abnehmen. von Handlungsabläufen mit einbeziehen. Mögliche Regelverstöße bereits im Vorfeld entschärfen. Regelverstöße nicht dramatisieren, aber sofort einschreiten (nichts laufen lassen). Grundsatzdiskussionen vermeiden, stattdessen auf Nehmen vermutlich ab oder sind auf Eltern Regeln hinweisen. verlagert. Räumliche Nähe zum Kind herstellen: sich auf den Schüler zubewegen, Hand auf Schulter, Arm legen, Entfällt völlig. Blickkontakt wenn möglich herstellen. Eher beruhigende Stimmlage benutzen. Besonders wichtig, falls möglich. Sitzordnung: Fester, nicht ständig wechselnder Sitzplan. Gilt immer, auch bei Wechselunterricht oder Mit Problemen an Gruppentischen rechnen. anderen Formen. ADHS-Kind nicht an Einzeltisch in der letzten Reihe (hinten links) setzen, sondern besser vorne links. Bei flexiblen Notgruppen kaum möglich. Auch beim Morgenkreis oder anderen Formationen feste Sitzordnungen vereinbaren. Offene Unterrichtsformen: Offene Unterrichtsformen überfordern leicht. Erheblich erschwert. Deshalb besonders klar räumliche und zeitliche Struktur regeln. Eindeutige Regeln einführen: Selbstorganisation vermutlich Erledigte und zu erledigende Aufgaben optisch überfordert. sichtbar machen. Aufgaben und Arbeiten zu Ende bringen lassen und das Ende besonders betonen. Kaum möglich im Distanz- Freiarbeit, Wochenplanarbeit nur mit helfendem, Unterricht. strukturierendem Begleiten. Warten zu können den Kindern zumuten. Wartezeiten planen und regeln. Bei kleineren Gruppen im Wechselunterricht Pausen: Auch Pausensituationen brauchen Struktur. Im Homeschooling besonders herausfordernd. Pausenhof in Zonen einteilen für Essen, Ruhe und Spielen. Verkehrsregeln und Markierungen für Gänge und Hilft auch nach Corona. Zeigt sich als besonders Garderoben einführen. praktisch. Patenschaften von größeren Schülern einführen. Wegen Kontaktbeschränkungen schlecht möglich. Nachdruck und Vervielfältigung aller Art nur mit Genehmigung des Verbandes. neue AKZENTE Nr. 118 1/2021
ADHS Deutschland e. V. Fachbeiträge 9 Förderung von Lernerfolgen durch angemessene kognitive Anforderungen Anregungen Modifizierungen bei Corona Ruhe in der Klasse gewährleisten: Kein Unterrichtsbeginn ohne absolute Ruhe. Bei Homeschooling nicht kontrollierbar. Überflüssiges vom Tisch, Notwendiges vorher auf Tipp für zuhause. den Tisch (immer zu Stundenbeginn prüfen und durchsetzen). Stille wahrnehmen. Tipp für zuhause. In der Klasse leise miteinander sprechen, flüstern Entfällt. üben. Sich selbst leise und ruhig in der Klasse bewegen. Keine Hektik verbreiten Lichtsignale und schriftliche statt verbaler Anweisun- Organisation von Arbeitsplatz visualisieren. gen geben. Genaue Angaben zur Vorgehensweise. Unterrichtliche Arbeitsweisen: Kurzbögig strukturieren und vorgehen, immer wieder Im Homeschooling schlecht möglich. rückfragen und Erarbeitetes sichern. Ergebnisse in Merksätzen und Regeln festhalten, lernen lassen und abfragen. Wichtige Informationen in der Klasse sichtbar anbringen. Vermeidung von Monotonie im Unterricht, Abwechslung in der Gestaltung, passgenaues neu- Eingeschränkte Angebote im es Material einführen, ohne „Materialschlacht“ vor Digital-Unterricht. allem auch beim Üben. Aufgaben mit positivem Anreizwert, Anpassung an Digital umsetzbar und sinnvoll. die Lernvoraussetzungen. Kein stereotypes Üben, sondern stets mit Denkaufgaben verbinden wie z. B. ein Unsinnwort einbauen, das zu finden ist. Isolierung von Schwierigkeiten, z. B. statt Arbeitsblättern mit vielen Aufgaben eher Aufgaben- Besondere organisatorische Hilfen für Kinder streifen, die gebündelt und gesammelt werden kön- anbieten nen. Überwindung von Problemen durch vertiefendes Wiederholen. Unterrichtsstil: Expressiv unterrichten: das heißt mit Mimik und Ges- Im Wechsel-Unterricht gut umsetzbar, tik, modulierender Stimme und erkennbarem Spaß digital schwierig. am Unterricht. Sinn für Humor entwickeln und die komischen Seiten Immer wichtig, gerade auch in Krisen. von Situationen erkennen. Unterrichtsroutinen pflegen, Rituale einführen, die Für alle Unterrichtsformen gültig. der Komplexitätsverminderung von Situationen dienen. neue AKZENTE Nr. 118 1/2021
10 Fachbeiträge ADHS Deutschland e. V. Rückmeldung geben: Häufige kurze schriftliche wie mündliche Überprü- Bei Homeschooling kaum umsetzbar. fungen mit Lernerfolgsmöglichkeit. Anerkennung geben für selbst gefundene Fehler. Kontrollhilfen geben wie Text von hinten lesen, Wort für Wort lesen, nur Zeile mit Fehlerwort markieren. Individuelle Gestaltung von Überprüfungssituatio- nen, z. B. Fehler mit Etiketten überkleben statt sie zu unterstreichen. Erteilte Aufgaben immer nachsehen, möglichst mit ermutigendem schriftlichem Kurzkommentar versehen. Schülern mit positiver Erfolgserwartung begegnen – täglich neu! Täglich bewältigbare Hausaufgaben geben. Erteilte Hausaufgaben immer und bei jedem kontrollieren. Zeitplanung und Ermüdungen: Ermüdungen im Laufe eines Schulvormittages mit Genauer Zeitplan hilft auch beim einkalkulieren. Homeschooling. Woche strukturieren. Keine Einführungsstunden am Montag, sondern mit Umstellungsschwierigkeiten Arbeitszeit vorher einschätzen lassen und rechnen. dann mit Uhr oder Stoppuhr arbeiten. Ermüdungen am Freitag mitplanen. Ermüdungen vor den Ferien von Lehrkräften und Pausen einbauen. Kindern mitplanen und mit geeigneten entspannen- den Unterrichtsformen begegnen Nachdruck und Vervielfältigung aller Art nur mit Genehmigung des Verbandes. neue AKZENTE Nr. 118 1/2021
ADHS Deutschland e. V. Fachbeiträge 11 Emotionalen Rückhalt geben Anregungen Modifizierungen bei Corona Positive Rückmeldung: Gilt alles besonders auch bei Corona. Rückmeldungen eher sachlich geben, ohne über- schwängliche Betonungen. Benennen, was richtig gemacht wird und wer sich richtig verhält (statt Fokus auf Fehlverhalten), ermu- tigen statt entmutigen. Schwächen, Rückstände und Sorglosigkeiten benen- nen, aber zugleich Hilfen aufzeigen und Zuversicht vermitteln. Selbstvertrauen stärken durch individualisierte Hilfe- stellung. Nicht nur gute Ergebnisse, sondern auch Individuelle Anstrengung und individuelle Fortschritte anerken- nen (positive Anmerkungen ins Heft). Die Individualität der persönlichen Lerndisposition anerkennen und achten. Angstfreie Lernatmosphäre: Fehler und Nichtkönnen nicht diffamieren, nicht vor Ermutigung und Zutrauen hilft und sind beson- der Klasse bloßstellen. ders wichtig. Schwierige Aufgaben fordern Kinder heraus. Aufgaben mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad Alle Stützungsmethoden modifiziert auf die von Lernsituation anwenden. Kindern selbst wählen lassen und Kinder auch zu schwierigen Aufgaben ermutigen. Zeit lassen, nicht drängeln. Zeitgrenzen vorher aufzeigen und zwischendurch darauf verweisen. Einfühlungsvermögen und Geduld vermitteln, zuhören können, mit- und einfühlend verstehen. Störendes Verhalten nicht persönlich nehmen (nicht beleidigt sein), stattdessen zwischendurch Rückmel- dung geben über persönliche Befindlichkeit, z. B. ich werde müde, das strengt mich an, das macht Statt „Time out“ eher ein „Time intensiv” anbie- mir Spaß etc. ten, um Bindungsverlusten entgegenzuwirken. Misstrauen und Vorurteile ablegen, stattdessen Dazu auch digitale Hilfen anwenden, die neue hinter einem unverständlichen Verhalten nach dem Beratungsformen mit sich bringen. subjektiven Sinn des Kindes suchen. Ständige Gesprächsbereitschaft anbieten, allerdings nur zu bestimmten Zeiten. Aufmerksamkeitsschwa- che Kinder suchen ständig die Aufmerksamkeit von Erwachsenen und brauchen sie auch als Halt. Kritik nur im Vier-Augengespräch, nicht vor der Klasse. Positive Einstellungen zum Kind suchen – täglich neu! neue AKZENTE Nr. 118 1/2021
12 Fachbeiträge ADHS Deutschland e. V. Zusammenarbeit mit den Eltern und Familien Schulische Formen in Zeiten von Corona Kinder mit ADHS sind in der Regel in ihren Familien Digitaler Unterricht – Distanzunterricht nicht die einzigen. Meist gibt es auch noch einen Elternteil und oftmals noch ein Geschwisterkind, die ebenfalls be- In den Phasen des Lockdowns waren lange Zeit für alle troffen sind. Altersstufen sogenannter Distanzunterricht und die Ver- Für ADHS gibt es bekanntermaßen genetische Dispo- sorgung mit digitalen Materialien die zentralen Mittel. sitionen und darüber hinaus epigenetische Faktoren, die Unterbrochen wurde dies durch Videokonferenzen. den Schweregrad mitbestimmen. ADHS bestimmt in ho- Ergänzt wurde die Kommunikation teilweise durch Tele- hem Maße das Familienleben auch der nicht selbst betrof- fonate, Kurznachrichten auf Schulapps oder per E-Mail, fenen Familienmitglieder. zentrale Austauschplattformen und teilweise auch durch Frühe Mutter-Kind-Interaktion, Bindungsverhalten ergänzenden Versand analoger Materialien. und traumatische Ereignisse müssen in Zusammenhang mit den genetischen Prädispositionen gesehen werden. ADHS entwickelt sich in einem Beziehungskontext In den verschiedenen Altersstufen hatte dies unter- und geht mit diesen Wechselwirkungen ein. Eine beson- schiedliche Auswirkungen. ders wichtige Rolle scheint dabei auch die Posttraumati- Grundschulkinder, insbesondere Kinder in der Primar- sche Belastungsstörung zu spielen, die bei den Kindern zu stufe waren in dieser Zeit nahezu vollständig auf die Hilfe einem physiologisch messbaren erhöhten Erregungsniveau der Eltern angewiesen. sowie zu Wutausbrüchen, Impulshandlungen, dissoziati- Einmal in der Woche brachten die Eltern teilweise die ven Abwesenheitszuständen, Ruhelosigkeit und auch nicht erledigten Aufgaben zu bestimmten Zeiten in die Schule zu- zuletzt zu Beziehungsstörungen bei Gleichaltrigen führt. rück und holten dann an einem zweiten Zeitpunkt die kor- (Siehe dazu Vuksanovic) rigierten Aufgaben wieder ab. Der Lernerfolg hing in diesen Psychische oder körperliche Probleme der Eltern spie- Phasen vollständig von der Zuverlässigkeit und pädagogi- len also eine große Rolle ebenso wie andere, etwa soziale schen Fähigkeit der Eltern ab, abgesehen davon, dass die Belastungen. Armut oder ökonomischer Druck von außen digitale häusliche Ausstattung in vielen Fällen einfach nicht erhöhen den Stress in den Familien und damit auch mehr oder nicht ausreichend gegeben war. Hatten in dieser Zeit oder weniger direkt die ADHS. Kommen dann noch fami- schon unbelastete Grundschulkinder und ihre Familien liäre Überforderungen, starke Dualismen in der Partnerbe- große Mühe, diesen Anforderungen gerecht zu werden, so ziehung und wenig gegenseitige Hilfe hinzu, so potenziert braucht man nicht allzu viel Fantasie, sich vorzustellen, wie sich der Gefährdungsgrad durch eine negative Dynamik. sich diese auf von ADHS betroffene Familien auswirken. Da die Problematik bei den Familien immer wieder Hilflosigkeit auslöst, erleben sich die Eltern als in der Er- Digitale Medien haben die Eigenschaft, den Kindern in ziehung versagend. Sie entwickeln entsprechende Abwehr- der Regel schnell Rückmeldung und auch Erfolg zu geben. strategien, um sich gegen die damit verbundenen Schuld- Darin besteht jedoch die Gefahr, dass die Kinder nicht ler- gefühle, aber auch tatsächlichen Schuldzuweisungen zu nen, Unlustgefühle, Aufschieben und Erreichen von wei- schützen. ter entfernten Zielen, Geduld und Ausdauer zu erwerben, auch wenn sie nicht ständig Bestätigung erfahren, wie dies Kommt nun zu den ohnehin bereits bestehenden Be- ein Programm geben kann. Gerade auch für Kinder mit lastungen dieser Familien noch Corona hinzu, kann das ADHS sind diese Lernaufgaben stark an eine bestätigende bisher vielleicht gerade noch aufrecht gehaltene Gleichge- Person gebunden, die sie in der Entwicklung von Durch- wicht kippen. Die Überforderung ist dann möglicherweise haltevermögen und Ausdauer bestärkt. so hoch, dass sie zur Gefährdung wird. Den Kindern fehlt aber vor allem die Klasse und der di- rekte Austausch beim Lernen und beim Spiel mit Gleich- altrigen. Gerade auch Kinder mit emotionalen und sozi- alen Entwicklungsstörungen, zu denen ja die Kinder mit ADHS gehören, sind auf das Lernen und auch das Kor- rektiv in der Gruppe angewiesen. Wenn ihnen dieses Feld vollständig entzogen wird, ist zu befürchten, dass dies mit erheblichen weiteren Entwicklungsrisiken einhergeht. Nachdruck und Vervielfältigung aller Art nur mit Genehmigung des Verbandes. neue AKZENTE Nr. 118 1/2021
ADHS Deutschland e. V. Fachbeiträge 13 Bei älteren Kindern, die bereits mehr Erfahrung in der ne wechselnde Betreuung, sondern feste Bezugspersonen. Selbstorganisation und im Umgang mit digitalen Medien Dadurch soll auch gewährleistet sein, dass möglichst wenig haben, können digitale Lernformen durchaus ihren Sinn Wechsel verkraftet werden muss, die Tage vorhersehbar haben, etwa bei der Recherche zu verschiedenen Themen. sind und insgesamt so viel Sicherheit und Halt wie möglich Allerdings sind auch diese jungen Menschen auf den Aus- vermittelt werden. tausch mit Gleichaltrigen in hohem Maße angewiesen. Die Zeit sollte genutzt werden können für „Time inten- Wenn sich dieser nur auf digitale Medien beschränkt, be- sive“, einer Form der Betreuung, die ohnehin für die von steht nicht nur die Gefahr von Isolation, sondern auch von ADHS betroffenen Kinder und jungen Menschen angebo- Abhängigkeit. Sind von ADHS betroffene junge Menschen ten werden sollte statt eines häufigen „Time out“. ohnehin in Gefahr, Sucht auch ohne Substanzmissbrauch zu entwickeln, so kann die Corona-Situation diese Gefahr Zusammenfassung noch verstärken. „Kinder möchten in Ruhe lernen, Lehrer in Ruhe un- Wechselunterricht terrichten“. (Biegert) Dieser Satz gilt ganz besonders unter den Belastungen Wechselunterricht bedeutet, dass eine Klasse geteilt in Corona-Zeiten. wird und abwechselnd mit der anderen Hälfte zu unter- Kinder mit ADHS und anderen sozial-emotionalen schiedlichen Zeiten unterrichtet wird. Dies kann so er- Entwicklungsstörungen sind oftmals eine Herausforde- folgen, dass die eine Gruppe in den ersten drei Stunden rung: für sich selbst, für die Klasse, die Lehrkräfte und vor unterrichtet wird, die andere in den letzten drei und dann allem auch für Eltern und Geschwister. Und während der wöchentlich gewechselt wird. Pandemie nehmen diese Herausforderungen noch zu. Allein durch die Halbierung der Lerngruppe ist es viel- Aber Kinder mit ADHS können mit ihren besonderen fach möglich, in der halben Unterrichtszeit so viel mehr zu Bedürfnissen auch eine Bereicherung zur Bewältigung der erarbeiten, wie es in der gleichen Zeit mit der ganzen Klas- Krise darstellen. Sie sind sozusagen der Seismograf, an dem se nicht möglich ist. sich die pädagogische Qualität bewähren muss. Es wird vielfach aber auch so organisiert, dass die hal- Grundsätzlich kann man sagen: Wenn sich die Schul- ben Gruppen alternierend einen Tag in der Schule sind qualität an diesen Kindern ausrichtet, steigt sie. Das bedeu- und dann wieder einen Tag zuhause digital beschult wer- tet: Wenn es Kindern mit ADHS in der Schule besser den. geht, dann geht es allen besser: den anderen Kindern Für die Kinder und auch die Lehrkräfte bedeutet dies in der Klasse, den Lehrkräften und auch den Eltern ständige vorausschauende Planung über das normale Maß und Geschwistern. Und: Wenn der Unterricht sich auf hinaus und auch einen Grad an Selbstorganisation, dem ADHS-Kinder einstellt, wird er auch für alle anderen viele Kinder mit ADHS einfach nicht gewachsen sind. Eine Kinder besser. Und das gilt vor allem auch für die Coro- schnelle Möglichkeit der Rückkoppelung mit den Lehr- na-Zeiten. kräften ist sicher hilfreich für Kinder und auch Eltern, be- deutet jedoch für alle einen erheblichen zeitlichen und or- Voraussetzung für die emotionale und soziale Entwick- ganisatorischen Aufwand. lung der von ADHS betroffenen jungen Menschen in der Corona-Krise ist, dass alle in noch stärkerem Maße eine Notbetreuung Gemeinschaft bilden. Diese Gemeinschaft übernimmt Ver- antwortung dafür, dass alle, Kinder, Lehrkräfte und Fami- Für Kinder mit ADHS und anderen emotionalen und lien profitieren und alle möglichen Hilfen und Unterstüt- sozialen Entwicklungsstörungen und für ihre Familien ist zungen ausgeschöpft werden. in jedem Fall eine Indikation für die Notbetreuung gege- Dieser Entwicklungsprozess einer Schule in der Krise ben. In Bayern gesteht dies die Staatregierung den Kindern verfolgt eine Vision von Achtung und Würde, die immer zu und ermöglicht so den Weiterbesuch einer HPT (Heil- wieder erneut angestrebt wird, auch und vor allem auch bei pädagogische Tagesstätte) und auch den entsprechenden den üblichen Widrigkeiten, mit denen Schulen zu kämpfen Förderzentren. haben, vom Personalmangel bis zu anderen Unzulänglich- Allerdings sind an die Notbetreuung besondere Bedin- keiten. Gerade, wenn sich Schulen in einer Krise befinden, gungen zu knüpfen, die nicht immer gegeben sind, nämlich ist diese Vision besonders sinnvoll, hilfreich und tröstlich. eine stabile und überschaubare Gruppenzusammenset- zung, verbindliche Abläufe und Regelungen, enge Zusam- AUTOR | Dr. phil. Edith Wölfl menarbeit mit der Lehrkraft des Kindes und vor allem kei- Frauenstraße 38, 80469 München neue AKZENTE Nr. 118 1/2021
14 Fachbeiträge ADHS Deutschland e. V. Dr. phil. Edith Wölfl Heuschen K. Werner, Nathrath Doris, Neuy-Bartmann Astrid, Wölfl Edith: ADHS und Corona Informationen zur Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivi- tätsstörung Die besonderen Schwierigkeiten von Nürnberg 2010 Kindern mit ADHS Howard Judith.A.: Distressed or Deliberately Defiant? Auswahl der zugrunde liegenden Literatur: Managing challenging student behavior due to trauma and disorganized attachment, Australian Academic Press, Alfred Adam, Eiden Stefanie, Geist Alexander, 2013 Nathrath Doris, Wölfl Edith: Lernen mit ADHS in der Schule – Wie Lehrer ihre Nathrath Doris, Wölfl Edith: Schüler unterstützen können Erfolgreicher Schulanfang mit ADHS-Kindern, Theorie ADHS-Zentrum München GmbH München 2013 und Praxis für den Unterricht in der Grundschule Neuried 2006 Abelein Philipp, Stein Roland: Förderung bei Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitäts- Papousek Mechthild, Wurmser Harald: störungen Regulationsstörungen der frühen Kindheit. Frühe Risiken Stuttgart 2017-08-27 – frühe Hilfen In Neue Akzente der Sozialpädiatrie, Wissenschaftliche Bergsson Marita, Luckfiel Heide: Tagung Oktober 2000, Kirchheim 2002 Umgang mit „schwierigen“ Kindern. Auffälliges Verhalten, Förderpläne, Handlungskonzepte Spork Peter: Gesundheit ist kein Zufall – Wie das Leben Berlin 1989 unsere Gene prägt – Die neuesten Erkenntnisse der Epi- genetik, München 2017 Biegert Hans: (HEBO-Privatschule) Zitat aus Vortrag o. D. Vuksanovic Nevena: Traumatische Erfahrungen, Stress und ADHS – Was können wir von der Neuroendokrino- Brennecke Ulrich: Entstehung von ADHS – Genetische logie lernen? Vortrag Ärztliche Akademie München Seite und epigenetische Ursachen von AD(H)S Karlsruhe 3 https://akzente.net/user_upload akzente, o.D. 2020, https:www.adxs.org/entstehung-von-adhs/ genetische-epigenetische-ursache-adhs/ Brisch Karl Heinz: Bindungsstörungen – von der Bindungstheorie zur Therapie 5. Auflage, Stuttgart 2003 Brisch Karl Heinz, Hellbrügge Theodor (HRSG.): Bindung und Trauma – Risiken und Schutzfaktoren für die Entwicklung von Kindern Stuttgart 2003 Döpfner Manfred, Schürmann Stephanie, Lehmkuhl Gerd: Wackelpeter und Trotzkopf. Hilfen bei hyperkineti- schem und oppositionellem Verhalten Weinheim 1999 Hattie John: Lernen sichtbar machen, Baltsmannsweiler 2013 Nachdruck und Vervielfältigung aller Art nur mit Genehmigung des Verbandes. neue AKZENTE Nr. 118 1/2021
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