FACHSPRACHEN STUDIEREN - Hinweise zum Ausbau der Lernkompetenz im Fachenglischen - ERHARD JUERKE

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FACHSPRACHEN STUDIEREN

Hinweise zum Ausbau der Lernkompetenz
im Fachenglischen

                    ERHARD JUERKE

                     © E. Juerke 2005
                                        1
EINLEITUNG ............................................................................................................................ 4
I. DER LERNGEGENSTAND: DIE ENGLISCHE SPRACHE ............................................... 7
   1. Englisch als Lingua Franca .......................................................................................................................... 7
   2. Allgemeinsprache ........................................................................................................................................ 10
   3. Fachsprache ................................................................................................................................................. 11
II. SPRACHKOMPETENZ...................................................................................................... 14
   4. Was beinhaltet Sprachkompetenz?............................................................................................................ 14
      4.1 Linguistische Kompetenz ........................................................................................................................ 14
      4.2. Soziolinguistische Kompetenz .............................................................................................................. 17
      4.3. Interkulturelle Kompetenz...................................................................................................................... 17
      4.4. Strategisch-rhetorische Kompetenz........................................................................................................ 18
   5. Fachsprachenkompetenz ............................................................................................................................ 20
   6. Kompetenzstufen ......................................................................................................................................... 21
III. SPRACHEN lERNEN........................................................................................................ 24
   7. Spracherwerb und Sprachenlernen ........................................................................................................... 24
   8. Lernen und Speichern................................................................................................................................. 25
   9. Die Rolle des Gehirns .................................................................................................................................. 26
   10. Learning by doing ..................................................................................................................................... 27
   11. Lernertypen ............................................................................................................................................... 28
   12. Konzepte zum Sprachenlernen ................................................................................................................ 29
   13. Lernen und Studieren ............................................................................................................................... 31
IV.FACHSPRACHENLERNEN ............................................................................................. 33
ALS MANAGEMENTPROZESS ........................................................................................... 33
   14. Merkmale ‚guter’ Lerner.......................................................................................................................... 33
     14.1 Motivation ............................................................................................................................................. 34
     14.2 Zieldefinition......................................................................................................................................... 35
     14.3 Effektivität............................................................................................................................................. 36
     14.4 Effizienz ................................................................................................................................................ 38
     14.5 Controlling ............................................................................................................................................ 39
   15. Die Funktion von Lehrveranstaltungen .................................................................................................. 40
   16. Hilfsmittel................................................................................................................................................... 42
     16.1.Wörterbücher......................................................................................................................................... 43
     16.2. Grammatiken....................................................................................................................................... 45
     16.3 Materialien zum Selbstlernen............................................................................................................... 45
V. REPERTOIRETRAINING: ZU BREITEREN VOKABULAR UND GRAMMATIK-
GRUNDLAGEN ...................................................................................................................... 48
   17. Vokabular .................................................................................................................................................. 48
     17.1. Vokabeltypen ....................................................................................................................................... 48
     17.2. Wortschatzausbau................................................................................................................................. 50
   18. Die Funktionen von Grammatik .............................................................................................................. 54
     18.1. Grammatiktypen................................................................................................................................... 55
     18.2 Grammatikkompetenz ........................................................................................................................... 56

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VI. FERTIGKEITSTRAINING: ZU EINER SICHEREN ANWENDUNG VON SPRACHE
.................................................................................................................................................. 59
   19. Gesprochene Sprache und Schriftsprache .............................................................................................. 59
     19.1. Gesprochene Sprache ........................................................................................................................... 60
     19.2.Schriftsprache........................................................................................................................................ 62
   20. Rezeptive und Produktive Fertigkeiten................................................................................................... 63
   21. Leseverstehen............................................................................................................................................ 64
   22. Hörverstehen.............................................................................................................................................. 67
   23. Sprechen..................................................................................................................................................... 68
   24. Schreiben.................................................................................................................................................... 70
STATT EINER ZUSAMMENFASSUNG............................................................................... 75
ANHÄNGE .............................................................................................................................. 79
ANMERKUNGEN................................................................................................................... 86

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EINLEITUNG

Dieser Text ist zunächst das Ergebnis der Beobachtung, dass bei einer beträchtlichen Zahl von
Sprachenlernern ein deutliches Missverhältnis von Aufwand und Ertrag existiert, dass die
angestrebten Ziele nur begrenzt erreicht werden. Erhebliche Inputs in Form von Zeit, Energie
oder auch Nerven führen zu unbefriedigenden Noten beziehungsweise nicht zu der erwarteten
Sprachkompetenz.

Für den Ausbau der Sprachfertigkeiten in einzelnen Bereichen haben sich eine Reihe von
Rezepten in der Vergangenheit bewährt und mit diesen lassen sich durchaus auch wichtige
Fortschritte erreichen. Solche Techniken für die Beschäftigung mit Vokabular, Grammatik
sowie für den Ausbau grundlegender Fertigkeiten werden in den Kapitel V und VI
beschrieben. Diese sind häufig kurzfristig wirksam, d.h., wer gezielte und unmittelbare
Fortschritte abstrebt, der sollte sich zunächst auf diese Abschnitte konzentrieren.

Die folgenden Ausführungen basieren auf           langjährigen Erfahrungen in der Lehre
unterschiedlicher Fachsprachen und der dabei gefestigten Annahme, dass ein bewusstes,
selbstverantwortliches Lernen langfristig noch weitaus effektiver und erfolgreicher sein kann,
dass auf dieser Basis eine grundlegende Fachsprachen-Lernkompetenz entwickelt werden
kann.

Ein solches Lernen, in der Literatur auch als autonomes, selbstbestimmtes oder
selbstgesteuertes Lernen bezeichnet 1 setzt Ziele und übernimmt Verantwortung für das
Erreichen dieser Ziele. In diesem Zusammenhang können die Rezepte durchaus eine wichtige
Rolle spielen. Dabei wird zunächst davon ausgegangen, dass jeder Lerner über ein ganz
spezifisches Profil verfügt und demzufolge zwischen den Lernenden beträchtliche
Unterschiede existieren.
 Unterschiede etwa im Hinblick auf
    - Motivation,
    - Zielsetzungen
    - Vorkenntnisse
    - Lernerfahrungen und Lernkompetenzen
    - Speicher- und Verarbeitungsfertigkeiten

In Lehrveranstaltungen kommen mithin viele verschiedene Lernpersönlichkeiten und
Lerntypen zusammen. Man kann wohl davon ausgehen, dass in kaum einem anderen Bereich
die Vorkenntnisse so stark variieren wie in einer typischen fachsprachlichen
Lehrveranstaltung. Dort wird allerdings von vielen überwiegend reaktiv gelernt, in dem die
Anweisungen und Anleitungen von Dozenten und/oder Lehrbüchern befolgt werden Ein
derartiges reaktives Lernen kann schon deshalb nicht völlig effektiv sein, weil die besonderen
Lernbedingungen der Teilnehmer weitgehend ausgeklammert bleiben.

Lehrveranstaltungen enthalten andererseits für nahezu alle Teilnehmer wichtige Angebote für
den Ausbau ihrer Sprachkompetenz, die am wirkungsvollsten sind, wenn sie gezielt für den
jeweiligen Kontext genutzt werden. Lernen ist immer dann langfristig am erfolgreichsten,
wenn es von den Lernenden weitgehend selbst gesteuert wird, es ist effektiv, weil die jeweils
besonderen Voraussetzungen die Grundlage des Lernprozesses bilden. Selbstverantwortliches

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Lernen erwächst aus dem Bewusstsein dieser Bedingungen und hat daher besondere
Bedeutung im Hochschulbereich, so etwa für das Studium von Fachsprachen.
Für fachsprachliche Lehrveranstaltungen steht zumeist nur eine äußerst begrenzte
Stundenzahl zur Verfügung, die Lerngruppen sind häufig sehr groß, außerdem liegt zumeist
eine beträchtliche Zeitspanne zwischen der Teilnahme an der Lehrveranstaltung und der
Berufspraxis. Dort können dementsprechend nur Grundlagen im Hinblick auf Kenntnisse,
Fertigkeiten und Methodenkompetenz gelegt werden, entsprechend hat selbstverantwortliches
Lernen im Hochschulbereich einen solch hohen Stellenwert.

In einem dynamischen Umfeld ist die Aneignung von Wissen nur von relativer Bedeutung,
bildet demgegenüber Methodenkompetenz eine entscheidende Qualifikation. Wohl nahezu
jeder, der sich in der Studiumsphase mit Fachsprachen beschäftigt, kann heute davon
ausgehen, dass im Zuge der Berufstätigkeit wiederholt die Notwendigkeit zur Erweiterung der
Fremdsprachenkenntnisse auftreten wird. Eine Fachsprachen-Lernkompetenz ist damit nicht
nur im Hinblick auf unmittelbare Lernergebnisse und Noten ein erstrebenswertes Ziel,
sondern auch mit Blick auf Aktualisierungen des Gelernten und zukünftige fremdsprachliche
Lernanforderungen angesichts der wachsenden Bedeutung des lifelong-learning. Wer also
bereits im Studium seine Fähigkeiten im effektiven Sprachenlernen entwickelt hat, dem wird
dies in späteren Phasen des Berufslebens zugute kommen.

In jeder Phase des lebenslangen Lernprozesses sind Entscheidungen zu treffen, die auf
bestimmten Kenntnisgrundlagen über den Lerngegenstand und Lernmethoden aufbauen
sollten. Selbstverantwortliches Lernen basiert neben einem Bewusstsein der individuellen
Lernsituation auf einem Bewusstsein und Kenntnissen:
    - der Wesenselemente von Sprache
    - der Besonderheiten des Lerngegenstandes Fachsprache
    - der mit dem Lerngegenstand verbundenen Kompetenzbereiche und Kompetenzebenen
    - der Bedingungen von Lernen
    - von Lernrezepten und Lernmitteln

Das vordringliche Ziel dieses Textes ist es, derartige Grundlagen für den Ausbau einer
fachsprachlichen Lernkompetenz in knapper Form bereitzustellen.
Im Kapitel I werden zunächst die Bedeutung der englischen Sprache als dem zentralen
internationalen Kommunikationsmedium beschrieben und danach die Beziehungen zwischen
Allgemeinsprache und Fachsprache behandelt Das Kapitel II beschäftigt sich mit den
unterschiedlichen Elementen von Sprachkompetenz. Es soll einem unangemessenen, da rein
mechanischen, Verständnis vom Fremdsprachenlernen entgegenwirken, indem es den Blick
für Wesenselemente, Beziehungen und Gesetzmäßigkeiten des komplexen Gegenstandes
Sprache schärft. Ein vordringliches Ziel dieser Darstellungen der Organisations- und
Verwendungsprinzipien von Sprache ist der Ausbau einer Sensibilität für Fachsprache, mit
der die Integration neuer Erfahrungen und Lernelemente erleichtert werden kann.2

Lehren bedeutet dabei letztlich nur, Angebote zu machen, Stoff bereitzustellen, über
Techniken zu informieren, ein Feedback zu geben, es liegt dann in der Verantwortung des
Lernenden, auf der Grundlage dieser Angebote seine Kompetenzen zu erweitern, eben zu
lernen. Hierfür existiert eine Reihe von – durchaus steuerbaren - Einflussfaktoren, die im
Kapitel III beschrieben werden

Fachsprache und Allgemeinsprache sind vom Sachzusammenhang her ebenso wenig zu
trennen wie Sprachenlernen und allgemeines Lernen. Dementsprechend werden, wo dies
sinnvoll war, auch die Allgemeinsprachen und allgemeinere, nicht unmittelbar auf Sprachen
                                                                                         5
gerichtete, Aspekte von Lernen berücksichtigt, sofern Sie einen nützlichen Rahmen für
spezifische Hinweise darstellen. Diese folgen dann in den Kapiteln IV bis VI.

Einige Elemente des hier verfolgten Ansatzes mögen bisweilen recht konventionell
erscheinen. Wenn das Bessere der Feind des Guten ist, dann kann das darin liegen, dass bisher
noch keine überzeugenderen Konzepte vorliegen. In letzter Instanz misst sich Lernerfolg an
den Fortschritten des einzelnen Lernenden, die Methoden für diesen Weg können nur nach
dem Kriterium der Nützlichkeit eingeordnet werden, und nicht immer werden insbesondere
neue Medien trotz enormer visueller Möglichkeiten diesem Anspruch gerecht.

Mittlerweile beträgt die Zahl der Studierenden, die Englisch als Nebenfach zur Aneignung
von Kommunikationskompetenzen in ihrem Hauptfach belegen ein Vielfaches derjenigen, die
Anglistik oder Amerikanistik als Kultursprachen studieren. Diesem Trend soll hier Rechnung
getragen werden. Die wesentliche Zielgruppe dieses Textes bilden Studierende der
Fachsprache Wirtschaftsenglisch, aber viele Aspekte sollten auch für Lerner anderer
Fachsprachen sowie Lernende außerhalb des Hochschulsektors von Relevanz sein . So wie es
beim Fachsprachenlernen verschiedene Zielsetzungen gibt, sollte auch die Lektüre dieses
Textes auf der Basis unterschiedlicher Interessen erfolgen. Entsprechend können einzelne
Abschnitte auf der Suche nach Rezepten durchgesehen werden. Außerdem können für eine
Orientierung auf Anregungen und die Kerninhalte die nummerierten Anmerkungen ignoriert
werden. Diese richten sich in erster Linie an Leser mit besonderen sprachlichen Interessen, sie
sollen zunächst ,wo dies geboten schien, Aussagen und Zitate belegen, darüber hinaus finden
sich dort Hinweise zur weiterführenden Lektüre im Bereich der Sprachwissenschaft.

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I. DER LERNGEGENSTAND: DIE ENGLISCHE
SPRACHE

1. Englisch als Lingua Franca

Zu den Besonderheiten der englischen Sprache gehört, dass sie zu schätzungsweise 80% von
Nichtmuttersprachlern für Kommunikationszwecke verwendet wird, sei es für allgemeine
oder fachspezifische Zwecke. Wohl jeder hat dieses Phänomen bereits erfahren. Beim
Zusammenschluss einer deutschen und französischen Firma wird Englisch bei Aventis zur
Firmensprache. In der Zentrale der deutschen Bank kommt es häufiger vor, dass die
Führungskräfte auch dann auf Englisch weiter reden, wenn jeder Nichtdeutsche längst das
Zimmer verlassen hat. Internationale Veranstaltungen, wie etwa Kongresse, werden in aller
Regel auf Englisch abgehalten         Das Internet ist zu einem erheblichen Teil ein
englischsprachiges Medium, Fernsehsender wie CNN werden auf der ganzen Welt als
Informationsquelle benutzt, in internationalen Organisationen ist Englisch die einzige oder
zumindest erste Sprache. Das gleiche gilt für wissenschaftliche Publikationen, von denen
international bereits etwa 90% auf Englisch sind.3

In etwa vergleichbar nur mit der Bedeutung der Lateinischen Sprache in der Antike ist
Englisch heute zu einer Art Universalsprache, zur Lingua Franca, geworden, noch nie war
eine Sprache auf der Welt so verbreitet wie Englisch. Deshalb werden neben Lingua Franca
auch Bezeichnungen wie Global English oder English as an International Language
verwendet.

Die Fähigkeit zur Kommunikation in der englischen Sprache nimmt dabei international
zunehmend den Charakter einer allgemeinen Kulturtechnik an, die man beherrschen muss,
wenn man im Beruf bestehen will4 und die daher in den Fachsprachen von besonderer
Bedeutung ist. Studien führen zu der Prognose, dass um 2015 die halbe Menschheit in der
Lage sein wird, auf English zu kommunizieren. Ob sich die beschriebene Entwicklung danach
ungebrochen in der Zukunft fortsetzen wird, ist offen. Aber selbst wenn Sprachen wie etwa
Mandarin an Bedeutung gewinnen sollten, kann man wohl davon ausgehen, dass die Funktion
des Englischen als Lingua Franca auf absehbare Zeit erhalten bleiben wird.

Gemeinhin geht man bei der Betrachtung der englischen Sprache von drei Sprachkreisen aus:
  - der innere Kreis umfasst die Länder, in denen Englisch als Muttersprache von der
      Mehrzahl der Bevölkerung gesprochen wird, also insbesondere Großbritannien, die
      USA , Kanada, Australien und Neuseeland. Ca. 350 Millionen Menschen sprechen
      Englisch heute als Muttersprache.

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-   der zweite Kreis bezieht sich auf Länder, in denen Englisch einen mehr oder weniger
       offiziellen Status als Zweit- und Verwaltungssprache hat, also insbesondere die
       ehemaligen englischen Kolonien wie Indien, Singapore, Nigeria oder Südafrika. Zu
       diesem Kreis gehören derzeit etwa 1,5 Milliarden Menschen.
   -   der äußere Kreis umfasst Länder, in denen einem erheblichen Teil der Bevölkerung im
       Bildungssystem Englischkenntnisse vermittelt werden, die dann in verschiedenen
       Situationen im In- und Ausland genutzt werden. Nur wenige Länder werden sich in
       den kommenden Jahrzehnten von der Teilhabe an diesem Prozess ausschließen
       können.

Was sind die Konsequenzen, wenn sich der überwiegende Teil der Verwendung einer Sprache
in diesem äußeren Kreis vollzieht? Eine solche Lingua Franca existiert nahezu ausschließlich
auf einer funktionalen Ebene,           sie ist jedoch nicht in den unmittelbaren
Lebenszusammenhängen verwurzelt wie eine Muttersprache und bringt dementsprechend
wohl eine gewisse Angleichung in den Denkmustern, aber keine Kultur im engeren Sinne
hervor. Das bedeutet nun keineswegs, dass sie keine Dynamik besitzt. Auf der gegenwärtigen
Stufe bleiben allerdings Aussagen zur Entwicklung des Englischen als Lingua Franca
weitgehend spekulativ. Es zeichnet sich ab, dass in der Praxis im Streben nach einer
gemeinsamen Kommunikationsgrundlage eine weitere Vereinfachung stattfinden wird, die
Prognosen der Linguisten reichen vom allmählichen Verschwinden des ‚th’ in der
Aussprache bis zum weitgehenden Verzicht auf Artikel vor Nomen.5 Ob sich diese Sprache
allerdings als ‚bad simple English’ angemessen bezeichnen lässt, wie dies in einem Bericht
des SPIEGEL zur Sprachpraxis im Europaparlament6          gefolgert wird, ist zweifelhaft. Ein
Verständnis der Lingua Franca als defizitäre Version der muttersprachlichen Variante ist
sicher nicht angemessen. Zudem hat Ihr Entwicklungsprozess erst vor relativ kurzer Zeit
begonnen und bisher haben sich differenzierte Gesetzmäßigkeiten noch kaum ausprägen
können. Richtig ist aber wohl auch, dass die englische Sprache für ihre internationale
Funktion auch deshalb besonders geeignet ist, weil sie auf einer eher elementar-funktionalen
Ebene mit ihren überschaubaren Grundregeln zur Grammatik relativ leicht zu handhaben ist,
dafür aber erst auf den höheren Sprachebenen recht komplex wird..

Unzweifelhaft ist jedoch wohl, dass die Unterschiede zwischen dem dritten Kreis und dem
ersten zunehmend wachsen werden. Entsprechend wird vermutlich auch die Differenz etwa
zwischen den Englischkursen auf der gymnasialen Oberstufe und einem Fachenglischstudium
weiter zunehmen. Nach wie vor ist eine philologische, überwiegend auf literarischen Werken
und teilweise auch Landeskunde basierende, Beschäftigung mit der englischen Sprache
interessant und genauso spannend wie die Beschäftigung etwa mit der französischen oder
italienischen Sprache, dies geschieht in den philologischen Studiengängen wie Anglistik oder
Amerikanistik und nach wie vor ist dies der Schwerpunkt in der deutschen gymnasialen
Oberstufe. Allerdings stellt sich die Frage, welche Ziele damit angestrebt werden und
inwieweit eine solche Vorgehensweise tatsächlich zu einer kommunikativen Kompetenz auf
der internationalen Ebene beiträgt.

Eine Orientierung auf Englisch als Lingua Franca impliziert u.a. auch, dass sämtliche
Varianten der Lingua Franca, also etwa spanisches oder deutsches Englisch mit den jeweils
typischen Interferenzen den gleichen Stellenwert besitzen wie asiatische oder gar britische
oder amerikanische Varianten des Englischen. Authentisch ist dann demzufolge nicht mehr
ausschließlich der Sprachgebrauch von Angehörigen des ersten Kreises, die Bedeutung von
Muttersprachlern mit ihrem sogenannten idiomatischen Sprachgebrauch wird damit stark
relativiert. In vielen neueren Lehrwerken für den praxisorientierten Englischunterricht ist
diese Erkenntnis bereits berücksichtigt, denn das ohnehin für die meisten Lerner völlig
                                                                                            8
unerreichbare Ziel ist dann nicht mehr eine muttersprachliche Sprachkompetenz, sondern die
Fähigkeit zur angemessenen und möglichst differenzierten Kommunikation im internationalen
Rahmen. Dabei ist die Umsetzung dieser Zielverschiebung durchaus auch eine erhebliche
Herausforderung für die Fachsprachenlehre.

In der Fachdiskussion geht man mittlerweile davon aus, dass Muttersprachler, native
speakers, in diesen Kommunikationszusammenhängen möglicherweise sogar benachteiligt
sind, fehlt ihnen doch in der Regel die Erfahrung des Sprachenlernens und damit ein
Bewusstsein für wichtige Elemente interkultureller Kommunikation. So wird die Tatsache,
dass etwa zwei Drittel der Briten über keine Fremdsprachenkenntnisse verfügen, im Land
selbst als zunehmend problematisch gesehen.7 Jedenfalls ist im Zuge der Globalisierung das
Interesse an Fremdsprachen in den Ländern des ersten Kreises deutlich zurückgegangen. Und
außerdem sind die typischen Insidercodes einer Sprache, die für das Bewusstsein nationaler
Gemeinsamkeiten wichtig sein mögen, in einer Lingua Franca alles andere als funktional.
Insofern ist auch die Bedeutung von Muttersprachlern in der englischen Sprachausbildung im
Rahmen einer Neuorientierung auf English als Lingua Franca einer kritischen Betrachtung zu
unterziehen. 8

Andererseits bleiben die Wörterbücher und Grammatiken, in denen die praktizierte Sprache
der Muttersprachler abgebildet wird, weiterhin die zentralen Quellen für die Normen der
englischen Sprache, auch in ihrer Funktion als Lingua Franca. Noch befindet sich der Prozess
der Herausbildung einer Universalsprache auf einer relativ frühen Stufe, noch gibt es keine
speziellen Grammatiken und Wörterbücher für Englisch als Lingua Franca.
Für die Sprachwissenschaft stellen sich damit eine Reihe von Aufgaben, insbesondere eine
präzisere Beschreibung der Differenzen zwischen Englisch als Muttersprache und als Lingua
Franca sowie, darauf aufbauend, die Entwicklung eines spezifischen Regelwerkes für die
Universalsprache. Solange dies nicht erreicht ist, werden die bestehenden Grammatiken
weiterhin ihre normsetzende Funktion behalten werden, wobei allerdings im äußeren Kreis
der Sprachgebrauch sich auf weniger komplexen Ebenen bewegen wird und die Toleranz
gegenüber Normabweichungen, also Verstößen gegen die Regeln der Sprache, in der Praxis
größer sein wird als in den anderen Kreisen. Englisch als Lingua Franca ist ein
außerordentlich diverses internationales Kommunikationsmedium mit einer Vielzahl von
Varianten und einem entsprechend relativ kleinen gemeinsamen Nenner. Für die Lernenden
weltweit folgt daraus: Ohne Normen kann es keine funktionierende Kommunikation geben,
aber die Angst, Fehler in der Fremdsprache zu machen, ist zu einem beträchtlichen Teil
unbegründet, da in der Praxis die Inhalte entscheidend sein werden und Normen nur eine
dienende Funktion für einen reibungslosen Informationsaustausch haben.

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2. Allgemeinsprache

Plansprachen wie das Esperanto bilden die wohl einzigen und auch nicht besonders
erfolgreichen Ausnahmen. Alle gewachsenen Sprachen sind nicht nach den Regeln der Logik
konstruiert worden, sie enthalten durchaus systematische Teile, aber eben auch zahlreiche
Ausnahmen und in der jahrhundertelangen               historischen Entwicklung gewachsene
Besonderheiten. Dementsprechend schwierig ist es, das Phänomen Sprache zu beschreiben.
Die unterschiedlichen Definitionsansätze in den linguistischen Literatur widerspiegeln diese
Komplexität des Gegenstandes.
Richards/Rogers9 identifizieren 3 wesentliche Beschreibungsansätze
        1. Das strukturell orientierte Verständnis sieht Sprache als ein System
            zusammenhängender Elemente zur Beschreibung von Inhalten, mit lexikalischen,
           grammatikalischen und phonologischen, die Aussprache und Intonation
           betreffenden, Bestandteilen..
        2. Im funktionalen Verständnis ist Sprache das zentrale, wenn auch nicht das einzige,
           menschliche Kommunikationsmedium im sozialen Raum. Im Vordergrund steht
           der Einsatz von Sprache zur Vermittlung von Informationen und zum Erreichen
           bestimmter Absichten.
        3. Das interaktive Verständnis sieht Sprache in ihrer Kommunikationsfunktion für
           die gemeinsamen Steuerung von Beziehungen und Verständigung zwischen
           Individuen Hier geht es um Kommunikation als einem Prozess, der von den
           Kommunikationspartnern im Beziehungsgeflecht von Sender, Botschaft und
           Empfänger in Gang gehalten wird. Dies erfordert Strukturen, Inhalte und
           Absichten, insofern sind die beiden anderen Ansätze hier impliziert.

Diese Ansätze verweisen auf weitere wichtige Merkmale von Sprache. Ohne gemeinsame
Regeln für Sender und Empfänger von Botschaften ist keine Verständigung vorstellbar,
deshalb bedarf Sprache als Kommunikationsbasis einer Vielfalt von Normen, also Regeln
zum Gebrauch von Wörtern, über ihre Zusammensetzung zu Aussagen, über die Selektion
zum Ausdruck bestimmter Ziele und Absichten. Auf einer funktional technischen Ebene
gewährleistet Sprache so allgemein den Informationsaustausch, ohne den ein Zusammenleben
bzw. Zusammenarbeiten nicht vorstellbar wäre. Als solche nimmt eine Sprache auch Teil an
der Entwicklung der Gesamtgesellschaft. Für eine Lingua Franca gilt dies entsprechend, nur
wirkt diese eben auf der globalen Ebene. Eine lebende Sprache befindet sich in einem
ständigen kreativen Entwicklungsprozess, neue Wörter kommen hinzu, andere verlieren ihre
Funktion, neue Fachsprachen entstehen, Normen werden aufgeweicht oder variiert. All dies
trägt zur Komplexität des Phänomens Sprache bei.

Sprache entfaltet als Teilbereich des allgemeinen Handelns Wirkungen in bestimmten
gesellschaftlichen Situationen und Konstellationen. Mit der richtigen Auswahl von
Sprachelementen kann man sich, sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene, von
anderen abheben, kann man Machtverhältnisse ordnen, kann man Mitmenschen
diskriminieren, ausgrenzen oder auch integrieren. Der Beitrag zur Schaffung einer
Identitätsbasis kann als eine weitere Funktion von Sprache angesehen werden. Man kann
wohl davon ausgehen, dass auch Englisch als Lingua Franca in gewisser Weise eine solche
                                                                                      10
identitätsstiftende Funktion einnimmt, aus ihrer Funktion als Kommunikationsgrundlage für
die Teilnehmer am Prozess der Globalisierung. „Speaking the lingua franca separates the
haves from the have-nots”, hat das Wirtschaftsmagazin Business Week diese Funktion
formuliert.10

3. Fachsprache

Die oben angeführten Beschreibungsansätze spielen auch in den Fachsprachen eine, wenn
auch unterschiedlich relevante, Rolle , wenn es um die Rolle von Sprache in spezifischen
Bereichen, in der Fachliteratur Domänen genannt, geht.

Sprache wird immer im Kontext spezifischer Situationen in bestimmten Lebensbereichen
realisiert, in denen jeweils ganz unterschiedliche Funktionen, Themen und Texte im
Vordergrund stehen. Dafür ist die Allgemeinsprache mit ihren Kompetenzanforderungen
weiterhin unverzichtbar, in den Fachsprachen werden diese allgemeinen Elemente mit den
Spezifika eines ganz bestimmten Bereiches verbunden sowie entsprechend dann in
Lernprogrammen und Lehrwerken beschrieben und systematisiert. Allerdings sind die
Grenzen zwischen Allgemeinsprache und Fachsprachen zunehmend schwieriger zu
beschreiben, insbesondere im Hinblick auf eine Ausrichtung der Allgemeinsprache für
generelle berufliche Zwecke .

Letztlich existieren so viele Fachsprachen, wie es Lebens- und Berufsbereiche gibt. Nur
wenige werden freilich systematisch erfasst, mit speziellen Wörterbüchern, Lehrwerken und
Lehrangeboten. Hierzu gehören insbesondere die Fachsprachen Technik, IT, und vor allem
Wirtschaft. Diese nehmen im Spektrum des Fachgebietes eine zunehmend wichtige, aber
letztlich doch ‚dienende’ Funktion, wahr indem sie die Kommunikation in der jeweiligen
Domäne gewährleisten.

Für die Beschreibung von Fachsprachen sind drei Bestandteile von besonderer Bedeutung11

- Fachterminologie
Erfolgreiche Kommunikation erfordert in jedem Falle zunächst ein möglichst umfangreiches
Fachvokabular, da jede Fachkommunikation zunächst durch die Verwendung spezifischer
Begriffe gekennzeichnet ist. Diese sind häufig für Fachfremde schwer verständlich,
gewährleisten aber die präzise Verständigung der ‚Fachleute’. Häufig handelt es sich dabei
um Begriffe mit hohem, genau bezeichneten, Informationsgehalt, aber diese sind eingebunden
in Wendungen und Wortverbindungen, sogenannte Kollokationen, und ihre Verwendung
vollzieht sich im Rahmen des Regelsystems der Allgemeinsprache

-Fachtexte
Der Begriff Text wird hier im weitesten Sinne verstanden als aus mehreren Sätzen bestehende
mündliche oder schriftliche Spracheinheiten mit erkennbaren Besonderheiten und einem
bestimmten Zweck. Hier geht es dementsprechend um die Beschreibung und Klassifikation
fachsprachentypischer Textsorten mit den dazugehörigen Regeln und Konventionen, im
Wirtschaftsbereich etwa Korrespondenz, Berichte oder Präsentationen, im technischen
Bereich insbesondere Beschreibungen und Anleitungen.

                                                                                          11
-Fachfunktionen
In jedem Fall impliziert die Orientierung auf einen bestimmten Bereich einen engen
Praxisbezug und es ist diese, auf einen bestimmten Zweck orientierte, Ausrichtung, die ein
wichtiges Element von Fachsprachen darstellt, mit einem Verständnis von Sprache als
Kommunikationsmedium und dem Ziel der sprachlich funktionalen Vermittlung on
Intentionen und Informationen in fachbezogenen Situationen und Konstellationen. Mit der
Fachsprache sollen bestimmte Absichten und Ziele umgesetzt werden, sie bildet die
Kommunikationsbasis für die in dem jeweiligen Bereich tätigen Menschen.

Im technischen Englisch und im IT-Englisch spielt dabei die rezeptive Beschäftigung mit
schriftlichen Texten, Anleitungen und Beschreibungen, sicherlich die größte Rolle. Das
Verfassen von Texten, auch die schriftliche und mündliche Interaktion ist in der Regel
weniger wichtig für die Berufspraxis. Demgegenüber enthält der Begriff ‚funktionale
Bewältigung’ in den Wirtschaftssprachen auch den Aspekt des angemessenen
Sprachgebrauchs in der Interaktion.. Hier kann die affektive Seite von Kommunikation, also
emotionale Aspekte, äußerst wichtig sein kann . Der Sprachgebrauch wird hier von der
Beziehungsebene, von den sozialen Rollen, in besonderer Weise beeinflusst.

Generell ist wohl richtig, dass aus verschiedenen Gründen für das Erlernen von Fachsprachen
sehr viel weniger Zeit zur Verfügung steht als etwa im schulischen Bereich zum Erlernen der
Allgemeinsprache. Es ist also auf der Basis eines allgemeinsprachlichen Grundrepertoires
möglich, sich konsequent auf relevante Bereiche zu orientieren, das bedeutet, dass
fachspezifische Situationen und Bereiche identifiziert werden, denen bestimmte Fertigkeiten
zugeordnet werden können, die sich dann so praxisorientiert wie möglich trainieren lassen.
Fachsprachen bieten unterschiedliche Ansätze für praxisbezogene Differenzierungen.

Dies kann etwa im Hinblick auf bestimmte Funktionsbereiche geschehen. In der bekannten
Reihe Business Management English12 finden sich etwa Lehrbücher zu Marketing, Finance,
Production and Operations sowie Personnel, dazu im allgemeinen Programm noch
Lehrwerke für Sekretärinnen und für den Bankenbereich.

Ein andere Differenzierung orientiert sich auf Kommunikationsbereiche, denen jeweils
relevante Kompetenzen und Teilfertigkeiten zugeordnet werden können.
Für die Fachsprache Wirtschaft sehen Ellis /Johnson13
eine Reihe solcher Bereiche (performance areas):
    - Sitzungen und Besprechungen (meetings and discussions)
    - Informationen geben, Berichte verfassen, Präsentieren (giving information)
    - Telefonieren (telephoning)
    - Korrespondenz (Business correspondence)
    - Geselligkeit (socialising)

Auf dieser Grundlage beschreiben die Autoren14 die spezifischen funktional-sprachlichen
Anforderungen an verschiedene Berufskategorien
   - Manager in leitenden Funktionen sollten u.a. in der Lage sein, Sitzungen zu leiten,
      formale Präsentationen zu geben und sowohl bei formalen als auch bei geselligen
      Anlässen zu kommunizieren
   - im mittleren und unteren Management wird eher die Beteiligung an Sitzungen and die
       Fähigkeit zu informelleren Präsentationen erwartet, dazu insbesondere Kompetenzen
      im Telefonieren und Verfassen von Berichten
                                                                                        12
-   Für Techniker und Ingenieure spielen Kompetenzen im Bereich der Geselligkeit eine
       geringere Rolle, dafür sind Präsentationen und die Beschäftigung mit Beschreibungen
        von großer Bedeutung.
   -   Für Sekretärinnen und Verwaltungsangestellte sind insbesondere Telefon- und
        Korrespondenzkompetenzen wichtig, bei Sitzungen werden sie häufig als
       Protokollführer fungieren, die Informationsvermittlung vollzieht sich in begrenzten
       Bereichen.

Im Hinblick auf alle beschriebenen Differenzierungen von Fachsprachen ist noch einmal
hervorzuheben , dass eine Trennung von Allgemeinsprache und Fachsprache künstlich wäre
und zudem dem Praxisanspruch widersprechen würde.

                                                                                       13
II. SPRACHKOMPETENZ

4. Was beinhaltet Sprachkompetenz?

Was bedeutet es, wenn man von einer Person sagt, dass sie eine oder mehrere Fremdsprachen,
eventuell gar fließend, beherrscht? Festzuhalten bleibt zunächst, dass sich diese Kompetenz
auf Handeln, auf die praktische Anwendung, bezieht. Ohne Kenntnisse und Wissen ist
Sprache nicht vorstellbar, eine sogenannte lebende Sprache realisiert sich jedoch immer erst
im Gebrauch dieser Kenntnisse. Diese Anwendungsfertigkeiten sind das wesentliche Element
von Sprachkompetenz, ohne sie haben alle Kenntnisse über eine Sprache eben nur einen sehr
begrenzten praktischen Wert. Dies gilt natürlich für Fachsprachen in ganz besonderer Weise.

In der Regel wird diese Fähigkeit zur bewussten und gezielten Anwendung sprachlicher
Mittel als ‚Kommunikative Kompetenz’15 und der damit verbundene, auch hier im
Vordergrund stehende, als der kommunikative oder funktionale Ansatz bezeichnet.
Dabei wird dieser Begriff hier so weit gefasst, dass er die oben beschriebenen Verständnisse
von Sprache integriert, und neben der inhaltlichen Funktion auch Interaktion und die
strukturellen Sprachelemente einschließt. Kommunikative Kompetenz bezeichnet dann
umfassend die Fähigkeit zur funktionalen und angemessenen Bewältigung sprachlicher
Anforderungen in spezifischen Kontexten. Kurz: Kommunikative Kompetenz ist die
Fähigkeit zum Handeln mit sprachlichen Mitteln. Als solcher enthält der Begriff mehrere
Teilkompetenzen:
        - Linguistische Kompetenz
        - Soziolinguistische Kompetenz
        - Interkulturelle Kompetenz
        - Strategisch-rhetorische Kompetenz.

Das Wesen von Sprachkompetenz besteht darin, dass eine Vielzahl von Einzelelementen nach
bestimmten Regeln situationsangemessen gezielt eingesetzt werden kann. Von fließender
Sprachbeherrschung kann man also dann sprechen, wenn eine Person zu problemlosen
sprachlichen Handeln in der Lage ist.

4.1 Linguistische Kompetenz

Für die mehr oder weniger sichere Beherrschung einer Sprache sind zunächst einmal
Kenntnisse erforderlich, Kenntnisse insbesondere der Grammatik und des Vokabulars im
                                                                                  14
Sinne eines potentiellen Reservoirs, aus dem man für die Sprachpraxis schöpfen kann. Diese
Vokabeln und Regeln müssen gespeichert und gelernt werden, so wie Stoff in anderen
Themenfeldern auch gelernt werden muss. Dies ist das Repertoire, aus dem die Elemente
gezielt für Sprachäußerungen entnommen werden können, dabei sind beim Vokabular auch
die Aussprache und die Rechtschreibung eingeschlossen. Aber derartige Kenntnisse, so
wichtig sie als Gegenstand von Prüfungen sein mögen, sind noch keineswegs gleichzusetzen
mit Sprachkompetenz. Praktische Sprachbeherrschung heißt, eine Sprache sowohl zu
‚kennen’ als auch zu ‚können’. Der Engländer Christopher Taylor, der als sogenannter
‚Savant’ über eine sogenannte ‚Inselbegabung’ im Speichern von Informationen verfügt, hat
sich das Vokabular von mehr als 20 Sprachen bis zu einer Wortschatzbreite von
Muttersprachlern angeeignet – aber es gelingt ihm nicht, diese Vokabeln korrekt und
angemessen in Zusammenhänge zu integrieren, er kann sie nicht als Sprache anwenden.16
Genauso wenig nützlich sind Grammatikkenntnisse, die sich in der mehr oder weniger
erfolgreichen Bewältigung von Übungen erschöpfen, aber nicht für den Anwendungsbereich
aktiviert werden können. Metaphorisch gesehen, bildet das Vokabular die Bausteine und die
Grammatik den Bauplan für das ‚Sprachgebäude’, aber zwischen dem bloßen Vorhandensein
dieser Elemente und der funktionellen Nutzung existiert eine beträchtliche Kluft.

Das Repertoire bildet ein Potential, das in vielfältiger Weise in unterschiedlichen Situationen
genutzt werden kann. Linguistische Kompetenz ist damit die Kenntnis der formalen Mittel
von Sprache und die Fähigkeit, diese einzusetzen. Sie impliziert damit mindestens die
folgenden Teilkompetenzen:
    - Lexikalische Kompetenz im Hinblich auf Bedeutung (Semantik) Aussprache
       (Phonologie) und Rechtschreibung (Orthographie)
    - Grammatikalische Kompetenz im Hinblick auf die Bildung von Wörtern
       (Morphologie) und die Anordnung von Wörtern (Syntax)

Die praktische Sprachverwendung wird in 4 Fertigkeitsbereiche, die sogenannten four skills,
differenziert und häufig auch separat geprüft , diese basieren auf der Anwendung des
gelernten lexikalisch, grammatikalischen und wirkungsbezogenen Repertoires beim Hören
,Lesen, Schreiben und Sprechen in situativen Zusammenhängen. Die wesentlichen
qualitativen Aspekte der linguistischer Kompetenzen sind Korrektheit und Präzision

Korrektheit
Schon seit längerem hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die bei der Anwendung des
Repertoires die Komplexität von Sprache nicht angemessen mit dem simplen Gegensatzpaar
‚richtig-falsch’ erfasst werden kann. Dies gilt für die englische Sprache in ganz besonderer
Weise, nicht nur wegen der zahlreichen muttersprachlichen Varianten, sondern vor allem auch
im Hinblick auf die Funktion als Lingua Franca . Stattdessen geht man üblicherweise
zunächst von einem relativ breiten Spektrum akzeptabler Sprache aus, wobei akzeptabel hier
in der Praxis aber immer noch zumeist aus der Sicht von Muttersprachlern verstanden wird. 17
Des weiteren gibt es einen Bereich ungewöhnlicher und damit auch eher ungebräuchlicher
Sprache sowie schließlich inakzeptable, normverletzende Sprachäußerungen.

Sprache ist kreativ und ständig im Fluss begriffen, insofern verwendet nahezu jeder in der
Muttersprache durchaus bisweilen ungewöhnliche und auch inakzeptable Sprache. Erst in der
Häufung von Problemen in der konkreten Situation lässt sich daher die Bedeutung von
Korrektheit erkennen. Diese, der Realität wohl angemessene, Dreiteilung bleibt daher sicher
mit ihren Generalisierungen problematisch, man kann andererseits jedoch davon ausgehen,
dass trotz wachsender Toleranz und der Suche nach Differenzierungen die Sprachregeln ihre
für die Verständigung wichtige normative Rolle behalten werden. Eine Lingua Franca
                                                                                         15
integriert eine große Zahl von Varianten, aber sie kommt natürlich nicht ohne Regeln aus, die
erst eine Verständigung gewährleisten. Für praxisorientierte Sprache ist allerdings der
jeweilige Fehlertyp weniger wichtig als die Auswirkungen.

Allgemein wirken Fehler in schriftlichen Texten stärker, da hier in der Regel nicht die
Möglichkeit zu klärenden Nachfragen besteht.

Fehler können, zumal wenn sie vereinzelt auftreten und kleinere, vor allem mündliche,
Sprachproduktionen betreffen, ohne Auswirkungen bleiben, schließlich ist auch der
Sprachbebrauch von Muttersprachlern nach den Kriterien der Regelwerke keineswegs immer
fehlerfrei.

Fehler können Irritationen hervorrufen, d.h. die Beziehungsebene zwischen den
Kommunikationspartnern beeinträchtigen, indem sie Zweifel an der Zuverlässigkeit der
Ausdrucksfähigkeit begründen oder die Kommunikation mühsam werden lassen, indem sie
Nachfragen notwendig machen. Hier sind fremdsprachliche Benutzer des Englischen
sicherlich gegenüber Muttersprachlern im Nachteil, bei ihnen kommen in der Regel schneller
Zweifel auf, ob das Gesagte wirklich dem Gemeinten entspricht.

Fehler sind dann besonders schwerwiegend, wenn sie die Verständigung beeinträchtigen und
zu Miss- bzw. Fehlverständnissen führen, sei es, weil ein sogenannter Globalfehler gemacht
wurde und etwa die Satzkonstruktion misslang oder weil aus dem Fachrepertoire eine völlig
unverständliche Vokabel eingesetzt wurde.

Ihre konkrete Wirkung haben Fehler dann allerdings erst in der jeweils spezifischen
Fachpraxis. So können selbst sehr geringfügige Normverstöße, etwa in einem
Bewerbungsschreiben schwerwiegende Konsequenzen haben, so spielt die irritierende
Wirkung von Fehlern sicher in der stark von Beziehungen geprägten
Wirtschaftskommunikation eine große Rolle, während sie in den Feldern Technik und IT
zweifellos weniger relevant ist. Auch das Medium spielt hier eine Rolle. Sind auf dem
Firmenbriefkopf geschriebene Briefe eine Art Visitenkarte des Unternehmens mit
entsprechenden Ansprüchen, so werden Fehler in Emails fast als selbstverständlich akzeptiert.
Ansonsten hätte der Strunkenwhite-Virus, der Mails mit grammatischen oder lexikalischen
Fehlern blockierte, wohl kaum seine verheerende Wirkungen entfalten können.

Präzision

Die Fähigkeit zum präzisen sprachlichen Ausdruck basiert in erster Linie auf dem Umfang
des Repertoires. Eine erhebliche Herausforderung für Sprachenlernende, und dies gilt wegen
der Bedeutung der Beziehungsebene insbesondere für die Fachsprachen, besteht darin, die
Gedanken und Intentionen in der Fremdsprache möglichst genauso präzise auszudrücken wie
man das in der Muttersprache machen würde. Die entscheidende Voraussetzung in
fachbezogenen Situationen hierfür ist und bleibt neben der Beherrschung der
Fachterminologie das Vorhandensein eines möglichst umfassenden Repertoires an
allgemeinsprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten, die einen flexiblen Umgang mit
unterschiedlichen Sachverhalten und situativen Anforderungen im Hinblick auf die
Beziehungsebene ermöglichen. Dies beginnt mit einfacher Informationsvermittlung, wird aber

                                                                                          16
auf den höheren Stufen dann die Versprachlichung von Feinheiten , etwa von Gewichtungen,
und Einstellungen wie Zweifel oder Unsicherheit etc. beinhalten18

4.2. Soziolinguistische Kompetenz

Dieser Aspekt bezieht sich auf die Fähigkeit zum Erfassen der Kommunikationssituation im
Hinblick auf Ort, Zeit und Kommunikationspartner, insbesondere der sozialen
Beziehungsebene als Grundlage für die Auswahl von Elementen aus dem Repertoire. Es geht
um die Berücksichtigung sozialer Beziehungen im Sprachgebrauch, zunächst im Sinne von
Rollen, mit denen bestimmte Verhaltenserwartungen verknüpft sind, die dann auch
entsprechend sprachlich umzusetzen sind. Hiermit verbunden existiert häufig eine ‚power
relationship, also eine hierarchische bzw. Machtbeziehung, ebenfalls mit Einfluss auf den
Sprachgebrauch. Mit Kollegen wird man anders sprechen als mit dem Firmenleitern, mit
einem kleineren Zulieferer wird man anders kommunizieren als mit einem wichtigen Kunden.
Dies kann sich zum einen auf die Wortschatzverwendung beziehen, betrifft aber auch
Sprachstile wie formal oder informell und, damit zusammenhängend, die Verwendung von
Konventionen wie Anredeformen und Höflichkeitsfloskeln.

4.3. Interkulturelle Kompetenz

Hierbei handelt es sich um die Ergänzung und Ausweitung der soziokulturellen Elemente auf
die internationale Ebene. Die Berufspraxis erfordert in zunehmendem Maße auch
interkulturelle Fertigkeiten für eine angemessene und gezielte Kommunikation mit
Angehörigen fremder Kulturen mit einem Bewusstsein für Verständnisproblemen und
kulturelle Besonderheiten. Zu den spezifischen Kompetenzelementen gehören hier
insbesondere:
    - ein interkulturelles Problembewusstsein
    - Anpassungsfähigkeit
    - Aufgeschlossenheit
    - Kenntnisse der Fremdkultur
    - Kommunikationstrategien

Zunehmend wird interkulturelle Kompetenz bereits als übergeordnetes Konzept betrachtet, in
dem kommunikative Kompetenz nur noch einen Teilbereich darstellt. Es scheint jedoch noch
nicht völlig geklärt, welche spezifischen Teilkompetenzen hiermit verbunden werden und auf
welcher Stufe diese ansetzen können, zumal wenn es um eine Lingua Franca geht und nicht
um die Sprache einer bestimmten Kultur. Interkulturelle Kompetenz ist ohne Sprache nicht
vorstellbar, ebenso reichen rein linguistische Fertigkeiten in der Kommunikation mit
Vertretern fremder Kulturen häufig nicht aus. Für die Praxis heißt dies immerhin, so weit wie
geboten und möglich Elemente beider Bereiche zu integrieren. Zu diesem Bereich existiert

                                                                                          17
mittlerweile eine umfangreiche Literatur, deren Berücksichtigung jedoch den Rahmen dieses
Textes sprengen würde.19

Angemessenheit
Der zentrale qualitative Aspekt der beiden letzteren Kompetenzen ist somit der angemessene
Gebrauch      von     Sprache.    Zweifellos      stellt dies   angesichts     umfassender
Differenzierungsmöglichkeiten viele Lernende im Fremdsprachenbereich vor beträchtliche
Schwierigkeiten. Hier geht es um Präzision im Formalitätsgrad von Sprache, in Abstufungen
zwischen formal, neutral und freundschaftlich. Dieser ist abhängig von der kulturellen
Prägung und /oder der Beziehung zwischen den Kommunikationspartnern.

Der Formalitätsgrad von Sprache wird beeinflusst
   - von der Vokabelauswahl, z.B. im Hinblick auf informelle Ausdrücke oder eine
       besonders ‚gewählte’ Sprache, in der Linguistik Register genannt.
   - vom Direktheitsgrad bei der Formulierung von Anliegen, etwa zwischen einer
       unmittelbaren Aufforderungen oder einer mit umfassenden Höflichkeitsformeln
       versehenen Bitte
   - vom Einsatz von Höflichkeitskonventionen, wie z.B. Bedauern , Entschuldigungen
   - von Begrüßungs- und Anredeformeln

Angesichts ständig zunehmender internationaler Kontakte ist davon auszugehen, dass
insbesondere die interkulturell orientierte Angemessenheit eine zunehmend größere
Bedeutung im Sprachenlernen einnehmen wird.

4.4. Strategisch-rhetorische Kompetenz

Diese bezieht sich auf den Einsatz des sprachlichen Repertoires in der Interaktion, auch unter
Berücksichtigung sozialer sowie ggf. interkultureller Faktoren. Als solche beinhaltet sie u.a.
eine sogenannte Diskurskompetenz, also einen kritisch-analytischen Umgang mit
Kommunikation, und die Fähigkeit zum kompetenten Umgang mit Texten unter
Berücksichtigung rhetorischer Mittel

Für die Beschäftigung mit Texten spielen dann auch die linguistischen Qualitäten eine Rolle,
wie etwa Korrektheit im Textverständnis und ein möglichst hohes Maß an Präzision. Hinzu
tritt hier ein angemessenes Verständnis der Wirkungselemente des Textes im Kontext des
sozio-kulturellen Hintergrundes. Hier geht es vor allem um die affektive Wirkung von
Sprache, um die Wirkungen auf die Beziehungsebene.

Aus dieser Aufstellung wird deutlich, dass praxisbezogene Kommunikation ein breites
Spektrum an Kompetenzanforderungen enthält, darunter auch Fachkenntnisse sowie
bewusstseinsgesteuerte kognitive und soziale Strategien. Diese sind zwar sehr schwierig von
Sprachkompetenz zu trennen und spielen auch zweifellos eine Rolle, ein gezieltes Training
solcher Bereiche geht aber wohl in aller Regel über die realen Möglichkeiten der organisierten
Sprachenausbildung hinaus. Insofern spricht vieles für eine interdisziplinäre Integration von
verschiedenen Bereichen im Sprachenlernen, wo immer dies möglich ist, und für eine
Beschäftigung mit Sprache in umfassenden Kontexten.

                                                                                           18
Flüssiger Sprachgebrauch
Flüssigkeit resultiert aus der optimalen Nutzung der vorhandenen Sprachressourcen auf einer
bestimmten Kompetenzebene. Die Formulierung von Gedanken dauert immer länger, wenn
dies zunächst in der Muttersprache geschieht und dann übersetzt werden muss. Wer sich
dabei zu viel vornimmt und sich auf eine hohe Sprachebene mit komplexen Strukturen begibt,
ohne dafür über das entsprechende Repertoire zu verfügen, der wird leicht ins Stocken
geraten. In diesem Fall ist es empfehlenswert, zunächst bewusst auf den Einsatz komplexer
Sprachmittel zu verzichten und die Sprachproduktion an den vorhandenen Ressourcen
auszurichten. Langfristig ist dann die Fähigkeit zum unmittelbaren Formulieren in der
Fremdsprache der beste Weg zur Flüssigkeit im Sprachgebrauch.

Zunächst impliziert Flüssigkeit beim Sprechen die Vermeidung störender Unterbrechungen
auf der Suche nach Vokabeln und Strukturen , dies ist nur gewährleistet, wenn die
Abrufbarkeit des Repertoires auf einer bestimmten Stufe funktioniert und ein unrealistisches
Bemühen um die Formulierung komplexerer Sachverhalte nicht zu Problemen führt. Ein
anderer Aspekt von Flüssigkeit ist in diesem Zusammenhang die Fähigkeit zur Umgehung
von Sprachflussproblemen durch die rasche Ersetzung oder Umschreibung eines nicht
vorhandenen Wortes.

Das abrufbare Repertoire sollte für die Interaktion auch Wendungen für grundlegende
Sprachfunktionen, wie Zustimmung, Ungewissheit, Zweifel etc. beinhalten, insbesondere aber
auch einen Fundus an sogenannten ‚Conversational Routines’ oder ‚Routine Phrases’,
allgemeinen Wendungen, die in ganz verschiedenen Situationen einsetzbar sind und für die
Aufrechterhaltung des Sprechflusses sehr nützlich sein können. Hierzu gehören etwa
Wendungen wie ‚you can say that again’ oder ‘it’s not as simple as that.’

 Aber ein völlig flüssiges Pidgin-English ist auch in einer Lingua Franca in der Regel nicht
akzeptabel. Insofern sind Korrektheit und Präzision auch hier wichtig. Unsicherheiten im
Bereich der Aussprache können hier ebenso störend wirken.

Beim Schreiben von Fachtexten steht ein flüssiger Stil für eine wirksame, auf den Anlass des
Schreibens bezogene,       ansprechende Präsentation mit klarer Struktur, Varianten,
anschaulichen Darstellungen und die Gedankenführung verdeutlichenden Übergängen. Auf
diese Weise kann die angestrebte Wirkung verstärkt werden, kann beim Leser die Akzeptanz
des Anliegens gefördert werden.

Auch wenn Korrektheit eine Rolle spielt, Flüssigkeit ist vor allem eine Präsentationsfertigkeit,
die im Bereich der sogenannten Pragmatik auf der affektiven Ebene wirkt. Defizite machen
Kommunikation nicht unmöglich, behindern sie aber und erschweren so das Erreichen der
angestrebten Ziele.

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